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Prof. Dr.-Ing. Dirk Werner 266 [email protected] Modul(e) Pflichtmodul Stahlbau - Bachelor 5.11 Stabilitätsnachweise nach EN 1993-1-1 5.11.1 Einleitung Die im Abschnitt 5.7 abgeleiteten Eulerfälle beschreiben das sogenannten Knicken. Bau- teile mit zentrischem Druck sind grundsätzlich knickgefährdet. In der Stahlbaupraxis sind das beispielsweise: a) Gurtstäbe von Fachwerkobergurten b) Druckstäbe in aussteifenden Verbänden c) Stützen jeglicher Art Es müssen jedoch noch weitere Stabilitätsfälle betrachtet werden, die sich im Grundsatz analog als homogene Lösungen von Differentialgleichungen herleiten lassen, wie die Eu- lerfälle. An dieser Stelle soll es genügen, das Versagen dieser weiteren Stabilitätsfälle dar- zulegen, bevor die Nachweise nach EN 1993-1-1 erklärt werden. O.a. Fälle für das Biegeknicken sind sämtlich an stabförmige Bauteile geknüpft, die in der Hauptsache durch zentrische Druckkräfte in ihrer Stabachse belastet sind. Dafür konnten die Eulerfälle aufgeschrieben werden. Ein weiterer typischer Stabilitäsfall ist bei Biegebau- teilen zu finden, wenn nur der gedrückte Teil des Obergurtes ausweicht. Dieser Fall, der sogar ohne Druckkraft auskommt, tritt oft bei Rahmenriegeln auf und wurde früher als Kip- pen bezeichnet. Dabei wirkt der gezogene Untergurt stabilisierend (Bild 5-34). Bild 5-34: seitliches Ausweichen der Druckzone (früher Kippen), rote Linien kennzeichnen das unverformte Bauteil links : Biegeträger, der gedrückte Obergurt weicht aus, die unten liegende Zugzone stabilisiert den Träger rechts : Kragarm, der gedrückte Untergurt weicht aus, die oben liegende Zugzone stabilisiert das Bauteil Diese Versagensform, oft mit einer Druckkraft überlagert, wird als Biegedrillknicken be- zeichnet. Eine Sonderform des Biegedrillknickens ist das Drillknicken, bei dem die Sta- bachse nicht seitlich ausweicht, sondern nur tordiert (verdrillt) wird. Dieser Fall kann bei of- fenen Profilen früher eintreten, als das Biegeknicken.

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5.11 Stabilitätsnachweise nach EN 1993-1-1

5.11.1 Einleitung

Die im Abschnitt 5.7 abgeleiteten Eulerfälle beschreiben das sogenannten Knicken. Bau-teile mit zentrischem Druck sind grundsätzlich knickgefährdet. In der Stahlbaupraxis sind das beispielsweise:

a) Gurtstäbe von Fachwerkobergurtenb) Druckstäbe in aussteifenden Verbändenc) Stützen jeglicher Art

Es müssen jedoch noch weitere Stabilitätsfälle betrachtet werden, die sich im Grundsatz analog als homogene Lösungen von Differentialgleichungen herleiten lassen, wie die Eu-lerfälle. An dieser Stelle soll es genügen, das Versagen dieser weiteren Stabilitätsfälle dar-zulegen, bevor die Nachweise nach EN 1993-1-1 erklärt werden.

O.a. Fälle für das Biegeknicken sind sämtlich an stabförmige Bauteile geknüpft, die in der Hauptsache durch zentrische Druckkräfte in ihrer Stabachse belastet sind. Dafür konnten die Eulerfälle aufgeschrieben werden. Ein weiterer typischer Stabilitäsfall ist bei Biegebau-teilen zu finden, wenn nur der gedrückte Teil des Obergurtes ausweicht. Dieser Fall, der sogar ohne Druckkraft auskommt, tritt oft bei Rahmenriegeln auf und wurde früher als Kip-pen bezeichnet. Dabei wirkt der gezogene Untergurt stabilisierend (Bild 5-34).

Bild 5-34: seitliches Ausweichen der Druckzone (früher Kippen), rote Linienkennzeichnen das unverformte Bauteil links : Biegeträger, der gedrückte Obergurt weicht aus,

die unten liegende Zugzone stabilisiert den Trägerrechts : Kragarm, der gedrückte Untergurt weicht aus,

die oben liegende Zugzone stabilisiert das Bauteil

Diese Versagensform, oft mit einer Druckkraft überlagert, wird als Biegedrillknicken be-zeichnet. Eine Sonderform des Biegedrillknickens ist das Drillknicken, bei dem die Sta-bachse nicht seitlich ausweicht, sondern nur tordiert (verdrillt) wird. Dieser Fall kann bei of-fenen Profilen früher eintreten, als das Biegeknicken.

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Für die Nachweisführung nach der EN 1993-1-1 gibt es nun drei grundsätzliche Möglich-keiten (s. Merksatz auf folgender Seite). Bei den Ausführungen zur Theorie II. Ordnung wurde dazu bereits das Abgrenzungskriterium genannt, nach dem eine Berechnung nach Theorie II. Ordnung zwingend erforderlich ist.

Wie erläutert, sind baupraktische Fälle stets Spannungsprobleme, da es beispielsweise die ideale zentrische Druckkraft nicht gibt. Es gibt folglich immer mehr oder minder große Störeinflüsse. Somit ist es im Grunde ausreichend, einen Nachweis am Gesamtsystem nach Theorie II. Ordnung zu führen. Das entsprechende Modell muss dann allerdings das Tragwerk sehr exakt nachbilden. Das heißt im Besonderen, dass alle diese Störeinflüsse zu erfassen sind. Darin ist das größte Problem zu sehen. Ebene Tragwerke können NIE alle Störeinflüsse enthalten. Wird beispielsweise der Biegeträger aus Bild 5-34 (links) als Rahmenriegel betrachtet, findet das Biegedrillknicken quer zur Rahmenebene statt. Ana-log wird eine Rahmenstütze, deren starke Achse sinnvoll in der Rahmenebene liegt, unter Druckbeanspruchung in der schwachen Achse knicken. Also auch hier findet das Stabili-tätsversagen senkrecht zur Berechnungsebene statt.

EDV-Nachweise anhand ebener Systeme sind stets durch weitere Nachweise zu er-gänzen. Der Modellierungsaufwand für räumliche Systeme ist gegenüber dem von ebenen Systemen ungleich höher und fehleranfälliger.

Auf die Schwierigkeiten des Abgrenzungskriteriums für Berechnungen nach Theorie II. Ordnung wurde im Abschnitt 5.9 bereits hingewiesen. Für einfache Rahmentragwerke, wie Hallentragwerke mit geringer Dachneigung (bis 26°) und Stockwerkrahmen wird in der Norm daher ein vereinfachtes Abgrenzungskriterium angegeben, wobei die Bezeichnun-gen dem Bild 5-35 zu entnehmen sind.

