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Systematischer Kommentar zur Strafprozessordnung: SK-StPO Mit GVG und EMRK von Prof. Dr. Jürgen Wolter 4. Auflage Systematischer Kommentar zur Strafprozessordnung: SK-StPO – Wolter schnell und portofrei erhältlich bei beck-shop.de DIE FACHBUCHHANDLUNG Carl Heymanns Köln 2011 Verlag C.H. Beck im Internet: www.beck.de ISBN 978 3 452 27326 0

Systematischer Kommentar Zur Strafprozessordnung

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hinweise zur strafprozessordnung

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  • Systematischer Kommentar zur Strafprozessordnung: SK-StPO

    Mit GVG und EMRK

    vonProf. Dr. Jrgen Wolter

    4. Auflage

    Systematischer Kommentar zur Strafprozessordnung: SK-StPO Wolter

    schnell und portofrei erhltlich bei beck-shop.de DIE FACHBUCHHANDLUNG

    Carl Heymanns Kln 2011

    Verlag C.H. Beck im Internet:www.beck.de

    ISBN 978 3 452 27326 0

  • {luchterh_neu}20100011_Rudolphi/Kap02.3d 9.6.10 S. 437

    behrden zu den Polizeibehrden auch daraus, dass 481 Abs. 1 S. 1, 2 die bermittlung zwareinschrnkungslos zulsst, jedoch ber 481 Abs. 2 auf die Verwendungsbeschrnkung nach 477 Abs. 2 S. 3 verweist.51Nach 163d ist es gestattet, die bei einer Personenkontrolle nach 111 anfallenden Daten

    ber die Identitt von Personen sowie ber Umstnde, die fr die Aufklrung der Straftat oderdie Ergreifung des Tters von Bedeutung sein knnen, in einer Datei zu speichern,wenn Tat-sachen die Annahme rechtfertigen, dass die Auswertung der Daten zur Ergreifung des Ttersoder zur Aufklrung der Straftat fhren kann und die Manahme nicht auer Verhltnis zur Be-deutung der Sache steht.52

    F. Rechtsmittel und Verwertungsverbote

    Die Anordnung, Kontrollstellen einzurichten, ist, da sie selbst noch nicht in Grundrechte derBrger eingreift, nicht anfechtbar (vgl. o. Rn.# 17). Gleiches gilt fr eine richterliche Besttigung(dazu Rn.# 18). Beschwert sind die Betroffenen jedoch insbesondere durch das Anhalten (Rn.# 21),die Identif izierungsmanahmen (Rn.# 22 f.) und die Beweismitteldurchsuchung (Rn.# 24). Sinddiese noch nicht beendet, so kann der Betroffene gegen diese Manahmen in entsprechenderAnwendung des 98 Abs. 2 S. 2 das Gericht anrufen.53 Noch nicht erledigt ist die Manahmeauch, wenn die bei der Personenkontrolle nach 111 zu dem Betroffenen angefallenen Datennach 163d in einer Datei gespeichert sind.54 Ist die Manahme bereits erledigt, so stehtdemBetroffenen dieses Recht zu, falls er ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechts-widrigkeit der Manahme hat.55 Dies ist z.B. auch dann noch zu bejahen, wenn die Ermchti-gung zur Errichtung vonKontrollstellen noch Bestand hat und der Betroffene daher erneut einerdarauf beruhenden Durchsuchung unterzogen werden knnte.56 Der Umstand, dass durch dieerledigte Manahme in Grundrechte eingegriffen worden ist, begrndet fr sich allein nochkein berechtigtes Interesse.57 111 wird von 101 Abs. 1, 7 nicht umfasst.Ein schwerwiegender Fehler bei der Anordnung (dazu 100a Rn.# 64) kann zu einemVerwer-

    tungsverbot, seine Missachtung zur Revision fhren ( 100a Rn.# 68).58

    111a [Vorlufige Entziehung der Fahrerlaubnis]

    (1) 1Sind dringende Grnde fr die Annahme vorhanden, da die Fahrerlaubnis entzo-gen werden wird ( 69 des Strafgesetzbuches), so kann der Richter dem Beschuldigtendurch Beschlu die Fahrerlaubnis vorlufig entziehen. 2Von der vorlufigen Entzie-hung knnen bestimmte Arten von Kraftfahrzeugen ausgenommen werden, wenn be-sondereUmstnde dieAnnahme rechtfertigen, da derZweck derManahmedadurchnicht gefhrdet wird.

    (2) Die vorlufige Entziehung der Fahrerlaubnis ist aufzuheben, wenn ihr Grund weg-gefallen ist oder wenn das Gericht im Urteil die Fahrerlaubnis nicht entzieht.

    51 BT-Drucks. 16/5846, S. 67.52 DazuRogallNStZ 1986, 385 ff.; SK-StPO/Wolter (Loseblattausgabe, 16. EL 1997) 163dRn. 14 ff., 35 ff.;

    allg. KK/Nack 111 Rn. 2 (Erweiterung des 111); HK/Gercke 111 Rn. 1.53 I. Erg. ebenso BGHSt 35, 364 m. Anm. Achenbach NStZ 1989, 83 und AK-StPO 111 Rn. 39.54 BGH StV 1989, 137.55 BGHSt 36, 30; 243.56 BGH NJW 1989, 1170; vgl. auch BGHSt 36, 30.57 BGHSt 36, 242.58 Vgl. aber KK/Nack 111 Rn. 21; HK/Gercke 111 Rn. 18; LR25/Schfer 111 Rn. 36 f. (kaum vorstell-

    bar).

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    8. Abschnitt. Beschlagnahme, berwachung, Durchsuchung u.a. 111a

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    (3) 1Die vorlufige Entziehung der Fahrerlaubnis wirkt zugleich als Anordnung oderBesttigung derBeschlagnahme des von einer deutschenBehrde ausgestellten Fhrer-scheins. 2Dies gilt auch,wenn der Fhrerscheinvon einer Behrde einesMitgliedstaatesder Europischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens ber denEuropischen Wirtschaftsraum ausgestellt worden ist, sofern der Inhaber seinen or-dentlichen Wohnsitz im Inland hat.

    (4) Ist ein Fhrerschein beschlagnahmt, weil er nach 69Abs. 3 Satz 2 des Strafgesetz-buches eingezogen werden kann, und bedarf es einer richterlichen Entscheidung berdieBeschlagnahme, so tritt an deren Stelle die Entscheidung ber die vorlufige Entzie-hung der Fahrerlaubnis.

