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Prof. Dr.-Ing. Dirk Werner 10 [email protected] Modul(e) Pflichtmodul Stahlbau - Bachelor Teil 1 - Allgemeines 1 Zu den Grundlagen der Tragwerksplanung nach EN 1990 1.1 Allgemeines, Aufbau der Normenreihe EN 199i-j-k In der Norm EN 1990 werden Grundsätze für die Tragwerksplanung beschrieben, die in allen Normen der Reihe DIN EN 199i-j-k gelten. In der Hauptsache wird das eingesetzte Nachweiskonzept mit Teilsicherheitsbeiwerten beschrieben. Ferner können Definitionen für normenübergreifende Bezeichnungen nachgelesen werden. Einen Überblick über die wichtigsten Normen, für welche die EN 1990 die Grundlagen klärt, sind in Tabelle 1-1 zusammengefasst. Jeder dieser Normen kann selbst mehrere Teile und zugehörige Nationale Anhänge enthalten. Der Gesamtumfang des Normenkomplexes ist mehr als 5000 Seiten. Mit 01.07.2012 gelten diese Normen in Deutschland verbindlich und allein. Nr. der Norm Kürzel Inhalt 1 EN 1991 EC 1 Einwirkungen auf Tragwerke 2 EN 1992 EC 2 Entwurf, Berechnung und Bemessung von Stahlbeton- und Spannbetontragwerken 3 EN 1993 EC 3 Entwurf, Berechnung und Bemessung von Stahltragwerken 4 EN 1994 EC 4 Entwurf, Berechnung und Bemessung von Verbundtragwerken aus Stahl und Beton 5 EN 1995 EC 5 Entwurf, Berechnung und Bemessung von Holztragwerken 6 EN 1996 EC 6 Entwurf, Berechnung und Bemessung von Tragwerken aus Mauerwerk 7 EN 1997 EC 7 Entwurf, Berechnung und Bemessung in der Geotechnik 8 EN 1998 EC 8 Auslegung von Bauwerken im Erdbebengebiet 9 EN 1999 EC 9 Entwurf, Berechnung und Bemessung von Tragwerken aus Aluminium Tabelle 1-1: Übersicht über die Normen der Reihe EN 199i-j-k Die Normen der 199i-j-k Reihe untergliedern sich weiter in verschiedene Teile. Für den Stahlbau gelten die Normen gemäß Tabelle 1-2. Analog sind die anderen Normen aufgeteilt. Dabei wurde versucht, die Bezeichnungen zu harmonisieren. So steht j = 1 für allgemeine Regeln bzw. allgemeine Bemessungsregeln. Der Wert k = 1 kennzeichnet Regeln für den Hochbau. Die Angabe k = 2 bedeutet Tragwerksbemessung im Brandfall. Die Angabe j = 2 steht für Brücken. Die Bedeutung des Buchstaben „i“ ist Tabelle 1-1 zu entnehmen. In einigen Normen gibt es lediglich die Buchstaben „i“ und „j“, wenn eine weitere Unterteilung nicht nötig ist. DIN 1990 ist nicht weiter untergliedert. Allerdings enthält die 1993-1-k für k=1...12 allein 12 Teile und zugehörige Nationale Anhänge. Diese sind in Tabelle 1-3 beispielhaft genannt. Der Stahlbau ist damit das umfangreichste Gebiet innerhalb der Normen zur Tragwerksberechnung. Alle Normen können weitere normative Verweisungen enthalten, so auf die Materialprüfnormen, Werksnormen und weitere notwendige Bestimmungen.

Teil 1 - Allgemeines - Brandenburgische Ingenieurkammer 3_2014/script... · ist das durch die Landesbauordnungen und die Baugesetzgebung weitgehend geregelt. 1.2.1 Begriffe (Auswahl)

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Teil 1 - Allgemeines

1 Zu den Grundlagen der Tragwerksplanung nach EN 1990

1.1 Allgemeines, Aufbau der Normenreihe EN 199i-j-k

In der Norm EN 1990 werden Grundsätze für die Tragwerksplanung beschrieben, die inallen Normen der Reihe DIN EN 199i-j-k gelten. In der Hauptsache wird das eingesetzteNachweiskonzept mit Teilsicherheitsbeiwerten beschrieben. Ferner können Definitionenfür normenübergreifende Bezeichnungen nachgelesen werden. Einen Überblick über diewichtigsten Normen, für welche die EN 1990 die Grundlagen klärt, sind in Tabelle 1-1zusammengefasst. Jeder dieser Normen kann selbst mehrere Teile und zugehörigeNationale Anhänge enthalten. Der Gesamtumfang des Normenkomplexes ist mehr als5000 Seiten. Mit 01.07.2012 gelten diese Normen in Deutschland verbindlich und allein.

Nr. der Norm Kürzel Inhalt

1 EN 1991 EC 1 Einwirkungen auf Tragwerke

2 EN 1992 EC 2 Entwurf, Berechnung und Bemessung von Stahlbeton- undSpannbetontragwerken

3 EN 1993 EC 3 Entwurf, Berechnung und Bemessung von Stahltragwerken

4 EN 1994 EC 4 Entwurf, Berechnung und Bemessung von Verbundtragwerkenaus Stahl und Beton

5 EN 1995 EC 5 Entwurf, Berechnung und Bemessung von Holztragwerken

6 EN 1996 EC 6 Entwurf, Berechnung und Bemessung von Tragwerken ausMauerwerk

7 EN 1997 EC 7 Entwurf, Berechnung und Bemessung in der Geotechnik

8 EN 1998 EC 8 Auslegung von Bauwerken im Erdbebengebiet

9 EN 1999 EC 9 Entwurf, Berechnung und Bemessung von Tragwerken ausAluminium

Tabelle 1-1: Übersicht über die Normen der Reihe EN 199i-j-k

Die Normen der 199i-j-k Reihe untergliedern sich weiter in verschiedene Teile. Für denStahlbau gelten die Normen gemäß Tabelle 1-2. Analog sind die anderen Normenaufgeteilt. Dabei wurde versucht, die Bezeichnungen zu harmonisieren. So steht j = 1 fürallgemeine Regeln bzw. allgemeine Bemessungsregeln. Der Wert k = 1 kennzeichnetRegeln für den Hochbau. Die Angabe k = 2 bedeutet Tragwerksbemessung im Brandfall.Die Angabe j = 2 steht für Brücken. Die Bedeutung des Buchstaben „i“ ist Tabelle 1-1 zuentnehmen. In einigen Normen gibt es lediglich die Buchstaben „i“ und „j“, wenn eineweitere Unterteilung nicht nötig ist. DIN 1990 ist nicht weiter untergliedert.

Allerdings enthält die 1993-1-k für k=1...12 allein 12 Teile und zugehörige NationaleAnhänge. Diese sind in Tabelle 1-3 beispielhaft genannt. Der Stahlbau ist damit dasumfangreichste Gebiet innerhalb der Normen zur Tragwerksberechnung. Alle Normenkönnen weitere normative Verweisungen enthalten, so auf die Materialprüfnormen,Werksnormen und weitere notwendige Bestimmungen.

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Nr. der Norm Inhalt: Bemessung und Konstruktion von Stahlbauten

1 EN 1993-1 Allgemeine Bemessungsregeln und Regeln für den Hochbau

2 EN 1993-2 Stahlbrücken

3 EN 1993-3 Türme, Maste und Schornsteine

4 EN 1993-4 Tank- und Silobauwerke und Rohrleitungen

5 EN 1993-5 Spundwände und Pfähle aus Stahl

6 EN 1993-6 Kranbahnträger

Tabelle 1-2: Normen der Reihe EN 1993-j-k für den Stahlbau (EC 3) alsBeispiel

Nr. der Norm Inhalt: Allgemeine Bemessungsregeln und Regeln für den Hochbau

1 EN 1993-1-1 Allgemeine Bemessungsregeln und Regeln für den Hochbau

2 EN 1993-1-2 Baulicher Brandschutz

3 EN 1993-1-3 Kaltgeformte Bauteile und Bleche

4 EN 1993-1-4 Nichtrostender Stahl

5 EN 1993-1-5 Bauteile aus ebenen Blechen mit Beanspruchungen in der Blechebene

6 EN 1993-1-6 Festigkeit und Stabilität von Schalentragwerken

7 EN 1993-1-7 Ergänzende Regeln zu ebenen Blechfeldern mit Querbelastung

8 EN 1993-1-8 Bemessung und Konstruktion von Anschlüssen und Verbindungen

9 EN 1993-1-9 Ermüdung

10 EN 1993-1-10 Auswahl der Stahlsorten im Hinblick auf Bruchzähigkeit und Eigenschaftenin Dickenrichtung

11 EN 1993-1-11 Bemessung und Konstruktion von Tragwerken mit stählernenZugelementen

12 EN 1993-1-12 Zusätzliche Regeln zur Erweiterung von EN 1993 auf Stahlgüten bis S700

Tabelle 1-3: Normen der Reihe EN 1993-1-k für die allgemeinen Regeln bzw.allgemeinen Bemessungsregeln im Stahlbau als Beispiel

In Anbetracht dieser Normenvielfalt ist die (zusätzliche) Einführung einer übergreifendgeltenden Grundnorm folgerichtig.

Der genannte Normenkomplex wird allgemein kurz als Eurocode (EC) bezeichnet. In allenEC`s wird nach Prinzipien (P) und Anwendungsregeln unterschieden:

Prinzipien werden durch den Buchstaben P nach der Absatznummer gekennzeichnet undenthalten :

- allgemeine Festlegungen und Festlegungen von Begriffen, die grundsätzlich gelten,- Anforderungen und Rechenmodelle, die grundsätzlich gültig sind, soweit auf die Möglichkeit von Alternativen nicht ausdrücklich hingewiesen wird.

