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hauses in Wien im Jahre 1965, zeigten (Abb. 2), dal~ schon damals das Divertikel, denn um ein solches handelte es sich, bestanden hatte. Am 17. Juni 1970 erfolgte nach kardialer Vorbereitung die Operation (fec. Doz. Dr. Schima). Es land sich das 12 cm groge Divertikel, welches vom Sigma ausge- hend in das Gekr/Sse der linken Flexur vorgewachsen war. Ein Zusammenhang mit dem Pankreas bestand nicht. Das Diverti- kel kcnnte in gut abgegrenzter Schicht aus dem Gekr/Sse aus- pr;ipariert werden. Die Kommunikationsstelle mit dem Sigma hatte einen. Durchmesser von etwa 2 cm. Nach Abtragung des Divertikels wurde das Sigma durch eine 2schichtige quere Naht verschlossen. Eine Einengung des Darmvolumens wurde dadurch nicht gesetzt. Das iibrige Kolon war makroskopisch unauff~llig, insbesondere fanden sich keine weiteren Diverti- kel. Das aufgeschnittene PrS.parat erwies sich innen als glatt- wandig, mit schleimhautartiger Auskleidung, die von H~imor- rhagien durchsetzt war. Histologisch bestanden die inneren Anteile der Divertikel- wand aus dicht rundzeltig infiltriertem Granulationsgewebe. Eine Schleimhautauskleidung land sich nicht. Die ~ugeren An- teile wurden von chronisch entziindlich infiltriertem Binde- und Fettgcwebe gebildet. Da Muskulatur in der Wand fehlte, handelte es sich um ein falsches Divertikel. Es ging an der Abtragungsstelle allmahlich in die entztindlich infiltrierte Dickdarmwand iiber. Postoperativ war das V611egefiihl geschwunden und der Patient konnte geheiit nach Hause enttassen werden. Er ver- starb jedoch im J:inner 1971, also 6 Monate nach der Opera- tion, auf offener Strai~e an seinem Herzleiden. Die gerichts- medizinische Obduktion ergab eine hochgradig stenosierende Koronarsklerose bei einem dilatierten Schwielenherz. Sigma und das iibrige Kolon waren unauffS.11ig. Es werden neben sogenannten falschen Divertikeln auch echte beschrieben, deren Wand analog der Darm- wand aufgebaut ist. Die echten Divertikel sired oft an- geboren oder seltener auch durch Ausweitung der t-Iaus- tren des Kolons erworben. Die falschen Divertikel sind immer erworben und stellen Schleimhautausstiilpungen dutch die Gef~ii~durchtrittsstellen der Darmmuskulatur dar. Nach Graser (4) ist die Ursache eine Stauung der venSsen Gefiit~bahn, hervorgerufen durch kardiale De- kompensation, die durch Dehnung eine Erweiterung der Durchtrittsliicken bewirkt. Ohne Zweifel spielen aber auch die intralumin~iren Druckverh~ilmisse im Darm, Kotstauung und chronische Obstipation zus~itzlich eine Rolle bei der Entstehung der falschen Divertikel (5). Ih.re Wand besteht, z umi,n, dest anf~ingiich, aus Mukosa, Submukosa und Peritonealiiberzug (3, 4). Durch statt- gefundene Entziindungen ist dieser Wandaufbau jedoch sp~iter oft nicht mehr zu erkennen. Die Diagnose der Sigmadivertikel bereitet meist keine Schwierigkeit und kann leicht durch das R~Sntgenbild gestellt werden. Die genaue Ursache des Entstehens eines einzelnen grof~en Divertikels im Darm ist unbekannt. Wegen der Komplikationsm/Sglichkeiten, wie Blutung, Perforation, Penetration usw., mug jedoch die Exstirpa- tion eines grof~en Divertikels gefordert werden. Literatur (1) M. Melarned: Arch. Surg. 81 (1960) :723. -- (2) Case report of the Mass. Gen. Hosp.: New Engl. J. Med. 257 (1957) :677. -- (3) E. Boijsen: Fortschr. a. d. Geb. d. R/Snt- geustr. 84 (1956) :760. -- (4) Graser: Archly f. klin. chit. 59 (1899) :638. -- (5) Kaufrnann: Lehrbuch der speziellen pathologischen Anatomic. Anschrlft des Verfassers: Dr. N. Fuchsjliger, I. Chirurgische Universitlitsklinik, Alser StraJle 4, A-1097 Wien IX. Aus der I. Chirurgischen UniversitS.tsklinik Wien (Vorstand: Prof. Dr. P. Fuchsig) Symptomatische Hernien bei Dickdarmkarzinom Von P. Polterauer und W. Wayand Zusarnmenfassung Es wird iiber 510 Patienten berichtet, die wegen Ko'lon- bzw. l~ektumkarzinom operiert w,urden. Bei 46 Patienten (~ 9%) land sich dabei die Nebendiagnose ,,Hernie" oder ~Zustand nach Hernienoperation in den vergangenen 4 Jahren". Das entspricht einer 5- bis 10mal h~Sheren HernienhS.ufigkeit, als im Durchschnitt bei einer gleichalterigen Bev~lkerung angenommen wird. 75% dieser Gruppe sind M;irmer, in 80/% i~ber 60 J,ahre ~lt. Die Lokalisation der Karzinome ist so, dat~ 07 85/o mit der kombinierten, digi~t,alen, rektos,igmoi~deoskopischen Untersuchung erfaLgt werden k~nnen. Es sollten daher tiber 55 Jahre alte miinnliche Hernientr'Sger vorsorglich di.g.i,tal und rektosigmodeoskopis.ch -- mit dem Ziel ein Kolon-Rektrumkarzinom auszuschlief~en -- untersucht werden. S l.l l"t"llq"tczY y 510 cases operated for colorectal carcinoma are re- ported. In 46 of these cases (~ 9%) a hernia or a hernia alrea.dy operated with:i.n the last four years was found. This is a frequency approximately 5 to 10 times higher than in a normal population of the same age group. From this group 75% were men, 80% of which 16 Acta chir. Austriaca 1973 Heft 1

