The European Präsidentschaftswahl 2012

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  • 8/2/2019 The European Prsidentschaftswahl 2012

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    Gauck, Wul, KhlerDie Edition zur Wahl des Bundesprsidenten

    The European

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    Drei Prsidenten in zwei Jahren. Man ist versucht, den

    Delegierten der Bundesversammlung am 18. Mrz

    zuzuruen: Aber dieses Mal bitte r n Jahre! Dabei

    sind die Frauen und Mnner, die dort den nchstenBundesprsidenten whlen, nicht die, die an den Ent-

    wicklungen der vergangenen Jahre in Schloss Bellevue

    schuld sind.

    Dennoch betrit die Frage nach dem geeigneten Kandi-

    daten, die die Nominierung und dann Wahl von HorstKhler, Christian Wul und Joachim Gauck begleitet

    hat, gerade sie: Wie soll das ideale Staatsoberhaupt

    Deutschlands im 21. Jahrhundert denn aussehen?

    Horst Khler wurde eine politisch nicht als klug gewer-

    tete Aussage zum Verhngnis: Er trat zurck. Er giltseitdem als unpolitischer Prsident. Der Gegenentwur

    dazu war Christian Wul. Der mit den Wassern des

    Parteienbetriebs gewaschene Niedersachse wrde sicher

    nicht so schnell amtsmde werden oder von der Fahne

    gehen, war das Kalkl der Bundesregierung. Eine plau-

    sible berlegung, es kam anders.

    Bitte dieses Mal

    n Jahre!

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    Nach dem Rcktritt von Christian Wul muss man sich

    ragen, wie wir es in diesem Land mit der Milde halten,

    wie mit der Schadenreude und wie mit dem Neid. Die

    Causa Wul hat, jenseits der berechtigten Anragen an

    den zehnten Prsidenten der Republik, ein grelles, hss-

    liches Scheinwererlicht au die Gesinnung der Deut-

    schen geworen. Der Nacholger hat jetzt jede Menge zu

    tun. Zum Glck ist er ein Prediger; Joachim Gauck wird

    den Deutschen ins Gewissen reden mssen.

    Diese Sonderausgabe unseres Meinungs- und Debat-

    tenmagazins The European zur Wahl des Bundes-

    prsidenten enthlt die pointiertesten Kommentare

    zu dem Thema. Ich wnsche Ihnen viel Freude beim

    diskursiven Nachdenken ber die Zukunt des Amtes

    des Bundesprsidenten!

    Mit besten Gren

    Ihr

    Alexander GrlachHerausgeber und Cheredakteur

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    DER ZUKNFTIGE

    Wolram Weimer Der Herzensbrecher 6

    Christoph Giesa Unbequeme Wahrheiten 8

    DER NEUE

    Gerd Langguth Der richtige Mann 11

    Christian Bhme Persona grata 12

    Alexander Grlach Scheeler Beigeschmack 14

    DER RCKTRITT

    Gordon Repinski An der Klippe 17

    Richard Schtze Deutschland sucht den Super-Wul 19

    Stean Grtner Die linke und die rechte Hand des Teuels 21

    DER FALL

    Christoph Bieber Die neue politische Geschenkkonomie 24

    Hugo Mller-Vogg Entschuldigen Sie bitte 26

    Ernst Elitz Emprung kostet nichts 28

    Malte Lehming Waidmannsheil 30

    Heribert Prantl Au Bewhrung 32

    Alexander Kissler Elite muss man wollen 33

    DIE WAHL

    David Baum Gauckelei ums Prsidentenamt 36

    Jost Kaiser Requiem au ein Amt 38

    Alan Posener Christian Wul und der Killerinstinkt 39

    DER VORGNGER

    Theo Waigel Horst Khler hat heie Eisen angeasst 42

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    Der Zukntige

    Am 18. Mrz wird JoachimGauck aller Voraussichtnach zum elten deutschenBundesprsidenten gewhlt.Doch ist der Konsenskandidatder Richtige?

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    Joachim Gauck ist Herzenskandidat der Grnen und Sozial-demokraten. Doch wie das mit der groen Liebe manchmalso ist: Eines Tages wacht man au und ragt sich, wen mansich da eigentlich ins Bett geholt hat.