    (5) 1Ein Fhrerschein, der in Verwahrung genommen, sichergestellt oder beschlag-nahmt ist, weil er nach 69 Abs. 3 Satz 2 des Strafgesetzbuches eingezogen werdenkann, ist dem Beschuldigten zurckzugeben, wenn der Richter die vorlufige Entzie-hung der Fahrerlaubnis wegen Fehlens der in Absatz 1 bezeichneten Voraussetzungenablehnt, wenn er sie aufhebt oder wenn das Gericht im Urteil die Fahrerlaubnis nichtentzieht. 2Wird jedoch im Urteil ein Fahrverbot nach 44 des Strafgesetzbuches ver-hngt, so kann die Rckgabe des Fhrerscheins aufgeschoben werden, wenn der Be-schuldigte nicht widerspricht.

    (6) 1In anderen als in Absatz 3 Satz 2 genannten auslndischen Fhrerscheinen ist dievorlufige Entziehung der Fahrerlaubnis zu vermerken. 2Bis zur Eintragung dieses Ver-merkes kann der Fhrerschein beschlagnahmt werden ( 94 Abs. 3, 98).

    bersicht: Rn.A. Gegenstand und Zweck der

    Vorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1B. Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . 7C. Vorlufige Entziehung der

    Fahrerlaubnis (Absatz 1) . . . . . . . . . 14I. Voraussetzungen (Satz 1) . . . . . . . . . . . 14II. Richterliche Entscheidung . . . . . . . . . . 21III. Form und Verfahren . . . . . . . . . . . . . . 23IV. Ausnahme bestimmter Arten von

    Kraftfahrzeugen (Satz 2) . . . . . . . . . . . 26D. Wirkung der vorlufigen

    Entziehung der Fahrerlaubnis(Absatz 3 S. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . 30

    E. Behandlung beschlagnahmterFhrerscheine (Absatz 4) . . . . . . . . . 32

    F. Aufhebung der vorlufigenEntziehung der Fahrerlaubnis(Absatz 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35

    Rn.I. Wegfall des Grundes der vorluf igen

    Entziehung der Fahrerlaubnis . . . . . . . 36II. Mangelnder Ausspruch der Fahr-

    erlaubnisentziehung im Urteil . . . . . . . 37III. Weitere Grnde . . . . . . . . . . . . . . . . . 40IV. Zustndigkeit und Verfahren . . . . . . . . 43G. Rckgabe sichergestellter Fhrer-

    scheine (Absatz 5) . . . . . . . . . . . . . . 45I. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 45II. Zustndigkeit und Verfahren . . . . . . . . 48III. Ausnahmen bei Fahrverbot . . . . . . . . . 49H. Auslndische Fahrausweise . . . . . . . 50I. Fhrerscheine aus der Europischen

    Union und den Lndern des Europ-ischen Wirtschaftsraums (Absatz 3 S. 2) 51

    II. Andere Fhrerscheine (Absatz 6) . . . . . 52I. Rechtsbehelfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55J. Verfahren bei Mandatstrgern . . . . . 63K. Diplomatische Immunitt . . . . . . . . 64

    Literatur:v. d. Aa/Pppelmann Empf iehlt es sich, die Entziehung der Fahrerlaubnis und/oder das Fahrverbot als Haupt-strafe in das StGB aufzunehmen?, Jura 1999, 462;AngerbauerNochmals: Ausnahmen fr bestimmte Fahrzeu-garten bei der vorluf igen Entziehung der Fahrerlaubnis nach 111a StPO, NJW 1966, 2003;Arndt/GueldeGesetz zur Sicherung des Straenverkehrs, 1953; Bouska/Laeverenz Fahrerlaubnisrecht, 3. Aufl. 2004; v. Bub-noff Der vorluf ige Fahrerlaubnisentzug und die Mglichkeit von Ausnahmen fr bestimmte Kraftfahrzeu-garten, JZ 1968, 321; Bruns Die Entziehung der Fahrerlaubnis ( 42m StGB, 111a StPO), GA 1954, 161;Burchardt Zur Frage der Beschlagnahme des Fhrerscheins durch die Polizei ohne richterliche Anordnung,Die Polizei 1964, 233;CierniakBeschwerde gegen die vorluf ige Entziehung der Fahrerlaubnis undRevision,NZV 1999, 324; Cloppenburg Vorluf ige Fahrerlaubnisentziehung bei Abgeordneten, MDR 1961, 826;Dahs

