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1 SMOKE-IT! Unterstützung zur Veränderung der Drogenapplikationsform (von intravenös zu inhalativ) mittels neuartiger Präventionstools sowie medialer und personaler Interventionen

Teil 2: Qualitative Untersuchung - Deutsche Aidshilfe · April 2012 an die teilnehmenden Einrichtungen abgegeben. Das Poster, das den Einrichtungen bereits einige Wochen zuvor zugesandt

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Page 1: Teil 2: Qualitative Untersuchung - Deutsche Aidshilfe · April 2012 an die teilnehmenden Einrichtungen abgegeben. Das Poster, das den Einrichtungen bereits einige Wochen zuvor zugesandt

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SMOKE-IT!

Unterstützung zur Veränderung der Drogenapplikationsform

(von intravenös zu inhalativ) mittels neuartiger Präventionstools

sowie medialer und personaler Interventionen

Page 2: Teil 2: Qualitative Untersuchung - Deutsche Aidshilfe · April 2012 an die teilnehmenden Einrichtungen abgegeben. Das Poster, das den Einrichtungen bereits einige Wochen zuvor zugesandt

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Inhaltsverzeichnis

Einleitung ................................................................................................................................... 4 Der Kontext ................................................................................................................................ 7

Teil I: Quantitative Untersuchung .............................................................................................. 8 1. Methodik ................................................................................................................................ 8 2. Ergebnisse .............................................................................................................................. 9

2.1. Befragungszeitpunkt T1 ................................................................................................ 12 2.2. Befragungszeitpunkt T2 ................................................................................................ 14

2.3. Befragungszeitpunkt T3 ................................................................................................ 17 Teil II: Qualitative Untersuchung............................................................................................. 19

1. Methodik .............................................................................................................................. 19 2. Ergebnisse: NutzerInnen des Angebots ................................................................................ 21

2.1. Wahrnehmung des Angebots zum Rauchkonsum (einschließlich der Rauchfolien samt

Zubehör und Reaktion) ......................................................................................................... 21 2.2. Vor-Erfahrungen mit dem Rauchkonsum von Drogen (Rauch-Konsummuster) .......... 22

2.2.1. Ängste vor dem Injizieren ...................................................................................... 22 2.2.2. Motivationen zum Rauchkonsum ........................................................................... 22 2.2.3. ‚Punkt- und Bahnrauchen’...................................................................................... 23 2.2.4. Das Röhrchen als Reserve ...................................................................................... 24

2.2.5. Angst vor Strafverfolgung ...................................................................................... 24 2.3. Erfahrungen mit der neuen Folie ................................................................................... 24

2.3.1. Geruch und Gleitfähigkeit des Heroins .................................................................. 24 2.3.2. Fehlende Beschichtung auf der neuen Folie als Indikator eines

Gesundheitsbewusstsein ................................................................................................... 25 2.3.3. Geschmack ............................................................................................................. 25 2.3.4. Geräusche ............................................................................................................... 25

2.4. Intravenöser Konsum versus Rauchkonsum: Vor- und Nachteile ................................ 25 2.4.1. Ökonomische Gründe gegen das Rauchen ............................................................. 25

2.4.3. Angst vor einer Überdosierung .............................................................................. 25 2.4.4. Wirkungserleben und Wirkungseintritt: i.v. - Konsum vs. Rauchkonsum ............ 26 2.4.5. Transport der Folie wird als Nachteil des Rauchens erlebt .................................... 26

2.5. Status und Prävalenz der HeroinraucherInnen in der Szene ......................................... 26

2.5.1. Wahrnehmung, und Bewertung des Rauchkonsums .............................................. 26

2.5.2. Ästhetische Aspekte ............................................................................................... 26 2.6. Umstieg von i.v. zu inhalativem Konsum ..................................................................... 26

2.7. Einschätzung der Akzeptanz des Rauchkonsums bei KonsumentInnen, wenn sie die

Folien bezahlen müssten ...................................................................................................... 27 2.8. Einschätzung der Attraktivitätssteigerung der Rauchfolie-abgebenden Einrichtung

durch den Drogenkonsumraum ............................................................................................ 27 2.8.1. Das Setting – Der Rauchraum im Drogenkonsumraum ......................................... 27

3. Ergebnisse: MitarbeiterInnen der Drogenkonsumräume ..................................................... 27 3.1. Zur Einschätzung des Rauchverhaltens der Klientel durch die MitarbeiterInnen der

Drogenkonsumräume ........................................................................................................... 27

3.2. Motivationen zum Rauchen .......................................................................................... 28 3.3. Erfahrungen mit der neuen Folie im Rahmen der Smoke-It! - Kampagne ................... 29

3.3.1. Die Folie als professionelle Hilfe zur Thematisierung von Risiken, Alternativen

und Erreichbarkeit von Klienten ...................................................................................... 29 3.3.2. Kritik an der Kampagne: Thematisierung aller Applikationsformen ..................... 30

3.4. Umstieg von i.v. zu inhalativem Konsum ..................................................................... 30 3.4.1. Peer Support beim Umstieg vom i.v.- auf Rauchkonsum ...................................... 31

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3.4.2. Video-Anleitung zum ‚richtigen Rauchen’ ............................................................ 31 3.5. Rauchkonsum als Drogennotfall- und Infektionsprophylaxe ........................................ 31

Empfehlungen .......................................................................................................................... 31

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Einleitung

Seit Bekanntwerden des illegalen Konsums von Heroin in Deutschland Anfang der 70er Jahre wurden

vorrangig intravenöse Konsumformen praktiziert.

Das auf dem illegalen Markt erhältliche Heroin wird üblicherweise in einer mittleren oder schlechten

Qualität (5-30% Wirkstoffgehalt) angeboten. Aufgrund der Schwarzmarkbedingungen kam es zu

teilweise astronomischen Preisen in den 80er und 90er Jahren. Ein Gramm Straßenheroin wurde für

bis zu 400 D-Mark verkauft. Diese Bedingungen (geringer Wirkstoffgehalt und hoher Preis) bildeten

die Grundlage, dass der intravenöse Konsum in Deutschland zur gebräuchlichsten Konsumform

avancierte. In welcher Form kulturelle Einflüsse Auswirkungen auf die Drogenapplikationsform haben

können, wird am Beispiel unseres Nachbarlands Niederlande deutlich. Durch den Einfluss von

HeroinkonsumentInnen aus Surinam ist der inhalative Konsum mit ca. 90% heute die dominierende

Applikationsform in den Niederlanden.12

Bedingt durch Rekordernten in den Anbauländern (v.a. Afghanistan; siehe World Drug Report3 kam

es zu einem deutlichen Preisverfall des Heroins in Deutschland und nach der Jahrtausendwende

traten inhalative Konsumformen vermehrt auf. Berichte aus der Vor-Ort Arbeit lassen vermuten, dass

das zunehmende Lebensalter der KonsumentInnen, verbunden mit einem schlechten Venenstatus

eine Veränderung der Applikationsformen (intravenös – intramuskulär - inhalativ) unterstützte. Dies

ist nicht als linearer Prozess zu verstehen, auch die vorliegende Studie zeigt, dass sich entweder in

einer Übergangsperiode oder allgemein Applikationsmuster überlappen. Es liegen bisher keine

Studienergebnisse darüber vor, ob durch das Bekanntwerden von vermehrten Hepatitis C -

Infektionen bei Heroinkonsumenten der Wechsel der Konsumform forcierte wurde.

Die Veränderungen hinsichtlich der Applikationsformen werden auch im Bericht der Deutschen

Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (DBDD) abgebildet.

Während der Bericht des Jahres 2009 der Deutschen Beobachtungsstelle für Drogen und

Drogensucht (DBDD) sowie der Drogen und Suchtbericht der Bundesregierung für den Zeitraum 2005

– 2009 einen leichten aber kontinuierlichen Anstieg des inhalativen Konsums zu Ungunsten des

intravenösen Konsums auswiesen, hat sich dieser Trend aktuell nicht mehr fortgesetzt. Der Anteil

derjenigen, die Heroin rauchen blieb im Vergleich zum Vorjahr quasi unverändert (2011: 27,0 %;

2010: 26,8 %). Hingegen stieg der intravenöse Konsum wieder leicht an (2011: 58,9 %; 2010: 57,8 %),

während der nasale Konsum sank (2011: 8,4 %; 2010: 9,9 %) 4 .Trotz regionaler und

einrichtungsspezifischer Unterschiede bestätigen die Rückmeldungen aus Drogenkonsumräumen

und Drogentherapeutischen Ambulanzen (NRW) insgesamt einen Anstieg des inhalativen Konsums

während der letzten Jahre (bspw. Kick in Dortmund):

Die vorliegenden Daten geben Hinweise darauf, dass das Risiko einer unbeabsichtigten

Überdosierung beim Rauchen von Heroin im Gegensatz zum Spritzen von Stoff unbekannten

Reinheitsgehaltes, wesentlich herabgesetzt wird. Darüber hinaus ist das Risiko, sich über

2 Treatment of Heroin Addiction in The Netherlands, Wim van den Brink Amsterdam Institute for Addiction Research 3 Unodc.org; world drug report

4 Bericht 2012 des nationalen REITOX-Knotenpunkts an die EBDD

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Blutkontakte mit HIV, Hepatitis B oder C zu infizieren, beim Folierauchen erheblich geringer als beim

intravenösen Konsum. Trotz der erheblichen Belastungen von Lunge und Atemwegen durch den

Rauchkonsum, kann das Fazit gezogen werden, dass der inhalative Konsum im Gegensatz zum i.v.

Konsum – gemessen an den Indikatoren ‚Überdosierung’ und ‚virale Infektionen’ - gesundheitlich

deutlich weniger riskant ist.

Trotz dieser schadensminimierenden Effekte des Rauchkonsums gibt es nur sehr wenig

wissenschaftliche Forschung zu diesem Thema. Lediglich Neil Hunt5 und Rachel Pizzey untersuchten

im Jahr 2008 die Effekte der Einführung von Rauchfolien in vier Einrichtungen im Nordwesten

Englands, die bis dato ausschließlich Angebote des Spritzen- und Nadeltauschs vorhielten. (Die

Forschungsergebnisse zeigen, dass die Aufnahme von Rauchfolien in das Angebotsspektrum

NutzerInnen der Einrichtungen dazu motivieren konnten, über andere Konsumformen und

Möglichkeiten der Risikominderung zu diskutieren.)

Zielsetzung des Forschungsprojektes „SMOKE-IT!“

Im Rahmen dieses Projekts „SMOKE-IT!“ soll überprüft werden inwieweit eine Veränderung

der Drogenapplikationsform (von intravenös zu inhalativ) mittels neuartiger Präventionstools

sowie medialen und personalen Interventionen unterstützt werden kann.

Es gilt zu überprüfen, ob die mit dem intravenösen Drogenkonsum verbundenen Mortalitäts-

und Morbiditätsrisiken durch den temporären oder vollständigen Wechsel der

Applikationsform reduziert werden können.

Darüber hinaus soll überprüft werden, ob durch die Bereitstellung neuer Konsumutensilien

(Folie, Röhrchen) sowie begleitenden medialen Angeboten (Flyer, Poster) die

Änderungsbereitschaft unterstützt werden kann.

Überprüft werden soll ferner ob durch „Mundpropaganda“ und „mediale Präsenz“ neue

Nutzergruppen angesprochen werden, die bisher keinen Kontakt zu den teilnehmenden

Einrichtungen hatten

„SMOKE-IT!!“ ist eine multizentrische Studie, die in Einrichtungen (Drogenkonsumräume) in den

Städten Frankfurt (zwei), Berlin, Dortmund, Hamburg und Bielefeld durchgeführt wurde:

Mit dieser Erhebung sollte in Deutschland erstmals eine valide Grundlage geschaffen, die die

Wirksamkeit einer zielgerichteten Ansprache zum Wechsel der Applikationsform unter Einbeziehung

neuer Konsumutensilien überprüft. Ausgehend von diesen Ergebnissen könnten zielgerichtete

Kampagnen mit hohem infektionsprophylaktischem Nutzen lanciert werden. Für Träger bieten sich

bei positiven Ergebnissen folglich ausreichende Gründe, um die Erweiterung ihres Harm Reduktion

Angebots zu realisieren.