Symptomatische Hernien bei Dickdarmkarzinom

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Page 1: Symptomatische Hernien bei Dickdarmkarzinom

hauses in Wien im Jahre 1965, zeigten (Abb. 2), dal~ schon damals das Divertikel, denn um ein solches handelte es sich, bestanden hatte. Am 17. Juni 1970 erfolgte nach kardialer Vorbereitung die Operation (fec. Doz. Dr. Schima). Es land sich das 12 cm groge Divertikel, welches vom Sigma ausge- hend in das Gekr/Sse der linken Flexur vorgewachsen war. Ein Zusammenhang mit dem Pankreas bestand nicht. Das Diverti- kel kcnnte in gut abgegrenzter Schicht aus dem Gekr/Sse aus- pr;ipariert werden. Die Kommunikationsstelle mit dem Sigma hatte einen. Durchmesser von etwa 2 cm. Nach Abtragung des Divertikels wurde das Sigma durch eine 2schichtige quere Naht verschlossen. Eine Einengung des Darmvolumens wurde dadurch nicht gesetzt. Das iibrige Kolon war makroskopisch unauff~llig, insbesondere fanden sich keine weiteren Diverti- kel. Das aufgeschnittene PrS.parat erwies sich innen als glatt- wandig, mit schleimhautartiger Auskleidung, die von H~imor- rhagien durchsetzt war.

Histologisch bestanden die inneren Anteile der Divertikel- wand aus dicht rundzeltig infiltriertem Granulationsgewebe. Eine Schleimhautauskleidung land sich nicht. Die ~ugeren An- teile wurden von chronisch entziindlich infiltriertem Binde- und Fettgcwebe gebildet. Da Muskulatur in der Wand fehlte, handelte es sich um ein falsches Divertikel. Es ging an der Abtragungsstelle allmahlich in die entztindlich infiltrierte Dickdarmwand iiber.

