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_____________________________________________________________________ Sprachfrderung fr mehrsprachige Kinder in der Schuleingangsphase - Fortbildung fr sozialpdagogische
Fachkrfte und Grundschullehrkrfte
TESSLA Teacher Education for the Support of Second Language Acquisition
Die Stolpersteine der deutschen Sprache und das Trkische1 Inci Dirim
Bei den Stolpersteinen des Deutschen handelt es sich um Besonderheiten der deut-
schen Sprache, die erfahrungsgem Schlerinnen und Schlern beim Deutschlernen
Schwierigkeiten bereiten knnen. Ein berblick ber die Stolpersteine des Deutschen
wurde in Rsch 2003 (S. 213) verffentlicht. Bei der folgenden Liste handelt es sich um
einen Zusatz zu diesem berblick, nmlich um die Betrachtung der Stolpersteine aus
der Sicht von Schlerinnen und Schlern trkischer Herkunftssprache. Einige der Stol-
persteine des Deutschen knnten dieser Schlergruppe besonders groe Schwierig-
keiten bereiten, weil sich die Sprachstrukturen des Trkischen und des Deutschen im
Hinblick auf diese Phnomene stark unterscheiden. Diese Stolpersteine wurden im
Folgenden herausgegriffen, die Unterschiede und die mglichen Interferenzfehler, die
entstehen knnten, wurden beschrieben. Die deutschen Stolpersteine wurden nicht
beschrieben, da sie in den berblick von Heidi Rsch bereits ausfhrlich erlutert wer-
den. Es handelt sich bei dem folgenden Sprachvergleich auch nicht um die Beschrei-
bung aller Unterschiede zwischen dem Deutschen und dem Trkischen. Sehr empfeh-
lenswert ist fr einen Gesamtberblick der Sprachvergleich von Cimilli und Liebe-
Harkort (1976); Literatur fr weitere Sprachvergleiche, auch mit anderen Migran-
tensprachen sind bei Rsch (2003) zu finden. Informationen zum Begriff Interferenz
finden sich in der vorliegenden CD-Rom in der Datei Deutsch lernen auf der Grundlage
der Erstsprache Trkisch. (Dirim 2005).
1. Lautung und Artikulation
1 Gekrzte und berarbeitete Version der Stolpersteine in: Rsch, H. (Hrsg., 2005): Deutsch als Zweit-sprache. Sprachfrderung in der Sekundarstufe 1. Grundlagen, bungsideen, Kopiervorlagen. Braun-schweig. Kopiervorlagen, 29-30
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Konsonantenhufungen und -verbindungen
Die Konsonantenanhufungen und verbindungen des Deutschen (z.B. Angst)
knnen bei der Aussprache des Deutschen Probleme bereiten, weil nach der Silben-
struktur des Trkischen zwei oder mehr Konsonanten nicht aufeinander treffen kn-
nen. (Konsonanten, die an Silbengrenzen stehen, knnen aber innerhalb eines Wor-
tes aufeinander treffen und werden dann doppelt ausgesprochen.) Diese Unterschie-
de fhren dazu, dass in deutschen Wrtern zwischen die Konsonanten manchmal
ein Sprossvokal eingefgt wird, z.B.: Schitock (statt Stock).
bedeutungsunterscheidende Phonemopposition
Im Trkischen ist die Lnge bzw. die Krze eines Vokals kein bedeutungsunter-
scheidendes Merkmal wie im Deutschen (z.B. in den Wrtern Hlle und Hhle),
sodass es den Schlerinnen und Schlern Schwierigkeiten bereiten kann, entspre-
chende Wrter des Deutschen voneinander zu unterscheiden. Auch die Umlautung
als bedeutungsvernderndes Element gibt es im Trkischen nicht (wie in den Wr-
tern der Bogen die Bgen).
Laute des Deutschen, die es im Trkischen nicht gibt
Die deutschen ich- und ach-Laute gibt es im Trkischen nur in Dialekten, sodass
es fr viele Lerner problematisch sein kann, diese Laute voneinander zu unterschei-
den und auszusprechen, auerdem wird der ach-Laut in der trkischen Bildungs-
schicht als unschn empfunden, was Hemmungen auslsen kann, diesen Laut auszusprechen.
Auslautverhrtung
Im Trkischen gibt es im Gegensatz zum Deutschen die Auslauterweichung, z.B. ki-
tap (das Buch) kitabm (mein Buch), aber keine Auslautverhrtung. Die lautliche
Vernderung ist im Falle der Auslauterweichung in der trkischen Orthographie im-
mer erkennbar, sodass die Mglichkeit besteht, dass die Schlerinnen und Schler
gehrte Laute auch schreiben (z.B. Fahrrat), wie es Kinder aus deutschsprachigen
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Elternhusern manchmal auch tun.
