Tal Der Gluecklichen

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  • 7/30/2019 Tal Der Gluecklichen

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    Lieber Leser!

    Verpackt in den Reisebericht eines Freundes beschreibt Leopold Engel in dem Buch "Tal derGlcklichen" ein Volk im Innern Afrikas, das um die Zeit der Jahrhundertwende, der Zeit derNiederschrift dieses Buches, noch unentdeckt, und mit den erstaunlichsten natrlichenFhigkeiten begabt, ein Leben in Frieden und Einklang mit der Natur fhrte. Und dies zu einemMae, da sich die Tiere und die Mchte der Natur freiwillig dem Willen fgten. In einerHarmonie und menschlichen Vollkommenheit, wie sie nach den Berichten der Neuoffenbarungeinst den ersten Menschen in der Urzeit zu eigen gewesen ist ( siehe die Jesusoffenbarungdurch Jakob Lorber; Haushaltung Gottes, Lorber Verlag 74308 Bietigheim ) und die uns imindustriellen Zeitalter in so hohem Mae verloren gegangen ist. Daher ist dieses Buch auch eineAufforderung die Wege zurck in die Einigung mit der Natur und dem Gttlichen zu suchen.Mge der Geist dieses Buches Dich werter Leser berhren zu diesem Weg!

    Als gewissermaen zweites Zeugnis zu den Ausfhrungen Leopold Engels befindet sich in demdurch Jakob Lorber aus gttlicher Quelle aufgeschriebenen Buch 12 Stunden offenbart von Jesusdurch Jakob Lorber, Lorber-Verlag 74308 Bietigheim eine Bemerkung des Herrn ber ebendieses unverdorbene hchst gutmtige Menschengeschlecht, das als Einleitung fr diesen Textdienen soll. In hnlicher Weise hat Leopold Engel den letzten Band des Groen JohannisEvangeliums ergnzt und auch bezglich des verlorenen Planeten Mallona im AsteroidenGrtel eine wertvollste Ausfhrung geschrieben, die auch im Lorber Verlag erhltlich ist. Zitataus dem Buch "12 Stunden" Kapitel Dritte Stunde, Seite 7

    Der Herr:

    .... Nun lassen wir diesen nrdlichen Teil dieses elenden Landes, wie auch den von ganz Afrika, und

    dahier sehet die unbekannte Mitte dieses Landes! Sehet hier noch hie und da die Htten zerstreut, sehet,dieses Land ist gro und ist ringsum eingeschlossen von den unbersteiglichsten Bergen; sehet, das istder einzige Punkt der Erde, da sich noch eine unverdorbene, hchst gutmtige Menschenklasse vorfindet.Sehet diese Menschen sind alle noch im innern Schauen, und auer einem von Mir abgesandten Jngerdes Apostels Thomas, hat noch kein fremder Fu dieses Land betreten, und so ist dieses freilich kleineVlklein, welches sparsam nur die heien Gegenden bewohnt, in Meiner reinen Lehre, die bis auf dieseStunde noch nicht getrbt worden ist. Das ist zugleich der einzige kleine Anhngepunkt, der die Erdenoch verbindet mit Meinem Himmel, und merket euch wohl, was Ich euch soeben sagen werde: Wenn ein

    frecher Fu dieses Heiligtum habschtig betreten wird, will Ich Meine Fackel ber die Erde schleudern.

    Viele werden fragen, wo sich dieses Land befindet und ob es noch in dem beschriebenenZustand ist, dazu lsst sich sagen, dass nach einigen Recherchen, das in Frage kommende Talwohl, das Gebiet der heutigen Zentralafrikanischen Republik ist und der Zeitpunkt des Endesdieses Volkes um die Jahrhundertwende liegt, so dass die beginnenden Weltkriege danach dieFackel sind mit der die zu habschtig gewordenen Erde ihre Luterungen begonnen hat.

    Da das Buch momentan nicht im Druck befindlich ist, sind bis zur Drucklegung weitereerhltlich Kopien bei

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    J. Herbst, Farger Strae 1, D - 27751 Delmenhorst; Tel ( 0171 ) 6900321

    Abbildung: Grafik zur Veranschaulichung der Lage des Tales der Glcklichen

    Dazu der Kurztext der Enzycl. Brit. : Die Franzosen eroberten und anektierten Zentralafrika und haben

    1889 eine Post in Bangui. Sie sicherten totale Kontrolle 1911 ( wohl die Eroberung des Tales, Anmerk. d.

    Her. ). 1898 teilten die Franzosen die Kolonie unter groen kommerziellen Konzessoren, ... deren

    Landesmissbrauch bis ca. 1920 andauerte ... ( wohl der freche Fu, der vor dem Weltkriegsbrand das

    Heiligtum habschtig betreten hat, Anmerk. d. Her. ).

    Leopold Engel

    Das Tal der Glcklichen

    Einleitung

    Von jeher hat der nur zum kleineren Teile bekannte Erdteil Afrika die Wibegierde derForscher angestachelt. In seinem Innern, das er hartnckig durch allerhand uere Hindernisse

    einer fragwrdigen Zivilisation verschliet, birgt er gar viele noch unbekannte Wunder, derenerste Mitteilungen wie Mrchen klangen, bis deren Bestand durch wiederholte Berichtebesttigt wurde. So zum Beispiel ist die Existenz der Zwergvlker lange bezweifelt worden undhat sich schlielich doch bewahrheitet.

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    Forscher, getrieben von Ruhmsucht, Ehrgeiz und Habgier nach leicht erringbarenNaturschtzen, werden von Gesellschaften ausgerstet, unter den hochtrabenden Phrasen,Kultur zu verbreiten, die christliche Religion die erlsungsbedrftigen Heiden zu lehren; siewerden Pioniere der Wissenschaft, des Menschentums genannt, und dringen oft mit groerKhnheit, die das Goldfieber und die Herrschsucht zum Elternpaare hat, in fremde unbekannteGegenden ein.

    Soviel auch dem dunkeln Erdteil bereits abgerungen wurde, noch verschliet er starr undfinster sein Inneres den kecken Eindringlingen. Im Innern gebieten gewaltige, unbersteigbareGebirgsmassen ein unerbittliches Halt; noch keines Europers Fu hat die gewaltigen,schneeigen Gebirgsketten des Innern berschritten, die der Eingeborene scheu meidet, weilstarke Geister dort hausen sollen, die ein Eindringen unmglich machen und mit sicherem Todeden bedrohen, der ihren Frieden strt.

    Auch nach Europa sind Sagen mancher Art von diesem Gebirgen gelangt und haben manchenForscher gereizt, diese Gegenden des schwarzen Erdteiles zu besuchen. Nie jedoch findet sichein Eingeborener bereit, sich als Fhrer herzugeben, sobald es heit, jene beschneiten,wolkenumgebenen, geheimnisvollen Hhlen seien das Ziel; ja sie wrden sich mit aller Gewalteinem solchen Unterfangen widersetzen, aus Furcht vor der Rache der schtzenden, mchtigenGeister.

    Es scheint fast, als wenn gerade nach dem Herzen Afrikas sich die Mrchenwelt vor derneugierigen Zivilisation geflchtet habe und sich dort verschanzt vor der nchternen,grmlichen, poesielosen Alltglichkeit, welche ihre bunten schillernden Schmetterlinge mitschmutzigen Hnden fangen und sie dann ihres herrlichen Flgelstaubes berauben mchte, dersie zum neckischen Spiele im goldenen Sonnenstrahle befhigt.

    Ich besa einen Freund von vortrefflichen Charaktereigenschaften, er war reich, unabhngig,sehr wohlttig, galt aber im allgemeinen fr einen Sonderling. Das ffentliche undgesellschaftliche Leben hatte wenig Reiz fr ihn, er vermied es, mit den Menschen viel inBerhrung zu kommen, und stattete zum Beispiel Besucher nur soweit ab, als es die unbedingteHflichkeit erforderte.

    Sein grtes Vergngen waren Reisen, denen er sich denn auch ausgiebig hingab, so da erstets Dreiviertel des Jahres in fremden Lndern zubrachte. Er war einer jener seltenen Kenner,die mit Genu zu reisen verstehen, die sehr planvoll und orientiert ihre Fahrt beginnen, nichtins Blaue, nur um sagen zu knnen, ich war dort, in die Welt hineinsteuern, sondern ersttheoretisch zu Hause die beabsichtigte Fahrt studieren, um sodann praktisch durch nichts auer

    Fassung gebracht werden zu knnen. Das Reisen hatte fr ihn den Zweck, seine Kenntnisse zuerweitern, und da er gewhnt war, mit den Augen des Geistes alle Dinge zu betrachten, sosammelte er nicht nur einen reichen Erfahrungsschatz, sondern durchkostete innere Gensse,von denen die meisten Reisenden keine Ahnung haben.

    Er hatte es in dieser Art fast fnfzehn Jahre getrieben, als er mich eines Tages mit der Nachrichtberraschte, er rste sich, in das Innere Afrikas einzudringen. Wirklich reiste er auch dahin abund kehrte nach Verlauf eines Jahres sonnenverbrannt, aber wohlbehalten zurck.

    Es war eine groe Vernderung mit ihm vorgegangen, der sonst menschenscheue, schweigsame

    Mann suchte jetzt mehr Gesellschaft als frher auf und suchte einen Kreis von Mnnern umsich zu versammeln, welche zu den Koryphen der Wissenschaften zhlten. Er gabGesellschaftsabende, an denen mit besonderer Vorliebe die religisen und sozialen Fragen vonihm vorgebracht wurden, und suchte die Meinung seiner Gste darber zu erforschen. Es gabda manche sehr interessante Disputation, denn, wie schon gesagt, jene Gste bestanden aus den

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    angesehensten, geistreichsten Mnnern, die die Wissenschaft in sich verkrperten und derenUrteil als das leitende, magebende der Zeit angesehen werden konnte.

    Bei meinem Freunde entdeckte ich eine frher nicht vorhanden gewesene Neigung zumOpponieren und eine zwar sehr geistreiche, aber dennoch oft etwas mystische Weltanschauung,die das Kopfschtteln seiner Umgebung oft hervorrief. Es lag ein Zug von Schwrmerei inseiner Rede, die auffallend wurde und bei einigen seiner nchsten Freunde Besorgnishervorrief. Sein frherer wohlttiger Sinn artete in Verschwendung aus, man hrte, wie er armeLeute in einer Weise untersttzte, die seinen eigenen Ruin herbeifhren mute, so da seineVerwandten den Gedanken faten, ihn unter Kuratel stellen zu lassen. Ein derartiger Versuchschlug aber fehl, da er nur Verwandte entfernten Grades besa, die dadurch, da er seinVermgen verschwendete, in keiner Weise geschmlert werden konnten. Der einzigeGeschdigte war nur er allein, nchste Blutsverwandte besa er nicht mehr. Diese selbenVerwandten, zu deren Treiben er stets gutmtig lachte, wurde eines Tages durch eineEinladung berrascht, die zu einem groen Gesellschaftsabend in sein Haus aufforderte.Begierig folgten sie derselben.

    In den groen Rumen seines eigenen Hauses fand sich eine zahlreiche Gesellschaft ein,bestehend aus jenen Mnnern der Wissenschaft, die schon fter seine Gastfreiheit genossenhatten und stets gerne seine Einladungen folgten. Die feindlichen, geldbesorgten Verwandtenwurden von meinem Freunde mit einer Liebenswrdigkeit empfangen, die irgendwelchepeinliche Situation gar nicht aufkommen lie; er tat, als wre nie etwas vorgefallen. Einglnzendes Mahl stand bereit, und sehr bald war eine lebhafte, geistreiche Unterhaltung imGange, deren Mittelpunkt, wie gewhnlich, mein Freund bildete.

    Es wurde von den Erfolgen der Wissenschaft gesprochen, und ein Professor der Physik sankeine begeisterte Lobhymne auf die Errungenschaften des Menschengeistes. "Der Mensch", sosagte er, "ist in Wahrheit der Herrscher der Natur. Alle Krfte sind uns untertan, wir haben dieEntfernung und die Zeit durch Dampf und Elektrizitt berwunden, wir fliegen ber denErdboden mit Windeseile, schreiben und sprechen von einer Stadt zur andern trotz weitesterEntfernung, und nicht lange wird es mehr dauern, so tun wir es den Vgel gleich undschwingen uns in die Lfte, den reinen Aether zu atmen; die Flugmaschine ist kein Wahn mehr,sie nhert sich mit Sicherheit der Verwirklichung. Drum lebe der Menschengeist, er hat esherrlich weit gebracht, er hat die Natur berwunden und ist ihrer Herr geworden."

    Von allen Seiten erhob sich freudige Zustimmung zu diesen Worten des Redners, undfrhliches Glserklirren bekrftigte die Wahrheit dieses Ausspruches.

    Mit seiner ruhigen, klaren Stimme sprach mein Freund nun folgendes: "Sie haben ganz recht,Herr Professor, den Scharfsinn des Menschen so zu preisen, der viel Wunderbareshervorgebracht hat; ich habe Beweise davon, wie ntzlich diese Erfindungen sind.

