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Bauwelt 26 | 2007 26 Thema Westernstadt Bauwelt 26 | 2007 27 Von Silverlake City ins El Dorado In Templin versucht ein Themenpark einen erfolgreichen Neubeginn Text: Friedrich von Borries Fotos: Udo Meinel Für Übernachtungsgäste bie- tet El Dorado außer einem Hotel und einem Fort auch zwölf Ranchhäuser und vier Indianerzelte an. „Eldorado (span. für „Der Goldene“) ist ein sagenhaftes Gold- land im Innern des nördlichen Südamerikas“, so das Online- Lexikon Wikipedia. Unser Eldorado aber liegt nicht in Süd- amerika, sondern in Brandenburg. Hier ist El Dorado der Name eines im Jahr 2006 (wieder)-eröffneten Westernparks in Templin, rund anderthalb Autostunden nördlich von Berlin. Hinter den hölzernen Palisadenwänden erstreckt sich eine ei- gene Welt. Der 70.000 Quadratmeter große Themenpark ist ausgestattet mit allem, was sich der Western-, Cowboy- und Indianerfreund wünscht: Streichelzoo und Greifvogelgehege, Bisons, Fort, Erdhaus und Tipilager, Goldwäsche und Kanu- Verleih, Music-Hall und Schießstand. Zudem bietet der Park ein vielfältiges Unterhaltungsprogramm: Konzerte von ost- deutschen Country-Stars wie Harald Wilk, Linedance-Partys mit Westernbuffet, Indianerwochenenden, Rodeo-Festivals und natürlich auch ein Civil-War-Weekend, an dem der Ame- rikanische Bürgerkrieg nachgestellt wird. Ob El Dorado mit diesem Angebot tatsächlich eine bran- denburgische Goldgrube wird, steht noch in den Sternen. Der erste Sommer war nach Auskunft der Betreiber erfolgreich. Doch nicht alles spricht dafür, dass dieser Erfolg auch langfris- tig gesichert werden kann. Zuvor hatte es an Ort und Stelle be- reits einen anderen Westernpark gegeben: Silverlake City. Aber eigentlich beginnt die Geschichte der ostdeutschen Wes- ternparks lange vor der Wende. Wie im Westen gab es auch in der DDR viele Western- fans. Der Fokus der ostdeutschen Begeisterung lag aber eher auf Indianerseite, denn diese waren schließlich die Unter- drückten des imperialistischen Klassenfeindes. Cowboy-, Trapper- und Moutainmen-Fans gab es trotzdem, nur tarnten sie sich als Mitglieder von Indianistik-Klubs. Erst in den acht- ziger Jahren durfte man sich in seiner Freizeit auch „offiziell“ mit Cowboys beschäftigen – nun repräsentierten sie die „nied- rigste Stufe des amerikanischen Landproletariats“, lautete die Legitimation. Einer dieser Westernfreunde ist Chief Pete Potlach, Häupt- ling einer Indianergruppe aus Pasewalk. In den achtziger Jah- ren hatte er, im Hauptberuf Versicherungsvertreter der staatli- chen Versicherung der DDR, eine Idee: einen Indianistik-The- menpark aufzubauen, in dem die Wild-West-Freunde der DDR ihre Unterhaltungsshows präsentieren können. Gleich zwei Zielgruppen sollten sich angesprochen fühlen: die DDR-Bür- ger selbst, die nach exotischer Unterhaltung suchen, und die West-Berliner Ostsee-Touristen, die auf der Reise nach Rügen und Usedom ihr Geld gern für eine unterhaltsame Mittags- pause ausgeben. Doch zu DDR-Zeiten wird dieser Themenpark, dessen Grundfläche den Umriss Nordamerikas nachzeichnen sollte, nicht realisiert, obwohl Pete Potlachs Plan sogar im Zen- tralrat der FDJ besprochen und von der Bezirksverwaltung Neubrandenburg protegiert wurde. Dann kommt die Wende, und mit der Vision der „blühen- den Landschaften“ ziehen die Goldsucher aus dem Westen gen Osten. Endlich ist „Amerika“ offiziell erlaubt. Als Erstes soll in Sachsen ein neuer Themenpark entstehen, der sich einem

Templin, rund anderthalb Autostunden nördlich von Berlin ... · Hier ist El Dorado der Name eines im Jahr 2006 (wieder)-eröffneten Westernparks in Templin, rund anderthalb Autostunden

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Bauwelt 26 | 200726 Thema Westernstadt Bauwelt 26 | 2007 27

Von Silverlake City ins El DoradoIn Templin versucht ein Themenpark einen erfolgreichen NeubeginnText: Friedrich von Borries Fotos: Udo Meinel

Für Übernachtungsgäste bie-tet El Dorado außer einem Hotel und einem Fort auch zwölf Ranchhäuser und vier Indianerzelte an.