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Beispiel für ein Prinzip aus EN 1993-1-1:

2.1.1 Grundlegende Anforderungen(1)P Für die Tragwerksplanung von Stahlbauten gelten die Grundlagen vonEN 1990.

Anwendungsregeln werden durch in Klammern gesetzte Absatznummern gekennzeichnet.Es sind allgemein anerkannte Regeln, die den Prinzipien folgen und deren Anforderungenerfüllen, also stets auf der sicheren Seite liegen (sollen).

Abweichende Anwendungsregeln sind zulässig, wenn vom Aufsteller der Nachweiserbracht werden kann, dass sie mit den maßgeblichen Prinzipien übereinstimmen und imHinblick auf das Bemessungsergebnis ein dem EC gleichwertiges Ergebnis steht. Dasbedeutet, dass Tragsicherheit, Gebrauchstauglichkeit und Dauerhaftigkeit dem ECentsprechen müssen. Auch wenn die abweichende Anwendungsregel den Prinzipien derEN 1990 entspricht, kann der Anspruch an eine vollständige Übereinstimmung desTragwerkes mit EN 1990 nicht gestellt werden. Insbesondere kann die Verwendung einerabweichenden Regel die Erteilung des CE-Zeichens ausschließen. Das gilt imZusammenhang mit Produktnormen und ETA-Richtlinien.

Beispiel für eine Anwendungsregel aus EN 1993-1-1:

5.4.2 Elastische Tragwerkberechnung(1) Bei einer elastischen Tragwerksberechnung ist in der Regel davon auszugehen,dass die Spannungs- Dehnungsbeziehung des Materials in jedemSpannungszustand linear verläuft.

1.2 Anforderungen an Tragwerke und Begriffsdefinitionen

Die Planung von Tragwerken muss ausreichende Tragfähigkeit, Dauerhaftigkeit undGebrauchstauglichkeit auch unter wirtschaftlichen Aspekten sicherstellen. Tragwerkemüssen ferner im Brandfall eine ausreichende Feuerwiderstandsdauer aufweisen. Sie sindso auszubilden, dass durch Ereignisse, wie Explosionen, Anprall oder menschlichesVersagen keine Schadensfolgen entstehen, die in keinem Verhältnis zur Schadensursachestehen. EN 1990 weist hier darauf hin, dass für jedes Projekt zwischen Bauherr undzuständiger Behörde die Ereignisse und Gefährdungen festzulegen sind. In Deutschlandist das durch die Landesbauordnungen und die Baugesetzgebung weitgehend geregelt.

1.2.1 Begriffe (Auswahl)

In EN 1990 wird eine Vielzahl einheitlich zu verwendender Begriffe definiert. Lediglicheinige Definitionen sind nachfolgend sinngemäß wiedergegeben.

a) Begriffsgruppe Tragwerk

Ein Tragwerk ist eine planmäßige Anordnung miteinander verbundener Bauteile, die soentworfen sind, dass sie ein bestimmtes Maß an Tragfähigkeit und Steifigkeit aufweisen.Ein Bauteil ist dabei ein physisch unterscheidbarer Teil des Tragwerks, wie eine Stütze,

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Träger, Deckenplatte, Wandscheibe, Pfahl, usw. Die Art und Weise der Anordnung ist dieArt des Tragwerks (Rahmen, Fachwerk, Hängebrücke). Die Art und Weise desZusammenwirkens der Bauteile wird Tragsystem genannt (Hängewerk, Zugband,Sprengwerk). Das Tragwerksmodell ist die Idealisierung des Tragsystems zum Zweck der(statischen) Berechnung und Bemessung.

b) Begriffsgruppe Grenzzustände

Zustände, bei deren Überschreitung das Tragwerk die Entwurfsanforderungen nicht mehrerfüllt werden Grenzzustände genannt. Stehen diese Grenzzustände im Zusammenhangmit dem Einsturz oder dem Verlust der Tragfähigkeit von Teiltragwerken oder Bauteilen,handelt es sich um Grenzzustände der Tragfähigkeit. Grenzbedingungen für dieGebrauchstauglichkeit eines Tragwerks (z.B. maximale Durchbiegungen) sind allgemeinfestzulegen. Damit zusammenhängende Grenzzustände werden Grenzzustände derGebrauchstauglichkeit genannt. Für die Überschreitung dieser Bedingungen sind in derRegel Einwirkungen verantwortlich. Bleiben Grenzzustände der Gebrauchstauglichkeitauch nach Entfernung der dafür verantwortlichen Einwirkungen verletzt, sind es nichtumkehrbare Grenzzustände der Gebrauchstauglichkeit, anderenfalls sind es umkehrbareGrenzzustände der Gebrauchstauglichkeit.

c) Begriffsgruppe Bemessungssituationen

Eine Bemessungssituation beschreibt physikalische Bedingungen, die ersatzweise für dierealen Bedingungen innerhalb eines bestimmten Zeitraums angenommen werden können.Die Tragwerkberechnung weist nach, dass für eine Bemessungssituation maßgebendeGrenzzustände nicht überschritten werden. Die ständige Bemessungssituation ist währendder gesamten geplanten Nutzungsdauer eines Tragwerks in ähnlicher Größenordnungvorhanden. Eine vorübergehende Bemessungssituation liegt vor, wenn die Zeitdauer ihresAuftretens wesentlich kürzer ist, als die geplante Nutzungsdauer. Ungeachtet dessen hatsie eine hohe Auftretenswahrscheinlichkeit. Ist die Auftretenswahrscheinlichkeit dagegensehr gering, liegt eine außergewöhnliche Bemessungssituation vor. Eine Sonderstellungnimmt die Bemessungssituation mit Erdbeben ein.

d) Begriffsgruppe Einwirkungen

Einwirkungen F sind Kräfte bzw. Belastungen (direkte Einwirkungen) oderaufgezwungene Verformungen oder Beschleunigungen (indirekte Einwirkungen) mitUrsachen, wie Temperaturwechsel, Feuchtigkeitsschwankungen, Setzungen, Erdbeben).Auswirkungen der Einwirkungen, wie Schnittgrößen oder Spannungen werden allgemeinmit E bezeichnet. Ständige Einwirkungen G , sind Einwirkungen, deren Schwankungengegenüber einem Mittelwert während der Nutzungsdauer vernachlässigbar sind bzw.deren Zuwachs bis zum Erreichen des Größwertes stets in derselben Richtung erfolgt.Dagegen stehen veränderliche Einwirkungen Q , bei denen die zeitliche Größenordnungnicht vernachlässigt werden kann oder für die die Änderung nicht immer in derselbenRichtung vonstatten geht. Außergewöhnliche Einwirkungen A sind von kurzer Dauer,aber von bedeutender Größenordnung. Sie treten mit sehr geringer Wahrscheinlichkeitauf. In Abhängigkeit vom statistischen Auftreten können Schnee, Wind, Anprall undErdbeben sowohl als veränderliche, als auch als außergewöhnliche Einwirkungen

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auftreten. In der Norm werden weitere Begriffe zu Einwirkungen definiert. Wichtig ist hiernoch die Unterscheidung zwischen statischer Einwirkung, mit der Lasten ohne größereBeschleunigungswirkung beschrieben werden. Der Gegensatz dazu sind dynamischeEinwirkungen, die Tragwerken, Tragwerksteilen oder Bauteilen nicht zu vernachlässigendeBeschleunigungen einprägen. Bestimmte Einwirkungen (meist Wind, Verkehr) dürfen alsquasi statische Einwirkung beschrieben werden. Das sind statische Ersatzlasten, derendynamische Wirkung durch Anpassung der Werte der Einwirkungen berücksichtigt wird(Lastmodelle).

e) Begriffsgruppe Kombinationsbeiwerte

Die Wahrscheinlichkeit des gleichzeitigen Auftretens verschiedener Einwirkungen wirddurch Kombinationsbeiwerte erfasst. Diese werden in den folgenden Abschnitten nochdetailliert beschrieben.

f) Begriffsgruppe Widerstände

Der Widerstand, den ein Bauteil oder Tragwerk den Einwirkungen entgegensetzen kann,wird definiert durch Baustoff- oder Produkteigenschaften X oder Bauteileigenschaften

R . Diese müssen eine bestimmte Auftretenswahrscheinlichkeit bei unbegrenzterProbenzahl aufweisen. Die Werte werden daher meist als Fraktile der statistischenVerteilung festgelegt. Zum Teil werden auch Nennwerte aus Erfahrung festgelegt.

1.2.2 Zuverlässigkeit

Werden bei der Planung und Herstellung von Tragwerken die Normen der Reihe EN 199i-j-k verwendet und geeignete Ausführungs- und Qualitätsmanagementmaßnahmeneingesetzt, gilt die notwendige Zuverlässigkeit des Tragwerks als sichergestellt. DasZuverlässigkeitsniveau darf für die Grenzzustände der Tragfähigkeit undGebrauchstauglichkeit differenziert werden. Bei der Differenzierung sind möglicheVersagensursachen und -formen, Versagensfolgen in Bezug auf Leib und Leben sowiewirtschaftliche Verluste, die öffentliche Einstellung zum Versagen und die Kosten zurRisikominimierung zu beachten. Dabei darf ein Tragwerk sowohl als Ganzes eingestuft,als auch in Teilen unterschiedlich behandelt werden.

