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Synchronizitäts-Symposium in Küsnacht 1. Einleitung Am 6. 7. 2011 fand am C.G. Jung Institut in Küsnacht aus Anlass des 50. Todestages von Jung ein Symposium zum Thema "Synchronizität aus der Sicht C. G. Jungs und Wolfgang Paulis. Ein Dialog zwischen Naturwissenschaft und Tiefenpsychologie" statt. Dazu gab es drei Vorträge. Harald Atmanspacher (www.igpp.de/english/tda/cv/cv_ha.htm ), Chef des Bereichs »Theorie und Datenanalyse« am Freiburger Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene sprach über den Pauli-Jung-Dialog. Die Therapeutin und Theologin Ingrid Riedel sprach über die Bedeutung des »Sinns« bei synchronistischen Phänomenen und das Ehepaar Görnitz – sie Psychologin, er emeritierter Professor für Didaktik der Physik an der Universität Frankfurt (web.uni- frankfurt.de/fb13/didaktik/Goernitz/) und ehemaliger Mitarbeiter von C. F. v. Weizsäcker – sprach über »quantenphysikalische und tiefenpsychologische Perspektiven bei der Synchronizität«. 2. Der Pauli-Jung-Dialog Atmanspacher ist einer der wenigen Physiker, der sich intensiv mit der Zusammenarbeit von Pauli und Jung befasst und dazu neben zwei einflussreichen Büchern ("Der Pauli-Jung Dialog und seine Bedeutung für die moderne Wissenschaft" und "Recasting Reality: Wolfgang Pauli's Philosophical Ideas and Contemporary Science") auch eine Reihe von Artikeln zu diesem Thema veröffentlicht hat. Er ist zudem regelmäßig Gastdozent am C.G. Institut in Zürich. In seinem Vortrag widmete er sich insbesondere dem Quantenholismus. Dieser Begriff geht im Grunde auf das berühmte Gedankenexperiment von Einstein, Podolsky und Rosen zurück. Die daraus folgende »Nicht-Lokalität« der Quantentheorie legt im Falle von Zustandsverschränkungen zweier Quantensysteme zwar die Beschreibung das Gesamtsystem für bestimmte Observablen fest. Dabei besitzt jedoch keines der beiden Einzelsysteme einen definiten Wert (etwa des Ortes oder des Impulses). Pauli war hier seinen zeitgenössischen Mitstreitern Einstein, Bohr und Heisenberg voraus. Gegen Bohrs "losgelösten" Beobachter setzte er seinen "verschränkten" Beobachter und den Quantenholismus, womit er inhaltlich die Debatte gegen Einsteins Versuche, den Indeterminismus und Zufall aus der Physik zu verbannen, beherrschte. Auch seine enge Freundschaft mit Heisenberg überdauerten dessen zwanghafte Suche nach der Weltformel nicht, wie folgende berühmte Karikatur zeigt ("This is to show the world, that I can paint like Tizian. Only technical details are missing"):

Synchronizitäts-Symposium am C.G. Jung Institut

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Am 6. 7. 2011 fand am C.G. Jung Institut in Küsnacht aus Anlass des 50. Todestages von Jung ein Symposium zum Thema "Synchronizität aus der Sicht C. G. Jungs und Wolfgang Paulis. Ein Dialog zwischen Naturwissenschaft und Tiefenpsychologie" statt. Dazu gab es drei Vorträge.Harald Atmanspacher (www.igpp.de/english/tda/cv/cv_ha.htm), Chef des Bereichs »Theorie und Datenanalyse« am Freiburger Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene sprach über den Pauli-Jung-Dialog. Die Therapeutin und Theologin Ingrid Riedel sprach über die Bedeutung des »Sinns« bei synchronistischen Phänomenen und das Ehepaar Görnitz – sie Psychologin, er emeritierter Professor für Didaktik der Physik an der Universität Frankfurt (web.uni-frankfurt.de/fb13/didaktik/Goernitz/) und ehemaliger Mitarbeiter von C. F. v. Weizsäcker – sprach über »quantenphysikalische und tiefenpsychologische Perspektiven bei der Synchronizität«.

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Synchronizitäts-Symposium in Küsnacht

1. Einleitung

Am 6. 7. 2011 fand am C.G. Jung Institut in Küsnacht aus Anlass des 50. Todestages von Jung ein Symposium zum Thema "Synchronizität aus der Sicht C. G. Jungs und Wolfgang Paulis. Ein Dialog zwischen Naturwissenschaft und Tiefenpsychologie" statt. Dazu gab es drei Vorträge.

