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Amelie von Tharach Kontakt: [email protected] oder www.amelie-von-tharach.de Seite 1 Amelie von Tharach 14. bis 15. März 2011

Tagebuch 14. bis 15. Maerz 2011

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Dieser Text stammt aus meinen Tagebüchern, die ich von Anfang 2011 bis heute geschrieben habe. Ich habe versucht, die Ereignisse so darzustellen, wie sie in meinen Erinnerungen sind. Ich weiß, dass ich mir mit der Veröffentlichung meines Tagebuchs viele Feinde machen werde. Manche könnten auch vermuten, dass ich hochgestellte, real existierende Personen beschrieben habe. Das ist falsch. Alle Personen, Orte und die Begebenheiten sind frei erfunden. Anmerken möchte ich, dass ich diesen Satz schreiben muss, um mich vor unberechtigten Forderungen und Gewalt gegen meine Person zu schützen. Und auch du Alex (oder wie du dich auch immer nennen magst) irrst dich. Dich versuche ich zu vergessen. Du kommst in meinem Tagebuch nicht vor.

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icht alle Personen,

Orte und Ereignisse sind frei erfunden.

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Montag, 14. März 2011

12:45 Uhr

och zwei Stunden und fünfzehn, nein vierzehn

Minuten. Ich weiß nicht, ob ich das alles noch aushalten

werde. Ich bin nervös, mein Kreislauf spielt verrückt und ich

ärgere mich. Stefan kann so penetrant

besserwisserarschlochmäßig sein. Das macht er nicht

bewusst - das ist seine Masche um mich in seinem goldenen

Käfig zu halten.

Will er nicht sehen, oder will er nur das sehen was in

seine geordnete Welt passt? Stefans Leben ist wie eine

gerade Linie. Er beginnt bei A (von wo denn sonst?) um sein

definitives B auf dem kürzesten Weg zu erreichen. Sein Ziel-

B ist die Rente und er setzt alles daran, dass zwischen A und

B der Zustand der größtmöglichen Sicherheit bewahrt bleibt.

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Oft genug habe ich ihm gesagt: „Im Leben gibt es keinen

geraden und ebenen Weg.“

Dazu hat er nichts gesagt, aber an seiner Mimik konnte

ich ablesen, dass er nicht verstanden hat.

Manchmal, wenn ich seinen Ansprüchen nicht genüge,

oder nicht so funktioniere, wie es seinem heimlichen Ideal

entspricht, setzt er seinen Rauhhaardackelblick auf. Sein

Blick hat die gleiche Wirkung wie die Wartezeit im

Vorzimmer der heiligen Inquisition. Ich soll mich schlecht

fühlen, Abbitte leisten und mich unterordnen. Mit seinem

leidenden Höllenblick knallt er mir alle Vorwürfe für

entsetzliche Verbrechen ins Gesicht. Oft garniert mit seinem

„Liebling“ (wenn er eines Tages „Kindchen“ sagt, greif ich

zum Küchenmesser), ich mach´ mir doch nur Sorgen. Dir

soll´s doch gutgehen“, verstärkt er die Wirkung bis ins

Unerträgliche. Mit seiner Psycho-Folter erreicht er, dass ich

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mich ihm unbewusst unterordne und ständig mit einem

schlechten Gewissen herumlaufe. Dafür hasse ich ihn

abgrundtief, und ich könnte ihn umbringen – nur in meinen

Gedanken und nicht wirklich.

Damit mich die Hoffnung nicht verlässt, hat mein

angepasstes Diesseits ein verlockend schönes Jenseits.

Stefan hat mir ein kleines Paradies geschaffen, in dem ich

sorglos leben darf und glücklich zu sein habe. Stefan kann

großzügig und ein wunderbarer Ehemann sein. Stefan ist

auch ein liebevoller Vater und die Kinder lieben ihn. Aber ich

mache mir schon lange nichts mehr vor. Unsere Ehe

funktioniert nur gut, weil ich so funktioniere wie alle Frauen

im cleanen Mickey-und Minnie-Mouse-Land funktionieren.

Wenn er schreien, einen Wutanfall, oder einen Teller

an die Wand werfen würde, könnte ich damit leben, weil ich

wüsste, dass er lebt. Die Kleinigkeiten und seine

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berechenbare Beherrschtheit gehen mir auf den Zentralnerv.

Seine penetrante Bio-Macke mit immer frisch kochen ist so

ein Beispiel. Stefan sagt, ich soll auf dem Markt einkaufen,

weil „wir“ gesund leben wollen. Er spricht mit einer

Selbstverständlichkeit von einem „Wir“, einem „Sollen“ und

einem gemeinsamen „Wollen“, obwohl der Zustand des

„Wir“ allenfalls noch ein genervtes „Nebenher“ und nur

selten ein gewolltes „Miteinander“ ist.

Heute ist wieder so ein Tag, wo sein „Wir“ bedeutet,

dass ich wieder einmal im Regen stehe, als ob ich jede

Menge Zeit und nichts zu tun hätte. Alles soll schnell gehen,

aber wie ich das alles auf die Reihe bekommen soll, weiß ich

nicht. Ich weiß nur, dass die Kinder Spagetti Bolognese aus

der Packung und Cola bekommen. Das wird für heute

reichen. Die Kinder halten zu mir. Wenn ich den Jungs einen

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Zehner gebe und verspreche, dass wir morgen Burger essen

gehen, petzen die nicht.

Warum muss das immer so lange dauern, bis die aus

der Schule kommen? Als ob ich nichts Besseres zu tun hätte,

als hier zu stehen und zu warten. Meine Eltern haben mich

doch auch nicht zur Schule gebracht. Ich musste

kilometerweit laufen, ob es geregnet, die Sonne geschienen,

oder der schwarze Mann aus der Siedlung kleine Mädchen

befummelt hat. Früher wollte das niemand hören und das

hat auch niemand interessiert. Das mit in die Schule bringen

und wieder abholen hat sich erst in den letzten Jahren zur

kollektiven Massenhysterie entwickelt. Nur mein bewegter

Gutmann drückt sich wieder vor seiner Verantwortung.

Stefan könnte sich auch mal um die Kinder kümmern. „Mein

Job gibt das nicht her“ sagt er, und alles bleibt wieder an mir

hängen. Und was ist mit meinem Job? Als ob ich nicht genug

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zu tun habe. Das was ich mache ist doch keine kleine

Nebenher-Beschäftigung.

In den letzten vier Jahren habe ich viel erreicht. In

einigen Wochen werde ich sogar gleichberechtigte

Teilhaberin der Firma. Außerdem verdiene ich mehr als

Stefan. Aber dazu sagt er nichts. Von ihm kommt kein Lob,

aber ich weiß, dass ihm mein Erfolg stinkt. Sein Ego ist

angekratzt, und das äußert sich in seinem Verhalten. Für

mich ist es das Verhalten eines Blinden, der seine

Behinderung als subtil wirkende Waffe einsetzt, damit ich

Rücksicht auf ihn nehme. Die wahre Absicht die dahinter

steckt, ist offensichtlich. Er versucht mich an eine kurze

Kette zu legen, und zwar so, dass ich mich füge und nicht

über unsere Situation nachdenke.