Für das Erzielen eines vorgeschriebenen Zuverlässigkeitsniveaus für ein Tragwerk sindfolgende Aspekte zu beachten.- Präventiv- oder Schutzmaßnahmen (Anstrich, Anprallschutz, aktive u/o passive Brandschutzmaßnahmen usw. - Verwendung der Werte für repräsentative Einwirkungen und entsprechende Teilsicherheitsbeiwerte- Einsatz eines geeigneten Qualitätsmanagements (4-Augen Prinzip) zur Verhinderung grober Fehler - Planung unter Beachtung der grundlegenden Anforderungen, wie der Robustheit, der Dauerhaftigkeit in Bezug auf die Nutzungsdauer, der Bodenverhältnisse inkl. des Grundwasserstandes, der Genauigkeit der Berechnungsverfahren, und einer geeigneten konstruktiven Durchbildung- Überwachung und Instandhaltung entsprechend der Projektvorgaben

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Ausführliche Hinweise zur Zuverlässigkeit von Tragwerken enthält der (informative)Anhang B zur EN 1990.

1.2.3 Geplante Nutzungsdauer

Die Nutzungsdauer von Tragwerken wird in EN 1990, Tabelle 2.1 klassifiziert. Die Tabelleist hier als Tabelle 1-4 wiedergegeben.

Klasse derNutzungsdauer

Plangröße derNutzungsdauer

Beispiele

1 10 Jahre Tragwerke mit befristeter Standzeit *

2 10 - 25 Jahre austauschbare Tragwerksteile (Kranbahnträger,Lager)

3 15 - 30 Jahre landwirtschaftlich genutzte und ähnliche Tragwerke

4 50 Jahre Gebäude und andere gewöhnliche Tragwerke

5 100 Jahre monumentale Gebäude, Brücken und andereIngenieurbauwerke

* = Tragwerke oder Teile von Tragwerken, die wiederverwendet werden können/sollen, sollten nicht als Tragwerke mit befristeter Standzeit behandelt werden

Tabelle 1-4: Klassifizierung der Nutzungsdauer nach EN 1990

1.2.4 Dauerhaftigkeit

Zeitabhängige Veränderungen der Eigenschaften des Tragwerks dürfen sein Verhaltenwährend der geplanten Nutzungsdauer nicht unvorhergesehen beeinflussen. Dabei sinddie Umweltbedingungen und die geplanten Instandhaltungsmaßnahmen angemessen zuberücksichtigen. Dieses Prinzip kann durch Beachtung folgender Aspekte erfüllt werden:- vorgesehene und vorhersehbare künftige Nutzungen- geforderte Entwurfskriterien- zu erwartende Umweltbedingungen- Zusammensetzung, Verhalten und Eigenschaften der Baustoffe und Bauprodukte- Eigenschaften des Baugrundes- Wahl des Tragsystems- Gestaltung der Bauteile und Anschlüsse- Qualität der Ausführung und Überwachungsaufwand- besondere Schutzmaßnahmen- planmäßige Instandhaltung während der Nutzungsdauer

Die Normen EN 1992 bis EN 1999 schreiben geeignete Maßnahmen vor, mit denen dieDauerhaftigkeit gewährleistet werden kann. Umweltbedingungen sind während derPlanungsphasen zu beurteilen, damit geeignete Schutzmaßnahmen für Baustoffe undBauprodukte erfolgen können. Der Umfang der Maßnahmen darf durch vergleichendeBetrachtungen, Berechnungen oder auf der Grundlage von Erfahrungen festgelegtwerden.

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1.2.5 Qualitätsmanagement

Das Qualitätsmanagement im Sinne von EN 1990 umfasst im Wesentlichen das Festlegendes Zuverlässigkeitsniveaus und organisatorische Maßnahmen im Zuge einer in sichgeschlossenen Planung und deren Umsetzung auf der Baustelle und während derNutzungsdauer. Ein wesentlicher Aspekt stellt die Qualitätssicherung durch das 4-Augen-Prinzip dar.

1.2.6 Zulässige Berechnungsverfahren

Eine statische Berechnung ist eine Methode oder ein Rechenverfahren zur Ermittlung derSchnittgrößen in jedem Punkt des Tragwerks. Sie ist damit lediglich ein (kleiner) Teil derTragwerksplanung, denn der Nachweis umfasst (hier nach EN 1993-1-1) die Bestimmungder Schnittgrößen und Verformungen des Tragwerks, die mit den Einwirkungen imGleichgewicht stehen. Da das Tragwerk per Definition (hier auch nach EN 1993-1-1)sowohl Bauteile als auch Verbindungen zur Abtragung von Lasten enthält, kann ein auf dieDimensionierung der Bauteile beschränkter Nachweis nicht vollständig sein. Das ist leideroft gelebte Praxis.

In EN 1990 werden folgende Berechnungsverfahren beschrieben:

a) linear elastische Berechnung nach Theorie 1. Ordnung ohneSchnittgrößenumlagerung

Berechnung auf der Grundlage eines linearen Baustoffgesetzes (Spannungs-Dehnungs-Gesetz oder Momenten-Krümmungs-Gesetz) und der Geometrie des unverformten Tragwerkes

b) linear elastische Berechnung nach Theorie 1. Ordnung mit Schnittgrößenumlagerung

Die Schnittgrößen aus einer Berechnung nach a) werden für die Bemessungbei Beachtung der Gleichgewichtsbedingungen umgelagert. Auf dasRotationsvermögen wird nicht in genaueren Berechnungen eingegangen

c) linear elastische Berechnung nach Theorie 2. Ordnung

Die Berechnung erfolgt mit linearem Baustoffgesetz, aber mit der Geometrie des verformten Tragwerks(geometrisch nichtlinear, physikalisch linear)

d) nichtlineare Berechnung nach Theorie 1. Ordnung

Die Berechnung erfolgt mit der Geometrie des unverformten Tragwerks aber mit nichtlinearen Baustoffgesetzen(geometrisch linear, physikalisch nichtlinear)

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Hier kann unterschieden werden nach folgenden Vorgehensweisen:- ideal elastisch mit Steifigkeitsannahmen- ideal elastisch - ideal plastisch- ideal elastisch - plastisch- starr - plastisch

e) nichtlineare Berechnung nach Theorie 2. Ordnung

Die Berechnung erfolgt wie d) nur mit Berücksichtigung der Geometrie desverformten Tragwerks(geometrisch nichtlinear, physikalisch nichtlinear)

Hier sind folgende Vorgehensweise möglich:- ideal elastisch - ideal plastisch- ideal elastisch - plastisch

In den Berechnungsverfahren nach d) und e) können für die Erfassung der physikalischenNichtlinearität verschiedene Kombinationen elastischer und plastischer Werkstoffgesetzezum Ansatz gelangen. Zwei Möglichkeiten sind im Bild 1-1 angegeben.

Bild 1-1: (ideal) elastisch - ideal plastisches Stoffgesetz (links) und(ideal) elastisch - plastisches Stoffgesetz (rechts)

1.3 Zur Bemessung nach Grenzzuständen

In den Normen der Reihe EN 199i-j-k wird nach Grenzzuständen bemessen. Diewichtigsten Grenzzustände sind der Grenzzustand der Tragfähigkeit (GZT) und derGrenzzustand der Gebrauchstauglichkeit (GZG). Nachweise in einem Grenzzustanddürfen nur entfallen, wenn sie erfahrungsgemäß durch die Nachweise im jeweils anderenGrenzzustand mit abgedeckt sind.

Für die Grenzzustände werden die Bemessungssituationen definiert, anhand derer derkonkrete Nachweis zu führen ist. Grenzzustände, deren Nachweis eine Abhängigkeit vonder Einwirkungsdauer und Einwirkungshäufigkeit enthalten (Ermüdung) sind nachMöglichkeit auf die gesamte geplante Nutzungsdauer zu beziehen.

σ

ε

σ

ε

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Es wird unterschieden bzw. definiert:

Ständige Bemessungssituation stets während der üblichen Nutzung des Tragwerks vorhanden

Vorübergehende Bemessungssituation zeitlich begrenzte Zustände, z.B. Bauzustände oder Instandhaltung

Außergewöhnliche Bemessungssituation Anprall, Erdbeben, Brand, Explosion usw.

Die Bemessungssituationen müssen alle Bedingungen hinreichend erfassen.

1.3.1 Grenzzustand der Tragfähigkeit (GZT)

Als GZT sind alle Zustände einzustufen, welche die Sicherheit von Personen (Gefahr fürLeib und Leben) und/oder die Sicherheit des Tragwerks betreffen. Im Einzelfall sindzwischen Bauherren und zuständiger Behörde weitere GZT festzulegen, die den Schutzvon Gegenständen in Tragwerken betreffen (zur Abwendung wirtschaftlichen Schadens).Zur Vereinfachung dürfen auch Zustände vor dem Verlust der Tragfähigkeit des Tragwerksoder einzelner Bauteile als GZT behandelt werden.

Ebenfalls als GZT sind der Verlust der Lagesicherheit (Gleiten, Umkippen des starrenTragwerks), das Versagen durch große Verformungen in Verbindung mit dem Übergangdes Tragwerks oder Bauteils in einen kinematischen Zustand bzw. eine instabile Lagesowie das Versagen durch Materialermüdung oder andere zeitabhängige Auswirkungen zubehandeln, sofern das für die untersuchten Tragwerke maßgeblich werden kann.

Die Teilsicherheitsbeiwerte können für verschiedene GZT unterschiedlich festgelegt sein.

