SZ: Widerstand gegen Großprojekte

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  • 8/8/2019 SZ: Widerstand gegen Groprojekte

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    V o n Mic h a e l F r a n k

    Wien Erst war dergroesteinerneMar-kuslwe in der Hal-le weg. Jetzt ist daein riesen Loch, wovom einzigen bei-

    naheim rechten WinkelangelegtenDop-pelkopfbahnhof Europas seit Kaiser-zeitenauch dieZgenachVenedigabgin-gen. Wien war Haupt eines Imperiumsgewesen,herrischer Ausgangs-undEnd-

    punkt, ausgedrckt in vielen Kopfbahn-hfen. Jetzt baut man fr zwei Milli-ardenEuroeinenmodernenDurchgangs-bahnhof, der wie Stuttgart Teil derHochgeschwindigkeitsmagistrale Paris Budapest Bukarest werden soll. Bis-lang mssen Zge aus dem Westen genOsten ein wackeliges Umgehungsgleisdurch Wiens Sden nehmen, das fast ei-ne Stunde kostet. Oder die Fahrgstemssen quer durch die Stadt den Bahn-hofwechseln. DerSdbahnhofmuss die-sem neuen Hauptbahnhof weichen, seinOstteil arbeitet noch, von wo man nachBratislava und Prag startet. Der West-

    bahnhof, bisher Ausgangspunkt ins alteEuropa und damit ein bisschen Haupt-bahnhof, wird Regionalstation.

    NotiznehmendieWienervondem Pro-jekt nur am Rande. Man freut sich, dassdie Fahrerei zu immer anderen Bahnh-fen aufhrt, je nachdem in welche Welt-gegend man sich aufmacht. Und in ge-schultem Deftismus warten sie darauf,dass der Hauptbahnhof gewiss doppeltsoteuerwerdealsgeplant und somitzurSkandalmasse. Man ist das so gewhnt:Geradezanktmanum denSky-Link,ei-nen riesigen Zubau des Wiener Flug-hafens, der 120 Prozent mehr Geld ver-schlingtals berechnet.Direktvor Baube-ginnmusste dieganze Bahnhofsplanungkassiert werden, weil schon die Aus-schreibung unkorrekt ablief so waskennt man.

    Gigantisch wird die Anlage allemal,dieEnde2012in Betriebgehensoll.Aller-

    dings nicht unbedingt ver-kehrstechnisch, denn

    die acht Fernbahnglei-se,aufdenentglichein-tausend Zge abgefer-

    tigt werden sollen, gelten jetzt schon alszuknapp.ManhabezuvielFlchefrei-ne riesenhafteGeschfts- undWohnweltabgezweigt, sagen Kritiker.

    Proteste blieben dennoch vllig aus,weil die meisten das Projekt an sich be-gren undesdie Stadtgestaltkaumbe-rhrt. Zwar relativ zentral, findet derganze Bau auf Grundstcken der ster-reichischenBundesbahnenstatt. Dastan-denWerksttten,es gabRangier-undAb-stellgleise. Nur den Bau eines Tunnelsam Westeingang der Stadt suchte eineBrgerinitiative mit wenig Widerhall zubekmpfen. Der Zubringer unterquertden Lainzer Tiergarten, ein Naherho-lungsgebiet. Eines Tages will man auchden Wienerwald unterfahren, der heuteso viel Zeit raubt mit seiner gewundenenTrasse.

    Man emprt sich nicht einmal, lachteher darber, dass die innerstdtischeVerkehrsanbindung drftig sein wird:Die alte U-Bahn-Linie 1 missachtete

    schon vor Jahrzehnten die Fernbahnh-fe,und dieErweiterungder RinglinieU 2wird just genau so geplant, dass auch sieden neuen Grobahnhof verfehlt. DieWiener mosern insgeheim ber derlei,aberprotestieren?Sie tungernso,als gin-ge sie das gar nichts an.

    Umso faszinierter blicken sie nachStuttgart. Denn in Wien gilt ffentlicherProtest noch immer als Revoluzzerei, alsSachevonChaotenund Auenseitern.Es

    gebehier garnicht diekritischebrger-liche Schicht fr qualifizierten Protestwie in Stuttgart, in dem viele distin-

    guierteLeutemitmachen,wird einemdiskret bedeutet. So hat man auch

    hingenommen, dass vor Baubeginn fastkeine ffentliche Debatte ber Sinn undUnsinn des Projekts stattfand. ZumGlck macht es Sinn.

    Die Opposition gegen den geplanten Tiefbahnhof Stuttgart21hat vieleMenschenin Deutschlandin ihrerHeftigkeitber-rascht. DieProtesteheizenauchdie Diskussion ber dieDe-mokratie an: Wie viel Mitsprache ist beim Bau von Gropro-

    jekten ntig, erwnscht, legitim undber welche Kanle soll-

    te sie erfolgen? hnliche Fragen stellen sich auch die Men-schen inanderendemokratischenStaaten. Whrenddie Pro-testkultur in einigen Lndern ausgeprgt ist, vertraut die Be-

    vlkerung in anderen auf die Kraft der politischen Institutio-nen. In manchen Orten gehen vor allem Grundstcks-besitzerauf dieBarrikaden,in anderenist der Naturschutz ei-ne grere Motivation fr Widerstand. Neun Auslandskorre-spondenten der SZ schildern ihre Beobachtungen.