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    Unzulssige Einbehaltung des Fhrerscheins durch die Polizei, NJW 1968, 632; ders. Ausnahmen fr be-stimmte Fahrzeugarten bei der vorluf igen Entziehung der Fahrerlaubnis nach 111a StPO, NJW 1966,238; Eickhoff Die Bedeutung des Verschlechterungsverbots fr die Bemessung von Fhrerscheinsperrfristenin der Berufungsinstanz, NJW 1977, 1007; EngelVorlufigeManahmen gegen Tter von Verkehrsdelikten,die nicht im Besitz einer gltigen Fahrerlaubnis sind, DAR 1984, 108; Freyschmidt Verteidigung in Straen-verkehrssachen, 9. Aufl. 2009; Fritz Entzug des Fhrerscheins durch die Polizei, MDR 1967, 724; GeppertTotale und teilweise Entziehung der Fahrerlaubnis, NJW 1971, 2154; ders. Schwierigkeiten der Sperrfristbe-messung bei vorluf iger Entziehung der Fahrerlaubnis, ZRP 1981, 85; ders.Neuere Rechtsprechung des BGHzur Entziehung der Fahrerlaubnis bei Nicht-Katalogtaten Zugleich Besprechung von BGH, Beschluss vom5.11.2002 4 StR 406/02, NStZ 2003, 288; Gollner Verschlechterungsverbot bei vorluf iger und endglti-ger Entziehung der Fahrerlaubnis,GA1975, 129;GramseVerkehrsstraftat, Fhrerscheinbeschlagnahme,Woh-nungsdurchsuchung, NZV 2002, 345; Greiner Zur Fhrerscheinbeschlagnahme aus polizeilichem Grund,Die Polizei 1971, 362;Grohmann 111a StPO in der Revision ungelste Probleme, DRiZ 1989, 138;Gb-ner/Krumm Verteidigungsstrategien bei drohender Fahrerlaubnisentziehung, NJW 2007, 2801; Guelde Dievorlufige Entziehung der Fahrerlaubnis und die Beschlagnahme des Fhrerscheins nach dem Straenver-kehrs-Sicherungsgesetz, RdK 1953, 57;Habetha Zur Anfechtbarkeit der vorlufigen Entziehung der Fahrer-laubnis nach Verurteilung durch die Strafkammer, NZV 2008, 605; Hartung Entziehung der Fahrerlaubniszum Fhren von Kraftfahrzeugen als gerichtliche Manahme der Sicherung und Besserung, DRiZ 1954,120; ders. Zweites Gesetz zur Sicherung des Straenverkehrs, 1965; ders. Das zweite Gesetz zur Sicherungdes Straenverkehrs, NJW 1965, 86; Hentschel Beschwerde gegen die vorluf ige Entziehung der Fahrerlaub-nis. Zurckweisung an den iudex a quo wegen nicht ausreichender Begrndung?, DAR 1975, 265; ders. Auf-hebung der vorluf igen Entziehung der Fahrerlaubnis nach 111a StPO, DAR 1976, 9; ders. Fortbestand dervorlufigen Fahrerlaubnisentziehung trotz Ablaufs der Fhrerscheinsperre in der Revisionsinstanz?, MDR1978, 185; ders.Die vorlufige Entziehung der Fahrerlaubnis, DAR1980, 168; ders.Vorluf ige Entziehung derFahrerlaubnis: eine bersicht zur Anwendung des 111a StPO, DAR 1988, 89; ders. Fahrerlaubnisentzie-hung und Sperrfrist in der Rechtsmittelinstanz, DAR 1988, 330; ders.Die Entwicklung des Straenverkehrs-rechts im Jahre 1989, NJW1990, 1454; ders.Die Entwicklung des Straenverkehrsrechts im Jahre 1994, NJW1995, 627; ders. Ausnahme von der Fahrerlaubnissprerre fr Lkw und Busse?, NZV 2004, 285; ders. Fahrer-laubnis und Alkohol im Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht, 4. Aufl. 2005; ders. Die Entwicklung desStraenverkehrsrechts im Jahre 2005, NJW 2006, 477; ders. Trunkenheit Fahrerlaubnisentziehung Fahr-verbot im Straf- und Ordnungswidrigkeitengesetz, 10. Aufl. 2006; Hering Zweifelsfragen bei der vorluf i-gen Entziehung der Fahrerlaubnis, DAR 1954, 178;Hillmann III/Eger Probleme der Vorsatzverurteilung beiTrunkenheitsdelikten und der Anrechenbarkeit vorluf iger Entziehung der Fahrerlaubnis, ZfS 2000, 376;Himmelreich/Halmberblick ber neue Entscheidungen in Verkehrsstraf- und -bugeldsachen berblick1.4.200331.3.2004, NStZ 2004, 317; dies.berblick ber neue Entscheidungen in Verkehrsstraf- und -bu-geldsachen berblick 1.4.200631.3.2007, NStZ 2007, 389; dies.Handbuch des Fachanwalts fr Verkehrs-recht, 2006;Himmelreich/Lessingberblick ber neue Entscheidungen in Verkehrsstraf- und -bugeldsachen berblick 1.1.199931.3.2000, NStZ 2000, 299;Holly Zur Frage der Beschlagnahme eines Fhrerscheinsdurch Polizei und Staatsanwaltschaft, MDR 1972, 747; Holzinger Die Gegenvorstellung im Strafverfahren,ein verkannter Rechtsbehelf!, StRR 2008, 208;HrubyDie Entziehung der Fahrerlaubnis in der Berufungsin-stanz, NJW 1979, 854; Janiszewskiberblick ber die im 3. Quartal 1981 bekannt gewordenen Entscheidun-gen zu Verkehrsstraf- und Bugeldsachen, NStZ 1981, 469; ders. berblick ber die im 4. Quartal 1981 be-kannt gewordenen Entscheidungen zu Verkehrsstraf- und Bugeldsachen, NStZ 1982, 107; ders. berblickber die im 1. Quartal 1982 bekannt gewordenen Entscheidungen zu Verkehrsstraf- und Bugeldsachen,NStZ 1982, 238; ders. Sinnvollere Behandlung der Entziehung der Fahrerlaubnis Ausnahmen und Behand-lung im Rechtsmittelverfahren, DAR 1989, 135; ders.berblick ber neue Entscheidungen in Verkehrsstraf-und bugeldsachen berblick II/1992, NStZ 1992, 580; ders. Verkehrsstrafrecht, 5. Aufl. 2004; KaiserAblauf der Sperrfrist nach 42n Abs. 5 Satz 2 StGB vor Rechtskraft des Urteils und was dann?, NJW1973, 493; KochDie Anhrung des Beschuldigten im Rahmen des 111a StPO, besonders bei Alkoholdelik-ten, DAR1968, 178;Kuhlemeier Fahrverbot ( 44 StGB) undEntzug der Fahrerlaubnis ( 69 ff. StGB), 1991;Kropp Die Entziehung der Fahrerlaubnis, JA 1999, 802; ders. Zur Dauer der Ungeeignetheit im Rahmen des 111a StPO,NStZ 1997, 471;KrummAusnahmen vom Entzug der Fahrerlaubnis und vom Fahrverbot, ZRP2010, 11; ders. Die (Regel-)Beschrnkung der vorluf igen Fahrerlaubnisentziehung auf anlasstatbezogeneKraftfahrzeugarten, NZV 2006, 234; ders. Fahrverbot und Fahrerlaubnisentziehung bei langer Verfahrens-