1.3.2 Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit (GZG)

Als GZG werden Zustände definiert, welche die Funktion des Tragwerks oder seiner Teileunter normalen Gebrauchsbedingungen, das Wohlbefinden der Nutzer und/oder dasäußere Erscheinungsbild des Bauwerks betreffen, wobei hier insbesondere dieBeschränkung der Durchbiegungen und der Rissbreiten gemeint sind. GZG sind i.d.R.projektbezogen zu vereinbaren. Sie sollen damit stets Bestandteil der vertraglichenPlanungsvereinbarung zwischen den Beteiligten sein, um späteren Streit zu verhindern.

Es wird unterschieden zwischen GZG, die umkehrbar sind (z.B. elastische Verformungen)und GZG, die nicht umkehrbar sind (z.B. plastische Verformungen).

Für die Definition der GZG sind folgerichtig diese Aspekte zu berücksichtigen:- Durchbiegungen und Verformungen mit Einfluss auf das Erscheinungsbild, Wohlbefinden der Nutzer, Funktion des Tragwerks einschließlich der Installationen und Maschinen im Tragwerk und Schäden an Belägen und/oder Beschichtungen auch an nichttragenden Teilen des Bauwerks- Schwingungen mit Einfluss auf das Wohlbefinden der Nutzer und die Funktionsfähigkeit des Tragwerks (Resonanz gefährdet das Tragwerk an sich und ist Bestandteil der GZT)- Schäden, die voraussichtlich das Erscheinungsbild, Funktionsfähigkeit und/oder die Dauerhaftigkeit beeinträchtigen können

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Weitere GZG sind in den Fachnormen EN 1992 bis EN 1999 definiert.

1.3.3 Bemessung in den Grenzzuständen

Für die Bemessung müssen geeignete Modelle für das Tragsystem UND die Belastungaufgestellt werden. In den Grenzzuständen sind die Bemessungswerte für dieEinwirkungen, die Baustoffeigenschaften, die Produkt- und Bauteileigenschaften und diegeometrischen Maße zu verwenden. Nachweise sind in allen maßgebendenBemessungssituationen und Lastfällen durchzuführen. Für die Bemessungssituationensind die kritischen Lastfälle zu bestimmen. Für den Nachweis ist i.d.R. dassemiprobabilistische Verfahren mit Teilsicherheitsbeiwerten anzuwenden.

Der (informative) Anhang C zu EN 1990 enthält Definitionen zur Anwendungprobabilistischer Verfahren, für deren Anwendung die zuständige Behörde spezielleBedingungen festlegen kann.

Die Nachweise sind mit Lastfällen zu führen, in denen die maßgebenden Imperfektionenund Verformungen infolge der Lasten gleichzeitig angesetzt sind. Ebenso sind Lage- undRichtungsabweichungen in den Lastanordnungen zu erfassen. Tragwerks- undLastmodelle können wirkliche physikalische Modelle oder virtuelle mathematische Modellesein.

Details zur Bemessung nach Grenzzuständen werden in den folgenden Abschnittenerläutert.

1.4 Basisvariable

1.4.1 Einwirkungen und Umgebungseinflüsse

Die Zahlenwerte für Einwirkungen werden in EN 1991-j-k angegeben. Zu den ständigenEinwirkungen G gehören direkte Einwirkungen, wie Eigenlasten des Tragwerks und Teiledes Ausbau, wie Verkleidungen und Beläge, und indirekte Einwirkungen, wieAuswirkungen aus Schwinden und Setzungen. Veränderliche Einwirkungen Q sindNutzlasten auf Decken oder Dächern, sowie Wind und Schnee. Weitere Einwirkungen sindaußergewöhnliche Einwirkungen A , wie Fahrzeuganprall und Explosionslasten.Bestimmte Einwirkungen (Schnee, Erdbeben) können in Abhängigkeit vom Standort desBauwerks der Gruppe Q oder A zugeordnet werden. Wasserlasten sind ebenfalls inAbhängigkeit vom Tragwerk entweder in G oder Q einzuordnen.

Neben der Trennung in direkte und indirekte ständige Einwirkungen ist weiterhin zuunterscheiden nach der räumlichen Verteilung der Einwirkungen, ihrem Angriffsort (freioder ortsfest) und ihrer Natur (statisch, quasi-statisch oder dynamisch). Es könnendurchaus komplexere Formulierungen nötig sein. In der Regel sind Einwirkungen jedochdurch ein Modell mit Zahlenwerten zu beschreiben, die je nach Einsatzfall verschiedeneGrößen annehmen können. Diese Werte sind die repräsentativen Werte der Einwirkungen.Wichtigster repräsentativer Wert einer Einwirkung F ist deren charakteristischer Wert

F k .

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Charakteristische Werte F k für Einwirkungen werden in EN 1991 als Mittelwert, obereroder unterer Wert (bezüglich einer statistischen Verteilung) oder als Nennwert (ohneBezug zu einer statistischen Verteilung aus Erfahrungen) festgelegt. Alternativ könnenWerte in Projektunterlagen angenommen werden, wenn sie auf der Grundlage vonVerfahren gewonnen werden, die in EN 1991 genannt sind. Charakteristische Werte fürständige Einwirkungen sind bei kleiner Streuung als Mittelwert Gk und bei größererStreuung durch eine obere Gk ,sup und eine untere Grenze Gk ,inf beschrieben. DasEigengewicht wird durch einen Wert Gk ausgedrückt, der auf der Grundlage derNennabmessungen und der Durchschnittswichten nach EN 1991 zu bestimmen ist.

Planmäßige Vorspannungen P k (Mittelwert) bzw. P k ,sup und P k ,inf (obere und untereGrenze) sind ebenfalls als ständige Einwirkungen zu betrachten, die durch kontrolliertaufgebrachte Kräfte oder kontrolliert eingeprägte Verformungen erzeugt wird. Das isterforderlich bei Spannbetonkonstruktionen nach EN 1992-j-k, aber auch beiSeiltragwerken im Stahlbau nach EN 1993-j-k.

Charakteristische Werte Qk für veränderliche Einwirkungen werden entweder als obererWert angegeben, der im Bezugszeitraum mit einer vorgegebenen Wahrscheinlichkeit nichtüberschritten wird oder als unterer Wert, der im Bezugszeitraum mit einer vorgegebenenWahrscheinlichkeit stets vorhanden ist. Nennwerte werden verwendet, wenn einestatistische Verteilungswahrscheinlichkeit für die Einwirkung unbekannt ist.

Für klimatische Einwirkungen (Wind, Schnee) wird angesetzt, dass diese mit einerWahrscheinlichkeit von maximal 2% jährlich überschritten werden (98%Überschreitungsfraktile). Das entspricht einer statistischen Wiederkehr der Belastung von50 Jahren. Andere Werte können unter bestimmten Umständen notwendig werden.

Für außergewöhnliche Einwirkungen werden meist direkt Bemessungswerte Ad

angegeben. Lediglich bei Erdbebenlasten müssen die Bemessungswerte AEd aus dencharakteristischen Werten AEk berechnet werden (EN 1998).

Wenn Einwirkungen mehrere Komponenten aufweisen (Lastmodelle im Brückenbau),kann die Einwirkung durch eine Gruppe von Werten beschrieben werden, die durchausauch einzeln bei der Bemessung berücksichtigt werden müssen.

Für veränderliche Einwirkungen in den GZT und in den GZG mit nicht umkehrbarenAuswirkungen ist aus dem charakteristischen Wert Qk unter Verwendung desKombinationsbeiwertes 0 der Kombinationswert Q k⋅0 zu bilden. Der häufige Wert istin den GZT und in den GZG mit umkehrbaren Auswirkungen unter Verwendung desKombinationsbeiwertes 1 nach Q k⋅1 zu ermitteln. Er hat innerhalb desBezugszeitraums eine 99%-ige Auftretenswahrscheinlichkeit. Für Verkehrsbauten ist dieWiederkehrperiode mit 1 Woche festgelegt. Dagegen hat der seltene Wert (i.d.R. beiVerkehrsbauten) eine Wiederkehrperiode von 1 Jahr. Der quasi-ständige Wert für GZT mitaußergewöhnlichen Belastungen und GZG mit umkehrbaren Grenzzuständen wird durchdas Produkt Q k⋅2 beschrieben. Diese Werte werden für Langzeitwirkungen verwendet.Für Nutzlasten auf Decken ist der Wert so angegeben, dass er in mehr als 50% der Fälleüberschritten wird. Der Wert kann auch über ein bestimmtes Zeitintervall gemittelt werden.

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Modul(e) Pflichtmodul Stahlbau - Bachelor

Einwirkungen für Bauteile mit Ermüdungsbeanspruchung (häufige Lastwechsel zumBeispiel bei Überbauten von Brücken) sind in EN 1991 enthalten. Sie wurden ausBauwerksreaktionen auf zeitveränderliche Einwirkungen berechnet. Fallen Tragwerkenicht in den Anwendungsbereich von Teilen der EN 1991, sind die Beanspruchungen fürdie Ermüdung aus Messungen oder anderen numerischen Untersuchungen an wirklichenBauwerken zu bestimmen. Diesbezügliche baustoffspezifische Regelungen sind den EN1992 bis 1999 zu entnehmen.

