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„MeineReha“ - Systemkonzept und Prototyp für die mobile und alltagsintegrierte Schlaganfallrehabilitation MyRehab – System architecture and prototype for mobile stroke rehabilitation in everyday life MICHAEL JOHN a 1, STEFAN KLOSE a , ANETT BÖLKE a , JANKA SIEWERT a , KRISTIAN LANGE a, ANJA BÖHM, KARLA SPYRA b a Fraunhofer Institut für Rechnerarchitektur und Softwaretechnik (FIRST), Kekuléstr. 7, 12489 Berlin b Charité - Lehrstuhl für Versorgungssystemforschung und Grundlagen der Qualitätssicherung in der Rehabilitation, Luisenstr. 13A,10117 Berlin Zusammenfassung. In diesem Beitrag stellen wir ein Systemkonzept sowie einen Prototypen für die mobile und alltagsintegrierte Schlaganfallrehabilitation vor. In Kapitel 1 führen wir in den medizinischen Hintergrund ein. In Kapitel 2 werden überblicksartig verschiedene Assessmentmethoden für die physiotherapeutische Armrehabilitation dargestellt werden. In Kapitel 3 wird beschrieben, welche technisch assistierten und telemedizinisch vernetzen Systeme für die Schlaganfallnachsorge im häuslichen Umfeld bereits in der Praxis erprobt bzw. derzeit entwickelt werden. In Kapitel 4 wird beschrieben, wie ein körpernahes Sensorsystem in den telemedizinisch assistierten Therapieablauf integriert werden kann. In Kapitel 5 wird Systemarchitektur für die mobile und alltagsintegrierte Schlaganfallrehabilitation vorgestellt sowie die Bewegungsanalyse und das Feedback an den Nutzer. Abschließend wird das gewählte Konzept bewertet und ein Ausblick auf weitere Entwicklungsaktivitäten gegeben. Abstract. In this paper we introduce a system architecture and a prototype for mobile stroke rehabilitation. In chapter 1 we introduce the medical background. In chapter 2 we describe the different assessment methods for arm rehabilitation. In chapter 3 we give an overview over current technical assisted and telemedical networked systems for stroke rehabilitation in home environments. In chapter 4 we describe how a body near sensor system can be introduced into the therapeutical process of arm rehabilitation. In chapter 5 we point out the system architecture for a mobile stroke rehabilitation system that can be integrated into the daily living of stroke patients. This chapter also contains the ongoing work in the area of motion 1 Corresponding Author.

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„MeineReha“ - Systemkonzept und Prototyp für die mobile und

alltagsintegrierte Schlaganfallrehabilitation

MyRehab – System architecture and prototype for mobile stroke rehabilitation

in everyday life

MICHAEL JOHNa1, STEFAN KLOSEa, ANETT BÖLKEa, JANKA SIEWERTa, KRISTIAN LANGEa, ANJA BÖHM, KARLA SPYRAb

a Fraunhofer Institut für Rechnerarchitektur und Softwaretechnik (FIRST), Kekuléstr. 7,

12489 Berlin b

Charité - Lehrstuhl für Versorgungssystemforschung und Grundlagen der Qualitätssicherung in der Rehabilitation, Luisenstr. 13A,10117 Berlin

Zusammenfassung. In diesem Beitrag stellen wir ein Systemkonzept sowie einen Prototypen für die mobile und alltagsintegrierte Schlaganfallrehabilitation vor. In Kapitel 1 führen wir in den medizinischen Hintergrund ein. In Kapitel 2 werden überblicksartig verschiedene Assessmentmethoden für die physiotherapeutische Armrehabilitation dargestellt werden. In Kapitel 3 wird beschrieben, welche technisch assistierten und telemedizinisch vernetzen Systeme für die Schlaganfallnachsorge im häuslichen Umfeld bereits in der Praxis erprobt bzw. derzeit entwickelt werden. In Kapitel 4 wird beschrieben, wie ein körpernahes Sensorsystem in den telemedizinisch assistierten Therapieablauf integriert werden kann. In Kapitel 5 wird Systemarchitektur für die mobile und alltagsintegrierte Schlaganfallrehabilitation vorgestellt sowie die Bewegungsanalyse und das Feedback an den Nutzer. Abschließend wird das gewählte Konzept bewertet und ein Ausblick auf weitere Entwicklungsaktivitäten gegeben.