Bild 5-35: Bezeichnungen für die vereinfachte Ermittlung von αcr als Nachweisder Zulässigkeit des Verzichts auf Berechnungen nach Theorie II.Ordnung für Rahmen gegen seitliches Ausweichen EC3-1-1, Pkt. 5.2.1

αcr = (H Ed

V Ed)⋅( h

δH , Ed ) (5-145)

Die vereinfachte Ermittlung von αcr ist mit Bemessungswerten durchzuführen. Das sind

h V Ed

H Ed

δH , Ed

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der Bemessungswert der gesamten oberhalb der Stützenfüße anfallenden vertikalen Las-ten, der Bemessungswert der gesamten oberhalb der Stützenfüße anfallenden horizonta-len Lasten und die zugehörige Differenz der horizontalen Verschiebungen am Stützenfuß und am Stützenkopf.

Unabhängig davon ist die Auswirkung der Druckkraft (also doch nach Theorie II. Ordnung ODER im Ersatzstabverfahren) nachzuweisen, wenn

λ ≥ 0,3⋅√ A⋅f y

N Ed

(5-146)

gilt. λ ist dabei der (bezogene) Schlankheitsgrad in der Ebene, wobei Träger und Riegel in der Ebene als in der Systemlänge gelenkig angeschlossen betrachtet werden (s.a. folg. Abschnitte).

Einflüsse aus Theorie II. Ordnung auf die seitliche Verformung eingeschossiger Rahmen dürfen wiederum vereinfacht durch einen Lasterhöhungsfaktor erfasst werden, wobeiαcr nach (5-145) berechnet werden darf. Der Faktor ist dann:

f =1

1 1

αcr

→ solange αcr ≥ 3,0(5-147)

Das Verfahren kann auch für mehrgeschossige Rahmentragwerke eingesetzt werden, wenn alle Geschosse ähnliche Verteilungen der vertikalen Einwirkungen, der horizontalen Einwirkungen und der Rahmensteifigkeiten hinsichtlich der Stockwerksschubkräfte aufwei-sen.

Für den Nachweis der Stabilität ist neben einer Berechnung am Gesamttragwerk bei Berücksichtigung des Einflusses aus Theorie II. Ordnung und Tragwerksimperfek-tionen auch eine teilweise Gesamtberechnung möglich, die durch Stabilitätsnach-weise ergänzt wird bzw. ein Stabilitätsnachweis an Ersatzstäben (Ersatzstabnach-weis). Um die letztgenannten Nachweise wird es in den folgenden Abschnitte gehen.

Nicht betrachtet werden an dieser Stelle das Beulen und lokale Beulen. Dabei handelt es sich ebenfalls um klassische Stabilitätsfälle, hier allerdings an Bauteilen, die in ihrer Ebene beansprucht werden (Flächentragwerke). Beulen kann bei hohen Stegen geschweißter Träger, in hoch beanspruchten Rahmenecken oder vergleichbaren Bauteilen auftreten.

Insbesondere das lokale Beulen ist bei bestimmten Nachweisen auszuschließen. Darauf wurde insbesondere bei der Klassifizierung der Querschnitte und im Abschnitt 4 bei den plastischen Nachweisen hingewiesen.

Das Beulen wird mit EN 1993-1-5 in einer eigenen Norm behandelt.

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5.11.2 Biegeknicken nach EN 1993-1-1

Der folgende Nachweis ist ein Ersatzstabnachweis. Er erfordert mindestens eine Trag-werksberechnung nach Theorie I. Ordnung in deren Ergebnis die Beanspruchungen des Stabes bekannt sind. Möglich ist auch ein Nachweis nach Theorie II. Ordnung in einer Ebene und eine Ergänzung der Nachweise gegen Biegeknicken durch Nachweise am Er-satzstab senkrecht zur Ebene.

Entscheidend für einen richtigen Nachweis ist die Bestimmung der Knicklänge bzw. des Knicklängenbeiwertes, was bereits umfassend erläutert wurde:

Lcr = β⋅l (5-148)

Das Nachweisformat lautet:

N Ed

N b , Rd

≤ 1,0 (5-149)

Dabei steht der Index „b“ für „buckling“, dem englischen Begriff für Knicken. Der Nachweis kann eingesetzt werden für (i.d.R.) konstante Querschnitte. Soll er für veränderliche Quer-schnitte eingesetzt werden, sind zusätzliche Bestimmungen im Nationalen Anhang zur EN 1993-1-1 zu beachten.

In Gleichung (5-149) steht N Ed für den Designwert der zentrischen Druckkraft undN b , Rd für die Biegeknickbeanspruchbarkeit. Diese wird wie folgt berechnet:

N b , Rd =χ⋅A⋅ f y

γM1

(5-150)

Im Vergleich mit der Bestimmungsgleichung für die vollplastische Normalkraft wird hier also ein Abminderungsbeiwert χ ermittelt und wegen der fehlenden Vorankündigung der erhöhte Sicherheitsbeiwert γM1 verwendet. Ferner ist für Querschnitte der Querschnitts-klasse 4 statt der Querschnittsfläche A die effektiv wirksame Querschnittsfläche Aeff

einzusetzen. Für den Teilsicherheitsbeiwert gilt:

γM1 = 1,1 bzw. γM1 = 1,0 (außergewöhnliche Bemessungssituation) (5-151)

Lochabzug an den Stützenanschlüssen (Kopf und Fuß) darf stets vernachlässigt werden, was insofern logisch ist, da das Ausknicken in der Nähe der größten rechnerischen seitli-chen Verschiebung maßgebend wird, also z.B. eher in Stützenmitte.

Für die Berechnung des Abminderungsbeiwertes χ ist zuerst eine Einteilung des nach-zuweisenden Profils in die sogenannten Europäischen Knickspannungslinien vorzuneh-men. Die heute verwendete Bezeichnung „Knicklinien“ meint dasselbe, nämlich die auf der Grundlage einer Vielzahl von Versuchen mit verschiedenen Stahlsorten und Querschnitten gewonnenen Diagramme, die eine unterschiedliche Knickgefährdung einzelner Quer-schnitte berücksichtigen. Die Einteilung erfolgt nach Tabelle 5-3.