Dynamische Einwirkungen dürfen teilweise als quasi-statisch behandelt werden (üblichWind auf Gebäude). Dann werden die in EN 1991 angegebenen Lastmodelle, die auf derGrundlage der charakteristischen Werte bestimmt werden, bereits die Auswirkungen vonBeschleunigungen enthalten. Werden allerdings Beschleunigungen außerhalb derGültigkeit der dynamischen Lastmodelle in Tragwerke eingetragen, sind dynamischeBerechnungen der Tragwerke erforderlich. Das wird aber für den üblichen Hochbau auchnach EC die Ausnahme bleiben.

Einflüsse von Setzungen und Grundwasser (geotechnische Einwirkungen) sind nach EN1997-1 zu bestimmen. Auswirkungen von Umgebungseinflüssen sollen nach Möglichkeitauch rechnerisch (quantitativ) berücksichtigt werden. Die Regel wird aber bleiben, dassdie in den EN 1992 bis 1999 enthaltenen notwendigen Maßnahmen zur Sicherstellung derDauerhaftigkeit vorwiegend durch eine geeignete Baustoffwahl, ein schlüssigesTragwerkskonzept und eine vernünftige bauliche Durchbildung erreicht werden. ImStahlbau gilt hierfür u.a. die EN 1090 (Technische Regen für die Ausführung vonStahltragwerken), die NICHT zur Reihe EN 199i-j-k gehört.

1.4.2 Eigenschaften von Baustoffen, Bauprodukten und Bauteilen

Eigenschaften von Baustoffen (inkl. Baugrund), Bauprodukten oder Bauteilen sind meis-tens auch als charakteristische Werte angegeben. Sofern die Nachweise in den Grenzzu-ständen empfindlich auf variable Baustoffeigenschaften reagieren, sind auch hier analogzur Beschreibung der Einwirkungen, obere und untere Grenzwerte für die Eigenschaftenangegeben werden. Es gelten für die unteren charakteristischen Werte die 5% Fraktile undfür den oberen charakteristischen Wert die 95% Fraktile, sofern in EN 1992 bis EN 1999nicht davon abgewichen wird.

Für die Ermittlung der charakteristischen Werte gelten i.d.R. Prüfnormen, nach denen die-se zu bestimmen sind. Es kann erforderlich sein, dass die nach den Prüfnormen erzieltenWerte auf die tatsächlichen Verhältnisse sinngemäß übertragen werden müssen (Angabeder Pfahltragfähigkeit auf der Grundlage von Probebelastungen in vergleichbarem Boden).

Es kann vorkommen, dass für Eigenschaften nicht genügend statistische Erkenntnissevorliegen. Dann dürfen ersatzweise Nennwerte verwendet werden. Dabei sind diese so zubestimmen, dass das gleiche Zuverlässigkeitsmaß erreicht wird. Das kann zum Beispielbei der Bestimmung oberer und unterer Grenzwerte, wie bei Reibungsbeiwerten oderDämpfungswerten, der Fall sein.

Als obere Grenzwerte für Festigkeiten, wie für die Kapazitätsbemessung oder die Bestim-mung von Rissmomenten, sind i.d.R. deren obere Grenzwerte für die charakteristischen

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Werte zu verwenden. Zu Abminderungen von Festigkeitseigenschaften aus wiederholtenLasten sind EN 1992 bis 1999 zu beachten. Zu Baustoff- und Produkteigenschaften gebenneben den "Materialnormen" (EN 1992 bis EN 1999) auch die maßgebenden harmonisier-ten Europäischen Technischen Produktnormen und weitere Dokumente, wie Zulassungenetc. Auskunft. Es sind jeweils die ungünstigsten Werte zu verwenden. Ebenfalls sollen Teil-sicherheitsbeiwerte auf der sicheren Seite liegend angesetzt werden, sofern keine statis-tisch abgeleiteten Teilsicherheitsbeiwerte vorliegen. Hier ist insbesondere bei neuartigenBaustoffen und Produkten Vorsicht geboten.

Bis auf wenige Ausnahmen sind die tatsächlichen geometrischen Abmessungen unter Be-achtung der üblichen Toleranzen gleichbedeutend mit den Bemessungswerten. Imperfek-tionen der Bauteile sind nach den Materialnormen in die Berechnung zu implementieren.Auf Toleranzen an den Schnittstellen zwischen Bauteilen aus verschiedenen Baustoffen istzu achten (Beispiel: Stahlrahmen auf Betonplatte).

1.5 Statische Berechnung und versuchsgestützte Bemessung

Den statischen Berechnungen liegen üblicherweise geeignete Tragwerksmodellezugrunde. Diese müssen die maßgeblichen Einflussgrößen enthalten und sollen mithinreichender Genauigkeit die zu untersuchenden Grenzzustände erfassen. Die Modellemüssen den anerkannten Regeln der Technik entsprechen und ggf. durch Versuchebestätigt werden.

Modelle für statische Einwirkungen müssen das Last-Verformungsverhalten der Bauteile,deren Verbindungen und des Baugrunds hinreichend genau abbilden. DieRandbedingungen müssen den geplanten konstruktiven Ausführungen entsprechen.Haben die Knotenverschiebungen und Stabverformungen erheblichen Einfluss auf dieSchnittgrößen, ist mindestens eine geometrisch nichtlineare Berechnung (Theorie 2.Ordnung) durchzuführen. Nähere Angaben dazu enthalten die Materialnormen.

Indirekte Einwirkungen dürfen nur durch statische Ersatzlasten erfasst werden, wenn einelinear-elastische Berechnung durchgeführt wird. Bei physikalisch nichtlinearenBerechnungen sind indirekte Einwirkungen als eingeprägte Verformungen zu beschreiben.

Modelle, an denen dynamische Einwirkungen untersucht werden sollen, müssenzusätzlich zu den Angaben eines statischen Modells auch Angaben zu den Massen derBauteile und ihrer Verteilung sowie zum Ausbau, und den Dämpfungseigenschaften desTragwerks enthalten. Die dynamischen Anteile der Einwirkungen sind für den Fall desAnsatzes quasi-statischer Ersatzlasten entweder in diesen Lasten direkt enthalten (z.B.Wind auf Gebäude) oder sie werden durch Erhöhung der statischen Lasten mit einemSchwingbeiwert erhalten (oft bei Kranbahnträgern). Eine wesentliche Interaktion vonBauwerk und Boden darf durch Federn und Dämpfungselemente erfasst werden.

Weitere Hinweise zu dynamischen Berechnungen sind hier nicht wiedergegeben undferner in den Materialnormen und im normativen Anhang A zur EN 1990 enthalten.

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Das Tragwerk muss im Brandfall eine ausreichende Feuerwiderstandsdauer aufweisen.Dafür ist eine Analyse mit geeigneten Modellen für die thermischen und mechanischenEinwirkungen im Brandfall unter Beachtung des Tragwerksverhaltens bei erhöhtenTemperaturen durchzuführen. Diese kann am Gesamttragwerk, an Teiltragwerken und anBauteilen anhand tabellierter Daten oder Versuchsergebnissen durchgeführt werden. Zuberücksichtigen sind dabei entweder Nennbrandverläufe oder entsprechende Modelle zuNaturbrandverläufen. Stets zu erfassen sind die Begleiteinwirkungen, die mit den infolgeder hohen Temperaturen geänderten Tragwerksbedingungen zu überlagern sind. InAbhängigkeit vom Material darf mit über den Querschnitt gleichmäßig erhöhter Temperaturoder mit ein- oder mehrachsigen Temperaturgradienten gerechnet werden. Das Verhaltender Bauteile bei erhöhter Temperatur ist meist nichtlinear.

Stehen für geplante Tragwerke keine gesicherten Modelle zur Verfügung, können Entwurfund Berechnung durch Versuche begleitet bzw. unterstützt werden. Mit den Versuchenkönnen bestimmte Annahmen verifiziert werden. Sie sind so zu planen und durchzuführen,dass die geforderte Zuverlässigkeit in der jeweiligen Bemessungssituation erreicht wird.Dabei ist die statistische Unsicherheit infolge einer begrenzten Versuchsanzahl zuberücksichtigen. Die Teilsicherheitsbeiwerte sind ansonsten analog DIN 1991 bis 1999 zuwählen.

1.6 Zum Nachweisverfahren mit Teilsicherheitsbeiwerten

Prinzip:Bei Nachweisverfahren mit Teilsicherheitsbeiwerten ist zu zeigen, dass in allenmaßgebenden Bemessungssituationen bei Ansatz der Bemessungswerte fürEinwirkungen oder deren Auswirkungen und für Tragwiderstände keiner dermaßgebenden Grenzzustände überschritten wird.

Dabei sind die Einwirkungen, die aus physikalischen Gründen gemeinsam auftretenkönnen, so zu kritischen Lastfällen zu kombinieren, dass der für das Tragwerkungünstigste Fall erfasst wird. Die Regelung in DIN 1990 ist auf statische Nachweisebeschränkt, was auch den Ansatz quasi-statischer Lastmodelle und den Ansatz statischerLasten mit Schwingbeiwert einschließt.