    Vor einigen Tagen zum Beispiel besuchte ich eine arme, kranke Witwe. Ich fand sie in grterAufregung und Angst. Von ihrem einzigen Sohne, den sie nur mit Widerstreben hatte zur Seegehen lassen, waren bereits lngere Zeit keinerlei Nachrichten mehr eingegangen und jetzt lassie unter den Schiffsnachrichten, da das Schiff, auf welchem sie ihren Sohn wute, an derKste von Brasilien gescheitert sei, ein Teil der Mannschaft wre jedoch gerettet worden undbefnde sich in Rio, dem Reiseziel des gescheiterten Schiffes. Lebt nun ihr Sohn? Befindet er

    sich unter den Geretteten? Diese qualvollen Fragen bestrmten das zagende Mutterherz. Icheilte zum Telegraphenbureau, gab eine Depesche an das deutsche Konsulat in Rio auf undkonnte nach wenigen Stunden schon die Qual der Zagenden verscheuchen, denn ihr Sohn lebteund hatte sich selbst auf dem Konsulat gemeldet. Dieses Wunder bewirkte der Telegraph, eskostete nur zirka 50 Mark, das bichen Hin- und Hertelegraphieren. Die Witwe konnte

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    selbstredend eine solche Summe nicht erschwingen, lebt sie doch von einer solchen mehr alseinen Monat. Aber schn ist diese Erfindung doch, welche die Entfernung berwinden macht,wenn sie auch nur fr die geringere Menge der Zahlungsfhigen besteht. Ebenso bequem istdas stdtische Telephon. Die ganze Einrichtung kostet jhrlich nur 90 Mark, eine Bagatelle frden, der's hat; wer es nicht hat, nun der kann persnlich hin- und herrennen; er mag lernen,mehr Geld zu verdienen, damit ihm die Segnungen der Wissenschaft zugngig werden.

    Sie sehen mich erstaunt an und meinen, was ich eigentlich mit meinen Worten beabsichtige?

    Nun, ich als Mensch frage mich oft:

    Was ntzt das hchste Raffinement des Menschengeistes, mit dem er der Natur dieGeheimnisse ablauscht, wenn deren Nutznieung nur stets dem Geldmenschen zu Gebotesteht? Ist die Errungenschaft der Wissenschaft nicht Gemeingut? Hat nicht jeder sein Recht aufdas, was wir Kultur nennen? Wie kommt die Menschheit dazu, sich zu spalten in solche, welchenur genieen, und solche, welche fr die Genieenden arbeiten, fr letzteres Tun aberobendrein nun von jedem Genu ausgeschlossen werden?

    "Aber das ist doch sehr einfach", fiel ein Justizrat, der bedeutendste Jurist der Stadt, ihm insWort, "die gesellschaftliche Ordnung bedingt nun einmal hoch und niedrig, reich und arm.Solange das, was wir "die Gesellschaft" nennen, besteht, ist es so gewesen und wird es so sein.Der Bestand der Gesellschaft regelt sich nach ihren Gesetzen, zum Schutze ererbter underworbener Rechte. Wer da geniet, hat entweder selbst oder durch seine Vorfahren einst eineArbeit geleistet, die ihm das von Ihnen angefochtene Recht verschafft hat. Ererbtes Recht istaber ebenso unantastbar wie selbst erworbenes, auf dieser Institution beruht unsere moderneGesellschaft, sie ist uns Gesetz geworden, das der Richter wohl zu beachten hat. An diesemGesetze drfen wir nicht rtteln, weil

    "Weil sonst das selbstherrliche Recht der Ererbung und ausbeutenden Erwerbung zugrundegeht, nicht so, Herr Justizrat?" fiel mein Freund, den wir Kristjan nennen wollen, ein, und fuhralso fort: "Nun, ich meine, wenn an Stelle der Gesellschaft, das ist also ein Haufen die Machtinnehabender Persnlichkeiten, das Menschentum gesetzt wrde, so brauchten wir wederGesetz noch Rechtsprechung, denn beides ist im Menschen schon vorhanden und braucht nichterst durch die knifflichte Kunst beider Rechte gelehrt zu werden.

    Der Mensch fhlt in sich sehr wohl, was recht und was unrecht ist; denn die gttliche Wahrheitim Menschenherzen lt sich nicht totschlagen, sie erhebt stets wieder ihr Haupt zum Grausender sogenannten "Gesellschaft", die ja allerdings von ihr alles zu frchten hat, nmlich die

    Entreiung des egoistischen Genusses, die Begrenzung der Trgheit, das Ende des arbeitslosenErwerbes. Der arbeitslose Erwerb ist der idealste Wunsch des heutigen Kulturmenschen, diemglichste Vermeidung der krperlichen Arbeit das hchste Ziel unseres Dampfzeitalters;beide bedingen Ausbeutung, einesteils der Mitmenschen, andernteils der Naturkrfte, zumErbauung sinnreicher Maschinen.

    Es ist klar, da diese Prinzipien in einen Abgrund fhren mssen, weil die einseitigeAusbildung des Menschen, nur nach der Seite der mglichsten Vollkommenheit des irdischenLebensgenusses, alle Rcksicht auf den, dem Menschen innewohnenden hheren Geistverdrngt, ihm den sittlichen Grund seines Menschenbewutseins untergrbt und die Ziele

    seines Lebens verflscht, die ihn immer mehr von Gott abbringen, anstatt ihn Ihm zuzufhren."

    Eine salbungsvolle Stimme, die eines Superintendenten, erhob sich nun aus dem Gemurmel derGesellschaft, die augenscheinlich meines Freundes Rede sehr mibilligte:

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    "Lieber Freund, die Kirche, der anzugehren ich das geringe Verdienst besitze, hat sich nochjederzeit bestrebt, den Menschen Gott zuzufhren. Wir haben immer gesucht in dieser Zeit desoffenbaren Frevels, wo der Unglaube und die Genusucht herrschen, den Menschen seinemwahren Ziele zuzufhren."

    "Sie werden mich verbinden, mir zu erklren, worin Sie dieses Ziel erblicken, HerrSuperintendent", fragte mein Freund.

    "Nun, selig zu werden!" war die Antwort des Kirchenlichtes.

    "Und worin besteht diese Seligkeit? Wie wird man selig?" fragte Kristjan weiter.

    Ein strafender Blick fiel auf meinen also fragenden und etwas spttisch dreinschauendenFreund.

    Superintendent: "Sollten Sie Ihre Schulzeit schon so vergessen haben? Jedes Kind knnte Ihnendiese Frage beantworten."

    Kristjan: "Ich mchte diese Beantwortung aber nicht von Kindern, sondern von Mnnern hren,und wiederhole meine Frage: Wie wird man selig?"

    Superintendent: "Dadurch, da man den Willen Gottes erfllt!"

    Kristjan:" Und was ist denn nun der Wille Gottes?"

    Superintendent: "Zweifelsohne die Lehre Christi: "Liebe Gott ber alles und deinen Nchstenwie dich selbst!"

    "Sie sind vllig meiner Ansicht, mein werter Herr Superintendent", rief mein Freund Kristjan inspttischem Tone, "doch wie erfllt denn die Welt diese so hchst einfache, erhabene Lehre? -Sie zum Beispiel, mein Herr Justizrat, nebst allen Ihren Herren Kollegen, leben doch jedenfallsnur von der Nichtliebe, vom Ha, von der Streitsucht des Nchsten, und je mehr es Ihnengelingt, durch schneidige Verteidigung des Schuldigen diesen loszueisen, durch rcksichtslosesVorgehen im sogenannten Interesse Ihrer Klienten diesen Vorteile zu verschaffen, je hherwchst Ihr Ruhm und die Ehre. Je schneidiger, das heit liebloser, rcksichtsloser, um so besserfr den Geldschrank!"

    "Ich mu doch sehr bitten, mich und meinen Stand nicht von diesem Standpunkte aus zu

    betrachten", entgegnete scharf der Justizrat.

    Kristjan: "Jeder andere wrde aber wohl der Wahrheit nicht ganz entsprechen, ich sage das,selbst auf die Gefahr hin, mich einer Verbalinjurie schuldig zu machen.

    brigens ist es mit der so viel gerhmten Wissenschaft nicht anders bestellt. Nicht aus Liebe frden Nchsten, sondern einzig und allein fr den Egoismus werden die Erfindungenausgebeutet. Nicht dem Gemeinwesen, nur der bevorzugten Clique, dem Kapital, kommen dieErrungenschaften der Wissenschaft heutzutage zugute. Das Patentwesen, zum sogenanntenSchutze des geistigen Eigentums, ist ein klarer Beweis dafr.

    In der heutigen Zeit der gegenseitigen Ausraubung sind schlielich diese Gesetze ntiggeworden, weil die Menschheit gewhnt ist, sich nicht als Nchste, sondern als Ruber zubetrachten, von denen einer vor dem andern stets mit geladener Pistole auf der Hut seinmchte. Abhilfe mu hier geschaffen werden, darber ist man einig, aber wie? Etwa durch die

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    Kirche? Diese drfte das kaum vermgen, denn in der Theorie lobt natrlich jeder dieVortrefflichkeit der Christuslehre, in der Praxis aber ist sie ein berwundener Standpunkt.

    Die Kirchen, lngst nicht mehr ein Sammelpunkt frommer Andacht, sind sonntags ja leidlichgefllt, ungefhr wie jeder reinliche Mensch mindestens sonnabends ein Bad nimmt, so wirdauch sonntags der Mensch einer geistigen Katzenwsche unterzogen. Fr Momente, imgnstigsten Falle, taucht er sich in das Wasser eines geistigen Empfindens, meistens aber fliet

    jeder Eindruck an den unempfindlichen Seelen ab, und in der Woche darauf wird flott in alterWeise drauflosgelebt. Der Kirchenbesuch ist Form-, Modesache geworden, abgesehen davon,da die Wahrheit dort auch nicht stets zu finden ist."

    Wieder erhob sich die Stimme des Superintendenten: "Sie scheinen heute in sehr bler Laune zusein. Wenn die Kirche nicht die Wahrheit bietet, wo fnde man sie dann?"

    "Wo?" fiel lebhaft mein Freund (Kristjan) ein, "die Wahrheit hat sich dorthin zurckgezogen, woheutzutage allerdings die wenigsten sie vermuten. In das Herz des Menschen. Hier schlummertsie, und wehe dem, der ihre Stimme erstickt. Es kommt fr jeden Menschen die Zeit, wo alleLaster der Eitelkeit, der Ehrsucht, der Lge, der Gewalt sie nicht am lauten Sprechenverhindern und wo sie dann als frchterlicher Richter erscheint, der die Taten des Menschenabwgt gegen das allen bekannte gttliche Gesetz der Nchstenliebe. Der Mensch hat mitseinem irdischen Leben noch nicht ausgelebt. Sie lcheln, meine Herrschaften, ber denGedanken des strafenden und lohnenden Jenseits; nun, wir werden sehen, wer heute berfnfzig Jahre, also an einem Tage, wo wohl niemand mehr von uns leiblich unsere Erdebewohnt, am besten lacht. Sie, die Sie meistens das Jenseits als ein Mrchen betrachten, oder ich,der ich von einem Fortleben nach dem Tode berzeugt bin!"

    "Mein lieber Freund", sagte im berlegenen Tone ein berhmter Arzt, "Ihre Begeisterung istsehr schn, aber wo sollte denn in dem Krper dieses merkwrdige Ding, das da fortlebt,stecken? Der Mensch, dessen Lebensfunktionen von der Ernhrung abhngen und vomBlutkreislauf, ist ein so vllig materielles Produkt der vegetativen, gtigen Mutter Natur, wie

    jedes andere Ding. Er hat seinen Anfang, seine Blte- und Verfallzeit, und schlielich das Ende.Die sogenannte "Seele" erklrt sich sehr wohl aus dem Aufeinanderwirken der Atome undMolekle und den hieraus resultierenden Krften. Wir brauchen keineswegs auf unbeweisbarephantastische, abgelebte Mrchen zurckzugreifen, um Erklrungen fr das sogenannteSeelenleben zu finden!"

    Kristjan: "Und weil die Wissenschaft, deren Vertreter Herr Doktor, Sie sind, uns sagt, es gibtkeine Seele, und die Wissenschaft doch entschieden recht hat, denn sie beweist ja alles

    haarscharf, wenn auch oft durch Hypothesen, die von uns mehr Glauben fordern als diealtbiblischen Wundergeschichten, so ist das auch wahr, und folglich brauchen wir auch keineSeelensorge, keine Religion, keine Moral, wohl aber das Recht des Strkeren, und ffnen hiermitdem Tiermenschen alle Tore, allen Lsten die unbeschrnkteste Berechtigung. Gerade aus derMedizin heraus sind durch die Leugnung des Seelenmenschen und die Vergtterung desTiermenschen Behauptungen entstanden, die der Sittlichkeit Hohn sprechen und dasIndividuum von der Verantwortlichkeit fr seine Taten freizusprechen suchen. Was sollen wiruns denn auch mit solchen Lappalien, wie Moral, Sitte, edles Selbstbewutsein und Streben,plagen, wenn jeder Grund fehlt, den Menschen als etwas anderes als nur ein hher organisiertesTier anzusehen?