    Von Alexandra Borchardt

    Es gibt Menschen, die schauen aufStuttgart und verstehen die Weltnicht mehr. Hufig sind es solche,

    die viel ins Ausland reisen, die, wo im-mer sie auch hinkommen, Hochhuser,Autobahnen, Kraftwerke und Brckenentstehen sehen. Sie erleben Stdte undLandschaften in rasantem Wandel. Nurin Deutschland, so erscheint es ihnen,wirdgegenalles protestiert:Kraftwerke,Windrder,Umgehungsstraen,undnungegen einen hochmodernen Bahnhof.Undsiefragen:Kannman dennhierber-haupt nichts Groes mehr bauen? WirdDeutschland zum Stillstandsland?

    Andere Menschen wiederum schauenauf Stuttgart und verstehen die Weltauchnichtmehr.Muss dennum desFort-schrittswillenimmergleichdas Altewei-chen? Geht es nicht eine Nummer klei-ner, behutsamer, warum lsst sich Ge-wachsenes nicht bewahren? Und warummssendieStimmen derZweiflermit al-lerMacht gedmpftwerden?Gibt eskeinLebenmehrnach demPlanfeststellungs-verfahren, das eigens erfunden wurde,um alle Bedenkentrger einzufangen?

    Es ist der Preis der Demokratie, dasssie versuchen muss, beide Arten vonSehnschten zu erfllen: jene nach Ver-nderung und jene nach dem Erhalt desVertrauten. Und genau das ist auch ihreStrke. Denn whrend im autoritrenStaatnureineVisionvon Zukunftdurch-gepeitscht wird, erlaubt die Demokratieeine Vielfalt von Mglichkeiten. Gl-sern-glitzernd oder grn, gewaltig oderbescheiden: Fortschritt hat viele Gesich-ter.Unddie MenscheneinesLandesms-sen entscheiden, welches Gesicht sie derWelt zeigen wollen vielleicht sogar, umeinigen Vorbild zu sein.

    Blickt man in andere demokratischeStaaten, scheint Deutschland ein beson-ders schwieriger Fall zu sein aus derSicht jener, die Groprojekte oder ber-haupt neue Technologien durchsetzenwollen. Whrend Frankreich sich mitAtomkraft und Israel sich mit Gen-For-schung brstet, berwiegt in der deut-schen Debatte die Angst vor dem Risiko.Aber auch in aufstrebenden Nationenwie Brasilien oder Sdkorea wird blo-ckiert, protestiert, demonstriert. Undauch in Deutschland knnen immer wie-der groe Umbauten verwirklicht wer-

    den, wie die Berliner Mitte am Potsda-mer Platz, die Verkehrsprojekte Deut-sche Einheit oder die Landebahn amFrankfurter Flughafen zeigen.

    Dass der deutschen Seele dennoch ei-ne gewisse Unlust an der Vernderunganhaftet, wer will es ihr verdenken?NachderGigantomanieder Nazisbei Ge-bude- und Menschenarchitektur, nachdem Zweiten Weltkrieg mit der Zerst-rung der Stdte, nach der Platten-bau-DDR und der zgigen Eroberungder grnenOst-Wiese durchHandelskon-zerne fehlt den Deutschen womglichmanchmal die Kraft, immer neue Vern-derungen freudig zu umarmen.

    Zumal die Traditionen der Romantikund Naturliebe die Deutschen strkerprgen als andere Vlker. Hier mchteman historische Schlsser rekonstruie-ren statt Architektur wagen, wie die De-batten um das Berliner Stadtschloss unddie Hhengrenzen fr Mnchens Hoch-huser gezeigt haben. Und der deutscheWald ist nationales Heiligtum.

    Mchte man den Menschen Gropro-jekte zumuten, verlangen sie Erklrun-gen:Warumjetzt? Warumso? Warumge-naudiese Technologie undnicht einean-

    dere? Selbst wenn diese Fragen so man-chen Befrworter eines solchen Vorha-bens zum Wahnsinn treiben, mssen siebeantwortetwerden.Denn auchin Demo-kratien wird so manches Groprojektnur durchgesetzt, weil sich Politiker,BrokratenoderKonzernchefsdamit einDenkmal setzen wollen. Beim Blick aufdie Fakten stellt sich zuweilen heraus,dass es bessere, einfachere, interessante-reund zukunftstrchtigereLsungenfrein Problem gibt als jene, die den Men-schen als zwingend prsentiert werden.

    Somag derTransrapidfr sichgenom-meneine faszinierende Technologie sein;erpasstenur nichtmehrin einVerkehrs-netz, das sich seit der Erfindung der Ma-gnetbahn rasant verndert hatte. DieKernkraftgaltlangeals Zukunftstechno-logie, doch wer wird all die Kraftwerkebrauchen, wenn sich Gebude irgend-wann ber die Sonne selbst mit Energieversorgen? Allein die Lnge von Geneh-migungsprozessen bringt es mit sich,dass sich die Welt an deren Ende oftweiterentwickelt hat. Deutschlandbraucht eine Idee vom Fortschritt undgroe Projekte. Aber es muss erlaubtsein, deren Sinn zu hinterfragen.