1.6.1 Bemessungswerte der Einwirkungen und der Auswirkungen der Einwirkungen

Allgemein wird der Bemessungswert F d einer Einwirkung mit (1-1) beschrieben:

F d = f⋅F rep = F⋅⋅F k (1-1)

Darin ist f der Teilsicherheitsbeiwert für die Einwirkung zur Berücksichtigung derGrößenabweichung des charakteristischen Wertes. Der repräsentative Wert derEinwirkung F rep ist das Produkt aus ihrem charakteristischen Wert F k und dem Wert , für den gilt:

= [1 ;0 ;1 ;2] (1-2)

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Die Möglichkeiten für ψ werden noch erläutert. Die Bemessungswerte der Auswirkungender Einwirkungen sind mit (1-3) definiert:

Ed =Sd⋅E { f ,i⋅F rep ,i ; ad } mit i ≥ 1 (1-3)

wobei die geschweifte Klammer andeutet, dass es sich bei E um einen funktionalenZusammenhang handelt. a d sind dabei Bemessungswerte geometrischer Größen (s.a.1.6.2). Der Teilsicherheitsbeiwert Sd erfasst Unsicherheiten im Berechnungsmodell fürdie Auswirkungen der Einwirkungen und im Berechnungsmodell der Einwirkungen selbst,darf also nicht mit f verwechselt werden. Ungeachtet dessen ist sehr häufig eineZusammenfassung möglich:

Ed = E {F ,i⋅F rep ,i ; ad } mit i ≥ 1 (1-4)

Der Vergleich zwischen (1-3) und (1-4) zeigt, dass die Zusammenfassung zu F wiefolgt, wobei der "Unterstrich" einen Spaltenvektor kennzeichnet, in dem dieTeilsicherheitsbeiwerte für alle Einwirkungen angeordnet sind:

F = Sd⋅ f ∣F ,1

...F , n

∣1

n

= Sd⋅∣ f ,1

... f ,n

∣1

n

(1-5)

Im Sinne der Gleichungen (1-1) bis (1-5) ist die Unterscheidung zwischen Kleinbuchstabenund Großbuchstaben im Index von hoher Bedeutung. Werden nun die Einwirkungen aufTragsysteme in nichtlinearen Berechnungen angesetzt, sind für die resultierendenAuswirkungen zwei Fälle zu unterscheiden:

a) Eine Steigerung der Einwirkungen führt zu einer überproportionalen Steigerung der Auswirkungen.b) Eine Steigerung der Einwirkungen führt zu einer unterproportionalen Steigerung der Auswirkungen.

Bis auf sogenannte "gutartige" Systeme, wie Seil- oder Membrantragwerke, fallen fast alleTragwerke in die Kategorie a). In diesen Fällen wird der Teilsicherheitsbeiwert F auf denrepräsentativen Wert der Einwirkungen F rep angewandt, um zum Bemessungswert F d

zu kommen:

F d = F⋅F rep = F⋅⋅F k = 1 (1-6)

Im Fall b) darf der Teilsicherheitsbeiwert F auf die Auswirkungen der Einwirkungenangesetzt werden.

1.6.2 Bemessungswerte der Widerstandsseite

Der Tragwerkswiderstand gegenüber den Einwirkungen wird durch die Bemessungswerteder Baustoffe, Bauprodukte und Bauteile, die Bemessungswerte der geometrischen

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Größen und in der Zusammenfassung durch den Bemessungswert der Tragfähigkeitbeschrieben. Der Übergang von den charakteristischen zu den Bemessungswerten erfolgtin ähnlicher Art und Weise durch die Einarbeitung von Teilsicherheitsbeiwerten, wie auf derEinwirkungsseite. Aus einer charakteristischen Baustoffeigenschaft X k wird durchEinführung des Teilsicherheitsbeiwertes m und des Umrechnungsbeiwertes derenBemessungswert X d erhalten:

X d =⋅X k

m

(1-7)

Dabei beschreibt den Übergang von einer untersuchten Probe zu einem Bauteil underfasst Volumen- und Maßstabseffekte, Feuchtigkeits- und Temperatureinwirkungen undggf. weitere maßgebende Parameter. Im Teilsicherheitsbeiwert m sind ungünstigeAbweichungen vom charakteristischen Wert der Bauteileigenschaft und die Streuung desWertes versteckt. Der Wert kann implizit bereits im charakteristischen Wert X k

einer Baustoffeigenschaft enthalten sein, oder wird beim Übergang von m zu M

eingearbeitet (s.a. 1-9 und 1-10).

Bemessungswerte geometrischer Größen a d , die für Abmessungen von Bauteilen,Bauteilquerschnitten, Profilen, Stützweiten etc. benötigt werden, gibt man im Allgemeinendurch Nennwerte (nominale Werte). Sind Abweichungen in der Geometriegröße, wieUngenauigkeiten in der Laststellung, der Stützweiten oder der Lage der Schwerachse derBauteile oder der Bewehrung wesentlich für die Zuverlässigkeit des Tragwerks, dernominale Wert (Index nom ) um einen Wert a verändert:

ad = anom ± a (1-8)

Die Bemessungswerte a d gehen vielfach ins Tragwerksmodell ein und sind daher beimÜbergang von den Einwirkungen F zu den Auswirkungen der Einwirkungen E imentsprechenden funktionalen Zusammenhang aufgeführt. Es gibt auch eine Reihe vonAbweichungen bei geometrischen Größen, die in den bereits beschriebenenTeilsicherheitsbeiwerten F und M erfasst sind. Toleranzen für geometrischeAbweichungen werden in Normen beschrieben, die in den Materialnormen als Bezuggenannt sind. Für den Stahlbau ist die Normenreihe EN 1090 an dieser Stelle maßgebendzu nennen.

Die Bemessungswerte Rd der Tragfähigkeit werden letztendlich durch den funktionalenZusammenhang zwischen allen n beteiligten Bemessungswerten X d ,i mit i = 1... n

der Baustoffeigenschaften, den Bemessungswerten der geometrischen Größen a d undden Teilsicherheitsbeiwert Rd für die Unsicherheiten im Widerstandsmodell (inkl.geometrischer Abweichungen, sofern nicht anderweitig erfasst) erhalten. Im zweiten Teilder Gleichung (1-9) ist der Bemessungswert der Baustoffeigenschaften X d durch seinecharakteristischen Größe X k die Werte m und nach (1-7) ersetzt:

Rd =1Rd

⋅R {X d ,i ; ad }=1Rd

⋅R{i⋅X k , i

m, i

; ad } mit i ≥ 1 (1-9)

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Ähnlich dem Vorgehen auf der Einwirkungsseite darf auch hier vereinfacht werden:

M = Rd⋅m ∣M ,1

...M ,n

∣1

n

= Rd⋅∣m ,1

...m ,n

∣1

n

(1-10)

Im Übergang von den Werten m,i zu M ,i dürfen die Werte i mit verarbeitet werden.Auch hier ist also streng auf Groß- und Kleinschreibung zu achten. Damit wird aus (1-9):

Rd = R{i⋅X k ,i

M ,i

; ad} mit i ≥ 1 (1-11)

wobei in (1-11) die -Werte noch enthalten sind, da es sich um eine normative "kann"Bestimmung handelt. Sehr oft kann auch diese Beziehung weiter vereinfacht werden:

Rd =Rk

M

(1-12)

was bedeutet, dass die Bemessungswerte der Tragfähigkeit für Bauteile und Produkte ausnur einem Baustoff direkt über Teilsicherheitsfaktoren M aus deren charakteristischenWerten gewonnen werden dürfen. Kann der Teilsicherheitsbeiwert M nicht auf mehrereEinzelfestigkeiten in gleicher Weise angewendet werden, ist statt (1-11) auch folgendeKombination möglich:

Rd =1

M ,1

⋅R{1⋅X k ,1 ; i⋅X k ,i

m ,1

M ,i

; ad} mit i ≫ 1 (1-13)

Diese Schreibweise findet im Verbundbau oder bei geotechnischen NachweisenVerwendung.

1.6.3 Nachweise im GZT

Folgende Grenzzustände der Tragfähigkeit, für die Nachweise zu erbringen sind, werdenin EN 1990 definiert:

a) EQU Verlust der Lagesicherheit von Tragwerken oder Teiltragwerken (Starrkörperverschiebung ohne Einfluss von kleinen Abweichungen der Größe und Verteilung ständiger Einwirkungen sowie der Festigkeit von Baustoffen, Bauprodukten und/oder des Baugrundes)

b) STR Versagen oder übermäßige Verformung des Tragwerkes oder Teilen desTragwerks (inkl. kompletter Gründung), bei der die Tragfähigkeit von Baustoffen und Bauprodukten maßgebend ist

c) GEO Versagen oder übermäßige Verformungen des Baugrunds, bei der dieFestigkeit des Untergrunds maßgebend ist bzw. maßgebend beteiligt ist

d) FAT Ermüdungsversagen von Tragwerken oder Teiltragwerken(Beachte: besondere Einwirkungskombinationen definieren die Fachnormen)

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e) UPL Verlust der Lagesicherheit des Tragwerke oder des Baugrunds (s. auch a)),hier aber durch Hebungen infolge Wasserkraft (Auftrieb) oder sonstigevertikale Einwirkungen (Erdfall in Bergbaugebieten etc.)

f) HYD weitere hydraulische Einwirkungen (zu e) und f) s.a. EN 1997)

Über die Bemessungswerte der Einwirkungen gibt der normative Anhang A zu EN 1990Auskunft. Der Anhang teilt sich in die Teile A1 - Anwendung im Hochbau - und A2 -Anwendung im Brückenbau. Eine inhaltliche Wiedergabe der gesamten Anhänge zu EN1990 kann an dieser Stelle nicht erfolgen. Im Abschnitt 1.7 werden lediglich einige wichtigeInhalte beschrieben.