    Geadelt wird der Mensch erst durch das Bewutsein seiner edlen Abstammung, das Wissen,da diese kurze Erdenperiode nur die Vorschule eines hheren, besseren Lebens ist, und dasein hiesiges Leben die Grundlage, der Anfang ist, auf dem sich jenes hhere Leben aufbaut.Wahrhaftig, es lohnte sich nicht dieses irdischen Daseins, wenn dessen Inhalt das Ein und Alles

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    wre!"

    "Wenn es fr das Gegenteil nur einen deutlichen Beweis gbe", seufzte ein Groindustrieller,der durch seine Wohlttigkeit bekannt war, "wie gerne wrde man sich da einen Schatz imHimmel erwerben!"

    "Ich habe diesen Beweis!" entgegnete mein Freund Kristjan ruhig.

    Von allen Seiten tnte ihm ein "Wirklich?" entgegen, in allen Tonfrbungen des Zweifels,Spottes, des Erstaunens, dem sodann die Aufforderung folgte, diesen Beweis kundzugeben.

    Er kam dieser Aufforderung nach durch eine Erzhlung, die ich mir wrtlich gemerkt habe.

    Kristjan begann mit seiner Erzhlung:

    "Allerdings habe ich diesen Beweis eines besseren jenseitigen hheren Lebens, aber nur frmich allein, denn was ich als solchen vorbringen kann, sind Erlebnisse, die von Ihnen vielleichtals eine Geschichte aus "Tausend und eine Nacht" angesehen werden und Ihnen nicht

    beweiskrftig sein drften, falls meine Glaubwrdigkeit nicht unanfechtbar in Ihren Augendasteht. Selbst wenn ich vermute, da letzteres nicht der Fall ist, so sollen Sie doch alles hren,weil ich ein Zeugnis geben will dessen, was mein Handeln innerhalb der letzten Zeit beeinfluthat, weswegen ich sogar mit den Gerichten in nchste Beziehung kam und mit den Segnungendes vormundschaftlichen Verfahrens bekannt wurde!" Er verneigte sich bei diesen Wortenleicht zu seinen etwas verlegen dreinschauenden Verwandten hin und fuhr dann also fort:

    "Als ich vor etwas lngerer als jetzt einem Jahre eine Forschungsreise nach Afrika unternahm,geschah dieses lediglich nur aus dem Grunde, weil ich hoffte, aus dieser Reise Vorteile frmeinen inneren Menschen zu ziehen. Die Groartigkeit der unbekannten innerafrikanischen

    Natur lockte mich, ich wollte noch ferner die Werke Gottes an ihr studieren, wolle seine Gesetzeergrnden, um so meine Erkenntnis zu bereichern, die ich sodann meinen Menschenbrdernnicht vorenthalten wollte. Ich frchtete mich nicht vor den Eingeborenen, wute ich doch, dadiese harmloser sind, als allgemein ausgeschrieen wird, und da ihre sogenannte Wildheit undRachsucht mehr eine Frucht des beispiellosen, unwrdigen Auftretens der Europer ist, alsangeborene Grausamkeit, wenn auch nicht geleugnet werden kann, da ihre Begriffe berLeben und Tod, Menschlichkeit und Menschenwrde andere sind als die unsrigen. Damit willich nicht sagen schlechter, denn ein Kannibale, der seinen Feind totschlgt und auffrit, handeltdoch manchmal noch menschlicher als ein zivilisierter Europer, der seinem Feinde listigeFallstricke legt, ihn vermittelst der Gesetze verfolgt, ihn ruiniert und langsam zu Tode hetzt,

    damit er in Verzweiflung ende. Die Wilden lieben das summarische, wir das langsame,qulende, unserer sogenannten Ehre mehr Genugtuung und Befriedigung gebende Verfahren."

    Erlebnisse im Mondgebirge

    Mich reizte das sagenhafte Mondgebirge, jener Alpenzug, der, noch vllig unerforscht, der Sitzsagenhafter Berichte ist. Es gelang mit, mit meiner Expedition bis dorthin zu dringen, ohne daich allzu groe Schwierigkeiten zu berwinden gehabt htte; nicht aber war ich imstande,weder meine von der Kste mitgenommenen Leute noch die dortigen Eingeborenen zubewegen, mit mir weiter vorzudringen und jene Gipfel zu besteigen, die ein groes Geheimnis

    zu verbergen schienen, das zu ergrnden meine Wibegierde anspornte.

    Die Eingeborenen belehrten mich, auf und hinter jenen Bergen hausten mchtige Geister, die esihnen grimmig vergelten wrden, falls ich von meinem Unternehmen nicht abliee. Sie wutenviel von dortigen Dmonen zu erzhlen, da sie gtig seien, solange ihre Ruhe nicht gestrt

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    wrde, aber da sie andernfalls ein Eindringen mit dem sichern Tode straften. Alles das reiztemich nur noch mehr. Jene Hhen erschienen mir als ein Ziel, nach dem ein fast unerklrlichesSehnen mich erfate, dem ich unmglich widerstehen konnte. Ich beschlo ntigenfalls alleinvorzudringen. Vergebens war alles Abraten. Ich befahl meinen Leuten, sich hier zu lagern undmeine Rckkehr zu erwarten, und suchte die erregten Eingeborenen dadurch zu beruhigen, daich versprach, die Biester mit meinem Leben selbst zu vershnen, falls sie mir zrnen wrden.

    So machte ich mich auf den Weg.

    Nach beschwerlichem Marsche erreichte ich den Fu des Gebirges und begann den Aufstieg.

    Die Groartigkeit der Natur berwltigte mich. Majesttische Ruhe lag berall ausgebreitet,kein lebendes Wesen war zu sehen, nicht einmal gefiedertes Volk war sichtbar. Ich stieg rstigbergan. ber Felsen, durch Gestrpp und Grser, durch Waldungen und weitere Triftenerkletterte ich die Hhe und kam langsam, aber doch sicher meinem Ziele immer nher. Nichtszeigte sich von Geistern, keine tckischen Krfte bedrohten mich, berall war tiefe,geheimnisvolle Stille. Die Einsamkeit der majesttischen Gottesnatur erzeugte in mir eineAndacht, der sich kein Mensch von einigem Empfinden in solcher Lage wird erwehren knnen,es ist, als sprche der Geist Gottes zu uns mit leisem Flstern: Da siehe Meine Werke,bewundere Meine Allmacht, aber liebe mich, das ist alles, was ich von die verlange, und ichwerde es dir vergelten tausendfach!

    Ich hatte etwa die Hlfte des Weges zurckgelegt und ruhte auf einem Felsblock von dembeschwerlichen Marsche aus, das Auge verloren auf die unter mir liegende, herrlicheTropenlandschaft gerichtet; pltzlich erfate mich ein eigentmliches Gefhl, als wre ich nichtmehr allein und wrde beobachtet.

    Unwillkrlich fate ich mein Gewehr fester, das geladen in meinem Arme ruhte, und meine

    Blicke richteten sich geheimnisvollen Magneten, der mich zu sich zog. Ich konnte dasbeklemmende Empfinden des Beobachtetseins nicht loswerden, verlie meinen Platz undbegann direkt dem Gipfel des Berges zuzuklettern.

    Mit groer Anstrengung und aller Ermdung spottend verfolgte ich mein mhsamesUnternehmen, bis ich endlich vor mir eine Art Terrasse des Berges sah, die willkommenenRuheplatz verhie. Mein Gewehr ber der Schulter gehngt, die Provianttasche an der Seite,mit beiden Hnden einen Stab, den ich als Bergstock bentzte, fassend, hatte ich nur Augen,meinen Fen einen Sttzpunkt zu suchen, und achtete nicht auf das, was ber mir etwa in derHhe vorging. Da fiel ein Schatten auf meinen Weg, und aufschauend gewahrte ich am Rande

    jener Felsenterrasse, der ich zustrebte, einen jungen Menschen stehen, dessen Aussehen michstutzen machte.

    So hatte meine Phantasie sich stets den jungen Jacob vorgestellt, als er die Schafe Labansweidete.

    Freundlichen Blickes reichte er mir die Hand, um meinen Aufstieg zu erleichtern aber dieserklare Blick enthielt eine solche magische Gewalt, da ich meinte, mich nie mehr von diesenAugen abwenden zu knnen.

    Ich sah vor mir einen Jngling von unzweifelhaft arischer Abstammung, gebrunter Hautfarbe,schwarzem, kurzem Lockenhaar und edelster Gestalt, gekleidet wie die Hirten des Altertums,mit kurzer Tunika und Sandalen an den Fen. Meine erstaunten Blicke musterten diesen sounverhofft aufgetauchten jungen Menschen, doch ergriff ich beherzt die dargebotene Hand undschwang mich mit einem Satz hinauf zur Terrasse neben ihn.

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    "Willkommen, Fremdling", sprach er mich mit angenehmer Stimme in meiner Muttersprachean.

    War ich vorher erstaunt gewesen, so war meine Verblffung jetzt geradezu grenzenlos, hier indieser Wildnis die Laute meines Landes zu hren. Hastig fragte ich ihn, wer er sei.

    Der Jngling lchelte und sagte: "Ruhe erst ein wenig, wir haben noch einen weiten Weg."

    Er wies nach einer anscheinend tiefen Hhle, die sich in dem Felsen zeigte und deren InneresKhlung und Schutz vor der glhenden Sonne bot. Gerne folgte ich der Aufforderung, strecktemich auf den trockenen, weichen Sand, der den Boden der Hhle bedeckte, neugierig den

    jungen Menschen betrachtend, der nun am Eingang stand und aufmerksam in die weite Ebeneblickte, ohne sich weiter um mich zu kmmern. Mich hatte der Marsch hungrig und durstiggemacht. Ich griff daher nach den Strkungen der Provianttasche und lud den rtselhaftenUnbekannten ein, teilzunehmen an meinem Mahle. Er dankte freundlichst und sah mir lchelndzu, wie ich hastig meinen Vorrten zusprach. Ich verhielt mich lngere Zeit stillschweigend,kannte ich doch die Sitte der Eingeborenen sehr wohl, die da verlangt, eine neue Bekanntschaftnicht durch vieles Fragen einzuleiten, sondern erst ein mglichst ruhiges, wrdevollschweigsames Benehmen anzunehmen. Die Miachtung dieser Sitte kann die rgstenUnzutrglichkeiten herbeifhren. Ich beendete daher schweigend mein Mahl, packte in allerRuhe meine Provianttasche zusammen und sah dann meinen noch immer stumm dastehendenUnbekannten fragend an.

    "Ich stehe ganz zu deinen Diensten und will dich zu Meinen fhren", sagte er ruhig.

    Ich war wiederum berrascht, denn er hatte eine genaue Antwort auf meine unausgesprocheneGedankenfrage gegeben.

    "Wer sind die Deinen?" fragte ich, whrend ich unwillkrlich fr mich berlegte, ob ich es auchwagen knne, ohne weiteres zu folgen.

    "Du kommst zu Freunden und wirst deine Waffen nicht brauchen, diese sind nutzlos bei uns",sagte er, wieder in richtiger Erkenntnis meines Gedankenganges, "bei uns herrscht der Friede!Im Frieden bin ich dir entgegengekommen und werde dich mit diesem leiten, bis du unsverlt. Mein Vater harret deiner schon lngst. Es ist derjenige, der mich hier dich erwartenhie. Er sah dich in unser Land kommen, und da du guter, edler Gesinnung, so hat er dichbeschtzt. Uns ist mehr mglich, als du ahnst. Ich zog dich, seit du in Gesichtsweite bist, mitmeinem Willen hierher und beobachtete dein Kommen, sonst httest du den Weg nicht

    gefunden."

    Mein Erstaunen war jetzt der Gewiheit gewichen, einem Geheimnis gegenberzustehen, dasich jedenfalls lsen wollte. Der junge Mensch hatte stets auf meine blitzartig auftauchendenGedanken geantwortet, noch ehe ich diese in Worte einzukleiden vermochte. Meine frherenStudien ber sogenannte okkulte Wissenschaften gaben mir den Schlssel, da hier eineGedankenbertragung stattfand, wodurch eine derartige schnelle Unterhaltung ermglichtwurde. Die eigentmliche Sehnsucht nach dieser Hhe, die mich im Tale erfat hatte, dasGefhl des Beobachtetseins, whrend ich mich allein whnte, kam mir jetzt in den Sinn;entschlossen sagte ich zu dem jungen Menschen: "Ich bin bereit, dir zu folgen!"