Aus den Ergebnissen dieser Studie sind Empfehlungen abgeleitet worden (siehe Kapitel

‚Empfehlungen’).

5 Distributing foil from needle and syringe programmes (NSPs) to promote transitions from heroin injecting to chasing: An evaluation

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Dank an:

Die MitarbeiterInnen in Frankfurt (IDH, AHF), Berlin (FIXPUNKT), Dortmund (AH Dortmund), Hamburg

(RAGAZZA), Bielefeld (Drogenberatung) die das Projekt unterstützt und ermöglicht haben.

An alle TeilnehmerInnen der Studie, die detailliert über ihre Konsumgewohnheiten gesprochen

haben.

An die Deutsche AIDS-Hilfe (Dirk Schäffer), die diese Studie ermöglicht hat.

Frankfurt am Main, 31.1.2013

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Der Kontext

La Strada Frankfurt

La Strada ist das Drogenhilfezentrum der AIDS-Hilfe Frankfurt und bietet Drogengebrauchern im

Frankfurter Bahnhofsviertel Angebote der Grundversorgung und praktische Überlebenshilfen. Das La

Strada verfolgt das Konzept akzeptierender, niedrigschwelliger Drogenhilfearbeit mit den Zielen der

Schaffung eines Ruhe- und Schutzraums. Das La Strada will die Gesundheit Drogen gebrauchender

Menschen fördern sowie die Veränderung drogenpolitischer Rahmenbedingungen, die Einfluss auf

das Verhalten von Drogenkonsumenten haben, initiieren und unterstützen

Nidda 49

Der Verein Integrative Drogenhilfe e. V. in Frankfurt am Main ist ein seit mehr als 20 Jahren

etablierter Träger für Konzepte und Angebote im Bereich der niedrigschwelligen Drogenhilfe. Der

Konsumraum NIDDA 49 befindet sich direkt im Frankfurter Bahnhofsviertel. Das szenenahe,

schadenminimierende Arbeitskonzept ist ausgerichtet auf die Gesundheitsprophylaxe und die

Überlebenshilfe. Neben hygienischen Konsummöglichkeiten und Spritzentausch, werden die

Betroffenen über Safer-Use und Safer-Sex informiert und zu Übertragungswegen und -risiken von HIV,

Hepatitis und STI´s aufgeklärt.

FIXPUNKT

„Fixpunkt in Berlin“ steht für die Entwicklung und Umsetzung innovativer Ideen in der

Gesundheitsförderung für illegal Drogen gebrauchende in Berlin. Die Einrichtung SKA ist eine

Kontaktstelle mit integriertem Konsumraum für Drogen gebrauchende Menschen, die in erster Linie

illegale und sogenannte harte Drogen intravenös konsumieren. Die niedrigschwellige Kontaktstelle

SKA ist aufgrund der Arbeitsweise und dem breitem Angebot eine wichtige Anlauf-, Kontakt-,

Informationsstelle für in der Regel von Krankheit und Isolation gekennzeichnete Drogenkonsumenten.

Ragazza

Der Verein Ragazza e.V. leistet seit Ende 1991 niedrigschwellige und akzeptierende Drogenarbeit in

Hamburg St. Georg. Das Ragazza ist eine niedrigschwellige und akzeptierende Kontakt- und

Anlaufstelle mit einem integrierten Konsumraum und bietet Hilfen für Frauen, die Drogen

konsumieren und der Prostitution nachgehen. Aufgrund des akzeptierenden, frauenspezifischen und

niedrigschwelligen Arbeitsansatzes ist Ragazza für Drogen gebrauchende Frauen sowohl Rückzugsort

und Schutzraum von dem Leben auf der Straße.

Kick

Träger der Drogenhilfeeinrichtung ‚kick’ ist die Aids-Hilfe Dortmund e.V. Durch die Verknüpfung des

Drogenkonsumraums mit dem Kontaktcafé und der Drogentherapeutischen Ambulanz steht den

Nutzern die gesamte Angebotspalette der Drogenhilfeeinrichtung ohne größeren Aufwand zur

Verfügung. Ziel des Kick ist die Schaffung einer Atmosphäre, in der sich Regeln und Rituale für einen

dauerhaften risikoloseren Drogenkonsum auch außerhalb der Einrichtung entfalten können.

Drogenberatung Bielefeld

Die Drogenberatung Bielefeld kann auf eine fast 40 jährige Erfahrung in der Beratung und Begleitung

von Drogenkonsumenten zurückblicken. Auf dem Gelände des Drogenhilfezentrums Bielefeld

befindet sich der Drogenkonsumraum. Drogengebraucher erhalten dort, unabhängig von einer

Abstinenzmotivation, ebenso alltags- und lebenspraktische Hilfen wie eine gesundheitlich-

medizinische Grundversorgung.

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Teil I: Quantitative Untersuchung

1. Methodik

Die Datenerhebung erfolgte mithilfe eines schriftlichen Fragebogens. Dieser wurde zusammen mit

den MitarbeiterInnen der teilnehmenden durchführenden Drogenkonsumräume im Rahmen eines

gemeinsamen Workshops konzipiert und dann via Email weiterentwickelt. In den teilnehmenden

Einrichtungen in Berlin und Dortmund wurde eine vorläufige Endfassung des Fragebogen pre-

getestet. Die Rückmeldungen der MitarbeiterInnen und der NutzerInnen wurden wiederum genutzt

um die finale Fassung des Fragebogens, als zentrales Erhebungsinstruments der Studie, fertig zu

stellen.

Nachdem die Fragebögen layoutet wurden, erfolgte der Versand an die teilnehmenden

Einrichtungen in Berlin, Dortmund, Hamburg und Frankfurt (2x) Diese wurden in einem separaten

Schreiben mithilfe eines Manuals nochmals genau instruiert, wie die Interview-Probanden

anzusprechen und die Befragung durchzuführen ist. Die im Rahmen des Workshops (8.12.11 in

Berlin) konzipierten Medien (Poster, Flyer, Karte) sowie ausschließlich für den inhalativen

Heroinkonsum hergestellte Rauchfolien, sowie Klarsichtbeutel, die als Behältnis dienten um den

Heroinkonsumenten alle Bestandteile des SMOKE IT! - Packs aushändigen zu können, wurden im

April 2012 an die teilnehmenden Einrichtungen abgegeben.

Das Poster, das den Einrichtungen bereits einige Wochen zuvor zugesandt wurde, trug dazu bei die

NutzerInnen der Einrichtungen auf das Projekt hinzuweisen. Der Flyer informierte über die Vorteile

und Risiken des inhalativen Heroinkonsums und beschreibt den inhalativen Konsumvorgang im Text.

Die Karte bildet hingegen die wesentlichen Schritte des Rauchkonsums sowie die Herstellung des

Röhrchens mittels sechs Fotografien ab, und unterstützt insbesondere jene Heroinkonsumenten, die

bisher keine oder wenig Erfahrungen mit dem inhalativen Konsum hatten.

Zudem wurden die Teilnehmerinnen eine unterschiedliche Anzahl von Rauchfolien ausgehändigt.

Somit konnte die Studie wie geplant am 1. April 2012 beginnen. In mehreren Telefonaten mit den

zuständigen Mitarbeiterinnen vor Ort wurde die Befragung begleitet. Fragen konnten

zufriedenstellend beantwortet werden und dienten z.T. zur Weiterentwicklung des Konzeptes.

Der Fragebogen sollte zu drei verschiedenen Zeitpunkten von den befragten Heroinkonsumenten

ausgefüllt werden sollte.

Teil 1 des Fragebogens ist unmittelbar nach der Rekrutierung der Studienteilnehmer (Zeitpunkt T1)

zur Anwendung gekommen. Er enthält Fragen zur Demografie, zur Dauer des Opiatkonsums (inkl. der

Dauer der Praktizierung verschiedener Applikationsformen), zum aktuellen Heroinkonsum sowie die

Frage, ob die angesprochenen Personen ein „SMOKE-IT!“ - Pack haben möchten. Wurde die letzte

Frage bejaht, dann erfolgte die Übergabe des SMOKE IT! - Packs verbunden mit dem Hinweis, dass

nach einiger Zeit zwei weitere kurze Befragungen erfolgen werden. Lehnten die angesprochenen

Heroinkonsumenten das „SMOKE-IT!“-Pack ab, wurden sie gebeten, ihre Entscheidung kurz zu

begründen.

Dieser Personenkreis ist dann zukünftig nicht mehr befragt worden. Die Befragten, die das „SMOKE-

IT“ - Pack annahmen, sollten nach dem Folie-Rauchen im Konsumraum oder nach der Wiederkehr in

die Einrichtung (Zeitpunkt T2) erneut befragt werden. Inhalt dieser Befragung waren die Nutzung und

Beurteilung der Rauchfolien, Gründe des Folienrauchens, positive und negative Erfahrungen mit den

Rauchfolien sowie Veränderungen der Applikationsform (rauchen, statt zu injizieren).

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Frühestens 30 Tage nach der Befragung T2 sollte die dritte und letzte Befragung im Rahmen dieser

Studie stattfinden (Zeitpunkt T3). Inhalt war die Nutzung der Rauchfolien in den zurückliegenden

Wochen, die Bewertung der Folien, (mögliche) Veränderungen der Applikationsformen sowie die

Frage nach dem Preis, welche die befragten Heroinkonsumenten bereit wären zu zahlen, um die

Folien auch in der Zukunft zu nutzen.

Die Ansprache potentieller Studienteilnehmer erfolgte durch die Mitarbeiter der Konsumräume.

Stimmten die Angesprochenen der Befragung zu, dann wurden ihre Initialen (1. und 3. Buchstabe des

Vornamens, 1. und 3. Buchstabe des Nachnamens) auf dem Fragebogen vermerkt. Anhand des

Abgleichs der Daten der Konsumraumdokumentation mit diesen Initialen konnten zu den

Befragungszeitpunkten T2 und T3 die Fragebögen durch die Mitarbeiter der Konsumräume eindeutig

denselben Personen wieder zugeordnet werden. Da ohne Kenntnis der konkreten Namen der

Konsumraumbesucher eine solche Identifizierung der Studienteilnehmer nicht möglich ist, erfolgten

alle weiteren Studienabschnitte (Dateneingabe, Auswertung, Berichterstellung) somit auf Basis

pseudo-anonymisierter Daten.

Insgesamt beteiligten sich sechs Konsumräume an der Rekrutierung der Studienteilnehmer: die

Einrichtung „SKA“ in Berlin (Trägereinrichtung: Fixpunkt), die Einrichtungen „La Strada“ (Träger AH

Frankfurt) und „Niddastr. 49“ (Träger Integrative Drogenhilfe) aus Frankfurt. Die Einrichtung

„Ragazza“ aus Hamburg (Träger: Ragazza) die ausschließlich von Frauen für Frauen ausgerichtet ist,

sowie die Einrichtung KICK in Dortmund (Träger AH Dortmund) und Bielefeld (Drogenberatung).

Die final ausgefüllten Fragebögen wurden in den Konsumräumen gesammelt und zu einem

festgelegten Datum an das auswertende Institut (Institut für Suchtforschung, ISFF Frankfurt/Main)

gesandt. Nach Eingang aller Bögen erfolgte die Dateneingabe mithilfe eines speziell hierfür erstellten

computergestützten Eingabeprogramms. Anschließend wurden die Daten unter Verwendung des

Statistikprogramms SPSS 15 auf Plausibilität geprüft und, sofern notwendig, bereinigt. Daran

anschließend erfolgte die Datenauswertung ebenfalls mit SPSS.

Insgesamt sind bis zum Ende der quantitativen Studie (15.8.2012) 177 Fragebögen beim ISFF in

Frankfurt eingegangen. 12 Personen lehnten das Angebot des Erhalts eines „SMOKE-IT!“-Packs ab.