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Querschnitt Begrenzungen Ausweich- achse

Knicklinie

andere S460

h

b> 1,2

t f ≤ 40 mm y-yz-z

ab

a 0

a 0

40 < t f ≤ 100

mm

y-yz-z

bc

aa

h

b≤ 1,2

t f ≤ 100 mm y-yz-z

b

ca

a

t f > 100 mm y-yz-z

dd

c

c

t f ≤ 40 mm y-yz-z

b

cb

c

t f > 40 mm y-yz-z

c

dc

d

warmgefertigt jede a a 0

kaltgefertigt jede c c

allgemein, sofern nicht die nächste Zeile gilt

jede b b

dicke Schweißnähte:a > 0,5⋅t f

b / t f < 30

h / tw < 30

jede c c

alle jede c c

alle jede b b

Tabelle 5-3: Zuordnung der Querschnitte zu den Knicklinien

t f

y yh

b

z

z

gewalzte

I Profile

t f

y yh

b

z

z

t f

y yh

b

z

z

geschweißte IProfile

Hohlprofile

z

y y

z

z

y y

z

z

y y

z

z

y y

z

U ,Tund Vollquerschnitte

t f

y

z

y

z

t w

b

h geschweißte

Kastenprofile

t

b

h LQuerschnitte

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Neu hinzugekommen gegenüber den bisherigen Normengenerationen ist die Linie a0 als

5. Linie für Stahlsorten S460 und besser.

Als nächstes ist der Schlankheitsgrad (lt. Norm λ ) zu berechnen, der eigentlich ein auf λ1 bezogener Schlankheitsgrad ist. Für die Ermittlung des (bezogenen) Schlankheits-

grades wird zuerst der Materialparameter ε herausgesucht bzw. berechnet:

ε = √235

f y

s.a. Tab. 3-5, S. 146 (5-152)

Damit kann der Bezugsschlankheitsgrad λ1 berechnet werden:

λ1 = π⋅√ E

f y

= 93,9⋅ε (5-153)

Da die Gleichung (5-153) ausschließlich Materialparameter enthält, können die Ergebnisse für λ1 auch der Tabelle 5-4 entnommen werden:

Stahlgüte S 235 S 275 S 355 S 420 S 460

λ1 93,9 86,4 76,1 70,4 66,7

Tabelle 5-4: Bezugsschlankheitsgrad λ1 in Abhängigkeit von der Stahlgüte

Nun muss der Trägheitsradius ermittelt werden. Hierbei ist wichtig, dass der Trägheitsradi-us für die Achse angegeben wird, die als erstes auszuweichen droht. Unter Ansatz glei-cher Knicklängen in den Hauptachsenrichtungen wird stets die schwache Achse maßge-bend:

i = min [i y ; i z ]= min[ √ I y

A; √ I z

A ] (5-154)

Damit kann nun der (bezogene) Schlankheitsgrad berechnet werden:

λ = √ A⋅f y

N cr

=Lcr⋅1,0

i⋅λ1

für Querschnittsklassen 1 bis 3

(5-155)

λ = √ A⋅ f y

N cr

=Lcr⋅√ Aeff

A

i⋅λ1

für die Querschnittsklasse 4

Der Zusammenhang der Gleichungen (5-152) bis (5-155) mit den Ergebnissen bei der Ab-leitung der Eulerfälle wurde im Abschnitt 5.7 (S. 247) bereits gezeigt. Mit Kenntnis der Knicklinie und des (bezogenen) Schlankheitsgrades λ kann nun endlich der Beiwert χ ermittelt werden, entweder durch (ungenaues) Ablesen in den Diagrammen (folgende

Seite) oder durch (genauere) Berechnung.

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Bild 5-36: Knicklinien zur Bestimmung von χ in Abhängigkeit von λ

1,0 0,9 0,8 0,7 0,6 0,5 0,4 0,3 0,2 0,1 0,0

Abminderungsfaktor χ

3,0

2,8

2,6

2,4

2,2

2,0

1,8

1,6

1,4

1,2

1,0

0,8

0,6

0,4

0,2

Knicklinie a0 a b c d

λ

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Soll der Beiwert χ berechnet werden, ist anhand der Knicklinien zunächst noch der Im-perfektionsbeiwert α zu bestimmen. Dieser kann Tabelle 5-5 entnommen werden.

Knicklinie a0

a b c d

α 0,13 0,21 0,34 0,49 0,76

Tabelle 5-5: Imperfektionsbeiwert in Abhängigkeit von der Knicklinie

Damit sind alle Werte für die Berechnung des Wertes χ bekannt und die Gleichungen (5-156) und (5-157) können ausgewertet werden. Beide Gleichungen gemeinsam sind prak-tisch die Funktionsgleichungen für die Knickline, deren Graphen auf der Seite 272 darge-stellt sind und die sich durch den Imperfektionsbeiwert α unterscheiden. Wie erwähnt sind sie das Ergebnis einer Vielzahl von Versuchen.

Φ = 0,5⋅[ 1 + α⋅(λ – 0,2) + λ2 ] (5-156)

χ =1

Φ + √Φ2– λ2

→ χ ≤ 1,0 (5-157)

Damit ist ein Nachweis nach den obigen Gleichungen möglich. Beispiele werden im Ab-schnitt 5.12 gegeben.

5.11.3 Drillknicken nach EN 1993-1-1

Drillknicken und Biegedrillknicken sind i.d.R. parallel zu untersuchen. Zur Wiederholung:

Drillknicken Versagensfall durch Verdrillen der Stabachse unter Wirkung einer zentrischen (idealen) Druckkraft

Biegedrillknicken Versagensfall bei gleichzeitiger Wirkung von Biegung und Druckkraft ODER reiner Biegung

λ T = √ A⋅ f y

N cr

=Lcr⋅1,0

i⋅λ1

für Querschnittsklassen 1 bis 3

(5-158)

λ T = √ A⋅ f y

N cr

=Lcr⋅√ Aeff

A

i⋅λ1

für die Querschnittsklasse 4

Gleichung (5-158) ist mit Gleichung (5-155) für das Biegeknicken formal identisch, nur istN cr in diesem Fall das Minimum aus den idealen Verzweigungslasten für Biegedrillkni-

cken und Drillknicken:

N cr = min [N cr ,TF ; N cr ,T ] Index „ TF “ Biegedrillknicken (5-159)Indes „ T “ Drillknicken

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Die Knicklinien, also auch die Gleichungen (5-156) und (5-157) gelten analog zum Biege-knicken, sind im Fall von Drillknicken aber stets für die z z Achsen der Profile auszu-wählen.

Der Nachweis auf Drillknicken kann gegenüber dem Nachweis auf Biegeknicken insbeson-dere bei offenen Profilen maßgebend werden (Bild 5-37). Der Schlankheitsgrad λ T gilt nur bei planmäßig zentrischer Druckkraft.

Bild 5-37: Gefährdung von Profilen für Drillknicken a) links, offene Profile höheres Gefährdungspotenzialb) rechts, geschlossene Profile, geringeres Gefährdungspotenzial

Unter Berücksichtigung des Schlankheitsgrades λ T wird entsprechend ein anderer Wert für χ bestimmt und der Nachweis ist analog den Gleichungen (5-149) und (5-150) zu führen.