    Von Thomas Kirchner

    Zrich Glckliche

    Schweizer? Dortdrfen die Brgerber fast alles ab-stimmen: ber dasSchulhaus um die

    Ecke,den Beitrittzuden VereintenNatio-nen und natrlich auch ber Gropro-jekte, die mit Stuttgart 21 vergleichbarwren. Halb neidisch, halb abwehrendschauen die Deutschen deshalb wiedereinmal auf das Nachbarland. Die einensehen in strkeren Volksrechten die L-sungfrvieleProbleme,dieanderenwei-senaufdie speziellenpolitischenundhis-torischen Bedingungen in der Schweizhin.

    Wissenschaftler wie der Zrcher ko-nom Bruno Frey meinen sogar beweisenzu knnen, dass die direkte Demokratiedie Menschen wirklich glcklichermacht. Auf jeden Fall steigt die Ak-

    zeptanz von Groprojekten, wenn dieBrger abstimmen drfen. Das zeigt dieNeueAlpentransversale(Neat).Die Idee,

    Eisenbahn-Basistunnel durch denLtschbergundden Gotthardzu treiben,um den steigenden Nord-Sd-Gterver-kehr zu bewltigen, stammt schon ausden sechziger Jahren. 1992 billigten siedieSchweizerander Urne.Leiderwurdedas Projekt ber die Jahre immer teurer,mit voraussichtlich 24 Milliarden Fran-ken kostet die Neat jetzt etwa doppelt soviel wie geplant. Was die Menschen an-derswo auf die Barrikaden treiben wr-de, schlucken die Schweizer sie habenja ihr Plazet gegeben.

    Dasselbe gilt fr alle anderen Infra-strukturvorhaben. Die Abstimmungenwirken befriedend. Deutlich sprbar istdasbeim ThemaAtomkraft.Ohne Volks-

    entscheid wrde kein einziger Meiler ge-baut, und die deutschen Nachbarn rh-men das brgernahe Verfahren, in dem

    die Schweizer derzeit nach einem Lagerfr den Nuklearabfall suchen. Nicht zu-letzt erhhen die Referenden zumindestpartiell den Kenntnisstand der Leute.

    Nicht jedes ffentliche Bauprojektwird dem Volk vorgelegt, ab einer be-stimmten Grenordnung aber (oderwenn jemand das Referendum dagegenergreift) wird es gefragt. Das zwingt diePolitiker oder andere Entscheider, diemutmaliche Volksmeinung einzubezie-hen.Gelingt esnicht vonAnfangan, dieLeute zu berzeugen, mssen die Behr-den darauf verzichten oder mit derPlanung von vorne beginnen, sagt derPolitologe Andreas Ladner, das gehrtzumSpiel derDemokratie.Niederlagenwerden klaglos akzeptiert, wie jngstdas Votum ber das umstrittene Nagel-haus in Zrich zeigte. So stark dieEmotionen vorher gewesen waren, nach

    der Abstimmung wurde es sofort ruhig.Wenn die (halb-)direkte Demokratie

    alsosovieleVorteilehat,warum berneh-

    menwir sienicht?Manchefhrennegati-ve Erfahrungen aus der deutschen Ge-schichte an. Die zwingendste Antwortaber lautet: weil sich direkte und repr-sentative Demokratie nicht so einfachvermischen lassen. Die Schweizer, einstaatsskeptisches Volk, haben sich dieVolksrechtenachderGrndungdes Bun-desstaates1848allmhlicherkmpft.Pa-rallel entwickelte sich eine Konsensde-mokratiemit permanentengroenKoali-tionenaufallen staatlichenEbenen.EinederParteienspieltdannfallweiseOpposi-tion und versucht, bei einem Thema dasVolk zu mobilisieren. In der deutschenAushandlungsdemokratie wird Konsensvorallemdurchdie Einbeziehungvon In-teressengruppen hergestellt. Offensicht-lich funktioniert das nicht mehr so gut.Die Frage ist, ob es sich mit ein paarVolksentscheiden reparieren lsst.

    V o n Mic h a e l K l s g e n

    Paris Das Protes-tieren fllt Fran-zosen leicht. AmDienstag demon-strierten sie dasvierteMal binnenei-

    nesMonatsgegendie Rentenreform.Undnatrlichentzndetsich ihrUnmut auchan groen Bauprojekten. Selten fhrtdas allerdings zu Massenkundgebungen,derProtestartikuliertsicheherin beharr-licher Obstruktionspolitik etwa vonBrgerinitiativen. Derzeit kann man dasbei einem der grten Bauvorhaben vonParis beobachten. Den Baubeginn zurUmgestaltungderehemaligenMarkthal-lenLesHalles im Zentrumhatten Anwoh-ner erfolgreich um ein halbes Jahr ver-schieben knnen bis vor kurzem.

    Bemerkenswertin Frankreichist, dasssich anfnglicher Protest hufig nachFertigstellung des Bauwerks in Wohlge-fallenauflst.BeimCentrePompidou,je-nem bunten Rhrengeflecht nicht weitvon Les Halles, war das so. Der damalsnoch junge und unbekannte ArchitektRenzo Piano wurde verhhnt und seinBauwerk verlacht. Inzwischen ist dasKulturzentrumein AnziehungspunktfrTouristen, und tglich stehen Studentenvorder BibliothekSchlange.ManchePa-riser haben sich freilich immer nochnicht mit dem Rhrenbau abgefunden.