Harald Atmanspacher (www.igpp.de/english/tda/cv/cv_ha.htm), Chef des Bereichs »Theorie und Datenanalyse« am Freiburger Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene sprach über den Pauli-Jung-Dialog. Die Therapeutin und Theologin Ingrid Riedel sprach über die Bedeutung des »Sinns« bei synchronistischen Phänomenen und das Ehepaar Görnitz – sie Psychologin, er emeritierter Professor für Didaktik der Physik an der Universität Frankfurt (web.uni-

frankfurt.de/fb13/didaktik/Goernitz/) und ehemaliger Mitarbeiter von C. F. v. Weizsäcker – sprach über »quantenphysikalische und tiefenpsychologische Perspektiven bei der Synchronizität«.

2. Der Pauli-Jung-Dialog

Atmanspacher ist einer der wenigen Physiker, der sich intensiv mit der Zusammenarbeit von Pauli und Jung befasst und dazu neben zwei einflussreichen Büchern ("Der Pauli-Jung Dialog und seine Bedeutung für die moderne Wissenschaft" und "Recasting Reality: Wolfgang Pauli's Philosophical Ideas and Contemporary Science") auch eine Reihe von Artikeln zu diesem Thema veröffentlicht hat. Er ist zudem regelmäßig Gastdozent am C.G. Institut in Zürich.

In seinem Vortrag widmete er sich insbesondere dem Quantenholismus. Dieser Begriff geht im Grunde auf das berühmte Gedankenexperiment von Einstein, Podolsky und Rosen zurück. Die daraus folgende »Nicht-Lokalität« der Quantentheorie legt im Falle von Zustandsverschränkungen zweier Quantensysteme zwar die Beschreibung das Gesamtsystem für bestimmte Observablen fest. Dabei besitzt jedoch keines der beiden Einzelsysteme einen definiten Wert (etwa des Ortes oder des Impulses). Pauli war hier seinen zeitgenössischen Mitstreitern Einstein, Bohr und Heisenberg voraus. Gegen Bohrs "losgelösten" Beobachter setzte er seinen "verschränkten" Beobachter und den Quantenholismus, womit er inhaltlich die Debatte gegen Einsteins Versuche, den Indeterminismus und Zufall aus der Physik zu verbannen, beherrschte. Auch seine enge Freundschaft mit Heisenberg überdauerten dessen zwanghafte Suche nach der Weltformel nicht, wie folgende berühmte Karikatur zeigt ("This is to show the world, that I can paint like Tizian. Only technical details are missing"):

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Figur 1: »Pauli und Tizian«

Mit seinem holistischen Verständnis der Quantentheorie fand Pauli dann auch eine physikalische Metapher für Jungs Begriff des Kollektiven Unbewussten und er brachte Jung selbst dazu, seine Vorstellung von Archetypen in späteren Jahren zu revidieren. Für Jung waren anfangs die Archetypen noch transzendentale Elemente (Anima, Selbst, Zahl, etc.), die als solche nicht direkt erfahrbar, jedoch durch ihre bewussten Manifestationen indirekt zugänglich sind. Später sah er dann in ihnen metaphysische Strukturelemente. Paulis Einfluss auf Jung wird in einem Brief an seinen Vertrauten Markus Fierz im Januar 1948 deutlich:

Das Ordnende und Regulierende muss jenseits der Unterscheidung von ‘physisch’

und ‘psychisch’ gestellt werden – so wie Plato’s ‘Ideen’ etwas von Begriffen und auch etwas von ‘Naturkräften’ haben (sie erzeugen von sich aus Wirkungen). Ich bin sehr

dafür, dieses ‘Ordnende und Regulierende’ ‘Archetypen’ zu nennen; es wäre dann aber

unzulässig, diese als psychische Inhalte zu definieren. Vielmehr sind die erwähnten inneren Bilder (‘Dominanten des kollektiven Unbewussten’ nach Jung) die psychische

Manifestation der Archetypen, die aber auch alles Naturgesetzliche im Verhalten der

Körperwelt hervorbringen, erzeugen, bedingen müssten. Die Naturgesetze der Körperwelt wären dann die physikalische Manifestation der Archetypen. Es sollte

dann jedes Naturgesetz eine Entsprechung innen haben und umgekehrt, wenn man

auch heute das nicht immer unmittelbar sehen kann.