5.11.4 Biegedrillknicken nach EN 1993-1-1 bei Biegung um die Hauptachse

Dieser Nachweis ist in der Regel parallel zu den Nachweisen auf Biegeknicken und Drill-knicken zu führen. Gefährdet sind dabei insbesondere hohe schlanke Bauteile, die auf Biegung hoch ausgelastet sind. Regelmäßig sind Rahmentragwerke auf Biegedrillknicken zu untersuchen. Im Bild 5-38 sind die gefährdeten Bereiche bei Rahmentragwerken sche-matisch gekennzeichnet. Es ist zu erkennen, dass an der Riegeloberseite bei entspre-chendem Anschluss der Dachhaut eine seitliche Halterung der Riegel erzeugt werden kann. Es ist im Einzelfall nachzuweisen, dass die entsprechenden Kräfte aufgenommen und weitergeleitet werden können. Die Innenseiten der Rahmenecken werden gegen seitli-ches Ausweichen in aller Regel nicht gesondert geschützt. Bei solchen Bauteilen wirkt u.U. keine Druckkraft, sondern nur Biegung.

Bild 5-38: Gefährdungspotenzial auf Biegedrillknicken bei Rahmentragwerken:rot: Druckzonen der Biegebauteile, blau: Biegemomente (2 Gelenke)

a ) offene Profile b ) geschlossene Profile

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Das Nachweisformat für Biegedrillknicken bei Biegung um die Hauptachse ohne Druck-kraft ist mit Gleichung (5-160) gegeben:

M Ed

M b , Rd

≤ 1,0 (5-160)

Das „b“ im Index kommt auch hier vom englischen Begriff „buckling“. Die Beanspruchung steht wie gewohnt oberhalb des Bruchstriches und wird dem maßgeblichen Lastfall aus der statischen Berechnung entnommen. Der Bauteilwiderstand wird durch den Nenner be-schrieben, das zulässige Biegemoment für den Versagensfall Biegedrillknicken. Das wird berechnet nach Gleichung (5-161):

M b , Rd = χLT⋅W y⋅f y

γM1

(5-161)

Auch diese Gleichung entspricht der Form nach der Bestimmungsgleichung für das auf-nehmbare Biegemoment im Querschnitt, ergänzt um den Abminderungsfaktor χLT für das Biegedrillknicken und unter Verwendung des Sicherheitsbeiwertes γM1 . Dement-sprechend ist für das Widerstandsmoment W y anzusetzen:

W y = W y , pl → bei Querschnittsklasse 1und 2

W y = W y ,el → bei Querschnittsklasse 3 (5-162)W y = W y ,eff → beiQuerschnittsklasse 4

Der Abzug von Lochschwächungen darf stets vernachlässigt werden, wenn der am stärks-ten beanspruchte Querschnitt keine Schwächungen infolge von Verbindungsmitteln auf-weist. Das sollte bei der Konstruktion von Stahltragwerken berücksichtigt werden, wenn die Lage von Stößen festgelegt wird. Günstig sind Stöße fast immer in der Nähe der Mo-mentennullpunkte. Ähnlich wie beim Drillknicken sind Hohlquerschnitte quasi nicht durch Biegedrillknicken gefährdet.

Das größte Problem bei der Nachweisführung auf Biegedrillknicken ist stets die Berech-nung des Abminderungsbeiwertes χLT . Dazu ist der (bezogene) Schlankheitsgrad für das Biegedrillknicken λ LT zu bestimmen. Ist dieser bekannt, können die Knicklinien aus Bild 5-36 analog genutzt werden, um χLT zu ermitteln (s.a. Ausnahmen). Besser ist aller-dings auch hier die Berechnung über die Funktionsgleichungen, hier in der Schreibweise des Biegedrillknickens für den allgemeinen Fall (entspricht EN 1993-1-1, 6.3.2.2):

ΦLT = 0,5⋅[ 1 + αLT⋅(λ LT – 0,2) + λ LT

2 ] (5-163)

χLT =1

ΦLT + √ΦLT

2–λ LT

2→ χLT ≤ 1,0 (5-164)

Für einige Querschnitte werden noch Vereinfachungen gezeigt, denn die Berechnung von λ LT kann im allgemeinen Fall aufwändig sein. Im Nationalen Anhang zu EN 1993-1-1

sind ferner Alternativen zur Bestimmung von αLT angegeben, sofern diese Imperfektions-

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beiwerte nicht nach Tabelle 5-6 bestimmt werden. Diese Zuordnung zu den Knicklinien ist hier anders als beim Biegeknicken vorzunehmen. So gibt es die Knicklinie a0 nicht. Ta-belle 5-6 gilt für den allgemeinen Fall und entspricht den Empfehlungen in EN 1993-1-1.

QuerschnittVerhältnis

h

b

Knicklinie αLT

gewalzt ≤ 2,0 a 0,21

gewalzt > 2,0 b 0,34

geschweißt ≤ 2,0 c 0,49

geschweißt > 2,0 d 0,76

andere alle d 0,76

Tabelle 5-6: Knicklinien und Imperfektionsbeiwert für Biegedrillknickenfür den allgemeinen Fall

Der (bezogene) Schlankheitsgrad λ LT ist wie folgt zu berechnen ( W y ebenfalls nach Gl. (5-162)):

λ LT = √ W y⋅ f y

M cr

(5-165)

In Gleichung (5-165) ist M cr das ideale Biegedrillknickmoment. Es ist ein ähnlicher Kennwert, wie die ideale Knicklast N ki bzw. N cr . Das ideale Biegedrillknickmoment muss berücksichtigen:

a) die tatsächliche Verteilung der Biegemomente im Bauteilb) die seitliche Lagerung des Bauteils (i.d.R. quer zur Berechnungsebene z.B. bei Rahmen)c) die tatsächlichen Belastungend) Bruttoquerschnitt des Bauteils (Erleichterung)

In EN 1993-1-1 wird an dieser Stelle kein weiterer Hinweis zur Bestimmung von M cr ge-geben. Zur Erleichterung wird noch ein Verzichtskriterium angegeben, bei dem der Nach-weis nicht geführt werden muss. Wenn λ LT den Vergleichswert aus Gleichung (5-166) nicht überschreitet, muss der Nachweis nicht geführt werden bzw. es sind nur Quer-schnittsnachweise erforderlich. Ob es sich dabei wirklich um eine Erleichterung handelt, darf bezweifelt werden, da ja auch in diesem Fall λ LT bzw. M cr bekannt sein müssen:

λ LT ≤ λ LT,0 = 0,40 bzw.M Ed

M cr

≤ λ LT,0

2 = 0,16 (5-166)

Der Wert λ LT,0 gilt auch bei Verwendung der Biegedrillknicklinien nach EN 1993-1-1, 6.3.2.3 für gewalzte Querschnitte oder gleichartige geschweißte Querschnitte. Die Glei-chungen (5-163) und (5-164) werden dafür wie folgt angepasst:

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ΦLT = 0,5⋅[ 1 + αLT⋅(λ LT – λ LT,0) + β⋅λ LT

2 ] (5-167)

χLT =1

ΦLT + √ΦLT

2–β⋅λ LT

2→ χLT ≤ 1,0 und χLT ≤

1

λ LT

2 (5-168)

Es gibt Empfehlungen für λ LT,0 und β in der Norm, denen der Nationale Anhang folgt:

λ LT,0 = 0,4 → Höchstwert

(5-169)β = 0,75 → Mindestwert

Für λ LT gilt auch hier (5-165). Allerdings verhindern die Werte λLT,0 und β in diesen

Gleichungen, dass die Knickliniendiagramme eingesetzt werden können. Tabelle 5-7 zeigt die Zuordnung zu den angepassten Knicklinien, die nun als Biegedrillknicklinien bezeich-net werden und deren Funktionsgraphen durch die Gleichungen (5-167) und (5-168) be-schrieben werden.