„Eldorado (span. für „Der Goldene“) ist ein sagenhaftes Gold-land im Innern des nördlichen Südamerikas“, so das Online-Lexikon Wikipedia. Unser Eldorado aber liegt nicht in Süd-amerika, sondern in Brandenburg. Hier ist El Dorado der Name eines im Jahr 2006 (wieder)-eröffneten Westernparks in Templin, rund anderthalb Autostunden nördlich von Berlin. Hinter den hölzernen Palisadenwänden erstreckt sich eine ei-gene Welt. Der 70.000 Quadratmeter große Themenpark ist ausgestattet mit allem, was sich der Western-, Cowboy- und Indianerfreund wünscht: Streichelzoo und Greifvogelgehege, Bisons, Fort, Erdhaus und Tipilager, Goldwäsche und Kanu-Verleih, Music-Hall und Schießstand. Zudem bietet der Park ein vielfältiges Unterhaltungsprogramm: Konzerte von ost-deutschen Country-Stars wie Harald Wilk, Linedance-Partys mit Westernbuffet, Indianerwochenenden, Rodeo-Festivals und natürlich auch ein Civil-War-Weekend, an dem der Ame-rikanische Bürgerkrieg nachgestellt wird.

Ob El Dorado mit diesem Angebot tatsächlich eine bran-denburgische Goldgrube wird, steht noch in den Sternen. Der erste Sommer war nach Auskunft der Betreiber erfolgreich.Doch nicht alles spricht dafür, dass dieser Erfolg auch langfris-tig gesichert werden kann. Zuvor hatte es an Ort und Stelle be-reits einen anderen Westernpark gegeben: Silverlake City. Aber eigentlich beginnt die Geschichte der ostdeutschen Wes-ternparks lange vor der Wende.

Wie im Westen gab es auch in der DDR viele Western-fans. Der Fokus der ostdeutschen Begeisterung lag aber eher auf Indianerseite, denn diese waren schließlich die Unter-drückten des imperialistischen Klassenfeindes. Cowboy-, Trapper- und Moutainmen-Fans gab es trotzdem, nur tarnten sie sich als Mitglieder von Indianistik-Klubs. Erst in den acht-ziger Jahren durfte man sich in seiner Freizeit auch „offiziell“ mit Cowboys beschäftigen – nun repräsentierten sie die „nied-rigste Stufe des amerikanischen Landproletariats“, lautete die Legitimation.

Einer dieser Westernfreunde ist Chief Pete Potlach, Häupt-ling einer Indianergruppe aus Pasewalk. In den achtziger Jah-ren hatte er, im Hauptberuf Versicherungsvertreter der staatli-chen Versicherung der DDR, eine Idee: einen Indianistik-The-menpark aufzubauen, in dem die Wild-West-Freunde der DDR ihre Unterhaltungsshows präsentieren können. Gleich zwei Zielgruppen sollten sich angesprochen fühlen: die DDR-Bür-ger selbst, die nach exotischer Unterhaltung suchen, und die West-Berliner Ostsee-Touristen, die auf der Reise nach Rügen und Usedom ihr Geld gern für eine unterhaltsame Mittags-pause ausgeben. Doch zu DDR-Zeiten wird dieser Themenpark, dessen Grundfläche den Umriss Nordamerikas nachzeichnen sollte, nicht realisiert, obwohl Pete Potlachs Plan sogar im Zen-tralrat der FDJ besprochen und von der Bezirksverwaltung Neubrandenburg protegiert wurde.

Dann kommt die Wende, und mit der Vision der „blühen-den Landschaften“ ziehen die Goldsucher aus dem Westen gen Osten. Endlich ist „Amerika“ offiziell erlaubt. Als Erstes soll in Sachsen ein neuer Themenpark entstehen, der sich einem

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in der DDR lange verfemten Schriftsteller widmet: das „Karl-May-Land“. Und auch Pete Potlach versucht erneut sein Glück. Mehrfach stellt er sein Konzept politischen Entscheidungsträ-gern vor. Doch Cowboys und Indianer passen Anfang der neunziger Jahre noch nicht ins Tourismus-Konzept des Landes Brandenburg.

Schließlich wollen sich professionelle Erlebnisanbieter aus dem Westen Deutschlands den ostdeutschen Countrybe-geisterung zunutze machen. Im Sommer 2000 startet in Has-selfelde im Harz der Freizeitpark Pullmann City II, im Jahre 2004 folgt mit der besagten Silverlake City bei Templin der touristische Hoffnungsträger der Uckermark.

Beide Parks werden von dem Investorenehepaar Milotzki aus Bayern ins Leben gerufen. In Passau betreiben sie bereits den Westernerlebnispark Pullman City. In Templin wird als Baugelände das ehemalige FDJ-Ferienlager „Klim Woroschi-low“ gewählt, das direkt am Röddelinsee liegt. Die Investoren versprechen, die DDR-Atmosphäre des Ferienlagers durch eine amerikanische Westernstadt zu ersetzen, „mit fast allem Drum und Dran, aufgebaut mit vielen Ideen“. Die Einrichtungsge-genstände „sind echt aus dem Wilden Westen des Jahres 1880“. Bei einem Eintrittspreis von 14 Euro zählt man vor allem auf Besucher aus Berlin.