    Der

    Herzens-brecher

    Sozialdemokraten und Grne reuensich ber den designierten Bundes-prsidenten so, als sei Joschka FischerPapst geworden. Im Hochgehl ei-nes machtpolitischen Erolgs schwa-dronieren sie, Joachim Gauck sei ihr

    Herzenskandidat. Doch dieses Herzknnte bald brechen. Denn Gauck istnicht nur ein Freigeist er ist ein ex-pliziter Anti-Linker und wird diejeni-gen, die ihn jetzt aus parteitaktischenGrnden bejubeln, noch hell entset-zen. In vielen seiner Positionen steht

    er da, wo Grne und Sozialdemokra-ten sonst nur Rechte und Neo-Libe-rale whnen und verpnen. Das dr-te noch lustig werden, denn diese Pr-sidentschat hat das Zeug, zum gr-ten Trojanischen Perd der bundesre-publikanischen Geschichte zu werden.

    Erste rot-grnePolitiker gehen

    au DistanzIm Internet ormiert sich bereits eine

    Anti-Gauck-Bewegung, weil einigesich einmal genauer angeschaut ha-ben, was Gauck in den vergangenenJahren r Ansichten verbreitet hat.Unter den Schlagworten No Gauckund Not my president macht sichdas Entsetzen der linken Szene bereitsbreit. Erste rot-grne Politiker gehenschon au Distanz und murmeln irri-tiert etwas vom Querkop. Gauck hatSarrazin verteidigt, die Occupy-Be-wegung verhhnt, den Sozialstaat alsberdehnt kritisiert und wettert gegen

    jede Verniedlichung der DDR. Er hatjenen sthlernen Freiheitswillen, denDDR-Brgerrechtler zuweilen in sichtragen und der im bundesrepublikani-schen Sozialisierungsteig schro her-ausragt. Er ist so wenig ein Sozialde-mokrat, wie ein Samuraischwert einKinderspielzeug ist.

    Pltzlich merkt man, dass Grneund Sozialdemokraten Gauck vor zweiJahren nur als eine Marionette au-gestellt hatten, um die Merkel-Regie-

    rung vorzuhren. In Wahrheit woll-ten sie ihn nicht um seiner selbst undschon gar nicht um seiner Weltan-schauungen willen, sondern nur, um

    Wolram Weimer

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    die Regierung mit einem Kandidatenzu destabilisieren, der eigentlich ausderen Mitte kommt. Nun will es dieIronie der Politik, dass dieser Macht-Marionetten-Kandidat tatschlichBundesprsident wird. Au diese Ent-wicklung trit das altdeutsche Sprich-wort zu: Wer andern eine Grube grbt,llt selbst hinein.

    Die Rolle des Un-berechenbaren

    Das Unterhaltsame an dieser Situati-on ist, dass Gauck die Rolle des Un-berechenbaren auch noch mit beson-derem Elan spielen wird. Anders alsHorst Khler oder Christian Wuldrte er kein Zgling der politischenKorrektheit werden. Und er kann sei-ne Positionen mit einer ungewhn-lichen Begabung verbreiten: Er istein wahrhat grandioser Redner, ein

    Mann mit Haltung und Ethos, ein tap-erer Kmper r autonomes Denkenund gegen hohle politische Korrekt-heit. Man dar davon ausgehen, dasssich schon bis zum Wahltag eine gan-ze Reihe von Rot-Grnen von ihm ab-wenden werden und er mehr Gegen-stimmen bekommen drte, als manjetzt meint. Fr die politische Kulturin Deutschland knnte die Konstella-tion hinterher ein Glcksall werden.Das System der machtpolitischen Tak-tik wird zum Oper ihrer selbst ho-entlich.

    Wolfram Weimer ist einer der

    proliertesten Journalisten und

    Publizisten. 2004 grndete er das

    politische Magazin Cicero, dem

    er bis 2010 als Chefredakteur vorstand. Zu-

    vor war er unter anderem Chefredakteur bei

    Die Welt, der Berliner Morgenpost und

    dem Focus. Weimer ist Mitglied im Medien-

    rat der Medienanstalt Berlin-Brandenburg.

    Foto: Markus Hurek

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    Gauck mag so gar nicht ins Bild der ezienz-orientierten Wettbewerbsgesellschat passen genaudas macht ihn zum richtigen Kandidaten.

    Unbequeme

    Wahrheiten

    Die Nominierung Gaucks knnte einWendepunkt in der deutschen Poli-tik sein. Das hat weniger mit der Per-son oder dem Amt zu tun, sondernvielmehr damit, wie der gemeinsameVorschlag von Union, FDP, SPD undGrnen zustande gekommen ist. DasMenschliche gewinnt wieder Einussin der Politik und hilt uns allen.

