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Rundbrief C h r i s t e n f ü r g e r e c h t e CGW W i r t s c h a f t s o r d n u n g e . V . 12/1 März 2012 Inhalt Wie sieht eine postkapitalistische Ökonomie aus? ............................1 Impressum ......................................2 Liebe Leser und Leserinnen, ..........2 Leser- und Leserinnen-Echo ..........3 Wäre eine Finanztransaktionssteuer wichtiger als eine Bodenreform? – Fragen und Antworten zu Mehr Stabilität und soziale Gerechtig- keit im letzten CGW-Rundbrief ...3 Berichte .........................................4 KommPott, raus aus der Krise! Was wollen die 99%? Bemerkenswerte Bekenntnisse einer realvisionären Bewegung, Gudula Frieling ........4 Gerecht Wirtschaften – Ein Feier- abend-Gottesdienst ......................7 Studiengang für islamisches Fi- nanzwesen, R. Geitmann............12 Vom Calvinismus zum Kapitalis- mus – Pfarrer Michael Lapp re- feriert über die Wurzeln unseres Wirtschaftssystems ....................12 Leserbriefe ..................................13 Von welchem Gott spricht Schäub- le? Leserbrief zu „Sind wir zu satt für Gott?“ in „Christ und Welt“, Gudula Frieling .........................13 Utopie in die Realität holen – Inter- view von Wolfgang Kessler mit Bernd Winkelmann in Publik-Fo- rum .............................................15 Bücherecke ................................17 Vorträge und Seminare über CGW- Anliegen halten unsere Mitglieder ...................................................20 Tagungen – Veranstaltungen .....21 Wie tragfähig sind unsere Alternati- ven? Einladung zur CGW-Tagung mit Mitgliederversammlung .....21 Island befreit sich aus den Klauen der Finanzmafia .........................23 Wie sieht eine postkapitalistische Ökonomie aus? Plenartagung der Akademie Solidarische Ökonomie vom 10. Februar bis 12. Februar 2012 in Göttingen Nachdem sich auf der Abschluss- und Neustarttagung der Akademie Solidarische Ökonomie letzten Okto- ber in Berlin zahlreiche an der wei- teren Arbeit Interessierte gefunden haben, wurde auf dieser Plenarta- gung der strukturelle Rahmen für die weitere Arbeit beschlossen und die Arbeitsschwerpunkte festgelegt. Aufgabenstellung Die Akademie Solidarische Ökono- mie ist eine Arbeitsgemeinschaft in- nerhalb der Stiftung Ökumene. Sie ist eine Vereinigung von Bürgerin- nen und Bürgern, zivilgesellschaft- licher Gruppen, Organisationen und Wissenschaftlern, die sich die Auf- gabe gestellt haben, Leitvorstellun- gen, Systementwürfe und Modelle einer postkapitalistischen solidari- schen und gemeinwohlorientierten Ökonomie zusammenzutragen, wei- terzuentwickeln und in den öffentli- chen Diskurs einzubringen. Durch die Unterstützung, Beglei- tung oder Gründung praxisbezoge- ner Projekte erprobt, prüft und ver- bessert die Akademie die inhaltlich programmatische Arbeit. Schwerpunkte der Arbeit Die Arbeit der Akademie umfasst vier Schwerpunkte. 1. Programmatische Grundlagenar- beit: Dazu gehören die kritische Analyse des bestehenden Systems, wissenschaftliche Grundlagenar- beit, Systementwürfe, Bausteine, Modelle, Transformationsstra- tegien einer postkapitalistischen Ökonomie. 2. Bildungs- und Öffentlichkeits- arbeit: Dazu gehören öffentliche Vorträge und Seminare, Erstellen von Referentenlisten, Medienar-

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RundbriefChr

isten für gerechte CGWW

ir tschaftsordnung e

.V.

12/1 März 2012

InhaltWie sieht eine postkapitalistische

Ökonomie aus? ............................1Impressum ......................................2Liebe Leser und Leserinnen, ..........2Leser- und Leserinnen-Echo ..........3Wäre eine Finanztransaktionssteuer

wichtiger als eine Bodenreform? – Fragen und Antworten zu Mehr Stabilität und soziale Gerechtig-keit im letzten CGW-Rundbrief ...3

Berichte .........................................4KommPott, raus aus der Krise! Was

wollen die 99%? Bemerkenswerte Bekenntnisse einer realvisionären Bewegung, Gudula Frieling ........4

Gerecht Wirtschaften – Ein Feier-abend-Gottesdienst ......................7

Studiengang für islamisches Fi-nanzwesen, R. Geitmann............12

Vom Calvinismus zum Kapitalis-mus – Pfarrer Michael Lapp re-feriert über die Wurzeln unseres Wirtschaftssystems ....................12

Leserbriefe ..................................13Von welchem Gott spricht Schäub-

le? Leserbrief zu „Sind wir zu satt für Gott?“ in „Christ und Welt“, Gudula Frieling .........................13

Utopie in die Realität holen – Inter-view von Wolfgang Kessler mit Bernd Winkelmann in Publik-Fo-rum .............................................15

Bücherecke ................................17Vorträge und Seminare über CGW-

Anliegen halten unsere Mitglieder ...................................................20

Tagungen – Veranstaltungen .....21Wie tragfähig sind unsere Alternati-

ven? Einladung zur CGW-Tagung mit Mitgliederversammlung .....21

Island befreit sich aus den Klauen der Finanzmafia .........................23

Wie sieht eine postkapitalistische Ökonomie aus?

Plenartagung der Akademie Solidarische Ökonomie vom 10. Februar bis 12. Februar 2012 in Göttingen

Nachdem sich auf der Abschluss- und Neustarttagung der Akademie Solidarische Ökonomie letzten Okto-ber in Berlin zahlreiche an der wei-teren Arbeit Interessierte gefunden haben, wurde auf dieser Plenarta-gung der strukturelle Rahmen für die weitere Arbeit beschlossen und die Arbeitsschwerpunkte festgelegt.

Aufgabenstellung

Die Akademie Solidarische Ökono-mie ist eine Arbeitsgemeinschaft in-nerhalb der Stiftung Ökumene. Sie ist eine Vereinigung von Bürgerin-nen und Bürgern, zivilgesellschaft-licher Gruppen, Organisationen und Wissenschaftlern, die sich die Auf-gabe gestellt haben, Leitvorstellun-gen, Systementwürfe und Modelle einer postkapitalistischen solidari-schen und gemeinwohlorientierten Ökonomie zusammenzutragen, wei-

terzuentwickeln und in den öffentli-chen Diskurs einzubringen. Durch die Unterstützung, Beglei-tung oder Gründung praxisbezoge-ner Projekte erprobt, prüft und ver-bessert die Akademie die inhaltlich programmatische Arbeit.

Schwerpunkte der ArbeitDie Arbeit der Akademie umfasst vier Schwerpunkte. 1. Programmatische Grundlagenar-

beit: Dazu gehören die kritische Analyse des bestehenden Systems, wissenschaftliche Grundlagenar-beit, Systementwürfe, Bausteine, Modelle, Transformationsstra-tegien einer postkapitalistischen Ökonomie.

2. Bildungs- und Öffentlichkeits-arbeit: Dazu gehören öffentliche Vorträge und Seminare, Erstellen von Referentenlisten, Medienar-

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beit, die Nutzung der viel-fältigen Möglichkeiten des Internet, Erstellen didakti-scher Materialien, Erstellen plakativer und öffentlich-keitswirksamer Materiali-en wie Flyer, Aufrufe, u.ä..

3. Kontakt- und politische Bewegungsarbeit: Dazu gehören die Kontaktauf-nahme und Kontaktpfle-ge mit vergleichbaren bzw. verwandten Initiativen, zu Parteien, Gewerkschaften, Kirchen, zivilgesellschaft-lichen Gruppierungen; In-itiierung und Mitwirkung bei öffentlichen und politi-schen Aktionen, sowie die Förderung und Teilnahme an einem Dachverband zur Förderung einer Ökonomie jenseits des Kapitalismus.

4. Projektarbeit: Dazu kön-nen gehören bspw. die Be-gleitung, Unterstützung und Zusammenarbeit mit Pro-jekten Solidarischer Öko-nomie, sowie gegebenen-falls der Aufbau eines ei-genen Projektes.

Weitere Informationen auf www.akademie-solidarische-oekonomie.de

Die Redaktion

Liebe Leser und Leserinnen,

Impressum

Für Mitglieder ist der Bezug des Rundbriefs im Mitgliedsbeitrag enthalten. Nichtmitglieder können ihn für € 10.- (in Briefmarken) ein Jahr über die CGW-Geschäftsstelle beziehen.Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Für unverlangt eingesandte Beiträge übernimmt die Redaktion keine Gewähr.Redaktionsschluss ist jeweils der 15. Februar, 15. Mai, 15. August und 15. November.Jedwede Veröffentlichung mit Quellenangabe ist erwünscht.

Der CGW-Rundbrief erscheint viermal im Jahr und wird von den Christen für gerechte Wirtschaftsordnung e.V. herausgegeben.Der Vereinssitz ist in Kehl.Rundbrief-Redaktion: Rudolf Mehl, Bauschlotterstr. 4, 75249 Kieselbronn, E-Mail: [email protected]äftsstelle: Rudeloffweg 12, 14195 Berlin, Tel.+ Fax: 030-8312717 E-Mail: [email protected] im Internet: www.cgw.de

Konten: Postbank Karlsruhe, Kto. 1140 12-753, BLZ 660 100 75 GLS Gemeinschaftsbank eG, Kto. 8025738200, BLZ 430 609 67

immer wieder erreichen uns (meist Geschäftsstelle oder Rundbriefre-daktion) Hinweise auf neue Inter-netseiten, Diskussionsforen, al-ternative Geldsysteme im weites-ten Sinne, mit der unterschied-lich formulierten Aufforderung, wir sollten uns doch diese neuen Er-kenntnisse zu eigen machen, sie würden unsere weitere Arbeit we-sentlich beeinflussen. „Vielleicht mögen die Christen für gerech-te Wirtschaftsordnung e.V. meine Vorschläge prüfen und bei Gefal-len in ihr Programm aufnehmen.“ – so eine Formulierung.

Wir antworten meist zurückhaltend. Wenn es zum Anlass passt, laden wir zum Mitmachen ein. Oft ist die Sache damit erledigt. Manchmal kommt noch die Forderung, einen Vortrag auf einer unserer nächsten Tagungen zu halten.

Die Welt scheint mir reich an Men-schen zu sein, die viele gute Ideen haben, wie man vieles oder viel-leicht sogar alles besser machen könnte. Die Welt scheint mir aber arm an Menschen zu sein, die an-packen, um diese Ideen umzu-setzen.

Ich habe meine Zweifel, ob wir etwas bewegen, wenn wir immer

noch eine Initiative gründen, noch einen Internet-Auftritt, noch ein Forum, ...

Ob das wirklich geistiges Wachs-tum zeigt, bezweifle ich. Eher hal-te ich es für ein Merkmal unsere mangelnden sozialen Fähigkeiten: bei schon bestehenden Initiativen mitmachen, sich mit deren Mitglie-dern auseinandersetzen, um den richtigen Weg streiten (und nicht für den Weg kämpfen, von dem man selbst überzeugt ist), um et-was Gemeinsames auf die Beine zu stellen.

Ohne diese Fähigkeiten sehe ich keine Chancen, dass wir etwas erreichen.

In diesem Rundbrief finden Sie wieder einige unterschiedliche Meinungen als Anregung. Zum Thema Grundeinkommen liegen auch schon einige Beiträge vor – die Diskussion folgt im nächsten Rundbrief.

Neben dem Meinungsaustausch in Schriftform ist auch die persönli-che Begegnung mit der Möglich-keit des direkten Austauschs wich-tig. Unsere Tagung vom 15. - 17. Juni in Zell am Main bietet Gele-genheit dazu – siehe S. 21.

Rudolf Mehl

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e.V.Rundbrief 12/1 März 2012 Seite 3

Wäre eine Finanztransaktionssteuer wichtiger als eine Bodenreform?

Fragen und Antworten zu Mehr Stabilität und soziale Gerechtigkeit im letzten CGW-Rundbrief

Sehr geehrter Herr Stiffel,

es freut mich, dass mein Artikel über die Unterschriftenaktion der Evang.-Lutherischen Landeskirche in Bay-ern Ihr Interesse gefunden hat. Ich hatte in diesem Zusammenhang die Aufgabe, die Aktion im Dekanats-bezirk Neustadt/Aisch aktiv zu be-gleiten und für Anfragen aus den Gemeinden als Ansprechpartner zur Verfügung zu stehen. Wie Sie sicher-lich der Presse entnehmen konnten, hat die Aktion in Bayern nur ent-täuschende 67.000 Unterschriften

Lieber Herr Küstner,

Ihr Artikel „Mehr Stabilität und so-ziale Gerechtigkeit“ gefällt mir sehr gut. Eine Zusammenfassung der Nachteile einer Finanztransaktions-steuer (FTS), mit denen wir rechnen müssen, deren Einführung ich aber, genau wie Sie für notwendig halte, habe ich so noch nirgendwo gelesen.

Zum Artikel habe ich noch Fragen und Anmerkungen.

Sie schreiben, das Handelsvolumen mit Derivaten an den Finanzmärkten betrage das 43,4 fache des Weltso-zialprodukts.

Worauf stützt sich diese Zahl? In ei-ner Veröffentlichung von Attac Stutt-gart „Die Geister, die ich rief.....“ lese ich: „Das Finanzkasino ist 8 mal so groß wie das gesamte Weltsozi-alprodukt.“

Allerdings, ob jetzt 43,4 oder 8, stellt sich mir die Frage, ob eine FTS heut-zutage nicht erheblich wichtiger als eine Bodenreform wäre.

Andererseits macht mich der Kauf von riesigen Bodenflächen durch In-vestmentfonds und Konzerne in Af-rika in dieser Hinsicht doch nach-denklich.

Sie schreiben, dass an der Börse der Gewinn des einen Spielers zunächst nur der Verlust eines anderen ist. Das stimmt dann nicht mehr, wenn ge-gen eine Währung spekuliert wird, wie das George Soros vor Jahren ge-gen das Pfund tat. Als die Mittel der betroffenen Zentralbank nicht mehr ausreichten, um die Währung zu stüt-zen, musste sie eben doch abgewer-tet werden und Herr Soros hatte sei-

ne Milliarde und bezahlt hat das der englische Bürger.Sie schreiben, das viele Geld aus der Realwirtschaft kommt durch den Zins in das Finanzkasino. Spielt aber nicht die reine Rendite aus Un-ternehmergewinnen, Kurssteigerun-gen usw. heute eine eher noch grö-ßere Rolle?Ich stimme Ihnen zu, dass die Unter-schiede in den Gehältern nicht ent-scheidend für die ständige Umver-teilung sind. Mittelbar spornen aber die z. T. irrsinnigen Boni die Akteu-re zu immer waghalsigeren Aktio-nen, die – wenn sie gut gehen – er-heblich zur Anhäufung von Reich-tum beitragen.Sie schreiben vom Rückfluss von zweckentfremdetem Geld durch die FTS an die Staaten. Gibt es eigent-lich Anhaltswerte, in welchen Grö-ßenordnungen dieser Rückfluss lie-gen könnte?

