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Ticks Deutsche Börse AG Media Relations Mergenthalerallee 61 65760 Eschborn Postanschrift 60485 Frankfurt am Main Telefon +49-(0) 69-2 11-17854 Fax +49-(0) 69-2 11-11501 Internet deutsche-boerse.com E-Mail social-media@ deutsche-boerse.com Folge 10: Delisting Vor wenigen Wochen haben wir Ihnen erklärt, wie Unternehmen an die Börse kommen. Heute erklären wir den umgekehrten Vorgang – wie kommt ein Un- ternehmen aus der Sache wieder raus? Der Börsenabgang, oder geläufiger das „Delisting“, bezeichnet in der Regel den Rückzug einer Aktiengesellschaft aus dem aktiven Handel, also den Wi- derruf der Börsennotiz. Wie beim Listing-Prozess wird auch beim Delisting der zivilrechtliche und der öffentlich-rechtliche Weg unterschieden. Ein Delisting eines im Regulierten Markt (Prime und General Standard) gelisteten Unter- nehmens unterliegt dabei dem öffentlich-rechtlichen Verfahren, das Delisting im Freiverkehr (Open Market inkl. Entry Standard) folgt dem Privatrecht. Delistings, die dem öffentlichen Recht unterliegen, setzen einen verwaltungs- rechtlichen Prozess voraus, der der jeweils geltenden Börsenordnung (im vor- liegenden Fall beziehen wir uns auf die Frankfurter Wertpapierbörse) in Ver- bindung mit dem Deutschen Börsengesetz (BörsG) zu entnehmen ist. Börsen- gesetz und FWB-Börsenordnung unterscheiden zwei Formen des Delistings im Regulierten Markt: (1) Widerruf der Zulassung auf Antrag der Börsengeschäftsführung („von Amts wegen“): dieser Fall tritt in der Regel ein, wenn ein ordnungsgemäßer Börsenhandel, also Transparenz, ordentliche Preisfeststellung, rechtmäßiges Handeln der Börsenteilnehmer, Einhaltung sämtlicher Regelwerke etc. auf Dauer nicht mehr gewährleistet ist und die Notierung im Regulierten Markt eingestellt wurde, oder wenn der Emittent seine Pflichten aus der Zulassung, sogenannte Zulassungsfolgepflichten, zu denen die Ad-Hoc-Pflicht, die Veröf- fentlichung eines Halbjahresberichts und die Anwendung der Rechnungsle- gungsvorschriften gehören, nicht mehr erfüllt. (2) Widerruf auf Antrag des Emittenten: Die Börsengeschäftsführung kann die Zulassung auf Antrag des Emittenten widerrufen, sofern dieser Prozess im Einklang mit dem im Börsengesetz geforderten Anlegerschutz erfolgt. Dieser ist gewährleistet wenn: (a) das Wertpapier zum Handel an einer anderen inländischen Börse zu- gelassen ist (Widerruf mit sofortiger Wirkung) (b) der Handel an einem anderen organisierten Markt in einem Drittstaat weitergeführt wird (Widerruf mit Drei-Monatsfrist) (c) den Anlegern bei einem „kompletten Delisting“ nach Bekanntgabe des Widerrufs ausreichend Zeit verbleibt, die betroffenen Wertpapiere am Regulierten Markt zu verkaufen (Widerruf mit Sechs-Monatsfrist)

T folge10 delisting

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Folge 10: Delisting

Vor wenigen Wochen haben wir Ihnen erklärt, wie Unternehmen an die Börse

kommen. Heute erklären wir den umgekehrten Vorgang – wie kommt ein Un-

ternehmen aus der Sache wieder raus?

Der Börsenabgang, oder geläufiger das „Delisting“, bezeichnet in der Regel

den Rückzug einer Aktiengesellschaft aus dem aktiven Handel, also den Wi-

derruf der Börsennotiz. Wie beim Listing-Prozess wird auch beim Delisting der

zivilrechtliche und der öffentlich-rechtliche Weg unterschieden. Ein Delisting

eines im Regulierten Markt (Prime und General Standard) gelisteten Unter-

nehmens unterliegt dabei dem öffentlich-rechtlichen Verfahren, das Delisting

im Freiverkehr (Open Market inkl. Entry Standard) folgt dem Privatrecht.