Von den verbleibenden 165 Befragten konnten 141 zum Zeitpunkt T2 wiederbefragt werden. Dies

entspricht einer Wiedererreichungsquote von 85,5%. An der letzten Befragung zum Zeitpunkt T3

nahmen noch 89 Personen teil (Wiedererreichungsquote in Bezug auf T1: 54,0%).

2. Ergebnisse

In Tabelle 1 sind eine Reihe von Merkmalen der befragten Heroinkonsumenten wiedergegeben, die

das Angebot eines „SMOKE-it“-Packs auch annahmen. Die entsprechenden Anteile werden für die

Zeitpunkte T1, T2 und T3 berichtet. Diese Form der Darstellung erlaubt eine Einschätzung darüber,

inwiefern es aufgrund der Drop-Outs zwischen den einzelnen Befragungszeitpunkten zu einer

Verzerrung der Stichprobe gekommen ist. Denn unterscheiden sich die drei Stichproben hinsichtlich

relevanter Merkmale stark voneinander, so wäre die vergleichende Interpretation der Ergebnisse

verschiedener Befragungszeitpunkte nur eingeschränkt möglich.

Tabelle 1 lässt sich entnehmen, dass in der Eingangsbefragung (T1) fast die Hälfte der befragten

Personen in den beiden Frankfurter Konsumräumen rekrutiert wurde (46,1%). Etwas weniger als ein

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Drittel (30,9%) kommt aus Berlin und 11,5% aus Dortmund. Etwa jeweils jeder zwanzigste

Studienteilnehmer wurde in Bielefeld (5,5%) und Hamburg (6,1%) befragt. Zeigen sich mit Blick auf T2

nur geringe Abweichungen in der Verteilung, so gibt es zwischen T1 und T3 durchaus einige

nennenswerte Verschiebungen. Aus Bielefeld ist nunmehr nur noch eine Person vertreten und der

Berliner Anteil hat sich um etwas mehr als zehn Prozentpunkte reduziert. Gestiegen sind hingegen

die Anteile für Frankfurt und Dortmund.

Die Befragten sind überwiegend männlichen Geschlechts (77,0%). Zeigt sich in T2 keine Veränderung

in den Anteilen von Männern und Frauen gegenüber T1, so nimmt zu T3 der Anteil der männlichen

Klienten noch etwas zu (79,8%).

Die Studienteilnehmer sind zu T1 im Mittel 34,7 Jahre alt. Das Durchschnittsalter zu T2 und T3 ist nur

geringfügig geringer. Mit Blick auf die kategoriale Darstellung des Alters wird aber deutlich, dass der

Anteil der Gruppe der über 39-Jährigen von Befragung zu Befragung abnimmt.

Nahezu acht von zehn der befragten Heroinkonsumenten sind zu T1 deutsche Staatsbürger. Jeder

Elfte ist Bürger eines anderen Staates der Europäischen Union und weitere 11,8% besitzen die

Staatsbürgerschaft eines Landes, das nicht der EU angehört. Die entsprechenden Anteile verändern

sich in Abhängigkeit von den Befragungszeitpunkten nur geringfügig.

Von besonderem Interesse für diese Studie ist die Frage nach der Dauer des bisherigen

Opiatkonsums. So ist zum einen anzunehmen, dass ein langjähriger Opiatkonsum zu habitualisierten

Konsummustern führt, welche eine Veränderung der Applikationsform erschweren. Andererseits

kann ein jahrelanger Konsum von Heroin – sofern er intravenös erfolgt – zu Erkrankungen bzw.

Vernarbungen der Blutgefäße (Venen) führen. Eine venenschonende Form des Heroinkonsums

könnte daher gerade für Personen mit langjährigem iv-Konsum von Interesse sind.

Aus Tabelle 1 lässt sich entnehmen, dass die Studienteilnehmer im Mittel seit 13,3 Jahren Heroin zu

sich nehmen. Die Angaben variieren zwischen einem Jahr und 41 Jahren. Fast ein Fünftel konsumiert

zwischen ein und fünf Jahren Heroin. Weitere 24,8% bereits seit sechs bis zehn Jahren. Jeweils ein

Fünftel gibt an, seit elf bis 15 Jahren bzw. 16 bis 20 Jahren Heroin einzunehmen und 15,2% berichten

von einem Opiatkonsum, der schon länger als 20 Jahre andauert. Die entsprechenden Anteile

variieren zwischen den verschiedenen Befragungszeitpunkten nicht nennenswert voneinander.

Der intravenöse Heroinkonsum ist unter den Studienteilnehmern sehr weit verbreitet. Zu 117 der

165 Befragten (70,9%) finden sich Angaben bzgl. der Dauer des iv-Konsums. Im Mittel wird dieser seit

10,4 Jahren praktiziert. Dieser Wert variiert zwischen den drei Befragungszeitpunkten kaum.

Bis auf sehr wenige Ausnahmen verfügen die befragten Heroinkonsumenten über Erfahrungen mit

der inhalativen Aufnahme opiathaltiger Substanzen (96,8%). Seit durchschnittlich 11,1 Jahren

praktizieren sie das Rauchen von Heroin. D.h., der weit überwiegende Teil der Personen, der ein

„SMOKE-it“-Pack erhalten hat, ist mit dieser Applikationsform bereits vertraut.

Insgesamt lässt sich festhalten, dass sich die Stichproben der drei Befragungszeitpunkte in

wesentlichen Bereichen nur geringfügig unterscheiden. Somit gibt es methodisch keine Einwände

gegen eine vergleichende Darstellung der Ergebnisse der drei Befragungen. Lediglich der geringere

Anteil der über 39-Jährigen zu T3 sollte bei den Ergebnisinterpretationen berücksichtigt werden.

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Tabelle 1: Charakteristika der befragten Personen nach Befragungszeitpunkt

T1 T2 T3

%/MW %/MW %/MW

Erhebungsort (N=165) (N=141) (N=89)

Berlin 30,9% 31,9% 20,2%

Bielefeld 5,5% 6,4% 1,1%

Dortmund 11,5% 11,3% 15,7%

Frankfurt 46,1% 44,7% 57,3%

Hamburg 6,1% 5,7% 5,6%

Geschlecht (N=165) (N=141) (N=89)

Männlich 77,0% 77,3% 79,8%

weiblich 23,0% 22,7% 20,2%

Alter (N=165) (N=141) (N=89)

19-29 Jahre 29,7% 30,5% 29,2%

30-39 Jahre 40,0% 41,8% 46,1%

40 Jahre und älter 30,3% 27,7% 24,7%

Durchschnittsalter (SD) 34,7 (8,3) 34,3 (8,4) 34,4 (7,8)

Staatsbürgerschaft (N=161) (N=138) (N=88)

Deutschland 78,9% 79,0% 81,8%

anderes EU-Land 9,3% 10,1% 8,0%

anderes Land außerhalb der EU 11,8% 10,9% 10,2%

Jahre des Konsums von Heroin oder anderen Opiaten (N=165) (N=141) (N=89)

1-5 Jahre 19,4% 19,9% 15,7%

6-10 Jahre 24,8% 27,0% 29,2%

11-15 Jahre 20,0% 17,7% 22,5%

16-20 Jahre 20,6% 21,3% 19,1%

21 Jahre und mehr 15,2% 14,2% 13,5%

Mittelwert (SD) 13,3 (8,3) 13,1 (8,2) 13,2 (8,2)

Jahre mit intravenösem Heroinkonsum (N=117) (N=99) (N=64)

Mittelwert (SD) 10,4 (9,0) 10,0 (8,9) 10,7

Jemals Heroin geraucht (N=139) (N=120) (N=70)

Ja 96,8% 97,0% 95,3%

Nein 3,2% 3,0% 4,7%

Mittelwert (SD) 11,1 (7,4) 11,0 (7,4) 10,7 (6,7)

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2.1. Befragungszeitpunkt T1

Zum Abschluss der ersten Befragungswelle (T1) sind die Studienteilnehmer gebeten worden,

Angaben zur Art der Applikation des Heroins in den zurückliegenden 30 Tagen zu machen.

Aus Tabelle 2 lässt sich entnehmen, dass etwas mehr als ein Drittel der Befragten (35,0%) im letzten

Monat Heroin intravenös konsumierten. Bei den Männern ist diese Applikationsform mit einem

Anteil von 68,0 % bemerkenswert häufiger anzutreffen als bei den Frauen (55,3%). Wird nach dem

Alter differenziert, so zeigt sich, dass der iv-Konsum bei den jüngeren Heroinkonsumenten (19-29

Jahre) mit einem Anteil von 70,2% häufiger verbreitet ist, als bei den über 29-Jährigen.

Im Mittel praktizieren die Befragten mit iv-Konsum 3,4-mal pro Tag eine solche Form der

Heroinaufnahme. Der Median – also der Wert, welcher an der mittleren Stelle steht, wenn die

Angaben der Studienteilnehmer nach Größe sortiert werden – beträgt etwas geringere 3,0

intravenöse Konsumvorgänge. Sehr interessante Unterschiede zeigen sich bei Betrachtung der Werte

in Abhängigkeit vom Geschlecht. Berichten die Männer im Mittel von 3,2-maligem iv-Konsum pro Tag,

so sind es bei den Frauen 4,1. Auch mit Blick auf den Median bestätigt sich der intensivere

intravenöse Konsum der weiblichen Heroinkonsumenten. Hinsichtlich des Alters fallen die Ergebnisse

weniger konsistent aus. Wird ausschließlich der Mittelwert betrachtet, so zeigen die beiden jüngeren

Altersgruppen einen identischen Wert von 3,6 Konsumvorgängen pro Tag, während es bei den über

39-Jährigen geringere 2,8 Konsumvorgänge sind. Die hohe Standardabweichung für den Mittelwert

der mittleren Altersgruppe (SD=4,7) deutet aber bereits darauf hin, dass der entsprechende

Mittelwert durch Ausreißer mit einem sehr häufigen iv-Konsum verzerrt ist. Der Median liefert in

diesem Fall ein aussagekräftigeres Ergebnis. Nunmehr zeigt sich, dass in der mittleren Altersgruppe

die Hälfte der Befragten maximal 2,0-mal pro Tag Heroin injiziert. In der ältesten Gruppe sind es 2,75

Injektionen pro Tag und bei den Jüngsten 3,28.

Noch verbreiteter als der intravenöse Konsum ist unter den Studienteilnehmern das Rauchen von

Heroin; 82,3% berichten davon, in den zurückliegenden 30 Tagen eine solche Form der

Substanzaufnahme praktiziert zu haben. Bei den Männern ist das Heroinrauchen mit einem Anteil

von 84,2% häufiger anzutreffen als bei den Frauen (76,3%). Auch hinsichtlich des Alters zeigen sich

kleinere Unterschiede. In der jüngsten und ältesten Gruppe wird das Heroinrauchen mit Anteilen von

85,1% und 83,0% etwas häufiger praktiziert, als in der mittleren Altersgruppe (79,7%).

Befragt nach der Häufigkeit des Heroinrauchens gaben 23,1% aller Personen, die im letzten Monat

Heroin auf diese Weise konsumierten an, weniger als einmal pro Woche eine solche

Applikationsform zu wählen. Weitere 10,8% rauchen Heroin regelmäßig einmal die Woche und ein

Fünftel (20,8%) regelmäßig mehrmals wöchentlich. Fast die Hälfte der Befragten (45,4%) raucht

Heroin regelmäßig mindestens einmal pro Tag. Wiederum zeigen die Frauen einen intensiveren

Konsum. Fast drei Viertel (72,4%) konsumieren mindestens mehrmals pro Woche Heroin in Form des

Rauchens. Bei den Männern liegt der entsprechende Anteil acht Prozentpunkte darunter. Die

Attraktivität des Rauchens von Heroin steigt offensichtlich mit dem Alter der Konsumenten stetig an.

Berichten bei den 19 bis 29-Jährigen 37,5% von einer täglichen inhalativen Heroin-Aufnahme, so sind

es in der nächstälteren Gruppe (30-39 Jahre) bereits 45,1%. Dieser bereits schon recht hohe Anteil

steigt nochmals, wenn der Blick auf die ältesten Studienteilnehmer fokussiert wird. 53,8% von ihnen

rauchen täglich Heroin.