Mit freundlichen Grüßen, Werner Stiffel

erreicht und nicht die angestreb-ten 100.000. Nun zu Ihren Ausführungen und Fragen:Den Umfang des Handelsvolumens mit Derivaten in Höhe des 43,4 fa-chen des weltweiten Bruttoinlands-produktes habe ich den Ausführun-gen eines Referenten der Landes-kirche entnommen, der diese Zahl in seinem Auftaktreferat vorgestellt hat. Als Quelle ist hier genannt: BIZ, World Federation of Exchange 2008, Hans-Böckler-Stifung 2009. Jedoch ist die Verhältniszahl nicht so wich-tig wie die Erkenntnis, dass sich die Finanzmärkte von jeglichem real-wirtschaftlichen Bezug abgekop-pelt haben. Nach einer WIFO-Studie vom März 2008, auf die sich Dr. Gerhard Schick in einem Argumentationspapier von „Bündnis 90/Die Grünen“ bezieht, könnten bei einem Steuersatz von 0,01% auf jede Finanztransaktion europaweit Steuereinnahmen von 97 Mrd. € erwartet werden. Redu-zieren sich mit Einführung der Fi-nanztransaktionssteuer die Bör-senumsätze erwartungsgemäß, sind immer noch 73,3 Mrd. € zu erwar-ten. Bezogen auf Deutschland wä-ren das 12,9 bzw. 9,8 Mrd. €.Ihre Frage nach der Priorität zwi-schen der Einführung der Transak-tionssteuer und einer Bodenreform stellt sich meines Erachtens so nicht. Viel wichtiger ist der Beginn einer breit angelegten Diskussion über Al-ternativen zu unserem Wirtschafts-system. Wir müssen erkennen, dass dieses Wirtschaftssystem nicht als Naturgesetz vom Himmel gefallen

Leser- und Leserinnen-Echo

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e.V.Seite 4 Rundbrief 12/1 März 2012

ist und somit änderbar ist. Falls es im Rahmen eines demokra-tischen Prozesses gelingt, die durch Vermögenskonzentrati-on manifestierte Macht einzu-dämmen, muss gleichzeitig eine Bodenreform verhindern, dass sich diese Macht im Grundbe-sitz fortsetzt. Ihr Hinweis, dass die Konzerne weltweit bereits Grund und Boden kaufen, ist ein Indiz dafür, dass die Groß-vermögen bereits vom flüchti-gen Finanzkapital in den wert-haltigen Boden ausweichen um dann ggf. ihre Macht über den Grundbesitz aufrecht zu erhalten.Ihr Einwand, dass durch Spe-kulation der Allgemeinheit ein unermesslicher Schaden entste-hen kann, ist natürlich zutref-fend. Ich wollte eigentlich nur ausdrücken, dass wir dem Ka-sinobetrieb gelassen zusehen könnten, wenn gewährleistet wäre, dass Gewinne und Ver-luste sich dort immer ausglei-chen und somit kein Rückgriff auf die Realwirtschaft notwen-dig werden würde.Ob Zins auf Geldkapital oder Gewinn aus Investitionen, es ist beides Einkommen aus Ka-pitalbesitz und damit Quelle von weiterem Reichtum, der den Ein-kommen aus Arbeit systembe-dingt entzogen werden muss, wenn das System so fortgeführt werden soll.So wünschenswert die Einfüh-rung einer Transaktionssteuer auch sein mag, so ist mir das Signal der Evang.-Luth. Kirche in Bayern mindestens genau so wichtig, dass sie bei diesem kon-trovers diskutierten Thema eine eindeutige Position bezogen hat.

Mit herzlichen Grüßen, Gerhard Küstner

KommPott, raus aus der Krise! Was wollen die 99%?

Bemerkenswerte Bekenntnisse einer realvisionären Bewegung

Berichte

Das Essener Unperfekthaus an ei-nem verregneten Sonntag Nachmit-tag im Januar 2012. Während drau-ßen tote Hose ist, sich grau an grau reiht und die kapitalistische Unter-haltungsindustrie mit etwas, das alb-traumartig an Rodeln und Eislaufen erinnert, zum letzten Showdown lädt, quirlt hier drinnen das Leben: ein buntes Café, Jugendzentrum, kreativer Treffpunkt für Jung und Alt, künstlerische Vielfalt, politi-sche Gesprächskultur, Schach und Tischtennis – all das und viel mehr ist das Essener Unperfekthaus. Im vierten Stock in einem mit etwa 80 Leuten gefüllten Raum geschieht an diesem 22. Januar etwas besonderes: Drei Menschen sprechen zu ihren Zuhörern und eröffnen ihnen ver-schiedene, persönlich geprägte Pers-pektiven auf die ökonomischen Ver-hältnisse in unserem Land. So ver-schieden ihre Herkunft, ihre Blick-richtung und ihr Temperament auch ist, in einem sind sich die drei einig: Es gibt ein Raus aus der Krise, ein Raus aus dem Hamsterrad der Ver-schuldung und zwar jenseits des all-seits propagiertem Sparzwangs auf der einen und der Neuverschuldung auf der anderen Seite. Wir müssen nur die Blickrichtung ändern, dann werden diese Altnativen nicht nur sichtbar, sondern kommen uns als praktische gelebte Alternativen so-gar entgegen.

Der Erste: Manuel Schürmann, Jg. 1988, Bankkaufmann seit 2007, führte sehr unaufgeregt in die aufre-gende und doch von größter Norma-lität geprägte Innenperspektive eines Bankkaufmanns ein: Er habe ganz

normale Ziele gehabt: beruflicher Erfolg, hohes Gehalt, BMW, Haus, Familie, Kinder. Damit sei auch sei-ne Umgebung völlig d’accord ge-wesen. Zudem: Er habe seinen Job gut machen wollen. Als er 2008 zu einer der größten deutschen Privat-banken wechselte, hieß das, den Er-wartungen des Chefs zu entsprechen und seinen Vorgaben folgend einen Umsatz von 8000 Euro die Woche zu machen. Entsprechend intensiv sei die Schulung der Banker in ver-schiedensten Verkaufsstrategien, für die durch entsprechende Schulungen zeitlich viermal so viel Aufwand be-trieben würde wie für die inhaltli-che Kenntnis der angebotenen Pro-dukte. Kurz: Was den Banker inte-ressiere, sei weder die gepriesene Qualität der sog. Produkte noch die Volkswirtschaft als ganzes, sondern der Gewinn, den das Unternehmen Bank abwerfe. Daher könne es nicht gut gehen, wenn Banken, die so de-zidiert durch Eigeninteressen gelenkt werden, durch ihre Größe System-relevanz, sprich Unsterblichkeit er-ringen und damit die Aufrechterhal-tung ihrer Wirtschaftsweise durch Gemeinschaft erzwingen können, obwohl diese für die so produzier-ten Schäden aufkommen muss. Wie sah es in den Banken 2008 aus, als die Finanzkrise losbrach? Panik al-lerorten! Was machen wir bloß mit Lehmann-Brothers-Papieren? Wie ein heißes Eisen seien sie in einen Ordner gesteckt und nicht mehr an-gerührt worden. Und auch die Pa-nik an den Börsen änderte nichts am Pensum einer normalen Arbeits-woche: Gemäß den Vorgaben des

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e.V.Rundbrief 12/1 März 2012 Seite 5

Chefs galt es mal einen Wertpapier-verkauf in Höhe von 4000, mal von 8000 auf die Beine zu stellen. Wie geht man da vor? Man schaut die Kundendatei durch und überlegt, wen man in den Deal einbeziehen kann. Erleichtert würde ein solches von Bank-, nicht von Kundeninte-ressen bestimmtes Vorgehen, wenn kein persönlicher Kundenkontakt mehr besteht. Dennoch war es das Schicksal einer 70jährigen Rent-nerin, das Manuel Schürman auf-horchen ließ. Jahrelang bekam sie Kredit, jahrelang hatte sie sich auf ihre Bonität verlassen, doch dann leuchten plötzlich bei der Bonitäts-prüfung alle Lampen rot. Was hat-te sich verändert? Warum war plötz-lich aus der „guten“ Schuldnerin eine „schlechte“ geworden? Diese Frau wurde für Schürrman zum An-lass, den Prozess der Verschuldung unter die Lupe zu nehmen. Und er kam zur erstaunlichen Erkenntnis: Ja – wir haben ein Verteilungspro-blem in unserem Land, denn 10% besitzen 80 % der Vermögen. Aber problematisch sei nicht, dass wenige viel besitzen, sondern wie es zu die-ser Vermögensspreizung kommt: je mehr Geld auf der einen Seite durch Geld generiert wird, um so mehr Schulden müssen auf der anderen Seite entstehen. Was die oberen 10 Prozent mit ihrem Geld tun, ist we-der böse noch kriminell, sondern aus ihrer Perspektive sinnvoll: Sie investieren in ihre Unternehmen, in die Zukunft ihrer Kinder oder über-tragen ihr Geld sogar an gemeinnüt-zige Stiftungen. Die Vermögensbil-dung durch den Zins- und Zinses-zinseffekt funktioniert aber nur, weil und so lange auf der anderen Seite „gute Verschuldungspartner“ wie die 70jährige Dame zu finden sind. Weil es davon im privatwirtschaftlichen Bereich inzwischen immer weniger gibt bzw. deren Schuldenlast so ex-

plodiert, dass sie nicht mehr tragbar ist, muss der Staat ran und seine Ver-schuldung in ungeahnte Höhe trei-ben. Wo also liegt der Ausweg aus der Schuldenmacherei? Die Lösung beginnt wie oben erwähnt mit ei-ner neuen Betrachtungsweise. Üb-licherweise ist Sparen und Vermö-gensbildung gut angesehen in un-serer Gesellschaft, während Schul-denmachen immer mit schlechtem Gewissen verbunden ist. Das gilt nicht nur privatwirtschaftlich, son-dern auch für Staaten: 2007 gelang es Deutschland die Nettoneuverschul-dung um 13,7 Milliarden Euro ge-geben über 2006 zu senken.1 Wer zahlte die Verschuldungszeche und ermöglichte den Deutschen damit den vielgerühmten „Schuldenab-bau“? Die Griechen waren es und weitere „gute“ verschuldungsbereite Europäer, die ihre Verschuldungsra-te in die Höhe trieben, um deutsche Produkte zu kaufen und Deutschland damit auf den Sockel des Exportwelt-meisters zu hieven. Weltmeister im Schuldenexport! Immer wieder zeigt sich: Auf der Seite der Schuldner än-dert sich eigentlich nichts, Jahr für Jahr leisten sie tapfer ihren Schul-dendienst, aber unabhängig von ih-rer Arbeitskraft und ihrem Einsatz wächst der Schuldenberg aufgrund der Zinsforderungen und ist irgend-wann nicht mehr zu stemmen. So werden aufgrund eines mechani-schen, nach den mathematischen Re-geln der Exponentialkurve ablaufen-den Prozesses aus gerade noch „gu-ten Schuldnern“ plötzlich schlech-te, plötzlich leuchten bei der Boni-tätsprüfung alle Lampen rot, egal ob es sich um die 70jährige Rent-nerin handelt oder um den griechi-schen Staatshaushalt. Für die Rent-nerin bedeutete das den Verlust ihrer Wohnung, für die Griechen das Da-moklesschwert der drohende Staats-pleite – für Manuel Schürmann hat-

te damit das Bankensystem selbst seine Bonität verloren. Er wechsel-te kurzerhand die Fronten und setzt sich heute als Bundesgeschäftsfüh-rer des Global Change e. V. für eine neues, von alten Zwängen befreites Finanzsystem ein.

Dem zweiten Redner, Andreas Ban-gemann, Jg. 1957, Leiter der Silvio-Gesell-Tagungsstätte und Chefre-dakteur der Humanen Wirtschaft, fiel die Aufgabe zu, die Lösungsan-sätze der Freiwirtschaft vorzustel-len. Auch er ließ die gespannt lau-schenden Zuhörer teilhaben an sei-nem persönlichen Erkenntnispro-zess: Für ihn habe sich in dem Mo-ment eine neue Welt eröffnet, als er begriffen habe, dass der 20 Eu-roschein, über den er verfügt, nicht eigentlich ihm selbst gehöre, son-dern eine öffentliche Einrichtung sei, geschaffen zum Weitergeben, um einen Austausch von Waren und Dienstleistungen in Gang zu setzen und aufrechtzuerhalten. Seit er das verstanden habe, beschäftige er sich mit der Frage, wie der Zins- und Zin-seszinseffekt durchbrochen werden kann – setzt er doch das Geld nur scheinbar in Umlauf und verschlei-ert damit, was er eigentlich bewirkt: dass es sich schlussendlich doch bei der Geberseite anhäuft. Alle poli-tischen Maßnahmen: Vermögens-steuer, Mindest- und Höchstlöhne etc. schwächen allenfalls die Dra-matik dieser Entwicklung, die in der zinsbedingt beständig und systema-tisch anschwellenden Umverteilung von unten nach oben liegt. Alle fi-nanzpolitischen Regulierungsmaß-nahmen unterliegen letztlich dem Zwang des Systems, das das Ge-genteil dessen belohnt, was es ver-spricht. Bei all den verschiedenen, begleitend-sinnvollen Maßnahmen zur Geldreform sei es deshalb so wichtig, den Veränderungswillen

Berichte

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e.V.Seite 6 Rundbrief 12/1 März 2012

primär auf das Geldsystem zu rich-ten, um zu dauerhaften Lösungen anstatt zu bloßen Problemverschie-bungen zu kommen. Im Hintergrund der anonymen Verschuldungskrake wirkt letztlich ein Willensbildungs-prozess, der von den Leuten ausgeht, die ihr Geld zur Bank bringen, also von den vielen kleinen und großen Sparern. Sie gilt es anzusprechen und zu überzeugen. Bangemann un-terstreicht, dass letztlich nur 1-10 Prozent der Bevölkerung zu Nutz-nießern des Zinssystems gehören – alle anderen zahlen bedingt durch den Zinsaufschlag auf die Produk-te des täglichen Bedarfs mehr Zin-sen als sie einnehmen. Die Alter-native: Mit der Einführung einer Gebühr auf Geldnutzung kann der Staat wieder seine Lenkungsfunk-tion wahrnehmen, ohne damit die marktwirtschaftliche Ausrichtung unserer Volkswirtschaft zu beein-trächtigen. Wie, so eine Frage aus dem Publikum, reagieren denn die reichsten 10 Prozent der Bevölke-rung auf die Idee der Geldhaltungs- bzw. Geldnutzungsgebühr? Sind sie dafür zu gewinnen? Die Erfahrung Bangemanns sind ernüchternd: Der Idee könnten sie mitunter einiges ab-gewinnen, um dann aber hervorzu-heben, dass sie nun einmal in die-ser Welt stünden und sich in dieser Welt behaupten müssten... Bleibt also die Frage: Kann sich eine Idee, die Idee der Geldhalte- oder Geld-nutzungsgebühr gegenüber der bein-harten Realität dieser Welt, die nun einmal von zinsgestütztem Geld re-giert wird, behaupten?