2. Wortschatz / Wortbedeutung / Wortbildung
Komposita
Im Trkischen gibt es Komposita; allerdings bestehen sie aus maximal zwei Wrtern.
Das bestimmende Wort ist wie im Deutschen das letzte Wort: krmz arap (Rotwein)
krmz = rot; arap = Wein. Mglich ist, dass Kinder trkischer Erstsprache Schwie-
rigkeiten haben, mehrgliedrige Komposita des Deutschen (z.B. Schulwegbeschrei-
bung) zu verstehen und solche zu bilden. Eine weitere Schwierigkeit knnte in der
Schreibung der deutschen Komposita bestehen, denn im Trkischen werden zu-
sammengesetzte Wrter getrennt geschrieben, es sei denn, sie sind zu einer Einheit
verschmolzen wie in dem Wort hastane (Krankenhaus) = hasta (krank) und hane
(Haus)
Nominalisierung
Im Trkischen gibt es wie im Deutschen verschiedene Nominalisierungsendungen,
z.B.: gzel (schn) gzellik (die Schnheit). Die Nominalisierung durch Endungen ist also grundstzlich bekannt, dennoch sind trkische Endungen naturgem ande-
re Endungen als im Deutschen. Da es im Trkischen keine Artikel gibt, ist die Nomi-
nalisierung mit dem schlichen Artikel aus dem Infinitiv u.U. schwer verstndlich (z.B. das Gute).
Vor- und Nachsilben
Im Trkischen gibt es da es sich um eine agglutinierende Sprache handelt nur
Nachsilben und diese in einer viel greren Vielfalt als im Deutschen. Eine grere
Schwierigkeit als die Benutzung von Nachsilben bereiten das Verstndnis und der
Gebrauch der zahlreichen Vorsilben des Deutschen (z.B. umziehen, einziehen, aus-ziehen, beziehen, vorziehen, anziehen, abziehen).
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Partikel und Prpositionen
Partikel zur Vernderung der Bedeutung einer uerung, z.B. Abtnungspartikel,
gibt es im Trkischen auch. Diese sind entweder allein stehende Wrter oder En-
dungen; eine Eins-zu-Eins-bersetzung ist nicht immer mglich. Auch fr trkische
Lerner ist es schwierig, die Bedeutungsnuancen der deutschen Abtnungspartikel zu erfassen (z.B. doch, noch, mal).
Prpositionen gibt es im Trkischen bis auf einige wenige Ausnahmen nicht,
sondern statt dessen Postpositionen und Endungen, die den Funktionen der deut-
schen Prpositionen entsprechen, z.B.: yemekten sonra (nach dem Essen). Die Vielfalt und die syntaktische Einbettung der deutschen Prpositionen sind fr Sch-
lerinnen und Schler trkischer Erstsprache oft eine groe Hrde beim Erwerb des
Deutschen.
Wrter mit unterschiedlicher Bedeutung
Wie in jeder Sprache gibt es auch im Trkischen Wrter, die mehrere Bedeutungen
haben, allerdings ist auch hier eine Eins-zu-Eins-bersetzung wohl nie mglich, so-
dass auch Schlerinnen und Schler trkischer Herkunftssprache mit diesen Wrtern
des Deutschen (z.B. das Tor) Probleme haben knnten. Ein Beispiel fr ein trki-sches mehrdeutiges Wort ist das folgende:
sr: 1) Geheimnis
2) Glasur
3. Formenbildung
Artikel und Genera
Da es sich um eine agglutinierende Sprache handelt, gibt es im Trkischen keine Ar-
tikel. Die syntaktischen Beziehungen zwischen den Wrtern werden durch Endun-
gen, Konjunktionen und Postpositionen hergestellt. Aus diesem Grund gibt es auch
keine Artikeldeklination. Besonders fr trkische Erwachsene, die Deutsch lernen,
ist es manchmal schwierig, die Artikel zu benutzen, weil ihnen die Notwendigkeit da-
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fr nicht ersichtlich wird. Schlielich kann man durchaus die Erfahrung machen, sich
auch ohne Artikel ausdrcken zu knnen und verstanden zu werden, z.B.: Gib mir
bitte Zeitung!. Diese Erkenntnis wird durch den Null-Artikel des Deutschen (z.B. als Telegrammstil in berschriften: Hund beit Mann) besttigt.