    Freundlich nickend rief er mir zu: "Komme, deine Fragen werden dir bei uns beantwortetwerden!" und schritt in das Innere der Hhle. Ich folgte. Ein schmaler gewundener Gangffnete sich wie ein Tunnel, wir schritten hinein. Bald umgab uns sichte Finsternis und ich bliebstehen. Mein Fhrer fate mich an der Hand und zog mich nach sich, ohne da irgendein

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    Hindernis meine Tritte nunmehr strte. Wir gingen lange Zeit in diesem von der Naturerbauten Tunnel, als pltzlich aus der Ferne ein Stern aufschimmerte, der, allmhlich grerwerdend, sich schlielich als das Ende des Tunnels erwies, in das das helle Tageslichthereinflutete. Wir erreichten Den Ausgang der Hhle, und nun bot sich meinem berraschtenBlick ein ganz auerordentliches Bild. Vor mir ffnete sich ein Bergkessel, der vielleicht fast eineMeile im Durchmesser haben mochte. Vllig unzugngliche hohe Berge, deren kahle Gipfelhoch in die Wolken ragten, schienen jeden Zugang zu diesem abgeschiedenen Orte zuverschlieen.

    Allem Anschein nach bot die Hhle, die wir durchwandert hatten, den einzigen Zugang zudiesem verborgenen, bergumgrenzten Tal. Ein Durchblick oder eine tiefere Einsenkung desRing-Gebirges, wodurch ein Hinterland zu erblicken gewesen wre, war nicht ersichtlich. Daszu meinen Fen liegende Tal war von zahlreichen Bchen durchstrmt, die in einen klaren,anscheinend sehr tiefen See sich ergossen. An den Ufern des Sees wuchs die ganze Flle dertropischen Flora, und aus dem dunklen Grn der Palmen und mannigfaltigen Gebsche lugtenfreundliche helle Wohnhuser hervor, die nach orientalischer Art gebaut waren. Das Ganzemachte den Eindruck, wie sich meine Phantasie oftmals die biblischen Ortschaften derProphetenzeit vorgestellt hatte. Ein unsagbarer Friede ruhte auf der Landschaft, kein Hauchregte sich, da von den schtzenden riesigen Bergketten die Luftstrmungen abgehaltenwurden.

    Mein Fhrer ermahnte mich, ihm genau zu folgen, weil der Abstieg nunmehr beschwerlichwrde. Er fhrte mich ber Gerll und durch hohe Gewchse in Schlangenwindungen den Berghinab. Sein kraftvoller Arm mute mich oftmals sttzen, und ich bewunderte die Sicherheit, mitder dieser Jngling spielend und mhelos die grten Hindernisse berwand, whrend ich imSchweie meines Angesichts der groen Anstrengung manchmal zu unterliegen drohte. Leicht,als htte er Flgel, sprang er auf Felsblcke und zog mich nach sich; dann wieder rollte er groeSteine beiseite, damit mein Fu besseren Sttzpunkt fasse, so da ich die Kraft nicht begreifenkonnte, welche in dem doch nicht herkulischen Krper wohnen mute.

    Wir hatten bei unserem Abstieg die Richtung nach einem Sattelvorsprung des Gebirgeseingeschlagen, auf dem ein greres Gebude stand, das gewisserart die Umgebung zubeherrschen schien. Jedenfalls konnte man von ihm aus das ganze Tal leicht berschauen, undmein Fhrer sagte mir, da dieses das Ziel unserer Wanderung sei. Wir traten nur in einenWald ein und gewahrten gebahnte Wege, die wir beschritten.

    "Gleich sind wir am Ziel", rief er mir ermutigend zu, wiederum im richtigen Erkennen meinesunausgesprochenen Wunsches, "doch ist das fr dich Schwierigste noch auszufhren." DieseWorte waren mir nicht angenehm, da meine Erschpfung einen Hhepunkt erreicht hatte, dermit dem gnzlichen Versagen meiner Krfte gleichbedeutend war. Ich schleppte mich mehr, alsich ging, und als der junge Mann nun stille stehend nach einer Lichtung wies, gewahrte ich,nher tretend, da die jh abfallende Felswand vor uns einen frchterlichen Abgrund ffnete.Es war unmglich, weiter vorzudringen, schauerliche Tiefen schnitten jeden Weg vor uns ab.Von unten herauf lachten die freundlichen einladenden Wohnhuser aus dem tiefen Grnherauf, aber es war keine Mglichkeit vorhanden, dieselben zu erreichen, ich htte denn desAdlers Flgel besitzen mssen.

    Lchelnd sah der Jngling mich an und wies auf meine Fragen, wo der Weg sich fortsetze,direkt hinunter in die schauerliche Tiefe. Entsetzt sah ich ihn an, glaubte ich doch in diesemAugenblick einen Wahnsinnigen vor mir zu haben. Bald jedoch wurde ich eines besserenbelehrt. Von unten, aus dem Abgrund herauf, dicht an der glatten Felsenwand, erhob sichpltzlich ein schmales Gerst, wie aus einer Theaterversenkung, auf dem mehrere Personen

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    Platz hatten. Der junge Mann fate meine Hand und zog mich, dasselbe betretend, nach sich.Ich sah jetzt, da eine Art Fahrstuhl die Verbindung zwischen der Hhe und dem Taleherstellte, mute jedoch sofort schwindelnd die Augen schlieen, als ich die frchterliche Tiefeerschaute, und hielt mich bebend an meinem Fhrer fest. Die Fahrt ging rasend schnell hinab indas Tal. Mir verging der Atem, ich wagte nicht die Augen zu ffnen, da, ein leichter Sto, dasGefhrt ruhte, wir waren unten.

    Schaudernd ma ich die frchterliche Hhe der Felsen in deren Gestein die kunstvolleMaschinerie in mir unerklrlicher Weise eingefgt war, und dann umherblickend bemerkte ichmehrere krftige, herrliche Mannesgestalten, hnlich wie mein Fhrer gekleidet, die hieranscheinend das Wchteramt vertraten. Achtungsvoll begrten uns diese. Einer von ihnen tratauf mich zu und forderte mich freundlich auf, mein lstiges Gepck und die Waffen ihmanzuvertrauen. Ich tat es. Wenige Schritte entfernt gewahrte ich ein freundliches Huschen,vom Gebsche fast versteckt. Von dort hrte ich munteres Pferdegewieher, und gleich daraufbrachte ein Knabe ein gezumtes Pferd, welches mein Fhrer mich zu besteigen bat. Ich warwie unter einem Banne, es kam mir nicht der Gedanke eines Widerspruches, nicht die Frage inden Sinn, was man mit mir vorhabe. Das ganze Abenteuer war so seltsam, erschien mir somrchenhaft, da ich mich ohne Zgern vllig dem Augenblicke hingab, wohl wissend, dawenn man Bses mit mir vorhabe, jetzt doch jeder Widerstand nutzlos sei und nur ein wrdigesBenehmen von Vorteil sein knne. Doch wie gesagt, ich frchtete mich nicht, denn diese vlligwaffenlosen Mnner hatten nur ein das hchste Zutrauen erweckendes Benehmen an sich. Daskrftige Pferd, das mich trug, schritt munter vorwrts, mein erster Fhrer und derjenige Mann,welcher mein Gepck abgenommen hatten, schritten schweigend nebenher und fhrten michauf guten Wegen dem schon erwhnten, das Tal beherrschenden Hause zu, das jetzt durchBume teilweise verborgen war.

    Nach lngerer Wanderung tauchte es pltzlich aus dem Grn hervor. Mitten auf der Plattformdes Hgels, umgeben von mchtigen Palmen und blhenden Bschen, erhob sich einmchtiges, morgenlndisch gebautes, herrliches Gebude von hchster architektonischerSchnheit, ein weiter Hof mit Nebengebuden schlo sich an der einen Seite an, whrend dieandern Seiten ein prachtvoller, sorgsam gepflegter Blumengarten, der sich den Hgel hinabzog,umgab. Ich sah mich in eine Mrchenwelt versetzt. Kostbare Statuen, pltschernde Brunnen,springende Fontnen schmckten diesen Garten, herrliche, liebliche Blumen von nie gesehenerPracht und Gre dufteten, dazu der goldige Sonnenschein, das lichte Blau des Himmels, dieriesigen, schneeigen Gipfel der gewaltigen Berge, die den Hintergrund malerisch umschlossen,der Blick in das kstliche, friedvolle Tal vor uns, alles das war von berauschender Schnheit,von berwltigender Erhabenheit. Wollte sich whrend des Rittes doch manchmal zweifelndeSorge um mein Wohlergehen wieder einschleichen, jetzt schwand diese vllig, denn Menschen,die diese Gegend bewohnten und solche Kunstwerke, wie dieser Garten war, zu schaffenverstanden, konnten nur hochgesittet und unmglich anders als gastfreundlich sein.

    Aus der Tr des prchtigen Hauses trat jetzt ein grogewachsener, wrdiger Mann in mittlerenJahren hervor, gefolgt von einigen Mnnern, anscheinend den Dienern des Hauses. Mein jungerFhrer eilte ihm entgegen und wurde von ihm umarmt, sie wechselten einige Worte undsodann rief mir der Mann, der, wie ich sofort erkannte, der Hausherr war, einen freundlichenFriedensgru zu und forderte mich auf, einzutreten. Ich folgte ohne Zgern, wurde von demHausherrn ebenfalls umarmt, leicht auf die Stirne gekt und sodann in ein hohes, freundlichesGemach gefhrt, das angenehme Khlung spendete. Ich war mit dem gebietend aussehendenManne allein.

    Selten hatte ich einen Menschen von so hoheitsvollem, edlem Aussehen gesehen. Einepriesterliche Wrde ging von ihm aus, die durch die weie bis zur Erde reichende faltige

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    Kleidung wesentlich verstrkt wurde. Seine Bewegungen zeigten einen kniglichen Anstand,seine tiefe, wohlklingende Stimme war von geradezu fesselnden Eindruck, die Klarheit und derGlanz seiner Augen von einer Gewalt, die auch den verstocktesten Snder htten erzitternlassen. Staunend blickte ich auf das reiche, orientalisch geschmckte Gemach, die kunstvollenTeppiche und Vorhnge, die teilweise europische Ausstattung des Gertes und den lchelndauf mich schauenden Hausherrn, der augenscheinlich wohlgefllig mich betrachtete und demgegenber ich mir vorkam wie ein befangener Brger, der unerwartet und zum ersten Maleseinem Frsten gegenbersteht.

    "Nochmals willkommen, Freund", redete er mich an und reichte mir die Hand. "Du wunderstdich, hier mitten in einer erwarteten Wildnis ein gesittetes Volk zu treffen. Nun, wie gefllt dirdiese Offenbarung des Geheimnisses, dem zu zustrebtest? Entspricht es deinen Erwartungen?"

    Ich erwiderte: "Freund, wer du auch seist, gestatte, da ich zuvor von all dem Seltsamen, dasich schon gesehen, mich ein wenig erhole und zunchst meine Sinne an das Unerwartetegewhre. Ich bin verwirrt. Mitten in dem geheimnisvollen Afrika finde ich Menschen, die meineSprache reden, finde ein Paradies, finde Kultur und Sitte, whrend jenseits der Berge alles soanders ist. Wie ist es mglich, da unsere Welt nichts von euch wei?"

    "Weil wir es so wollen, nach dem Willen des Hchsten", antwortete ernst der Hausherr, "undgegen meinen Willen httest auch du nie und nimmer diesen Weg gefunden. Du gehrst zuunserem Geschlechte, irrtest verloren unter jenen Menschen umher, die da glauben, die Herrendieser Erde zu sein, die suchtest uns, wenn auch unbewut, und so zog ich dich hierher, damitdu das innere Kleinod finden mgest, das jeder sucht und wenige finden."

    Erstaunt sah ich auf den Sprecher. Dieser fuhr fort: "Hat dich nicht der Unfriede in dir fastverzehrt, trieb dich der Durst nach reiner Erkenntnis nicht von Land zu Land, suchtest du nichtselbst eine Zeitlang durch sinnloses Vergngungsleben dich zu betuben, weil du daranverzweifeltest, Wahrheit zu finden; denn alles erwies sich dir als Tuschung und eitlerSelbstbetrug: Das Wissen und Knnen der Welt, das Leben und Treiben der Menschen. Ghntedich nicht die Leere des Daseins, das dir so ohne Zweck und Ziel erschien, wie ein offenerHllenrachen an, dem du doch niemals entfliehen zu knnen vermeintest?

    Sie, es gab eine Stunde in deinem Leben, die entscheidend fr die sein sollte. Du hattest dasWissen der Welt in dir aufgespeichert und erkanntest, wie wenig dieses geeignet ist, um dieLebensrtsel zu lsen. Du hattest dem Wesen des Lebens nachgeforscht, doch weder Retortenoch Seziermesser konnten dir dieses erklren, denn du suchtest Gott im uern, und sokonnte Er sich dir auch nicht offenbaren; dadurch fhltest du dich vereinsamt und verlassen,

    und dieses grauenhafte Bewutsein der de war dich einstens in deinem Studierzimmer mit sogroer Gewalt zu Boden, da du im innersten Herzen aufschriest: "Gott, da droben, wenn Dubist, so offenbare Dich mir, und ich will Dich preisen!"