Sie kann! So die Antwort des drit-ten Redners Tom Aslan, Jg. 1981. Er nahm die Zuhörer mit in seine bewegte Kindheit: Ob als 12jäh-riger Trödelhändler, jugendlicher Wahlkämpfer oder PR-Agent: Im-mer wieder stand er vor der irritie-

renden Erkenntnis, dass „die Welt“ nicht hält, was sie verspricht: Wie konnte es sein, dass seine kleine Entsorgungsfirma nach zwei Jah-ren mehr abwarf, als seine Mutter als Krankenschwester nach Hause brachte? Und warum bringen die Produkte nach einiger Zeit nicht mehr das Glücksgefühl, das die Werbewelt verspricht? Ziellos und frustriert klickt er sich eines nachts durchs world wide web und trifft da-bei auf einen Vortrag, der sein Welt-bild durcheinander wirbelt. Von Frei-geld, Geldumlaufgebühr und Nega-tivzinsen ist dort die Rede – das sei die Lösung, verspricht der Professor. Nach nächtelangen Recherchen hält Aslan die Theorie zwar für schlüssig, doch nun steht die brennende Frage im Raum: Hält diese Theorie, was sie verspricht? Tom Aslan nahm nun versierte Theoretiker wie engagier-te Gutmenschen der freiwirtschaft-lichen Bewegung in die Pflicht: An ihnen läge es nun zu beweisen, dass die Idee der Geldhaltungsgebühr sich in der Praxis bewährt. Diese schein-bar kleine Idee, nach der nicht das Geldweitergeben, sondern das Geld-halten besteuert wird, hat die Kraft, die Macht des sich selbst vermehren-den Kapitals zu brechen und wert-schöpfende Arbeit wieder zu einem kostbaren Gut zu machen. Aber der moralische Sieg, über solches Wis-sen zu verfügen, reicht nicht, viel-mehr sei es höchste Zeit, die Theo-rie auszuprobieren. Dafür braucht es Anwendungsprogramme, mit denen man ein regional umlaufgesichertes Geldsystem etablieren kann, ohne die Theorie in allen Einzelheiten durch-schaut zu haben. Wenn wir es nicht schaffen, unsere Idee unter die Leu-te zu bringen, liegt es entweder an der Idee oder an uns, so die nüchter-ne Feststellung Aslans – und nicht, wie man es so gern hätte, an man-gelnder Einsicht oder Trägheit der

anderen. Wie werden wir zu einer Gesellschaft, in der ein Tisch nicht mehr dazu da ist, dass einer den an-deren rüber zieht? Nicht einfach mit dem Kopf durch die Wand, sondern zielorientiert, sach- und lösungsori-entiert! Wo halten sich mögliche Verbündete auf? Welche Leute ha-ben wir vor uns? Mit welchen The-men beschäftigen sie sich? Wenn wir uns für ihre Themen interessie-ren, dann wecken wir auch ihr In-teresse für die unsrigen. Ist erst ein-mal ein sachlicher Austausch eröff-net, versteht man auch, wie sich die je anderen organisieren, was für ein System sie bilden, welche Werte-muster sie leben. Dann wächst die Chance, gemeinsame Wertemuster zu entwickeln.

Wenn auch, z. T. bedingt durch le-bendige Fragerunden, die Zeit zum persönlichen Austausch zu kurz kam: Die Anregungen waren für die zahl-reiche Zuhörerschaft aus verschie-densten Initiativen wie z.B. Attac, der INWO, stark vertreten vom Dort-munder Stammtisch, der Piraten-partei, GCN, dem Essener Tausch-kreis und der CGW – alle zusam-men getrommelt von Nick Krimse vom Essener Regionalbüro GCN – so inspirierend wie wertvoll: Man kann sich vom Schicksal einer alten, überschuldeten Dame berühren las-sen, altes Denken über Bord werfen, verlogene Systeme verlassen, sich neuen Ideen öffnen, ihr Verständnis vertiefen, andere gewinnen, ja man kann diese Ideen sogar verwirkli-chen, ein neues Geldsystem kreie-ren. Ein nächster Schritt dahin ist der Lutzetaler, der beim Geldkon-gress in Köthen über die Ladenthe-ke gehen wird. Wer wird dort alles dabei sein, wer wird dort das Wei-tergeben vorantreiben?

Gudula Frieling

Berichte

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e.V.Rundbrief 12/1 März 2012 Seite 7

Gerecht WirtschaftenEin Feierabend-Gottesdienst der Martin-Luther-Gemeinde in Bremen

Die Martin-Luther-Gemeinde ist eine der größten in einem lebendi-gen, zentral gelegenen Stadtteil Bre-mens. Seit bereits fünf Jahren feiern wir einmal im Quartal einen Feier-abend-Gottesdienst. Er findet Frei-tag abends statt und wird von Ge-meindemitgliedern mit einem Pas-tor oder einer Pastorin gestaltet. Sie suchen auch die Themen dafür aus. Der Gottesdienst hat neben einem Stammpublikum mittleren Alters im-mer Besucher, die durch die beson-deren Inhalte angezogen werden. Die eigentlich feste liturgische Struk-tur dieses Gottesdienstes vom Sep-tember 2011 findet sich im folgen-den Text nur im Eingangsgebet wie-der. Die Fürbitten (von der Gemein-de im Gottesdienst formuliert), das Vaterunser und der Segen sind weg-gelassen.Seit dem Gottesdienst diskutieren wir im Konvent über andere Anlagefor-men der Gemeindegelder.

Im Namen Gottes, der für alle genug geschaffen hat,

im Namen von Jesus Christus, der uns zu seiner fröhlichen Gnadenwirt-schaft einlädt, im Namen des Hei-ligen Geistes, der uns menschlich miteinander handeln lässt. Amen.

Herzlich willkommen zum Feier-abend-Gottesdienst: einer Stunde Ruhe und Besinnung, einer Stunde mit Gebet und Liedern – und einem Thema. Wir wenden uns heute der Wirtschaft zu und fragen, wie wir gerecht wirtschaften können.

Finanzkrise, Euro-Rettungsschirm, Staatspleite, Bankaffären – das sind die Schlagzeilen unserer Tage. Das macht vielen Leuten Angst, auch,

weil sie nicht recht verstehen, was da geschieht, und weil sie noch we-niger wissen, was man tun kann.Und man bekommt immer mehr den Eindruck, dass auch die Entscheider an den Schalthebeln in Politik und Wirtschaft das Ganze nicht mehr recht im Griff haben, und das ver-größert die Angst, zumal wir wis-sen, welche schwerwiegenden Aus-wirkungen die Krise hat: Massen-arbeitslosigkeit, Wertvernichtung, wirtschaftlicher Stillstand.Es mehren sich aber auch die Stim-men, die fragen, ob nicht das gan-ze System auf tönernen Füßen steht und grundlegend reformiert werden müsste. Ob nicht z. B. die Zinswirt-schaft und der Wachstumszwang schlimme Folgen für die Menschen und die Natur haben? Und ob es denn etwa gerecht ist, dass trotz der Krise die reichen Menschen – auch in un-serem Land und unserer Stadt – im-mer reicher werden, und gleichzei-tig die Armen, vor allem weltweit, immer weniger die Chance auf ei-nen fairen Anteil am Kuchen haben?Wir wollen mit ihnen über diese Fra-gen nachdenken. Aber erwarten sie bitte keine fertigen Antworten. Viel wichtiger ist, dass unser Fragen in wirtschaftlichen Dingen überhaupt in Gang kommt, und dass wir un-sere Sehnsucht nach einer gerech-ten Wirtschaft in unserem Gebet vor Gott bringen.

Eingangsgebet Unsere Zeit steht in deiner Hand, Gott. Wir sind zusammengekom-men: aus unserem Tag, aus unse-rer Woche, aus dem letzten Monat. Wir sind zusammengekommen mit dem, was uns im Alltag beschäftigt

hat: da ist der Beruf, der uns fordert, oder der Haushalt, der uns beschäf-tigt; da sind die Menschen mit de-nen wir leben, und da sind die Men-schen, für die wir sorgen; da ist das Schöne, das uns Freude gemacht hat und das Schwere, das wir durchlit-ten haben.Wir haben gutes tun können in der Zeit, die in deinen Händen steht, und wir sind schuldig geworden in dieser Zeit.Alles haben wir mitgebracht, und le-gen es vor dich. Und wir bitten dich: Nimm du es auf in deiner Güte. Wen-de, was eine Not war, bewahre, was ein Glück war. Und öffne uns für das, was jetzt geschieht, in dieser Stun-de, in diesem Raum. Lass uns diese Zeit als deine Zeit erfahren, stärke uns mit deinem Wort, vergib uns in deiner Gnade, sei nahe mit deinem Geist, Bewege uns mit deiner Liebe. Amen.Lied In Ängsten die einen

Religion des Kapitalismus – oder Glaube an den

befreienden GottWenn wir über gerechtes Wirtschaf-ten sprechen, müssen wir eine Un-terscheidung treffen: Zwischen der Religion des Kapitalismus und dem Glauben an den befreienden Gott.Heutzutage gehen wir nicht mehr zum Kaufmann, sondern in Kon-sumtempel. Unsere Banken haben die Anmutung von Heiligtümern. Ein Gläubiger vergibt an einen Schuld-ner einen Kredit. Bis in die Sprache hinein ist unser ökonomisches Sys-tem religiös. Viele Menschen suchen heute ihre Erlösung im Kaufen. Entsprechend

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e.V.Seite 8 Rundbrief 12/1 März 2012

werben die Firmen mit dem, was früher die Religion versprochen hat. „Vertrauen ist der Anfang von allem“, sagt die Deutsche Bank. „Wir machen den Weg frei“, wer-ben die Volks- und Raiffeisenbanken, „Nichts ist unmöglich“ findet Toy-ota, und Ikea fordert uns auf: „Ent-decke die Möglichkeiten“.Deshalb hat schon 1921 Walter Ben-jamin den Kapitalismus eine Reli-gion genannt. Er dient der Befrie-digung derselben Sorgen, Qualen, Unruhen, auf die früher die Religi-onen Antwort gaben. Zu den Dog-men des Kapitalismus gehören das Wachstum und die Annahme, der Markt werde schon alles regulie-ren. Er verspricht uns, dass aus Geiz, Neid und Habsucht die beste aller Welten entstehe, die die Bedürfnis-se aller Mitglieder der Gesellschaft glücklich befriedigen werde. Es ist sein Heilsversprechen, dass sich die egoistische Seite des menschlichen Charakters zum Wohlstand für alle verwandelt.Im Zentrum der Religion des Kapi-talismus, sozusagen auf seinem Al-tar, steht das Geld. Es ist das „Sakra-ment der bürgerlichen Gesellschaft“ (John Maynard Keynes). Es ist an die Stelle der tra-ditionellen christlichen Sa-kramente getreten. Denn Geld macht das Unverfüg-bare verfügbar, genau wie es beim Abendmahl geschieht. Es sichert unsere Zukunft ab, genau wie es die Taufe verspricht. Es ist die alles bestimmende Wirklichkeit – Geld regiert die Welt, sa-gen wir. Und damit steht es genau an dem Platz, an dem der christliche Glaube steht.Und deshalb muss man sich entscheiden.

Ich bin kein Freund von Schwarz-Weiß-Malerei und glaube, dass man entweder konsequent ist – oder lebt. Aber an dieser Stelle müssen wir wenigstens gedanklich klar blei-ben. Denn hier steht das Zentrum des christlichen Glaubens auf dem Spiel. Es ist die Frage, ob wir Gott verehren – oder den Mammon. Man kann nicht beiden Herren dienen, sagt Jesus. Sondern: Woran du dein Herz hängst – das ist dein Gott. Wir müssen unterscheiden, wel-chen Gott wir verehren wollen: den Gott des Kapitalismus, von dem ge-sagt wird, es gebe keine Alternative dazu, und der immer weiter wächst wie der Moloch, und unter dessen Herrschaft der Geiz geil geworden ist, und dem Opfer ungeheuren Aus-maßes an Glück, Gesundheit und Menschenleben dargebracht werden – oder ob wir dem Gott Abrahams und Saras folgen, der uns menschlich begegnet, und dem Gott des Mose, der uns herausruft aus der Unfrei-heit, und dem Vater Jesu Christi, der uns Barmherzigkeit gelehrt hat statt der großen Abrechnung.Und wir müssen uns auf das besin-nen, was unseren Glauben unter-

scheidet von der Religion des Kapi-talismus. Denn wir glauben an die Macht der Liebe und nicht an die Kräfte des Marktes. Wir sprechen von Stellvertretung, die Jesus Chris-tus uns zugute erlitten hat – und das etwas anderes ist als das moderne ex und hopp. Wir begegnen in unserem Glauben wirklichen Menschen mit ihren Bedürfnissen und Möglich-keiten und Einschränkungen – und nicht etwa Kunden, die uns eine Ware abnehmen. So unterscheidet sich unser christlicher Glaube ganz fundamental von der Religion des Kapitalismus.

Das Gleichnis vom reichen Kornbauern

Aus dem 16. Kapitel des Lukas-evangeliums: Jesus sagte ihnen ein Gleichnis und sprach: Es war ein reicher Mensch, dessen Feld hat-te gut getragen. Und er dachte bei sich selbst und sprach: Was soll ich tun? Ich habe nichts, wohin ich mei-ne Früchte sammle.

Und sprach: Das will ich tun: Ich will meine Scheunen abbrechen und größere bauen und will darin sam-meln all mein Korn und meine Vor-

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Pieter Bruegel d. Ä.: Die Kornernte, 1565,

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e.V.Rundbrief 12/1 März 2012 Seite 9

räte und will sagen zu meiner See-le: Liebe Seele, du hast einen gro-ßen Vorrat für viele Jahre; habe nun Ruhe, iss, trink und habe guten Mut!

Aber Gott sprach zu ihm: Du Narr! Diese Nacht wird man deine Seele von dir fordern; und wem wird dann gehören, was du angehäuft hast?

So geht es dem, der sich Schätze sammelt und ist nicht reich bei Gott.