Abstract. In this paper we introduce a system architecture and a prototype for mobile stroke rehabilitation. In chapter 1 we introduce the medical background. In chapter 2 we describe the different assessment methods for arm rehabilitation. In chapter 3 we give an overview over current technical assisted and telemedical networked systems for stroke rehabilitation in home environments. In chapter 4 we describe how a body near sensor system can be introduced into the therapeutical process of arm rehabilitation. In chapter 5 we point out the system architecture for a mobile stroke rehabilitation system that can be integrated into the daily living of stroke patients. This chapter also contains the ongoing work in the area of motion

1 Corresponding Author.

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analysis and user feedback. At the end we discuss the concept and show further steps for embedding the system into the everyday life of stroke patients.

Keywords. Mobile sensor system, stroke rehabilitation, Motion tracking, user feedback.

1. Medizinischer Hintergrund

Etwa 200.000 Menschen erleiden jährlich in Deutschland erstmals einen Schlaganfall [1]. Demographisch bedingt wird ein Anstieg der Inzidenz erwartet [2]. Infolge eines Schlaganfalls können sensomotorische, kognitive, emotionale und soziale Beeinträchtigungen auftreten, die oftmals langwierige Rehabilitations- und Nachsorgemaßnahmen erfordern [3]. Die Erfolge der stationären Rehabilitation sind vielfach belegt [4][5]. Defizite gibt es allerdings in der nachhaltigen Sicherung des Erreichten [6]. So ist bislang die poststationäre, teils längerfristig notwendige, ambulante Nachbetreuung oft unzureichend. Ein Grund ist das Fehlen ambulanter, vor allem neuropsychologischer und sprachtherapeutischer Versorgungsangebote außerhalb der städtischen Ballungszentren [7]. Die erforderlichen hochfrequenten Therapien können in der Regel selbst in Ballungsgebieten nicht ausreichend angeboten werden. Erschwerend wirkt die mangelnde Motivation der Betroffenen für eine längerfristige aktive Compliance. Um diese Lücken zu schließen, bietet sich ein telematisches Computer-gestütztes Eigentraining des Patienten an [7].

Vor diesem Hintergrund entwickelt das Fraunhofer FIRST in dem Projekt MyRehab ein mobiles telemedizinisch assistiertes System zur alltagsintegrierten Schlaganfalltherapie, das Schlaganfallpatienten ermöglicht, sensomotorische Trainings gezielt defizit-bezogen und in den Alltag des Patienten integriert durchzuführen [8]. Das Ziel des hier vorgestellten Lösungsansatzes ist es, Alltagshandlungen von Schlaganfallbetroffenen unter therapeutischen bzw. diagnostischen Gesichtspunkten zu erfassen und, wenn nötig, interventionelle Therapiemaßnahmen anzubieten, die in den Alltag integriert sind. Dafür ist es notwendig, dass die Armaktivitäten alltagsbegleitend gemessen werden, um daraus die medizinisch-therapeutischen Handlungsanweisungen abzuleiten und den Betroffenen bei den therapeutischen Maßnahmen anzuleiten.

Der Einsatz ist sowohl im klinischen Umfeld als auch in der häuslichen Umgebung möglich und erlaubt damit eine kontinuierliche Aktivierung des Patienten, auch nach Abschluss der stationären Rehabilitation. Die mobile Variante von „MeineReha“ ermöglicht das mobile Ausführen von Rehabilitationsübungen zuhause, unterwegs, zum Beispiel im Freien oder sogar am Arbeitsplatz. Im Weiteren beschränken wir uns beispielhaft auf die Erfassung und Therapie der oberen Extremitäten, insbesondere der Arme.

2. Verwendete Assessmentmethoden für die Erfassung der Armaktivitäten von Schlaganfallbetroffenen

Für die Erfassung der Bewegungseinschränkung orientiert sich die Physiotherapie am physiologischen Bewegungsausmaß des Schulter-, Ellenbogen- und Handgelenkes. So beträgt bspw. das physiologische Bewegungsausmaß des Ellenbogengelenkes 10° Extension und 150° Flexion. Das Bewegungsausmaß wird mit der Neutral-Null-

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Methode, einem standardisierten orthopädischen Bewertungs- und Dokumentationsindex für die Beweglichkeit von Gelenken beschrieben [9].

Bei der physiotherapeutischen Befundaufnahme werden das Bewegungsausmaß und die Kraft im Seitenvergleich gemessen. Activities of daily living (ADL) werden im Rahmen der Therapie geprüft. Diese beurteilen die Selbstständigkeit in der Selbstpflege und im Haushalt und geben wichtige Ansatzpunkte für die Zielsetzung der Physio- und Ergotherapie [10]. Folgende Assessments werden u.a. für die Messung der Armaktivitäten im klinischen Umfeld eingesetzt [1]:

Bei dem Rivermead Motor Test handelt es sich um einen motorischen Test, der im Rehabilitationsverlauf nach Schlaganfall eingesetzt wird. Er wird zur Verlaufsbeschreibung der Funktionserholung in der Rehabilitation der betroffenen Körperpartien nach Schlaganfall eingesetzt. Der Armtest bezieht sich auf das Bewegen, Erreichen und Ergreifen von Objekten im Sitz, Stand und Liegen. Weiterhin werden die Rumpf- und Beinfunktion getestet, z.B. einzelne Bewegungen und Gewichtsübernahmen auf das Bein in verschiedenen Ausgangspositionen. Abschließend werden grobe Funktionen wie Bewegungsübergänge, Transfers und das Gehen beurteilt. Für den Test werden Gegenstände aus Therapie und Alltag benötigt, wie z.B. Ball, Therapieknete, Stifte und Papier. Die Auswertung erfolgt nach einem Punktesystem. Maximal können 15 Punkte für den Arm, 10 Punkte für Bein und Rumpf und 13 Punkte für grobe Funktionen erreicht werden.

Der Action Research Arm Test (ARAT) wurde zur Verlaufsbeschreibung in der Armrehabilitation entwickelt. Getestet wird die Armaktivität in Bezug auf Gegenstände ergreifen, transportieren, manipulieren und grobe Bewegungen. Die Vollständigkeit der Aufgaben und Vorhandensein von Schwierigkeiten wird nach einer 4-Punkt-Skala mit Anleitung eingeschätzt.

Der Barthel-Index misst die Selbstständigkeit (mit oder ohne Hilfsmittel) im klinischen Alltag. Die Selbstständigkeit wird in einem Interview oder durch die Beobachtung bei Aufgaben des täglichen Lebens bewertet. Zu den Aufgaben zählen das Anziehen, Essen, Waschen, Fortbewegung, Blasen- und Darmkontrolle etc. Die erweiterte Form beinhaltet zusätzlich psychosoziale Bereiche wie z. B. Kommunikation und Orientierung. Der Frühreha-Barthel-Index ist für sehr schwer betroffene Patienten entwickelt worden und enthält zusätzlich Fragen zu pflegerischen Aspekten wie z.B. Beatmungspflicht und Beaufsichtigungspflicht.

Diese medizinischen Assessmentverfahren sind bei der Entwicklung eines mobilen Sensorsystems für Schlaganfallbetroffene zu berücksichtigen und ggfs. in die Erfassung und Analyse von Bewegungen zu integrieren.

3. Stand der Praxis für technische und telemedizinisch assistierte Schlaganfallsysteme

Mit dem Motor Relearning Programm werden Rehabilitanden frühzeitig im Akutkrankenhaus in Richtung alltagsnaher Funktion beübt. In einer randomisierten kontrollierten Studie von Langhammer & Stanghelle [11] konnte nachgewiesen werden, dass sich die Armfunktion von Rehabilitanden mit dem Motor Relearning Programm schneller verbessert als mit dem Bobath-Konzept.

Im Rahmen der Evaluation der Effektivität des teletherapeutischen Verfahrens EvoCare [12] wurden folgende Erkenntnisse gewonnen: Teletherapeutische Anwendungen sind zweifellos geeignet für rehabilitative neurologische Nachsorge und

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ambulante Versorgung, insbesondere in Regionen mit Unterversorgung infolge zu geringem ambulanten Therapeutenangebot. Die Notwendigkeit der Ausrichtung und Anpassung der Übungs- und Trainingsprogramme auf das spezifische, individuelle Schädigungs- und Störungsbild verlangt eine professionelle Verordnung und Supervision.

An der Hochschule für Gesundheit in Bochum wird zurzeit von Prof. Bilda und Arbeitsgruppe eine Teletherapie bei Aphasie nach Schlaganfall entwickelt und evaluiert. Es handelt sich dabei um ein teletherapeutisches Heimtraining für die Nachsorge bei chronischen Aphasien. Das Heimtraining erfolgt mit Videos, die prototypische Alltagsdialoge beinhalten. Anhand eines hierarisch gestuften Hilfesystems üben Probanden den Wortabruf in alltagsrelevanten Kontexten. Zudem werden Angehörige zum Erfolg des Trainings und ihrer Belastungssituation als pflegende Angehörige befragt [13].

Des Weiteren wurde ein robotergestütztes Therapiesystem für die fernbetreute häusliche Rehabilitation nach Schlaganfall (haptische Telerehabilitation) von der Rehabilitation Robotics Group (IPK/ TU Berlin) und dem Fraunhofer Institut (IPK) entwickelt, welches derzeit klinisch evaluiert wird [14]. In diesem Therapiesystem werden telemedizinische Methoden mit mechatronischen Therapie-Übungsgeräten zusammengeführt. Dadurch erhalten Patienten die Möglichkeit, das Training im häuslichen Umfeld weiterzuführen und über eine erweiterte telemedizinische Verbindung durch den behandelnden Arzt/ Therapeuten betreut zu werden.