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    dauer, NJW 2004, 1627; ders. Keine wirkliche Ausnahme Das Ausnehmen von Kraftfahrzeugen von derSperre gem. 69a I, II StGB, DAR 2004, 56; LacknerDer Strafrechtsteil des Gesetzes zur Sicherung des Stra-enverkehrs, MDR 1953, 73; ders. Das Zweite Gesetz zur Sicherung des Straenverkehrs, JZ 1965, 1; 120;Lenhart Der bedeutende Schaden als Regelbeispielsvoraussetzung einer Entziehung der Fahrerlaubnis,NJW 2004, 191; Lienen Fragen der Praxis zur Anwendung des 111a StPO, DAR 1958, 261; Lin Die vor-luf ige Entziehung der Fahrerlaubnis, 1991; Luther Entziehung der Fahrerlaubnis und Beschlagnahme desFhrerscheins, NJ 1992, 164;Maatz Anrechnung der Dauer einer vorluf igen Entziehung der Fahrerlaubnisauf das Fahrverbot, StV 1988, 84;Metzger Fahrverbot nach 2 Jahren Zur Frage des Fahrverbots nach langerVerfahrensdauer, NZV 2005, 178; J. Meyer Beschlagnahme auslndischer Fhrerscheine, MDR 1992, 442;D. Meyer Ist das Gericht an einen Antrag der Staatsanwaltschaft auf Aufhebung der vorluf igen Entziehungder Fahrerlaubnis gebunden?,DAR1986, 47;MichelVorluf ige Entziehung der Fahrerlaubnis trotz Sicherstel-lung des Fhrerscheins?, DAR1997, 393;Mohr Fahrerlaubnisentzug auch knftig Sicherungsmaregel?, DAR1960, 280; Mollenkott Bemessung der Fhrerscheinsperrfrist in der Berufungsinstanz, NJW 1977, 425; ders.Relative Fahruntchtigkeit, vorluf ige Entziehung der Fahrerlaubnis und der Grundsatz in dubio proreo, DAR 1978, 68; ders. Ausnahmen vom Entzug der Fahrerlaubnis und beim Fahrverbot, DAR 1982,217; ders. Die Ausnahmeregelung nach 69a Abs. 2 StGB, DAR 1992, 120; Nau Beschlagnahme des Fh-rerscheins und Blutentnahme bei Abgeordneten, NJW 1958, 1668; Nse Zu den neuen Vorschriften zur Si-cherung des Straenverkehrs, JR 1965, 41;Orlich Ausnahmen von der Sperrfrist zur Wiedererlangung einerFahrerlaubnis, NJW 1975, 1179; Reh Zur Anwendung des Art. 46 Abs. 2 GG (Abgeordnetenimmunitt),NJW 1959, 86; Rler Zur Problematik der vorluf igen Fhrerscheinentziehung, NJW 1953, 1820; SchendelDoppelkompetenz von Strafgericht und Verwaltungsbehrde zur Entziehung der Fahrerlaubnis, 1974;SchmidZurKollision der sog. 111a-Beschwerdemit Berufung undRevision, BA1996, 357; Schmidt-LeichnerAlkohol und Kraftfahrer insbesondere die Entziehung der Fahrerlaubnis, NJW 1953, 1849; Seebode KeineGesetzgebungskompetenz des Bundes fr Vorbeugehaft, ZRP 1969, 25; Seier Verteidigung in Straenver-kehrssachen, 3. Aufl. 2007; Tepperwien Beschleunigung ber alles? Das Beschleunigungsgebot im Straf-und Ordnungswidrigkeitenverfahren, NStZ 2009, 1; TruppWidersprchliches Verhalten zur Fhrerschein-beschlagnahme durch die Staatsanwaltschaft und ihre Hilfsbeamten, NZV 2004, 389; Vogel Vorlufige Ent-ziehung der Fahrerlaubnis nach freiwilliger Herausgabe des Fhrerscheins?, NJW 1954, 1921; Warda DasZweite Gesetz zur Sicherung des Straenverkehrs, MDR 1965, 1;Weihrauch Die Ausnahmen bei der Entzie-hung der Fahrerlaubnis, NJW 1971, 829;WernerDie Sperrfristlnge gem 42n StGB in der Berufungsge-richtsentscheidung, NJW 1974, 484;Wittschier Antrag der Staatsanwaltschaft auf Aufhebung der vorluf igenEntziehung der Fahrerlaubnis im Ermittlungsverfahren, NJW 1985, 1324; Wlfl Aus der Praxis: Dervorlufige Entzug der Fahrerlaubnis, JuS 2001, 795; Zabel Ausnahmen vom Entzug der Fahrerlaubnis, BA1980, 95; ders. Ablauf der Sperrfrist wegen Zeitablaufs ein Erfolg der Berufung?, BA 1981, 71; ders. Lang-jhrige, unbeanstandete Fahrpraxis in ihrer rechtlichen Auswirkung bei Trunkenheitsdelikten und Verkehrs-ordnungswidrigkeiten, BA 1998, 241;Zabel/Seim Ausnahmen vom Fahrerlaubnisentzug bei alkoholaufflli-gen Kraftfahrern im Erkenntnisverfahren und bei vorluf igem Entzug, BA 1993, 109.

    A. Gegenstand und Zweck der Vorschrift

    Die Vorschrift ermchtigt den Richter, dem Beschuldigten durch Beschluss die Fahrerlaubnisvorluf ig zu entziehen,wenn dringendeGrnde fr die Annahme vorhanden sind, dass die Fahr-erlaubnis gem 69 StGB entzogen werden wird. Sie erlaubt insoweit praktisch eine Vorweg-nahme des gegen den Beschuldigten erst noch zu fllenden Urteils. Die vorluf ige Entziehungder Fahrerlaubnis teilt damit die Zielsetzung der endgltigen Entziehung der Fahrerlaubnis nach 69 StGB. Sie ist ebenso wie diese, gleichviel, ob sie gegen einen Schuldunfhigen oder einenSchuldfhigen angeordnet wird, ausschlielich eineMaregel zur Sicherung des Straenver-kehrs vor ungeeigneten Kraftfahrern.1 Deutlich tritt damit hervor, dass sie in keiner Weise

    1 BVerfG NJW 2005, 1767 (1768); NJW 2001, 357; NStZ 1982, 78; BGHSt (GS) 50, 93 ff.; AGAachen BA2008, 203 (204); SK-StGB/Sinn 69 Rn.# 2; LR23/Schfer 111a Rn. 1;Meyer-Goner 111a Rn. 1; Peters4

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    einem verfahrenssichernden Zweck dient.2 Weder zur Beweissicherung noch zur Sicherungeiner ordnungsgemen Verfahrensfhrung oder der Vollstreckung ist sie erforderlich. Sie ver-folgt vielmehr ausschlielich einen ber die bloe Verfahrenssicherung hinausreichenden pr-ventiven Zweck durch Vorwegnahme der in 69 StGB vorgesehenen Sicherungsmaregel.Das entscheidende Kriterium ist die Beurteilung der Gefhrlichkeit des Kraftfahrers fr den f-fentlichen Straenverkehr.3 Die vorluf ige Entziehung der Fahrerlaubnis stellt daher zwarebenso wie die hnlichen Maregeln der 126a und 132a einen Fremdkrper in unserer Straf-prozessordnung dar. Doch ergeben sich daraus keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen diegesetzliche Regelung,4 sofern der Verhltnismigkeitsgrundsatz bei der Entscheidung beachtetwird. Aus dem Verhltnismigkeitsgrundsatz folgt letztlich auch das Gebot einer beschleunig-ten Verfahrensdurchfhrung.5 Hierbei sind allerdings nicht die fr die Untersuchungshaft ent-wickelten Kriterien mageblich, weil die Intensitt des Eingriffs von geringerer Erheblichkeitist.6 Zu beachten ist bei alledem, dass 111a nur die Entziehung der Fahrerlaubnis gem 69 StGB, nicht jedoch die isolierte Sperre nach 69a Abs. 1 S. 3 StGB oder das Fahrverbotnach 44 StGB sichert (vgl. auch Rn.# 15).7Aus prventiven Grnden kann nach 3 Abs. 1 StVG auch die zustndigeVerwaltungsbe-