Archetypen stehen damit außerhalb von Psyche und Materie, sind sie ja "Ordnende und Regulierende" in beiden Bereichen, aber trotzdem manifestiert sich ein Archetyp

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eben auch materiell, wenn er sich denn manifestiert. Eine Ontologie im Sinne Paulis und Jungs sähe dann folgendermaßen aus:

Figur 2: Ontischer Dualismus

Die bidirektionalen Beziehungen zwischen Unus Mundus und mentalem bzw. materiellem Bereich, zwischen Psyche und Materie heben die von Descartes eingeführte Trennung von denkender Substanz – der »res cogitans« und bloßer Materie – der »res extensa« wieder auf. Pauli war es, der in seinem Keplerpapier ("Der Einfluss archetypischer Vorstellungen auf die Bildung naturwissenschaftlicher Theorien bei Kepler"), das zusammen mit Jungs Aufsatz über die Synchronizität veröffentlich wurde, den auf Descartes zurückgehenden Dualismus mit den Gegensatzpaaren Geist-Körper bzw. Denken-Materie zu überwinden trachtete. Synchronistische Phänomene galten für beide als "epistemische Indikatoren der ontischen Ganzheit des Unus Mundus": Für Jung lag der Schlüssel zum Verständnis solcher Phänomene beim Begriff der Bedeutung, beim Sinn. Da Sinnhaftigkeit jedoch keine naturwissenschaftliche Kategorie ist, repräsentieren synchronistische Phänomene für Pauli einen »dritten Typus von Naturgesetzen« und tragen zu einem erweiterten Verständnis der Rolle von Statistik in der Physik bei. Dazu schrieb er im Jahre 1952:

Synchronizitätsphänomene im engeren Sinne entziehen sich der Einfangung in Natur-‘gesetze’, da sie nicht-reproduzierbar, d.h. einmalig, sind und durch die Statistik großer

Zahlen verwischt werden. In der Physik dagegen sind die ‘Akausalitäten’ gerade durch

statistische Gesetze (großer Zahlen) erfassbar. — Gesucht: ein Typus von Naturgesetzen, der in einer ‘Korrektur der Schwankungen des Zufalls durch sinnhafte

oder zweckmäßige Koinzidenzen nicht kausal verbundener Ereignisse besteht’.

Mir persönlich wäre es viel lieber, mit allezeit reproduzierbaren akausalen Anordnungen (incl. Quantenphysik) zu beginnen und zu versuchen, die

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psychophysichen Zusammenhänge als Sonderfall dieser allgemeinen Spezies von

Zusammenhängen zu begreifen.

3. Sinn und Synchronizität

Zum 2. Vortrag von Ingrid Riedel über die Bedeutung des »Sinns« bei synchronistischen Phänomenen gab es leider keine Unterlagen. Darüber hinaus wurde vom Manuskript abgelesen, so dass es sehr schwer fiel, sich Notizen zu machen, daher die Kürze der Darstellung. Für Riedel ist die Sinnhaftigkeit als Archetyp eine anthropologische Konstante. Wie jeder Archetyp ist er nur symbolisch in Form von Träumen oder Phantasien zu erfahren. Und je intensiver man sich auf eine Sinnfindung begibt, desto eher wird man die Sinnhaftigkeit von Erlebnissen im Leben wahrnehmen. Dieser Prozess führt dann fast zwangsläufig zu synchronistischen Phänomenen.

4. Quantenphysikalische und tiefenpsychologische Aspekte der Synchronizität

Görnitz' Vortrag basierte auf einem neuen Materiebegriff. Die Quanteninformation versteht er als eine "geistige" Struktur, als Grundstruktur der Wirklichkeit. Quantenbits (Qubit) sind die Grundeinheit eines beliebig manipulierbaren Quantensystems, das zwei Zustände einnehmen kann. Seit Einstein wissen wir, dass Materie äquivalent zur Bewegung m = E/c2 ist. Görnitz stellt dem "seine" Gleichung zur Quanteninformation gegenüber: m = Nh/c2tKosmos 6π, wobei N die Anzahl der Qubits ist, um zu zeigen dass Materie und Energie aus Qubits aufgebaut sind. So besteht z.B. ein Proton aus 1041 Qubits.