Für Patienten mit Schädigungen des zentralen Nervensystems und damit verbundener eingeschränkter Gehfähigkeit wird derzeit das MoreGait System erprobt [15]. Das Gerät wurde für den heimischen Einsatz konzipiert und von der Universität Ulm und der Orthopädischen Universitätsklinik Heidelberg mit Unterstützung des BMBF entwickelt. Erste therapeutische Erfolge, die während eines Klinikaufenthaltes erzielt wurden, sollen mit MoreGait selbständig gefestigt und verbessert werden. Mit diesem System kann der Patient in sitzender bzw. halb-liegender Position üben. Dies wird durch ein computergesteuertes Fußteil ermöglicht, das das Abrollen des Fußes simuliert und somit die entsprechenden Reize an den Fußsohlen erzeugt. Die Gelenkbewegung wird durch künstliche Muskeln unterstützt. Das Gerät befindet sich derzeit in einer klinischen Pilotstudie mit 30 Patienten.

Das Rehabilitation Gaming System – RGS – wird für Schlaganfallpatienten eingesetzt und basiert auf dem Prinzip der Plastizität des menschlichen Gehirns, d.h. der Fähigkeit verlorene Fähigkeiten durch Reorganisation von Nervenzellen wiederzuerlangen [16]. RGS nutzt dazu ein Defizit-orientiertes Training, bei dem der Nutzer individualisierte Spiele nutzt. Die Übungsdurchführung wird dabei mit Bewegungen eines virtuellen Körpers verglichen. Die Bewegungen des Patienten werden anhand von an den Armen angebrachten Markern optisch erkannt.Hauptaufgabe für den Patienten ist es virtuelle Bälle zu treffen, bei denen z.B. die Geschwindigkeit und das Zeitintervall zwischen 2 Bällen variieren. Um den Einfluss von RGS auf Schlaganfallpatienten zu evaluieren, wurde eine klinische Studie durchgeführt (3 Wochen nach erstmaligem Schlaganfall, Defizit der oberen Extremitäten). Dabei wurde herausgefunden, dass virtuelle und reale Übungen äquivalent und somit vergleichbar sind.

In dem Projekt SmartSenior wird derzeit ein sensorikbasiertes Trainingssystem entwickelt [17]. Mit Hilfe eines computerbasierten interaktiven Trainers können Senioren zu Hause selbstständig motivierende Übungen zur Schlaganfallrehabilitation durchführen. Die Bewegungsdaten werden mit unterschiedlichen Sensoren erfasst und

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lokal auf einer Trainingskonsole zu therapierelevanten Daten weiterverarbeitet. Das Programm lässt sich multimodal mittels Tastatur, Sprache und klassischer Fernbedienung bedienen. Durch das individuell angepasste Training sollen nach einem Schlaganfall verlorene Fähigkeiten wiedererlangt werden. Das System soll im Rahmen einer klinischen Studie im heimischen Umfeld erprobt werden.

4. Therapeutischer Ansatz zur telemedizinischen Betreuung von Schlaganfallbetroffenen

Die konventionelle Armtherapie in der Physiotherapie besteht aus Bewegungs-, Kräftigungs- und Dehnübungen im physiologischen Rahmen. Je nach Schweregrad der Beeinträchtigung der Armfunktion wird eine passive, assistive und aktive Beübung mit und ohne unterstützende Geräte/Hilfsmittel durchgeführt.

Zu den klinisch bewährten Therapien bei Schlaganfall zählen neurophysiologische Behandlungsmethoden wie Bobath [18], Vojta [19] und PNF (Propriorezeptive Neuromuskuläre Faszilitation) [20]. Weiterhin wurden neue spezifische Therapien, wie bspw. das Armfähigkeitstraining [21], "constraint-induced movement therapy" (CIMT, Taub-Training/ "Forced Use") [22], repetitives sensomotorisches Training, EMG-Biofeedback [23], kinästhetisches Feedback [24], Elektrostimulation und die robot-assistierte Armrehabilitation entwickelt und evaluiert [25][26]. Somit liegen zahlreiche Studien zu den etablierten Therapieverfahren wie Bobath, Vojta oder PNF und weiteren entwickelten Verfahren vor. Kwakkel et al. konstatiert als wesentliche Erkenntnis aus den unterschiedlichen Therapieansätzen, dass die Intensität des Trainings, die Häufigkeit der Übungswiederholungen und die Umsetzung der Trainingsleistungen in Alltagsaktivitäten entscheidenden Einfluss auf eine anhaltende Funktionsrestitution haben [27].