    Heie Trnen weintest du, und als durch diese dein schweres Herz sich erleichtert hatte, fieldein Blick auf ein neues Werk ber Afrika, das von dir achtlos zur Seite geschoben war.Zndend fiel der Gedanke in deiner Seele, dorthin zu wandern, und verlie dich nicht wieder.Du fhrtest dein Vorhaben aus, und jener Aufschrei, der hier bei uns einem Widerhallgefunden hat, wird dich erlsen; du sollst den langgesuchten Frieden finden!"

    Staunend sah ich den Sprecher an und fragte stammelnd: "Wer bist du, da dir diese Dingebekannt sind? In jener Stunde war ich allein, keines Menschen Auge hat mich gesehen, unddennoch ist dir nicht nur das uere, sondern auch der geheimste Gedanke meiner Seelebekannt. Bist du ein allwissender und allsehender Gott? Seid ihr Gtter, die nur im scheinbarenFleischleibe auf Erden wallen?"

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    Mein Wirt sagte ernst: "Und sollen wir Menschen nicht Gtter werden, nicht Gtter sein? Ist derstolze Name "Ebenbild Gottes", den der Mensch trgt, nicht ein Zeugnis dessen, da ervollkommen werden soll, wie der Vater im Himmel es ist? Was wunderst du dich, wenn du indieser segensvollen Abgeschiedenheit Menschen findest, die auf dem Wege zurVollkommenheit dir ein wenig voraus sind? Freilich, da staunst du und bietest ein getreues Bildder allgemeinen Menschheit dar, die jenseits dieser Hhen in den Lndern der sogenanntenZivilisation wohnen. Diese staunen, sobald etwas ber den Rahmen ihrer selbstgemachtenBegriffe hinausgeht; alles das ist ihnen dann unfabar und unwahr, es ist ein Schwindel. Willstdu nicht auch grbeln, auf welche weltlufige Art ich etwa Kunde von dir erhalten haben, um

    jetzt einen schlauen Betrug auszufhren, ein Gaukelspiel, um vor dir als hheres Wesen zugelten? Sieh um dich, du bist bei mir, sogar in meiner Gewalt, was knnte es fr einen Zweckhaben, dich, den Fremdling, der uns nichts ntzen kann mit seiner mitgebrachten Kultur,tuschen zu wollen? Drum habe sehende Augen, lerne bei uns, da du uns nichts lehren kannst!"

    Ich schwieg eine Weile beschmt - hatte doch der Hausherr sofort die in mir aufsteigendenGedanken erkannt und ihnen Ausdruck gegeben - und sprach dann: "Freund, wer du auchseist, fhre mich aus diesem Chaos widerstreitender Gefhle heraus, damit ich imstande bin zulernen, leite mich an, meine Gedanken zu beherrschen; denn ich sehe, diese sind dir alleoffenkundig, und ich frchte fast, diese sind dir alle offenkundig, und ich frchte fast, dieseunheimliche Wissenschaft knnte hindernd zwischen uns treten."

    Lchelnd sagte der Hausherr: "Was hindert dich denn, alle feindlichen Gedanken zuverbannen? Unter den sogenannten Kulturmenschen ist Mitrauen Lebensklugheit, und dieKunst, das Innere entgegengesetzt dem glatten ueren zu gestalten, der hchste Triumphgesellschaftlichen Formenwesens, doch hier bist du ja bei den Wilden, denn von eurergewohnten Kultur findest du bei uns keine Spur. Hier ist Offenheit Naturgesetz, dem Menschenlesen wir die Gedanken von der Stirne. Tuschung ist nur mglich da, wo miachteteSittenreinheit das Geistesauge trbt; bei uns gilt nicht die gesellschaftliche Form, sondern diebereinstimmung von Gedanken und Tat, geleitet durch die Liebesweisheit, als hchstenTriumph des Lebens. Verbanne darum jedes Mitrauen, jage es hinber, weit hinter jeneunbersteigbaren Berge; hier wohnt nur Brderlichkeit und Wahrheit, du hast hier nichts zufrchten. Komm, ruhe hier aus und la uns plaudern, wie es Menschen geziemt, die sich alsBrder erkennen; frage - ich werde antworten. Willst du dich strken, so geniee von diesenSpeisen."

    Mit diesen Worten entnahm er einem Schranke ein Krbchen frischer Tropenfrchte und setzteeinen Krug, gefllt mit kstlichem Weine, auf einen Tisch. Ich streckte meine noch vom Wegeermatteten Glieder auf ein Polster aus und griff wacker zu.

    Nach kurzer Pause fragte ich meinen Wirt: "Erklre mir, mein Freund, wie ist es mglich, meineGedanken zu erkennen? Auch deinem Sohne war dies ein leichtes, wie ich schon an mirerfahren habe. Worauf beruht diese wunderbare Gabe, deren Mglichkeit bei uns geleugnetwird?"

    Er antwortete: "Weil wir das Lebensziel des Menschen erkennen und das Gesetz erfllen. Duverstehst mich nicht, nun wohl, so hre:

    Nimm irgendein Buch, du wirst die geschriebenen oder die gedruckten Buchstaben leicht

    entziffern und den Sinn, den sie umkleiden, ohne Mhe begreifen, weil dir die Kunst desLesens sehr gelufig ist. Kommt nun ein Mensch, der diese Kunst noch nicht verstehend, dasBuch betrachtet und, weil er die krausen Zeichen nicht deuten kann, behauptet, es seiunmglich, aus ihnen einen Sinn abzuleiten, so wird deine Kunst deswegen doch bestehenbleiben und deren einfache Gesetze dem Kenner klar ersichtlich sein. So ist es auch hier. Das

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    Leugnen der Nichtkenner wird das Gesetz nicht aufheben. Was schafft den in dem Worte dasVerstndnis, der Laut, oder der Begriff, der mit den Lauten verbunden ist? Gewi nur derBegriff, der Laut ist nur das bertragungsmittel von einer Person zur andern. Nun denke, wennsich das bertragungsmittel ndert, wrde sich dann der Begriff auch bertragen lassen?Gewilich, denn die Schrift zum Beispiel ist schon ein solches Mittel. Ich frage dich nun, aufwelchem Wege verstehst du die durch Laute oder in der Schrift eingekleideten Begriffe?

    Jedenfalls dadurch, da in deinem Gehirn durch den Reiz des Lautes oder desBuchstabenbildes der umkleidete Begriff in deiner Seele klargestellt oder erweckt wird. Liegtaber in deiner Seele nicht bereits der Begriff, so kann er auch nicht erweckt werden, der Menschversteht sodann nicht das bermittelte, weil sein Wissen eine Lcke aufweist, die erstausgefllt werden mu, indem er lernt. Wrden nun zwei Menschen, in deren seelischemVorstellungsvermgen gengend Begriffe, also Wissen, aufgespeichert liegen, noch ein anderes,bisher unbekanntes Mittel finden, als nur den Reiz des Lautes oder Buchstabenbildes, um dieseBegriffe in der Seele gegenseitig zu erwecken, so wrden sie sicherlich sich ebenso gelufigverstehen knnen, als wie auf den allgemein gekannten Wegen.

    Ein solches Mittel gibt es, es ist der Wille.

    Wird dieser gengend gebt, so da die ausgehenden Willensimpulse empfunden undaufgenommen werden, so ist das Verstndnis nicht schwierig. Jeder Gedanke ist aber mit einemWillensimpulse verbunden, sonst knnte die Seele ihm nicht gewisserart Leben einhauchen undihm solchen Nachdruck geben, da der Mensch von sich sagt: Dieser Gedanke lebt und herrschtin mir. Bin ich nun empfindlich genug, diese Reihe von noch so schwachen Gedanken -Willensimpulsen - zu empfinden, und ich empfinde sie, hnlich wie du das Gesprch andererhren oder nicht hren kannst, je nach deinem Interesse, so lese ich auch deine geheimstenGedanken, weil du nicht denken kannst, ohne denken zu wollen, und dieses Wollen derVerrter wird.

    Wir sind hier sehr gebt, Willensuerungen zu empfinden, weil unsere Erziehung dahin geht,vor allen Dingen den Willen zu ben. Wir gehen von dem Grundsatz aus, da zuerst derMensch, um seinem Daseinsziele gerecht werden zu knnen, sich selbst beherrschen mu. Daswill besagen, da er nicht etwa nur uere Selbstbeherrschung zu zeigen vermag, whrend imInnern der Sturm tobt, sondern da er jede seelische Regung grndlich zu beherrschen versteht,so da diese nie ber den Willen in Gestalt der Leidenschaft sich erheben knne, sondern stetsvon diesem regiert wird. Lediglich uere Selbstbeherrschung ist Verstellung, die wir hassen.Innere und uere Selbstbeherrschung, die unzertrennlich auftreten mssen, sind eine Tugend,die den Menschen zur Hhe des wahren Menschentums fhrt. Durch diese Tugend vermgenwir viel, weit mehr als unsere Brder in den sogenannten zivilisierten Lndern, die sich sogerne als Herren der Natur betrachten und doch nur die Sklaven derselben sind, wenn sie auchgoldene Ketten tragen."

    Verwundert fragte ich: "Wie, meine Brder wren Sklaven" Blht nicht Kunst und Wissenschaftin jenen Lndern, sind die Erfindungen der Neuzeit nicht Triumphe des siegreichenMenschenverstandes?"

    Ernst entgegnete mein Gastgeber: "Freund, im Laufe der Zeiten hat es schon oftmals Vlkergegeben, die den Verstand wohl auszubilden wuten, die Groes leistete, von denen dieGeschichte zu berichten wei, die Knste, Wissenschaften trieben, und wo sind deren Spurennun geblieben? Verweht ist deren Dasein, und die jetzige Welt meint, das sei das allgemeineSchicksal, dem nicht zu entgehen ist; Neues msse stets auf Altes folgen, und es sei eitel, zumeinen, es knne, was vom Menschensinn erschaffen worden, jemals von ewiger Dauer sein.

    Und dennoch knnte sehr wohl das einmal Errungene unvergnglich den kommenden

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    Geschlechtern erhalten werden, wenn nur die rechten Wege benutzt und nicht miachtetwrden. Es gengt nicht, nur zu schaffen; damit das Geschaffene von Dauer sei, mu ihmErhaltungskraft gegeben werden, die da ausbaut, verbessert und ergnzt. Nun sieh, damit dieseErhaltungskraft sich uere, wirst du des Willens wieder nicht entbehren knnen. Leicht ist esdir ersichtlich, da eine liederliche Arbeit weniger dauerhaft sein wird als eine ernst verfertigte;zur einen brauchst du weniger, zur andern mehr Anstrengung des Willen, und diese dadurchmitgegebene verschiedene Erhaltungskraft zeigt sich auch bald recht ersichtlich an dem Werke.Die Werke, die geschaffen werden zum Zwecke des Genusses - und was die Menschheit schafft,hat meist nur diesen Zweck -, sollen auch schnell zustande kommen, damit der Genu rechtbald ermglicht werde, und damit tragen sie den baldigen Verfall schon in sich, denn es istliederliche Arbeit, die der Zeit nicht widersteht; nur das hat Dauer, dem der ernste WilleErhaltungskraft verleiht und das dadurch auch der Zeit zu trotzen vermag. Doch besser als alleWorte wird dir das Beispiel zeigen, was der Wille bei uns vermag. Komm, folge mir, la unseinen Rundgang machen, damit du die Bewohner dieses Tales kennenlernst! Oder fhlst dudich noch ermdet?"

    Ich verneinte, denn wunderbarerweise empfand ich keine Spur mehr der frherenErschpfung, und gerne war ich bereit, meinem Wirte zu folgen.

    Mein Gastgeber fhrte mich nun hinaus. Wir gingen den Hgel hinunter zu jenen freundlichenHusern, die ich von der Hhe aus schon bemerkt hatte. - Ich will darber kurz sein. -

    Ich habe dort Menschen gesehen, die weder Zwietracht, noch Neid, noch Rang kannten,sondern die als Brder miteinander verkehrten, brderlich sich untersttzten und vor allenDingen hohes geistiges Wissen besaen. Jene Fhigkeit, welche mich so sehr in Erstaunengesetzt hatte, die Gedanken anderer zu lesen, besaen sie alle; es war daher unmglich, da dieLge und der Trug sich breitmachen konnten, ein nutzloses Beginnen, das sofort dieVerachtung aller zur Folge gehabt htte.