Postoperativ war das V611egefiihl geschwunden und der Patient konnte geheiit nach Hause enttassen werden. Er ver- starb jedoch im J:inner 1971, also 6 Monate nach der Opera- tion, auf offener Strai~e an seinem Herzleiden. Die gerichts- medizinische Obduktion ergab eine hochgradig stenosierende Koronarsklerose bei einem dilatierten Schwielenherz. Sigma und das iibrige Kolon waren unauffS.11ig.

Es werden neben sogenannten falschen Divertikeln auch echte beschrieben, deren Wand analog der Darm- wand aufgebaut ist. Die echten Divertikel sired oft an-

geboren oder seltener auch durch Ausweitung der t-Iaus- tren des Kolons erworben. Die falschen Divertikel sind immer erworben und stellen Schleimhautausstiilpungen dutch die Gef~ii~durchtrittsstellen der Darmmuskulatur dar. Nach Graser (4) ist die Ursache eine Stauung der venSsen Gefiit~bahn, hervorgerufen durch kardiale De- kompensation, die durch Dehnung eine Erweiterung der Durchtrittsliicken bewirkt. Ohne Zweifel spielen aber auch die intralumin~iren Druckverh~ilmisse im Darm, Kotstauung und chronische Obstipation zus~itzlich eine Rolle bei der Entstehung der falschen Divertikel (5). Ih.re Wand besteht, z umi,n, dest anf~ingiich, aus Mukosa, Submukosa und Peritonealiiberzug (3, 4). Durch statt- gefundene Entziindungen ist dieser Wandaufbau jedoch sp~iter oft nicht mehr zu erkennen.

Die Diagnose der Sigmadivertikel bereitet meist keine Schwierigkeit und kann leicht durch das R~Sntgenbild gestellt werden. Die genaue Ursache des Entstehens eines einzelnen grof~en Divertikels im Darm ist unbekannt. Wegen der Komplikationsm/Sglichkeiten, wie Blutung, Perforation, Penetration usw., mug jedoch die Exstirpa- tion eines grof~en Divertikels gefordert werden.

Literatur

(1) M. Melarned: Arch. Surg. 81 (1960) :723. - - (2) Case report of the Mass. Gen. Hosp.: New Engl. J. Med. 257 (1957) :677. - - (3) E. Boijsen: Fortschr. a. d. Geb. d. R/Snt- geustr. 84 (1956) :760. - - (4) Graser: Archly f. klin. chit. 59 (1899) :638. - - (5) Kaufrnann: Lehrbuch der speziellen pathologischen Anatomic.

Anschrlft des Verfassers: Dr. N. Fuchsjliger, I. Chirurgische Universitlitsklinik, Alser StraJle 4, A-1097 Wien IX.

Aus der I. Chirurgischen UniversitS.tsklinik Wien (Vorstand: Prof. Dr. P. Fuchsig)

Symptomatische Hernien bei Dickdarmkarzinom Von P. Polterauer und W. Wayand

Zusarnmenfassung

Es wird iiber 510 Patienten berichtet, die wegen Ko'lon- bzw. l~ektumkarzinom operiert w,urden. Bei 46 Patienten ( ~ 9%) land sich dabei die Nebendiagnose ,,Hernie" oder ~Zustand nach Hernienoperation in den vergangenen 4 Jahren". Das entspricht einer 5- bis 10mal h~Sheren HernienhS.ufigkeit, als im Durchschnitt bei einer gleichalterigen Bev~lkerung angenommen wird. 75% dieser Gruppe sind M;irmer, in 80/% i~ber 60 J,ahre ~lt. Die Lokalisation der Karzinome ist so, dat~ 07 85/o mit der kombinierten, digi~t,alen, rektos,igmoi~deoskopischen Untersuchung erfaLgt werden k~nnen. Es sollten daher

tiber 55 Jahre alte miinnliche Hernientr'Sger vorsorglich di.g.i,tal und rektosigmodeoskopis.ch - - mit dem Ziel ein Kolon-Rektrumkarzinom auszuschlief~en - - untersucht werden.