Tabelle 2: Art der Applikation des Heroins in den letzten 30 Tagen vor der Befragung (Zeitpunkt T1)

Geschlecht Alter Gesamt

M w 19-29 30-39 40+

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Heroin-iv-Konsum im letzten Monat (N=125) (N=38) (N=47) (N=66) (N=50) (N=163) Ja 68,0% 55,3% 70,2% 62,1% 64,0% 65,0%

nein 32,0% 44,7% 29,8% 37,9% 36,0% 35,0%

Anzahl Heroin-iv-Konsum pro Tag (N=80) (N=19) (N=30) (N=39) (N=30= (N=99)

Mittelwert (SD) 3,2 (3,6)

4,1 (2,8)

3,6 (2,8)

3,6 (4,7)

2,8 (1,7)

3,4 (3,5)

Median 2,5 3,5 3,25 2,0 2,75 3,0

Heroin geraucht im letzten Monat (N=120) (N=38) (N=47) (N=64) (N=47) (N=158)

Ja 84,2% 76,3% 85,1% 79,7% 83,0% 82,3%

nein 15,8% 23,7% 14,9% 20,3% 17,0% 17,7%

Heroin geraucht im letzten Monat (N=101) (N=29) (N=40) (N=51) (N=39) (N=130)

weniger als 1 Mal wöchentlich 24,8% 17,2% 32,5% 23,5% 12,8% 23,1%

regelmäßig, 1 Mal wöchentlich 10,9% 10,3% 15,0% 9,8% 7,7% 10,8%

regelmäßig, mehrmals wöchentlich

19,8% 24,1% 15,0% 21,6% 25,6% 20,8%

regelmäßig, mindestens 1 Mal am Tag

44,6% 48,3% 37,5% 45,1% 53,8% 45,4%

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2.2. Befragungszeitpunkt T2

Die Konsumraumbesucher, die ein SMOKE-it-Pack erhalten haben, sollten nach Gebrauch der Folien

ein zweites Mal befragt werden. Der zeitliche Abstand zwischen der ersten Befragung (T1) und dieser

Nachbefragung variiert erheblich. Etwas weniger als ein Drittel (30,1%) hat noch am selben Tag, an

dem auch die T1-Erhebung stattfand, auch den zweiten Fragebogen ausgefüllt; weitere 40,5%

innerhalb der darauf folgenden 10 Tage. Das in den Daten vorzufindende Maximum der Zeitspanne

zwischen T1 und T2 beträgt 80 Tage.

Mehr als vier Fünftel der Heroinkonsumenten, welche ein SMOKE-it-Pack erhalten haben, nutzten

dieses auch zum Konsum der Opiatprodukte. Männer berichten hiervon mit einem Anteil von 87,2%

deutlich häufiger als die Frauen. (71,9%). Zwischen den Altersgruppen zeigen sich hingegen keine

nennenswerten Unterschiede in den Anteilen. Die Werte entsprechen im Wesentlichen dem der

Gesamtstichprobe.

Etwas weniger als die Hälfte aller Befragten gebrauchte die Folien direkt im Konsumraum (46,6%);

die Frauen mit 56,5% bemerkenswert häufiger als die Männer (44,2%). Mit Blick auf die

Altersgruppen sind es die Jüngeren, die überdurchschnittlich häufig angeben, das Folienrauchen im

Konsumraum praktiziert zu haben. Mit zunehmendem Alter sinken die entsprechenden Anteile. So

berichten 46,9% der 30 bis 39-Jährigen und 42,4% der über 39-Jährigen von einer Nutzung der

Rauchfolien an diesem Ort.

Abgesehen von zwei Ausnahmen (Frankfurt – La Strada & Hamburg Ragazza) sind auch schon vor

Durchführung der Studie in den Konsumräumen Rauchfolien ausgegeben worden. Nach Nutzung der

SMOKE-it-Folien sollten die Studienteilnehmer nun angeben, welche Art der Rauchfolien sie

bevorzugen. Die weit überwiegende Mehrheit favorisiert die Folien des SMOKE-it-Packs (85,5%).

Unter den weiblichen Heroinkonsumenten ist die Zustimmung hierfür mit einem Anteil von 88,9%

höher als bei den Männern (81,0%). Werden die Altersgruppen betrachtet, so zeigen sich hier keine

beachtenswerten Unterschiede. Der Anteil der SMOKE-it-Befürworter in der ältesten

Befragtengruppe liegt mit 84,6% lediglich drei Prozentpunkte über dem der anderen beiden

Altersgruppen.

Der intravenöse Konsum von Heroin stellt eine besondere Gefährdung für die Gesundheit derjenigen

dar, die diese Applikationsform praktizieren. Als wesentliche negative Folgen sind in diesem

Zusammenhang nachhaltige Schädigungen der Blutgefäße, Venenerkrankungen, die Gefahr einer

Überdosierung sowie die Übertragung von Krankheiten wie Hepatitis und Aids zu nennen. Ein

wesentliches Ziel dieser Studie ist daher gewesen, den intravenösen Konsum der teilnehmenden

Heroinkonsumenten zu reduzieren. Die letzte Zeile der Tabelle 3 macht deutlich, dass zwei Drittel der

Stichprobe (65,3%) die SMOKE-it-Folien für den Konsum des Opiats nutzten, statt zu injizieren. Es

zeigen sich jedoch bemerkenswerte geschlechtsspezifische Unterschiede. Während 71,1% der

Männer angeben, aufgrund der Ausgabe der SMOKE-it-Folien das Heroin geraucht statt injiziert zu

haben, beträgt dieser Anteil bei den Frauen lediglich 48%.

Weniger stark ausgeprägt sind die Unterschiede in den Anteilen zwischen den verschiedenen

Altersgruppen. Während 71,0% der 19 bis 29-Jährigen und 66,7% der über 39-Jährigen von einer

Reduzierung der iv-Konsums aufgrund der SMOKE-it-Folien berichten, sind es in der mittleren

Altersgruppe (30 bis 39 Jahre) geringere 60,9%.

Tabelle 3: Gebrauch und Beurteilung der SMOKE-it-Folien

Geschlecht Alter Gesamt

M w 19-29 30-39 40+

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Gebrauch der SMOKE-it-Folien (N=109) (N=32) (N=43) (N=59) (N=39) (N=141) Ja 87,2% 71,9% 83,7% 83,1% 84,6% 83,7%

Nein 12,8% 28,1% 16,3% 16,9% 15,4% 16,3%

Ort des Gebrauchs der Folien (N=95) (N=23) (N=36) (N=49) (N=33) (N=118)

gerade eben im Konsumraum 44,2% 56,5% 50,0% 46,9% 42,4% 46,6%

außerhalb des Konsumraums 55,8% 43,5% 50,0% 53,1% 57,6% 53,4%

Favorisierung der SMOKE-it-Folien (N=79) (N=18) (N=28) (N=43) (N=26) (N=97)

Ja 81,0% 88,9% 82,1% 81,4% 84,6% 82,5%

nein 19,0% 11,1% 17,9% 18,6% 15,4% 17,5%

Folie geraucht statt iv-Konsum (N=76) (N=25) (N=31) (N=46) (N=24) (N=101)

Ja 71,1% 48,0% 71,0% 60,9% 66,7% 65,3%

nein 28,9% 52,0% 29,0% 39,1% 33,3% 34,7%

Zum Abschluss der Befragung T2 sind die Studienteilnehmer gebeten worden anzugeben, warum sie

das Rauchen von Heroin mithilfe von Folien praktizieren. Fast sechs von zehn (58,9%) geben als

Grund an, dass diese Form des Konsums gesünder sei als das Injizieren. Frauen weisen hier mit einem

Anteil von 66,7% einen höheren Anteil auf als die Männer (56,8%). Auch nimmt mit steigendem Alter

die Zustimmung zu dieser Aussage zu.

Ebenfalls fast die Hälfte der Befragten (49,1%) benennt Neugier als Grund für das Folie-Rauchen;

Männer mit einem Anteil von 51,1% deutlich häufiger als die Frauen. Mit Blick auf die

Alterskategorien sind es vor allem die jüngeren Heroinkonsumenten, die dem Folierauchen mit

Neugier begegnen (62,5%). Die entsprechenden Anteile der Älteren liegen bis zu 20 Prozentpunkte

darunter.

Für etwa ein Drittel der befragten Konsumraumbesucher (35,7%) ist das geringere Risiko einer

Ansteckung mit Krankheiten wie Hepatitis oder Aids von besonderer Bedeutung. Frauen benennen

diesen Grund mit 41,7% häufiger als die Männer (34,1%). Bemerkenswert ist darüber hinaus, dass in

der mittleren Altersgruppe die Zustimmung zu diesem Item mit einem Anteil von 40,0% höher liegt,

als bei jüngsten (34,4%) und ältesten Studienteilnehmern (30,0%).

Ein Drittel der Befragten gebraucht Rauchfolien, um auf diesem Wege der Gefahr einer

Überdosierung zu entgehen. Die Anteile der Männer liegen mit 36,4% mehr als elf Prozentpunkte

über dem der Frauen. Interessant sind die Zustimmungsraten zu diesem Grund bei der jüngsten

Befragtengruppe. Fast die Hälfte von Ihnen (46,9%) raucht aus Angst vor einer Überdosierung das

Heroin mithilfe von Folien. In den beiden anderen Altersklassen wird dieses Item von nicht einmal

einem Drittel benannt.

Auch die Notwendigkeit einer Venenpause wird von 30,4% als Grund für das Folierauchen angegeben.

Die Anteile von Männern und Frauen unterscheiden sich diesbezüglich kaum. Mit Blick auf die

Altersgruppen sind es die über 39-Jährigen, die einen überdurchschnittlich hohen Anteil derer

aufweisen, die eine Venenpause als bedeutenden Grund für das Rauchen des Heroins angeben. Da

anzunehmen ist, dass viele dieser älteren Konsumraumbesucher schon seit vielen Jahren iv-Konsum

praktizieren und deshalb ein erheblicher Teil der äußerlich zugänglichen Blutgefäße Schädigungen

aufweist, sind die vielen Nennungen der „Venenpause“ nicht überraschend.

Alle weiteren vorgegebenen möglichen Gründe für das Folierauchen – „Geringe Kosten“,

„Entzugssymptome schneller lindern“, „keine sterilen Spritzen zugänglich“ und „von anderen

empfohlen“ – weisen Zustimmungsraten von unter 20% auf und werden daher nicht näher

beschrieben. Die konkreten Anteile sind der Tabelle 4 zu entnehmen.

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Tabelle 4: Gründe für das Rauchen von Heroin

Geschlecht Alter Gesamt

m w 19-29 30-39 40+

(N=88) (N=24) (N=32) (N=50) (N=30) (N=112)

Neugier 51,1% 41,7% 62,5% 42,0% 46,7% 49,1%

gesünder als injizieren 56,8% 66,7% 53,1% 60,0% 63,3% 58,9%

geringeres HIV- und Hepatitis-Risiko

34,1% 41,7% 34,4% 40,0% 30,0% 35,7%

geringe Kosten 9,1% 4,2% 18,8% 4,0% 3,3% 8,0%

Entzugssymptome schneller lindern

15,9% 8,3% 12,5% 18,0% 10,0% 14,3%

brauche Venenpause 30,7% 29,2% 28,1% 22,0% 46,7% 30,4%

keine sterilen Spritzen zugänglich 4,5% 4,2% 6,3% 6,0% ,0% 4,5%

Überdosis vermeiden 36,4% 25,0% 46,9% 28,0% 30,0% 33,9%

von anderen empfohlen 18,2% 20,8% 28,1% 12,0% 20,0% 18,8%

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2.3. Befragungszeitpunkt T3

An der dritten Befragung haben insgesamt 89 Konsumraumbesucher teilgenommen. Hiervon waren

18 Personen weiblichen Geschlechts. Aufgrund dieser geringen Fallzahl sind die nachfolgenden

Ergebnisse für die Frauen nur eingeschränkt interpretierbar. Tendenzen im Antwortverhalten dieser

Gruppe lassen sich aber dennoch diskutieren.