Doch Pullmann City II im Harz schreibt keine schwarzen Zahlen, und auch bei Silverlake City ist zunächst unsicher, ob der Park überhaupt eröffnen soll. Vielleicht, so die Sorge auch der Landesinvestitionsbank, ist im Silbersee gar kein Schatz zu heben? Kalkuliert wird mit 250.000 Besuchern pro Jahr, doch in der Eröffnungssaison kommen gerade einmal 50.000. 17 Millionen Euro Investitionen waren für Silverlake City ver-anschlagt, finanziert zu jeweils einem Drittel über Hausbank-kredite, Investitionszuschüsse und einen geschlossenen Im-mo bilienfonds. Bis zu 25 Prozent Rendite wurde den Anlegern versprochen. Nach nur einer Saison kam die Insolvenz, die Fördergelder der Landesinvestitionsbank wurden zurückge-halten, und der Park wurde geschlossen. Auch wenn die ehe ma-ligen Mitarbeiter protestierten und einige sogar das Gelände besetzten und sich im Fort verschanzten – der einzige Schatz, der im angrenzenden Röddelinsee versunken ist, sind die Gel-der der privaten Anleger. Auch die ursprünglich geplanten 100 Arbeitsplätze waren verloren, ebenso schien der Traum von einem touristischen Hotspot in der Uckermark dahin.

Doch dann, nach über einem Jahr Leerstand, kommt die überraschende Wende. Aus „Silverlake City“ wird „El Dorado“ – wo kein Silberschatz zu finden ist, kann man vielleicht nach Gold schürfen. Der neue Investor, der für eine nicht verlaut-barte Summe den insolventen Park übernommen hat, hat be-reits den Filmpark Babelsberg in ein lukratives Unternehmen verwandelt. Am 1. Juli 2006 eröffnet die eigens gegründete El Dorado Abenteuer GmbH den überarbeiteten Themenpark, mit zunächst 12, im Saisonverlauf dann 70 Mitarbeitern. Das Land Brandenburg stellte aus den ursprünglich für Silverlake City bewilligten, aber nicht ausgezahlten Fördergeldern 4,5 Mil-lionen Euro zur Verfügung.

„Abenteuer wie im Film“ ver-spricht El Dorado seinen Gäs-ten – dazu gehören auch die Überraschungen, die ein Blick auf die Rückseiten der Kulis-sen mit sich bringt. Unten der

„Für unsere Besucher sollen Spaß, Abenteuer und Träume im Mittelpunkt eines erlebnisreichen Tages stehen. Wir möchten anknüpfen an Traditionen der unvergesslichen DEFA-Indianer-filme“, beschreibt der Geschäftsführer das überarbeitete Kon-zept. Auch baulich wurde Silverlake City weiterentwickelt. Neben einem Zelt für Greifvögel und einer Arena für Stunt-shows ist auch ein Marterpfahl aufgestellt worden. Der Haup-tunterschied zum vorherigen Betreiberkonzept scheint aber, nebst ostdeutscher Gojko-Mitic-Romantik, der Eintritts preis zu sein – 8,50 statt wie vorher 14 Euro.

In der ersten Saison hat El Dorado, glaubt man den Ver-lautbarungen des Managements, mit 75.000 Besuchern sein Ziel erreicht. Für die laufende Saison werden bis zu 120.000 Be-sucher erwartet. Der brandenburgische Wirtschaftsminister Ulrich Junghanns ist voller Optimismus: „Mit El Dorado wird die Region um eine touristische Attraktion reicher.“

Was also ist El Dorado – eine Goldgrube oder eine zu-künftige Investitions- und Freizeitruine, die nach Lausitzring und Tropical Island die Perlenkette skurriler Förderprojekte in der Brandenburgischen Provinz um ein weiteres Schmuck-stück ergänzt? Für die Stadt Templin ist El Dorado neben den Naturthermen eine wichtige Attraktion. Als die Thermen letz-tes Jahr wegen Bauschäden vorübergehend geschlossen wer-den mussten, gingen die Umsätze in Templin um 7 Prozent zurück. Ohne die Wiedereröffnung der Westernstadt, so die Leiterin des örtlichen Tourismuscenter, wären die Folgen noch wesentlich drastischer gewesen. Doch nur mit Erlebnis- und Konsumangeboten, ob Naturtherme oder Westernstadt, lassen sich keine überlebensfähigen lokalen Wirtschaftskreisläufe aufbauen. Die 70, überwiegend saisonalen und nicht gerade hochqualifizierten Arbeitsplätze für Bedienungen, Kassiere-rinnen und Cowboy- und Indianerdarsteller, die in El Dorado geschaffen wurden, werden die hohe Arbeitslosigkeit im Land-kreis Uckermark – bei 22,7 Prozent lag die Quote im Mai 2007 und damit 7,7 Prozentpunkte höher als der brandenburgische Durchschnitt – leider nicht spürbar senken.

„Friedhof“ hinter dem In-dianermuseum an der Main Street. Die Saison 2007 endet am 31. Oktober. Wei-tere Informationen unter www.eldorado-templin.de