    Die Welt verndert sich schonlnger, jetzt scheint die Politik end-lich nachzuziehen. Woran man dasmerkt? Nun, dar gibt es dieser Tageverschiedene Anzeichen, aber dasvielleicht strkste ist die Geschichte,wie es zur Nominierung von JoachimGauck kam und das Zeichen, das da-mit ausgesandt wird. Dabei geht es garnicht in erster Linie um die Frage, wo-r Gauck nun inhaltlich steht, welcheRolle er bei der Revolution 1989 genaugespielt hat, oder ob man nun seinepersnlichen Verhltnisse als geord-

    net oder nicht bewertet. Und genaudas ist eigentlich schon ein Teil des-sen, was die Magie des Vorgangs aus-macht.

    Durchoptimiert aber nichttrittsicher

    Viele Jahre galt der Politikertypus alsr hhere Augaben bestimmt, derim Autreten an die immer perektgestylten Investmentbanker, Wirt-

    schatsjuristen oder Unternehmens-berater erinnerte, ohne allerdings all-zu viel menschliche Nhe und Nah-barkeit in der Politik zuzulassen. Obnun Wul, Westerwelle oder zu Gut-tenberg sie alle wussten sehr genau,wie sie sich und ihr privates Umeldzu ihrem Nutzen zu inszenieren hat-ten. Vor lauter Marketing schien aberan der einen oder anderen Stelle dasgesunde Ma ebenso abhandenge-kommen wie die inhaltliche Tiee. Da-mit stehen sie vielleicht auch ein we-nig r das prgende Ideal einer Gene-ration, das gerade zu brckeln beginnt,wie Dorothea Siems r die Weltschrieb, man sollte es ihnen also nichtallzu sehr persnlich nehmen.

    Mit Gauck allerdings lst nun je-mand den durchoptimierten abernicht trittsicheren Christian Wul ab,dessen Leben wahrlich nicht als ge-radlinig zu bezeichnen ist, der ast je-

    dem schon einmal au die Fe getre-ten ist und noch treten wird undder in einer entlichen Art und Wei-se nicht perekt ist, dass man sichschon vorstellen kann, warum es An-gela Merkel so schwergeallen ist, sichr ihn zu erwrmen. Dabei zieht mitGauck nicht nur das Unbequeme wie-der in Bellevue ein, sondern auch dasMenschliche. Wann hatten wir zuletzthohe Wrdentrger, die sich ihrer Tr-nen nicht schmten und die trotz ih-

    rer kaum erreichten Wortgewalt ganzintuitiv auch ohne Worte in der Lagesind, Zeichen zu setzen? Genau dashat Gauck whrend der Gedenkei-

    Christoph Giesa

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    er r die Nazioper getan und manmuss kein Prophet sein, um zu erah-nen, dass er es auch in Zukunt tunwird. Nur ein Mensch, der in ersterLinie Mensch geblieben ist, ist in derLage, in Zeiten von unendlichem E-zienzstreben in einem globalen Wett-bewerb einen Faktor zurck in die Po-litik zu bringen, den kein Parteipro-gramm jemals transportieren kann:Herzenswrme.

    Auch aus anderen Blickwinkelnbrachten die vergangenen Tage Neue-rungen, die das ist zumindest mei-

    ne Honung die Politik nachhaltigbeeinussen werden. Demut ist einBegri, der in den vergangenen Jah-ren kaum eine Rolle gespielt hat. Waretwas gesagt, egal wie schwachsin-nig es war (ich denke da etwa an dieWesterwelleschen Sprechblasen zursptrmischen Dekadenz), wurde esaus Angst, einen Fehler eingestehenzu mssen, verteidigt bis zur letztenPatrone.