Die Befragung T3 begann frühestens 30 Tage nach Durchführung der vorhergehenden Befragung T2.

Einleitend sind die Studienteilnehmer gefragt worden, ob sie die SMOKE-it-Folien seit T2 benutzt

haben. Aus Tabelle 5 lässt sich entnehmen, dass dies mit wenigen Ausnahmen der Fall war (87,6%).

Die Männer berichten mit einem Anteil von 91,5% häufiger von dem Gebrauch der Folien als die

Frauen (72,2%). Zwischen den Altersgruppen zeigen sich hingegen keine nennenswerten

Unterschiede.

Diejenigen, welche die Rauchfolien auch nutzten, sollten angeben, wie häufig sie dies taten. Exakt ein

Viertel berichtete von einem nur gelegentlichen Konsum, der weniger als 1-mal wöchentlich

stattfand. Etwas weniger als ein Drittel rauchte regelmäßig etwa einmal die Woche und 10,5%

regelmäßig mehrmals wöchentlich. Von einem täglichen inhalativen Heroinkonsum berichtet ein

weiteres Drittel der Stichprobe. Aufgrund der sehr geringen Anzahl von Frauen, die in diese Analyse

eingingen (N=12), ist eine detaillierte Interpretation der Daten zur Häufigkeit des Folierauchens für

diese Teilstichprobe nicht möglich. Mit Blick auf die Altersgruppen zeigt sich der etwas

überraschende Befund, dass die 19 bis 29-Jährigen am häufigsten von einem mindestens mehrmals

wöchentlichen Konsum berichten (50,0%). In den beiden anderen Teilstichproben liegt der

entsprechende Anteil etwa zehn Prozentpunkte darunter.

Neben den SMOKE-it-Folien werden von vielen Befragten auch andere Rauchfolien für den

Heroinkonsum genutzt. Insgesamt bejahen 43,8% den Gebrauch anderer Folien. Nennenswerte

geschlechts- und altersspezifische Unterschiede sind diesbezüglich nicht zu erkennen.

Die Studienteilnehmer sind darüber hinaus gebeten worden anzugeben, wie hoch der Anteil des

Rauchens an allen Heroinkonsumvorgängen war. Diese Frage zielte zeitlich auf das aktuelle

Konsumverhalten. Insgesamt berichtet ein Fünftel der Stichprobe davon, aktuell Heroin nicht

inhalativ aufzunehmen. Fast ein Drittel nutzt Rauchfolien nur hin und wieder – zwischen 1% und 25%

aller Konsumvorgänge. Bei 15,4% machen das Folierauchen zwischen 26% und 50% aller

Konsumvorgänge aus. Von einem mehrheitlichen Foliengebrauch – zwischen 76% und 99% –

berichtet jeder zwanzigste Studienteilnehmer und etwas mehr als ein Viertel (26,9%) praktiziert

ausschließlich diese Applikationsform. Eine geschlechtsspezifische Interpretation dieses Sachverhalts

fällt aufgrund der geringen Zahl einbezogener Frauen schwer. Auffällig ist der vergleichsweise hohe

Anteil von weiblichen Heroinkonsumenten (50%), die angeben, aktuell überhaupt keine Folien zu

benutzen. Hinsichtlich des Alters zeigt sich hingegen ein deutlicher Effekt. Der Anteil derer, die mehr

als drei Viertel ihrer Konsumvorgänge in Form des Folierauchens praktizieren, steigt mit dem

Lebensalter stetig an. Beträgt dieser Anteil bei den 19 bis 29-Jährigen 26,9%, so sind es in der

mittleren Altersgruppe bereits 31,5%. Bei den ältesten Studienteilnehmern liegt er nochmals zehn

Prozentpunkte darüber (41,2%).

Vier Fünftel aller Befragten geben an, dass sie die SMOKE-it-Folien auch zukünftig nutzen würden,

sofern ein entsprechendes Angebot verfügbar wäre. Diese hohe Zustimmungsrate resultiert aber

nahezu ausschließlich aus den Angaben der männlichen Konsumraumnutzer (89,9%). Bei den

(wenigen) befragten Frauen überwiegt der Anteil derer, die diese Rauchfolien nicht nutzen möchten.

Hinsichtlich des Alters zeigen sich nur vergleichsweise geringe Unterschiede. Die mittlere

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Altersgruppe berichtet zu etwas geringeren Anteilen von dem Wunsch einer zukünftigen Nutzung der

SMOKE-it-Folien (77,5%) als die 19 bis 29-Jährigen (84,0%) und die über 39-Jährigen (81,8%).

Etwas weniger als 60% der Studienteilnehmer wären bereit, die Folien auch käuflich zu erwerben;

Männer mit einem Anteil von 65,7% zu wiederum deutlich höheren Anteilen als die Frauen (29,4%).

Auch mit Blick auf das Alter zeigen sich Unterschiede im Antwortverhalten. Bejaht nur etwas mehr

als die Hälfte der 19 bis 39-Jährigen die Bereitschaft zum Kauf der Folien, so sind es bei den über 39-

Jährigen mehr als drei Viertel (76,2%). Befragt nach dem Preis für 10 SMOKE-it-Folien gibt etwas

weniger als ein Drittel an, dass dieser nicht mehr als 49 Cent betragen dürfte. Ein weiteres Viertel

wäre bereit 50 Cent zu zahlen und 40,4% halten einen Preis von bis zu einem Euro noch für

angemessen. Ein darüber hinausgehender Preis für den Kauf der Folien findet nur bei zwei der

insgesamt 52 auf diese Frage antwortenden Konsumraumbesucher Zustimmung (3,8%).

Die SMOKE-it-Folien können bei einem nicht unerheblichen Teil der Konsumraumkonsumenten zu

einer Verringerung des intravenösen Konsums beitragen. Etwas mehr als die Hälfte der Befragten

gibt an, das Folierauchen statt des iv-Konsums praktiziert zu haben. Die entsprechenden Anteile

liegen bei den Männern mit 54,9% etwas höher als bei den Frauen (44,4%). Werden die

Studienteilnehmer nach den Altersgruppen unterschieden, so sind es insbesondere die Älteren, die

mit einem Anteil von 63,6% von einem veränderten Applikationsverhalten berichten. In der jüngsten

Altersgruppe liegt der entsprechende Anteil zehn Prozentpunkte darunter. Der geringste Effekt zeigt

sich bei den 30 bis 39-Jährigen; 46,3% inhalierten das Heroin, statt es intravenös zu applizieren.

Tabelle 5: Gebrauch und Beurteilung der SMOKE-it-Folien

Geschlecht Alter Gesamt

m w 19-29 30-39 40+

Gebrauch der SMOKE-it-Folien seit T2 (N=71) (N=18) (N=22 (N=34) (N=20) (N=89)

Ja 91,5% 72,2% 88,5% 85,4% 90,9% 87,6%

Nein 8,5% 27,8% 11,5% 14,6% 9,1% 12,4%

Häufigkeit des Folierauchens (N=64) N=(12) (N=22) (N=34) (N=20) (N=76)

weniger als 1 Mal wöchentlich 25,0% 25,0% 18,2% 29,4% 25,0% 25,0%

regelmäßig, 1 Mal wöchentlich 34,4% 16,7% 31,8% 29,4% 35,0% 31,6%

regelmäßig, mehrmals wöchentlich

12,5% ,0% 18,2% 2,9% 15,0% 10,5%

regelmäßig, mindestens 1 Mal am Tag

28,1% 58,3% 31,8% 38,2% 25,0% 32,9%

Nutzung anderer Folien (N=71) (N=18) (N=26) (N=41) (N=22) (N=89)

Ja 42,3% 50,0% 46,2% 41,5% 45,5% 43,8%

Nein 57,7% 50,0% 53,8% 58,5% 54,5% 56,2%

Anteil des Rauchens am Gesamtkonsum

(N=62) (N=16) (N=26) (N=35)

(N=17) (N=78)

0% 12,9% 50,0% 19,2% 25,7% 11,8% 20,5%

1% bis 25% 35,5% 18,8% 38,5% 31,4% 23,5% 32,1%

26% bis 75% 17,7% 6,3% 15,4% 11,4% 23,5% 15,4%

76% bis 99% 6,5% ,0% 3,8% 2,9% 11,8% 5,1%

100% 27,4% 25,0% 23,1% 28,6% 29,4% 26,9%

Nutzung der SMOKE-it-Folien in Zukunft

(N=69) (N=18) (N=25)

(N=40) (N=22) (N=87)

Ja 89,9% 44,4% 84,0% 77,5% 81,8% 80,5%

nein 10,1% 55,6% 16,0% 22,5% 18,2% 19,5%

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Bereitschaft zur Bezahlung der Folien (N=70) (N=18) (N=26) (N=40) (N=21) (N=87) Ja 65,7% 29,4% 57,7% 50,0% 76,2% 58,6%

nein 34,3% 70,6% 42,3% 50,0% 23,8% 41,4%

Heroin geraucht statt iv-Konsum (N=71) (N=18) (N=26) (N=41) (N=21) (N=89)

Ja 54,9% 44,4% 53,8% 46,3% 63,6% 52,8%

nein 45,1% 55,6% 46,2% 53,7% 36,4% 47,2%

Teil II: Qualitative Untersuchung

1. Methodik

Die qualitative Erhebung wurde zwischen Juli und September 2012 durchgeführt. Das Ziel war es,

Interviews mit zuständigen MitarbeiterInnen vor Ort und jeweils zwei bis drei NutzerInnen des

Rauch-Angebots durchzuführen. Dieses Ziel wurde auch erreicht, wenngleich die Befragung der

NutzerInnen im Drogenkonsumraum „Ragazza“ in Hamburg (Einrichtung nur für weibliche

Drogenkonsumentinnen) von einer vorher instruierten Mitarbeiterin der Einrichtung durchgeführt

wurde, weil es sich um eine frauenspezifische Einrichtung handelt.

Die Interviews basierten jeweils auf Leitfäden für einerseits MitarbeiterInnen und andererseits

NutzerInnen. Einige Fragen waren in beiden Leitfäden enthalten, so dass unterschiedliche

Perspektiven und Einschätzungen auf denselben Fragegegenstand möglich wurden.

Die Datenerhebung erfolgte unter Verwendung des unten beschriebenen Leitfadens innerhalb eines

Face-to-Face-Interviews. Die Interviews dauerten zwischen 20 und 60 Minuten. Zu Beginn der

Interviews erläuterte der Interviewer als Vorbereitung auf das Gespräch jeweils den Zweck, den

Inhalt, zeitlichen Umfang und den Aufbau des Interviews und ermöglichten es den

Interviewpartnern, noch bestehende Fragen zu formulieren, bzw. das Interview nicht durchzuführen

(in keinem der Fälle). Des Weiteren wurde nochmals die Wahrung der Anonymität und der

Vertraulichkeit der Gesprächsinhalte auch gegenüber den Mitarbeitern der vermittelnden

Institutionen zugesichert. Die Interviews wurden einerseits mit den mit dem Smoke-It! – Projekt

befassten MitarbeiterInnen der Einrichtungen durchgeführt. Hier wurde die professionelle Expertise

bezüglich der Einrichtung und des Durchführens des Projektes abgefragt. Die Interviews mit den

NutzerInnen des Projektes fanden in den Büroräumen der Einrichtung statt. Die

InterviewpartnerInnen wurden von den MitarbeiterInnen der Drogenkonsumräume angesprochen,

und wurden mit 10€ vergütet. Die Interviews fanden dann entweder spontan oder geplant statt.

Durch die Ansprache der MitarbeiterInnen sind Selektionseffekte nicht auszuschließen. Diese

qualitative Untersuchung hatte jedoch einen explorierenden Charakter, es ging um die

Sichtbarmachung von sozialen und subjektiven Bedeutungszusammenhängen. Zusätzlich zur

quantitativen Erhebung ging es um eine tiefere Einsicht in die jeweiligen Foliengebrauchsmuster und

individuellen Beweggründe der Nutzung bzw. Nichtnutzung.