    AnwohlkeinemBau-werk kann man denWandel von radika-

    ler Ablehnung hin zur Begeisterung sofestmachen wie am Viadukt von Millau.20 Jahre lang zogen sich die Proteste ge-gen die Autobahnbrcke hin, die dasTarn-Tal in Sdfrankreich berspannt.SoqultensichjedenSommerkilometer-lange Autoschlangen den Larzac hinauf.2004wurdedieweltweitlngsteSchrgs-eilbrcke schlielich in Betrieb genom-men knapp 2,5 Kilometer lang und mitPfeilern hher als der Eiffelturm. DieMenschen glaubten, die Brcke sei dasPhantasiegebildeeinesIngenieurs,etwasGrenwahnsinniges, das sich niemalsrealisierenliee,erinnertsichder Brg-ermeister von Millau, Guy Durand.

    EingewisserJos Bov,heuteEuropa-abgeordneter,hattein derNhe vonMil-lau die Baustelle einer McDonalds-Fi-lialeverwstetund wurdedamitinterna-tional bekannt. Er war auch ein fhren-

    der Gegner der Brcken. Der IngenieurMichel Virlogeux und der britische Ar-chitekt Norman Foster bauten sie trotz-dem.

    Heute gibt es den Stau von Millaunicht mehr, das Viadukt ist zur Attrak-tion geworden. Reisende drngeln sichauf den Aussichtsplattformen. Undwenn man unten im Tal eine Bootstourber den Tarn macht, gilt es als Hhe-punkt,unterden hochaufragendenPylo-nen hindurchzufahren. Auch auf demMarktplatz von Millau zeigen sich dieEinwohner zufrieden mit dem Bau, unddie Betreibergesellschaft Eiffage sollihren Schnitt gemacht haben. Den Pro-

    test von damals belcheln viele.

    Fortschritt hat viele GesichterDie Zukunft scheint es in Deutschland besonders schwer zu haben. Das kann auch gut sein

    Nur ein bisschen HmeDie sterreicher mosern ber Planungsfehler beim neuen Wiener Zentralbahnhof. Widerspruch aber gibt es kaum

    Das Spiel der DemokratieDie Schweizer stimmen ber alle groen Bauprojekte ab. Egal wie hitzig zuvor diskutiert wurde das Ergebnis wird klaglos akzeptiert

    Erst rgernis, dann AttraktionDie Franzosen protestieren hufig. Die Vershnung kommt spter

    Widerstand gegen Groprojekte

    Seite 22 / Sddeutsche Zeitung Nr. 237 HF2 Mittwoch, 13. Oktober 2010WIRTSCHAFT

    DasNeueannehmen:DerPotsdamerPlatzin Berlingehrtzu denerfolgreichver-wirklichten Groprojekten in Deutschland. Foto: Action Press

    Das Alte bewahren: Tausende Spanier demonstrierten 2002 in Barcelona gegen

    die Umleitung des Flusses Ebro. Das Projekt wurde gestoppt. Foto: AP

    Illustrationen: Ilona Burgarth

  • 8/8/2019 SZ: Widerstand gegen Groprojekte

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    Von Peter Burghardt

    Buenos Aires Dervermutlich belieb-teste Prsident derWelt ist begeistertvonmchtigenTur-binen, sie sind fr

    ihneinentscheidenderAntriebfrBrasi-liens Aufstieg zur Wirtschaftsmacht. Alsvor einigen Monaten in Millionen Haus-haltenzwischenSoPaulound Riode Ja-neiro der Strom ausfiel,da war sich LuizIncio Lula da Silva erst recht sicher,dassseineHeimatdiesesMegaprojektna-mens Belo Monte braucht. Ende Augustunterschrieb der frhere Gewerkschaf-ter und Metallarbeiter den Konzessions-vertrag fr das Wasserkraftwerk am RioXing im Amazonasgebiet. Mehr als elfGigawatt soll die dann drittgrte Stau-stufedesPlanetenab 2015liefern,elf Mil-liarden Dollar wird das Monstrum vor-aussichtlich kosten. Auch Dilma Rous-seff, die Lula beerben will, zhlt zu denAntreibern. Doch Lula und Dilma tref-fenaufeinen Widerstand,dernochunan-

    genehm werden kann.Nicht nur Umweltschtzer sind ent-setzt von dem Riesenbauwerk im bedeu-tendsten Naturraum der Erde. Auch Ur-einwohneran demFluss lehnendenVor-stoab,12 000Menschenmsstenumge-siedelt werden. Solange ich am Lebenbin,werdeichNein sagenzurZerstrungder indigenen Vlker, verkndete Rao-ni Metyktire vom kmpferischen StammderKayap,einerder Wortfhrer.Die In-dianerhaben sichlngstzum Protest for-miert, und sie finden prominente Unter-sttzung. Raoni trat gemeinsam mit dembritischen Snger Sting auf. Das ist dasHerz des Amazonas, sprach der Pop-star, und alles, was hier passiert, be-trifft die Welt. Der sterreichische Bi-schofErwinKrutlerleistetden Demons-tranten in seiner Dizese Altamira Bei-stand. Fr ihn ist Belo Monte nicht nur

    zerstrerisch,sondern obendreinunrent-abel, weil der Xing die meiste Zeit desJahres nicht gengend Wasser fhre.Und Regisseur James Cameron wettertebei einem Ortstermin ebenfalls dagegen.