    Applaus r dasEingestehen vonFehlern

    Wer dabei an der Spitze einer Parteistand, konnte davon ausgehen, dassauch seine Truppen unverrckbar zuihm standen und jede Kritik als per-snlichen Angri empanden. Das istnicht nur tdlich r jede inhaltlicheDiskussion, sondern trgt auch nichtzur Lsungsfndung bei. In den ver-

    gangenen Monaten allerdings zeigtsich etwas mehr Beweglichkeit. Rs-lers Untersttzung der Gauck-Kandi-datur ist ebenso ein Beispiel dar wieder Umschwung der Kanzlerin in derKernenergie-Frage. Auch wenn natr-lich viele Kommentatoren diese Kehrt-wenden mit einer Mischung aus Miss-gunst und Hme als Schwche undOrientierungslosigkeit deuten, re-agiert der Brger irgendwo zwischenerleichtert und begeistert. Es muss ein

    ganz neues Gehl r Spitzenpoli-

    tiker sein, r das Eingestehen einesFehlers Applaus zu bekommen. DenPR-Experten, die jahrelang alles, wasihnen in die Hnde kam, au Hoch-glanz poliert haben (oder es zumin-dest versuchten), steht inzwischen ver-mutlich jede Nacht der Angstschweiau der Stirn. Aber vor dem Hinter-grund, dass heute sowieso jede kleineLge irgendwann herauskommt, soll-ten auch sie sich umorientieren undStrategien entwickeln, wie man dasEchte richtig kommuniziert. Ein biss-chen mehr Wahrheit, nein, das wird

    uns nicht schaden. Im Gegenteil. Unddas gilt gerade dann, wenn sie auchunangenehm sein mag. Wir knnenalle gemeinsam daran wachsen.

    Christoph Giesa arbeitet fr einen

    groen Handelskonzern in Ham-

    burg. Zuvor war er unter anderem

    Landesvorsitzender der Jungen

    Liberalen Rheinland-Pfalz. Als Initiator der

    Brgerbewegung zur Untersttzung von

    Joachim Gauck als Bundesprsidentschafts-

    kandidat machte Christoph Giesa sichbundesweit einen Namen.

    gettyimages

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    Der Neue

    Am 19. Februar stellen CDU/CSU, FDP, SPD und Grnenach hetiger Kontroverse inder Regierungskoalition einengemeinsamen Kandidaten vor:Joachim Gauck. Spter prsen-tiert die Linke Beate Klarseld.Das Bundesprsidialamt gibtbekannt, dass Christian Wulden Ehrensold bekommt.

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    Angela Merkel hat sich durchgerungenund mit der Nominierung Gaucks eingutes Gescht gemacht. Ein anerkann-ter, politisch erahrener Kandidat, einezgige Entscheidung und auch derKoalitionsriede bleibt letztlich gewahrt.

    Das alles r den Preis, ihre rhereWahl entlich revidieren zu mssen.

    Obwohl Joachim Gauck kein Partei-mitglied ist, hat er im Laue seines Le-bens viele Erahrungen in der Politikgesammelt. Zum einen gehrte er amEnde der DDR der Brgerrechtsbewe-gung an, zum anderen leitete er die so-genannte Gauck-Behrde. Als Bundes-prsident wird er viel politischer agie-ren als beispielsweise Horst Khler.Gleichzeitig wird er die Krat der Redeeinsetzen. Er ist ein Menschenfscher.Seine Eloquenz und pastorale Fhig-keit sind groe Strken, die er nutzenwird, um auch unbequeme Dinge aus-zusprechen. Die reiheitliche Gesell-schat zu thematisieren, drte einerseiner Schwerpunkte werden.

    Ein gewagterSchachzug vonRsler, der Uniondie Pistole au dieBrust zu setzen

    Ungewhnlich waren die Umstn-de der Nominierung. Die FDP hat esals kleiner Koalitionspartner gewagt,der Union die Pistole au die Brust zu

    setzen. Das wird der geschundenenFDP psychologisch gut tun. Zu hu-fg hat sie vor Merkel gekuscht. Ande-rerseits hngt ihr berleben am sei-denen Faden, sodass sie jede Proflie-rungsmglichkeit braucht. Es wirdsich zeigen, was dieser Schachzug rden langristigen Zusammenhalt derKoalition bedeutet. Angela Merkel hatjedenalls ein gutes Gedchtnis. We-gen der Schwche ihres Koalitions-partners wird sie bei der nchsten

    Bundestagswahl ohnehin von eineranderen Konstellation ausgehen.Dass Merkel mit ihrer Entschei-

    dung r Joachim Gauck so geha-

    Der richtige Mann

    dert hat, ist reilich darin begrndet,dass sie ihre eigene Entscheidung beider letzten Wahl revidieren musste.Au der anderen Seite kann sie sehrschnell Positionen verndern, wie wiram Beispiel der Kernenergie oder Min-destlhne gesehen haben. So wird esnun auch in diesem Fall gewesen sein.