Der Blödmann hinter mir blinkt mich an und hupt auch

noch. Ich soll verschwinden - mich ordentlich einordnen und

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warten wie es sich gehört. Sieht der nicht, dass die

Mutterglucken mit ihren Familienkutschen und den

unsäglichen Tims und Lauras und Babykörbchenaufklebern

an den Autofenstern, die Straße blockieren und keine

Parklücke frei ist. Am liebsten würde ich aussteigen und

gegen sein Auto treten, aber es regnet.

Ich bin kribbelig. Ich rutsche auf dem Sitz hin und her.

Ich muss auf die Toilette, aber ich halte durch, weil ich für

ihn durchhalten will. Nur (oder) noch zwei Stunden. Zeit ist

relativ, wenn das Ich mit Familie, Job und der Affäre in

Einklang gebracht werden muss.

Er ist gebildet, er kann sich ausdrücken und er sagt was

er will. Das beeindruckt mich. Stefan ist vollkommen anders.

Stefan vertritt nie eine klare Position, und bevor es zu

Streitigkeiten kommen kann, weicht er aus, oder er schweigt

und zieht sich zurück.

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Wir hatten über Beziehungen und die Empfindungen

innerhalb einer Zeitspanne gesprochen, und ich wollte mit

ihm darüber diskutieren. Mine Sorgen und Ängste haben ihn

nicht interessiert. Er hat nur gelacht und gesagt: „Komm, ich

zeig dir wie Zeit und Empfindungen zueinander stehen.“

Diese unerschütterliche Selbstsicherheit liebe ich an

ihm. Er kennt sich aus und redet er nicht viel. Stefan hätte

jetzt mit einem komplizierten Monolog begonnen, aber er

hat mich in seine Küche geführt. Er hat einen Stuhl

herangezogen und gesagt: „Steig da drauf Fotze.“ Er hat mir

zugesehen, wie ich zuerst meinen engen Rock hochgezogen

und dann auf den Stuhl gestiegen bin.

„Und jetzt setz dich auf die Kochplatte.“

Ich wusste nicht was er von mir wollte, aber ich habe

mich vorsichtig auf die Ceranplatte gesetzt. Dann hat er mir

in die Haare gegriffen und mich festgehalten. Mit der

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anderen Hand hat er einen Schalter bewegt. Auf der

Herdplatte hat er mich langsam und gleichmäßig gefickt. Ich

habe die Hitze nicht gespürt. Aber mein rationaler Verstand

hat mir zugeflüstert: „Du wirst verbrennen.“

Vor Angst habe ich mich mit den Händen abgestützt

und mich wie ein rammelndes Karnickel immer schneller

bewegt, nur damit ich die Herdplatte nicht zu sehr berühre

und schnell wieder da runter komme. Einstein hätte das

nicht bessere erklären können. Jetzt in diesem Moment

habe verstanden, warum das Leben mit Stefan wie ein

grauer, zäher Brei ist. Zeit ist ein relativer Zustand, wenn

man die Umstände in Beziehung zueinander setzt. Zwei

Minuten in der Küche heiß gefickt werden, kamen mir vor

wie zwei Stunden lauwarmer Kuschelmuschelschmusesex.

Dabei war die Herdplatte gar nicht heiß, nur etwas warm

und ich hatte danach nur einen roten Po. Aber das kam nicht

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von der Herdplatte, sondern vom heißen Wasser. Er wollte

noch, dass ich mich ins Abwaschbecken setze, und ich bin

versehentlich an die Mischbatterie gekommen. Am Abend

hat mich Stefan im Bad überrascht. Er hat sich gewundert.

Ohne ihn anzusehen habe ich ihn angelogen: „Das kommt

von den neuen Röhren im Sonnenstudio.“ Stefan glaubt mir

alles, und trotz meiner offensichtlichen Lüge hatte ich nicht

einmal ein schlechtes Gewissen. Die Strafe kam sofort. Ich

musste mir einen endlosen Vortrag über die Schädlichkeit

von künstlicher Bräune und das hohe Krebsrisiko anhören.

Die Striemen und die blauen Flecken an meinen Brüsten hat

er nicht bemerkt. Bei solchen Sachen ist er blind. Er wundert

sich auch nicht, dass ich nicht mehr nackt, sondern nur noch

mit Shirts oder grauslich unerotischen Nachhemden ins Bett

komme.

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Ich sehe in den Rückblickspiegel und muss lächeln. Ich

denke an ihn, und ich darf mein Versprechen nicht brechen.

Seine Prüfungen sind nicht einfach, aber die Regeln sind klar

und ich habe zugestimmt. Mit meinem Verhalten beweise

ich, dass man mir vertrauen kann, und darum halte ich

durch. Wenn ich auf dem Sitz weit vorrutsche, kann er alles

kontrollieren. Jeden Moment kann eine SMS mit einem „B“

wie „Beine auseinander“ kommen. Ich schaue wieder in den

Spiegel. Ich muss zum Friseur. Man sieht die

herausgewachsenen Ansätze.

Die Kinder trödeln wie immer. Der tägliche Bring- und

Abholstress macht mich noch verrückt, und ich kann kaum

noch sitzen.

Draußen ist es kalt - zu kalt für den März. Der Regen

läuft in Schlieren über die Scheiben. Ich bin nervös. Das

„Sch“ „Sch“ der sich hin und her bewegenden

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Scheibenwischer zehrt an meinen Nerven. Es erinnert mich

an die Reibung von Haut an nassem Latex. Wenn Latex-

Strümpfe nur nicht so schwer anzuziehen wären. Dafür

bekommen die keine Laufmaschen - das hat auch Vorteile.

Die Scheiben sind innen beschlagen und mir ist heiß.

Am liebsten würde ich meine Bluse aufknöpfen, aber nicht

hier und schon gar nicht vor der Schule. Hoffentlich kommt

er nicht wieder auf so eine Idee wie am Sonntagmorgen im

Rhein-Ruhr-Zentrum. Die Wachleute vor den

Überwachungskameras hatten bestimmt ihren Spaß.

Ich schließe die Augen und murmelnd summe ich die

Melodie: „…Aber schön war es doch, aber schön war es

doch, und ich möcht' das noch einmal erleben. Dabei weiß

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ich genau, dabei weiß ich genau: So was kann es doch einmal

nur geben. Aber schön war es doch …“1

Meine Gedanken drehen sich nicht mehr um die Dinge

die ich heute noch erledigen muss. Das ständige Müssen

geht mir auf die Nerven. Immer muss ich irgendetwas tun.

Ich bin wie eine Puppe die an Fäden aufgehängt ist.

Fremdbestimmt gehorche ich jedem, der die Fäden in den

Händen hält.