S l.l l"t"l lq"t cz Y y

510 cases operated for colorectal carcinoma are re- ported. In 46 of these cases ( ~ 9%) a hernia or a hernia alrea.dy operated with:i.n the last four years was found. This is a frequency approximately 5 to 10 times higher than in a normal populat ion of the same age group. From this group 75% were men, 80% of which

16 Acta chir. Austriaca 1973 Heft 1

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were over 60 years of age. 85% of the carcinoma could be detected by means of combined digital and recto- sigmoideoscopic examination. Therefore all male pa- tients more than 55 years old with hermas should be examined in order to attem, pt earlier detection of colo- rectal carcinoma.

Unter dem Begriff ,,symptomatische Hernien" sind Briiche der Bauchwand zu verstehen, die im Zusammen- hang mit anderen abdominellen (1) oder gleichzeitig mit Erkrankungen des respiratorischen Systems auftreten (Emphysem, Bronchitis). Unter 510 in den Jahren 1965 bis 1970 an der I. Chirurgischen Universitgtsklinik Wien operierten Kolon- und Rektumkarzinomen fanden sich 46 Patienten, das sind 9 ~ , mit der Nebendiagnose ,,Hernie" oder ,,Zustand nach Hernienoperation" in den letzten 4 Jahren vor der Aufnahme.

Ohne Spekulationen iib,er .4i,e Ktiolog~ie solcher Her- n ien (i;rttraabdomi,nelle Dru&steigerung, Gewichtsverlust, Obstipation, Bindegewebsschw~iche) nachgehen zu wollen, erschien uns die Tatsache einer n~iheren Untersuchung wert, dat~ unter unseren Patienten mit Kolon-Rektum- karzinomen eine Hernie 5- bis 10mal h~iufiger vor- kommt als in der durchschnittlichen Bev61kerung mit 0,9 bis 2~v/o gleichen Alters (2).

Krankengut

46 Patienten, davon 35 M~.nner (mittleres Alter 65,7 Jahre), 11 Frauen (mitderes Alter 64,5 Jahre). 80% der untersu&ten Gruppe sind tiber 60 Jahre alt (Abb. 1).

F ' rauen 7 6 5 4 3

40 45 50 55 60 65 70 75 BO 8 5 = ~

Abb. 1. Ahersverteilung.

Die Hernien verteilen sich ihrer Lokalisation nach wie in Tabelle 1 angegeben.

Tab. 1.

Inguinal Umbilikal Ventral

M~nner 8 li 10 re 8 bds 7 2 Frauen 1 li 2 re 2 bds 6 0

Das deutliche Oberwiegen der Inguiilalhernien (74%) bei M~nnern sowie der Umbilikalhernien (55%) bei Frauen be- stkitigt die Angaben der Literatur (3).

Die Differenzierung der Karzinomanamnesen ergab folgen, des Leitsymptom tier H~iuiigkeit nach: 39% Blur

im Stuhl, 23,5% Gewichtsverlust, 12,5% Ver~nderung der Stuhlgewohnheiten, 12,5% Diarrhoen und 12,5% Wen esmen.

Die Lokalisation der Karzinome ergibt nach Abbil- dung 2, dal~ 85% der Karzinome, der yon uns unter- suchten Gruppen mit der kombinierten digitalen und rektosigmoideoskopis&en Untersuchung erfaf~t werden und nur 15% einer Irrigoskopie bedtirfen (11, 12, 13).

Abb. 2. Lokalisation.