    hrde die Fahrerlaubnis entziehen. Whrend eines Strafverfahrens darf dies aber grundstzlichnicht wegen eines Verhaltens geschehen, das Gegenstand dieses Verfahrens ist ( 3 Abs. 3 StVG).Zur Bindung der Verwaltungsbehrde an gerichtliche Entscheidungen vgl. 3 Abs. 4 StVG.Nach 51 Abs. 5 S. 1 StGB ist die Dauer einer vorluf igen Entziehung der Fahrerlaubnis auf

    dieNebenstrafe des Fahrverbots ( 44 StGB) anzurechnen. Gleichgestellt ist gem 51Abs. 5S. 2 StGB die Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Fhrerscheins ( 94 StPO).Die anrechenbare Dauer der vorluf igen Entziehung der Fahrerlaubnis beginnt mit der Wirk-samkeit des Beschlusses (d.h. mit seiner Bekanntgabe; nher dazu Rn.# 25).8

    S. 450;RanftRn. 991;Lin S. 15 f.;BrunsGA1954, 161 (163 f.); v. Bubnoff JZ 1968, 318 (320);HentschelDAR1988, 89 (90); ders. DAR 1976, 9 (10); v. d. Aa/Pppelmann Jura 1999, 462 (463 f.); Geppert ZRP 1981, 85(86); Schmidt-Leichner NJW 1953, 1849 (1850); Orlich NJW 1977, 1179; Angerbauer NJW 1966, 2003(2004); Lienen DAR 1958, 261; abw. OLG Stuttgart NJW 1968, 1792; OLG Frankfurt NJW 1968,1793; Mohr DAR 1960, 280 (282 f.), die dem 111a einen nebenstrafhnlichen Charakter beimessen. S.dazu auch m.w.N. AK-StPO/Achenbach 111a Rn. 2.

    2 Abw.KK/Nack 111aRn. 1;KMR/Mller (34.EL2003) 111aRn. 1,die annehmen,dass dieNorm inersterLinie (!) der Strafverfolgung und Strafvollstreckung dient; wieder anders akzentuierend HK/Gercke 111aRn. 1; BeckOK/Huber 111a Rn. 1; AnwK-StPO/Lohse 111a Rn. 1; Seier3 S. 83; RlerNJW 1953, 1820,die der Ansicht sind, dass 111a auch (!) der Sicherung der Strafverfolgung und Strafvollstreckung dient.

    3 BGHSt 50, 101 ff. m.w.N.; Bruns GA 1954, 170 f.4 BVerfG NStZ 1982, 78; Peters4 S. 450;Krey I Rn. 199;KrummNZV 2006, 234; a.A. Seebode ZRP 1969, 25(26); krit. auch Lin S. 79 ff.

    5 BVerfG NJW 2001, 357 u. NJW 2005, 1767 f. = NZV 2005, 537; OLG Kln StV 1991, 248 (249);Meyer-Goner 111a Rn. 10; AK-StPO/Achenbach 111a Rn. 8a; HK/Gercke 111a Rn. 4; Freyschmidt9 Rn. 501;Hentschel Fahrerlaubnis Rn. 1229 f.; Seier3 S. 84; Angerbauer NJW 1966, 2004; Weihrauch NJW 1971, 829(830); Kropp JA 1999, 802 (803); Krumm NJW 2004, 1629; Mollenkott DAR 1992, 120.

    6 OLGHammNZV2007, 639 =NJW2007, 3299;NZV2002, 380;OLGKlnNZV1991, 243 (244) = StV1991, 248 (249); Meyer-Goner 111a Rn. 1; HK/Gercke 111a Rn. 4; Hering DAR 1954, 178 (179); a.A.LGFrankfurt/M. StV 2003, 69; LGBckeburgNdsRpfl 1987, 200; LGFrankfurt StV 2003, 69; LGWrz-burg StV 2005, 545.

    7 OLG Hamm VRS 51 (1976), 43; Meyer-Goner 111a Rn. 1; LR23/Schfer 111a Rn. 8; AnwK-StPO/Lohse 111a Rn. 1; BeckOK/Huber Rn. 1; HK-GS/Hartmann Rn. 1; Hentschel10 Rn. 859; a.A. LG Mn-chen I DAR 1956, 249; KMR/Mller (34. EL 2003) 111a Rn. 7; EngelDAR 1984, 108 (109). Nach dieserAnsicht soll die vorluf ige Entziehung, wenn der Beschuldigte keine Fahrerlaubnis besitzt, als vorluf igeSperre fr die Erteilung der Fahrerlaubnis zu betrachten sein.

    8 Maatz StV 1988, 84 (85); BayObLG JR 1987, 511 (512u. 514) m. Anm. Berz.

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    8. Abschnitt. Beschlagnahme, berwachung, Durchsuchung u.a. 111a

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    Die richterliche Anordnung nach den 111a Abs. 1 und 4 sowie die richterliche Beschlag-nahme des Fhrerscheins nach 94 Abs. 3 werden nach 28 Abs. 3 Nr. 2 und 9 StVG sowienach 59 Abs. 1 Nr. 4 FeV in das Verkehrszentralregister eingetragen. Die Anordnung dervorluf igen Entziehung der Fahrerlaubnis begrndet darber hinaus dieMitteilungspflichtennachMiStra Nr. 45 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 u. 4 i.V.m. 12 ff. EGGVG.Wer ein Kraftfahrzeug fhrt, obwohl ihm die Fahrerlaubnis vorluf ig entzogen worden oder

    sein Fhrerschein nach 94 in Verwahrung genommen, sichergestellt oder beschlagnahmt wor-den ist, macht sich nach 21 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 2 StVG wegen Fahrens ohne Fahrer-laubnis strafbar.9 Das gilt auch,wenn er einer Beschrnkung i.S.d. 111a Abs. 1 S. 2 (Rn.# 26 ff.)zuwiderhandelt.10Ein Beschuldigter, dem die Fahrerlaubnis vorluf ig entzogen worden ist, wird unter den Vo-

    raussetzungen des 2Abs. 2Nr. 5 StrEG alsobei Freispruch, Einstellung des Verfahrens oderbei Ablehnung der Erffnung des Hauptverfahrens entschdigt,wenn er durch die Manahmeeinen Schaden erlitten hat.11