Für die medizinisch valide Erfassung und therapeutische Intervention ist es notwendig, dass die Armaktivität kontinuierlich gemessen und überprüft (Monitoring) werden kann. Weiterhin muss eine Auswertung und Speicherung der Bewegungsabläufe möglich sein, die bei der Erstellung einer Verlaufsprognose unterstützen kann. So kann bei stetiger Verschlechterung der Armaktivität eine zeitnahe Intervention durch den Physiotherapeuten oder Arzt erfolgen. Des Weiteren ist eine zeitnahe Rückmeldung an den Rehabilitanden möglich bzw. die individuelle Anpassung der Übungen. Aus der Sicht der Physiotherapeuten müssen folgende diagnostische Daten erfasst werden, um den Aktivitäts- und Gesundheitszustand der betroffenen Extremitäten des Patienten in einem telemedizinisch assistierten Schlaganfallsystem beurteilen zu können:

Wie oft erfolgt der Armeinsatz des betroffenen Armes im Vergleich zur

nichtbetroffenen Seite? Wie führt der Patient die Armbewegungen mit der betroffenen Seite aus? Wie sind das Bewegungsausmaß und die Qualität der Bewegung? Handelt es

sich um fließende oder ataktische Bewegungen? Unterstützt der nichtbetroffene Arm die Bewegung des betroffenen Arms

(assistierte Bewegung)? Wird der Rumpf bei der Armbewegung mitbewegt (Ausweichbewegung)?

Zum Beispiel versucht der Rehabilitand über eine Seitneigung des Rumpfes

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(Lateralflexion), den betroffenen Arm seitlich höher heben (Abduktion) zu können oder weicht der Patient über eine Schulterhebung (Elevation) aus? Hat der Rehabilitand Schmerzen im Arm? Wie ist der Muskeltonus?

In den Gesprächen mit den Physiotherapeuten wurden folgende Übungen als therapeutisch sinnvoll erachtet, die als therapeutische Standards in der ambulanten Physiotherapie eingesetzt werden:

Greifen und Anheben von Gegenständen In der Sitzung soll bspw. das Greifen und Anheben von verschiedenen Gegenständen geübt werden. Dazu sind verschiedene Hilfsmittel (Igelball, Stifte, Keule etc.) erforderlich. Der Therapeut beginnt mit leichteren Aufgaben und steigert allmählich die Anforderungen. Zusätzlich werden Möglichkeiten zur Umsetzung im Alltag aufgezeigt. Obwohl er bei einer konventionellen Therapiesitzung direkt auf den Patienten eingehen kann und Übungen spontan abwandeln kann ist die Therapiezeit in der stationären oder ambulanten Rehabilitation oftmals begrenzt. Die Umsetzungsmöglichkeiten im Alltag können oft nur "theoretisch" besprochen werden und der Therapeut hat keine Gewissheit bzw. verlässliche Daten, ob der Patient auch im häuslichen Umfeld jene Übungen weiterführt. Folgende Übungen können prototypisch durch das mobile Sensorsystem unterstützt werden: Übung 1: Greifen zum Hängeschrank Im Alltag (Haushalt, Beruf) müssen oftmals Gegenstände gegriffen und transportiert werden. Deshalb ist es therapeutisch sinnvoll, konkrete Greif- und Transportübungen in die alltagsintegrierte Rehabilitation mit aufzunehmen. Mit der nachfolgenden Übung soll die Armbeweglichkeit über Kopfhöhe, die Armkraft und Greiffunktion der Hand trainiert werden. Der Übungsauftrag kann beispielsweise lauten: Bitte holen Sie nacheinander mit Ihrem betroffenen Arm 5 Gläser oder Teller aus einem Hängeschrank und stellen diese auf einem Tisch oder einer Arbeitsplatte ab. Danach räumen Sie die Gläser oder Teller wieder zurück in den Schrank.

Übung 2: Fenster öffnen und schließen Beim Öffnen und Schließen von Türen, Fenstern, vom Kühlschrank oder Herd braucht man ein gewisses Maß an Beweglichkeit und Kraft in den Armen. Bei dieser Übung wird neben der Armbeweglichkeit und Greiffunktion auch die Armkraft durch Druck und Zug (Öffnen und Schließen des Fensters) sowie die Stützfunktion der Arme trainiert. Der Übungsauftrag könnte beispielsweise lauten: Bitte öffnen Sie mit dem betroffenen Arm ein Fenster, z.B. 5 x Ankippen und 5 x ganz öffnen und wieder schließen. Am offenen Fenster stützen Sie sich auf dem Fensterbrett mit beiden Händen ab und strecken beide Arme durch. Verlagern Sie nun Ihr Gewicht von dem linken auf den rechten Arm und halten Sie die Gewichtsverlagerung für 5 Sekunden.