    Mit Joachim Gauck steht nun je-denalls ein Kandidat bereit, der rdas Amt geeignet ist. Daran ndernauch die parteipolitischen Spielchenim Hintergrund nichts. Nachvoll-ziehbar ist nach dem Medienrummelder vergangenen Wochen auch, dasspotenzielle Kandidaten wie NorbertLammert oder Andreas Vokuhle kei-ne Lust au das Amt hatten. Zudemmussten sie davon ausgehen, dass

    das Rennen gegen sie bereits gelau-en ist. Insoern ist die Kandidatensu-che nicht unbedingt glcklich verlau-en, denn so sehr ich Joachim Gauckschtze, so war es doch eine verrhteKandidateneinengung durch Grneund SPD. Auch Klaus Tper hat audiese Weise jede Chance verloren.

    Gerd Langguth ist Honorarprofes-

    sor fr Politische Wissenschaft in

    Bonn. Der frhere RCDS-Vorsit-

    zende und CDU-Bundestagsabge-

    ordnete ist auerdem als Publizist ttig und

    hat Biograen ber Angela Merkel und Horst

    Khler vorgelegt. Foto: Regani

    Gerd Langguth

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    Beate Klarseldsoll es also richten:

    Die Nazi-Jgerinwird r die Linkeals Bundesprsi-dentin kandidieren.Fr die lange alsNestbeschmutzerin

    beschimpte Klars-eld ein Momentder Genugtuung.

    Persona grataDrei Wochen Aumerksamkeit sind

    ihr sicher. Respektbekundungen, bei-lliges Nicken und lobende Worteeingeschlossen. Eine Selbstverstnd-lichkeit r eine Frau, die das hchs-te Amt anstrebt, das dieses Land zuvergeben hat. Da strt es auch wenig,dass ihre Niederlage bereits eststand,bevor sie die Linkspartei berhaupt nach einem unwrdigen internenHickhack gegen Joachim Gauckins Rennen schickte. Beate Klarseldwei natrlich, dass sie als Kandida-tin chancenlos ist. Doch das drte dieenergische Schnellsprecherin, die nurselten Lut zu holen braucht, kaumstren.

    Welch eineGenugtuung

    Klarseld ist es gewohnt, zu kmp-en. Zum Beispiel gegen Nazis, diedeutsche entlichkeit oder jngstdie Bahn. Selbst, wenn die Erolgs-aussichten noch so gering sein m-gen. Also hlt sich die 73-Jhrige ge-ehrt und geschmeichelt. Sie, die ewigeAnwrterin r ein Bundesverdienst-kreuz, soll sich um das Amt des Bun-desprsidenten bewerben welch eineGenugtuung. Auch deshalb wird vonihr in den kommenden Tagen undWochen einiges zu hren sein. Man-

    ches davon knnte Gysis Genossenziemliches Kopzerbrechen bereiten.Dass sie sich keineswegs als Anti-Gauck verstehe, drte einigen Lin-ken bereits ziemlich bel augestoensein und ihnen deutlich gemacht ha-ben: Sie haben es mit einer Unbeque-men zu tun.

    Klarseld wiederum wird schonbald erahren, von wem sie da no-miniert wurde. Von einer Partei, diesich einerseits gerne antiaschistisch

    gibt, andererseits aber auch Mitglie-der in ihren Reihen hat, die Sympa-thie r einen Schlchter wie SyriensAssad oder Hamas-Terroristen bekun-

    Christian Bhme

    gettyimages

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    den. Von einer Partei, die sich berdie Beobachtung durch den Veras-sungsschutz auregt, jedoch gleich-zeitig Gruppierungen beherbergt, diedem deutschen Staat den Kamp ange-sagt haben. Von einer Partei, die laut

    Solidaritt rut, aber in Teilen im-mer wieder Israels Existenz inrage

    stellt. Belanglosigkeiten? Wohl kaumr eine Frau wie Beate Klarseld, diemit einem politisch engagierten Ju-den verheiratet ist, ihr Leben langNazis gejagt hat und gerne die Deut-sche Bahn daran erinnert, dass sie ander Deportation von 11.000 jdischenKindern aus Frankreich tatkrtig be-teiligt war.

    berhaupt, das Dritte Reich unddie Schoa, sie haben Klarselds Lebenund Handeln bestimmt. Am 13. Feb-ruar 1939 als Beate Auguste Knzelin Berlin geboren, zieht sie gut zwan-zig Jahre spter nach Paris. Dort lerntdie an einer Handelsschule ausgebil-dete junge Sekretrin ihren spterenMann Serge kennen, dessen Vater inAuschwitz ermordet wurde. Von ihmwar ich augeklrt worden ber diedeutsche Vergangenheit, sagte Klars-eld einmal in einem Interview.