    In anderen Lndern LateinamerikasfindendieRebellen allerleiVorbilderfrihren Kampf gegen die bauwtige Zen-trale.Am Rande vonMexiko-Stadtsorg-ten hartnckige Aufstndische vor Jah-ren dafr, dass die Plne fr den Gro-flughafen nach Straenschlachten wie-der in der Schublade verschwanden. InCochabamba in Bolivien verhindertenHerausfordererdie Privatisierung derlo-kalenWasserversorgung.Es wardortderBeginndes politischenUmschwungs,derEvo Morales an die Macht brachte.

    In Brasilien bescherte eine grne (undevangelikale)Welle deralternativen Kan-didatinund NaturschtzerinMarinaSil-va in der ersten Runde der Prsident-schaftswahl krzlich fast 20 Prozent derStimmenund zwangdie industriefreund-liche Favoritin Rousseff in die Stich-wahl. Verhindert werden kann der Bau-beginn vonBelo Montezwarkaum mehr,

    dafr hat es der ansonsten auerordent-lichpopulreLulabereits zuweit voran-getrieben. Aber von der Opposition ausOrtsansssigenund internationalenSym-pathisanten wird noch zu hren sein,wenndieMaschinenanrcken.Die india-nischenKritikerwarentrotzversproche-ner Entschdigungen auer sich vorWut, als Lula die Vertrge mit den Bau-firmen unterschrieb. Man habe ein Ge-fhl der Revolte bei all der Ungerechtig-keit, klagte Aktivistin Sheyla Juruna.Unsere Gegenwehr muss neue Formenannehmen.Wir sindbereitfr denKrieg,wenn die Regierung nicht hren will.

    Von Javier Caceres

    Madrid Mit der Protestkultur gegendie Umweltzerstrung und Gropro-jekte, so lautet das Klischee, ist es inSpanien nicht allzu weit her. Und aufden ersten Blick stimmt es ja auch: Esgibt keine nennenswerte grne Partei,

    dafr aber vor allem an den Rndern des Landes, den Ks-tengebieten, eine systematische Verschandelung der Land-schaft,dieoffenbarkaumjemandengestrthat, weilzu vie-le zu gut daran verdienten. Die Proteste gegen Atomkraftund eine Schnellbahntrasse im Baskenland kranken daran,dassdie Etaeingriff mittdlichenTerroranschlgengegenIngenieure.

    DerUnmutgegeneinenTunnelfr denHochgeschwindig-keitszug in Barcelona war vergleichsweise kleinlaut undvor allem von der Furcht getragen, die Bohrungen knntendie Fassade der Monumental-Kathedrale Sagrada Familiareien lassen. Doch es gibt auch ganz andere Beispiele, beidenen sich Protest manifestiert und schlielich Grovorha-ben teilweise sogar gestoppt hat.

    Vor allem die Schlachten rund um ein in Spanien immerknapperes Gut namens Wasser haben Massen mobilisiert,

    sagt Ladislao Martnez vom Vorstand von Attac Spanien.Zum Beispiel wenn es darum ging, Stauprojekte abzuwen-den,die gleichmehrereNaturschutzgebietebedrohten,zumBeispiel im nordspanischen Itoiz.

    Die grten Demonstrationen rief freilich der Kampf umden Ebro-Fluss hervor, der ganze Regionen gegeneinanderaufbrachteundgleichsamein Vorboteder Folgendes Klima-wandels war. Die konservative Volkspartei PP hatte zu ih-rerRegierungszeit(1996-2004)den Ebroum HunderteKilo-meter umbetten wollen, um das Wasser aus dem Nordosteninden versteppendenSdenumzuleiten.Zehntausendegin-gen bei Demonstrationen dafr und dagegen auf die Stra-en, der irrwitzig anmutende Plan wurde nach dem Regie-rungswechsel 2004 fallen gelassen.

    Auchin Urlaubsgebieten gibt es hin und wieder Proteste,wenngleich eher vereinzelt. So zum Beispiel in Ibiza, als ei-neAutobahnverhindertwurde,undsichdie Spanierdie Au-gen rieben, dass es Mnner und Frauen aus dem gut situier-ten Brgertum waren, die die Proteste anfhrten. 2005 gin-gendort15 000Menschenaufdie Straeimmerhin15 Pro-

    zent der Bevlkerung Ibizas.

    Von Nikolaus Piper

    NewYork Die Sa-che ist einfach: DerKonflikt um Stutt-gart 21 wre in denVereinigten Staa-ten so nicht mg-

    lich, und zwar aus zwei Grnden. Er-stens liegt das Land mit der Modernisie-rung seiner Eisenbahnen um JahrzehntehinterEuropa zurck.Zweitenssind Aus-gabenfrdieInfrastrukturein progressi-ves Anliegen. Gerade der liberale, umden Klimawandel besorgte Teil der f-fentlichkeit drngt auf Investitionen indie Eisenbahnen.

    Das bedeutet nicht, dass Amerikanerkeine Konflikte um Groprojekte ken-nen.Nur sehendieganzanders ausalsinDeutschland. Hufig brechen sie auf,wenn mchtige Immobilienentwickler ingewachseneWohn-und Geschftsvierteleingreifen und versuchen, die Politik frsich zu instrumentalisieren. Und meistwerden sie dann mit Geld gelst.