„Love is just like a merry-go-round. With all the fun of

the fair. One day I´m feeling down on the ground. Then I´m

up in the air …”2

Warum Stefan immer noch nichts bemerkt hat, ist mir

rätselhaft? Kann ein Mann so ahnungslos sein? Ich schüttle

den Kopf, als ob ich Selbstgespräche führen würde. Ist das

1 „Aber schön war es doch“ Songtext von Hildegard Knef

2 Aus „Puppet on a String.” Songtext von Sandie Shaw

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nur ein schönes Beispiel von ehelicher Blindheit, oder will er

nichts bemerken, damit unser Konstrukt erhalten bleibt und

das Fundament keine Risse bekommt. Risse in unserer Ehe,

die schon längst vorhanden sind, und nur durch ein

stillschweigendes Arrangement von Funktionieren und

andressierter Ruhe überschminkt werden. Ich muss an ein

Kosmetikinstitut für Ehen denken. Ob es so etwas gibt? Ich

schau meine Hände an. Zu meiner Fingernageltante müsste

ich auch. Vielleicht mal Crash-Lack, oder doch lieber ein

Knallrot auf verlängerten Krallen?

Was beklage ich mich? Der Zustand wie er ist, ist eine

komfortable Form von Arrangement. Liebe verändert sich im

Laufe der Zeit und Ehe ist der Killer jeder Leidenschaft - das

wussten schon die alten Griechen, die das „Griechisch“

erfunden hatten, und bei den Frauen anderer Männer ist er

ein Künstler in dieser Disziplin.

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Dumm fickt gut, heißt es doch. Also fickt intelligent

schlecht. An den alten Sprichwörtern ist etwas dran. Stefan

ist intelligent und mein Traummann - eigentlich immer noch,

und ich möchte mit ihm alt werden. Oder ist es nur ein

Wunschtraum an dem ich mich verzweifelt klammere, und

Stefan hat sich schon zu weit von mir entfernt? Ich lass ihn in

Ruhe. Ich verlange nichts von ihm, und er nichts von mir,

und die ehelichen Pflichten gibt es auch nicht mehr, weil wir

die Erfüllung nicht einfordern, und für Routinetaten zu

lustlos sind.

Noch zwei Stunden. Ich versuche nicht daran zu

denken, aber der Gedanke, dass es da ist, erregt mich. Ich

weiß, wo er das Ding angebracht hat. Er hat es mir gezeigt

und mir nachdrücklich verboten, es zu entfernen. Dumm ist

er nicht, und wenn man nicht zu genau hinsieht, fällt es auch

nicht auf. Das kleine schwarze Gerät ist unterhalb des

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Lenkrads, ganz unten an der Konsole. Es sieht aus, als ob es

dazu gehört. Wer nicht danach sucht, entdeckt es auch

nicht. Nur wenn ich den Wagen in die Werkstatt bringe,

muss ich ihn fragen, ob ich es entfernen darf. Die bei BMW

gucken bestimmt blöd und stellen Fragen, wenn die das

entdecken.

Endlich sehe ich die Kinder und die Türen gehen auf.

„Hi Mum“ ist alles was ich zu hören bekomme. Ich bin

die Mum, die gehorsame Mutterkuh die ihre Pflichten zu

erfüllen hat.

„… mit dir will ich die Pferde stehlen, die uns im Wege

sind. Ich geh mit dir durch dick und dünn …“3 Die Taschen

fliegen auf den Sitz und ich stelle die Musik ab.

Die kleinen Dinger in den Ohren töten jede

Kommunikation. Ich will eine gute Mutter sein und mit

3 Aus „Bonnie and Clyde” – Songtext von den Toten Hosen

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meinen Kindern sprechen, aber mir fällt nur „wie war die

Schule?“ ein.

Ich bekomme keine Antwort. Ich sehe nur

ausdruckslose Augen und Ohren, aus denen weiße Kabel

wachsen. Ich liebe meine Kinder, aber meine Gedanken sind

zu weit weg, als dass mich Antworten oder ein längerer

Bericht über den Schulalltag wirklich interessieren würde.

Ich halte es kaum noch aus. Ich muss aufs Klo, aber ich

muss mich konzentrieren und die Kinder heil nach Hause

bringen. Dann muss ich das Essen zubereiten, und dann,

wenn die Glocken der Kirche zu hören sind, kann ich aufs Klo

- nicht vorher und nur wenn er zustimmt.

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Montag, 14. März 2011

15:07 Uhr

as für eine Erlösung, endlich ist es 15:00 Uhr. Ein

inniges Glücksgefühl durchströmt mich. Unser Signal ist eine

Art Geheimschrift, die ich auswendig lernen musste. Ich

sende ein „S“ und ein Fragezeichen. Nicht mehr. Die

Botschaften zwischen uns müssen verschlüsselt sein. „Zu

deiner Sicherheit“ hat er gesagt und obwohl ich mich wie

eine Agentin in geheimer Mission vorkam, fand ich seine

Anweisung vernünftig. Ich bin verheiratet und für mich steht

viel auf dem Spiel.

Das „S“ bedeutet Schokolade, und mein angefügtes

Fragezeichen ist die Bitte um Erlaubnis auf die Toilette zu

gehen.

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Seine SMS-Antwort kommt quälende sieben Minuten

später. Ich lese ein „J“ was so viel wie Ja bedeutet - kein

liebevolles „ich vermisse dich du geile Fotze“ oder so etwas.

Nur ein kaltes und abweisendes „J“ und sonst nichts.

So als ob es die selbstverständlichste Sache der Welt

für die banalste Verrichtung der Menschen wäre, gehe ich in

unser Bad. Dann stelle ich mein iPhone auf das weiße

Waschbecken an die Mischbatterie und schalte die

Aufnahmefunktion ein. Ich ziehe mich langsam aus -

vollständig - auch meinen BH, so wie es vereinbart ist.

Meinen Rock falte ich sorgfältig zusammen und lege ihn auf

den Stuhl. Dann die lindgrüne Seidenbluse darüber. Ich muss

nachher noch einmal in die Firma und sie darf keine Falten

und keine Flecken bekommen. Einen Slip darf ich nur mit

seinem ausdrücklichen Einverständnis tragen. Ich habe noch

nie gefragt. Er hat noch nie zugestimmt und ich habe keinen

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an. Die Strümpfe lasse ich an, weil ich denke, dass ihm das

gefallen wird.

Es ist mir nicht peinlich, seine Anweisungen

genauestens zu befolgen. Ich bücke mich so, dass mein Po

gut ins Bild kommt. Dann entferne ich den silbernen Plug mit

dem schönen roten Swarovski-Kristall aus meinem Arsch.

Sorgfältig lecke ich den Plug ab, den er mir geschenkt hat.

Ich achte darauf, dass ich nicht direkt in die kleine Kamera

sehe. Mein Gesicht soll so wenig wie möglich auf den

Aufnahmen erscheinen. Den Plug lege ich in das rote

Schminktäschchen in meiner Handtasche. Ich weiß, dass ihm

die Aufnahme gefallen wird. Es macht mich froh, wenn ich

ihm eine Freude bereiten kann. Dann setze ich mich auf das

Toilettenbecken. Nach quälend langer Zeit darf ich mich

endlich erleichtern. Ich säubere mich mit Feuchttüchern.