    B. Entstehungsgeschichte

    111a ist durch Art. 3 Nr. 1 des Gesetzes zur Sicherung des Straenverkehrs vom 19.12.1952(BGBl. I S. 832) in die Strafprozessordnung eingefgt worden.12 Vorbilder fr diese neuartigeSicherungsmanahme vorluf iger Art fanden sich seinerzeit im Wirtschaftsstrafrecht, wo ver-schiedene gesetzliche Bestimmungen eine Betriebsschlieung sowie eineUntersagung bestimm-ter wirtschaftlicher Bettigungen nicht nur in der abschlieenden Sachentscheidung, sondernschon whrend des laufenden Verfahrens ermglichten.13 Im Straf- oder Strafverfahrensrechtgab es keine Norm, die es einem Strafgericht erlaubte, die Fahrerlaubnis vorluf ig zu entziehen.Dafr war nach 4 des Gesetzes ber den Verkehr mit Kraftfahrzeugen vom 03.05.1909 (RGBl.I S. 437) die Verwaltungsbehrde zustndig. 4 enthielt bereits das Merkmal der Ungeeignet-heit, das in der Regel bejaht wurde,wenn eine Straftat in Zusammenhangmit dem Fhren einesKraftfahrzeugs begangen wurde.14 Daraus, dass das Gericht ber das Vorliegen der Straftat zuentscheiden hatte, aber nicht gleichzeitig die (vorluf ige) Entziehung der Fahrerlaubnis anord-nen konnte, ergab sich eine unbefriedigende Situation.15 Insbesondere Grnde der Prozess-konomie sprachen dafr, die Feststellungen des Strafrichters ber die Persnlichkeit des Be-schuldigten und die Umstnde der Tat auch fr die Entscheidung ber die Entziehung derFahrerlaubnis nutzbar zu machen und ber sie gleichfalls den Strafrichter entscheiden zu lassen.Auf diese Weise sollten auch Kosten fr ein paralleles Verwaltungsverfahren vermieden wer-den.16 Diese Grundentscheidung machte es notwendig, Regelungen ber das Konkurrenzver-hltnis von exekutiver und strafrichterlicher Entziehung der Fahrerlaubnis zu treffen.17

    9 S. dazu auch BGHSt 47, 89 (94); KK/Nack 111a Rn. 2.10 Vgl. BGHSt 28, 72 = NJW 1978, 2517.11 Vgl. dazu Schtzler/Kunz 2 StrEG Rn. 63 ff.; Freyschmidt Rn. 557 ff.; vgl. auch T. Schaefer NJW-Spezial

    2009, 344 f.; Peters4 S. 450.12 Zur Entstehung des Gesetzes nher Lin S. 1 ff.;Kuhlemeier S. 61 ff.; LR25/SchferVor Rn. 1 (Entstehungs-

    geschichte); s. auch die Angaben in BGHSt 22, 385 (387 ff.).13 Nher dazu Eb. Schmidt II Rn. 9 (S. 1358) m.w.N.14 Schendel S. 2.15 Vgl. dazu Lackner MDR 1953, 73; Schendel S. 2.16 RegE eines Gesetzes zur Bekmpfung von Unfllen im Straenverkehr, BT-Drucks. I/2674 S. 8 f.;

    Schriftlicher Bericht des Ausschusses fr Verkehrswesen, BT-Drucks. I/3774 S. 1 f.; Lackner MDR1953, 73; Hartung DRiZ 1953, 120 ff.; Schendel S. 2.

    17 Eingefhrt wurden Bestimmungen ber die Bindung der Verwaltungsbehrde an strafrichterliche Fest-stellungen, um divergierende Entscheidungen zwischen dem Gericht und der Verwaltungsbehrde zu

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    111a 1. Buch. Allgemeine Vorschriften

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    Die Einfhrung des 111a erwies sich auch vor dem Hintergrund tatschlicher Entwicklun-gen als unabdingbar. Die zunehmende Motorisierung hatte zu einem sprunghaften Anstieg vonVerkehrsunfllen gefhrt,18 bei denen sich herausstellte, dass der magebliche Grund fr dieUn-flleweniger in technischenMngeln der Fahrzeuge als vielmehr inmenschlichemVersagenundin der mangelnden Verkehrsdisziplin lag.19 Dem Gesetzgeber erschien es daher besonders wich-tig, dass nach einer Straftat, bei der eine Entziehung der Fahrerlaubnis durch Urteil in Betrachtkommt, ein besonders schneller Zugriff auf den Fhrerschein mglich war, um die ffentlich-keit vor weiteren Gefhrdungen zu schtzen.20 Zwar war auch eine Beschlagnahme des Fh-rerscheins nach 94 mglich, doch galt das bisher nicht bei Internationalen oder auslndischenFhrerscheinen.21 Zudem schrieb man dem Beschluss nach 111a wohl nicht zu Unrecht einenanderen rechtlichen Gehalt und eine strkere psychologischeWirkung zu als einer Fhrerschein-beschlagnahme.22Durch Art. 2 Nr. 1 des Zweiten Gesetzes zur Sicherung des Straenverkehrs vom 26.11.1964

    (BGBl. I S. 921) erfolgte eine erste nderung des 111a.23 Die Notwendigkeit fr diese Neure-gelung ergab sich vornehmlich24 aus den bis dahin entstanden Meinungsverschiedenheiten, diedas rechtliche Verhltnis der vorluf igen Entziehung der Fahrerlaubnis zu der vorluf igen Si-cherstellung des Fhrerscheins nach 94 betrafen.25 Diese rechtlichen Unstimmigkeiten hattenzu einer unterschiedlichen praktischen Handhabung des 111a in Fllen gefhrt, in denen derFhrerschein am Tatort in Verwahrung genommen oder beschlagnahmt worden war.26 Teil-weise fhrten die Staatsanwaltschaften nach Einbehaltung des Fhrerscheins unverzglicheine gerichtliche Entscheidung ber die vorluf ige Entziehung der Fahrerlaubnis herbei. AndereStaatsanwaltschaften sttzten sich auf die Vorschriftenber dieNachprfung der Beschlagnahmenach 98 und hielten daher eine Entscheidung ber die vorluf ige Entziehung der Fahrerlaubnisnach Beschlagnahme des Fhrerscheins nicht fr erforderlich. Der zuletzt genannte Standpunktwurde durch die Rechtsprechung nicht selten besttigt, indem eine vorluf ige Entziehung derFahrerlaubnis abgelehnt wurde, wenn sich der Fhrerschein auf Grund einer Manahme nach 94 in amtlicher Verwahrung befand. Nach dieser Rechtsprechung war die vorluf ige Ent-ziehung der Fahrerlaubnis hier nicht erforderlich, um die Allgemeinheit vor einer weiteren Ge-fhrdung zu schtzen. Andere Staatsanwaltschaften fhrten dagegen eine Entscheidung ber dievorluf ige Entziehung der Fahrerlaubnis nur dann herbei, wenn sich der Beschuldigte mit dervorluf igen Manahme nach 94 nicht einverstanden erklrte. Soweit die Gerichte in diesenFllen die Mglichkeit der vorluf igen Entziehung der Fahrerlaubnis bejahten, verbanden siedamit im allgemeinen die Besttigung der Beschlagnahme des Fhrerscheins nach 98. Die Re-form des Gesetzes hatte zum Ziel, die Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Fh-rerscheins nach 94 mit der vorluf igen Entziehung der Fahrerlaubnis sachlich gleichzustel-