    Ein typischer Fall ist das Projekt At-

    lantic Yards in Brooklyn. Hier sollen aufeinem ehemaligen Bahngelnde derLong Island Railroad eine neue Arenafr das Basketball-Team der Nets undTausende neuer Wohnungen entstehen.Nach sieben Jahren zum Teil erbittertenStreits begannen die Bauarbeiten am 1.Mrz. Es ist mit einem Volumen von 4,9MilliardenDollar nachdemWiederauf-bau des World Trade Centers derzeitdas zweitgrte Bauvorhaben NewYorks.

    Entwickler von Atlantic Yards istBruceRatner,einruppiger UnternehmerausOhio.DerEigentmerder Netsbrach-te Brgermeister Michael BloombergunddenStadtrathintersichmit demVer-sprechen, Brooklyn neu zu beleben undneue Jobs zu schaffen. Knapp ein DritteldergeplantenWohnungensolltenfrFa-

    milien mit geringem Einkommen reser-viert werden. Der Entwurf fr den Kom-plex stammte von dem StararchitektenFrank Gehry, was Atlantic Yards fr dieStadt noch attraktiver macht.

    Aufder anderenSeite standendie Ein-wohner aus der Nachbarschaft. Sieglaubten,dassdas Projektin seinenriesi-gen Dimensionen ihr vertrautes Wohn-umfeld zerstren wrde. Die fraglichenViertelmit ihrenhundertJahrealtenRei-henhusern standen noch in den achtzi-ger Jahren davor, sich zu einem Slum zuentwickeln. Inzwischen sind sie jedochangenehme, fast idyllische Wohngegen-dengeworden. Die Anwohnerorganisier-tensich in Brgerinitiativenund klagtenvor Gericht.

    Viele der Bedenken besttigten sich inder Rezession. Ratner geriet in Geld-schwierigkeiten und musste die Kostendrastischsenken. Unteranderem verzich-tete er auf den teuren Entwurf Gehrys.Damitgingauchder sthetischeReizvonAtlantic Yards verloren. Die Arena wer-de aussehen wie ein Flugzeug-Hangar,schrieb die New York Times. Trotzdem

    wurde das Projekt weitergetrieben.Jetzt ging es nur noch um eine Frage:DarfEminent Domain,die amerikani-sche Form des Enteignungsverfahrens,auf ein privates Projekt wie AtlanticYards angewandt werden? Und wie vielGeldbekommendie Enteigneten? ImNo-vember entschied ein Berufungsgerichtin der Enteignungssache zu RatnersGunsten. Im April gab Daniel Goldstein,der letzte Protestierer, auf. Gegen dieZahlung von drei Millionen Dollar ver-lieer seineWohnungund tratalsVorsit-zender der wichtigsten Brgerinitiativezurck.

    Von Christoph Neidhart

    Seoul In Sdkoreaw ir d d er K oh lknapp. Innerhalbvon sechs Wochenhat sich der Preisverfnffacht. Die

    Opposition schimpft, das sogenannteVier-Flsse-Projekt sei schuld. DasNeun-Milliarden-Euro-Unterfangen hatschon 105 Quadratkilometer landwirt-schaftlicher Flche zerstrt. PrsidentLee Myung-bak spricht von einer Restau-rierung der wichtigsten Flsse. Das Pro-jektsollseinDenkmal werden.DochKohlkostet nun mehr als Schweinefleisch. AusKohlmacht manKimchi,ein rohesSauer-kraut, das die Koreaner zu jeder Mahlzeitessen. Ohne Kimchi knnen sie nicht le-ben,fr Kimchiwrden sieauf dieStraegehen.

    Unddas knnensie: SdkoreasStuden-ten zwangen mit endlosen Protesten inden 1980er Jahren die Diktatur in dieKnie,Hunderte bezahltendie Demokratiemitihrem Leben.Brgerbewegungensetz-

    ten die Schlieung von US-Militrsttz-punktendurch.Undvor zweiJahrenzwan-gen sie Prsident Lee, das ImportverbotfrUS-Rindfleischneu zuverhandeln.Da-fr hielten sie drei Monate lang Mahn-wachen. Dann stoppten sie das Projektdes Prsidenten, einen Kanal durch dieHalbinsel zu bauen. Jetzt wollen Opposi-tion und Umweltschtzer den Kim-chi-Preis dazu nutzen, aus dem Widers-tand gegen das Vier-Flsse-Projekt eineVolksbewegungzu machen.

    Sdkorea ist ein Land der Groprojek-te.HierwerdennochneueStdteausdemBoden gestampft wie sonst nur in China.Lee,einst ChefeinesBaukonzerns,willan

    den vier Flssen 16 Staumauernerrichten,HunderteKilo-meter sollen in Dmme

    gelegt werden, die Fluss-

    bettenwerdenausgebaggert,Sumpfgebie-te trockengelegt. Dazu kommen Straen,Radwege, Freizeitparks und Hotels. DieFlssefhrtenimmerweniger Wasser,ihrSchlamm sei mit Schwermetallen vergif-tet, sagt Young Soogil, Beauftragter desPrsidenten fr das Projekt. Zudem wer-de es wegen des Klimawandels seltener,aberstrker regnen.Die Staudmmewr-den helfen, die Trinkwasserversorgungzusichern und berschwemmungen zu ver-hindern.Mit dem Ausbaggernwrden diegiftigen Sedimente entfernt. Young preistdas Projekt sogar als Teil des grnenNewDeal Sdkoreas.