Streicheln darf ich mich nicht. Das ist mir verboten, aber ich

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mache es trotzdem. Ich nehme die elektrische Zahnbürste

von Stefan. Er wird mich dafür bestrafen, das weiß ich, und

Stefan merkt das nicht.

Das Handy blinkt. Die Aufnahme läuft noch und ein

Zittern wie nach kurzen, heftigen Stromstößen durchläuft

meinen Körper. Ich wasche mich auf dem Bidet. Dann putze

ich meine Zähne und schminke mich sorgfältig. Ich ziehe mit

dem Lippenstift die Lippen nach und ziehe mich wieder an.

Die Kinder machen ihre Hausaufgaben und Stefan ist in

seiner Firma. Niemand hat etwas bemerkt. Das kleine

Filmchen leite ich an ihn weiter.

„Wir sind uns vorher nie begegnet - doch ich hab dich

schon lang vermisst ...“4 Ich frage mich, was er jetzt in

diesem Moment macht.

4 Aus „Bonnie and Clyde” – Songtext von den Toten Hosen

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Montag, 14. März 2011

19:12 Uhr

Ich bin immer noch im Show-Room. Wie oft ich die

neue Kollektion arrangiert habe, weiß ich nicht, weil ich

nicht mitgezählt habe. Sorgfältig achte ich darauf, dass die

schweren Kleiderbügel auf den Chromstangen immer im

Abstand von fünfzehn Zentimeter zueinander hängen. Die

weich fließenden Styles und die perfekt abgestimmten

Farbnuancen der Abendkleider sind eine Sensation, aber es

gibt noch zu viele Details, die ich ändern möchte. Ich bin zu

kritisch und eine Perfektionistin. Für den Erfolg der

Kollektion kommt es auf das Gesamtbild, aber noch mehr die

Details an. Die Orders sind für die Firma wichtig. Ich sehne

mich nach Lob. Nur enthusiastischer Beifall ist die ultimative

Krönung meiner Arbeit.

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Auf die Qualität der Stoffe bin ich besonders stolz, und

die Accessoires sind ein Traum. Es ist das Beste, was ich

jemals kombinieren konnte. Das sage ich mir immer. Es ist

immer das Beste. Ich will immer nur das Beste. Alles andere

kann man in die Tonne drücken. Dennoch hätte ich große

Lust, alles noch einmal neu zu machen, wenn der ständige

Druck von Uli und Franz nicht wäre. Zeit und Kosten sind

meine Feinde. Sie arbeiten gegen mich und zerstören meine

Kreativität.

Die Budgetplanung und die endgültige Kalkulation sind

auch noch nicht fertig, und ich versuche mein schlechtes

Gewissen zu verdrängen. Ich muss wieder bis spät in die

Nacht arbeiten.

Ich öffne eine kleine Flasche Stolzenfels-Sekt. Franz hat

mir gesagt, „der Aldi-Sekt schmeckt wie die wilden 20er in

New-York, und außerdem hat er das Feeling einer einsamen

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Insel hat, wo alle nackt rumlaufen und sich an weißen

Sandstränden unanständig lieben.“ Uli hat gelacht. Ich habe

gelacht und mir nichts dabei gedacht. Erst später habe ich

begriffen, dass er mir damit zu verstehen geben wollte, dass

Champagner für das Personal zu teuer ist. Seit einiger Zeit

gibt es Moet und Pommery nur noch für Kunden.

Ich rufe Stefan an, und er ist sofort am Telefon, als ob

er auf mich gewartet hätte.

„Du, ich muss hier noch so viel erledigen. Mach dir

doch selber etwas zum Essen. Bei mir wird es wieder später.

Ich liebe dich.“

Ein abwesend klingendes „ich liebe dich auch“ kommt

zurück. Ich schüttle den Kopf. Liebe klingt bei Stefan so

routiniert wie eine Höflichkeitsfloskel. Die Worte „Bitte“,

„Danke“, „ich liebe dich“, „hast du Lust“ klingen alle gleich,

wenn die Emotionen verloren gegangen sind. Stefan liebt

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mich, daran habe ich keine Zweifel. Aber wie liebt er mich.

Liebe ist ein dehnbarer Begriff für eine überaus komplizierte

Angelegenheit.

Ich muss an das Beispiel mit dem Schmetterling am

Amazonas denken. Oft ist es Gedankenlosigkeit, wenn ein

unwissender Indio nach einem Schmetterling schlägt, und

das kleine Flattervieh tötet. Durch den toten Schmetterling

können Blumen nicht bestäubt werden, Bäume wachsen

nicht, und eine sich immer schneller aufbauende

Kettenreaktion kommt in Gang. Am Ende stehen

Katastrophen in Europa und das Ende der Zivilisation. So

ähnlich muss es sich mit der Liebe verhalten. Kleine

Unachtsamkeiten kumulieren sich, und am Ende der Kette

wird ein paradiesisches Liebes-Biotop zerstört.

Ich versuche nicht darüber nachzudenken. Stefan und

sein Team arbeiten an einem schwierigen Projekt. Ich bin

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erleichtert, dass er keine Fragen gestellt hat und beschäftigt

ist. Hoffentlich hält seine Sehschwäche noch einige Zeit an.

Ich brauche meine Ruhe.

Franz und Uli haben mir schon vor Monaten eine

Teilhaberschaft an der Firma zugesagt. Zum neuen

Geschäftsjahr am 1. Juli 2011 werde ich gleichberechtigte

Partnerin. Stefan vertraut mir blind. Als ich ihm von der

Chance einer Teilhaberschaft erzählt habe, hat er nur

geantwortet: „Liebling du machst das schon. Wenn du dir

sicher bist, dass du das Richtige tust, dann stehe ich zu dir.“

Obwohl Stefan ohne Diskussionen den Kreditvertrag

mit unterschrieben hat, ist er skeptisch. Er meint: „Bis dahin

kann noch viel passieren, und danach noch viel mehr.“

Mehr hat er nicht gesagt, aber ich weiß, dass das mit

dem Geld gutgehen muss.

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Franz ist der Unberechenbare und Uli ist schwul und

entspricht in seinem Wesen und seinem Aussehen allen

Klischees über Schwule. Uli kenne ich schon sehr lange. Er ist

wie ein guter Freund, dem ich vertraue. Ich schätze ihn als

kreativen Kopf des Unternehmens. Franz ist für die Finanzen

und das operative Geschäft zuständig. Franz ist mit Verena

verheiratet und Verena ist meine beste Freundin. Eigentlich

sind wir das perfekte Team. Dennoch ist etwas in mir, was

mich misstrauisch macht. Zwar sind es noch drei lange

Monate, aber ich werde immer wieder hingehalten. Mal sind

es Terminprobleme, dann hat der Steuerberater die Bilanzen

noch nicht erstellt, die angeblich für meine Beteiligung

wichtig sein sollen. Außer Versprechungen habe ich immer

noch nichts Schriftliches in der Hand. Stefan habe ich davon

nichts gesagt. Er soll sich keine Sorgen machen. Stefan hat in

seinem Job genug um die Ohren.