Delistings, die dem öffentlichen Recht unterliegen, setzen einen verwaltungs-

rechtlichen Prozess voraus, der der jeweils geltenden Börsenordnung (im vor-

liegenden Fall beziehen wir uns auf die Frankfurter Wertpapierbörse) in Ver-

bindung mit dem Deutschen Börsengesetz (BörsG) zu entnehmen ist. Börsen-

gesetz und FWB-Börsenordnung unterscheiden zwei Formen des Delistings im

Regulierten Markt:

(1) Widerruf der Zulassung auf Antrag der Börsengeschäftsführung („von

Amts wegen“): dieser Fall tritt in der Regel ein, wenn ein ordnungsgemäßer

Börsenhandel, also Transparenz, ordentliche Preisfeststellung, rechtmäßiges

Handeln der Börsenteilnehmer, Einhaltung sämtlicher Regelwerke etc. auf

Dauer nicht mehr gewährleistet ist und die Notierung im Regulierten Markt

eingestellt wurde, oder wenn der Emittent seine Pflichten aus der Zulassung,

sogenannte Zulassungsfolgepflichten, zu denen die Ad-Hoc-Pflicht, die Veröf-

fentlichung eines Halbjahresberichts und die Anwendung der Rechnungsle-

gungsvorschriften gehören, nicht mehr erfüllt.

(2) Widerruf auf Antrag des Emittenten: Die Börsengeschäftsführung kann

die Zulassung auf Antrag des Emittenten widerrufen, sofern dieser Prozess im

Einklang mit dem im Börsengesetz geforderten Anlegerschutz erfolgt. Dieser ist

gewährleistet wenn:

(a) das Wertpapier zum Handel an einer anderen inländischen Börse zu-

gelassen ist (Widerruf mit sofortiger Wirkung)

(b) der Handel an einem anderen organisierten Markt in einem Drittstaat

weitergeführt wird (Widerruf mit Drei-Monatsfrist)

(c) den Anlegern bei einem „kompletten Delisting“ nach Bekanntgabe des

Widerrufs ausreichend Zeit verbleibt, die betroffenen Wertpapiere am

Regulierten Markt zu verkaufen (Widerruf mit Sechs-Monatsfrist)

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Grundsätzlich läuft das Ganze so ab, dass ein schriftlicher Antrag auf Widerruf

bei der Geschäftsführung der betreffenden Börse eingereicht wird. Bevor die-

se, in der Regel zustimmend, über das Delisting entscheidet und den Widerruf

bekannt gibt, ist vom Antragsteller im Falle der FWB zudem ein Fragebogen

auszufüllen, in dem Angaben zu den Hintergründen des Delistings gemacht

werden. Darunter finden sich Fragen beispielsweise nach dem Interesse der

Antragsteller an dem Delisting, nach dem Vorliegen einer Insolvenz etc.

Grundsätzlich ist es allerdings so, dass der Vorstand einer Aktiengesellschaft

das Delisting nicht begründen muss. Denkbare Gründe für ein freiwilliges De-

listings wären aber ein Going Private (als Pendant zum Going Public, also

dem Börsengang) - eine Fusion oder eben eine Insolvenz.

Sollte das Delisting aufgrund einer Insolvenz erfolgen oder ein Downgrading in

ein niedrigeres Börsensegment vorgenommen werden, berührt der Prozess den

privatrechtlichen Bereich. Seit der „Macrotron-Entscheidung“ des Bundesge-

richtshofes gilt in ständiger Rechtsprechung, dass für ein Delisting in diesem

Fall der Beschluss der Hauptversammlung, das heißt die Billigung der Mehr-

heit der betroffenen Aktionäre, und ein Abfindungsangebot an die Anleger er-

forderlich sind. Gleiches gilt für Delistings im Freiverkehr, die allein dem Zi-

vilrecht unterliegen.

Wird bei einem Delisting eine Abfindungszahlung an alle Aktionäre des Un-

ternehmens fällig, kann die Höhe dieser vom Unternehmen zunächst beliebig

festgesetzt werden. Ein sogenanntes von den Aktionären eingeleitetes

Spruchverfahren kann im Zweifel die Angemessenheit der Abfindung prüfen,

so dass Aktionäre in jedem Fall mit dem wahren Gegenwert ihrer Aktien aus

dem Unternehmen ausscheiden können. Grundlage der Bemessung ist der

von der Bafin ermittelte durchschnittliche gewichtete Dreimonatskurs der Aktie

vor Bekanntgabe des angestrebten Delistings. Gewichtet bedeutet in diesem

Fall, dass die jüngeren Kursdaten anteilig höher in die Berechnung des Ge-

samtwertes einfließen als die älteren, so dass eine möglichst reelle Kursabbil-

dung möglich ist. Hintergrund für diese Berechnung ist die Annahme, dass

dieser Kurs den Wert der Aktie ohne spekulative Einflüsse widerspiegelt.

Derzeit befasst sich das Bundesverfassungsbericht mit dem Thema Delisting

im Freiverkehr in zweierlei Hinsicht, zum einen in Bezug auf einen möglichen

Eingriff in das Eigentumsrecht der betroffenen Aktionäre im Rahmen eines

sogenannten Downgrades, also dem Wechsel in ein niedrigeres Börsenseg-

ment, zum anderen bei einem Rückzug insgesamt. Ein abschließendes Urteil

steht dabei allerdings noch aus.