Geld ist nicht zum Horten da

Manchmal komme ich mir vor wie vor wie der Kornbauer in Jesu Gleichnis. Ich denke bei mir: Ich würde doch gerne so ein kleines Ver-mögen haben. Wie viel Geld müss-te es sein, um von den Zinsen leben zu können? So einige 100.000 Euro müssten gut reichen. Ich würde den Betrag bei einer Bank risikoarm an-legen und mir monatlich Zinsen aus-zahlen lassen. Davon würde ich mei-ne Ausgaben fürs Wohnen und Le-ben bestreiten, und hätte auch be-rücksichtigt, dass Preissteigerun-gen ausgeglichen werden. Ich würde dann das Geld arbeiten lassen und es meiner Seele gut gehen lassen und die viele freie Zeit nutzen, mich nur noch um die Dinge zu kümmern, die mir wirklich wichtig sind.

Da höre ich dann die kleine Stim-me in mir: „Du Narr!“ Glaubst du wirklich, dass du dich – so abgesi-chert – dauerhaft ausgefüllt und zu-frieden fühlen würdest? Und ist dir denn nicht klar, dass du nur deshalb Zinsen bekommst, weil andere da-für arbeiten? Hart arbeiten! – Denn nicht das Geld arbeitet, wie dir die Bank weismachen will, sondern nur menschliche Arbeit schafft Werte! Und willst du nicht auch, dass dein Geld sinnvoll eingesetzt wird, dort, wo es benötigt wird? Geld ist nicht zum Horten da. Es ist ein Tausch-

mittel, und nur wenn es im Umlauf bleibt, kann es Nutzen bringen.Lied Lass uns den Weg der Gerech-tigkeit gehn

Biblische ÖkonomieIn der Bibel wird auch produziert, ge-tauscht, gekauft und genossen. Aber in der biblischen Wirtschaft gelten doch andere Maßstäbe als bei uns.Das ist so in unserm Verhältnis zu Gott: Seine Gerechtigkeit können wir uns nicht verdienen, wir erhal-ten sie geschenkt. Gottes Kraft be-kommen wir nicht auf Vorrat, aber immer dann, wenn wir sie brauchen. Gottes Segen ist kein knappes Gut, sondern wird immer mehr, je mehr wir ihn verschenken. Und diese Gnadenwirtschaft gilt nicht nur im Himmel, sondern auch auf Erden und in unserem Verhält-nis zueinander.Deshalb gibt es in der Bibel vie-le Hinweise darauf, wie das wirt-schaftliche Leben im Volk Gottes geregelt werden soll. Dem Götzendienst am Mammon, dem Raffen und Schätze-Sammeln setzt Jesus sein „Sorget nicht!“ (Mt 6,25) entgegen. Dass nämlich eigent-lich jeden Tag genug für alle da ist, das hat das Volk Israel schon in der Wüstenzeit erfahren, als das Man-na vom Himmel genau für den heu-tigen Tag reichte (2. Mose 16). Und so betet es Jesus auch im Vaterun-ser: „Unser tägliches Brot gib uns heute.“ Und sogar als einmal 5000 Menschen beieinander waren und die Jünger voller Sorgen waren, wie die alle zu Essen bekommen, sind von 5 Broten und 2 Fischen alle satt ge-worden, und es blieb sogar noch et-was übrig (Mt 14, 13-21). Den Man-gel, den uns der Kapitalismus einre-den will, gibt es in Wirklichkeit gar nicht. Es reicht für alle, wenn alle

nach ihren wirklichen Bedürfnissen leben (2. Mose 16, 16-18), wenn die Löhne das Existenzminimum decken (Mt 20, 1-16), und wenn wir anfan-gen zu teilen (Apg 2,44-45).

Zum Teilen gehört auch das Auslei-hen. Und hier wird die Bibel ganz konkret. Es ist ein klares Gebot, unseren Geldbesitz anderen, die in Not sind, zur Verfügung zu stellen. „Wenn einer deiner Geschwister arm ist (…) so sollst du dein Herz nicht verhärten und deine Hand nicht zu-halten (…) sondern sollst sie ihm auf-tun und ihm leihen, soviel er Man-gel hat“, schreibt schon das fünf-te Buch Moses vor (15,8), und Je-sus wiederholt es in der Bergpre-digt: „Gib dem, der dich bittet, und wende dich nicht von dem ab, der von dir borgen will!“ (Lukas 5,42)

Wir sollen also ausleihen, und glück-lich wird gepriesen, wer es tut (Ps 112, 5). Aber wir dürfen auf das geliehene Geld keine Zinsen ver-langen. „Leiht, wo ihr nichts dafür zu bekommen hofft“, schärft Jesus uns ein, und bezieht sich auf das Zinsverbot, das im Alten Testament wiederholt ausgesprochen wird (2. Mose 22,24-25; 3. Mose 25,35-37; 5. Mose 23,20-22). Es ist in den Au-gen Gottes nicht in Ordnung, aus der Not anderer Menschen Kapital zu schlagen. Deshalb darf man kei-ne Zinsen nehmen.

Das Zinsverbot ist eingebettet in weitere Regeln: das „Erlassjahr“ (5. Mose 15,1-11), wonach in je-dem siebten Jahr alle Schulden zu erlassen sind, und das „Jubeljahr“ (3. Mose 25), das im 50. Jahr den Grundbesitz an die ursprünglichen Eigentümer zurückfallen lässt. So kann der Boden nicht auf Dauer ver-äußert werden, denn er gehört Gott. Es gibt also am Boden, dem wich-tigsten Produktionsmittel, ledig-

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lich Nutzungsrechte, aber kein Ei-gentum. Und wir lernen, dass auch Geld und Geldforderungen altern und einmal sterben müssen wie al-les auf der Erde.

Zinsterror und Wachstumsfalle

Um die Sache mit dem Zins zu ver-deutlichen, möchte ich als Beispiel zwei Druckunternehmen heranzie-hen, die für uns die Gesangbücher drucken wollen. Druckunternehmer A hat Glück. Er hat eine Druckmaschine von seinem Vater geerbt, die der im Laufe sei-ner Berufstätigkeit abbezahlen konn-te. Die Maschine ist noch ganz gut in Schuss und hält den technischen Anforderungen an so eine Maschine stand. So muss er nur für sein Per-sonal, die Miete usw. und natürlich die Materialien aufkommen. Bei Drucker A kostet so ein Buch 30 €. Drucker B hat keine Maschine ge-erbt. Er muss sie selbst bezahlen, weil er neu in das Geschäft ein-steigt. Daher nimmt er einen Kredit für 100.000 € auf. Zu diesem Geld, das er im Laufe seines Lebens zu-rückzahlen muss, kommt der Zins. Nehmen wir an, er muss einen Zins von 5 % bezahlen, was zur Zeit rea-listisch ist, dann bräuchte er für un-ser Gesangbuch 31,50 €.Nun ist die evangelische Kirche nicht dumm. Natürlich kauft sie lieber ein Gesangbuch für 30 €, als für 31,50 €. Also bekommt Drucker A den Zu-schlag. Drucker B will aber auch le-ben und bietet deshalb das Gesang-buch auch für 30 € an. Dafür muss er an anderer Stelle Kosten einspa-ren. Er kann seine Räume verklei-nern oder günstiger Papier einkau-fen oder er kann seine Mitarbeiter dazu bringen, mehr oder schneller zu arbeiten oder irgendwie effizi-

enter zu sein. Das geht auch, indem er z. B. einen Mitarbeiter entlässt.

Dieses Beispiel ist relativ harmlos, gemessen an dem, was wir zurzeit erleben. Große Unternehmen wer-den finanziert von Aktionären. Die wollen jährlich eine Erfolgsmel-dung, sonst steigen sie aus und le-gen ihr Geld bei anderen Unterneh-men an. Aus Angst, es könnte jemand abspringen, haben die 10 größten DAX-Unternehmen in Deutschland trotz der Finanzkrise 2008 Gewin-ne ausgeschüttet. Teilweise bis zu 10%. Die hatten sie aber gar nicht erwirtschaftet. So mussten sie Geld aus der Substanz nehmen. Das geht mal gut, aber so kann man nicht im-mer wirtschaften.

Viele Staaten leben seit Jahren aus der Substanz. Die meisten europä-ischen Staaten und die USA haben immer mehr ausgegeben als sie ei-gentlich erwirtschaftet haben. Da-bei werden immer neue Schulden gemacht um die Gläubiger zu be-dienen, also die, bei denen man die Schulden hat. Irgendwann geht das nicht mehr gut, wie wir momentan am Beispiel Griechenland sehen. Niemand will Griechenland noch mehr Geld leihen und der Staat bricht unter der Last der Schulden und der immer höheren Zinsen zusammen.

Aber nicht nur der Staat bricht zu-sammen. Auch wir leider unter der Last der Zinsschraube. Der Zwang, Zinsen bedienen zu müssen, zwingt die Wirtschaft zu permanentem Wachstum. Um zwei Prozent muss sie jedes Jahr mindestens anwach-sen. Das scheint zunächst nicht viel zu sein und der technische Fortschritt hilft ja auch ein wenig mit, aber 2 % sind in 35 Jahren das Doppelte. Das heißt wir müssen doppelt so viele Autos produzieren, doppelt so viel Papier herstellen und dementspre-

chend auch doppelt so viele Bäu-me dafür abholzen. Uns Menschen zwingt der Zins zu immer höherer Leistung. Nur wer die bringt kann dem Druck in Arbeitsverhältnissen standhalten. Die Angst vor Arbeits-losigkeit ist eine zentrale Triebfeder der Arbeitswelt geworden. Wenn der Staat Schulden hat (auch hier in Deutschland ist das so – der dritt-größte Posten im Haushalt ist Schul-dendienst – dreimal so hoch wie die Ausgaben für Bildung), dann leiden wir darunter, denn nur über Kosten-Einsparungen und Steuererhöhun-gen kann ein Staat aus dieser Mise-re herauskommen. Und das heißt z. B. weniger Betreuung älterer Men-schen, weniger Schulbücher, weniger Lehrer. Überall muss gespart wer-den. Wir Deutschen kommen dabei noch ganz gut weg, aber auch in die-ser Gesellschaft wächst die Armut. Wo früher der Staat großzügig für Umverteilung und damit für Aus-gleich sorgen konnte, kann er heu-te nur noch notdürftig Löcher stop-fen. Über 30 % der Kinder in Bre-men leben unter der Armutsgrenze und 50 % der deutschen Bevölke-rung lebt inzwischen von der Hand in den Mund und hat praktisch kei-ne Rücklagen mehr. Lied Gepriesen der Mensch

AlternativenDem Gefühl der Hilflosigkeit, das uns manchmal beschleicht, wenn wir an die wirtschaftliche Lage den-ken und an die Ungerechtigkeit, die unser Wirtschaftssystem produziert, können wir begegnen. Denn es gibt Alternativen – zum Teil schon seit vielen Jahren. Einige stellen wir vor.

ESPABAUManche Beispiele für ein anderes Wirtschaften liegen gar nicht so weit entfernt. Viele unserer Gemeindemit-

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e.V.Rundbrief 12/1 März 2012 Seite 11

glieder haben eine Wohnung bei der ESPABAU. Die ESPABAU ist eine Genossenschaft, übrigens die ältes-te noch bestehende Bremer Woh-nungsbaugenossenschaft.1893 begann der „Eisenbahn Spar- und Bauverein Bremen“ Häuser und Wohnungen zu bauen. Gleich-zeitig wurde ein Sparsystem entwi-ckelt, das den Wohnungsbau finan-zieren half und den Sparern attrak-tive Zinsen brachte.An diesem Grundprinzip hat sich bis heute nichts geändert. An den ver-schiedensten Stellen der Stadt ist ESPABAU derzeit als Wohnungs-anbieter aktiv: Mit Mietwohnun-gen für Bewohner mit und ohne B-Schein, sowie durch Reihenhäuser und Eigentumswohnungen, die an die Mitglieder der Genossenschaft verkauft werden.Die Genossenschaftsmitglieder ha-ben Anteile an der Genossenschaft, sind am Gewinn beteiligt und bestim-men mit. Die Genossenschaft muss sorgsam wirtschaften, aber sie ist nicht auf Profite orientiert. Gewin-ne dürfen nur für den Wohnungsbau verwendet werden. Für jeden gibt es die Möglichkeit, neben den nötigen Genossenschafts-anteilen auch ein Sparguthaben an-zulegen. Das bringt den Sparern die üblichen Zinsen. Und es ermög-licht der Genossenschaft, auf teu-re Bankkredite zu verzichten und so die Mieten für alle Genossen in Grenzen zu halten.

OikocreditBelita ist glücklich. Mit einem Klein-kredit über 50.000 tanzanische Shil-ling, das sind umgerechnet 25 Euro, konnte sie einen kleinen Heilkräu-terhandel aufbauen und für sich und ihre Familie eine Lebensgrundlage schaffen.

Den Kredit bekam sie, obwohl sie keine Sicherheiten bieten konn-te, von einer sozialen Darlehensor-ganisation, die wiederum das Geld aus Europa erhielt, von Oikocredit. Oikocredit ist eine Genossenschaft, die sich für mehr wirtschaftlich-so-ziale Gerechtigkeit in der Einen Welt engagiert. Sie bietet hierzulande die Möglichkeit, Geld verantwortlich und transparent anzulegen. In Nie-dersachsen/Bremen sind rund 800 Einzelpersonen oder Ehepaare Mit-glieder dieser Genossenschaft. Sie haben ein Teil ihres Geld, das sie ge-rade nicht brauchen, mindestens 200 Euro, zur Verfügung gestellt, damit es irgendwo in der Welt ein bisschen mehr an wirtschaftlicher Gerechtig-keit schafft. Die Geldgeber erhalten eine Dividende von 2 % pro Jahr und verzichten auf ein oder zwei Prozent Verzinsung, die sie vielleicht bei ih-rer Hausbank für eine langfristige Anlage mehr erhalten würden. Bei einer Einlage von 1.000 Euro sind das 10 bis 20 Euro pro Jahr, die sie auf diesem Wege spenden. Sie in-vestieren nicht in Gold oder west-liche Industrieunternehmen, son-dern in die Zukunft benachteiligter Menschen. Mit 1.000 Euro erhal-ten z.B. 40 Menschen die Chance, ihre Lebensbedingungen nachhaltig zu verbessern. Wenn die Geldgeber in Europa ihr Geld wieder benöti-gen, erhalten sie es unkompliziert zurück, weil es immer wieder neue Anleger gibt. Das System funktio-niert so schon seit 36 Jahren und ist für die Geldgeber ein kleiner Schritt hin zu einer fairen Wirtschaftswelt.