Übung 3: Tisch wischen Die Wischübung am Tisch ermöglicht Patienten, die ihren Arm noch nicht aktiv gegen die Schwerkraft heben können, ein Training für die Armbeweglichkeit und -kraft. Die Übung kann gesteigert werden, indem die Wischübungen an einer Tür oder an einem Fenster ausgeführt werden. Der Übungsauftrag könnte beispielsweise lauten: Bitte nehmen sie einen Lappen in die Hand und stellen sie sich an einen Tisch. Setzen sie ihre Hand mit dem Lappen auf den Tisch und beginnen sie den Tisch möglichst ohne

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abzusetzen über die ganze Tischbreite zu wischen. Die Übung soll 5 Mal wiederholt werden und kann durch den nichtbetroffenen Arm unterstützt werden.

Abbildung 1. Übungen „Greifen zum Hängeschrank“, „Fenster öffnen und schließen“, „Tischwischen“ mit Sensorsystem

5. Systemarchitektur für die mobile und alltagsintegrierte Schlaganfallrehabilitation der oberen Extremitäten

Das hier vorgestellte mobile System soll zur Unterstützung von therapeutischen Maßnahmen im Alltag dienen. Wichtige Bestandteile des Systems sind ein Smartphone sowie zwei zusätzliche Sensoren, die am Ober- und Unterarm in einem körpernahen Sensornetz zur Erfassung von Vital- und Bewegungsdaten angebracht werden. Dafür wurde in dem Projekt eine modulare Sensorikplattform entwickelt, die die flexible Kombination und Korrelation einzelner Sensordaten wie Herzschlag, Temperatur und Hautwiderstand mit den Bewegungsdaten ermöglicht. Die Sensoren befinden sich zum Teil direkt am Körper oder in körpernahen Textilien, können aber auch in Sport- und Therapiegeräte wie Wanderstöcke oder Hanteln integriert werden. In der mobilen Variante von „MeineReha“ erfolgt der Abgleich mit der therapeutisch vorgegebenen Idealbewegung auf dem Smartphone. Von dort aus erhält der Patient ein akustisches und visuelles Feedback. Nach erfolgtem Training werden die Trainingsdaten vom mobilen System zur Auswertung und Dokumentation auf die Rehabox zu Hause oder per Mobilfunk direkt an den betreuenden Physiotherapeuten übertragen. „RehaMobil“ ergänzt das stationäre System „MeineReha“ [28], so dass dem Nutzer eine möglichst alle Lebensbereiche umfassende Anwendung am Arbeitsplatz, zuhause, unterwegs oder in der stationären Rehabilitation zur Verfügung steht. Durch die Nutzung des alltagsintegrierten Schlaganfallsystems kann der Rehabilitand die Übungen in seinen Alltag integrieren.Über die multimodalen Feedbackfunktionen auf dem Smartphone besteht die Möglichkeit, den Patienten in seiner Eigenmotivation zu unterstützen, z.B. indem ihm spielerische oder alltagsrelevante Aufgaben gestellt werden. Konkrete Übungsanweisungen und die Rückmeldung zur Bewegungsausführung durch das System bzw. den Therapeuten werden durch das Smartphone ausgegeben. Das System unterstützt den Patienten ebenso durch die Erinnerungsfunktionen über zu wenig aktiv verwendete Körperbereiche. Ebenso kann der Patient seine Übungszeiten selbst festlegen und die Übungen in verschiedenen Alltagssituationen (zu Hause, im Freien, am Arbeitsplatz) ausführen.Die aggregierten, medizinisch-therapeutischen Daten können dann periodisch über das Smartphone an

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den Therapeuten übermittelt werden. Sodass der Therapeut aus der Ferne die Aufgabenstruktur und die Anzahl der Aufgaben verändern sowie neue Aufgaben auf das Smartphone übertragen kann.

Bewegungserfassung für Schlaganfallbetroffene im Alltag

Mit dem körpernahen Sensorsystem soll es möglich sein, sowohl die Armaktivitäten der Betroffenen zur messen sowie den Patienten in den Alltag integriert zu mehr Bewegung anzuleiten. Die Sensoren zur Erfassung der Armaktivitäten werden körpernah am Unter- und am Oberarm angebracht. Für die Versuche wird ein Smartphone vom Typ Nexus S 2 verwendet, da dieses bereits über integrierte Bewegungssensoren verfügt, deren Daten für die Auswertung genutzt werden können. Zusätzlich wird als körpernahe Hardware die existierende Sensor-Platine RazerBoard (IMU von Sparkfun)3 eingesetzt, die per Bluetooth mit dem Smartphone verbunden ist. Das Razor-Board enthält ein 3-Achsen Gyroskop, ein 2+1-Achsen Accelerometer und ein 3-Achsen Magnetometer. Auf dem Razor-Board läuft ein angepasster Orientierungs-Algorithmus, welcher quelloffen zur Verfügung steht [29]. Mittels der eingesetzten Bewegungssensoren können die räumliche Position und die Rotation von Handgelenk, Unterarm und Oberarm erfasst und dem Skelett zugeordnet werden sowie die Bewegung des Armes 1:1 analog der realen Armbewegung erkannt und analysiert werden.