QuerschnittVerhältnis

h

b

Knicklinie αLT

gewalzt ≤ 2,0 b 0,34

gewalzt > 2,0 c 0,49

geschweißt ≤ 2,0 c 0,49

geschweißt > 2,0 d 0,76

Tabelle 5-7: Zuordnung zu den Biegedrillknicklinien und Imperfektionsbeiwertefür Biegedrillknicken gewalzter und gleichartiger geschweißter Querschnitte

Wie im allgemeinen Fall muss das ideale Biegedrillknickmoment M cr bestimmt werden. Dort war lediglich ausgesagt, dass die Verteilung der Biegemomente dabei zu berücksich-tigen ist. Werden die Biegedrillknicklinien genutzt, wird die Form der Momentenfunktion durch eine Modifizierung des Abminderungsfaktors χLT wie folgt erfasst.

χLT,mod =χLT

f→ χLT,mod ≤ 1,0 ; χLT,mod ≤

1

λ LT

2 (5-170)

Dabei wird der Faktor f nach Gleichung (5-171) unter Verwendung der Tabelle 5-8 zur Bestimmung des Korrekturbeiwertes k c berechnet:

f = 1 0,5⋅(1 – k c)[1 – 2,0⋅(λ LT – 0,8)2] → f < 1,0 (5-171)

Im Nationalen Anhang zu EN 1993-1-1 sind 2 Literaturstellen benannt, die alternativ zur Tabelle 5-8 eingesetzt werden dürfen.

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Momentenverteilung k c

k c = 1,0 hier : ψ = 1

k c =1

1,33 – 0,33⋅ψhier : 1≤ψ≤1

k c = 0,94

k c = 0,90

k c = 0,91

k c = 0,86

k c = 0,77

k c = 0,82

Tabelle 5-8: Korrekturbeiwerte k c zur Berücksichtigung der Momentenverteilung

Gemäß nationalem Anhang darf der Korrekturfaktor f auch für χLT für den allgemei-nen Fall nach den Gleichungen (5-163) und (5-164) eingesetzt werden.

Nachfolgend wird nun das vereinfachte Bemessungsverfahren für Träger mit Biege-drillknickbehinderung nach EN 1993-1-1 beschrieben. Demnach dürfen Bauteile, deren Druckflansche an einzelnen Punkten seitlich gestützt sind, als nicht biegedrillknickgefähr-det angesehen werden, wenn die Länge Lc zwischen diesen Punkten bzw. der sich dar-aus ergebende Schlankheitsgrad λ f des druckbeanspruchten Flansches die Gleichung (5-172) erfüllt:

λ f =k c⋅Lc

i fz⋅λ1

≤ λ c0⋅M c , Rd

M y , Ed

(5-172)

In dieser Gleichung stehen einige Formelzeichen, die in dieser Form noch nicht verwendet wurden. Alle anderen Größen werden so verwendet, wie in diesem Script bereits beschrie-

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ben, wie z.B. k c , Lc , λ1 und M y , Ed . Ferner werden in Gleichung (5-172) verwen-det:

M c , Rd = W y⋅f y

γM1mit W y nach Gleichung (5-162) (5-173)

λ c0 = λLT,0

+ 0,1 = 0,4+0,1 = 0,5 Grenzschlankheitsgrad für (5-174)das betrachtete Bauteil

i fz Trägheitsradius des druckbeanspruchten Flansches um die (5-175)schwache Querschnittsachse unter Berücksichtigung von 1/3der auf Druck beanspruchten Fläche des Steges

Der Trägheitsradius i fz ist für Querschnitte der Querschnittsklasse 4 nach (5-176) zu be-rechnen:

i fz = √I eff , f

Aeff , f +1

3Aeff , w , c

(5-176)

Für alle anderen Querschnittsklassen sind statt der effektiven Werte die analogen Brutto-querschnittswerte einzusetzen. Insbesondere bei der Stegfläche darf nur deren druckbe-anspruchter Teil angesetzt werden. Für das einwirkende Biegemoment M y , Ed ist das größte Biegemoment zwischen den betrachteten Stützpunkten maßgebend.

In den Fällen, in denen das Kriterium nach Gleichung (5-172) nicht erfüllt ist, darf der Be-messungswert der Biegedrillknickbeanspruchbarkeit statt nach Gleichung (5-161) wie folgt ermittelt werden:

M b , Rd = k fl⋅χ⋅M c , Rd → M b , Rd ≤ M c , Rd (5-177)

Dabei ist mit χ der Abminderungsfaktor für das Biegedrillknicken bezeichnet, der statt mit λ LT nunmehr mit λ f für den druckbeanspruchten Flansch ermittelt wird. k fl ist ein Anpassungsfaktor, mit dem berücksichtigt wird, dass dieses Verfahren sehr konservativ ist. Der in EN 1993-1-1 empfohlene Wert ist k fl = 1,1 . Die Empfehlung gilt auch in Deutschland.

Für die Einordnung der Querschnitte in die Knicklinien gilt:

Knicklinie d für geschweißte Querschnitte mith

t f

≤ 44⋅ε

(5-178)Knicklinie c alle anderen Profile

Dabei bezeichneth

t f

das Verhältnis der Querschnittshöhe zur Dicke des druckbean-

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spruchten Flansches. Für das Biegedrillknicken seitlich gestützter Bauteile gilt analog das Verfahren im Anhang BB der EN 1993-1-1.

5.11.5 Kombinierter Nachweis auf Biegeknicken und Biegedrillknicken

In den vorstehenden Abschnitten wurden die Nachweise der Stabilitätsfälle Knicken und Biegedrillknicken unabhängig voneinander betrachtet. Reine (ideale) zentrische Druckkräf-te konnten zu Knicken oder Drillknicken führen und reine Biegung zu Biegedrillknicken. In der Praxis ist der häufigste Fall ganz sicher eine Kombination aus beidem. Dabei ist es insbesondere schwer, die „Anteile“ der Beanspruchungen zu trennen. Der Nachweis wird folglich ähnlich der Interaktionen im Abschnitt 4 geführt und in der Norm auch als Interakti-onsnachweis bezeichnet.