    vermeiden; s. dazu den RegE (BT-Drucks. I/2674) S. 9; Schriftlicher Bericht (BT-Drucks. I/3774) S. 2;Hartung DRiZ 1953, 121 f.; Lackner MDR 1953, 74; Schendel S. 3.

    18 Zahlenangaben dazu bei Bruns GA 1954, 161.19 RegE (BT-Drucks. I/2674) S. 7; Schriftlicher Bericht (BT-Drucks. I/3774) S. 1; Lin S. 2; Schmidt-Leich-

    ner NJW 1953, 1849.20 RegE (BT-Drucks. I/2674) S. 16 f.; Schriftlicher Bericht (BT-Drucks. I/3774) S. 6; LacknerMDR 1953,

    74; Lin S. 3.21 In 111a Abs. 3 a.F. wurde daher eine Sonderregelung fr den Fall geschaffen, dass der Tter Inhaber

    eines auslndischen Fhrerscheines ist. Dieser Absatz stimmt im Wesentlichen mit dem noch heute gl-tigen Absatz 6 berein.

    22 Lackner MDR 1953, 74; Bruns GA 1954, 191.23 Umfassend dazu Hartung S. 78 ff.; s. auch BGHSt 22, 389 ff.24 Zur Notwendigkeit der Neufassung s. ausfhrlich den RegE eines Zweiten Gesetzes zur Sicherung des

    Straenverkehrs, BT-Drucks. IV/651 S. 30 f.25 Vgl. RegE (BT-Drucks. IV/651) S. 30 f.26 RegE (BT-Drucks. IV/651) S. 30.

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    len.27 Die vorluf ige Entziehung der Fahrerlaubnis wirkt nunmehr nach 111a Abs. 3 zugleichals Anordnung oder Besttigung der Beschlagnahme des Fhrerscheins, so dass durch die richter-liche Entscheidung die Manahme nach 94 automatisch miterledigt wird.28 Ferner tritt dieEntscheidung ber die vorluf ige Entziehung der Fahrerlaubnis nach 111a Abs. 4 an die Stelleder richterlichen Entscheidung ber die Beschlagnahme nach 98.29Bei der Neufassung des Gesetzes entschloss sich der Gesetzgeber des Weiteren dazu, die Klau-

    sel ber den Schutz der Allgemeinheit vor weiterer Gefhrdung ( 111a Abs. 1 a.F., letzter Hs.)zu streichen. Das sei u.a. deshalb erforderlich,weil diese Klausel fr die Beschlagnahme des Fh-rerscheins nicht gelten knne,30 zumal die Feststellung der Ungeeignetheit eines Kraftfahrzeug-fhrers in der Regel auch die Feststellung seiner Gefhrlichkeit fr den Kraftfahrzeugverkehrenthalte.31 Zudem wollte der Gesetzgeber den von ihm in der Praxis wahrgenommenen Fehl-schluss, dass die vorluf ige Entziehung der Fahrerlaubnis unzulssig sei, wenn sich der Fhrer-schein aufgrund anderer strafprozessualer Manahmen in amtlicher Verwahrung bef indet, ent-gegentreten.32 Dieses Rsonnement ist nicht in jeder Beziehung stichhaltig, wie Bruns33 treffenddargelegt hat und was auch der BGH34 in der vom Gesetzgeber herangezogenen Entscheidungkeineswegs verkannt hat.35 Tatschlich hat das Sicherungsbedrfnis der Allgemeinheit auchheute noch unter dem Aspekt der Verhltnismigkeit eine gewisse Bedeutung bei der Prfungder Anordnungsvoraussetzungen (vgl. dazu Rn.# 19).36Durch Art. 2 Nr. 5 des Einfhrungsgesetzes zum Gesetz ber Ordnungswidrigkeiten (EGO-

    WiG) vom 24.05.1968 (BGBl. I S. 503) wurde 111a nochmals gendert. Eingefhrt wurde in 111a Abs. 1 S. 2 die Mglichkeit, bestimmte Arten von Kraftfahrzeugen von der vorluf igenEntziehung der Fahrerlaubnis auszunehmen. Bis dahin war die Ausnahme bestimmter Kraftfahr-zeugarten nur bei der endgltigen Entziehung der Fahrerlaubnis aufgrund des 42nAbs. 2 StGBa.F. (= 69aAbs. 2 StGBn.F.) zulssig.Ob diese Regelung auf 111a analog angewendet werdenkonnte, war umstritten.37 Diese unklare Rechtslage fhrte vor allem zu der verkehrspolitischmisslichen Folge, dass die Anwendung des 111a oftmals unter Berufung auf den Verhltnism-igkeitsgrundsatz vllig unterblieb, wenn eine sptere beschrnkte endgltige Entziehung derFahrerlaubnis abzusehenwar.38 Durch die entsprechende Ergnzung des 111a Abs. 1wurde die-

    27 RegE (BT-Drucks. IV/651) S. 30 f.; nher dazuHartungNJW1965, 86 (88);WardaMDR1965, 1 (6);Lack-ner JZ 1965, 120 (125); Lin S. 6 f.

    28 So Warda MDR 1965, 6.29 RegE (BT-Drucks. IV/651) S. 30; dazu Warda MDR 1965, 6; Nse JR 1965, 41 (44).30 RegE (BT-Drucks. IV/651) S. 31.31 RegE (BT-Drucks. IV/651) S. 31 unter Hinweis auf BGHSt 7, 165 ff.32 RegE (BT-Drucks. IV/651) S. 31.33 GA 1954, 171; ebenso Eb. Schmidt II Rn. 13 (S. 1359).34 BGHSt 7, 171: In 111a handelt es sich um eine vorlufige Maregel, fr deren Anordnung andere Ge-

    sichtspunkte magebend sind als fr die endgltige Entziehung der Fahrerlaubnis, auf die erst erkannt wer-den darf,wenn nach umfassender Prfung dieNichteignung des Tters zumFhren vonKraftfahrzeugenfeststeht. Das Verfahren nach 111a StPO bietet nicht die Rechtssicherheiten einer Hauptverhandlung.Es ist daher durchaus sinnvoll, die vorluf ige Entziehung der Fahrerlaubnis an die besondere Feststellungeines sofortigen, dringenden Schutzbedrfnisses der Allgemeinheit zu knpfen.