BankenGerecht wirtschaften kann man auch bei seinen eigenen Bankgeschäften. Es gibt seit Langem die GLS Ge-meinschaftsbank, die aus der anth-roposophischen Denkrichtung her-

kommt, die Umweltbank, die aus der Öko-Bewegung hervorgegangen ist, die Ethikbank, die eine Bank im Verbund der Genossenschafts- und Raiffeisenbanken ist, und seit kur-zem die Triodos Bank, die ihren Stammsitz in den Niederlanden hat.

Ihnen allen ist gemeinsam, dass die Kunden keine hohen Zinsen für ihre Geldanlagen erwarten dürfen. Dafür kann man sich aber sicher sein, dass das Geld sinnvollen und maßvollen wirtschaftlichen Projekten zur Ver-fügung gestellt wird, die nach stren-gen und transparenten Kriterien aus-gewählt werden.

So werden von den genannten Ban-ken keine Kredite an Rüstungs-, Atom- und Chemiefirmen verge-ben. Stattdessen werden kleine Pro-jekte aus dem sozialen und Gesund-heitsbereich, gemeinnützige Werk-stätten, ökologische Landwirtschaft, regenerative Energien u. ä. geför-dert. Zum Teil können die Kunden darüber mitbestimmen, in welchen Bereichen sich die Bank engagiert. Die Ethikbank wirbt mit dem Slo-gan: „Faire Bank statt Bankaffaire“.

Versicherung auf Gegenseitigkeit

Ich habe eine Versicherung auf Ge-genseitigkeit. Das heißt, die Versi-cherung legt die Beiträge nicht auf dem Finanzmarkt an, sondern ver-sorgt damit diejenigen, die jetzt eine Versicherung benötigen. Die Bedin-gung, dass das klappt ist, dass sich Beitragszahler und Beitragsempfän-ger die Waage halten. In der Finanz-krise hat meine Versicherung gut ab-geschnitten und kann – ich hoffe das bleibt so – mir die Rente auszahlen, die mir garantiert wurde.

Lied Es kommt die Zeit

Fürbittengebet, Vaterunser Segen

Lied Mein schönste Zier und Kleinod

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e.V.Seite 12 Rundbrief 12/1 März 2012

Vom Calvinismus zum Kapitalismus

Pfarrer Michael Lapp referiert über die Wurzeln

unseres Wirtschaftssystems

Unser Mitglied Ludwig Heid schickte uns den Bericht der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen Zeitung (Franken-berger Allgemeine) über diesen Vortrag. Auszüge:

Vergleich mit LutherDer Vortrag „Calvinismus und Kapitalismus“ war die Fortset-zung und Gegenüberstellung des genau vor einem Jahr ge-haltenen Vortrags zur Wirt-schaftsethik Martin Luthers (CGW-Rundbrief 11/1). Lapp nahm Stellung zu den wirt-schaftsbezogenen Überlegun-gen Johannes Calvins. Er ver-glich die Thesen Calvins mit den umstrittenen Thesen des Soziologen Max Weber, der davon ausgeht, dass mit dem Wirken Calvins der Kapitalis-mus begonnen habe.Dabei spielt die Reformati-on im 16. Jahrhundert mit ih-rer Betonung des Individuums und der Arbeit eine entschei-dende Rolle. Unternehmeri-sches Handeln im Geiste Cal-vins orientiert sich nicht nur am eigenen Nutzen, sondern hat immer auch das Wohl der Gemeinschaft im Blick.Nach Calvin sieht unternehme-risches Handeln im Menschen nicht nur einen wirtschaftlichen Faktor, sondern stets auch den Mitmenschen mit seinen jewei-ligen Bedürfnissen und Inter-essen sowie mit seiner Verletz-lichkeit.

Im Sinne der Wirtschaftsethik von Calvin basiert jedwedes unternehmerische Handeln auf Fairness all jenen gegen-über, die an dem Unternehmen beteiligt sind oder mit ihm zu tun haben.

Moralische Sensibilität

Schließlich begnüge sich im Geiste Calvins das unterneh-merische Handeln nicht mit bloßer Konformität gegenüber den geltenden Rechtsvorschrif-ten, sondern zeichne sich durch moralische Integrität und Sen-sibilität aus.

Vortragsangebot

Leider ist es diesmal wegen zum Teil ungeklärter Abdruck-rechte einiger Quellen des Vor-trags nicht möglich, den Vor-trag hier abzudrucken. Pfarrer Michael Lapp ist aber gerne be-reit, den Vortrag zu wiederho-len. Wenn der Ort in erreich-barer Nähe ist (150-200 Kilo-meter von 63579 Freigericht) kommt er gern gegen Erstat-tung der Fahrtkosten. Anfra-gen am einfachsten direkt per E-Mail: Michael Lapp <[email protected]>

Studiengang für islamisches Finanzwesen

Weltweit sind es mittlerweile 800 Banken, die Gelder im Umfang von rd. 800 Mrd. Dollar nach islamischen Prinzipien verwal-ten. Statt mit Zins und Zinseszins Geld aus Geld zu machen, arbeiten sie mit Formen der Gewinn- und Verlustbeteiligung. Speku-lativer Handel, Derivate und Leerverkäufe sind ebenso tabu wie die Finanzierung des Waffenhandels. Im Jahr 2010 startete in Mannheim die Kuveyt Türk Bank, die aus-schließlich Scharia-konforme Anlagen an-bietet. Ein solches Bankwesen verselbstän-digt sich nicht, sondern dient der Realwirt-schaft und wirkt in der sich verschärfenden Finanzkrise wie eine Insel der Stabilität.

Die Begegnung mit dem Islam könnte ge-rade auch auf dem Felde der Geldwirtschaft fruchtbar werden, wenn die kapitalistischen Scheinchristen sich dadurch an ihre eige-nen und ganz ähnlichen wirtschaftsethi-schen Grundlagen erinnern ließen. Nichts brauchen wir dringender als einen kreativen Wettbewerb für ein nachhaltiges Bankwe-sen. Einstweilen hat der Islam die Nase vorn.

Wie Sabrina Ebitsch in der Wochenzeitung DIE ZEIT vom 26. 1. 2012 (S. 67) unter der Überschrift „Gottgefällige Banker“ be-richtete, gibt es seit drei Jahren, ähnlich wie schon in Großbritannien und Italien, an der Universität Straßburg einen einjährigen be-rufsbegleitenden Weiterbildungsstudiengang „Finance Islamique“. Islamische Finanzins-titutionen haben offenbar einen entsprechen-den Bedarf. An drei Tagen pro Monat tref-fen in Straßburg Praktiker aus Frankreich und Nordafrika ein, um sich bei dem Wirt-schaftswissenschaftler Prof. Laurent Weill über islamisches Finanzwesen fortzubilden. Es wäre zu wünschen, dass auch deutsche Banker und Finanzdienstleister dieses An-gebot wahrnehmen. Mit einem neuen Ge-schäftsfeld „Islamische Geldanlagen“ könn-ten sie eine Tür in die Zukunft öffnen.

R. Geitmann

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Von welchem Gott spricht Schäuble?Leserbrief zu „Sind wir zu satt für Gott?“ in „Christ und Welt“ (51/2011)

„Sind wir zu satt für Gott?“ fragt Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble in der Zeitung „Christ und Welt“ (51/2011)1 und kommt zu dem Schluss, dass „man“ für ei-nen Glauben, der uns an die Gren-zen eigener Macht erinnere, „nie zu satt“ sei: „Wer auch immer wir sind, wir sind Wesen mit Grenzen, und wir müssen das anerkennen – in unserem eigenen Interesse und im Interesse der Welt als ganzer“, kon-statiert der Finanzminister. Schäub-le beugt sich in diesem Artikel der Einsicht, dass das „grenzenlose Pro-fitstreben“, „die Erzeugung immer neuer Bedürfnisse in der Konsum-gesellschaft und der Raubbau an den auf der Erde verfügbaren natürli-chen Ressourcen für das menschli-che Wohlergehen und sogar für das menschliche Überleben bedrohlich“ sei. Globale Erwärmung und Über-schuldung der Europäischen Staaten haben, so konstatiert der Minister, „mit der menschlichen Maßlosigkeit zu tun“. Wie recht hat er mit dieser Aussage! Und doch wäre es unab-dingbar, dieses Beziehungsverhält-nis näher zu bestimmen, will man den Ursachen der Verschuldungs- und Klimakrise auf den Grund gehen und politische Auswege aufzeigen.

Die „menschliche Maßlosigkeit“ – ist damit eine anthropologische Aus-sage über „den Menschen an sich“ getroffen? Wenn dem so ist, heißt das, dass wir uns mit dieser Maß-losigkeit abfinden müssen? Oder ist etwas von Gott zu erwarten, für den wir unserer Maßlosigkeit zum Trotz nie zu satt sind, wie der Mi-nister meint?

1) www.christundwelt.de/detail/artikel/sind-wir-zu-satt-fuer-gott

Von welchem Gott, von welchem Glauben spricht er überhaupt? „Die wirklich grundlegenden Dinge wer-den von uns empfangen, unabhän-gig von unserem Einkommen, von unserer Bildung gesellschaftlichen Position. Für seinen solchen Glau-ben ist man nie zu satt“, schreibt der Minister. Unabhängig von unserem Einkommen? Schäuble geht also da-von aus, dass es keinen Unterschied macht, ob ich wie Warren Buffett 50 Milliarden US-Dollar mein eigen nenne, ob ich in Deutschland als Empfänger von ALG 2 monatlich 325 Euro zur Verfügung habe oder in Somalia innerhalb weniger Mona-ten einen qualvollen Hungertod er-leide, weil ich weder über Einkom-men verfüge noch Zugang zu natür-lichen Ressourcen habe. Jesus von Nazareth war da, wie die Evangeli-en berichten, ganz anderer Meinung: „Kein Sklave kann zwei Herren die-nen; er wird entweder den einen has-sen und den anderen lieben, oder er wird zu dem einen halten und den anderen verachten. Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon.“ Und den Leuten, „die sehr am Geld hingen“ und die, wie der Evangelist Lukas berichtet, über Jesus lachten, hält Jesus entgegen, dass „das was die Menschen für großartig halten“, „in den Augen Gottes ein Gräuel“ sei (vgl. Lukas 6, 13-16).

Was bedeutet dies für alle reichen Christen in Deutschland im Advent 2012? Wie können wir dieser War-nung Jesu zum Trotz immer noch be-haupten, unabhängig von unserem Einkommen, würden wir die grund-legenden Dinge von Gott empfan-gen? Die unbequeme Wahrheit, die Jesus verkündet, ist doch die, dass ein hohes Einkommen unsere Emp-

fänglichkeit für seine Gaben beein-trächtigt oder gar zerstört, uns am wahren Gottesdienst hindert und dazu verführt, eben für großartig zu halten, was in den Augen Gottes ein Gräuel ist: nämlich den Reich-tum, der auf Kosten anderer erwirt-schaftet wurde. Der Tanz ums gol-dene Kalb, von dem wir hier und da ein paar Scheibchen in aller Naivität abschneiden und als Almosen in die Kirchen tragen. Worüber sich schon der Prophet Amos maßlos aufregte! (Amos 5,22)Schäuble stellt fest, dass „das gegen-wärtig Wirtschaftsystem ... verbes-serungsfähig“ sei, weil es zu vielen Menschen das vorenthalte, „was sie wirklich brauchen, und zugleich näh-re es ein unbegrenztes Begehren, das auch angesichts von Reichtum und Überfluss“ nicht nachlasse. Schäuble hat recht, genau so ist es! Wie kann die Begrenzung des Wachstums, die er für notwendig hält, politisch durchgesetzt werden? Gibt es ei-nen wirtschaftspolitischen Mecha-nismus, der dafür verantwortlich ist, dass das gegenwärtige Wirtschafts-system nicht nur Armut und Reich-tum produziert, sondern auch noch ein „unbegrenztes Begehren“ nach mehr, also ein unstillbares Verlan-gen nach Reichtum in Gang setzt?Ja, es gibt einen solchen Mechanis-mus. Zur Einschulung, spätestens, wenn der Tag der Erstkommunion oder Konfirmation naht, wird die-ser Mechanismus Kindern wie ein Naturgesetz nahegebracht, nämlich dann, wenn sie mit einem eigenen Konto die Welt der Erwachsenen betreten. Dann gibt es am Ende des Monats selbst dann ein zusätzliches Plus auf dem Konto, wenn sie gar nichts zusätzlich eingezahlt haben!

Leserbriefe

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e.V.Seite 14 Rundbrief 12/1 März 2012

Von was für einem wundersamen Ding rede ich da? Es sind die Zin-sen! Monat für Monat, können die Kinder beobachten, wie ihr Geldgut-haben wächst, ohne dass sie irgend-etwas tun. So lernen sie, dass „das Geld arbeitet“ und „man“ sich daran freut, wie aus 1000 Euro, verzinst mit 7 %, in 10 Jahren 2 000 und in 20 Jahren 4000 und in 50 Jahren gar fast 30 000 werden. Als Studieren-de der Volkswirtschaftslehre wer-den sie im ersten Semester lernen, dass der Zins- und Zinseszins zwin-gend notwendig sei, um die Vermö-genden zu bewegen, ihr Geld in den Geldkreislauf einzuspeisen, was ih-nen aufgrund eigener Erfahrungen unmittelbar einleuchten wird.Gäbe es einen anderen Weg, einen anderen wirtschaftspolitischen Me-chanismus als den Zins, der Vermö-gende dazu veranlassen könnte, ihr Geld nicht im Sparstrumpf zu hor-ten, sondern in Umlauf zu bringen? Eine Reihe kritischer Wirtschaftswis-senschaftler sieht einen solchen Weg und er korrespondiert auf wunder-same Weise mit dem der biblischen Reichtumskritik und dem Zinsver-bot, von dem in zahlreichen bibli-schen Büchern die Rede ist (z.B. Dtn 22, 23; Lk 6,35). Wenn eine Gebühr auf Bar- und Giralgeld (2 Prozent alle drei Monate) erhoben würde und damit anstelle des Lei-hens das Halten von Geld, also Li-quidität etwas kosten würde, wür-den Vermögende dazu motiviert ihr Geld entweder auszugeben oder län-gerfristig anzulegen, um so zu ver-hindern, dass die in Rede stehen-de Gebühr anfällt. Im Fall langfris-tiger Geldanlagen entfiele also die Gebühr auf Geldhaltungskosten und das angelegte Geld bliebe wertsta-bil erhalten. Die auf diese Art und Weise anfallenden Geldhaltungs-kosten, eine Art Steuer auf liquide Geldguthaben, könnte bald genau-

so selbstverständlich sein wie heu-te die Parkgebühr in den Innenstäd-ten oder das Rauchverbot in Knei-pen und Bahnhöfen. Die Macht des Kapitals wäre begrenzt, da es sich nicht mehr selbst vermehren könn-te. Durch diese Begrenzung der Ka-pitalmacht würden auch Spekulati-onsgeschäfte, etwa mit Nahrungs-mitteln zumindest eingedämmt. Der von Finanzminister Schäub-le kritisierte Drang des gegenwär-tigen Wirtschaftssystems, ein „un-begrenztes und ungebremstes Be-gehren“ zu nähren, würde so stark reduziert, wenn nicht gar behoben.