    Die vergifteten Flussbden wurdenkrzlich schon gereinigt und zu 97,3 Pro-zent fr saniert erklrt, schreibt KimJung-wk,Professorfr Umweltstudienander National-Universitt.Sein Gutachtenwiderlegt jedes Argument der Regierung.2000Professorenhabensichhinterihnge-stellt. Das Projekt zerstre die Flsse, dasHabitat vieler Vgel, es belaste die Um-weltund gefhrdedie Trinkwasserversor-gung,so Kim.WhrendandereLnderih-re Flsse renaturierten, denaturiere Sd-

    koreaseine Gewsser.DerProfessor zeigt:DasVier-Flsse-Projektist eineNeuaufla-gedes verhinderten Kanals.Die geplantenStaudmme sind jene, die fr den Kanalgeplant waren. Dazugekommen sind blodie Radwege, Hotels und Erholungszonen mehr Beton.

    WeildasProjektbis zumEndevonLeesAmtszeit 2012 fertig werden soll, peitsch-te dieser die Bauarbeiten voran, bevor dieGutachten erstellt waren. Nach zehn Mo-naten Bauzeit ist das Mega-Projekt zu ei-nem Drittel fertig. Dabei fangen die Ge-richte erst an, die 9300 Klagen zu behan-deln. Die Anwlte sagen, die Demokratieund der Rechtsstaat stnden auf demSpiel.Obwohl LeeihnenArbeitspltzever-sprach, rufen sogar die Gewerkschaftenzum Widerstand auf. Aber wirksamer alsalle Aufrufe wird der Kimchi-Preis sein.

    Von Ulrike Sauer

    Rom - Als sich die

    O ma s a us d emAlpental Val di Su-sa im Sptherbst2005 m it demSchwarzen Block

    verbndeten, dmmerte den Regieren-den in Rom, dass sie in einer Sackgassesteckten.DiePolizeispitzemussteam Ni-kolausabend mit den Demonstrantenber densicheren Abzug ihrerLeute voneinerBaustelle der neuenHochgeschwin-digkeitstrasse Turin - Lyon verhandeln.Die Kraftprobe mit dem unbeugsamenBergvolk war grotesk gescheitert. SeitWochen standensich anStraenbarrika-denum dasDorfVenausProtestierer undmit Schlagstcken ausgerstete Polizi-stengegenber.Die Regierungvon SilvioBerlusconi wollte das umstrittene Pro-jekt unbedingt durchdrcken und hatteBaufirmen zu Probebohrungen ge-schickt. Bis man einsah, dass die Bahn-strecke sichnicht perMilitarisierungdesAlpentals durchdrcken lsst.

    Nochheutewird imPiemontnordwest-lich von Turin gerungen. Die Menschen

    treibtnicht nur dieFurcht vor LrmundStaub in mehr als zehn Jahren Bauzeitan. Sie ngstigen sich vor der Freiset-

    zung von Asbest und Uran bei den Bohr-arbeiten im Berggestein fr die 66 Kilo-meter langen Tunnelschchte. ber die-se Bahntrasse soll einmal Lissabon mitdem fernen Kiew verbunden werden. Ih-re Geschichte begann 1990, als die EUden Bau eines kontinentalen Schienen-netzesfr Hochgeschwindigkeitszgebe-schloss. Auf der anderen Alpenseite inFrankreichlaufendieArbeitenreibungs-los.Im Susa-Tal aberbietenLokalpoliti-ker, Bevlkerung und UmweltgruppenRomdie Stirn.So drohtedie europischeTrasse blockiert zu werden.

    2006 kam es in Rom zum Regierungs-und damit zum Taktikwechsel. RomanoProdi machte sich fr das Groprojektstark,bezogaberdie rebellischeBevlke-rung ein und kooperierte mit der Lokal-politik. Zwei Jahre spter musste Prodigehen, doch seine Strategie fhrte 2008zu ersten Erfolgen: Eine Einigung berden Streckenverlauf wurde erzielt.

    Natrlichwird weiterberDetailsge-stritten.Das TrassenvorhabenkommtimZeitlupentempo voran. Aber das ewig

    Unvollendete ist Kennzeichen italieni-scher Infrastrukturprojekte. Ihre Ver-wirklichung dauert im Schnitt zehnmal

    so lange wie bei den europischen Nach-barn und ist drei Mal so teuer. EndloseBauarbeiten sind eine Epidemie vondenAlpen bis zurMeerengevor Messina:Dort steht die Brcke, die Sizilien an dieStiefelspitze anbinden soll, seit mehr als30Jahrenals Priorittauf demPapier.DererstePlan frSchutzbarrierengegendas Hochwasser in Venedig stammt ausdem Jahr 1980. Doch die Lagunenstadtwird jeden Winter aufs Neue ber-schwemmt. Und Premier Berlusconi ls-te krzlich unfreiwillig Belustigung aus,alser dieFertigstellungderAutobahnSa-lerno - Reggio Calabria als Punkt seinesRegierungsprogramms aufzhlte: Nach13 Jahren glaubt niemand an den Ab-schluss der Bauarbeiten. Die Autobahnhat nur einen Gegner: die Mafia. DieNdrangheta-Clans verdienen zu gut ander Dauerbaustelle. Man schtzt, dass inItalien 60 Projekte im Gesamtwert von16 Milliarden Euro auf Eis liegen. DasNichtstun hat seinen Preis: In den kom-menden 15 Jahren soll es das Land383,5 Milliarden Euro kosten.