Für den Nachweis im GZT der Lagesicherheit (EQU) sind folgende Wertegegenüberzustellen:

Ed ,dst ≤ Rd , dst (1-14)

Für die Definitionen der Formelzeichen, hier insbesondere der verwendeten Indizes, seiauf die Anlage 1 zum Script, Tabelle A1-1 verwiesen, welche die meisten der Zeichenbeschreibt. Ist (1-14) erfüllt, sind die destabilisierenden Einwirkungen kleiner, als derWiderstand gegen destabilisierende Einflüsse. Im Nachweis für die Grenzzustände derTragfähigkeit (STR) und (GEO) ist zu zeigen, dass

Ed ≤ Rd (1-15)

für die nachzuweisenden Tragwerke, Tragwerksteile, Bauteile und/oder Verbindungen gilt.In Einzelfällen, zum Beispiel bei der Verwendung von Interaktionsgleichungen, sind in denFachnormen weitere Nachweisformate zu definieren. Im Grundsatz bedeutet (1-15), dassder Widerstand größer ist, als die Einwirkung.

Für Nachweise nach den Gleichungen (1-14) und (1-15) sind Einwirkungen F , die alsgleichzeitig wirkend angesetzt werden müssen bzw. dürfen, zur Ermittlung von derenAuswirkungen E zu kombinieren. Dabei enthält jede Einwirkungskombination eineLeiteinwirkung ODER eine außergewöhnliche Einwirkung. Reagiert ein Nachweis sehrempfindlich auf räumliche Verteilungen oder Änderungen einer ständigen Einwirkung, sindgünstig wirkende und ungünstig wirkende Anteile dieser Einwirkung getrennt zu erfassen.

Einwirkungskombinationen aus ständigen Einwirkungen und veränderlichen Einwirkungenwerden für ständige oder vorübergehende Bemessungssituationen gebildet. Diese sind dieGrundkombinationen. In den nachfolgenden Gleichungen ist mit j der Laufindex überalle ständigen Einwirkungen (aus ständigen Lasten) und mit i der Laufindex über alleveränderlichen Einwirkungen (z.B. Nutzlasten) bezeichnet. Dabei gilt:

j ≥ 1 und i > 1 (1-16)

Der Index 1 für die veränderlichen Einwirkungen ist der Leiteinwirkung vorbehalten.Weitere veränderliche Einwirkungen werden Begleiteinwirkungen genannt. Diegeschweiften Klammern { } deuten wieder an, dass es sich in den Gleichungen um einenfunktionalen, ggf. nichtlinearen, Zusammenhang handelt. Dabei gelten z.T. abweichend

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von der üblichen und mathematisch exakten Schreibweise auch:

´+´ ist zu kombinieren mit …

∑ gemeinsame Auswirkung von … (1-17)

Reduktionsbeiwert für ungünstig wirkende ständige Einwirkungen

Die Grundkombination in allgemeiner Schreibweise wird damit:

Ed = sd E {g , j Gk , j ; P P ; q ,1 Q k ,1 ; q , i0, i Qk ,i} (1-18)

Der funktionale Zusammenhang (1-18) enthält die Auswirkungen einer Kombination ausEinwirkungen. Werden für jede Einwirkung F deren Auswirkungen E getrenntberechnet, zum Beispiel in einzelnen Lastfällen und erst dann kombiniert, wird unterVerwendung der eingeführten Definitionen aus (1-18) folgende Beziehung:

Ed = E {g , j Gk , j ; P P ; Q ,1 Q k ,1 ; Q, i0, i Qk ,i} (1-19)

(1-19) gilt für den Fall, dass der funktionale Zusammenhang linear ist (i.d.R. lineareElastizitätstheorie I. Ordnung). In der { } wird dabei allgemein wie folgt gearbeitet:

{ ∑j≥1

G , j G k , j ´´ P P ´´ k ,1 Qk ,1 ´´ ∑i1

Q ,i0, iQ k ,i } (1-20)

In den Grenzzuständen der Tragfähigkeit (STR) und (GEO) ist statt (1-20) dieungünstigere der Gleichungen (1-21) zu verwenden:

{ ∑j≥1

G , j G k , j ´´ P P ´´ k ,10,1 Q k ,1 ´´ ∑i1

Q , i0, iQ k ,i }

(1-21){ ∑

j≥1

jG , j G k , j ´´ P P ´´ k ,1 Qk ,1 ´´ ∑i1

Q ,i0, iQ k ,i }

Neben der Grundkombination in den GZT ist eine Kombination in der außergewöhnlichenBemessungssituation zu bilden. Der funktionale Zusammenhang lautet dabei:

Ed = E {G k , j ; P ; Ad ; 1,1 oder 2,1 Q k ,1 ; 2, i Qk ,i} (1-22)

In der { } wird in diesem Fall wie folgt gearbeitet:

{ ∑j≥1

Gk , j ´´ P ´´ Ad ´´ 1,1 oder 2,1 Q k ,1 ´´ ∑i1

2, i Qk ,i } (1-23)

Die Auswahl von 1,1 oder 2,1 hängt von der jeweiligen außergewöhnlichenBemessungssituation ab. Dazu sind in den Fachnormen entsprechende Hinweisegegeben (EN 1991 bis EN 1999). Einwirkungskombinationen für außergewöhnlicheBemessungssituationen können auch Zustände nach dem außergewöhnlichen Ereignis

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erfassen ( Ad = 0 ). Bei Brandbeanspruchungen sind neben der Beeinflussung derEigenschaften der Baustoffe (Festigkeitsabminderung, Querschnittsminderung) auch diemittelbaren thermischen Auswirkungen (Dehnungen) als außergewöhnliche Einwirkungen

Ad zu beschreiben. Resultiert die außergewöhnliche Einwirkung aus Erdbeben, dannentfällt die Unterteilung der veränderlichen Einwirkungen in Leiteinwirkung undBegleiteinwirkungen. Es wird mit (1-24) gearbeitet:

Ed = E {G k , j ; P ; AEd ; 2, i Qk ,i}(1-24)

{ ∑j≥1

Gk , j ´´ P ´´ AEd ´´ ∑i≥1

2, i Q k , i }

wobei in Gleichung (1-24) abweichend von der vorgenommenen Definition der Laufindexi hier mit dem Wert 1 beginnend die veränderlichen Einwirkungen kennzeichnet.

Angaben zu den Kombinationsbeiwerten k , i gibt der Anhang A zur EN 1990 und ggf. dieFachnormen (s.a. Abschnitt 1.7).

1.6.4 Nachweise im GZG

Für Gebrauchstauglichkeitskriterien Cd ist nachzuweisen, dass (1-25) eingehalten ist:

Ed ≤ Cd (1-25)

Dabei sind in den Anhängen zur EN 1990 (s.a. Abschnitt 1.7), A1 gilt für den Hochbau undA2 für den Brückenbau, Hinweise zu Verformungen angegeben, die als Grenzwerte fürGebrauchstauglichkeitskriterien vereinbart werden können. Weitere Kriterien Cd , wieAngaben zu Rissbreiten, Dehnungen, Spannungsbegrenzungen, Gleitwiderstände, etc.sind in den Fachnormen EN 1991 bis EN 1999 zu finden.

Da die Definition der Gebrauchstauglichkeitskriterien unterschiedlich vorgenommenwerden kann, kann für die Bildung der Einwirkungskombinationen für den GZG allgemeinnur festgelegt werden, dass sie sich den Kriterien zu orientieren hat. In den meisten Fällenwerden die Teilsicherheitsbeiwerte im Nachweis der GZG zu F = M = 1,0 gesetzt.

Es sind zu beschreiben:

a) charakteristische Kombinationb) häufige Kombination c) quasi-ständige Kombination

Charakteristische Kombinationen werden für nicht umkehrbare Auswirkungen amTragwerk wie folgt gebildet:

Ed = E {G k , j ; P ; Q k ,1 ; 0, i Q0, i }(1-26)

{∑j≥1

G k , j ´´ P ´´ Q k ,1 ´´ ∑i1

0, iQ 0, i }

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Häufige Kombinationen werden für umkehrbare Auswirkungen am Tragwerk verwendetund wie folgt gebildet:

Ed = E {G k , j ; P ; 1,1 Q k ,1 ; 2, i Q0, i }(1-27)

{∑j≥1

G k , j ´´ P ´´ 1,1 Q k ,1 ´´ ∑i1

2, iQ0, i }

Quasi-ständige Kombinationen nutzt man für die Erfassung von Langzeitauswirkungen,die zum Beispiel das Erscheinungsbild des Bauwerks beeinflussen. Ihnen ist dieBildungsvorschrift (1-28) zugeordnet:

Ed = E {G k , j ; P ; 2, iQ0, i }(1-28)

{∑j≥1

G k , j ´´ P ´´ ∑i≥1

2, iQ0, i }

Analog zu (1-24) ist auch in (1-28) der Laufindex i ab dem Wert i`=`1 definiert, was heißt,dass auch hier keine Leiteinwirkung der veränderlichen Einwirkungen zu definieren ist.

Angaben zu den Werten P der verschiedenen Vorspannungen (Seile, Spannglieder,Vorspannung durch Überhöhung, etc.) sind ausschließlich den Fachnormen zuentnehmen. Werden in das Tragwerk Verformungen eingeprägt (z.B. Setzungen) ist das,sofern wesentlich, zu berücksichtigen. Fälle, bei denen von den hier angegebenenBildungsvorschriften zu den Kombinationen abgewichen werden muss, sind in denFachnormen beschrieben. Das gilt auch für abweichende Regelungen zu denTeilsicherheitsbeiwerten.

1.7 Anhänge zur EN 1990

Die Norm enthält eine ganze Reihe weiterer Festlegungen, so beispielsweise zu denKombinationsbeiwerten und zur Bildung der Kombinationen und Hinweise zuGebrauchstauglichkeitskriterien.