Eine solche Geldreform, verbunden mit einem Lastenausgleich ähnlich wie in den 50er Jahren und einer Be-steuerung auch des Bodens, würde nicht nur dem unbegrenzten Wachs-tum der Geldmenge und damit der drohenden Hyperinflation Einhalt gebieten, sondern auch den Wachs-tumszwang unserer Volkswirtschaft überwinden. Denn der in Zins- und Zinseszins ausgedrückte Mehrwert muss in der Realwirtschaft verdient werden. Er führt dort immer wie-der zur Ausweitung der Produktion primär in kapitalintensiven Betrie-ben und zur Effizienzsteigerung, die meist mit Arbeitsplatzverlusten, aber verstärktem Verbrauch an Energie und Ressourcen einhergeht.

Die neue Währung würde dagegen dorthin wandern, wo auch wirk-licher, nicht künstlich durch Wer-bung produzierter Bedarf bestünde. Zugleich würde den immateriellen Gütern wieder der ihnen gebühren-de Wert zugemessen. Und die Mi-nister der Bundesregierung würden merken, dass sie angesichts der ver-heerenden Schulden- und Klimak-rise gar nicht so ohnmächtig sind, wie sie meinen. Stattdessen würden sie wie auch die Bevölkerung An-teil gewinnen an Befreiungserfah-

rungen wie sie bereits das jüdische Volk erleben durfte.

Die menschliche Maßlosigkeit, die Herr Schäuble beklagt, wird durch das Zins- und Zinseszinssystem, das als selbstverständlicher Motor unse-rer Volkswirtschaft gilt, systematisch angetrieben. Eine durch eine Geld-haltegebühr als Umlaufimpuls aus-gestattete Währung würde dieser Neigung zur Maßlosigkeit dagegen Zügel anlegen.

Sehr geehrter Herr Finanzminister, trauen Sie den Worten Jesu von Na-zareth und nicht jenem Gott, von dem auf den Dollarnoten die Rede ist. Weil es, wie sie richtig sagen, kein grenzenloses Wachstum ge-ben darf, weil dieses das menschli-che Überleben auf unserem kleinen Planeten bedroht, bitte ich Sie als Fi-nanzminister die Maßnahmen einzu-leiten, die notwendig sind, um den unserer Volkswirtschaft innewoh-nenden Wachstumszwang aufzuhe-ben. Gewinnen Sie, biblisch inspi-riert, den Mut die Christianisierung unseres Finanzsystems einzuleiten, indem Sie anstelle des Wachstums-beschleunigungsgesetzes eine Um-laufsicherungsgebühr auf Bar- und Giralgeld einführen. Das damit ent-stehende zinsfreie Geld wäre ein ge-eignetes Hilfsmittel, um den Wachs-tumszwang unserer Volkswirtschaft zu überwinden und Probleme der Klima- und Schuldenkrise einer Lö-sung zuzuführen.

Wir, unsere Kinder und Kindeskin-der werden es Ihnen danken!

Gudula Frieling, Theologin aus Dortmund

Veröffentlicht online auf www.christundwelt.de/leserbriefe sowie etwas gekürzt in der Print-Ausgabe 2/2012.

Leserbriefe

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e.V.Rundbrief 12/1 März 2012 Seite 15

Utopie in die Realität holen

Interview von Wolfgang Kessler mit Bernd Winkelmann in Publik-Forum 18/2011

Seit drei Jahren arbeitet die Aka-demie Solidarische Ökonomie an Alternativen zum Kapitalismus. Anfangs belächelt, legt sie nun Ergebnisse vor. Fragen an ihren Mitbegründer Bernd Winkelmann

Herr Winkelmann, konservative Pu-blizisten wie Frank Schirrmacher, Herausgeber der Frankfurter Allge-meinen Zeitung, fragen kleinlaut, ob die Kapitalismuskritiker nicht doch recht haben. Das müsste doch Bal-sam auf die Seele jener Fachleute sein, die in der Akademie für Soli-darische Ökonomie an Alternativen zum Kapitalismus arbeiten?Bernd Winkelmann: Ja, das ist es in der Tat. Vor der Finanzkrise wur-den Kapitalismuskritiker ausge-lacht. Seit der Finanzkrise wird das System kritischer angeschaut, auch von Konservativen. Allerdings wird noch immer zu wenig über konkre-te Alternativen diskutiert. Das wol-len wir ändern.Warum wollen Sie gleich den Ka-pitalismus überwinden, reichen Ih-nen radikale Reformen nicht aus?

Winkelmann: Wir haben nichts gegen vernünftige Reformen wie die Einfüh-rung einer Finanztransak-tionssteuer oder grüne In-vestitionsprogramme. Sie können die schlimmsten Auswirkungen der kapita-listischen Wirtschaftsweise mäßigen. Doch die tiefer-liegenden Ursachen der Fehlentwicklungen wer-den damit nicht überwun-den. Diese liegen in den

Prinzipien, Denkmustern und Me-chanismen des Kapitalismus.Welche Mechanismen des Kapita-lismus sind Ihnen ein besonderer Dorn im Auge?Winkelmann: Der Zwang zur Ka-pitalvermehrung als Zweck allen Wirtschaftens und die Tatsache, dass sich private Eigentümer einen gro-ßen Teil der Wertschöpfung aneig-nen. Diese Prinzipien führen zu ei-ner zerstörerischen Konkurrenz zwi-schen Unternehmen, zu einem irr-sinnigen Wachstumszwang. Viele Kosten dieses Systems werden der Natur aufgebürdet, dem Gemeinwe-sen und den Schwächeren. Dadurch verursacht der Kapitalismus massi-ve soziale, ökologische und kultu-relle Verwerfungen.Bisher wird das von der Mehrheit der Menschen toleriert.Winkelmann: Das Ganze ist nur haltbar durch Ideologien und My-then wie dem Glauben, dass Kon-kurrenz und Eigennutz zum Wohl-stand aller führten, dass der Reich-

tum weniger die Ärmeren mit nach oben ziehe oder dass dem Markt selbstheilende Kräfte innewohnten. Doch Letzteres hat die Finanzkrise ja widerlegt. Welche grundlegenden Veränderun-gen streben Sie an?Winkelmann: Wir wollen die Wirt-schaft vom Kopf auf die Beine stel-len: Nicht Profitmaximierung und Mehrung von Kapital in der Hand weniger ist Sinn und Ziel des Wirt-schaftens, sondern die Bereitstel-lung nützlicher Produkte, Dienstleis-tungen und sinnvoller Arbeitsplätze für alle – unter Teilhabe aller und in ökologischer Nachhaltigkeit. Wenn dies gelingen soll, dürfen Werte wie Kooperation, Wertschätzung, Empa-thie und Solidarität nicht länger aus dem Wirtschaftsprozess ausgeklam-mert werden. Und es sind neue wirt-schaftliche Strukturen notwendig.Machen wir es konkret: Privatei-gentum an Produktionsmitteln und Gewinnmaximierung sind zentra-le Elemente des Kapitalismus. Was sind Ihre Alternativen?Winkelmann: Neben genossenschaft-lichem, kommunalem und staatli-chem Eigentum wird es auch Pri-vateigentum an Produktionsmit-teln geben. Allerdings soll es nicht mehr möglich sein, dass die Eigen-tümer einen großen Teil der Wert-schöpfung für sich reklamieren. Zu-dem soll es keine rein monetäre Ge-winnbilanz geben. In die betriebs-wirtschaftliche Bilanzrechnung sol-len auch Kennziffern des Gemein-wohls und der sozialen und ökolo-

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e.V.Seite 16 Rundbrief 12/1 März 2012

gischen Folgen integriert werden. Zum anderen schlagen wir eine Un-ternehmensleitung vor, in der über einen betrieblichen »Wirtschafts-rat« alle Beteiligten, die Eigentü-mer, die Geschäftsführer, die Mit-arbeiter, auch die Kunden und die Vertreter der Öffentlichkeit, in die Entscheidungsprozesse eingebun-den werden.Erhalten die Unternehmer noch Ge-winne?Winkelmann: Die innovativen Leis-tungen sollen mit Gewinnanteilen durchaus belohnt werden. Über de-ren Höhe entscheiden allerdings die Wirtschaftsräte.Wird es in dem System, das Sie sich vorstellen, noch Banken und Zin-sen geben? Winkelmann: Geld ist als Tausch-, Aufbewahrungs- und Kreditmittel ein hohes öffentliches Gut, aber es soll kein Bereicherungsmittel auf Kosten anderer sein. Deshalb stel-len wir das Zinssystem und das Ak-tiensystem infrage.Was sind Ihre Alternativen?Winkelmann: Denkbar ist, das her-kömmliche Zinssystem durch ein Gebührensystem zu ersetzen. Für einen Kredit wird eine Gebühr be-zahlt, aber kein Zins, sodass es kei-nen Zinseszinsmechanismus gibt. Der spekulative Aktienhandel sollte gänzlich abgeschafft werden. Kre-dit- und Kapitalbeschaffung für Un-ternehmen sollten nur durch die öf-fentliche Hand über Banken mög-lich sein. Banken sollte es nur als gemeinnützige Dienstleistungsein-richtungen geben, die Rücklagen er-möglichen, Kredite geben und Kon-ten managen. Sie arbeiten grundsätz-lich ohne Gewinne mit festen tarif-lichen Gehältern. Die nötigen be-triebswirtschaftlichen Einnahmen

werden aus Kreditgebühren gewon-nen. Für Spareinlagen gibt es keinen Zins, die kostenlose Aufbewahrung des Geldes und das Kontomanage-ment sollten als Gegenleistung der Bank genug sein.Die Anhänger des Kapitalismus ver-weisen gerne darauf, dass die Men-schen eben Egoisten seien. Welches Menschenbild haben Sie?Winkelmann: Wir setzen auf ein duales Menschenbild, das sowohl christlich wie auch von der neuro-biologischen Forschung belegt ist. Danach hat der Mensch zwar egois-tische Anlagen. Er strebt aber mehr noch zur Kooperation, Empathie, zur gegenseitigen Wertschätzung und zur Solidarität. Entscheidend ist, welche Gaben und Bedürfnisse stimuliert werden. Wir wollen eine Wirtschaft, in der die solidarischen und kooperativen Kräfte des Men-schen nicht bestraft werden wie heu-te im Kapitalismus, sondern belohnt.Ihre Vorschläge klingen sehr theo-retisch. Warum lassen Sie die Pra-xis außen vor?Winkelmann: Wir lassen die Pra-xis nicht außen vor. Aber Erfah-rungen zeigen, dass Reformversu-che sich in den Fesseln des Bishe-rigen verstricken, wenn nicht neue Systemansätze über das bisher Ge-dachte und Gemachte hinausgehen. Damit wir nicht im Utopischen hän-gen bleiben, sondern die Utopie in die Realität holen, stellen wir zwei Testfragen. Erstens: Könnten unse-re Ansätze grundsätzlich funktionie-ren? Zweitens: Entsprechen unsere Ansätze einem realistischen Men-schenbild? Insofern liefern wir Ent-würfe, die eine Richtung aufzeigen. Sie dürfen und sollen weiterentwi-ckelt werden. Wer soll diese Überwindung des Ka-pitalismus politisch durchsetzen?

Winkelmann: Hier gibt es viele Be-wegungen von attac, über Kairos Eu-ropa, die Christen für eine gerechte Wirtschaftsordnung über die Lebens-stilbewegungen bis hin zur neuesten Bewegung einer Postwachstumsöko-nomie. Nötig und entscheidend für deren Wirken ist, dass sie den Feh-ler alter linker Gruppen der gegen-seitigen Abgrenzung und Spaltung nicht wiederholen, sondern bei al-len Unterschieden Synergien und politische Bündnisfähigkeit suchen.Woher nehmen Sie den Optimismus, dass eine Mehrheit solche Verände-rungen will?Winkelmann: In einer Befragung Anfang dieses Jahres der Bertels-mann Stiftung äußerten 88 Prozent der Befragten den Wunsch nach ei-ner anderen Wirtschaftsordnung. Das ist ein Zeichen, dass grundle-gende Veränderungen zunehmend gefragt werden.

aus Publik-Forum; kritisch – christlich – unabhängig,

Oberursel, Ausgabe 18/2011, www.publik-forum.de

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e.V.Rundbrief 12/1 März 2012 Seite 17

Tim Jackson: Wohlstand ohne Wachstum. Leben und Wirtschaf-ten in einer endlichen Welt. Hrsg. v. d. Heinrich-Böll-Stiftung. Aus dem Englischen von E. Leipprand. Mit Vorworten von Jürgen Trittin, Uwe Schneidewind und Barbara Unmü-ßig. Oekom Verlag 2011, 239 Sei-ten, 19,95 €.

Der Autor ist Professor für Nach-haltige Entwicklung am Zentrum für Umweltstrategien der Univer-sität Surrey und leitendes Mitglied der britischen Regierungskommissi-on SDC (Sustainable Development Commission), die im Jahr 2009 ei-nen Bericht unter dem Titel „Pros-perity Without Growth?!“ vorlegte. Hierauf stützt sich Jacksons Buch, mit dem er das Wachstumsparadig-ma nunmehr unüberhörbar infrage-stellt. „Ein neues Denken hat Ein-zug gehalten in die Welt der Ökono-mie, und dieses Buch sollte zu den ersten gehören, die man dazu lesen sollte. Ein Buch wie ein Manifest“, kommentierte die Tageszeitung The Guardian.

„Unsere Technologien, unsere Wirt-schaftsform und unsere sozialen Zie-le lassen sich allesamt mit sinnvol-lem Wohlstand nicht vereinbaren. Unsere Vorstellung eines gesell-schaftlichen Fortschritts, der auf ständig zunehmenden materiellen Bedürfnissen beruht, ist grundsätz-lich unhaltbar.“ (S. 24) Im Anschluss an Amartya Sen wirbt Jackson da-für, Wohlstand weder über „Fülle“ noch über „Nutzen“ zu definieren, sondern als „Fähigkeit zum Gedei-hen“ und dabei ökologische Gren-zen und die Größe der Weltbevölke-rung von vornherein mitzudenken.

Entschieden widerspricht Jackson der Illusion, die (dringend notwendi-ge) „Entkoppelung“ zwischen Wirt-schaftswachstum und Ressourcen-inanspruchnahme reiche allein aus. Zwar sei eine „relative“ Entkoppe-lung auf vielen Feldern gelungen; doch bedingt durch das Wirtschafts-wachstum insbesondere der Schwel-lenländer seien die „absoluten“ Zah-len weiter gestiegen, was bei Fortset-zung ins Desaster führe. Deswegen sei es unausweichlich, die Struktur der Marktwirtschaften zu verändern.