An den Nachweis sind einige Voraussetzungen geknüpft:

a) gültig für doppeltsymmetrische Querschnitte, die nicht zu Querschnittsverformungen neigen (Erhaltung der Querschnittsform)b) es können verdrehsteife Bauteile (geschlossene Profile) und verdrehweiche (offene Profile) behandelt werdenc) es ist stets der Querschnittsnachweis (elastisch oder plastisch) zusätzlich zu führend) die Randbedingungen für den herausgelösten Einzelstab sind entweder durch Anpassung der Knicklänge ODER Erhöhung der Randmomente zu erfassene) nicht näher erläuterte Werte sind analog den vorhergehenden Abschnitten zu bestimmen

Das Nachweisformat ist:

N Ed

χ y⋅N Rk⋅1

γM1

+ k yy⋅M y , Ed + ∆ M y , Ed

χLT⋅M y , Rk⋅1

γM1

+ k yz⋅M z , Ed + ∆M z , Ed

M z , Rk⋅1

γM1

≤ 1,0 (5-179)

N Ed

χ z⋅N Rk⋅1

γM1

+ k zy⋅M y , Ed + ∆M y , Ed

χLT⋅M y , Rk⋅1

γM1

+ k zz⋅M z , Ed + ∆ M z , Ed

M z , Rk⋅1

γM1

≤ 1,0 (5-180)

Die Beiwerte χ i entsprechen denen der vorhergehenden Abschnitte. Über den Bruchstri-chen stehen die Schnittgrößen N Ed , M y , Ed und M z , Ed aus äußeren Lasten. Dabei handelt es sich um die Maximalwerte am herausgelösten Einzelstab. In der Querschnitts-klasse 4 sind wegen der abgeminderten effektiven Querschnittswerte und der damit ver-bundenen Verschiebung der Schwerachse die entsprechenden Versatzmomente zu be-rechnen (s. Tabelle 5-9). Ebenfalls in dieser Tabelle wird angegeben, wie die Widerstands-werte N Rk und M i , Rk in den einzelnen Querschnittsklassen zu bestimmen sind. Für den Wert i ist wahlweise die Bezeichnung der Querschnittsachsen ( y , z ) einzusetzen.

Neu in den Gleichungen (5-179) und (5-180) sind die Interaktionsfaktoren k yy , k yz ,

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k zy und k zz , deren Berechnung auf zwei verschiedenen Wegen erfolgen kann. Diese Wege sind in den Anhängen A1 und B1 der EN 1993-1-1 analog enthalten.

Querschnittskl. 1 2 3 4

N Rk f y⋅A f y⋅A f y⋅A f y⋅Aeff

M y , Rk f y⋅W pl , y f y⋅W pl , y f y⋅W el , y f y⋅W eff , y

M z , Rk f y⋅W pl , z f y⋅W pl , z f y⋅W el , z f y⋅W eff , z

∆ M y , Ed 0 0 0 e N , y⋅N Ed

∆ M z , Ed 0 0 0 e N , z⋅N Ed

Tabelle 5-9: Werte für N Rk , M i , Rk und ∆ M i , Ed

Der nationale Anhang stimmt der Verwendung beider Verfahren zur Ermittlung der o.g. In-teraktionsfaktoren zu. Die Verfahren dürfen parallel angewendet, aber keinesfalls gemischt werden.

In EN 1993-1-1 wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass zur Vereinfachung stets mit den elastischen Querschnittswerten gearbeitet werden darf, also mit den in der Tabelle 5-9 für die Querschnittsklasse 3 angegebenen Widerständen. Das gilt selbstredend nicht für die Querschnitte der Klasse 4.

1. Variante zur Ermittlung der Interaktionsfaktoren k yy , k yz , k zy und k zz

Die für Handrechnungen empfohlene 1. Variante entspricht dem Alternativverfahren 2 der EN 1993-1-1, Anhang B. Danach ist zunächst das nachzuweisende Tragwerksteil aus dem System gedanklich herauszulösen und der Verlauf der Biegemomente, getrennt nach den Querschnittsachsen y-y und z-z in die Tabelle 5-10 einzuordnen. Als Ergebnis der Bearbei-tung in Tabelle 5-10 stehen die Werte Cmy , Cmz und CmLT .

Anschließend ist zu entscheiden, ob es sich um einen verdrehsteifen oder einen verdreh-weichen Stab handelt. Daraus und unter Verwendung der vorab zu bestimmenden weite-ren benötigten Werte können dann die Interaktionsfaktoren nach den Gleichungen in Ta-belle 5-11 berechnet werden. Zu beachten sind die vielfach angegebenen Grenzwerte in den Tabellen.

Die weiteren benötigten Werte sind dabei i.d.R. Größen, die in den vorhergehenden Ab-schnitten bereits berechnet und erläutert wurden, wie z.B.:

- Werte nach Tabelle 5-9- (bezogene) Schlankheitsgrade für Knicken λ y , λ z

- Abminderungsbeiwerte für Knicken χ y , χ z

Das Verfahren ist „gerade noch“ für eine Handrechnung zumutbar. Die 2. Variante wird da-gegen mit hoher Wahrscheinlichkeit EDV-Anwendungen vorbehalten bleiben. Ungeachtet dessen wird es anschließend noch vorgestellt.

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Verlauf n.Bild 5-39

Gültigkeitsbereich Cmy , Cmz , CmLT

Gleichlast Einzellast

Nr. 1 1≤ψ≤1 0,6+0,4 ψ≥0,4

Nr. 2 0≤αs≤1 1≤ψ≤1 0,2+0,8αs≥0,4 0,2+0,8αs≥0,4

1≤αs<0 0≤ψ≤1 0,10,8αs≥0,4 0,8αs≥0,4

1≤ψ<0 0,1(1ψ)0,8αs≥0,4 0,2(ψ)0,8αs≥0,4

Nr. 3 0≤αh≤1 1≤ψ≤1 0,95+0,05αh 0,90+0,10 αh

1≤αh<0 0≤ψ≤1 0,95+0,05αh 0,90+0,10 αh

1≤ψ<0 0,95+0,05αh(1+2 ψ) 0,90+0,10 αh(1+2ψ)

Tabelle 5-10: Äquivalente Momentenbeiwerte Cmy , Cmz und CmLT

Die Momentenverläufe, die in Tabelle 5-10 in Bezug genommen werden, sind im Bild 5-39 dargestellt und die entsprechenden Größen bezeichnet.

Bild 5-39: Momentenverläufe und Bestimmungsgrößen als Grundlage zur Anwendung der Tabelle 5-10Verlauf Nr. 1 (oben links) mit M und ψVerlauf Nr. 2 (oben rechts) mit M h , M s , ψ und αs

Verlauf Nr. 3 (unten) mit M h , M s , ψ und αh

Die gestrichelte Linie im Verlauf 1 kennzeichnet einen Fall ψ<0 . In den Verläufen 2 und 3 deutet die gestrichelte Linie den Verlauf bei einer Einzellast an.