    Au Nazi-JagdUnd Serge ist derjenige, der sie An-ang der sechziger Jahre politisiert.Gemeinsam beginnen sie, Nazis au-zuspren und zu entlarven, die ent-weder untergetaucht waren oder un-behelligt ihre Pensionen genossen.Eine Lebensaugabe. Das Ehepaarversucht, den berchtigten SS-MannKurt Lischka zu enthren. Sie tra-

    gen entscheidend dazu bei, dass KlausBarbie als ehemaliger Gestapo-Chevon Lyon vor Gericht kommt. Und dieKlarselds spren den Eichmann-Mit-arbeiter Alois Brunner in Syrien au.Seitdem gelten die beiden weltweit als

    die Nazijger. Doch au einen Schlagberhmt machte Beate Klarseld eineOhreige. Der von ihr Getroene warBundeskanzler Kurt Georg Kiesinger.

    Am 7. November 1968 besteigt einejunge Frau beim CDU-Parteitag inBerlin das Podium, rut Nazi, Naziund schlgt dem Regierungsche ins

    Gesicht. Keine spontane Aktion, son-dern ein lange geplanter Protest gegenden verlogenen Umgang mit der brau-nen Vergangenheit. Ich habe nichtstudiert, ich bin eine einache Brge-rin. Aber eines Tages habe ich gehlt,dass ich dies r Deutschland und umdie Ehre Deutschlands zu retten, tunmsste, erklrte Beate Klarseld sp-ter im Ohreigen-Prozess.

    Dieses Deutschland zeigte sich al-lerdings undankbar. In der Bundes-republik gilt sie vielen bis heute alsNestbeschmutzerin, als unerwnsch-te Person, als Strenried. Und mit ih-rem kompromisslosen Eintreten rdas Existenzrecht Israels hat sie sichweitere Feinde gemacht. Auch unterden Linken. Einige unreundliche E-Mails von Anhngern der Partei sollsie bereits erhalten haben. EinmtigeUntersttzung r die eigene Kandi-datin sieht anders aus.

    Vielleicht erhlt sie ja in den kom-menden Wochen und dann am 18.Mrz Zuspruch von anderer Seite.Schlielich gibt es auch in den Rei-hen der Sozialdemokraten und Gr-nen Vorbehalte gegen den kntigen

    Konsens-Bundesprsidenten na-mens Gauck. Da knnte der eine oderandere womglich seine Stimme derin Paris lebenden resoluten Dame ge-ben. Und Beate Klarseld wrde dieseArt Aumerksamkeit sicherlich erreu-

    en. Sie ist ihr lange versagt geblieben.

    Christian Bhme war acht Jahre

    lang beim Tagesspiegel, unter

    anderem als Chef vom Dienst

    und Leiter des Politikressorts.

    Anschlieend wurde er Chefredakteur der

    Jdischen Allgemeinen, die er erfolgreich

    aus der Krise fhrte.

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  • 8/2/2019 The European Prsidentschaftswahl 2012

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    Wir mssen WalterScheel den Ehren-sold aberkennen.30 Jahre lang soviel Geld abzukas-sieren, ist un-

    moralisch. Oderworum geht esbei dem Streit umden Ehrensold vonChristian Wul?

    Scheeler

    BeigeschmackDie Diskussion um den Ehrensoldtrit meine Argumentation, dasswir in unserer skularen Demokra-tie dann doch au einen Schuss Meta-physik nicht verzichten mchten. Alsoder Begri der Ehre. Das erinnert anSchlachtelder, Duelle, Rituale in Bur-schenschaten. Oder jemand wird zur

    Ehre der Altre erhoben, also heilig-gesprochen. Dieser Begri also nunim politischen Diskurs im Deutsch-land des 21. Jahrhunderts. Ziemlichdeplatziert.

    Als Karl Theodor zu Guttenbergsich im Bundestag zu seiner Disserta-tion uern musste, kommentierte ei-ner der Parlamentarier, dass der Adelrher ja gewusst habe, was in einersolchen Situation zu tun sei. Der Par-lamentarier, Dietmar Bartsch von derLinkspartei, spielte au die durch dasPlagiat vermeintlich verlorene Ehredes Freiherrn an. Einer solchen Pein-lichkeit knne eigentlich nur der Sturzins eigene Schwert olgen. Ebenso de-platziert.