Bei seinen Ansätzen zur Veränderung dringt Jackson nur zaghaft zur Rolle des Geldwesens vor. Zwar erkennt er die Tendenz zu Kreditausweitung, Überschuldung und entsprechenden Zinslasten sowohl der Verbraucher als auch des Staates. „Der Markt wurde durch das Wachstum selbst zerstört“ (S. 51), heißt es unter „La-byrinth der Schulden“ im Kapitel 2 über „Das Zeitalter der Verantwor-tungslosigkeit“. Doch dass Zinsrech-nung und das entsprechende Abdis-kontieren künftiger Effekte die Wirt-schaft auf kurzsichtiges Denken pro-grammieren und Wachstum erzwin-gen, bemerkt er nicht. Hier anset-zende Autoren und Ideen bleiben

ausgeblendet. Erwähnung finden (S. 181 f.) lediglich die Tobin-Steuer zur Mäßigung internationaler Devi-sentransfers und die 100%-Reserve bei Krediten (J. Robertson, H. Daly, in Deutschland durch J. Huber be-kannt unter „Vollgeld“).

Eine ökologische Makroökonomie sei erst noch zu entwickeln. Vorerst setzt Jackson auf die Festlegung von Obergrenzen und Reduktionszielen für Ressourcen und Emissionen, auf ökologische Steuerreform und Unter-stützung des ökologischen Wandels in Entwicklungsländern. Statt zuneh-mende Arbeitsproduktivität und da-mit wachsende Arbeitslosigkeit zu begünstigen, solle in Arbeitsplätze, Dienstleistungen, Vermögenswer-te und Infrastruktur investiert wer-den, was der öffentlichen Hand mehr Aufgaben zuweise. Die volkswirt-schaftliche Gesamtrechnung müsse soziale und ökologische Wirkungen mit erfassen, die Arbeitszeit gesenkt und besser verteilt werden. Ein sol-ches Wirtschaftsmodell werde „we-niger kapitalistisch“ sein.

Bei aller Zustimmung bedauert man als Leser die Lücke „Geld- und Ei-gentumsordnung“ und wünscht sich eine Begegnung der Ideenströme – z. B. durch Wahrnehmung dessen, was der britische Ökonom J. M. Keynes über Silvio Gesell schrieb oder was Dieter Suhr, Bernard Lie-taer und andere auch in englischer Sprache über notwendige Verände-rungen im Geldwesen publiziert ha-ben. Denn umlaufgesichertes Geld wirkt ja in beiden Richtungen, er-leichtert Wachstum, wo es erforder-lich ist, ohne es über jeden Bedarf hinaus systemisch zu erzwingen, und ist deshalb vermutlich Kern-voraussetzung für eine Steady-Sta-te-Ökonomie.

R. Geitmann

Bücherecke

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e.V.Seite 18 Rundbrief 12/1 März 2012

Silvio Gesell: „Reichtum und Ar-mut gehören nicht in einen geord-neten Staat“. Werkauswahl zum 150. Geburtstag am 17. März 2012 zu-sammengestellt von Werner Onken. Gauke Verlag für Sozialökonomie 2011, 230 Seiten, 19,90 €.

Unser Vorstandsmitglied Werner Onken hat sein Wissenschaftler-leben Silvio Gesell gewidmet und sich um diesen Sozialreformer und seine Ideen wahrhaft verdient ge-macht. Die vorzügliche 18-bändige Gesamtausgabe von Gesells Schrif-ten ist Ergebnis vieljähriger Heraus-geberarbeit seit 1988 im Zusammen-wirken mit Gaukes Verlag für Sozi-alökonomie. Als 19. Band erschien ein detailliertes Stichwortregister, über das sich Gesells Gesamtwerk zuverlässig erschließt. Seine auf-schlussreichen Vorworte zu den 18 Bänden fasste Werner Onken in ei-nem gesonderten und sehr lesens-werten Buch zusammen unter dem Titel „Silvio Gesell und die Natürli-che Wirtschaftordnung. Einführung in Leben und Werk“ (1999).

Dem Ganzen hat Werner Onken nun die Krone aufgesetzt durch eine Werkauswahl anlässlich Gesells 150.

Geburtstag. Denn noch immer steckt die wissenschaftliche Rezeption der Denkansätze einer Geld- und Boden-rechtsreform in ihren Anfängen. On-kens Zusammenstellung von Text-passagen aus Silvio Gesells Werken will zwar nur einen ersten Überblick vermitteln, gewährt aber weit mehr. Das liegt zum einen an Gesells plas-tischer Sprache, die Leserinnen und Leser sogleich in ihren Bann zieht. Zum anderen sind es Auswahl und Aufbereitung durch den Herausge-ber, die dieses Nachschlagewerk zu einem fesselnden Lesebuch machen.

Nach einem hilfreichen Vorwort mit Überblick über Gesells Werdegang und ideengeschichtliche Verortung folgen 19 thematisch sinnvoll einge-teilte Kapitel, welche die Zitate und Textausschnitte jeweils in zeitlicher Reihenfolge aufführen. Mit 49 Sei-ten besonders umfangreich ist das erste Kapitel über „Autobiografi-sches“, das Gesell sowohl durch Tex-te als auch durch Abbildungen und Dokumente nahebringt. Über seine Grundhaltung erfahren wir Nähe-res unter „Glaube und Kirche“ so-wie „Menschenbild“; bezeichnend etwa sein Satz aus der frühen Pu-blikation „Nervus rerum“ (1891): „Das edelste und gleichzeitig be-gehrlichste geistige Bedürfnis des Menschen besteht in der Freiheit, in der vollkommenen Unabhängig-keit des Menschen.“

Fünf weitere Kapitel enthalten z. T. längere Passagen zum Geldwesen unter verschiedenen Aspekten: Kapi-talismus, Geschichte, Währung, Kre-dit und Arbeitswelt. Je ein Abschnitt widmet sich dem Bodenthema und der Stellung von Frau und Kindern. „Der Erde, der Erdkugel gegenüber sollen alle Menschen gleichberech-tigt sein …Jeder soll dorthin ziehen können, wohin ihn sein Wille, sein

Herz oder seine Gesundheit treibt. Und dort soll er den Altangesesse-nen gegenüber die gleichen Rechte auf den Boden haben.“

Vier weitere Kapitel betreffen „Staat und Politik“, „Bildung und Kultur“, „Sozialpolitik“ sowie „Freihandel und Internationales“. All dies belegt, dass Gesell nicht etwa nur eine be-stimmte Geldtechnik im Auge hat-te, sondern Grundbausteine eines anderen Gesellschafts- und Wirt-schaftssystems jenseits von Kapita-lismus und Staatssozialismus. Bewe-gend und zum Teil prophetisch sind manche seiner Worte unter „Krieg und Frieden“, „Zeitgeschichte“ und „Sozialdemokratie und Kommunis-mus“. Hilfreich gegenüber gelegent-lichen Unterstellungen sind die im Kapitel „Antisemitismus, Nationa-lismus und Rassismus“ aufgeführ-ten Zitate.

Das Kapitel „Übergangsphase“ kann zur Zeit einige Aktualität be-anspruchen. Weder auf parlamenta-rische Reformen noch auf Revoluti-on setzt Gesell Hoffnung: „Evoluti-on aber und nicht Revolution ist es, was den Erfolg in sich trägt, was den eigentlichen Zweck der Revo-lution, die Beseitigung des Klassen-staates, die Herrschaft des Rechtes, den Bürger- und den Völkerfrieden von Grund aus auf festen Quadern aufbauen kann.“

Benutzerfreundlich ergänzt Onken die Sammlung durch eine Zeittafel mit Gesells Lebensdaten, bemer-kenswerte Urteile diverser Ökono-men von Keynes bis Binswanger, Hinweise auf deutsch- und eng-lischsprachige Literatur sowie ein Namensregister.

R. Geitmann

Bücherecke

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e.V.Rundbrief 12/1 März 2012 Seite 19

Bücherecke

Christoph Fleischmann: Gewinn in alle Ewigkeit – Kapitalismus als Religion

Endlich hat sich ein Theologe mit der alles beherrschenden Ökonomie neu auseinandergesetzt. Da leuchtet für mich die Hoffnung auf, dass un-sere Kirchen neu Einsicht gewinnen und ihre Anpassung an den Kapita-lismus endlich aufgeben, ihre urei-genste Botschaft wieder schärfer in den Blick nehmen, die herrschenden Machtstrukturen konsequent kritisie-ren und im Rahmen ihrer Möglich-keiten die heilsame Gnade Gottes in Solidarität mit den Schwachen neu Gestalt werden lassen.

Das Buch ist unbedingt zu emp-fehlen. Es leistet eine kritische Be-standsaufnahme der historischen Beziehungen zwischen Kirchen und Kapitalismus, die zwischen den Po-len Widerstand und Anpassung ver-läuft. Dabei werden Entstehung und Funktionieren der kapitalistischen Wirtschaftsform anschaulich erklärt. Am Ende kommt der Autor mit gu-ten Gründen auf eine Lösung à la Binswanger heraus.

Margrit Kennedy: Occupy Money. Damit wir zukünftig ALLE die Ge-winner sind. J. Kamphausen Verlag 2011. 107 Seiten, 9,95 €.Die Autorin dürfte allen Rundbrief-beziehern durch Veranstaltungen und Publikationen bekannt sein. Ihr in 23 Sprachen übersetztes Buch „Geld ohne Zinsen und Inflation“ hat etli-che unserer Mitglieder auf die Spur gebracht und steht seit Jahren auf der Vorderseite unserer Literatur-liste. Auch ihr gemeinsam mit Ber-nard Lietaer veröffentlichtes Buch „Regionalwährungen“ werden viele Leser/innen kennen. Mit ihrer hier angezeigten kleineren Schrift ent-spricht die Autorin dem vielfach geäußerten Wunsch nach einer ak-tuellen Kurzfassung beider Bücher.Dem entspricht die Gliederung mit einem knappen analytischen Ein-gangsteil über den „Systemfehler und seine Folgen“ mit wiederhol-ter Bezugnahme auf Helmut Creutz. In einem ausführlicheren konstruk-tiven zweiten Teil über „Wege aus der Geldkrise“ informiert sie über das schwedische JAK-Modell zins-losen Sparens und Leihens sowie

über die gesellsche Idee der Stand-gebühr. Auch skizziert sie die religi-ös geprägten historischen Lösungs-wege mit Erlassjahr im Judentum, Gewinn- und Verlustbeteiligung im Islam und Münzverrufung im Chris-tentum. Verantwortlichen Umgang mit Geld ermöglichen heute alternative Ban-ken wie die GLS. Als wegweisend werden „Zeitbanken“ vorgestellt wie die jetzt auch in Deutschland in Diskussion kommende Pflege-stundenverrechnung, Parallelwäh-rungen wie der Schweizer WIR und vor allem Regionalwährungen, de-ren Entwicklung Margrit Kenne-dy wesentlich gefördert hat. Auch über noch nicht umgesetzte Geld-entwürfe berichtet sie und fordert die Aufhebung hemmender Geset-zesregeln: Bildungswährung (Lieta-ers „Saber“), Gesundheitswährung (Lietaer und Brunnhuber), globa-le Referenzwährung „Terra“ (Lie-taer) und CO2-Währung (Schuster).Das Büchlein ist für Laien geschrie-ben. Beim Lesen hört man Margrit Kennedy sprechen. Begriffliche Un-genauigkeiten nimmt sie um allge-meiner Verständlichkeit willen in Kauf, zumal dadurch entstehende Fragen zum Weiterdenken anregen können. Ihre Danksagung u. a. bei den CGW-Mitgliedern Eva-Maria Hubert, Helmut Creutz, Hugo God-schalk und Christian Gelleri bestä-tigt, wie eng wir verbunden sind. Als Einstiegslektüre und entsprechendes Geschenk sehr zu empfehlen.

R. Geitmann

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e.V.Seite 20 Rundbrief 12/1 März 2012

Einladung

Dieser kurze Hinweis darf ger-ne durch eine Rezension ver-tieft werden – siehe Einladung.

Wie sieht Deutschland in fünf bis zehn Jahren aus?

Der Zukunftsdialog – www.dialog-ueber-deutschland.de

Wie wollen wir gegen Ende des Jahr-zehnts leben? Diese Frage diskutiert die Bundeskanzlerin seit Frühjahr 2011 mit über 120 Fachleuten aus Wissen-schaft und Praxis unter der Überschrift „Menschlich und erfolgreich. Dialog über Deutschlands Zukunft“.

Neben vielen anderen Themen gibt es auch (Stand: 21. Feb. 14:00) 78 Vor-schläge zum Grundeinkommen, z.B.

• Grundbedürfnisse aus dem Profit- und Knappheits-Zyklus ausgliedern, 15575 Stimmen

• Bedingungsloses Grundeinkommen für alle, 3619 Stimmen

• Bedingungsloses Grundeinkommen – Erörtern & Abstimmen – Neue Um-stände erfordern neue Wege! 15999 Stimmen

und mehrere Vorschlag zum Geldwe-sen, z.B.

• Umlaufsicherung unseres Geldes, z.B. des Euro, 221 Stimmen

aufgelesen

Bücherecke

Vorträge und Seminare über CGW-Anliegen halten unsere MitgliederHelmut Becker, Tel. 0345 2901070Ralf Becker, Tel. 05694 9910012Helmut Creutz, Tel. 0241 34280Dr. Dieter Fauth, Tel. 0931 14938Prof. Dr. Roland Geitmann, Tel. 07851 72137Dr. Hugo Godschalk, Tel. 069 951177 0Karin Grundler, Tel. 089 3151163Wolfgang Heiser, Tel. 06322 981640Adolf Holland-Cunz, Tel. 036847 31712Dr. Eva-Maria Hubert, Tel. 0711 4780365Heinz Köllermann, Tel. 07641 913440

Heiko Kastner, Tel. 05931 6609 (tags), 846790 Dr. Christoph Körner, Tel. 03727 979065Gerhard Küstner, Tel. 09104 860246Thomas Mayer, Tel. 0831 5707689Rudolf Mehl, Tel. 07231 52318Werner Onken, Tel. 0441 36111797Dr. Dieter Petschow, Tel. 0511 782003Dr. Alfred Racek (Wien), Tel. +43 1 4800320Prof. Dr. Thomas Ruster, Tel. 02227 924913Bernhard Thomas, Tel. 089 8414601

In der Bücherecke beschrei-ben immer noch nur sehr wenige Rezensenten und Rezensentinnen interessan-te Bücher zu verschiede-nen Themen unseres Wirt-schaftssystems. Sicherlich gibt es unter unseren Mit-gliedern und Interessenten noch viel mehr Bücherlese-rinnen und -leser. Lassen Sie sich ermuntern, auch Ihre Eindrücke den ande-ren Mitgliedern mitzutei-len. Für geplante Rezen-sionen stellen die Verlage normalerweise kostenlose Rezensionsexemplare zur Verfügung. Um Doppelbe-sprechungen zu vermeiden, teilen Sie der Rundbriefre-daktion einfach mit, wenn Sie vorhaben, ein Buch zu besprechen.