    Von Gunnar Herrmann

    Stockholm Di eneue Umgehungs-strae wird denWesten Stockholmswohlfrimmer ver-ndern und den

    Haushalt der Hauptstadt auf Jahrzehntebelasten.21 Kilometerlang,sechsspurig,komplett untertunnelt soll sie sein und

    voraussichtlich wird sie umgerechnetfast drei Milliarden Euro kosten. Natr-lich gibt es gegen ein solches Riesenpro-jekt Proteste doch besonders laut sindsie nicht. Im Kommunalwahlkampf voreinigenWochenspielteFrbifartStock-holm, wie die Umgehung heit, sogarnur eine unbedeutende Nebenrolle.

    Dasist erstaunlich,denndie Straeistnichtnurteuer,sie berhrt auchmehrereNaherholungsgebiete. Eine Ausfahrt ausdem sechsspurigen Autobahntunnel sollzumBeispielaufder idyllischenInselL-v entstehen, direkt hinter dem Schloss-park von Drottningholm. Das Schloss istnicht nur Wohnsitz der Knigsfamilieund ein beliebtes Ausflugsziel, es istauch Weltkulturerbe. Umweltschtzerbefrchten, dass der neue Verkehrskno-tenpunktauf Lvund aufder Nachbar-

    insel Eker zu einem Bauboom fhrenwird. Das bis jetzt lndlich geprgte Ar-chipel im Mlarsee knnte verstdtern.Die Behrden aber versichern, die Um-weltbeeintrchtigungen seien minimal.Schlielichwerdedie Autobahnja indenTunnel gelegt. Die Befrworter der Um-gehung haben die Mehrheit im Stadtrat,und so bereitet man im Straenbauamtschon fr 2012 den Spatenstich vor.

    Mrten Wallberg vom schwedischen

    Naturschutzverband bleibt trotzdem ge-lassen. Seit den 1990er Jahren kmpft ergegen die Strae. Die Sache ist nochnicht entschieden, meint er. Wallbergverweist auf eine Klage, die er gegen denBeschluss der Regierung eingereicht hat.Und auf technische Probleme in der Pla-nung, die noch nicht gelst seien. Auer-dem willder Naturschutzverband weitermit Pressemitteilungen und Infobltternum die ffentliche Meinung ringen.

    Grodemonstrationen sind dagegenkeine geplant. Das ist typisch frSchweden:Auseinandersetzungen dieserArt spielen sich dort im Vergleich zu an-deren Lndern nahezu geruschlos ab.Die Gegner kmpfen mit Gastkom-mentaren in den Tageszeitungen, mitInfostnden, Webseiten und in Gerichts-verfahren fr ihre Sache. Auf den

    Straen aber bleibt es fast immer ruhig.Grund dafr ist das groe Vertrauen

    der Schweden in ihre Obrigkeit. Diesesgute Verhltnis zum Brger knne mansogar belegen, sagt eine Sprecherin desStraenbauamtes und verweist auf eineStatistik zur Kundenzufriedenheit inBehrden. Bei diesen Untersuchungenliegtfastimmer diePolizeian ersterStel-le. Aber das Straenbauamt ist auchrecht weit vorne, erklrt sie stolz. Dann

    erzhlt sie vom transparenten Planungs-verfahrenin Schweden,bei demalle Pl-ne ffentlich ausgestellt und diskutiertwerden. Das schaffe eben Vertrauen. Beiden Brgerversammlungen gehe es zwarschon manchmal hei her, sagt sie. Aberdie Diskussion bewege sich dabei immerin einem geordneten Rahmen.

    Wallberg beschreibt die Debatten-kultur seiner Heimat hnlich. So etwaswiein Frankreich,wodie BauernMistla-dungenvorsMinisteriumkippen,dasw-re bei uns undenkbar, meint er. Das wi-derspreche schwedischer Tradition. Manbekommt den Eindruck, dass der Um-weltschtzer diese Tradition eigentlichganz gut findet. Dann sagt er aber dochnoch: Manchmal denke ich schon, dassdieSchwedenetwaskritischersein knn-ten. Wenigstens ein bisschen.

    Geld entscheidetInfrastruktur ist ersehnt, Immobilienentwickler sind gefrchtet

    Mittwoch, 13. Oktober 2010 HF2 Sddeutsche Zeitung Nr. 237 / Seite 23WIRTSCHAFT

    Ewig unvollendetIn Italien dauern Grovorhaben lnger als berall sonst in Europa. Die Gegner beweisen Kondition

    Der Kampf umdes Wassers Fluss

    Blo nicht aufmuckenStraenproteste? Undenkbar in Stockholm. Denn die Schweden vertrauen ihren Behrden

    Beim Kohl endet die GeduldEin Staudamm-Bau treibt den Gemsepreis und damit die Wut

    Trotz aller LiebeUreinwohner legen sich mit Brasiliens populrem Prsidenten an