Alle Interviews wurden nach Einholung der Zustimmung der Interviewpartner auf Band

aufgenommen und später anonymisiert transkribiert. In der Transkription wurden Dialekte und

sprachliche Besonderheiten sowie Laute (z.B. Hmm) wiedergegeben.

Page 20: Teil 2: Qualitative Untersuchung - Deutsche Aidshilfe · April 2012 an die teilnehmenden Einrichtungen abgegeben. Das Poster, das den Einrichtungen bereits einige Wochen zuvor zugesandt

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Die Interviewpartner wurden darüber aufgeklärt, dass ihre Angaben wenn es um Eigennamen ging

verschlüsselt wurden, so dass eine spätere Zuordnung der Aussagen nicht möglich ist.

Insgesamt wurden 17 Interviews mit 20 Personen (8 MitarbeiterInnen; 12 NutzerInnen) durchgeführt

(5 in Frankfurt in zwei verschiedenen Einrichtungen, 3 in Dortmund, 2 in Hamburg, 2 in Berlin. In

einigen Einrichtungen wurden zwei MitarbeiterInnen gleichzeitig interviewt). Zwei Interviews mit

jeweils 2 MitarbeiterInnen wurden in Dortmund und Hamburg durchgeführt. Mit dem

verantwortlichen Mitarbeiter der DROBS Bielefeld wurde ein Telefoninterview durchgeführt. Die

Einrichtung war nicht ursprünglich am Pilotprojekt beteiligt. Trotzdem wurden die dort gemachten

Erfahrungen als wichtig erachtet und per Interview eingeholt.

Der Leitfragen für NutzerInnen der Drogenkonsumräume umfasste folgende Themen:

Angaben zum Aufmerksamwerden auf das Angebot des Rauchkonsum und der Rauchfolien

samt Zubehör und Reaktion auf das Angebot

Vorerfahrungen mit Rauchkonsum welcher Drogen?

Benennung von Problemen bei der Nutzung und Akzeptanz der Rauchfolien

Erfahrungen mit dem Angebot der fertigen Rauchfolien samt Zubehör (Häufigkeit der

Inanspruchnahme, Orte der Nutzung etc.).

Einschätzung des Werts von Folien bzw. des inhalativen Konsums zur Reduktion von HIV,

Hepatitisinfektionen und Drogennotfällen

Einschätzungen der Chancen, mit einem solchen Projekt einen Umstieg auf einen

Rauchkonsum zu fördern (Nachhaltigkeit)?

Einschätzung der Akzeptanz des Rauchkonsums bei KonsumentInnen, wenn sie die Folien

samt Zubehör bezahlen werden müssten (welche Höhe wäre akzeptabel?)?

Einschätzung der Attraktivität der Rauchfolien-abgebenden Einrichtung durch das Projekt

(Abgabe der Rauchfolien samt Zubehör, und Ansprache neuer Nutzergruppen, häufigere

Nutzung)?

Einschätzung weiterer Hürden für einen (dauerhaften) Umstieg auf Rauchkonsum.

Abschließende offene Frage nach weiteren Anmerkungen

Die Interviews mit den MitarbeiterInnen der Drogenkonsumräume deckte ebenfalls die o.g.

Fragebereiche aus Einrichtungsperspektive ab. Zusätzlich jedoch noch Fragen nach der Bedeutung

dieses Projektes für die gesamte Einrichtung einschließlich etwaiger Nebeneffekte.

Die qualitativen Daten wurden mit Hilfe der Qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (1997)

ausgewertet.

Es wurden Raster-Kategorien gebildet, mit Hilfe derer die Zusammenfassung der Textstellen

umgesetzt wurde. Hierbei werden einzelne Textpassagen aus den Transkriptionen den

entsprechenden Kategorien zugeordnet. Diese Auswertungskategorien werden eingesetzt:

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Wahrnehmung des Angebots zum Rauchkonsum (einschließlich der Rauchfolien samt

Zubehör und Reaktion)

Vorerfahrungen mit dem Rauchkonsum von Drogen (Rauch-Konsummuster)

Benennung von Problemen bei der Nutzung und Akzeptanz der Rauchfolien

Erfahrungen mit dem Angebot der fertigen Rauchfolien samt Zubehör (Häufigkeit der

Inanspruchnahme, Orte der Nutzung etc.).

Wert der Folien bzw. des inhalativen Konsums zur Reduktion von HIV, Hepatitisinfektionen

und Drogennotfällen

Chancen mit dem Projekt einen Umstieg auf einen Rauchkonsum zu fördern

(Nachhaltigkeit)?

Einschätzung der Akzeptanz des Rauchkonsums bei anderen KonsumentInnen, wenn sie die

Folien samt Zubehör bezahlen werden müssten

Einschätzung der Attraktivitätssteigerung der Rauchfolien-abgebenden Einrichtung durch das

Projektes (Abgabe der Rauchfolien samt Zubehör, und Ansprache neuer Nutzergruppen,

häufigere Nutzung)

2. Ergebnisse: NutzerInnen des Angebots

2.1. Wahrnehmung des Angebots zum Rauchkonsum (einschließlich der Rauchfolien samt Zubehör und Reaktion)

Vor dem Start der Projekte in den Drogenkonsumräumen haben die MitarbeiterInnen durch Plakate

und Flyer und direkte Ansprache der NutzerInnen auf das Projekt aufmerksam gemacht.

Überzeugend in der Kommunikation mit den Zielgruppen scheint die Neuheit und besonderen

Materialeigenschaften der Folien zu sein, die das Interesse an einer Teilnahme am Smoke-IT! –

Projekt geweckt hat.

Die Folien stellen auch ein neues Medium in der Kommunikation mit den Betroffenen dar. Es ist

gewissermaßen eine Erweiterung des Beratungsangebotes durch die Einführung materieller

Schutzmaßnahmen.

Neben einer Thematisierung im Spektrum von Safer-Use – Themen allgemein, geht es im Einzelfall

auch um Lösungsstrategien für Menschen in konkreten Notlagen (z.B. keinen Venenzugang mehr).

Gleichzeitig wird deutlich, dass das neue Angebot in der Szene weiter kommuniziert wird.

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2.2. Vor-Erfahrungen mit dem Rauchkonsum von Drogen (Rauch-Konsummuster)

In den Befragungen wird deutlich, dass viele KonsumentInnen nicht ausschließlich intravenösen

Opiatkonsum betreiben, sondern sowohl injizieren als auch rauchen.

In mehreren Interviews wird auch angemerkt, dass das Spritzen als etwas sehr gefährliches

angesehen und mit körperlichem Abbau (z.B. Abszesse, geringe Reinheit des Stoffs in die Vene

injizieren) assoziiert wird. Darin spiegelt sich auch eine Form von Körperbewusstsein wieder.

Beispielhaft eine Schilderung eines Drogenkonsumverlaufs im Folgenden:

2.2.1. Ängste vor dem Injizieren

Ablehnungen, Ängste und Vorbehalte gegenüber dem i.v.-Konsum sind bei einer größeren Zahl von

KonsumentInnen zu hören. Sie zeigen an, dass der Spritzvorgang – aufgrund seiner vermeintlichen

besseren Wirtschaftlichkeit als notwendiges Übel hingenommen wird.

Für viele Befragten beispielhaft, sind permanent wechselnde Konsummuster zwischen intravenös

und inhalativ. Dabei scheint es fest Regeln und Integrationen in den Alltag zu geben.

Wirkungserfahrungen und Geschmack spielen offenbar eine wesentliche Rolle im individuellen

‚Suchtdruck-Management’.

2.2.2. Motivationen zum Rauchkonsum

Eine zentrale Motivation zum inhalativen Konsum ist die Reflektion des mangelnden Reinheitsgehalts

und den Auswirkungen auf den eigenen Körper. Dabei werden auch handlungsleitende

Alltagskonstruktionen sichtbar, etwa dass die Gefahr Beimengungen aufzunehmen beim Rauchen,

d.h. im Verbrennungsvorgang etwas geringer sei.

Rauchkonsum ist also auch eine Auseinandersetzung mit dem fortgesetzten intravenösen

Drogenkonsum und den Folgen langjähriger Injektionen unter Schwarzmarktbedingungen mit den

häufig berichteten Konsequenzen, keinen Venenzugang mehr zu finden. In einigen Berichten wird der

weniger starke Wirkungseffekt des Rauchens positiv dem massiven Effekt des i.v. Konsums

gegenüber gestellt.

Häufig jedoch ist der schlechte Venenzugang das zentrale Motiv auf einen Rauchkonsum

umzusteigen. Dieser Prozess braucht scheinbar längere Zeit und der Umstieg ist nicht von heute auf

morgen zu realisieren. Die Erfahrungen von Abszessen als Konsequenz eines schlechten Zugangs sind

universell in den Interviews berichtet worden.

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Die geringe öffentliche Wahrnehmbarkeit des Rauchkonsums scheint für einige der Befragten

ebenfalls ein Argument für die Initiation bzw. Beibehaltung des inhalativen Konsums zu sein.

Schließlich ist für einige Gruppen die strikte Ablehnung des i.v.-Konsums das zentrale Motiv

inhalativen Heroinkonsum zu betreiben.

2.2.3. ‚Punkt- und Bahnrauchen’

In den Interviews werden grundsätzlich zwei verschiedene Techniken des Rauchkonsums

angesprochen: ‚Punkt- und Bahnrauchen’. Beide Techniken haben unterschiedliche Wirkungen in der

Wahrnehmung der Stärke der Droge. Während beim ‚Punktrauchen’ eine geringe Grammzahl des

Heroins/der Droge auf einem kleinen Häufchen auf der Folie zurecht gelegt, erhitzt und dann schnell

inhaliert wird, ist das ‚Bahnrauchen’ ein Konsumvorgang, der etwas längere Zeit in Anspruch nimmt.

Hier wird das Heroin/die Droge auf der Alufolie erhitzt und durch das Schwenken – unter Erhitzung -

der Folie bewegt – das Heroin ‚läuft’ und wir in diesem Vorgang inhaliert.

Die meisten Befragten geben eine klare und eindeutige Antwort auf die Frage, welchen Konsumstil zu

bevorzugen: Sie begreifen sich tatsächlich als ‚Punkt- oder Bahnraucher’.

Die Entscheidung für oder wider Punkt- oder Bahnrauchen reflektiert auch immer technische

Fertigkeiten und die Angst vor Verlusten beim Inhalieren.

Eine Motivation für das ‚Bahnrauchen’ besteht offenbar auch in der besseren individuellen

Einteilbarkeit der verfügbaren Heroinmenge.

Das Erlernen der Technik des ‚Bahnrauchens’ braucht nach Angaben von Befragten nicht viel Zeit.

Die neue Alufolie bietet offenbar einen besseren Schutz dafür, dass sie bei ‚punktgenauer’ Erhitzung

nicht durchbrennt, und die Substanz verlorengeht.

Das ‚Laufenlassen’ des Heroins dient allein dem Zweck eine größere Menge erhitzen und inhalativ

konsumieren zu können, statt kleinere Portionen auf die Alufolie zu geben, um sie dann direkt zu

erhitzen.

Widersprüchlich sind die Aussagen bezüglich des unterschiedlichen Wirkungserlebens beider

Konsumformen.

Einige NutzerInnen nutzen beide Rauchformen, und wissen um die Unterschiede der Wirkung.

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2.2.4. Das Röhrchen als Reserve

Das Röhrchen dient – vergleichbar mit den gesammelten Filtern beim i.v. Konsum – als Reserve für

den Notfall, wo aus den Anhaftungen ein Wirkungseffekt erzielt wird.

2.2.5. Angst vor Strafverfolgung

Die Angst vor Strafverfolgung, d.h. vor Aufdeckung des Besitzes von Betäubungsmitteln, auch wenn

es nur Anhaftungen sind, spielt offenbar eine zentrale Rolle im Alltag der KonsumentInnen.