    Die freigebige Natur gewhrte ihnen zum Lebensunterhalte alles, jedoch wuten sie dietreibenden Krfte derselben durch eine wunderbare Willenskraft zu verstrken und zubenutzen. Ihre Felder und Fruchtbume trugen einen Segen, wie er mir bisher unbekannt warund unglaublich erschien; spter erst wurde es mir klar, welche Gesetze ihre Fruchtbarkeitbewirkten. - Wunderbar war die Wirkung ihrer Willenskraft, die sie ausbten, gegenseitigsowohl auf sich, als auf alle anderen lebenden Wesen. - Auf Entfernungen, wohin der Ruf derStimme nicht gelangte, verstndigten sie sich mit Leichtigkeit durch den Willenstelegraph(Telepathie); das Gesetz war dasselbe, welches mein Gastgeber entwickelt hatte. - Die Tieregehorchten ihrem unausgesprochenen Willen ebenso wie die mhsam abgerichteten Tiereunserer Kulturbnder, nur weit williger und genauer. - Mein Fhrer zeigte mir das glcklicheFamilienleben der Talbewohner. Beide Geschlechter lebten hier sich liebevoll ergnzend, hiergab es keine Herrschsucht, keine Emanzipation. In dem gegenseitigen Bestreben, sich Liebe zubezeugen, suchte auch kein Teil die Grenzen zu berschreiten, die jedem Geschlechte gezogensind. Wahre Erkenntnis der Pflichten zeigte sich allezeit in ihrem Handeln. Das Alter wurdevon ihnen geehrt, wie ich es nie bei andern Vlkern gesehen, und diese Ehrfurcht warbegreiflich, da die Last des Alters von den Greisen nicht empfunden wurde; denn dort fand ichnur alte Menschen, die nicht nur im vollen Besitze ihrer Krperkrfte waren, sondern infolgeihrer Erfahrung und ihres inneren Lebens auch im Besitze erhhter Geisteskrfte und desumfangreichsten Wissens. - Nicht dieser kurze Gang allein berzeugte mich von alledem,sondern ein lngerer Aufenthalt, der mir unter diesen wahrhaften Menschen gewhrt wurde,gab mir ein Urteil, das auch sptere Eindrcke nur besttigten. -

    Als wir aus einem Hause traten, wohin mich mein Gastgeber gefhrt hatte, um das

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    patriarchalische Familienleben und die geordnete harmonische Lebensart der Insassen kennenzu lernen, ward mir ein gewaltiger Schrecken zuteil. Aus der Tre zuerst heraustretend,gewahrte ich dicht vor mir einen mchtigen Lwen, der zhnefletschend mich anknurrte undanscheinend sich sprungbereit machte. Schnell ri ich meinen Revolver, den ich an der Seitetrug, hervor, um mich zu verteidigen, streckte den bewaffneten Arm aus - und fhlte michsofort wie gelhmt. Der Hausherr, dessen Heim wir soeben verlassen wollten, hatte zu mir hinabwehrend eine Handbewegung ausgefhrt, die es mir sogleich unmglich machte, nur nochein Glied zu rhren. Sodann schritt er eilig vor, fate das gewaltige Tier an seiner zottigenMhne, rief ihm einige Worte zu - und gehorsam trabte dieser Knig der Wste einem Winkeldes Hauses zu, wo er sich niederlegte. -

    Lchelnd wandte der Mann sich zu mir, dem jetzt erst die Lhmung aus den Gliedern wich,und sagte: "So gefhrliche Haustiere habt ihr in eurem Europa nicht; hier bei uns sind siewillkommene harmlose Gste, die uns nicht schaden, sondern dienen. Dein Revolver warunntz zur Verteidigung und wrde, ohne meinen Eingriff, meinen Kindern einenSpielgenossen geraubt haben, der ihnen lieb und teuer geworden ist!" -

    Wir verabschiedeten uns, und unterwegs drckte ich meinem Gastgeber meine Verwunderungber das Abenteuer aus. Er sagte mir: "Du magst hieraus erkennen, wie wenig ihr und wie sehrwir Herren unserer Umgebung sind. Jeder unserer Knaben wird ohne Furcht dem reiendstenTiere entgegentreten und es durch seinen ungebeugten Willen, der sich in seinem Blickeausspricht, zu bndigen wissen; ja wir ermuntern sie dazu, damit sie diese Kraft ben. Es bedarfkeiner Waffen, unser Wille gengt uns, und da er krftig ist, hast du an dir soeben selbererfahren. Mit allen deinen Waffen: Jagdgewehr, Revolver und Pistolen, wrdest du als Feindhier nichts ausrichten, jeder dieser Talbewohner wrde dich mit einem einzigen Willensimpulsgerade so lhmen, als es jener Besitzer des Lwen hat, dem du voreilig sein Tier niederschieenwolltest!" -

    Nachdenklich ging ich neben meinem Fhrer weiter. Ich kam mir mit meiner Zivilisation, mitmeinem Knnen recht erbrmlich vor, schrumpfte doch das, worauf ich bisher glaubte stolzsein zu knnen, zu einem Nichts zusammen. - Wir gelangten durch herrliche blumige Grtenund reich gesegnete Felder zu jenem See, dessen spiegelglatte Flche mich auf der Hhe sofreundlich angeugt hatte. Vor uns sah ich in miger Entfernung eine Insel, zu der jedochkeine Brcke fhrte. Dichtes Laubholz und schlanke Palmen verhllten geheimnisvoll dasInnere. Mir schien es, als schimmerte hinter dem tiefen Grn die weie Flche eines Gebudeshervor. Ich fragte meinen Fhrer, was das sei. -

    Er antwortete: "Hier ist der Ort, wo wir Ihn, den Geber des Lebens, den Quell unseres Seinsverehren, wo wir uns vereinen mit Ihm, der der alleinige wahre Herrscher ist. Ich darf dichnoch nicht dorthin fhren, denn unvorbereitet wrde die Helligkeit des Ortes dich ergreifenund dir schaden anstatt ntzen. Willst du eine Zeitlang bei uns verbleiben, so wird dir auch dasMysterium jenes Tempels offenbar werden, dessen Schimmer durch das Grn bricht."

    Erregt rief ich: "Freund, darf ich bleiben? Ein freudigeres Anerbieten ist mir noch niegeworden!"

    Ernst ergriff er meine Hand und sprach: "Wir verjagen dich nicht, wenn du dich nicht selbstverjagst; dem Strebenden steht alles offen, doch nur im Streben knnen wir Freunde bleiben

    und Brder. Mein Haus ist fortan das deine!"

    Ich sah diesem seltenen Manne ins Auge, und mir ward, als zge meine ganze Seele sich hin zuihm; er aber wies mit der Hand nach jener Insel, und da ward es mir, als rauschte esgeheimnisvoll von dort herber, als flsterten die Wellen des Sees ein Lied, das meine Sinne

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    umschmeichelte und mit einer Traumvision mein Denken umgab. Das Sehnen, die heie Liebe,die mich zu meinem Fhrer ergriffen, flchtete hinber zu jener unbekannten Insel, aus derenInnerem ein Blitzstrahl aufzublitzen schien, der mein Herz traf, und schwingende Tne aufseinen Lichtwellen trug, die sich zu Lauten, zu Worten bildeten. - Jetzt vernehm ich leis, wie ausweiter Ferne, melodisen Gesang, - Stimmen, die im Jubelchor dem Hchsten lobsangen, undber diesen Gesang hinweg vernahm ich eine entfernte, wohllautende Stimme, welche sprach:"Liebe Mich in deinem Nchsten, so ehrst du Mich und Meine Werke!" -

    Die wohltuende, ruhige Sprache meines Fhrers erweckte mich aus meinem Traum. Er fordertemich auf, ihm zu folgen, und noch berauscht von dem, was meine Seele erfahren, willfahrte ichseiner Aufforderung. -

    Wir gelangten alsbald zurck zu seinem herrlichen Heim. Ich blieb nun Gast im Hause meinesFreundes, der sich Chorillus nannte und die Wrde eines Oberpriesters ausbte. - Was ich hiergelernt, kann ich nur teilweise aussagen, denn schwerlich wrde ich volles Verstndnis dafrfinden. In seinem Hause, im Verkehr mit seiner Familie, lernte ich den Frieden der Seele finden,den ich so lange gesucht und nicht gefunden. Das Wesen der Gottheit ward mir entschleiert,und enthllt standen die Lebensgeheimnisse und das groe Geistesgesetz vor meinen Augen,nach deren Kenntnis es erst gelingt, wahrhafter Mensch zu sein. -

    Wir saen an einem heranbrechenden Abend in jenem herrlichen Garten unterschattenspendenden Palmen und blhenden Bschen, als Chorillus mir folgende Aufklrungengab:

    "Siehe um dich, alles was du siehest, ist gefesteter Wille, jedes Blatt, jeder Stein, jedesPflnzchen wird nur erhalten von dem in ihm wohnenden Lebensprinzip, und was ist dieses imGrunde? Doch nichts als ein Ding, das sein Werde, seine Wesenhaftigkeit erst aus jenem Urbornerhalten hat, der mit "Gott" bezeichnet wird und der der Inbegriff alles Seins, alles Lebens, kurzder Schpfung ist. Zge diese Allmacht, in deren innerstem Kern das Wort der Schpfung sicheinstens regte und dadurch das Werde hinausdonnerte in die Rume der Ewigkeit, Ihrenerhaltenden Willen zurck, so wrde Vernichtung alsogleich die Folge sein.

    Im Menschen will sich die Gottheit selbst betrachten, in ihm soll, ohne da er darum selbst dieGottheit ist, noch jemals werden kann, das Ebenbild der Gottheit erwachen, das dem Vaterhnlich ist, das vollkommen ist, als wie es der Vater ist. - Was gehrt dazu? Sicherlich daszunchst, den Willen des Allvaters zu erkennen und diesen zu erfllen; denn da es nur einenWillen gibt, so kann neben diesem nichts bestehen, noch ohne diesen Einen, der alles umfat,durch andere Wege Vollkommenheit erreichbar sein; oder es mte denn der Begriff der

    Vollkommenheit als teilbar gedacht werden, welche Mglichkeit in sich selbst zerfllt. - Will derMensch vollkommen werden, so mu er sich mit dem schpferischen Willen vereinigen, denndieser ist die Vollkommenheit, in ihm ruht alles - Wahrheit, hchstes Sein, Erkenntnis, - undtust du das, so erfllest du das Geistesgesetz, "des Menschen Glck liegt in der Vereinigung mitGott!" -

    Diese Vereinigung kann nur von Nutzen sein, wenn sie freiwillig geschieht; gezwungenherbeigefhrt, wird der Mensch Maschine, nicht Ebenbild der Gottheit, und solch Geschpfkann auch der Schpfer nicht fr Seinen erhabenen Zweck gebrauchen, denn in Ihm ist Freiheit,die die Vollkommenheit gewhrt; folglich mu sie auch im Ebenbild erreichbar sein. -

    Der Mensch, der dieses Ziel erfassen soll, wird darum so gestellt, da er wie auer Gott sichfhlt; er kann sich Ihm entgegenstellen im innersten Trotz, kann einen neuen Gott sich schaffen,falls er will, kann selbst sich blenden und die Gottheit, die ihn rings umgibt, und deren Gesetze,die sich als Naturgesetze offenbaren, leugnen, - doch eines kann er nicht, er kann nicht Ihren

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    Willen brechen. -

    Die Vollkommenheit, die in der Gottheit ruht, ist nur durch Vereinigung erreichbar, es gibt nureine Vollkommenheit, nur einen Gott, und der Eine Wille sagt: werdet vollkommen, wie Ich esbin! und darum ist auch nur der eine Weg zu Gott. - Dieser Weg heit: demtige dich! -

    Geschpf, du bist ein Wesen, das heit ein Ichbewutsein ruht in dir, und dieses bumt sich aufin dir und sucht im Trotz sein eigen Selbst eigenwillig zur Geltung zu bringen; es mchte aussich selbst das Leben erringen, das immer nur Geschenk der Gottheit sein kann, weil aus Ihrgeflossen ist.

    Willst du, Geschpf, wahrhaft leben, so gib diesen Irrtum auf, als sei auer Gott noch einanderes Leben; demtige dich! schliee dich als Teil dem Ganzen an, und wisse, da du nur sostark bist, nicht im trotzigen Erheben des eigenen kleinen, nur geborgten Willens, sondern imErfassen und Durchflieenlassen des mchtigen Gotteswillens, der das Glck, die Wohlfahrt, -die Liebe dann bedeutet. -

    Der Mensch, der da noch glaubt, andere Wege gehen zu knnen, als die der Vereinigung mit

    Gott, sucht in den Naturgesetzen die Kraft selbst, whrend diese doch nur der Ausdruck derKraft sind; er erkennt diese Gesetze wohl, wei sie auch zu benutzen, aber den dahintersteckenden Kraftwillen fngt er nicht ab.

    Das Naturgesetz ist der Ausdruck des unabnderlichen Willens, darum kann er alle Dinge, diedem Naturgesetze unterworfen, verschieben, verndern und berraschende Erscheinungenhervorrufen und meint nun die Naturgesetze zu beherrschen, wie wenn er aus einem Vulkaneinen kleinen Lavastrom abgelenkt htte, der nun zu allerhand kleinlichen Experimentenbenutzt werden kann, - doch dem Vulkan kann er deswegen noch lange nicht gebieten. Inseiner Torheit bildet sich trotzdem der Mensch das ein und prahlt mit seinem Knnen.