Das Ergebnis für Cmy , Cmz und CmLT wird in Tabelle 5-11 benötigt. CmLT ist für die Biegemomente um die starke Achse zu ermitteln.

M

ψ⋅M

M hψ⋅M h

M s

αs =M s

M h

M hψ⋅M hM s

αh =M h

M s

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Bei-wert

Quer-schnitt

elastische Querschnittenach Klasse 3 und 4

Plastische Querschnittenach Klasse 1 und 2

k yy A + B,C C my⋅(1,0 + 0,6⋅λ y⋅

N Ed

χ y⋅N Rk⋅1

γM1)

≤ C my⋅(1,0 + 0,6⋅N Ed

χ y⋅N Rk⋅1

γM1)

Cmy⋅(1,0 + (λ y 0,2)⋅N Ed

χ y⋅N Rk⋅1

γM1)

≤ C my⋅(1,0 + 0,8⋅N Ed

χy⋅N Rk⋅1

γM1)

k yz A + B,C

k zz 0,6⋅k zz

k zy A + B 0,8⋅k yy 0,6⋅k yy

C

[1,00,05⋅λ z

(CmLT0,25)⋅

N Ed

χ z⋅N Rk⋅1

γM1]

≥ [1,00,05

(CmLT0,25)⋅

N Ed

χ z⋅N Rk⋅1

γM1]

[1,00,1⋅λ z

(CmLT0,25)⋅

N Ed

χ z⋅N Rk⋅1

γM1]

≥ [1,00,1

(CmLT0,25)⋅

N Ed

χ z⋅N Rk⋅1

γM1]

wenn: λ z < 0,4 → 0,6 + λ z

≤ [1,00,1⋅λ z

(CmLT0,25)⋅

N Ed

χ z⋅N Rk⋅1

γM1]

k zz A + CCmz⋅(1,0+0,6⋅λ z⋅

N Ed

χ z⋅N Rk⋅1

γM1)

≤ Cmz⋅(1,0+0,6⋅N Ed

χ z⋅N Rk⋅1

γM1)

Cmz⋅(1,0+(2⋅λ z0,6)⋅N Ed

χ z⋅N Rk⋅1

γM1)

≤ C mz⋅(1,0+1,4⋅N Ed

χ z⋅N Rk⋅1

γM1)

BCmz⋅(1,0+(λ z0,2)⋅

N Ed

χ z⋅N Rk⋅1

γM1)

≤Cmz⋅(1,0 + 0,8⋅N Ed

χ z⋅N Rk⋅1

γM1)

Bei Druck und einachsiger Biegung um die starke Achse darf für Querschnitte A und B k zy = 0 gesetzt werden.

A = verdrehsteife I- und H- Querschnitte, B = verdrehsteife rechteck. HohlquerschnitteC = analog A und B, nur verdrehweich (i.d.R. aber keine Hohlprofile)

Tabelle 5-11: Interaktionsfaktoren in der Variante 1 in diesem Script

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2. Variante zur Ermittlung der Interaktionsfaktoren k yy , k yz , k zy und k zz

Die für Handrechnungen nicht empfehlenswerte 2. Variante entspricht dem Alternativver-fahren 1 der EN 1993-1-1, Anhang A. Der Formelsatz ist erheblich aufwändiger gestaltet und erfordert zudem die Berechnung weiterer Hilfswerte, zu denen in der EN 1993-1-1 selbst nur wenige Aussagen gemacht werden. Genannt werden soll dahingehend bei-spielsweise N cr , T , die ideale Verzweigungslast für das Drillknicken.

Ähnlich wie in der Variante 1 werden zunächst äquivalente Momentenbeiwerte definiert. Diese Cmi ,0 mit i = y , z berücksichtigen dem Verlauf der Biegemomente nach Tabelle 5-12.

Momentenverlauf äquivalenter Beiwert Cmi ,0

M 1ψM 1

Cmi ,0 = 0,79 + 0,21⋅ψi + 0,36⋅(ψi – 0,33)⋅N Ed

N cr , i

mit 1,0 ≤ ψ ≤ 1,0

M max

M max

Cmi ,0 = 1,0 + ( π2⋅E⋅I i⋅∣δx∣

L2⋅M i , Ed ( x)

1,0)⋅ N Ed

N cr ,i

mit M i , Ed (x )= max [M y , Ed ; M z , Ed ] (berechnet nach Theorie I. Ordnung)∣δ x∣ größte Verformung am Bauteil

Cmi ,0 = 1,0 0,18⋅N Ed

N cr ,i

Cmi ,0 = 1,0 + 0,03⋅

N Ed

N cr , i

Tabelle 5-12: äquivalente Momentenbeiwerte Cmi ,0

Ein weiterer häufig benötigter Hilfswert ist durch aLT = 1 I T

I y

≥ 0 definiert. Aus der Ta-

belle 5.8 resultiert die Größe k c und daraus mit C1 =1

kc

2 der nächste Hilfswert. Auch

hierbei spielt der Verlauf der Biegemomente eine Rolle. Ferner ist zu berechnen:

εy =M y , Ed

N Ed

⋅ A

W el , y

εy =M y , Ed

N Ed

⋅Aeff

W eff , y

(5-181)

Dabei ist zu unterscheiden, ob die tatsächlichen Querschnittswerte anzusetzen sind, oder in der Querschnittsklasse 4, die effektiven Querschnittswerte (rechte Gleichung). Unter Verwendung der idealen Biegeknicklasten N cr , y und N cr , z sowie der idealen Drillknick-

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last N cr , T können nunmehr die Größen Cmy , Cmz und CmLT als weiterer Zwischen-schritt berechnet werden, die NICHT mit den analog bezeichneten Größen der 1. Be-rechnungsvariante gemischt werden dürfen.

Es ist für den Fall λ 0 ≤ 0,2⋅√C1⋅4√(1

N Ed

N cr , z)⋅(1

N Ed

N cr ,TF)

Cmy = C my ,0 Cmz = Cmz ,0 CmLT = 1,0 (5-182)

und für den Fall λ 0 > 0,2⋅√C1⋅4√(1

N Ed

N cr , z)⋅(1

N Ed

N cr , TF)

Cmy = C my ,0 + (1 Cmy ,0)⋅√εy⋅aLT

(1 + √εy⋅aLT)(5-183)

Cmz = Cmz ,0

CmLT = C my

2 ⋅aLT

√(1 N Ed

N cr , z)⋅(1

N Ed

N cr ,T)

≥ 1,0

Dabei ist der Vergleichsschlankheitsgrad λ 0 der Schlankheitsgrad für das Biegedrillkni-cken des betreffenden Bauteils unter der Annahme M y (x )= M y = konstant . Er ist also analog λ

LT zu berechnen, aber eben für ein konstantes Biegemoment.