Das Phnomen Genus ist im Trkischen nicht vorhanden; fr viele Lerner trki-
scher Herkunft ist es ein Rtsel, warum es drei Genera im Deutschen gibt; erschwe-
rend kommen die Unlogik der Genuszuweisung einzelner Wrter (der Tisch) und die vielen Ausnahmen bei der Genuszuweisung (z.B.: die Tasche, die Tante, die Tinte, die Motte, aber: der Tee) hinzu.
Pluralbildung und Pluralkonkordanz
Im Trkischen gibt es nur eine pluralbildende Endung mit zwei lautlichen Formen: (-ler /
-lar; z.B. araba (das Auto) arabalar (die Autos)). Die Formenvielfalt der Pluralbil-
dung im Deutschen (acht verschiedene Mglichkeiten, z.B. die Taschen, die Bcher,
die Hute) ist u.U. verwirrend und schwer zu lernen.
Personal- und Possessivpronomen und deren Dreigliedrigkeit
Im Trkischen gibt es wie im Deutschen Personalpronomen; ihr Gebrauch ist aber
nicht obligatorisch, z.B.: gidiyorum (ich gehe). Die Personalpronomen werden im
Trkischen (nur) dann benutzt, wenn die Person besonders hervorgehoben werden
soll, z.B.: ben gidiyorum (ich gehe). Die Personalendungen erfllen die Funktion
des Ausdrucks der Person vollstndig, genauso die Possessivendungen den Aus-
druck der Besitzverhltnisse. Die Possessivpronomen knnen verwendet werden,
wenn die Besitzverhltnisse besonders betont werden sollen. Diese Unterschiede
knnen dazu fhren, dass von den Lernern im Deutschen die Personal- oder Pos-sessivpronomen weggelassen werden.
Fr die dritte Person gibt es nur eine Personalendung (-o), da das Trkische eine
genusfreie Sprache ist. Es muss also die Dreigliedrigkeit des Genus auch im Hinblick
auf die Personalpronomen verstanden werden, wobei es auch hier Fallen gibt, mit
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denen manchmal auch native speaker des Deutschen Probleme haben: das Md-chen sie oder es?
lautgleiche Formen bei Personal- und Possessivpronomen im Singular und Plural
Dieses Phnomen (z.B. Das ist Ihre Tasche. (Sg. oder Pl.) Das ist ihre Tasche.
(Sg. oder Pl.)) gibt es im Trkischen zwar auch, allerdings seltener als im Deutschen
und im Hinblick auf andere Personen und Flle: Siz naslsnz? (Wie geht es Ihnen? /
Wie geht es euch?), sodass die Schlerinnen und Schler damit durcheinander
kommen knnten.
Prposition + Kasus, insbesondere Wechselprpositionen
Da es im Trkischen keine (kaum) Prpositionen, keine Artikel und kein Genus
gibt, ist dieses Phnomen (z.B.: Ich sehe den Mann. Ich spreche mit dem Mann.)
gnzlich unbekannt und in seiner Komplexitt ein massiver Stolperstein.
Adjektivdeklination: stark, schwach; nach bestimmtem / unbestimmtem Artikel
Die Adjektive werden im Trkischen nicht dekliniert; ihre Form bleibt grundstzlich
immer gleich; die Formen- und Regelvielfalt des Deutschen kann uerst verwirrend sein.
Deklination der Nomen und Pronomen
Die Nomen und Pronomen des Trkischen werden durch Endungen dekliniert, z.B.:
Nom.: kitap das Buch
Akk.: kitab das Buch
Dat.: kitaba dem Buch
Gen.: kitabn des Buches
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Lok.: kitapta in dem Buch
Abl.: kitaptan (aus dem Buch)
Auch hier mssen Schlerinnen und Schler trkischer Herkunft es lernen, mit den
Artikeln und den in einigen Fllen auftretenden Endungen des Deutschen (des Bu-ches / den Mnnern) umzugehen.