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CGWWir tschaftsordnung

e.V.Rundbrief 12/1 März 2012 Seite 21

13:30 Besichtigung + Führung im Kloster Oberzell durch Sr. Katharina Ganz – „Über die christliche Welt-verantwortung als Oberzeller Franziskanerinnen im Ein-satz für und mit Frauen“ (für Interessierte)

15:30 Arbeits-NachmittagAn welchen Themen wollen wir in Gruppen arbeiten?Festlegen von Themen und Wahl von GruppenleiternAus immer wieder diskutierten Themen gibt es erste Vor-schläge, die erweitert werden können. Bitte geben Sie Ih-ren Wunsch schon bei der Anmeldung an.• Weltfinanzordnung• Soziales Miteinander in Staat und Gesellschaft (Grund-

einkommen, Vermögenssteuer, Finanztransaktionssteuer)• solidarisches Wirtschaften und Massenmarkt• ...

Aufteilen in Arbeitsgruppen

16:00 Kaffeepause

16:30 Arbeit in den GruppenPause selbständig festlegen

19:00 Abendessen

20:00 Berichte aus den Gruppen

21:00 Gemütlicher Abend

Sonntag, 17. Juni

08:30 Gottesdienst in der Klosterkirche Oberzell

09:30 Mitgliederversammlung• Eröffnung• Berichte der Vorstandsmitglieder und Aussprache – evtl.

Ergänzungen zu den Berichten von Freitag Abend• Kassenprüfbericht und Entlastung des VorstandsPause • Verabredungen zur Weiterverfolgung der Gruppener-

gebnisse• Aktionen, Veranstaltungen und Projekte• CGW im VLB (Verzeichnis lieferbarer Bücher) (ISBN)• Verschiedenes

12:00 Mittagessen, danach Abreise Für den Vorstand: Rudolf Mehl

Tagungen – Veranstaltungen

Wie tragfähig sind unsere Alternativen?Einladung zur CGW-Tagung für Mitglieder und Interessenten mit Mitgliederversammlung

15.-17.06.2012, Gasthaus Rose, Hauptstr. 34, 97299 Zell am Main, Tel. 0931 4 67 69 38Zell ist mit direkter Buslinie (Linie 22) vom Busbahn-hof Würzburg (beim Hauptbahnhof) in 15 Minuten zu erreichen: Bis zur Haltestelle Zell, Kirche fahren, dann ca. 300 Meter zu Fuss an der Hauptstr. bis zum Gasthaus Rose zurück gehen.Die Übernachtung mit Frühstück kostet 32,00 EUR. Die weiteren Mahlzeiten kann, wer will, dort à la carte ein-nehmen.Im Gasthaus gibt es Doppel- und Einzelzimmer, außerdem stellt Dieter Fauth begrenzt kostenlose Lager zur Verfü-gung – Schlafsack und Isomatte oder Luftmatratze sind dafür mitzubringen.Anmeldung direkt bei Dieter Fauth, bevorzugt per E-Mail [email protected], sonst per Telefon: 0931 14938. Bit-te geben Sie dabei Ihren Übernachtungswunsch an Ihren Wunsch für eine Arbeitsgruppe am Samstag Nachmittag.

ZeitplanFreitag, 15.Juni.2012 bis 18:00 Anreise18:30 Abendessen19:30 Begrüßung, Informationen zum Tagungsort, Ab-

stimmung der Tagesordnung und des Zeitplans

Ankommen und AustauschenDie Teilnehmerinnen und Teilnehmer berichten von ih-ren Aktivitäten und Erlebnissen.

Samstag, 16. Juni

08:50 Begrüßung und Impuls09:00 Möglichkeiten und Grenzen des Fairen Han-

dels in einer renditeorientierten Wirtschaft – Wie ver-ändert sich der Faire Handel durch den Eintritt in den MassenmarktVortrag von Markus Raschke mit anschließender Dis-kussion

10:30 Pause11:00 Vom nationalen umlaufgesicherten Parallelgeld

in Europa zur Europäischen Clearing(Verrechnungs)-Union nach Keynes‘ Vorschlag für eine neue Weltfi-nanzordnung 1944Vortrag von Karin Grundler mit anschließender Diskussion

12:30 Mittagspause

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CGWWir tschaftsordnung

e.V.Seite 22 Rundbrief 12/1 März 2012

Macht-Geld-Sinn-Kongress10.-16. März 2012 in Köthen (Anhalt)Kontakt und Info: www.macht-geld-sinn.de

50. Mündener Gespräche speziell zum 150. Geburts-tag von Silvio Gesell16. - 18. März 2012 in der Reinhardswaldschule, 34233

Fuldatal (Simmershausen)Kontakt und Info: www.sozialwissenschaftliche-ge-

sellschaft.de

Auswirkungen einer Reform der Geld-Ordung14. - 15. April 2012, 73087 Bad Boll, Badstraße 35,

Seminar für freiheitliche Ordnung e.V.Kontakt und Info: www.sffo.de

Erfahrungen mit der Kirchengemeinde-Ökonomie5. - 6. Mai 2012, Gemeinde St. Theodor, Köln-Vingst

Katholikentag16. - 20. Mai 2012, Mannheim. Wir CGW werden wie-

der mit einem Stand vertreten sein. Mitwirkdene sind herzlich willkommen.

Eröffnung des Kunstprojektes „Gesellschafft Kunst“17. - 20. Mai 2012 in und an der Silvio-Gesell-Tagungs-

stätte in Wuppertal

Lust auf neues Geld9. Juni 2012, Leipzig, Neues Geld gemeinnützige

GmbH, LeipzigKontakt und Info: www.lust-auf-neues-geld.de

CGW-Tagung für Mitglieder und Interessenten15.-17.06.2012, Zell am Main – siehe nebenstehen-

de Einladung

Jahresfeier HUMANE WIRTSCHAFT1. - 4.11.2012, WuppertalKontakt und Info: www.humane-wirtschaft.de

51. Mündener Gespräche zum Thema „Zukünftige Unternehmensverfassung“3.-4. November 2012 in der Reinhardswaldschule,

34233 Fuldatal (Simmershausen)Kontakt und Info: www.sozialwissenschaftliche-ge-

sellschaft.de

34. Deutscher Evangelischer Kirchentag1. bis 5. Mai 2013, Hamburg

„Soviel du brauchst“ 2. Mose 16,18

Regelmäßige weitere Veranstaltungen

Gesprächskreis HUMANE WIRTSCHAFTJeden 2. Dienstag eines Monats 17.00 bis 19.00 Uhr in

Essen-Rüttenscheid, Katharinenstr. 18, Straßenbahn-linie 107 und 101 bis Florastraße

Leitung: Wilhelm SchmüllingKontakt und Info: E-Mail [email protected], Tel.

02054/81642

Gesprächskreis über Geld- und WirtschaftsfragenAlle paar Wochen am Dienstag, 17.00 Uhr bis ca. 19.00,

im Café am Tiergarten gegenüber dem Karlsruher Hauptbahnhof. Den nächsten Termin bitte erfragen.

Kontakt und Info: Tanja Rathgeber, Tel.0721/9431437, E-Mail [email protected] und Werner Stiffel, Tel. 0721/451511, E-Mail [email protected]

Seminarwochenenden über alternative Wirtschafts-modelleFast jedes Wochenende Freitagabend bis Sonntag, GCN-

Academy in der „Villa Creutz“, Friedrich-Ebert-Str. 17, 06366 Köthen

Kontakt und Info: www.gcn-academy.de

Treffen der INWO-Regionalgruppe MünchenJeden dritten Freitag im Monat um 19.30 Uhr im Eine-

Welt-Haus, Raum 109, Schwanthalerstr. 80, 80336 München.

Kontakt und Info: E-Mail [email protected]

Veranstaltungen zu Zeit-, Geld- und ZukunftsthemenIn kurzen Abständen in München, Ort und Zeit siehe

Newsletter, mit Martin Schmidt-Bredow u. a.Anmeldung, Kontakt und Newsletter-Bestellung: Mar-

tin Schmidt-Bredow, Tel. 0176/96330029, E-Mail [email protected]

Regelmäßige Veranstaltungen zum Thema RegiogeldAn verschiedenen Orten des bayerischen Oberlands zu

unterschiedlichen ZeitenKontakt und Info: Veranstaltungskalender DER RE-

GIO www.der-regio.de

Veranstaltungen von und mit Georg OttoKontakt und Info: Tel. 05065/8132, E-Mail: alterna-

[email protected], Internet www.alter-nativen.biz

Tagungen – Veranstaltungen

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CGWWir tschaftsordnung

e.V.Rundbrief 12/1 März 2012 Seite 23

Island befreit sich aus den Klauen der FinanzmafiaAuf diesen Artikel auf www.unzen-suriert.at/content/005315-Island-be-freit-sich-aus-den-Klauen-der-Fi-nanzmafia hat Inge Ammon schon letzte Oktober hingewiesen.

Zusamengefasst: Seit 2003 ver-suchten privatisierte Banken, aus-ländische Investoren anzulocken, und häuften Schulden in astronomi-scher Höhe an, ehe die aufziehen-de Finanzkrise die Blase zum Plat-zen brachte. Durch die Not-Ver-staatlichung dieser Banken waren plötzlich der Staat und mit ihm sei-ne nur knapp 320.000 Einwohnen dafür haftbar.

In einer Volksabstimmung weiger-ten sich die Isländer, dass das Volk für die Fehlinvestitionen des Finanz-monopols haftbar sein soll, was zu einer Befreiung des Staates aus den Klauen des Schuldensystems führ-te. Dass diese Entwicklung in den Medien hierzulande völlig unter-drückt und vernachlässigt wurde, ist gut verständlich angesichts der Angst, die viele europäische Politi-ker vor den Entscheidungen der ei-genen Bürger haben.

Besonders aufgrund des letzten Sat-zes habe ich gezögert, diese Meldung schon im Dezemberrundbrief zu ver-öffentlichen. Für eine weitere Re-cherche fehlte mir damals die Zeit.

Inzwischen habe ich im Internet eine Menge von Meldungen zu diesem Thema gefunden, die die Informati-onen in Wesentlichen bestätigen, die Bedeutung aber etwas relativieren.

Über die auslösende Bank Ices-ave findet man Informationen bei Wikipedia, de.wikipedia.org/wiki/Icesave, über die Volksabstim-mung selbst im April 2011 haben viele Zeitungen und Zeitschriften

berichtet, z.B. www.zeit.de/wirt-schaft/2011-04/island-schuldentil-gung-abstimmung oder www.sued-deutsche.de/geld/island-rueckzah-lung-von-schulden-von-uns-gibts-kein-geld-1.1083603Eine Unterdrückung dieser Infor-mationen in den Medien konnte ich nicht erkennen.Wenig findet man darüber, wie es seither weitergegangen ist.„Islands Häresie stellt einen Test der ökonomischen Doktrin dar“ schreibt Christoph Mann am 31.01.2012 auf www.heise.de/tp/artikel/36/36305/1.htmlDort findet man Links zum IWF, wo es dann auf Englisch weitergeht: „Iceland‘s Unorthodox Policies Sug-gest Alternative Way Out of Crisis“ (Islands unorthodoxe Politik weist auf alternative Wege aus der Krise hin, www.imf.org/external/pubs/ft/survey/so/2011/car110311a.htm). Eine Konferenz dazu soll am 27. Okt. in Rejkavik stattgefunden ha-ben, „Iceland´s Recovery — Less-ons and Challenges“ (Islands Erho-lung – Lehren und Herausforderun-gen, www.imf.org/external/np/semi-nars/eng/2011/isl/index.htm)Dazu habe ich an deutschen Arti-keln tatsächlich überhaupt nichts im Internet gefunden, auch nicht eng-lische mit Adressen außerhalb von www.imf.org. Gab‘s diese Konfe-renz überhaupt?Die Lehre daraus: Eine Bestärkung von Vielem, was wir eigentlich schon wissen, z.B.• Die Behauptung, „Es gibt kei-

ne Alternative“, (There is no al-ternative, Abk. TINA) ist falsch. Schon vor vielen Jahren wur-de TINA eine TAMARA ge-

genüber-gestellt (There are many and real alternati-ves – es gibt vie-le echte Alterna-tiven)

• Das Volk ist mächtig. Es muss sich allerdings dazu aufraffen, seine Macht auch anzuwenden. Vielleicht ist das in Island mit seinen knapp 320 Tausend Ein-wohnern leichter gefallen als bei uns in Deutschland mit knapp 82 Millionen?

• Unsere Wahrnehmung der Welt ist sehr stark durch die Medi-en geprägt.

Rudolf Mehl

Wie Griechenland bei der Rettung Deutschlands half

Josef Hüwe weist auf einen Bericht von Stephan Kauf-mann in der Berliner Zeitung hin: ein Schuldenverzicht vor 59 Jahren (www.berliner-zei-tung.de/finanzkrise/schulden-erlass-wie-griechenland-bei-der-rettung-deutschlands-half,10808234,11569276.html)Nach dem Zweiten Weltkrieg er-ließen 65 Staaten der Bundesre-publik einen Großteil der Schul-den, unter ihnen auch Griechen-land. Der Erlass machte das deut-sche Wirtschaftswunder möglich.

aufgelesen

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isten für gerechte

CGWWir tschaftsordnung

e.V.Seite 24 Rundbrief 12/1 März 2012

Ich glaube an gottes gute schöpfung die erde

sie ist heiliggestern heute und morgen

Taste sie nicht ansie gehört nicht dirund keinem konzernwir besitzen sie nicht wie ein

dingdas man kauft benutzt und

wegwirftsie gehört einem anderen

Was könnten wir von gott wissen

ohne sie unsere mutterwie könnten wir von gott redenohne die blumen die gott lobenohne den wind und das wasserdie im rauschen von ihm

erzählenwie könnten wir gott liebenohne von unserer mutterdas hüten zu lernen und das

bewahren

Ich glaube an gottes gute schöpfung die erde

sie ist für alle da nicht nur für die reichen

sie ist heiligjedes einzelne blattdas meer und das landdas licht und die finsternisdas geborenwerden und das

sterbenalle singen das lied der erde

Lasst uns nicht einen tag lebenund sie vergessenwir wollen ihren rhythmus

bewahrenund ihr glück leuchten lassensie beschützen vor habsucht und

herrschsuchtweil sie heilig istkönnen wir suchtfrei werdenweil sie heilig istlernen wir das heilen

Ich glaube an gottes gute schöpfung die erde

sie ist heiliggestern heute und morgen

Dorothee Sölle

Credo für die erde