Pauli sprach in seiner »Hintergrundsphysik« davon, das Unbewusste in die quantentheoretische Naturbeschreibung mit einzubeziehen:

"Die finale Betrachtungsweise muss in der Produktion der »Hintergrundsphysik«

durch das Unbewusste des modernen Menschen eine Zielrichtung auf eine künftige, Physis und Psyche einheitlich umfassende Naturbeschreibung erblicken, von der wir

heute nur eine vorwissenschaftliche Stufe erleben."

Pauli erkannte also schon die verblüffende Ähnlichkeit von Unbewussten und Quantischem. Görnitz stellt diese Analogien gegenüber und erhält damit den von Atmanspacher skizzierten ontischen Dualismus zwischen Quantischem und dem kollektiven Unbewussten in anderer Form:

Unbewusstes Quantisches

kennt nicht Raum oder Zeit, Nichtlokalität in Raum und Zeit

kennt keine Kausalität, klassische Kausalität gilt nicht

kennt keine diskursive Logik, »tertium non datur« gilt nicht

kennt kein »Nein« und Selbst bei einer einfachen Alternative (ja-nein) ist das »Nein« nicht eindeutig

ist ambivalent Wenn ein Zustand vorhanden ist, so können noch andere gefunden werden

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Ausgehend von dieser Analogie versteht Görnitz das Bewusstsein als Quanteninformation, die sich selbst erlebt und kennt. Über die Quanteninformation kommt er dann zu seinem fundamentalen Begriff der »Protyposis«, die – entsprechend den Zuständen von H2O in Form von Eis, Wasser und Dampf – als Materie, Energie und Information in Erscheinung tritt. Als Materie geformt leistet Protyposis Widerstand gegen Veränderung, als Energie kann sie Materie bewegen und als Information kann sie Energien auslösen. Für Görnitz ermöglicht der Begriff der Protyposis eine naturwissenschaftliche Beschreibung eines neuen Weltbildes in dem

• nicht alles möglich ist – aber sich Möglichkeiten determiniert verändern, • Fakten nicht determiniert sind – aber durch die Möglichkeiten beschränkt

sind und • der Grund des Seins – Protyposis – eher dem Geistigen als dem

Materiellen verwandt ist.

Protyposis ist der naturwissenschaftliche Ausdruck für den Unus Mundus und liefert damit u. a. ein Erklärungsmodell für synchronistische Phänomene. Görnitz unterscheidet drei Formen der Synchronizität. Die erste Form wird durch den quantentheoretischen Tunneleffekt aufgrund der Wellenlänge von Photonen in der Größenordnung des Erdradius induziert, welche eine Wechselwirkung zwischen der Psyche weit entfernter Personen ermöglicht. Die zweite Form lässt sich auf die Nicht-Lokalität – den EPR-Effekt – von Quantensystemen zurückführen. Da die Quanteninformation der Psyche verschiedener Personen korrelierte ausgedehnte Zustände mit Trägern auf allen von diesen formen kann, kann ein Faktum an einem Träger eine Änderung des Zustandes bei dem anderen erzeugen. Die dritte Form der Synchronizität basiert auf einer nichtkausalen Wechselwirkung von Information und Synchronizität. Dies entspräche dann dem »dritten Typus von Naturgesetzen« von Pauli, wie oben schon beschrieben. Die Information kann dabei mit der Sinnhaftigkeit des Ereignisses für den Betroffenen gleichgesetzt werden.

5. Schlussbemerkungen

Der Vortrag von Riedel hat einmal mehr das Dilemma aufgezeigt, das zwischen Physikern und Psychologen schon mit Paulis Rücktritt vom Vorstand des C.G. Jung Instituts zutage trat. Pauli wollte mit seinem Schritt auf das mangelnde Interesse der Psychologen an der Physik aufmerksam machen. Hier waren es die beiden Physiker Atmanspacher und Görnitz, die dem Pauli-Jung-Dialog neues Leben einhauchten. Seitens der Psychologen kam dagegen nicht wirklich Interessantes.

In einem persönlichen Gespräch mit dem Ehepaar Görnitz habe ich kurz von unseren Vorhaben berichtet, Erklärungsmetapher vor Aufstellungsphänomene zu untersuchen. Görnitz meinte, dass sein Protyposis-Ansatz "natürlich" auch für Aufstellungs-phänomene gelten könne. Also müssen wir uns wohl damit näher beschäftigen.