Eine Korrelation zwischen Stadium der Karzinom- ausbreitung und Auftreten der Hernie konnte nicht ge- funden werden: 40 (''. /o der Resektionspr~iparate zeigten in der histologischen Untersuchung geschwulstfreie Lymph- knoten.

Bemerkenswert erscheint, dal~ in Hinbli& auf das hohe Alter unserer Patienten relativ wenige interne Krankheiten als weitere Diagnosen aufscheinen, die als zus~itzliche disponierende Faktoren f~ir das Auftreten einer symptoma6schen Hernie verantwortlich gemacht werden 'k6nnten: 3 Patienten mit Emphysembronchitis, 2 Patienten mit Leberzirrhose und 1 Patient mit Asthma bronchiale.

2 Patienten kamen wegen der rezent aufgetretenen Hernie zum Arzt, w~ihrend sie wiederholt aufgetretene Blutbeimengungen im Stuhl ignoriert hatten.

Bei 3 Patienten handelte es sich um Rezidive nach teilw;eise l~inger zuriickl.i:egen.der Hernienoperation.

Bei 2 Patienten war es zur deutlichen Vergr/Sf~erung schon l~.nger bestehender kleiner Hernien gekommen.

Auf Grund der vorliegenden Fakten ergibt sich die Empfehlung, bei jedem Hernientr~.ger ab dem 55. Le- bensjahr ein Kolon-Rektumkarzi.nom durch eine rektale digitale und rektosigmoideoskopische Untersuchung, ge- gebenenfalls eine Irrigoskopie, auszuschliei~en (4).

Gesundenuntersuchung ist nur sinnvoll, wenn es ge- lingt, Kriterien fiir das Erfassen von Risikogruppen zu firMen. DaB es sich bei Hernientr~igern ab dem 55. Le- bensjahr um potentielle Karzinomtr~.ger handelt, scheint auf Grund dieser Untersuchung m/Sglich. Es wird Auf- gabe einer gezielten Nachuntersuchung jener Patienten

Acta chir. Austriaca 1973 Heft 1 17

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iiber 55 Jahre sein, die in den letzten Jahren mit der Diagnose ,,Hernie" bei uns zur Aufnahme kamen, dieses Problem eingehender zu studieren.

Literatur

(I) J. Maurath und D. Franke: Die sogenannte symptomati- sche Hernie und deren Bruchzufiitle. Ferdinand Enke, Stutt- gart 1964. - - (2) Wullstein und Wilms: Lehrbuch der Chirur- gie. 2/1, S. 262. Gustav Fischer, Jena 1909. - - (3) W. Seidel, F. Spelsberg, O. Wiedring und R. Zenker: Dtsch. med. Wschr. 97 (1972) :963. - - (4) J. W. Maxwell jr., W. C. Davis und F. C. Jackson: Surg. Clin. N. Americ. 45 (1965):1165. - - (5) H. Becker, A. Donh6fer und E. Ungeheuer: Chirurg 43

(1972) :58. - - (6) Grewe und H. J. Di*'well: Med. Klin. 56 (1961) : 1565. - - (7) N. L. Terezis, W. C. Davis und F. C. Jackson: New Engl. J. Med. 268 (1963):776. - - (8) J. W. Maxwell, W. C. Davis jr., und F. C. Jackson: Surg. Clin. North. Am. 45 (1965) : 1165. - - (9) W. C. Davis und F. C. Jackson: CA 18:143--145, (1968) :14. - - (10) C. C. Craig- head, A. M. Cotlar und K. Moore: Ann. Surg. 159 (1964) : 987. - - (11) C. R. Mota: New Engl. J. Med. 284 (1971): 1042. - - (12) T. H. Brendel und I. E. Kirsh: New Engl. J. Med. 284 (1971) : 369. - - (13) G. L. Juler, E. A. Stemmer und R. W. Fullerman: Arch. of Surg. 104 (1972) :778.

Anschrift der Verfasser: Dr. P. Polterauer und Dr. W. Wayand, I. Chirurgische Universitlitsklinik, Alser Strafle 4, A-1090 Wien IX.