    Blicke hin nach jenen Lndern, die deine Heimat heien. Wie blhen sie sich dort und nennensich Herren der Natur. Die Trpfe! Ist einer krank, so wird ihm eingetrichtert, was die Chemieim Laboratorium gebraut, und diese Trnke sollen nun Genesung bringen. Doch da dieMenschen-Seele, in der der Willenstropfen aus dem Reiche der Gottheit schlummert, imstandeist, das Wohnhaus Krper rein zu halten und alles Kranke zu entfernen, das kommt euch nichtin den Sinn. In Gott, in der Vollkommenheit ist auch Gesundheit, Krankheit hat da nicht Platz;vereinet euch mit Ihm, lasset Seine Kraft durch euch flieen, und mit einem Schlage ist derMensch gesund. So geschieht's bei uns, und darum hat es auch in diesem Tale noch niemalseinen Kranken je gegeben.

    In Gott ist Flle, und Er gibt reichlich, was Seine Geschpfe brauchen; wir vereinen uns imGebet mit der Gottheit, sie wei, was wir bedrfen, sie segnet uns, wir segnen unsere Felder,und tausendfltig ist die Frucht, die sie uns geben. Dort drauen, wo nur der Eigennutz, dieHabsucht herrscht, dort kann ein Segnen nichts ntzen, denn die Vollkommenheit kann nichtmit dem sich einen, der nur Gewinstes halber diese Einigung verlangt.

    Wer noch vermeint, aus sich allein heraus knne er schaffen und dauernde Werke vollbringen,der verfllt in Ichbegrndung und ffnet damit allem Leid die Tore.

    Hier hast du auch den Grund des vielen Wehs, worber Vlker, Menschen klagen und wofrGott verantwortlich gemacht wird, trotzdem die eigene Torheit all das Leid verursacht. - DieBegrndung des Ichs ist das Unglck des Menschen und der Vlker.

    Diese Ichbegrndung, das Struben gegen die Gottvereinigung, welch letztere nur allein das

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    Glck in sich birgt, bedingt den Erfahrungsweg des freien Geschpfes, den es sich abkrzenoder verlngern kann.

    Jedes Wesen ist zum Glck geboren, und dieses Drngen, das Glck zu erfassen, zu erreichen,ist der alleinige Reiz des Daseins.

    Jedes Geschpf ahnt, da es ein Glck gibt, es ringt darnach und scheut keine Mhe, zum Glckzu gelangen. Gott hat durch Offenbarung dem Menschen lngst gezeigt, worin das wahreGlck besteht und wie es zu erreichen ist; doch eigenwillig sucht der Mensch seine Wege, erwill es besser wissen als der Schpfer und glaubt es nicht, da seine selbstgemachten Begriffefalsche sind. Er sucht im Materiellen, im ueren, im vergnglichen Schein, was nur imGeistigen, im Innern zu suchen ist; er vergit und verschliet sich der Erkenntnis, da ueres,irdisches Glck nur wahrhaft Frieden geben kann, wenn es im Innern zuerst eine Stttegefunden hat. Er macht sich daher besondere Glcksbegriffe, wie Reichtum, Wohlleben,Unttigkeit, gut essen und trinken und allerhand sinnliche Freuden. - Die Begriffe diesesGlckes sind ihm unfehlbares Gesetz, und die Vorstellung seiner Geistesidee, als Inhabersolchen Glckes, krankt an dem Glauben, da sein Gott auf diese Bitte hin ihm diese Dingeschaffen mu, damit er glcklich sei. - Der Mensch klammert sich an diesen ihm behagendenselbstgeschaffenen Gott, der nur ein Gtze ist und der nun auch alles verfluchen mu, wasseinem Gtzendienste nicht entspricht; denn diese Ichbegrndung lehrt durch ihren Gtzen,alles das sei gegen Gott, was gegen die selbstgemachten menschlichen Gebruche und gegenderen dunkle Erkenntnis sei.

    Ja, es ist gegen den Gtzen, und solange die Kraft der Ichbegrndung besteht, welche dieseNarrheit bestehen lt, so lange wtet auch der Gtze durch die Menschen gegen andersdenkende Menschen.

    Dieser mit allen menschlichen Schwchen ausgestattete, zum Gott erhobene Gtze kann nichtbestehen bleiben, denn die Vollkommenheit sagt: Ich bin euer Herr und Gott, ihr sollet nichtandere Gtter haben neben Mir. - Darum fhrt diese Ichbegrndung von selbst zum Leid, zumSchmerz, weil das, was die Menschen erst sich willig schaffen in selbstgewolltem Dnkel, nichtBestand haben kann ohne Untersttzung des wahren Gotteswillens; und so vernichtet denn dieherbe Erfahrung das gleiende Gebude der Ichbegrndung.

    Die Lehre Gottes ist verkndet allerwegen, zeigt allbekannte Wege und gleicht einemRechenexempel, von dem der Rechenmeister sagt: sieh, zweimal zwei ist vier, erkennst du dieseWahrheit, so wirst du, darauf fuend, stets richtige Rechnungen erhalten und zufrieden sein,der Mensch aber sagt verstockt: nein, ich glaube es nicht und sage: zweimal zwei ist fnf. - Um

    diesen Toren zu berzeugen, bleibt dem Rechenmeister nichts brig, als ihn rechnen zu lassenmit seiner falschen Formel, und die ewigen falschen Resultate, das eigenwillig herbeigefhrteLeid werden erziehend auf ihn wirken, bis er schlielich doch gezwungen ist, die einzig richtigeFormel anzuerkennen. -

    Jetzt erkennt die erwachende Menschenseele, da die Wege nicht zum Glck fhren, die nureine Summe uerer menschlicher Wnsche in sich enthalten, und da, was auer diesen standund oft tricht als Ketzerei bezeichnet und mit Fanatismus und Intoleranz leidenschaftlichverfolgt wurde, gerade zum Glcke fhrt. - Jetzt blitzt es auf. - Vernichtung der Ichbegrndung!Das Verlangen, nicht sich selbst, sondern der Allgemeinheit zu dienen, fhrt zum wahren

    Glck, zur Gottvereinigung.

    Seligkeit ist nicht Besitz vergnglicher Gter, sondern Erreichung der unvergnglichen. Undbin ich verbunden mit dem ewigen Gott, so bin ich ein Teil in Ihm und in der Ewigkeit -unsterblich." -

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    Ich fragte nun Chorillus, wie die Verbindung mit Gott am sichersten erreicht wrde, und erantwortete mir: "Deine Frage ist das Geheimnis alles Lebens, sie schliet die Antwort eigentlichschon in sich, und eben weil gerade dieses Geheimnis so einfach ist, wird es von den Menschennicht gefunden. -

    Lasse das Trennungsgefhl nicht in dir aufkommen, so wirst du mit Gott auch verbunden sein.- Frage die Menschen, ob sie sich mit Gott verbunden fhlen. Sie werden dir alle mit Neinantworten. Nun frage sie weiter, warum sie nein sagen mssen. Die wenigen wirklichAufrichtigen werden dir bekennen, da irgendein Gefhl der Schuld das Hindernis ist; dieandern werden mit leeren Ausreden, mit Nichtwissen oder mit Lgen diese unbequeme Frageablehnen, und du wirst daran die Geistig-Trgen, die Unwilligen, Verstockten und auchBoshaften erkennen knnen, die Lieber sich jeder Erkenntnis verschlieen, nur um den innerenRichter, jenes Schuldgefhl, zu bertuben.

    Empfindest du aber in dir das die Verbindung hemmende Schuldgefhl, so wirst du auchimstande sein, das zu meiden, was es hervorrief, und du wirst dich reinigen und schlielich zudem Gefhl der Annherung und Verbindung mit Gott gelangen.

    Je mehr du fortschreitest, um so mehr offenbart sich dir dann auch die Gotteskraft, und indieser Verbindung wirst du schlielich ausgerstet sein mit Ihr und Dinge vollbringen knnen,die der Unwissende nicht begreift, noch fr mglich hlt.

    In Gott ist alles; denn Gott ist alles in allem. Bist du in und mit Gott, so hast du auch alles, dennder Vater gibt die Kraft dem Sohne, - und ihr sollet vollkommen sein wie der Vater. - Ahnst dunicht, welche ungeheure Verheiung in diesen Worten liegt?" -

    Es drngte sich mir eine Frage auf die Lippen, und zagend fragte ich: "Chorillus, fhlst du dichverbunden mit Gott, dem Vater?" -

    - Ernst und einfach antwortete mir Chorillus: "Ja, mein Freund! - Es ist unsere Aufgabe, hier andiesem abgeschiedenen Ort, den keines Menschen Fu ohne des Hchsten Willen betretenkann, die Verbindung aufrechzuhalten, welche das Ziel eines jeden Menschen sein sollte.Unendliches Unglck und Wehe wrde es bedeuten, fnde sich dieser Erdball ganz verfinstert.Glht unter der Asche irgendwo noch so ein schwaches Fnkchen, so kann bei rechter Pflegedoch jederzeit ein helles Feuer daraus entfacht werden. - Das Glaubensfeuer darf nichterlschen, wir hten es, wir unbekannten Talbewohner, nicht aus Ichbegrndung, nicht um desLohnes willen, nur aus Liebe zu Gott und zu unseren Menschenbrdern. - Alle Kraft erhaltenwir durch Ihn, und der Geist Gottes fhrt uns ein in alle Geheimnisse Seiner Schpfung uns

    Seines Wesens.

    Ich habe nie deine Sprache vorher gesprochen, aber ich verstehe und spreche sie jetzt, weil ichin Verbindung mit Gott bin und in Ihm nichts Fremdes, Ihm Unbekanntes ist. Ich erfahre ausdemselben Grunde, was jenseits dieser Berge geschieht, soweit es ntig ist, es zu wissen undohne Tageszeitung sind wir hier ber alle Vorkommnisse schneller und grndlicher orientiert,als Telegraph und Post die Nachrichten bermitteln knnen, denn Gott ist allgegenwrtig undbedarf der menschlichen Einrichtungen nicht. Bist du mit Gott verbunden, so hast du alles,alles. - Dann erst bist du Herrscher in dir und auer dir, kein Spielball mehr der Naturkrfte,denen scharfsinnige Kpfe einige leichte Fesseln anzulegen wissen, sondern Kenner des

    Gesetzeswillens Gottes, dem alle Krfte untertan; denn diese sind die Wirkungen Seinesbestndigen Willens, und du findest alsdann jedwede Herrschaft in und durch Gott." -

    Staunend blickte ich auf Chorillus und sagte leise: "Gott kann niemand sehen und das Lebenbehalten, wie kann der Mensch sich denn da mit Ihm so eng verbinden, da die Allkraft durch

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    ihn hindurchfliet?"

    Er antwortete: "Mein Freund, wtest du klar und deutlich was die Liebe vermag, du wrdestnicht so tricht fragen. Dieser ist alles mglich, diese ist der Urgrund alles Seins, in ihr liegenalle Schlssel verborgen, sie lst alle Rtsel. Die Gottesliebe ist unergrndlich, und nur durchdie Liebe werden wir gotthnlich. -

    Du sahest jene Insel, von der ich dir sagte, dort verehren wir Ihn, den Heiligsten. Es fhrt keinWeg, keine Brcke zu ihr; umgeben von Wasser, ist sie ein abgeschlossenes Heiligtum.Entznde in dir die wahre Liebe, so wird dich die Sehnsucht hinfhren zu unserem Tempel.Das Wasser wird dich tragen, und auf der kristallenen Flut wirst du, wie wir es tun, zu unsererInsel wandeln knnen, die dir das hchste Mysterium enthllt, das der Liebe Gottes. - Wasntzet dir alles Wissen, es wre eine hohle Nu, dringst du nicht zu diesem innerstenGeheimnis, wodurch dir alles offenbar werden kann. Ergreife und entznde in dir diese Liebe,so lst sich alles, was dir noch unklar ist, und der nchste Weg zu Gott zeigt sich alsdann!" -

    Chorillus erhob sich und lie mich in tiefen Gedanken allein zurck. -

    Liebe! - Dieses Wort von so unendlicher Bedeutung, von so geheimnisvoller Tiefe und so oftmideutet, es erfate mein ganzes Sinnen. Wie ergreife, wie entznde ich die Liebe in mir? wieliebe ich ein Wesen, das ich nicht sehen, nicht ergrnden kann? -

    Die Familie meines Gastfreundes, in der ich lebte und die mich mit grter Freundlichkeitaufgenommen hatte, bestand aus seiner Gattin, seinem Sohne, der mich in dieses Tal gefhrthatte, und einer Tochter von ungewhnlicher Schnheit. Mutter und Tochter besorgten dasinnere Hauswesen und waren wenig fr mich sichtbar. Die Anmut und Reinheit, die sich imWesen der Tochter ausprgten, hatten mich von Anfang an gefangen genommen. Alle jeneDamen der europischen Gesellschaft, die vordem den mir bekannten Kranz der Weiblichkeit

    ausmachten, erschienen mir wie Karikaturen im Vergleich zu dieser Jungfrulichkeit, dieunbewut des von ihr ausgehenden bestrickenden Reizes lebte und die Herzen besiegen mute.