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Wir haben einen Kredit auf unser Haus aufgenommen

und 350.000 Euro zu sehr günstigen Konditionen erhalten,

die ich bereits vollständig in die Firma eingebracht habe.

Damit konnte die neue Kollektion finanziert werden, die

sonst das Budget vollkommen gesprengt hätte.

Aber wir sind zuversichtlich. Nächste Woche soll ein

Fotoshooting in Marbella stattfinden. Ich werde hinfliegen

müssen. Uli, Franz und Verena sind schon dort, um die

Locations zu checken und ich bin für die Präsentation der

Kollektion verantwortlich.

Die Vororders sind besser als erwartet, und sogar die

Einkäufer der Handelsketten waren von der Kollektion

begeistert. Nur die großen Aufträge auf die es ankommt,

sind noch nicht da. Ich müsste mich inzwischen daran

gewöhnt haben, es ist immer das gleiche Spiel von

Zuversicht und Hoffnung.

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Ich schalte meinen Laptop ein und Windows baut sich

auf. Das Fenster zu den unendlichen Weiten des Internets

öffnet sich.

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Montag, 14. März 2011

20:16 Uhr

ahlen und Statistiken sind mir ein Gräuel. Ich hasse

alles was auch nur im Entferntesten wie

„Tabellenkalkulation“ klingt. Der Name „Excel“ inspiriert

mich, und ich muss an eine Zelle mit Gitterstäben und

Ketten denken. Die Bezeichnung „PowerPoint“ erscheint mir

wie eine Metapher, hinter der sich mehr als nur Erfolg und

Macht verbirgt. Mein PowerPoint ist meine unendliche

Phantasie und meine Kreativität.

Die Zahlen auf dem Bildschirm verschwimmen vor

meinen Augen. Wenn ich eine Zahl verändere, bewegen sich

die Säulen. Aber was hat das für einen Sinn? Worst-Case,

Best-Case sind hohle Phrasen. Nur die Realität - das Ist im

Jetzt zählt. Die pulsierenden Säulendiagramme erinnern

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mich an steil aufstehende Schwänze - in einer Reihe zum

Gebrauch aufgestellt - die kleinsten zum Schluss. Wenn die

Orders nicht reinkommen, wird alles auf einen blutroten

Fleck geschrumpft - eine große Blutlache, die nach einer

verlorenen Schlacht zurück bleibt. Eigentlich müssten die

Kleinsten zuerst drankommen. Als Horsd'œuvre, schön

lecker zum dran lutschen serviert, bis sie stramm stehen.

Später kommen die prallen Hengstschwänze als Belohnung

für die harte Arbeit.

Der schöne Roman „Black Emanuelle“ fällt mir ein. Das

Buch kenne ich fast auswendig, so oft habe ich es gelesen.

Die Szene, wo eine Frau (die Frau des Gastgebers?) vor

geladenen Gästen ein Pferd bis zum Höhepunkt masturbiert,

ist in mein Gehirn eingebrannt. Diese Stelle habe ich

zwanzigmal und mehr gelesen. Ich schließe die Augen und

stelle ich mir das vor Lust wiehernde Pferd vor, das sich über

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der Frau entleert, und den Applaus, den die Hausherrin

dafür bekommen hat. Frauen im antiken Rom waren von

den Männern abhängig. Aber als Hausherrinnen besaßen die

römischen Frauen die wahre Macht. Er macht nur das, was

ich mir in meinen gut verborgenen Phantasien schon immer

vorhanden war. Ist er nur ein Erfüllungsgehilfe und ein

dienstbarer Geist? Darüber darf ich nicht mit ihm reden.

Ich muss wieder an ihn denken. Mit Geld kann man

alles erreichen. Seine luxuriöse Wohnung ist etwas

Besonderes. Auch seine Terrasse hoch über den Dächern

von Essen ist ein Traum, aber ein Pferd da hin zu bekommen,

dürfte auch ihn vor ein Problem stellen. Mit mir hatte er es

nicht schwer, mich in den siebten Stock seiner Penthouse-

Wohnung zu führen. Als ich ihm in die Augen gesehen hatte,

wollte ich es. Aber mit einem Pferd ist das anders. Passt ein

Pferd in einen Aufzug? Wie viel wiegt ein Pferd und ist die

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zulässige Nutzlast des Aufzugs erreicht? Wie verhält sich ein

verschreckter Hengst auf einer Frau die will? Hat so ein Tier

auch Erektionsprobleme?

Im alten Rom in den Stadien waren solche Aktionen

unkomplizierter. Damit sich das Volk daran erfreuen konnte,

wurden erbeutete Frauen und ungehorsame Sklavinnen

festgebunden, damit die von Hengsten und Stieren

bestiegen werden konnten. Die alten Römer hatten Platz im

Überfluss, und auch an Pferden und Stieren hat es nicht

gemangelt. Moralische Bedenken gab es auch nicht. Die

Götter machten es ja vor. Die trieben es bunt

durcheinander, und sie konnten sich ganz nach Belieben in

Stiere und Hengste verwandeln.

Er macht zwar öfter Andeutungen und sagt: „… eine

ungedeckte Stute ist für mich keine vollwertige Frau …“ und

„… ein Freund besitzt einen Bauernhof in der Nähe von

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Herne. Da fahren wir demnächst mal hin …“, aber ich weiß

nicht, ob das nur seine Phantasien sind, oder ob er das

wirklich vorhat.

Ich muss mich endlich um das Budget kümmern, und

ich bin allein im Büro. Stefan schläft bestimmt schon, und

wie ich ihn kenne, hat er die Kinder ins Bett gebracht. Um

meine Familie muss ich mir keine Sorgen machen. Die Zahlen

beunruhigen mich, und seit heute Nachmittag habe ich

nichts von ihm gehört. Auch das kleine Filmchen hat er nicht

kommentiert. Ich sehne mich nach seiner Aufmerksam und

seinem Lob. Meine Gedanken drehen sich nur um ihn.

„Die Frau soll den Webstuhl betätigen und sich im Bett

fleißig bewegen.“ So steht es in der Ilias. Sinnbildlich

betätige ich den Webstuhl, ich schaffe Geld ran und ich will

mich im Bett fleißig bewegen, aber nur mit ihm und so wie

er es will, weil ich es will.

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In mir ist eine nicht endend wollende Unruhe und ich

rauche zu viel. Uli mag die Qualmerei nicht und Franz hasst

es auch, wenn ich im Showroom rauche. Mode ist ein

sinnliches Erlebnis, das alle Empfindungen ansprechen kann

- wenn man es richtig macht. Ich habe Frauen erlebt, die

einen Orgasmus hatten, nur weil sie einen besonderen Stoff

oder einen Pelz auf der Haut gespürt hatten. Nylon besitzt so

eine erregende Eigenschaft, oder das hauchdünne Latex. Der

Geruch von Zigaretten tötet die Empfindungen.