Diese sind zumeist Bestandteil der Anhänge zu den Normentexten. Grundsätzlich ist nachnormativen Anhängen und informativen Anhängen zu unterscheiden. Normative Anhängeenthalten oft weitere Regelungen, Vorgaben zu Werten u. dgl. mehr. Sie sind festerBestandteil der Norm und, soweit nicht durch einen Nationalen Anhang außer Kraft gesetztoder verändert, in vollem Umfang gültig. Informative Anhänge enthalten dagegen oftAlternativen zu den in der Norm beschriebenen Verfahren oder erläutern die Verfahren inder Norm näher. Sie können eingesetzt werden, müssen es aber nicht. In Sonderfällen istdie Verwendung

EN 1990 enthält die Anhänge

A1 Anwendung im Hochbau normativA2 Anwendung im Brückenbau normativB Behandlung der Zuverlässigkeit im Bauwesen informativ

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C Grundlagen für die Bemessung mit Teilsicherheitsbeiwerten und die Zuverlässigkeitsanalyse informativ

D Versuchsgestützte Bemessung informativ

Nachfolgend sind einige wichtige Festlegungen aus dem Anhang A1 für den Hochbauaufgeschrieben.

Einwirkungen, die aus betrieblichen Gründen oder rein physikalisch nicht gleichzeitigauftreten können, müssen auch nicht miteinander kombiniert werden (Wind kann nur auseiner Richtung gleichzeitig wehen, aber jede mögliche Windrichtung kann gleichzeitig mitSchnee auftreten).

Einwirkungen im Hochbau 0 1 2

Nutzlasten im Hochbau (s.a. EN 1991-1-2)

Kategorie A, Wohngebäude 0,7 0,5 0,3

Kategorie B, Bürogebäude 0,7 0,5 0,3

Kategorie C, Versammlungsbereiche 0,7 0,7 0,6

Kategorie D, Verkaufsflächen 0,7 0,7 0,6

Kategorie E, Lagerflächen 1,0 0,9 0,8

Kategorie F, Fahrzeugverkehr 0≤Fahrzeuggewicht≤30 kN 0,7 0,7 0,6

Kategorie G, Fahrzeugverkehr 30< Fahrzeuggewicht≤160 kN 0,7 0,5 0,3

Kategorie H, Dächer 0,0 0,0 0,0

Schneelasten im Hochbau (s.a. EN 1991-1-3)

Finnland, Island, Norwegen, Schweden 0,7 0,5 0,2

Orte der CEN-Länder mit h> 1000 m über NN 0,7 0,5 0,2

Orte der CEN-Länder mit h≤1000 m über NN 0,5 0,2 0,0

Windlasten im Hochbau (s.a. EN 1991-1-4)

Einheitlich, sofern der jeweilige NA nichts anderes bestimmt 0,6 0,2 0,0

Temperaturbeanspruchungen (außer Brand, s.a. EN 1991-1-5)

Einheitlich, sofern der jeweilige NA nichts anderes bestimmt 0,5 0,5 0,0

Tabelle 1-5: Kombinationsbeiwerte 0 , 1 und 2

nach Anhang A1 zu EN 1990

Für einige Länder sind in den nationalen Anhängen abweichende Werte festgelegt.Insbesondere die Einwirkungen aus klimatischen Verhältnissen (Schnee, Wind,Temperatur) können stark differieren.

Ebenso gibt der Anhang A1 Vorgaben für die zu verwendenden Teilsicherheitsbeiwerte.

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Auch diese können in den Fachnormen und den nationalen Anhängen abweichendfestgelegt werden. Die Beiwerte aus dem Anhang sind:

G , j , sup = 1,35 oberer Grenzwert

G , j , sup = 1,35 oberer Grenzwert (1-29)

Q ,1 = Q ,i = 1,50 ungünstige Wirkung

Q ,1 = Q ,i = 0 günstige Wirkung

= 0,85

Der letzte Wert gilt für Gleichung (1-21).

Im Anhang werden auch Durchbiegungen definiert. Für vertikale Durchbiegungen gilt Bild1-2, welches sinngemäß der Norm entnommen ist.

wc(x)

w

x

wmax(x)w tot

w1

w 2

w 3

Bild 1-2: Definition von vertikalen Durchbiegungen nach EN 1990, Anhang A1

Weichen Tragwerke oder Tragwerksteile planmäßig von der Ideallinie (im Bild die x-Achse)ab, z.B. bei einer Trägerüberhöhung, dann hat er die Biegelinie w c (x) , die i.d.R.spannungslos ist. Davon ausgehend treten die Anteile w1(x) aus der Eigenlast, w2(x )aus Langzeitwirkung (Kriechen, Schwinden, …) und w3(x ) aus veränderlichenEinwirkungen hinzu und addieren sich zur Gesamtdurchbiegung w tot . Die tatsächlichmessbare Durchbiegung ist dann allerdings wmax( x) , da durch die Überhöhung ein Teilder Durchbiegungen vorweg genommen wurde. Eine Überhöhung w c (x) wird sinnvoll inder Größenordnung der Durchbiegung unter Eigenlast w1(x) gewählt und in negativerRichtung aufgebracht.

Die Verschiebungen in horizontaler Richtung werden allgemein mit u (x ) bezeichnet.Dabei ist die seitliche Gesamtverschiebung eines Tragwerks u und der Anteil desGeschosses i mit der Höhe H i heißt u i . Die Abmessungen des betrachtetenTragwerks bzw. Tragwerksteils heißen H für Höhe und L für die horizontaleAbmessung in der Richtung, in der die Verschiebungen gemessen werden. Es gilt Bild 1-3.

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H

L

H i

u u i

Bild 1-3: Bezeichnungen horizontaler Verschiebungen an Tragwerken nach EN 1990

Die meisten Einwirkungen im Hochbau werden als statisch bzw. quasi-statisch angesetzt.Auswirkungen von Schwingungen müssen eher selten untersucht werden. WichtigeParameter, ob Schwingungsuntersuchungen stattfinden müssen, werden im Anhang A1von EN 1990 genannt. Es sind das:

a) Wohlbefinden der Nutzer (z.B. bei Schwingungen von leichten Treppen)b) Einschränkungen der Funktionsfähigkeit des Tragwerks oder eines Teiltragwerks (Rissbildungen, Empfindlichkeit der Installationen, Funktion der Einrichtung in Produktionsbetrieben)

Allgemein gilt, dass die Eigenfrequenz des Tragwerks oberhalb der Grenzen gehaltenwird, die von der möglichen Erregung infolge der Nutzung abhängen (hohe Abstimmung).Diese Grenzen sind zu vereinbaren. Liegen die Eigenfrequenzen unterhalb der Grenzen(tiefe Abstimmung), sind i.d.R. genauere dynamische Untersuchungen auch unterBerücksichtigung der Dämpfung erforderlich.

Als Erregermechanismen kommen in Frage:- Laufen von Menschen (ca. 2 Hz)- synchronisierte Bewegungen von Menschen (Hüpfen)- Maschinenbetrieb- Winderregung (Fassadenteile, Seile)- Bodenübertragung aus Verkehr

Weitere Gebrauchstauglichkeitskriterien ergeben sich im Hochbau für Deckensteifigkeiten,Höhenunterschiede an Fugen, Schiefstellungen von Stockwerken, Gebäudeteilen oderGebäuden u. dgl. mehr.

Prof. Dr.-Ing. Dirk Werner 34

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Modul(e) Pflichtmodul Stahlbau - Bachelor

Steifigkeitskriterien können in Form der Begrenzung von Verformungen und/oderSchwingungen formuliert werden. Für beide Fälle wurden einige Vorgaben gemacht.Einige konkrete Werte sind in den älteren Fachnormen enthalten. Grundsätzlich gilt aber,dass Gebrauchstauglichkeitskriterien zu vereinbaren sind. Ohne konkrete normativeVorgaben und ohne Vereinbarung ist nicht transparent, gegen welche Grenzenrechnerisch abgesichert wurde. Im Schadensfall hat der Tragwerksplaner das Nachsehen.

Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass EN 1990 neben den Steifigkeitskriterien auchSchiefstellungskriterien über horizontale Tragwerksverschiebungen definiert undbeschreibt. Nach Auffassung des Verfassers handelt es sich dabei ebenfalls um dieBegrenzung von (seitlichen) Verformungen, was wiederum eine entsprechende Steifigkeitder Tragwerks in horizontaler Richtung erfordert. So gesehen definiert die Norm hierdoppelt.

1.8 Zusammenfassung

Im vorliegenden ersten Abschnitt des Scriptes werden einige wesentlicheGrundlagen der Tragwerksplanung nach den sogenannten Eurocodes erläutert.Nach einer kurzen Einleitung zum Aufbau des Normenwerkes wird das Vorgehensder Nachweise in den Grenzzuständen der Tragfähigkeit (GZT) und derGebrauchstauglichkeit (GZG) beschrieben und die Gleichungen angegeben, nachdenen die Lasten dafür zu kombinieren sind. Es sind auch Angaben zu denTeilsicherheitsbeiwerten und den Kombinationsbeiwerten enthalten. Beschriebenwerden auch die zulässigen Berechnungsverfahren für die Bestimmung derAuswirkungen der Einwirkungen.

Eine Zusammenstellung aller Formelzeichen aus den Normen EN 1990, EN 1993 undden in diesem Script verwendeten ist als Anlage 1 zu diesem Script in Tabellenformmitgeteilt. Auf ausführliche Erläuterungen wird daher verzichtet.

Es gibt einige Übungsaufgaben zur Kombination von Einwirkungen nach EN 1990.