    Ich wute, das Chorillus, der so gut die Gedanken zu lesen verstand, auch meineEmpfindungen dieser Art kannte; nie jedoch berhrte er diese. Die Ermahnung, die Liebe in mirzu entznden, gab daher meinen Gedankengang eine Richtung, die wohl verzeihlich erscheinenwird, zumal ich dieses holde Wesen auf der Terrasse vor dem Hause sah, den dem Hausezuschreitenden Vater freudig begrend. Liebe, Liebe?, fragte meine Seele. Ist diese Liebe zuGott gleich jener Liebe, die der Mann zu einem Weibe fhlt? - Ist denn auch diese Liebe nichteine reine Flamme, die den Abglanz des Gttlichen in sich birgt? - Beseligt nicht die

    gegenseitige Liebe, ffnen sich nicht dir Pforten des Himmels den Liebenden, fhlen nicht auchdiese sich entrckt dem Getriebe der Welt, nur in dem Bewutsein des gegenseitigenInsichaufgehens? - Lebt nicht in dem Weibe auch mein Nchster, den ich lieben soll? Tue ichUnrecht, wenn ich also ein weibliches Wesen mit der ganzen Glut meines Herzens umfasse unddieser meiner Gttin mein ganzes Wesen weihe, um in ihrem Besitze glcklich zu sein und zubeglcken? -

    Whrend ich so sann, drngte sich mir ein Bild auf aus meiner Vergangenheit. Lngst hatte ichdie kleine Episode vergessen, und merkwrdig, nicht loszukommen war jetzt von diesem Bilde.- Es ist die belebte Strae einer Grostadt, ein altes Mtterchen steht frierend an der zgigen

    Straenecke, bittend sprechen ihre trnenden Augen deutlicher als die abgerissen gemurmeltenWorte, die ein Almosen erflehen, Ich reiche ihr mitleidsvoll ein Geldstck. Kaum ist esgeschehen, so wendet sich ein hbsches Blumenmdchen zu mir, bietet mir lchelnd undknixend einen Strau an. Ich nehme ihn, reiche dem schelmisch neckenden Dinge, ohne nachdem Preis zu fragen, ein Geldstck und sehe der niedlichen Dirne begierig nach. Das gereichte

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    Geldstck hatte den dreifachen Wert dessen, welches das alte Mtterchen erhalten hatte. -

    Warum steht dieses lngst vergessene Bild so deutlich, pltzlich vor meiner Seele? - MeinGewissen legt mir die Frage vor. - Weshalb machtest du hier einen Unterschied wo war dieBedrftigkeit? - Handeltest du gerecht? - Mich rgerte nachtrglich jetzt meine vor langen

    Jahren begangene Handlungsweise. -

    Dort oben auf der Terrasse steht noch das schne Mdchen, ihr Blick schweift in die Ferne, siesieht mich nicht, der ich, von blhenden Bschen gedeckt, sie bewundern kann. Hei wallt esmir im Herzen auf. Hinstrzen mchte ich zu ihr, die liebliche Gestalt an mich reien und zuihren Fen das Gestndnis meiner Liebe stammeln. Ja, das ist Liebe! - Die Liebe, die Gott in dieHerzen der Menschen gelegt hat, damit sie glcklich sein sollen auf Erden und Ihm danndanken fr dieses gttliche Geschenk. - Ich ertrage es nicht, dieses sehnende Gefhl, diesesbrennende Verlangen; jetzt ist der Augenblick geeignet, mich der Jungfrau zu offenbaren. Sie istallein, drum hin zu ihr und dann zu Chorillus, ihm zu sagen, wie schnell die Liebe michergriffen und entzndet hat.

    Doch sieh, da naht sich Chorillus seiner Tochter. - Ich erschrecke, warum? - Er fhrt sie in dasHaus. Unwillkrlich ducke ich mich hinter die blhenden Bsche, damit sein Blick mich nichttreffe; - weshalb? - ich bin mir doch keiner Schuld bewut? - Und doch - ich fhle in mir einunbehagliches Gefhl, als htte ich eine Schuld begangen. -

    Schritte tnen hinter mir den Weg entlang, der von den Wohnungen der Talbewohner durchden Garten hinauf zur Hhe fhrt. Als wre ich auf bser Tat ertappt, so fahre ich auf und seheden Sohn des Chorillus heranschreiten. Freundlich grte mich der schne Jngling. Ich aberkonnte seinen klaren Blick nicht ertragen und schlug die Augen zu Boden, wute ich doch nurzu genau, da ihm meine noch nicht berwundene Erregung und meine geheimen Gedankenunverborgen waren.

    Er trat zu mir und sagte sanft: "Freund, hat dich die Leidenschaft wieder gepackt? - Warumerschrickst du vor mir? Ist es nicht die Aufgabe des Menschen, zu kmpfen und zu erkennen;glaubst du, ich wrde dich verurteilen, weil du noch ringst und deine inneren Krfte noch nichtgnzlich entwickelt hast? - o nein, frchte das nicht. - Komm, la uns ruhen!" - Er nahm Platzein, den vorher sein Vater eingenommen hatte, und ich gesellte mich zu ihm. - "Du weit nicht,von wo ich komme. Ich will es dir sagen. Ich haben soeben meine Braut verlassen und kommeaus dem Hause ihrer Eltern!" -

    berrascht sah ich den Jngling an, ergriff seine Hand und rief aus: "So liebst auch du ein

    weibliches Wesen, da du als deine Frau einst heimzufhren gedenkst? O sprich, du siehst dasChaos meiner Gefhle, lse mir das Wesen der reinen, menschlichen Liebe. Was ist diese Liebe,und wie ist sie gerecht vor Gott?"

    "Ich will versuchen, diese Fragen dir zu beantworten, und hoffe, da du mich verstehst. - Wasihr in euren Lndern Liebe nennet, hat meistens nicht gemein mit deren wahrem Wesen. -Empfindet ihr eine habschtige Neigung, etwas zu gewinnen, so glaubt ihr Liebe zuempfinden. Angeregt durch den Schnheitssinn, empfindet ihr ein Wohlgefallen, und mitdiesem regt sich der Wunsch nach genieendem Besitz. Dieses Wunschgefhl steigert sich oftbis zur Tollheit, und - das soll dann Liebe sein. Diese leidenschaftliche Empfindung im

    Menschen verlangt alles von dem Gegenstande, auf den sie sich richtet, und sowohl Mann wieWeib, die ihr verfallen sind alsbald nur geneigt, alles von dem andern Teile zu verlangen, selbst

    jedoch mglichst wenig zu geben. Nach einer Zeit des Rausches nachdem die Leidenschaftnicht mehr in verzehrenden Flammen auflodert, folgt dann meistens die Reue, dieEnttuschung, selbst der Ha. - In der Zeit jedoch, wo sie noch brennt, findest du bei beiden

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    Teilen mitrauende Eifersucht, die Tyrannerei und Unfrieden im Gefolge hat. Dieses groeSammelsurium hllischer, qulender Eigenschaften, die, je nach der bndigenden Willenskraftdes einzelnen, zgellos sind oder in gewissen Grenzen der Wohlerzogenheit verbleiben, nenntdie Welt dann Liebe, und nach dem Grade der meist nur zerstrenden Wirkungen bildet sichdie Torheit ein, die Kraft der Liebe bemessen zu knnen.

    Wie so ganz anders ist doch die reine, wahre Liebe! Diese stellt es nicht als Hauptbedingungauf, zu besitzen und so zu genieen, nein, sie will vor allen Dingen selbstlos geben und fragtnicht, berlegt nicht, ob eine Gegengabe auch gewhrt wird. -

    Wahre Liebe wei auch zu leiden, zu entsagen, whrend die unwahre sofort bei einerderartigen Forderung in Wut und Ha sich verwandelt, denn alles, was der Selbstsucht zu nahetritt, wird von dieser rachschtig bekmpft. -

    Wahre Liebe zu den Menschen macht auch keinen Unterschied der Person, ob alt, jung, schnoder hlich im uern; sie umfat alles mit gleicher Sanftmut, wie auch Gott allen seinenGeschpfen ohne Unterschied seine Segnungen gewhrt. -

    Liebst du ein Mdchen, so soll nicht der Besitz desselben dir die Hauptsache sein, so da du sieeiferschtig htest, sondern die gegenseitige Ergnzung hast du im Auge zu halten. - Fehltdiese, so kann ein Rausch der Sinne dir diesen Mangel nicht ersetzen, sondern tiefste Reue istdie sichere Folge. Findest du aber die gesuchte Ergnzung, so wird auch eine jemaligeTrennung unmglich werden; denn was sich ergnzt zu einer harmonischen Einheit, was alsoGott demnach zusammengefgt, das kann auch ewig nicht mehr getrennt werden. Was aber -und wie oft, ja meist geschieht es so bei euch - nur Ergnzung der gegenseitigen Begierde fand,ohne innere tiefere Harmonie, das hat auch, trotz aller ueren Bande, nie sich angehrt undtrennt sich wieder, sobald es kann. Du liebst meine Schwester, Freund. Ist deine Liebe ganzrein? - Leidenschaft schafft leiden, Unreinheit das Gefhl der Schuld. - Du verstehst mich wohl.-

    In Gott allein ist die reinste Liebe. Bist du verbunden mit Ihm, so fallen alle Schlacken von dirab. Doch dazu gehrt ein starker, groer, unerschtterlicher Wille, ein inneres strahlendesGlaubensfeuer, - sodann erwacht eine Liebe, die hher steht als die Liebe der Geschlechteruntereinander, selbst wenn diese eine reine ist. Diese erfat beide, Mann und Weib, und wohldenen, die, in harmonischer Ergnzung verbunden, sodann sich von ihr leiten lassen, denndiese sind Gotteskinder durch sie geworden. Wir Talbewohner knnen Ihn, den Herrn, nichtvergessen um eines Weibes oder Mannes willen, darum ist aber auch unsere Ehe anders geartetals die der Welt. Herrschsucht und gegenseitige Betrbung, Miverstehen kennen wir nicht;

    denn diese herrschen nur dort, wo die Ergnzung fehlt, und ohne diese besteht bei uns keineEhe." -

    Mich ergriffen die Worte des jungen Mannes tief, und seine Hand ergreifend, rief ich aus: Oh,htte ich deine Weisheit, wie glcklich wre ich!" -

    "Lebe in Gott, so hast du alles. Ich besitze nichts. Nur in Ihm ist die Flle, Er ist die Quelle, dieuns alles gewhrt." Er stand auf, und nach der Insel zeigend, die das Heiligtum barg, fuhr erfort:

    "Suche Ihn und sei gewi, Er wird sich finden lassen!"

    Schnellen Schrittes entfernte sich der Jngling und lie mich allein.

    Die Sonne war untergegangen, und mit der den Tropen eigentmlichen Geschwindigkeit, ohne

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    bergang der Dmmerung, brach die Nacht herein. In kurzer Zeit herrschte ringsum tiefe Stille,die Sterne schauten flimmernd vom hohen Himmelsgewlbe, und der Mond warf sein mildesLicht auf die zur Ruhe sich rstende Erde herab. - Doch in mein Herz wollte keine Ruheeinziehen. - Unruhig klopfte es; eine Anzahl Gedanken und Fragen durchstrmten meine Seele.-

    Ich blickte auf zum leuchtenden Sternenhimmel. Wenn je, so ist der Anblick desselben,whrend ringsum tiefe Ruhe herrscht, geeignet, dem Menschen einen Begriff von der Allmachtund Kraft Gottes zu geben; denn dieses Gewimmel leuchtender Welten, die in geordnetenBahnen einherziehen, ohne sich zu verwirren, sie sind dringlich redende Zeugen SeinerWeisheit und Seiner Kraft. -

    Wie klein fhlt sich da die Seele, wie wird sie durchdrungen von dem Gefhle der eigenenNichtigkeit, erkennt sie sich als Stubchen im Raume, und dennoch drngt sich ihr dieErkenntnis auf, da sie mehr als ein Nichts sein mu, da sonst ihr nicht die Fhigkeit gegebenwre, das Weltall mit ihren Sinnen zu durchdringen und die Gesetze der Allmacht zu erkennen.

    "Habe ich diese Fhigkeit nur erhalten, damit das Bewutsein meines Nichts michzerschmettere und der Verzweiflung berliefere? - Dann bist Du grausam, Schpfer der Welt! -Habe ich sie erhalten, damit ich Dich lediglich bewundere und anbete und in immer tieferemErschauen Deiner allmchtigen Kraft und unerforschlichen, unergrndlichen Weisheitschlielich doch erkenne, da ich nichts und Du alles bist, so bin ich auch um nichts besser alsein ohnmchtiger, armer Sklave, dem nur des mchtigen Herrn Gte und Geduld das Genieenvon Seinen unerschpflichen Schtzen gestattet. - Warum also erhielt ich dieses brennendeSehnen nach Erkenntnis; diese Sinne, vermge welcher ich beginnen kann, dieses Sehnen zustillen; diese geistige Fhigkeit, die keine Schranke kennt, das All zu durchdringen; diesenGedankenflug