Ich kann mich nicht auf die Etatplanung konzentrieren.

Ich bin eine kreative und sensible Frau, und kein

Zahlenmensch. Für so widernatürliche Pflichten wie

Etatplanungen gibt es Buchhalter.

Warum ist er mir so vertraut, und warum weiß ich so

wenig von ihm? Ich weiß wo und wie er lebt, aber ich kenne

seinen Beruf nicht. Er hat mal etwas gesagt, dass er in der

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Politik wäre, aber ob das stimmt? Ist er verheiratet? Hat er

Kinder? Ich weiß nur, dass er gebildet ist, und sich

ausdrücken kann.

Wir hatten vereinbart, dass ich ihm eine SMS sende,

wenn ich frei bin. Der Code - unser Code für Freiheit ist ein

„F“ und sonst nichts. Nur ein „F“ und keine persönlichen

Dinge oder Liebeserklärungen und solche Sachen. Nur ein

„F“ wie fickbar. Ich bin fickbar und ich bin für ihn fickbereit.

Ich bin sein Fickstück. Ich liebe ihn, weil er meine

geheimsten Gedanken errät, bevor ich sie gedacht habe. Ich

tippe ein „F“ in mein iPhone und sende die SMS.

Seit ich ihn kenne, denke ich immer, dass man mir die

Geilheit ansehen und auch riechen müsste. Ich darf keine

Slips tragen. Nicht nur die schwarzen, auch hautfarbene

Strümpfe sind mir erlaubt. Satin-Sheers mag er gern. „Die

sehen so nass aus“ hat er mir mal gesagt. Strumpfhosen mag

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er auch, aber keine Slips. Stefan fällt das nicht auf. Der kennt

nicht mal den Unterschied. Ihm ist auch nicht aufgefallen,

dass ich mir jeden Tag alle Haare unter den Armen, an den

Beinen und in der Intimzone entferne.

Im Internet ist alles möglich, aber unverbindlich. Ich

mag es mich zu zeigen, aber nur so, dass mich niemand

erkennt. Im Internet gibt es nur anonyme Körper die

angeklickt und angestarrt werden. Fette, dünne, haarige,

faltige Körper die schwitzen und sich befingern. Manchmal

auch schöne Bodys und immer wieder Schwänze, Ärsche,

Titten, Fotzen und sogar für ausgefallene Geschmäcker

etwas. Spannend wird es erst wenn eine reale Beziehung

daraus wird.

Nervös ziehe ich an einer Zigarette und drücke sie

gleich wieder aus. Dann versuche ich mit den Händen den

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Rauch zu verwedeln. Ich weiß, dass es sinnlos ist. Alles wird

sinnlos, wenn die Sucht von dir Besitz ergriffen hat.

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Montag, 14. März 2011

20:34 Uhr

ein Handy vibriert. Ich habe eine SMS bekommen.

Ich sehe das „Z“ und weiß, dass ich mich zeigen muss. Das ist

kein wirkliches „Müssen.“ Ich will mich ja zeigen, weil tief in

mir etwas Exhibitionistisches verborgen ist. Schon in der

Schule und auf dem Gymnasium mochte ich es, wenn die

Jungs alles dransetzten, um ein kleines Stückchen gut

verborgende Haut von mir zu sehen, die ich doch so gern

zeigen wollte.

Ich schalte meine Webcam ein, und auf meinem

Bildschirm öffnen sich die kleinen Kästchen. Fünf, zehn,

zwanzig, ich zähle nicht mehr. Männer die mit mir chatten

wollen, die sich aufgeilen und auf mich spritzen wollen.

„Bist du geil?“

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„Was hast du an?“

„Woher kommst du?“

„Zeigst du auch mehr?“

Das sind die Fragen die am Anfang jedes Chats stehen.

Dann werden Schwänze gerubbelt und es wird gespritzt.

Wenn das alles bei mir ankommen würde, wäre es ein

Sperma-Tsunami.

Ich knöpfe meine Bluse auf und ziehe meinen BH unter

meine Brüste. Ich bin zweifache Mutter und fünfunddreißig

Jahre alt. Meine Brüste hängen etwas, aber ich finde, dass

sie immer noch schön aussehen. Meine Brüste quellen über

meinen heruntergezogenen BH. Den Anblick mag er, aber

noch mehr mag er es, wenn er meine Brüste abbinden kann.

Darin ist er ein Künstler. Er verwendet Seile aus dem

Baumarkt, oder farbige Kabelbinder, das sind die

Plastikbänder, die sich nicht mehr öffnen lassen, und die

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man nur noch aufschneiden kann. Wenn er mehrere um

meine Brüste bindet, verformen die sich wie Schläuche und

schwellen an. Manchmal nimmt er auch meine Strümpfe.

Früher mochte ich das Abbinden nicht, aber inzwischen

liebe ich es. Meine Brüste werden dadurch sehr empfindlich

und schon eine Berührung reicht aus, und ein Zittern

durchläuft meinen Körper. Ich nehme die kleine, grüne

Sektflasche und streichle mich damit. Sie hat genau die

Größe die ich liebe. Das Glas fühlt sich kalt an. Am

Flaschenhals ist das Metall des Schraubverschlusses, aber

der schmale Flaschenhals interessiert mich nicht. Ich will das

andere Ende.

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Dienstag, 15. März 2011

0:38 Uhr

ch bin müde und fühle mich wie zerschlagen. Die

Augen fallen mir zu, und ich versuche mich mit einer

rosaroten Tablette wach zu halten. Die Kinder schlafen tief

und fest. Auch Stefan atmet ruhig und ich spüre, wie mich

die Nervosität verlässt. Die Schuhe habe ich ausgezogen und

leise gehe ich durchs Haus. Ich öffne eine Büchse Prosecco

und fülle das Glas. In meinem Kopf ist ein wirres Knäuel von

Gedanken und Phantasien. Die kleine rosarote Pille fängt an

zu wirken. „… and goes running for the shelter of a mothers

little helper. And two help her on her way, get her through

her busy day …”5 Die kleine Pille ist mein little Helper für

Notfälle. Jetzt ist ein Notfall.

5 The Rolling Stones - Mother's little helper

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Ich gehe ins Bad. Ich bin vollkommen verschwitzt und

sollte duschen, aber davon könnte Stefan wach werden. Mit

einem nassen Handtuch wische ich mich unter den Achseln

ab und dann sorgfältig zwischen den Beinen. Dann nehme

ich aus dem Wäschefach einen einfachen, weißen Slip und

ziehe ihn an. Darüber streife ich ein langes, verwaschenes

graues Shirt mit einem aufgedruckten, roten Mund, der

provozierend seine Zunge herausstreckt.