Die Angst vor Strafverfolgung, insbesondere die Abgabe von Urinproben zur Kontrolle bei der

Staatsanwaltschaft führt scheinbar auch zu Veränderungen der Konsummuster.

2.3. Erfahrungen mit der neuen Folie

Die Folie wird von fast durchgängig als positiv, und als normaler Haushaltsfolie überlegen bewertet.

Als kennzeichnend werden besonders die Stärke und die besondere Beschaffenheit des Materials

hervorgehoben, die davor schützen, dass bei zu intensiver Erhitzung Löcher in die Alufolie gebrannt

werden und zum Verlust der Substanz führen. Außerdem geht es um die Oberflächenbeschaffenheit

(weniger Spannung), Faltbarkeit (wichtig für den Transport), Mehrfachbenutzbarkeit und höhere

Reißfestigkeit.

Erste Erfahrungen mit dem Rauchen nach der Abgabe der Folie unterstreichen die Akzeptanz und die

Integration in den Konsumalltag dieses neuen Präventionstools. Nicht wenige Befragte berichten

davon, über das Smoke-It! – Projekt erstmaligen Zugang um Rauchkonsum von Heroin gefunden zu

haben.

Ein einziger kritische Punkt ist die Länge der Folie: Einige KonsumentInnen sehen hier

Verbesserungsbedarf.

Andererseits gibt es auch Gegenpositionen zur Länge der Folie, so dass insgesamt ein

widersprüchliches Bild entsteht.

Die von vielen Befragten berichtete geringere Reißanfälligkeit wird ebenfalls kontrovers betrachtet,

wenn auch hier der Widerspruch nicht so stark ist wie bei der Länge der Folie.

2.3.1. Geruch und Gleitfähigkeit des Heroins

Deutlich wird bei den Befragten, dass die neue Folie erhebliche Unterschiede im Vergleich zur

Haushaltsfolie aufweist, dies vor allem bei den Merkmalen Geschmack, Geruch, Beschichtung und

Gleitfähigkeit des Heroins angeht.

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2.3.2. Fehlende Beschichtung auf der neuen Folie als Indikator eines Gesundheitsbewusstsein

Bei der im Handel erhältlichen Haushaltsaluminiumfolie wird vor dem Heroinkonsum die

Kunststoffbeschichtung abgebrannt. Das Fehlen dieser Beschichtung auf der neuen Folie wird von

den NutzerInnen als ein erheblicher Vorteil erlebt, v.a. in Bezug auf die eigene Gesundheit.

2.3.3. Geschmack

Der Geschmack des Heroinrauchs von der neuen Folie im Vergleich zur haushaltsüblichen Folie wird

von den Befragten als besser, d.h. eher nach Heroin schmeckend bewertet, während der

Heroingeschmack über die Inhalation von den haushaltsüblichen Folien eher als bitter bezeichnet

wird.

2.3.4. Geräusche

Schließlich gibt es auch vereinzelte Angabe zum Geräusch der neuen Folie, die als leiser im Vergleich

zur haushaltsüblichen Folie beschrieben wird.

2.4. Intravenöser Konsum versus Rauchkonsum: Vor- und Nachteile

2.4.1. Ökonomische Gründe gegen das Rauchen

Überwiegend wird von den Befragten der i.v.-Konsum und die Befriedigung des Suchtdrucks als

kostengünstiger eingeschätzt als der Rauchkonsum, von dem berichtet wird, dass man eine größere

Menge für das Suchtmanagement benötigt.

2.4.2. Erlernen der Technik

Das Erlernen der richtigen Rauchtechnik wird von den Interviewpartnern als unterschiedlich

eingeschätzt. Handlungsleitend scheint jedoch der unbedingte Wille zu sein, den Suchtdruck zu

befriedigen, bzw. Entzugssymptome zu lindern.

Als hilfreich für Anfänger wird ein Schulungsvideo betrachtet, auf dem bestimmte Techniken

mitgeteilt werden.

2.4.3. Angst vor einer Überdosierung

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Von mehreren Befragten wird die Angst vor einer Überdosierung als ein Argument gegen das

Injizieren von Heroin angegeben. Heroinrauchen wird nicht in Zusammenhang mit einer

Überdosierung gebracht.

2.4.4. Wirkungserleben und Wirkungseintritt: i.v. - Konsum vs. Rauchkonsum

Das Wirkungserleben bei den verschiedenen Applikationsformen (i.v. vs. Rauchkonsum)

unterschiedlich wahrgenommen. Der Wirkungseintritt bei einem i.v.-Konsum wird als schnell erlebt,

insbesondere unter Entzugssymptomen, während er bei einem Rauchkonsum langsamer vonstatten

geht und als ‚leichter’ interpretiert wird. Während die Wirkung bei einem i.v.-Konsum nach wenigen

Sekunden eintritt, wird übereinstimmend bei mehreren Befragten beim Rauchkonsum von 3-4

Minuten ausgegangen.

Allerdings geben die Befragten auch an, dass es um das Selbstmanagement geht, also die Sicherheit

des Wirkungseintritts muss antizipiert werden. Vorläufer und Teil dieses Prozesses ist der Geschmack,

der beim Bahnrauchen schon als beruhigend in Richtung Befriedigung wahrgenommen wird. Dieser

Prozess des Selbstberuhigens muss erlernt werden. Allerdings wird auch bei mehreren Befragten

deutlich, dass es eine suchtbedingte Gier gibt, die so interpretiert wird, dass sie schnell befriedigt

werden muss.

2.4.5. Transport der Folie wird als Nachteil des Rauchens erlebt

Einen weiteren Grund gegen das Rauchen bildet der Transport der Folie, die als empfindlich für die

Mehrfachverwertung an verschiedenen Orten bezeichnet wird.

2.5. Status und Prävalenz der HeroinraucherInnen in der Szene

2.5.1. Wahrnehmung, und Bewertung des Rauchkonsums

Heroin-RaucherInnen scheinen innerhalb der Szene eine bessere Reputation zu haben, als die i.v.-

KonsumentInnen. Heroinrauchen wird als weniger auffällig, schädlich wahrgenommen.

2.5.2. Ästhetische Aspekte

Im Rahmen eines Körperbewusstseins der Heroin-RauchkonsumentInnen werden auch ästhetische

Argumente gegen einen eher sichtbaren i.v.-Heroinkonsum angeführt.

2.6. Umstieg von i.v. zu inhalativem Konsum

Einige Befragte sprechen von einem erlebten Umstieg von i.v. zu inhalativem Konsum bei Bekannten

oder Freunden.

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2.7. Einschätzung der Akzeptanz des Rauchkonsums bei KonsumentInnen, wenn sie die Folien bezahlen müssten

Die meisten Befragten würden zwischen 1,50 – 2,50 € für ein Set von Folien bezahlen (das deckt sich

mit den Ergebnissen der quantitativen Untersuchung.)

2.8. Einschätzung der Attraktivitätssteigerung der Rauchfolie-abgebenden Einrichtung durch den Drogenkonsumraum

Von den meisten wird eine Steigerung der Wichtigkeit des Drogenkonsumangebots berichtet; unklar

bleibt ob die Einrichtung eines Rauchraums generell, und/oder die Abgabe neuer

Präventionsmaterialien. Einige Befragte geben auch an, dass es keine Attraktivitätssteigerung der

Rauchfolie abgebenden Einrichtung gibt.

2.8.1. Das Setting – Der Rauchraum im Drogenkonsumraum

Mehrere Befragte geben an, dass die Atmosphäre im Rauchraum des Drogenkonsumraums von

großer Wichtigkeit ist.

3. Ergebnisse: MitarbeiterInnen der Drogenkonsumräume

3.1. Zur Einschätzung des Rauchverhaltens der Klientel durch die MitarbeiterInnen der Drogenkonsumräume

In den Aussagen der MitarbeiterInnen der Drogenkonsumräume zeigt sich eine ähnliche

Einschätzung der Konsummuster bzw. –motivationen, wie bei den NutzerInnen der Angebote.

Heroin-Rauchen wird als ein eigenständiges Konsummuster wahrgenommen, das von einer Gruppe

von HeroinkonsumentInnen durchgängig angewandt wird. Eine andere Gruppe ist nach jahrelangem

intravenösem Konsum und entsprechenden Venenschädigungen zum Rauchen übergegangen.

Allerdings ist das Rauchen auch Teil eines Konsummusters, das aus Injizieren und zeitweiligem

Rauchen besteht.

Beschrieben wird diese Konsummuster-Mischform von einem Mitarbeiter, der deutlich macht, dass

bei einigen wenigen NutzerInnen des Drogenkonsumraums das Rauchen als eine Art Venenpflege/-

pause betrachtet wird.

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Andererseits wird das Rauch-Konsummuster auch als ein stabiles eigenständiges Applikationsmuster

betrachtet.

In einem untersuchten Drogenkonsumraum verschiebt sich aktuell das Verhältnis von i.v.

Konsumierenden und RaucherInnen zugunsten der letzteren Gruppe. Allerdings werden dadurch

auch wieder notwendige Umsteuerungen in der Infrastruktur des Angebots deutlich.

Das Rauchen von Heroin ist nicht in jeder Stadt für jede Zielgruppe die zentrale Applikationsform. In

einer Stadt haben die drogenkonsumierenden Frauen beispielsweise hauptsächlich rauchbares

Kokain (Crack) und Tabletten konsumiert.

Die Erfahrungen mit dem Rauchen von Opiaten in den Konsumräumen zeigen, dass Überdosierungen

nicht vorkommen. Die Erfahrungen stimmen damit mit den Einschätzungen der NutzerInnen überein.

3.2. Motivationen zum Rauchen

Die befragten MitarbeiterInnen erklären die Motivation zum Rauchkonsum von Opiaten, v.a.

aufgrund von kulturellen und familiären Hintergründen. Wahrgenommen wird auch, dass diese

KonsumentInnen mit Rauchkonsum sich vom Bild des ‚typischen Heroinkonsumenten’ (mit

intravenösem Konsum) abheben. Die mit dem Rauchkonsum assoziierte Abgrenzung von einer

„Junkie-Identität“ ist eindeutig bei vielen NutzerInnen der Drogenkonsumräume vorhanden. Eine

wichtige Motivation für den Rauchkonsum ist das Bedürfnis, nicht auffällig werden zu wollen, und

den Konsum (v.a. vor der Familie) weiter verheimlichen zu können. In dieser Sorge wird deutlich,

dass die Konsumenten noch sozial integriert sind, und ihnen eine soziale Unauffälligkeit sehr wichtig

ist.

Eine Verbreitung des Rauchkonsums wird bei Konsumenten vermutet, die noch gesellschaftlich

integriert leben – jedenfalls noch nicht auffällig geworden sind. Der kulturell-religiöse Hintergrund

wird von einigen MitarbeiterInnen von Drogenkonsumräumen auch ausgesprochen:

Ein weiterer Grund für die Entscheidung zum bzw. die Beibehaltung des Rauchkonsums liegt in

ästhetischen Motiven und im Körperbewusstsein:

Schließlich wird von den Befragten vermutet, dass auch der Aspekt der Rauchkultur in der

Gemeinschaft anderer Raucher einen Einfluss auf die Aufnahme bzw. Beibehaltung des Rauchens

haben könnte:

Auf der anderen Seite gibt es auch demotivierende Aspekte, die – ohne konkrete Vorbilder zu haben

– davon abhalten, von Folie zu rauchen, wenn nämlich keine Kenntnisse und Fertigkeiten vorhanden

sind, wie in einem Drogenkonsumraum.

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3.3. Erfahrungen mit der neuen Folie im Rahmen der Smoke-It! - Kampagne

Die Akzeptanz der Folien wird von den MitarbeiterInnen als sehr groß angesehen. Von mehreren

befragten MitarbeiterInnen wird die hohe Probierbereitschaft angesprochen.

Die Schwierigkeit die präventiven Botschaften der Smoke-It! – Kampagne an die NutzerInnen des

Drogenkonsumraums zu übermitteln wird angesichts des Suchtdrucks und des niedrigschwelligen

Charakters der Einrichtung deutlich: Thematisierungsmöglichkeiten müssen genau auf die Situation

und den Zeitpunkt abgestimmt sein.