Abbildung 2. Bewegungserfassung auf dem Smartphone mit Hilfe der Sensoren

Initial werden vom Nutzer Vorlieben über die Art der Interaktion mit dem Smartphone abgefragt. Dazu gehören z.B. die Art der Rückkopplung zwischen Gerät und Übenden (z.B. Audio oder Vibration in Kombination mit einer grafischen bzw. textuellen Ausgabe), die Eingabemodalitäten (Touch, Sprachsteuerung) sowie die Frequenz dieser Mitteilungen (z.B. automatisch oder alle 10 Minuten als Zusammenfassung, etc.). Diese Einstellungen können auch jederzeit geändert werden. Anhand dieser

2 Smartphone Nexus S, http://www.google.de/nexus/ 3 9 Degrees of Freedom - Razor IMU, http://www.sparkfun.com/products/9623

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Nutzereinstellungen wird der Patient an sein Training erinnert und während der Übungen korrigiert.

Durch die Erfassung und Auswertung der Bewegungsdaten auf dem Smartphone kann erkannt werden, wie oft der betroffene Arm im Alltag aktiv und zielgerichtet eingesetzt wurde. So kann beispielweise erkannt werden, ob und in welchem Winkel der Unterarm angehoben wurde z.B. um einen Hängeschrank, eine Türklinke oder einen Fenstergriff zu erreichen. Bei zu geringer Armaktivität wird der Patient über das Smartphone erinnert „Sie benutzen Ihren linken Arm zu wenig“ (Erinnerungsmodus). Sollte die Armaktivität weiterhin nicht ausreichend sein, kann der Patient über ein Vorschlagswesen zu konkreten Aufgaben im Alltag angeleitet werden (Assistenzmodus). Für eine aktive therapeutische Beübung des Armes werden ihm gezielte Übungsanweisungen vorgegeben mit der Möglichkeit die Korrektheit der Bewegungsausführung zu kontrollieren (aktiver Trainingsmodus). Schließlich können aggregierte Daten als Feedback und zur Motivation an den Patienten ausgegeben werden „Du hast 5x den Unterarm bis zum Winkel von 40° gehoben, das ist schon sehr gut“. Ebenso können tagesspezifisch die Analysen der Armaktivitäten an den Patienten ausgegeben werden, z.B. um 11.00 Uhr, um 14.00 Uhr und um 18.00 Uhr und entsprechende Aktivierungsvorschläge gemacht werden, z.B. „Gehe mit aktivem Armschlendern um 14.00 Uhr eine Runde im Park“.

Abbildung 3. Aufgabenliste, Erinnerung und Tagesüberblick auf dem Smartphone Um eine Bewegung auswerten zu können, wird die Position einzelner Körperglieder benötigt. Wie schon beschrieben werden dazu Sensoren benutzt, die an verschiedenen Stellen des Körpers befestigt sind. Diese Sensoren übertragen fortlaufend ihre aktuellen Daten an das Smartphone. Dabei wird nicht die Position, sondern die Rotation in Relation zu einem Startvektor übertragen. Dieser Startvektor wird initial im Rahmen einer Kalibrierung bestimmt. Aus der Rotation, dem Startvektor und einem biomechanischen Modell wird die Position des Sensors und damit die Position des Körperteils errechnet. Eine Bewegung in der realen Welt führt zu einer „virtuellen“ Bewegung auf dem Bildschirm des Smartphones.

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Für die Bestimmung der Armaktivitäten werden die Positions- und Winkeldaten von Ober- und Unterarm ausgewertet. Die Winkeldaten errechnen sich aus Quaternionen, welche durch den oben genannten Algorithmus ermittelt werden. Ebenso werden Beschleunigungswerte, sowie Winkelgeschwindigkeiten in einem Zeitintervall aufgezeichnet, um die einzelnen Bewegungsabläufe in Phasen zu segmentieren. Im Rahmen der Bewegungsanalyse für die hier beschriebene Schlaganfalltherapie der oberen Extremitäten ist es möglich anhand der Segmentierung zu unterscheiden in

zielgerichtete Bewegungen (z.B. Greifen nach einem Gegenstand) nichtzielgerichtete Bewegungen (Ausgleichsbewegungen und ataktische