Ich bin seine Hure. Mit mir darf er alles machen. Er darf

mich anderen Männern anbieten. Ich werde wildfremde,

nach Schweiß stinkende Männer lecken, die mich im

Hausflur nehmen, aber mit Stefan will ich keinen Sex. Stefan

ist mein Mann und ich liebe ihn. Es kommt mir wie Betrug

vor, wenn ich mir vorstelle, dass er aufwachen könnte und

mich anfasst. Wenn er in mich eindringt und den Schleim

von fremden Kerlen spürt. Mich womöglich küssen will - dort

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wo Minuten vorher andere Schwänze waren. Ich ekele mich

vor seinen Berührungen. Er ist mein Mann und ich liebe ihn.

Was ist mit mir los?

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Dienstag, 15. März 2011

8:17 Uhr

ir haben zusammen gefrühstückt, und Stefan hat

mich wie immer liebevoll umsorgt. Frische Brötchen stehen

auf dem Tisch, und Stefan hat sogar einen leckeren

Smoothie aus Bananen, Apfel, Birne und Kiwi gemacht,

„damit mein Schatz Vitamine bekommt …“ wie er sagt.

Meine Familie geht mir über alles, und das

gemeinsame Frühstück ist ein Ritual, das wir uns nicht

nehmen lassen. Stefan macht einen gedankenverlorenen

Eindruck. Ohne Diskussion hat er die Kinder in die Schule

gefahren.

Ich werde heute etwas später in die Firma fahren. Das

tägliche Ritual wird mir immer lästiger. Soll es immer so

weitergehen? Alles ist vorhersehbar, nichts bleibt dem Zufall

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überlassen. Zuerst werde ich meine Emails checken, Sandra

wird versuchen, mit mir den Terminplan durchsprechen und

mir dann die Post vorlegen. Briefe öffnen ist für mich eine

lästige Angelegenheit. Eigentlich gehört das zu Ulis

Aufgaben, aber Uli ist nicht da. Ich weiß, dass wieder

Mahnungen dabei sind, obwohl mir Uli versprochen hatte,

dass ich mir keine Sorgen machen muss.

Ich gehe ins Bad und stelle mich unter die Dusche. Das

heiße Wasser tut mir gut. Ich schließe die Augen und spüre

die Erregung, die in mir aufsteigt. Mein Körper ist wie ein

empfindliches Instrument. Sensibel reagiert mein Body auf

die sanftesten Berührungen.

Sorgfältig entferne ich mit einem Rasierer die Haare

unter meinen Armen, an den Beinen und zwischen meinen

Beinen. Dann setze ich mich auf den Rand der Duschwanne

und nehme die Handdusche. Der Duschkopf ist nicht

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festgeschraubt und lässt sich leicht abdrehen. Stefan wollte

schon einen Handwerker holen, weil er sich wundert, warum

der Duschkopf immer wieder lose ist. Stefan ist wie ein

großer Junge. Er ist phantasielos und so arglos. Ich muss

lächeln und schließe die Augen. Der Strahl aus dem

Wasserschlauch massiert meinen Körper. Dann richte ich

den Strahl auf mein Perlchen und ein Zittern durchläuft

mich. Die Wassermassage ist schön, aber anstrengend. Ich

brauche einige Minuten bis ich wieder zu mir komme. Ich

trockne mich ab und nehme einen hellblauen Upper aus der

der kleinen silbernen Pillendose. Mit meinen Händen fange

ich Wasser aus dem Wasserhahn auf und spüle nach. Die

Wirkung der kleinen Pille setzt sofort ein.

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Dienstag, 15. März 2011

11:23 Uhr

ch sehe auf meine Uhr am Handgelenk. Um 12:30 Uhr

bin ich mit ihm im „Extrablatt“ verabredet. So Vieles ist noch

unerledigt, und ich habe ein schlechtes Gewissen, weil

meine Gedanken immer wieder abschweifen und ich so

nachlässig geworden bin. Der Großauftrag ist auch noch

nicht eingegangen. Alles muss ich allein entscheiden. Ich

muss die Produktionsaufträge vergeben, obwohl ich nicht

weiß, ob das gut gehen wird. Aber ich bin von meiner

Kollektion überzeugt. Die werden das kaufen. Die müssen

kaufen, sonst bin ich erledigt.

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Dienstag, 15. März 2011

11:23 Uhr

s ist schon 11:23 Uhr und ich muss mich beeilen. Ich

will pünktlich sein. Bei Verspätungen versteht er keinen

Spaß. Ich habe keine Zeit mehr, mich frischzumachen. Den

PC schalte ich nicht aus. Für Sandra soll es aussehen, also ob

ich nur kurz weg wäre. Spätestens um 14:00 Uhr bin ich

wieder zurück - das nehme ich mir fest vor.

In der Tiefgarage finde ich einen Parkplatz. Bis zum

Extrablatt sind es nur ein paar Schritte. Ich sehe ihn sofort.

Er winkt mir zu, und ich dränge mich durch die vielen

Menschen in den hinteren Teil des Bistros. Er lächelt mich

an, und ich spüre, wie mir warm wird. Ich werde rot, und

senke etwas den Blick. Wenn er mich ansieht, ist es mir, als

ob er in mich hinein sehen könnte.

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Er sieht gut aus. Er ist älter als Stefan. Er hat mir sein

Alter nicht gesagt, aber ich schätze ihn auf 45 oder

höchstens 50 Jahre. Er hat stahlblaue Augen,

millimeterkurze Haare und einen trainierten, festen Körper.

Jetzt erst sehe ich, dass er nicht allein ist. Er begrüßt

mich: „Schön, dass du da bist“, und nickt kurz.

Ich antworte: „Ich freue mich auch“ und lächle. Ich

bekomme kein Zeichen, dass ich mich setzen soll. Er steht

auch nicht auf, um mir aus dem Mantel zu helfen. Angeregt

unterhält er sich mit dem Fremden am Tisch. So wurde ich

noch nie brüskiert. Nicht das Liebevolle und

Aufmerksamkeiten reizen mich. Es ist das Abweisende, was

mich anzieht. Auf dem Tisch liegt ein iPad.

Obwohl mir in dem überfüllten Bistro warm ist, ziehe

ich meinen Ledermantel nicht aus. Ich setze mich an den

kleinen Tisch dazu. Er lächelt mich an, und sagt: „Das ist

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Berthold, ein alter Freund. Wir haben uns zufällig getroffen.“

Dann wendet er sich seinem Freund zu und deutet er auf

mich: „Das ist Amelie, von der ich dir schon erzählt habe.“

Berthold lächelt mich an. „Es freut mich Sie

kennenzulernen.“

Er sagt zu Berthold: „Sei doch nicht so förmlich. Du

kannst sie duzen.“

Berthold antwortet: „Hallo Amelie.“

Ich antworte: „Wie geht es Ihnen?“

Er sagt zu mir: „Du hast doch nichts dagegen, dass

Berthold uns Gesellschaft leistet?“

„Aber nein. Natürlich nicht“ antworte ich, obwohl es

gelogen ist. Mir wäre es tausendmal lieber, wenn ich mit ihm

allein wäre.