Aus der Unfallstation (Leiter: Prof. Dr. H. Springier*) an der I. Chirurgischen Universit~itsklinik Wien (Vorstand: Professor Dr. P. Fuchsig)

Zur Frage cler verziSgerien Bruchheilung I)zw. Pseucloarihrosenl)ildung nach Rush-Nagelung I)ei Ol:)erarml)riJchen

Von H. Martinek

Zusammenfassung

Die dem Rush-Pin angeschuldigte verz6gerte Bruch- heilung wird an Hand von 48 gepinnten Oberarmfrak- turen im wesentlichen widerlegt. Pseudoarthrosen und verz6gerte Bruchheilung treten meist nut nach techni- schen Fehlern auf. Auf solche, besonders h~iufige Fehler, die einen Mil]erfolg verschulden k/Snnen, wird hinge- wiesen.

Summary

By 48 different cases of pinned humerus fractures it should be demonstrated, that delayed healing of bone fragments is not caused by the Rush-Pin. Formation of pseudoarthrosis and delayed healing of fractured bones occur only as a result of technical mistakes. It is referred to such errors, which are in the most cases the cause for such failures.

W~hrend L. B6hler die operative Behandlung der frischen Oberarmfraktur ,,aus den Lehrbiichern gestri- chen" sehen will, wurden von anderer Seite genaue Richtlinien fiir die Indikat ion zur Operat ion gegeben (H. Springier, 1962, R. Tuncay, 1967). Als Indikat ion f~ir ein operatives Vorgehen gelten heute folgende Kri- terien: 1. Nicht reponierbare Fraktur, 2. offene Fraktur

*) Jetzt Vorstand der Lehrkanzel fiir Unfallchirurgie II an der II. Chirurgischen Universit~itsklinik Wien (Vorstand: Pro- fessor Dr. J. Navratil).

mit Weichteilverletzung, 3. Gef[if~verletzung, 4. Nerven- verletzung und 5. multipel traumatisierte Patienten.

Die angegebenen Methoden zur Stabilisierung der Humerusfrakturen reichen vom Bohrdraht iiber den Rush-Pin, der Biindelnagelung nach Hackethal und dem Marknagel bis zur Druckplatte. Durch Muskelzug kommt es h~iufig zu betr~chtlichen Dislokationen. Nach genii- gender Schmerzausschaltung gelingt die Reposition meist sehr leicht, die Schwierigkeit beginnt mit der Retention in guter Stellung. In diesen F~illen gewinnt jede Methode an Bedeutung, die ohne wesentliche Belastung des Patien- ten eine Retention der bereits reponierten Fraktur ge- w~.hrleistet, selbst wenn sie keine i.ibungsstabile Fixation bewirkt.

Die in den Jahren 1933 bis 1949 yon den Briidern Rush entwickelte und 5fter modifizierte Methode der intramedull~ren Fixation bietet sich an. Sie ist ohne wesentliches Risiko fiir den Patienten durchfiihrbar, er- fordert ein Minimum an Zeit und Aufwand und bewirkt mit einem meist notwendigen Gipsverband eine ausrei- chende Stabilisierung. Die Tatsache, daf~ nicht immer eine iibungsstabile Fixation erreicht werden kann, er- scheint hier nicht so sehr als Nachteil, da der Pin nut die stiindige Redislokation verhindern soil.

H. Gelbke, der 1950 diese Methode im deutschen Sprach- raum eingefiihrt hat, sieht ihren Wert vor allem in der ein- fachen und raschen Durchf[ihrbarkeit, wodurch die Anwen- dung auch im kleinen Krankenhaus m~glich wird. Seiner Mei- hung nach hat es keinen Sinn eine stabile Osteosynthese zu erzwingen, wenn dieser Versuch mit einem h6heren Risiko

18 Acta chir. Austriaca 1973 Heft 1