    Zwei Bundespr-

    sidenten an dieAnsprche dernziger Jahreverloren

    Nun ist der Terminus technicus Eh-rensold keiner, der r die CausaWul speziell entwickelt worden wre.

    Der Bundesprsident wird in den Ru-hestand verabschiedet mit der entspre-chenden Apanage. Wir erlauben unsau diese Weise eine Art Royal Family,

    die Riege der Bundesprsidenten, dier die Interessen des Landes durchdasselbe tourt, r ein bestimmtesAnliegen in der entlichkeit stehtund dar wirbt und auch nach demAusscheiden aus dem Amt als Identi-fkationsfgur gelten kann.

    Dieses ganze Modell ist berholt,was nicht an Christian Wul liegt,sondern an der Vorstellung, die wirvon der Person des Bundesprsiden-ten als Oberhaupt der Nation haben.Wir haben zwei Bundesprsidenten inFolge an die Ansprche der nzigerJahre des 20. Jahrhunderts verloren.Darber zu reektieren, was das runs Deutsche und das Amt heit, istsicher keine Zeitverschwendung.

    Ein Volk vonSozial-Neidern

    Warum wird der Begri der Ehre nunvon allen Seiten bemht, um Christi-an Wul das Ruhegeld streitig zu ma-chen? Hier geht es um die vollkomme-ne Demontage eines Mannes, der bis

    vor Kurzem noch au dem Zenit sei-ner Karriere stand. Den Mann vor denTrmmern seines Lebens zu sehen,reicht anscheinend nicht aus. Nunmuss er auch noch materiell zu Bodengetreten werden.

    Das verrt viel ber den mediokrenSinn der Deutschen, denn immerhinsind, laut Bild von heute, 84 Prozentder Bundesbrger gegen den Ehren-sold r Christian Wul. Die Deut-schen sind neidisch und bemerken

    in ihren Reihenhaussiedlungen sehrwohl, wer zwei Tage lnger Urlaubmacht als sie und wessen Auto nichtnur ein 320, sondern gar ein 320i ist.

    Alexander Grlach

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  • 8/2/2019 The European Prsidentschaftswahl 2012

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    Der Sozialneid ist so stark ausgeprgt,dass jahrzehntelang alles in die mate-rielle Mitte strebte und ein Konorm-sein um jeden Preis in dieser Gruppe,der Mittelschicht, raison dtre war.

    Walter Scheel sollau seinen Ehren-sold verzichten

    Voll Misstrauen beugen sie den Au-

    stieg der Anderen in ihrer Gruppe, diedurch die Mittelmigkeit aueinan-der verwiesen bleibt. Christian Wulwird im Moment im Getriebe diesesdeutschen Mechanismus zerrieben.Dass ein ehemaliger Bundesprsident,der bereits 30 Jahre lang die Bez-ge der Ehre genossen hat, mit drau-schlgt und ex cathedra verlangt, derPnitent Wul mge au seinen Eh-rensold verzichten, macht ihn zum

    traurigsten Vertreter der hier be-schriebenen Geisteshaltung.

    Kann man wirklich, wenn man denvon den Wul-Kritikern postuliertenEhrbegri anhrt, so viel wertschp-end r sein Land tun, dass einemdie Zahlung von 200.000 Euro zu-steht? Oder sollte man aus Grndender Ehre nach zehn Jahren nicht audie Hlte verzichten und nach zwan-zig au alles?

    Die Akklamation

    des Mobs ist nichtausschlaggebend

    Die Formalia r den Ehrensold, nen-nen wir es weniger pathetisch das Ru-hegeld, sind im Falle Christian Wulserllt. Das hat das Bundesprsidi-alamt entschieden. Es geht bei die-sem Verahren um die Anwendung

    von Regeln und nicht um ein aekt-geladenes Lynch-Empfnden der Mas-se. Sollte der Bundesprsident verur-teilt werden, auch das wird im Rechts-staat nicht durch die Akklamation desMobs estgestellt, sondern durch einordentliches Gerichtsverahren ent-schieden, wird er diesen Ehrensoldverlieren. Weil es die Regeln so wollen.

    Der Begri der Ehre im Sold ist dieWurzel des bels der aktuellen Dis-kussion. Ob man Ehre hat oder nicht,ist keine Frage, die ber fnanzielleBezge bestimm- oder rckkoppelbar

    ist.