Unter Verwendung der Ergebnisse aus den Gleichungen (5-182) bzw. (5-183) können die Hilfswerte C yy , C yz , C zy und C zz berechnet werden. Dabei werden weitere bereits bekannte Größen benötigt, die hier NICHT erneut erläutert werden. Für λ max ist der grö-ßere der beiden Werte λ y und λ z anzusetzen. Definiert werden müssen aber noch die Größen n pl , w y und w z :

n pl =N Ed

N Rk⋅1

γM0

w y =W pl , y

W el , y

≤ 1,50 w z =W pl , z

W el , z

≤ 1,50 (5-184)

Nun kann berechnet werden:

C yy = 1 + (w y 1)⋅[(2 1,6

w y

⋅C my

2 ⋅λ max 1,6

w y

⋅C my

2 ⋅λ max

2 )⋅n pl – bLT] ≥W el , y

W pl , y

mit bLT = 0,5⋅a LT⋅λ 0

2⋅M y , Ed

χLT⋅M pl , y , Rd

⋅M z , Ed

M pl , z , Rd

(5-185)

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C yz = 1 + (w z 1)⋅[(2 14⋅Cmz

2 ⋅λ max

2

w z

5 )⋅n pl – cLT] ≥ 0,6⋅√ w z

w y

⋅W el , z

W pl , z

mit cLT = 10⋅aLT⋅λ 0

2

(5 + λ z

4)⋅

M y , Ed

C my⋅χLT⋅M pl , y , Rd

(5-186)

C zy = 1 + (w y 1)⋅[(2 14⋅C my

2 ⋅λ max

2

w y

5 )⋅n pl – d LT] ≥ 0,6⋅√ w y

w z

⋅W el , y

W pl , y

mit d LT = 2⋅a LT⋅λ 0

(0,1 + λ z

4)⋅

M y , Ed

Cmy⋅χLT⋅M pl , y , Rd

⋅M z , Ed

C mz⋅M pl , z , Rd

(5-187)

C zz = 1 + (w z 1)⋅[2 1,6

w z

⋅Cmz

2 ⋅λ max 1,6

w z

⋅C mz

2 ⋅λ max

2– eLT]⋅n pl ≥

W el , z

W pl , z

mit eLT = 1,7⋅aLT⋅λ 0

(0,1 + λ z

4)⋅

M y , Ed

C my⋅χLT⋅M pl , y , Rd(5-188)

Bevor nun abschließend auch für diese 2. Variante die Gleichungen für die Interaktionsfak-toren k yy , k yz , k zy und k zz aufgeschrieben werden können, werden im letzten Zwi-schenschritt noch zwei letzte Hilfsgrößen aus bekannten Werten berechnet:

µy =

1 N Ed

N cr , y

1 χ y⋅N Ed

N cr , y

µ z =

1 N Ed

N cr , z

1 χ z⋅N Ed

N cr , z

(5-189)

Die Gleichungen für die Interaktionsfaktoren werden in der Tabelle 5-13 (folgende Seite) zusammengefasst. Dabei ist wieder anhand der Querschnittsklasse zu unterscheiden, wel-che Querschnittswerte angesetzt werden dürfen. Mit den Faktoren ist dann die Interaktion nach den Gleichungen (5-179) UND (5-180) durchzuführen.

Bei der Beschreibung der beiden Berechnungsvarianten für den kombinierten Nachweis auf Biegeknicken und Biegedrillknicken hier im Script wurde versucht, die Reihenfolge der Gleichungen so anzugeben, dass eine fortlaufende Berechnung möglich ist. In der Norm wird dagegen i.d.R. zuerst das Nachweisformat aufgeschrieben und dann rücklaufend an-gegeben, wie die Größen im Nachweisformat ermittelt werden.

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Interaktionsfaktor Querschnittsklassen 3 und 4(elastische Berechnung)

Querschnittsklassen 1 und 3(plastische Berechnung)

k yy Cmy⋅CmLT⋅µ y

1 N Ed

N cr , y

Cmy⋅CmLT⋅µ y

1 N Ed

N cr , y

⋅1

C yy

k yz Cmz⋅µ y

1 N Ed

N cr , z

Cmz⋅µ y

1 N Ed

N cr , z

⋅1

C yz

⋅0,6⋅√ w z

w y

k zy Cmy⋅CmLT⋅µz

1 N Ed

N cr , y

Cmy⋅CmLT⋅µz

1 N Ed

N cr , y

⋅1

C zy

⋅0,6⋅√ w y

w z

k zz Cmz⋅µz

1 N Ed

N cr , z

Cmz⋅µz

1 N Ed

N cr , z

⋅1

C zz

Tabelle 5-13: Interaktionsfaktoren in der Variante 2 in diesem Script

Es wird deutlich, dass die Hilfswerte der Gleichungen (5-185) bis (5-188) nur im Falle einer plastischen Berechnung der Querschnittswerte benötigt werden. Der Aufwand reduziert sich damit erheblich. Damit wird die Variante 2 als Nachweis mit elastischen Querschnitts-werten auch für Querschnitte der Klassen 1 und 2 durchaus interessant. Andererseits blei-ben Tragreserven und/oder Materialökonomie dabei auf der Strecke.

5.12 Zusammenfassung

Der 5. Abschnitt im Script Stahlbau stellt einige wenige Grundgleichungen zur linea-ren Elastizitätstheorie II. Ordnung zusammen. Die Lösung der Differentialgleichung für den geraden ebenen Stab wird angegeben und die Randbedingungen für einige Sonderfälle ausgewertet. Aus der Lösung der homogenen Differentialgleichung wer-den die Eulerfälle abgeleitet. Mit Hilfe von Weg- und Drehfedern wird der Übergang zum allgemeinen Ersatzstab erklärt. Für eine Reihe von Fällen wird die Ermittlung der Federkennwerte vorgerechnet. Der Zusammenhang mit den Bestimmungen der EN 1993-1-1 wird dargelegt. Hier im Besonderen die Abgrenzungskriterien mit Hilfe des Verzweigungslastfaktors. Anschließend werden die Nachweisformate der EN 1993-1-1 für das reine Biegeknicken, das reine Drillknicken, das reine Biegedrillkni-cken und der kombinierte Interaktionsnachweis für das Biegeknicken und Biege-drillknicken für „gleichförmige Bauteile“ erläutert.

Gegenüber der Norm werden einige Inhalte nicht behandelt. So wurde das allgemei-ne Verfahren für Knick- und Biegedrillknicken und das Biegedrillknicken von Bautei-len mit Fließgelenken hier nicht aufgenommen. Der o.a. kombinierte Nachweis galt für „gleichförmige“ Bauteile mit konstantem Querschnitt.

Es folgen einige Beispiele zu Stabilitätsnachweisen nach EN 1993-1-1.