Verbformen
Um im Trkischen Tempus und Modus auszudrcken, werden den Verben Endun-
gen angehngt, z.B. geliyor (er/sie/es kommt) geldi (er/sie/es ist gekommen). Diesen
Endungen knnen weitere Endungen angehngt werden, z.B. Personalendungen:
geldiler (sie sind gekommen) Die Wurzelflexion (kommen-kam-gekommen) ist im
Trkischen unbekannt und stellt eine Schwierigkeit dar; erschwerend kann die Um-
lautung hinzukommen (ich trage du trgst). Die Formen der Modalitt und der
Zeit decken sich nicht vollstndig. So gibt es im Trkischen z.B. eine allgemeine Zeit-
form (ausgedrckt mit der Endung -ir-), die ins Deutsche nur mit dem vergleichswei-
se ungenauen Prsens bersetzt werden kann. Die deutschen Modalverben drfen
und knnen wiederum werden im Trkischen durch die Endung (-ebil-) ausge-
drckt, sodass es schwierig sein kann, trkischsprachigen Schlerinnen und Sch-
lern den Bedeutungsunterschied deutlich zu machen: gidebilirim (ich kann gehen /
ich darf gehen). Die Modalitt wird im Trkischen auerdem formal nur im Falle von istemek (wollen), in Form eines Verbs ausgedrckt, das hnlich wie im Deutschen
mit einem infiniten Verb kombiniert wird. Grundstzlich ist das Verstndnis der Mo-
dalverben des Deutschen wohl nicht schwer, allerdings entsprechen sich die Bedeu-tungen im Trkischen und Deutschen nicht Eins-zuEins.
Ableitungen von Wrtern
Im Trkischen gibt es keine Hilfsverben, sodass es fr Schlerinnen und Schler tr-
kischer Herkunft nicht einfach ist, den Sinn der bedeutungsleeren Hilfsverben des
Deutschen zu erfassen.
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Ableitungen von Wrtern
Im Trkischen gibt es - wie im Deutschen - vielfltige Ableitungen (z.B.: su (Wasser)
sucu (Wasserverkufer)) ; das Phnomen ist also grundstzlich bekannt. Allerdings
knnen auch den Lernern trkischer Herkunft die Nuancen und die Formenvielfalt
des Deutschen Probleme bereiten (z.B.: heiter Heiterkeit, munter Aufmunte-rung, mutig Ermutigung).
4. Satzbau
Zur Reihenfolge der Satzelemente
Im Trkischen ist die Reihenfolge der Satzelemente nicht so strikt wie im Deutschen
einzuhalten. Die einzelnen Elemente des Satzes knnen verschoben werden, um un-
terschiedliche Bedeutungsnuancen zu erzeugen, was im Deutschen manchmal auch
mglich ist, z.B.:
Dn hava ok scakt.: Gestern war es sehr hei.
Hava dn ok scakt.: Es war gestern sehr hei.
Auch das Verb kann den Platz wechseln, allerdings steht es in den meisten Fllen
am Ende des Satzes. Die deutsche Regel der Inversion ist nicht bekannt und kann
den Schlerinnen und Schlern Probleme bereiten.
Bildung von Fragen
Fragen werden im Trkischen mit der Fragepartikel mi (die unterschiedliche lautli-che Formen besitzt) gebildet, z.B.:
Sinemaya gittin mi? = Bist du ins Kino gegangen?
Sinemaya m gittin? = Ins Kino bist du gegangen?
Aus dem Beispiel wird ersichtlich, dass Bedeutungsnuancen durch die Verschiebung
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der Fragepartikel erzeugt werden. Die Inversion spielt bei der Bildung der Frage kei-
ne Rolle, sie kommt gar nicht vor. Fragen knnen auerdem wie im Deutschen mit Fragewrtern gebildet werden, z.B.:
Ne yedin? = Was hast du gegessen?
Zitierte und weiterfhrende Literatur:
Cimilli, Nkhet & Klaus Liebe-Harkort (1976): Sprachvergleich Trkisch-Deutsch. Dsseldorf
Dirim, nci (2005): Deutsch lernen auf der Grundlage der Erstsprache Trkisch. In:
Bartnitzky, Horst & Angelika Speck-Hamdan: Deutsch als Zweitsprache lernen. Frankfurt a.M. (Grundschulverband Arbeitskreis Grundschule e.V.), S. 53-57.
Ministerium fr Schule und Weiterbildung, Wissenschaft & Forschung des Landes
Nordrhein-Westfalen (1982): Handreichung Sprachunterricht mit ausgesiedelten
Kindern und Jugendlichen.: Polnisch, Russisch.
Moser-Weithmann, Brigitte (2001): Trkische Grammatik. Hamburg
Niederschsisches Kultusministerium (1991, 1996): Hilfen fr den Deutschunterricht
mit Kindern und Jugendlichen, deren Erstsprache nicht Deutsch ist: Arabisch,
Griechisch, Italienisch, Farsi (Persisch), Polnisch, Portugiesisch, Rumnisch, Russisch, Serbokroatisch, Spanisch und Trkisch.
Rsch, Heidi (Hrsg., 2003): Deutsch als Zweitsprache. Sprachfrderung. Grundla-gen, bungsideen, Kopiervorlagen. Braunschweig