In einigen Drogenkonsumräumen war neben der individuellen Ansprache das neue Material

interessanter.

Die Ansprache der KonsumentInnen erfolgte z.T. auch über die Auslage der Folie am Eingang zum

Konsumraum.

Analog zu den Angaben der NutzerInnen wird die Folie in den Gesprächen mit den KonsumentInnen

von den MitarbeiterInnen gegenüber normaler Haushaltsalufolie als überlegen wahrgenommen:

Ähnlich zu einigen kritischen Äußerungen der NutzerInnen des Angebots wird die Folie auch

überwiegend als positiv bezeichnet mit lediglich einem Kritikpunkt bezüglich der Länge der Folie.

Das Smoke-It! – Projekt lief nur eine begrenzte Zeit, trotzdem hat es in einigen Einrichtungen eine

nachhaltige Wirkung erzielt, in dem Sinne, dass explizit die Test-Folie nachgefragt wird.

Schließlich stellte sich die Frage nach der Bereitschaft einer Zuzahlung seitens der NutzerInnen nach

dem Ende des Pilotprojektes mit der kostenlosen Abgabe der Alufolie. Analog den Ergebnissen der

KonsumentInnen wird übereinstimmend von den InterviewpartnerInnen berichtet, die Bereitschaft

der Zuzahlung beläuft sich auf einen Betrag zwischen 0,50 – 1€ für 10 Folien.

3.3.1. Die Folie als professionelle Hilfe zur Thematisierung von Risiken, Alternativen und Erreichbarkeit von Klienten

Die neuen Folien werden überwiegend sehr positiv angenommen (analog zu den Ergebnissen aus den

Interviews mit den NutzerInnen).

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Die Ansprache der NutzerInnen über die neuen Folien erfolgte z.T. über die Nutzung der Wartezeit

vor Eintritt in den Konsumraum.

In den Interviews wird deutlich, dass es Professionalität erfordert, Safer-Use – Themen im laufenden

Betrieb eines Drogenkonsumraums zum richtigen Zeitpunkt oder überhaupt anzusprechen.

Ein neues Material erlaubt es den Mitarbeiterinnen Konsummuster und Risiken (Infektionen,

Überdosis) auf eine neue Art anzusprechen. Dadurch führt die neue Folie – als Interesse weckendes

neues Material - zu einer Erweiterung der Ansprachemöglichkeiten.

Die neuen Folien bieten eine Gelegenheit ‚alte Themen wie Venenpause/-pflege erneut mit einem

überzeugenden Angebot anzusprechen.

Schließlich erlaubt ein neues Konsumutensil nicht nur Präventionsbotschaften zu erneuern, oder

erstmalig zu übermitteln, es bietet auch die Gelegenheit bisher nicht oder nicht mehr Erreichte

(erneut) anzusprechen.

3.3.2. Kritik an der Kampagne: Thematisierung aller Applikationsformen

Einige MitarbeiterInnen merkten in den Interviews an, dass man alle Applikationsformen in einer

Kampagne zur Reduktion von Konsumrisiken hätte ansprechen müssen.

3.4. Umstieg von i.v. zu inhalativem Konsum

Die Motivationen und Hürden für einen Umstieg von einem i.v. zu einem inhalativen Konsum sind

vielfältig. Man muss davon ausgehen, dass ein erheblicher Teil der i.v. Konsumenten sich an die

Venenpunktierung sehr gewöhnt hat, bzw. daraus einen Lustgewinn erzielt, auf den eben erst

verzichtet wird, wenn es keinen Venenzugang mehr gibt.

Ein wesentlicher Grund für die Schwierigkeit des Umstiegs von intravenösem Konsum auf den

Rauchkonsum wird von Seiten der MitarbeiterInnen aus mehreren Drogenkonsumräumen in der

ökonomischen Realität, dem geringen Reinheitsgehalt des Heroins und in dem Gewinn der Injektion

gesehen:

Weitere Barrieren für den Umstieg auf das risikoärmere Rauchen werden gesehen in dem Geschmack

durch das Rauchen, dem weniger massivem Wirkungseffekt, den Hindernissen des praktischen

Procederes: Rauchen wird als anstrengender, zeitaufwändiger und eingeschränkter umsetzbar

betrachtet (‚nicht draußen möglich’):

Insbesondere die suchtbedingte Notwendigkeit die Entzugssymptomatik schnell zu befriedigen, ist

einer der Hauptgründe für die Tatsache, dass das Rauchen für viele NutzerInnen nur eine zweitbeste

Lösung darstellt:

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Der schnelle Wirkungseintritt wird unter den Umständen des Suchtdrucks gesucht, und dafür ist der

intravenöse Konsum für viele die angemessenste Form:

3.4.1. Peer Support beim Umstieg vom i.v.- auf Rauchkonsum

Die Motivation zum Folierauchen erfordert nicht nur bestimmte Kenntnisse über das

Prophylaxepotential, es braucht auch die Erfahrung bestimmter Techniken. Diese werden von

Mitkonsumierenden gelehrt und übernommen. Der Drogenkonsumraum bietet dafür vielfältige

Ansatzpunkte für Prävention.

3.4.2. Video-Anleitung zum ‚richtigen Rauchen’

In mehreren Interviews wird bestätigt, dass ein Video mit einer Rauch-Anleitung von großem Nutzen

für die übrigen Interessenten bspw. im Wartebereich eines Drogenkonsumraums sein könnte.

3.5. Rauchkonsum als Drogennotfall- und Infektionsprophylaxe

Von den professionellen BeraterInnen wird das Thema Rauchen vor allem eingeführt als weniger

schädigende Konsumform (v.a. bei langjährig Injizierenden), als Vorsichtsmaßnahme beim Kauf von

nicht bekannter Qualität der Stoffe, bzw. als Drogennotfallprophylaxe bei Rückfall nach

Therapieabbruch bzw. Haftentlassung oder als Alternative in infektionsrelevanten Risikosituationen.

Empfehlungen

Die Studienergebnisse zeigen, dass über einen Mix aus hochwertigen und neuartigen

Präventionstools sowie einer zielgerichteten Ansprache Heroinkonsumenten in ihrem

Drogenkonsumverhalten beeinflusst werden können.

Ähnlich wie bei dieser aktuellen Untersuchung zeigten auch vorherige Studien 6 , dass

Drogenkonsumenten trotz ihres aktuellen Drogenkonsums ein großes Interesse am Erhalt ihrer

Gesundheit haben und Maßnahmen bzw. Informationen mit risikomindernden Inhalten und Zielen

annehmen.

6 TEST IT

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Es wird daher empfohlen, dass Einrichtungen, die bisher ausschließlich Angebote des Spritzentauschs

vorhalten, ihr Angebot um mediale Informationen sowie Rauchfolien ergänzen.

Hierbei sollte die Abgabe von Rauchfolien ebenso wie die Abgabe von Konsumutensilien zum

intravenösen Konsum möglichst kostenfrei sein. Zwar zeigen die Studienergebnisse, dass ein recht

hoher Prozentsatz SMOKE IT - Folien (bereits geschnitten, unbeschichtet, dicker und somit reißfester)

auch käuflich erwerben würde, aber um die Motivation der Inanspruchnahme zu erhöhen ist sicher

eine kostenfreie Abgabe zu präferieren.

Um die Nutzer der Einrichtungen auf dieses neue Harm Reduktion Angebot aufmerksam zu machen,

gilt es insbesondere auf die Neuheit und Hochwertigkeit der SMOKE IT - Folien hinzuweisen.

Bereits in der Vergangenheit konnte mit besonderen Wochen- oder Monatsthemen das Interesse der

Drogenkonsumenten auf bestimmte Inhalte und Themen gerichtet werden. Empfohlen wird daher

u.a. eine „SMOKE IT – Woche“ anzubieten, die von verschiedenen Aktivitäten bzw. Maßnahmen

begleitet wird.

- Videofilme mit Inhalten zum Thema Safer Use

- Rauchtrainings, gemeinsamer Pfeifen- bzw. Röhrchenbau (auch wenn viele Konsumenten

Erfahrungen mit dem inhalativen Konsum haben, kann durch Angebote des gemeinsamen

Röhrchenbaus bzw. von Safer Smoke Trainings das Interesse gesteigert werden).

- Angebot von SMOKE IT - Packs. Die vorliegende Studie konnte deutlich machen, dass von der

Abgabe von Komplettsortimenten ( SMOKE IT - PACKS) auch ein Signal der Wertschätzung

ausgegangen ist. Dies führte dazu, dass Nutzer der Einrichtung sich für das neue Angebot

interessierten.

- Durch die Bereitstellung von medialen Informationen, die in den Besitz der Konsumenten

übergehen, wie z.B. Flyer, Karten mit Fotos zur Rauchanleitung 7 etc., kann die

Inanspruchnahme des neuen Angebots erhöht werden. Die Studie zeigt, dass ein sehr hoher

Prozentsatz derjenigen denen SMOKE IT - PACKS ausgehändigt wurden, diese auch nutzten.

Das Anbringen von Postern als „Eyecatcher“ kann die Aufmerksamkeit für das neue Angebot

ebenfalls erhöhen.

Aufgrund der Tatsache, dass viele Drogenkonsumenten den Transport von bereits benutzten

Konsumutensilien vermeiden, könnten insbesondere Drogenkonsumräume bzw.

Drogentherapeutische Ambulanzen in NRW mit einem Angebot der personalisierten Aufbewahrung

von Konsumutensilien die Nutzung unterstützen.

In Deutschland werden ca. 400.000 Schachteln mit unterschiedlichen Sortimenten zum intravenösen

Konsum über Automaten verkauft. Um die anonyme Verfügbarkeit von Rauchutensilien in der Nacht,

am Wochenende und an Feiertagen sicherzustellen, könnten Automaten um „SAFER SMOKE - Packs“

ergänzt werden.

7 Über die Deutsche AIDS-Hilfe in 2013 kostenfrei erhältlich

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Um die Diskussion über schadensminimierende Effekte des inhalativen Konsums zu initiieren,

könnten Einrichtungen punktuell besondere Angebote schaffen wie z.B. ein Frühstücksangebot mit

Diskussion zu Vor- und Nachteilen des Rauchkonsums.

Trotz der Erfahrung vieler Opiatkonsumenten mit dem inhalativen Konsum, praktizieren viele

vorrangig intravenöse Applikationsformen. Darüber hinaus gibt es Opiatkonsumenten, die bisher

noch keine Erfahrung mit inhalativen Konsummustern haben. Um zu verdeutlichen in welchen

Situationen der Rauchkonsum eine Alternative sein kann (morgens, beim leichten Entzug, beim

Fehlen von iv Utensilien, zum "Antesten" von unbekanntem Stoff etc.) können die Nutzer der

Einrichtung gebeten werden diese Alternativen auf ein A1-Poster zu schreiben, das an zentraler Stelle

z.B. im Kontaktladen platziert wird. Die gleiche Methode kann für Vor- und Nachteile des

Rauchkonsums angewandt werden.

Um MitarbeiterInnen von Drogen- und AIDS-Hilfen über Vor- und Nachteile des Rauchkonsums zu

informieren und sie in die Lage zu versetzen, Konsumenten Unterstützung beim Röhrchenbau zu

geben, gilt es vor Ort kurze Workshops einzurichten. Trainer bzw. Referenten können über die

Deutsche AIDS –Hilfe gestellt werden.

Darüber hinaus wird empfohlen, bei bereits bestehenden bundesweiten Fortbildungen (z.B. der

Deutschen AIDS-Hilfe) intensiver auf inhalative Applikationsformen einzugehen.

Aus der Vor-Ort - Arbeit wird deutlich, dass solche Maßnahmen nur erfolgreich sein können, wenn

sie sehr praxisnah und für Drogenkonsumenten ohne viel Aufwand wahrzunehmen sind. Ferner

leben solche Angebote immer von der Begeisterungsfähigkeit bzw. der Motivation der

MitarbeiterInnen.