Bewegungen)

Für einen Abgleich von Soll- und Ist-Werten müssen sich in den verschiedenen Bewegungsphasen die Winkel der einzelnen Gliedmaßen zueinander bzw. die Beschleunigungen/Drehraten in bestimmten vorgegebenen Wertebereichen bewegen. Hierbei werden in einem statistischen Versuchsaufbau, zielgerichtete Bewegungen des Patienten aufgezeichnet und ausgewertet, um die Bandbreite der richtigen Bewegung an einem bestimmten Zeitpunkt zu ermitteln. Ebenso werden typische nicht zielgerichtete- bzw. Ausgleichsbewegungen erfasst und identifiziert. Durch diesen Vergleich können sie später automatisch erkannt und klassifiziert werden.

Abbildung 5. Pendelbewegung eines Armes und aggregierte Auswertung

Die Auswertung erfolgt derzeit im Anschluss an einen Bewegungsablauf. Abrupte Richtungsänderungen im Bewegungsfluss oder spontanes Innehalten lassen auf Fehlbewegungen schließen. Dies führt zu einer sofortigen Rückmeldung an den Nutzer.

6. Zusammenfassung und Ausblick

Dieses Paper stellt das Konzept und eine Prototypen für eine mobile und alltagsintegrierte Schlaganfallrehabilitation der oberen Extremitäten vor, bei dem es darum geht, mit Hilfe körpernaher Sensorik Bewegungsdaten zu erfassen, um diese lokal auf dem mobilen Endgerät weiter zu verarbeiten, um dem Nutzer ein Feedback

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über die Korrektheit der ausgeführten Bewegungen zu ermöglichen. Dafür wurden durch die Physiotherapeuten mögliche Therapieziele herausgearbeitet und geeignete Übungen benannt.

Zentraler Bestandteil des mobilen Systems ist ein Smartphone, das zur Aufnahme der Daten, zum Soll-Ist-Vergleich anhand vordefinierter Therapiepläne, zum Feedback und zur Synchronisation mit einem stationären System oder dem Rehabilitationszentrum dient. Der Schwerpunkt liegt dabei auf dem Erhalt der Mobilität des Patienten und der Lebensbereich übergreifenden Nutzung des Systems im häuslichen Umfeld, am Arbeitsplatz oder in der Freizeit.

Für die weiterführende Entwicklung müssen u.a. folgende Einschränkungen von Schlaganfallbetroffenen berücksichtigt werden: Für schwer beeinträchtigte Rehabilitanden (vor allem motorische und kognitive Beeinträchtigungen) ist das selbstständige Üben schwer umzusetzen. Es könnte z.B. ein Problem darstellen, die Sensoren korrekt anzulegen oder das Smartphone zu bedienen. Des Weiteren ist die psychosoziale Komponente (persönlicher Kontakt und Gespräche) also die direkte Interaktion mit dem Therapeuten während der Behandlung eingeschränkt. Dennoch bietet das Smartphone zumindest die Möglichkeit der Kontaktaufnahme mit einem Therapeuten. In den Alltag integrierte Erinnerungs- und Motivationsfunktionen dienen nicht dazu den Therapeuten zu ersetzen, sondern vielmehr die Therapeut-Patienten-Kommunikation im Anschluss an die stationäre Rehabilitation über konkrete therapeutische Aufgaben aufrecht zu erhalten. Für eine Erweiterung des Systems könnten auch Sensordaten aus der Umgebung mit in die Analyse der Arm- sowie Alltagsaktivitäten einbezogen werden. Die Kombination von körpernahen und Umgebungsdaten erlaubt eine genauere Einschätzung der Alltagsaktivitäten. Allerdings muss hierbei sehr wohl abgewogen werden, inwieweit eine umfassende Aktivitätserfassung wirklich durch die Nutzer erwünscht ist. Ein weniger invasiver Ansatz könnte die Integration von Sensorik in Therapiegeräte bzw. Heil- und Hilfsmittel sein, da diese stärker an den momentanen Zweck wie z.B. eine Übungssituation oder eine bewußte Nutzungssituation gekoppelt sind. Letztlich sei erwähnt, dass wir in diesem Beitrag ein Konzept zur Erfassung der Armaktivitäten vorstellen, jedoch das entwickelte System auch für die Erfassung und Analyse von Bewegungen andere Körperpartien eingesetzt werden kann. Wichtig und leitend für die Erweiterung des Konzeptes und eine nachhaltige Nutzung eines mobilen Rehabilitationssystems ist hierbei immer die konkrete Integration des Systems in den therapeutischen Prozess und den Alltag des Patienten.

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