    35 Schon eher lsst sich argumentieren, dass die Schutzklausel schon in der Voraussetzung enthalten ist, dassdringende Grnde fr die sptere Entziehung der Fahrerlaubnis sprechen mssen, s. HartungNJW 1965,88; ebenso Eb Schmidt Nachtr. I Rn. 6.

    36 S. dazu auch Hartung DRiZ 1953, 122; Arndt/Guelde 111a Anm. 3; Guelde S. 25 f.37 Vgl. dazu den Schriftlichen Bericht des Rechtsausschusses zumRegE eines Einfhrungsgesetzes zumGe-

    setz ber Ordnungswidrigkeiten (EGOWiG), BT-Drucks. V/1319, BT-Drucks. V/2601 S. 17.38 Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses (BT-Drucks. V/2601) S. 17; s. auch Lin S. 10; Eb. Schmidt

    Nachtr. II Rn. 2.

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    sem rechtspolitischen Bedrfnis, das sich insbesondere in lndlichen Regionen bemerkbarmachte, Rechnung getragen.Die nachfolgende nderung des 111a durch Art. 21 Nr. 28 des Einfhrungsgesetzes zum

    Strafgesetzbuch (EGStGB) vom 02.03.1974 (BGBl. I S. 469) war rein redaktioneller Natur.Bei dieser nderung wurden lediglich Verweisungen auf genderte Bestimmungen des StGB an-gepasst; auerdem erhielt 111a Abs. 6 S. 2 eine przisiere Formulierung.Seine gegenwrtige Fassung erhielt 111a durch Art. 4 Nr. 1 des Gesetzes zur nderung des

    Straenverkehrsgesetzes und anderer Gesetze vom 27.04.1998 (BGBl. I S. 747). Dieses Gesetzverfolgte in erster Linie das Ziel, die EU-Fhrerscheinrichtlinie39 in geltendes nationales Rechtumzusetzen. Diese Richtlinie beinhaltete die gegenseitige und uneingeschrnkte Anerkennungvon Fhrerscheinen aus anderen EU-Mitgliedstaaten auch bei Wohnsitzverlegung des Inhabers.In Umsetzung dieser Richtlinie und zur folgerichtigen Angleichung der Rechtslage bei Fahrver-bot und Fahrerlaubnisentziehung wurde in 111a Abs. 3 ein neuer Satz 2 angefgt, der dieGleichstellung regelt und bestimmt, dass die Beschlagnahmewirkung der vorluf igen Entzie-hung der Fahrerlaubnis auch bei Fhrerscheinen von Inhabern aus EU- und EWR-Staaten,die ihren ordentlichenWohnsitz im Inland haben, eintritt.40 Zustzlichwurde 111a Abs. 6 ent-sprechend angepasst.

    C. Vorlufige Entziehung der Fahrerlaubnis (Absatz 1)

    I. Voraussetzungen (Satz 1)

    Nach 111a Abs. 1 S. 1 setzt die vorluf ige Entziehung der Fahrerlaubnis dringende Grndefr die Annahme voraus, dass dem Beschuldigten gem 69 StGB die Fahrerlaubnis im Urteilentzogen werden wird. Gegrndet werden kann die Entscheidung nur auf verwertbare Beweis-ergebnisse. Wurde der Beschuldigte vor seiner Vernehmung nicht ber sein Schweigerecht be-lehrt, so ist seine Aussage wenn er der Verwertung widerspricht unverwertbar (nher dazu 136 Rn.# 56) Die fr die Entziehung der Fahrerlaubnis ntigen Feststellungen drfen mithinnicht auf dieser Aussage beruhen.41Gefordert ist damit zunchst eineUrteilsprognose. Sie muss die Entziehung der Fahrerlaub-

    nis zum Gegenstand haben. Die Prognose, dass das erkennende Gericht gem 44 StGB einFahrverbot verhngenwird, gengt ebensowenig wie die Erwartung,dass es gegen den Beschul-digten, der (noch) keine Fahrerlaubnis besitzt, gem 69a Abs. 2 S. 3 StGB eine Sperrfrist frdie Erteilung einer Fahrerlaubnis anordnen wird.42 Fr die erforderliche Urteilsprognose ms-sen dringende Grnde sprechen. Gefordert ist damit ein Doppeltes.Erstens mssen dringende Grnde dafr vorhanden sein, dass der Beschuldigte i.S.d. 69

    Abs. 1 S. 1 StGB eine rechtswidrige Tat im Zusammenhang mit dem Fhren eines Kraftfahrzeu-ges oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugfhrers begangen hat. Das ist der Fall,wenn ein dem dringenden Tatverdacht gem 112 Abs. 1 S. 143 entsprechende hoheWahrscheinlichkeit dafr besteht, dass das Gericht die Entziehung der Fahrerlaubnis anordnenwird.44

    39 Richtlinie 91/439/EWG des Rates vom 29.07.1991 ber den Fhrerschein (ABlEG Nr. L 237 S. 1).40 Vgl. dazu den RegE eines Gesetzes zur nderung des Straenverkehrsgesetzes und anderer Gesetze, BT-

    Drucks. 13/6914 S. 73, 93 f.41 LG Koblenz NZV 2002, 422; AG Offenbach StV 1993, 123.42 OLGHammVRS 51 (1976), 43;HentschelTrunkenheit Rn. 849; ders.DAR1980, 168 (169 f.);Meyer-Go-

    ner 111a Rn. 1 f.; a.A. LG Mnchen I DAR 1956, 249; KMR/Mller (34. El. 2003) 111a Rn. 7; EngelDAR 1984, 109.

    43 Zum dringenden Tatverdacht ausfhrlich Paeffgen bei 112 Rn.# 4 ff.44 Eb. SchmidtNachtr. I Rn. 4; KK/Nack 111a Rn. 3;Meyer-Goner 111a Rn. 2; HK/Gercke 111a Rn. 5;

    AnwK-StPO/Lohse 111a Rn. 3; Schlchter2 Rn. 322; Khne Rn. 467.

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