Eine pummelige Kellnerin hat sich neben uns gestellt

und wartet auf meine Bestellung. Ich bestelle einen kleinen

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Salat und ein Mineralwasser. Dann streichle ich seinen Arm

mit den Fingerspitzen. Das sieht aus, als ob eine läufige

Katze über seinen Arm streichelt. Er nimmt eine Zigarette

aus der blauen Schachtel die vor ihm liegt und zündet die

Zigarette an. Dann nimmt er die Zigarette und ich öffne den

Mund. Er steckt mir die Zigarette in den Mund, und jetzt erst

darf ich daran ziehen. Das ist Teil unserer Vereinbarung. In

seiner Gegenwart werden mir die Zigaretten von ihm

zugeteilt.

Vor mir wird eine kleine Mineralwasserflasche und ein

Glas abgestellt. Das junge Mädchen ist eine Aushilfskraft und

man sieht an ihrem Gesichtsausdruck, dass es ihr gleichgültig

ist, wem und was sie serviert. Ich sehe in ihren Augen keine

Freude, nur dressiertes Tun, mit einer für ihren Job

notwendigen Freundlichkeit.

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Ich trinke einen Schluck aus dem Glas. Er unterhält sich

mit Berthold über Dinge die nicht verstehe. Trotzdem höre

ich interessiert zu, aber ich sage nichts. Ich darf nur

sprechen, wenn er es mir erlaubt. Plötzlich spüre ich seine

Hand auf meinem Oberschenkel. Ich öffne sofort meine

Beine und seine Hand geht fest und fordernd höher. Er fragt

nicht, er wirbt nicht um mich, er nimmt sich das was er von

seinem Eigentum möchte. Seine Finger dringen in mich ein

und ich spüre, dass ich nass bin. Ich halte den Atem an und

sehe mich unauffällig um. Niemand scheint Notiz von uns zu

nehmen. Auch Berthold scheint nichts zu bemerken. Seine

Finger bewegen sind langsam hin und her, und ich kann mich

kaum noch halten. Ich versuche langsam zu atmen. Plötzlich

zieht er seine Finger aus mir und hält mir seine Hand hin. Ich

küsse seine Finger und sehe, dass Berthold lächelt. Hat er

etwas bemerkt?

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Vor mir wird ein Teller mit Salat abgestellt. Ich habe

keinen Hunger, aber ich will nach der Gabel greifen, da fasst

er mein linkes Handgelenk mit einem festen Griff. Er schiebt

meine Hand unter den Tisch. Mit seiner anderen Hand öffnet

er seine Jeans. Er trägt nie Unterhosen und ich habe seinen

harten Schwanz in der Hand. Ich beuge mich vor, damit mein

Mantel alles verdeckt. Mir kommt es vor, als ob alle Gäste zu

uns hersehen würden, aber niemand scheint auf uns zu

achten, nur Berthold grinst. Ich reibe den harten Schwanz

und tu so unbeteiligt wie möglich. Plötzlich sagt er zu mir:

„Du bist heute sehr unaufmerksam.“

Ich zucke zusammen und stottere: „Sie sind

unzufrieden? Habe ich etwas falsch gemacht?“

Er antwortet: „Bertold ist ein guter Freund und du

willst doch nicht unhöflich sein?“

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Ich weiß nicht was ich sagen soll. Dann antworte ich:

„Nein, natürlich nicht.“

„Na also.“

Ich sehe in fragend an. Gleichzeitig massiere ich zärtlich

seinen Schwanz, der in meiner Hand pulsiert. Da sagt er zu

mir: „Du hast noch eine Hand frei.“

Ich verstehe nicht was er meint, da nimmt Berthold

mit einem festen Griff mein rechtes Handgelenk und zieht es

unter den Tisch. Meine Hand liegt auf seinem Oberschenkel.

In der linken Hand habe ich einen Schwanz, und meine

rechte Hand liegt auf dem Bein eines Fremden, den ich bis

vor wenigen Minuten noch nie gesehen habe. Ich wage

kaum zu atmen. Berthold öffnet seine Jeans und führt meine

Hand. Ich habe zwei Schwänze in den Händen und könnte

vor Scham im Boden versinken.

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Dienstag, 15. März 2011

14:07 Uhr

as wir zum Leben brauchen, werden wir uns schon

irgendwie holen. Wir rauben ein paar Banken aus oder einen

Geldtransport …“6

Vielleicht liegt in der Musik die Lösung. Während ich in

der Mittagspause war, ist ein Gerichtsvollzieher aufgetaucht.

Es war nur eine unbedeutende Summe von

viertausendzweihundert Euro. Franz hat vergessen, einen

Stofflieferanten zu bezahlen, und der ist durchgedreht und

einen Titel beim Gericht erwirkt. Der Gerichtsvollzieher hat

auf mich gewartet, und ich gebe ihm tausend Euro mit dem

Versprechen, dass ich ihm den Rest bis Anfang der

kommenden Woche überweise. Franz kann ich mit dem

6 Aus „Bonnie and Clyde” – Songtext von den Toten Hosen

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Handy erreichen, aber der gibt sich vollkommen

unbeeindruckt. „So etwas gehört zum Unternehmerleben

dazu. Da musst du durch“ sagt er mir gesagt. Seine Stimme

klingt unbekümmert. „Die Aufnahmen werden gut. Die

Models sind der Hammer. Deine Kollektion kommt

garantiert super an. Das wird ein Riesen-Knüller …“ Das sind

seine Worte und langsam beruhige ich mich. Ich tröste mich

mit dem Anblick der leuchtenden Farben und der edlen

Stoffe, die sich wie ein perfekt auf Wirkung abgestimmter

Regenbogen im Show-Room präsentieren. Ich habe das

Kunstwerk geschaffen. Ich habe das arrangiert. Ich allein und

sonst niemand. Jetzt muss es nur noch verkauft werden.

Alles muss irgendwie präsentiert und verkauft werden.

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Nachtrag

Dieser Text stammt aus meinen Tagebüchern, die ich von Anfang

2011 bis heute geschrieben habe. Ich habe versucht, die Ereignisse so

darzustellen, wie sie in meinen Erinnerungen sind.

Ich weiß, dass ich mir mit der Veröffentlichung meines Tagebuchs

viele Feinde machen werde. Manche könnten auch vermuten, dass ich

hochgestellte, real existierende Personen beschrieben habe. Das ist falsch.

Alle Personen, Orte und die Begebenheiten sind frei erfunden. Anmerken

möchte ich, dass ich diesen Satz schreiben muss, um mich vor

unberechtigten Forderungen und Gewalt gegen meine Person zu schützen.

Und auch du Alex (oder wie du dich auch immer nennen magst) irrst

dich. Dich versuche ich zu vergessen. Du kommst in meinem Tagebuch

nicht vor.

Danken möchte ich meinem besten Freund Raoul, der mir in einer

tiefen Lebenskrise geholfen, und mit viel Überredungskunst den Mut

gegeben hat, mein Tagebuch in eine lesbare Form zu bringen und zu

veröffentlichen.