    Alexander Grlach ist

    Herausgeber und Chefredakteur

    von The European. Zuvor war

    der promovierte Theologe und

    Germanist Online-Redaktionsleiter des

    Magazins Cicero. Foto: Lars Mensel

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  • 8/2/2019 The European Prsidentschaftswahl 2012

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    Der Rcktritt

    Am 17. Februar 2012 trittBundesprsident Wul vor diePresse und verkndet seinenRcktritt. Er war nicht einmal600 Tage im Amt.

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  • 8/2/2019 The European Prsidentschaftswahl 2012

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    Angela Merkel hat bislang nicht an Beliebtheit verloren. Einkleines Wunder. Doch jetzt muss die Kanzlerin aupassen,denn mit Wul ist schon ihr zweiter Bellevue-Favorit geallen.

    Es gibt politische Rhetorik, die so zu-rckhaltend ist, dass sie schon wie-der aullt. Am Freitag, dem Tagdes Rcktritts von BundesprsidentChristian Wul, war dies im BerlinerRegierungsviertel berall zu beobach-ten. Vorsichtig uerten sich Kanz-lerin und Opposition ber die Nach-olge Wuls. Man war sich einig, esbraucht einen berparteilichen Kan-didaten. Keine politische Attacken.berall war die Suche nach einemKompromiss hlbar.

    Dieser Konsens hat verschiedeneUrsachen. Eine davon lautet: Der FallWul hat alle Beteiligten ermattet. Inber zwei Monaten mit ast tglichneuen Anschuldigungen hat die Bun-desrepublik eine politische Are er-lebt, die es so noch nicht gab. Die Me-chanismen von Aren, in denen alsillegitim eingestutes Verhalten zu po-litischen Konsequenzen hrt, schie-

    nen nicht mehr zu gelten. Was auchimmer ber Christian Wul ans Lichtkam es blieb scheinbar olgenlos.Scheinbar.

    Die politischeKultur ist dergroe Verlierer

    Denn in dieser Are ist die politi-sche Kultur in Deutschland der groeVerlierer. Welcher Amtsinhaber auchimmer in Zukunt politisch illegitim

    An der

    Klippe

    handelt, kann au den Fall ChristianWul verweisen. Au eine Are, inder erst die Staatsanwaltschat mit derDurchsuchung der Dienstzimmer desBundesprsidenten drohen musste,bis dieser endlich Konsequenzen ge-zogen hat.

    Es bleibt auch mit dem RcktrittWuls ein schales Bild in der ent-lichkeit. Besonders bei denen im Volk,die sich nur am Rande r Politik in-teressieren. Es bleibt das Bild der Po-litiker-Kaste, die sich bereichert ohneSkrupel. Mit Akteuren, die keine Kon-sequenzen ziehen, bei denen kleineoder groe Gelligkeiten zur Norma-litt gehren. Deutschland ist durchdie Are Wul noch ein bisschenpolitikverdrossener geworden. Das istvielleicht das Nachhaltigste der Prsi-dentschat von Christian Wul.

    Diesen Schaden teilen alle etablier-ten Parteien. Deshalb ist zurckhal-

    tende Rhetorik, die Suche nach einemgemeinsamen Kandidaten die einzigeMglichkeit. Eine Allparteienkoaliti-on muss nun die Scherben eines Pr-sidenten wegegen, der jedes Gesprr Verantwortung verloren hat. Derin der Krise bewiesen hat, dass er zuklein r sein Amt war.

    Es ist die einzige Chance von Kanz-lerin Merkel, zu verhindern, dass dieWul-Are noch mehr zu ihrer per-snlichen Krise wird. Mit Wul ist

    zum zweiten Mal in der Geschichteder Bundesrepublik das Staatsober-haupt zurckgetreten. Beide Rck-tritte allen in die Zeit der schwarz-

    Gordon Repinski

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  • 8/2/2019 The European Prsidentschaftswahl 2012

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    gelben Regierung. Beide Kandidatensind von Merkel erwhlt.

    Noch ist dieKanzlerin beliebt

    Merkels Beliebtheit im Volk berhrtdas bisher nicht. Das ist ein kleinesWunder. Aber das ist kein Zustand,der immer so bleiben muss, und Mer-kel ist zu klug, um das nicht zu wis-sen. Noch eine alsche Wahl, noch ein

    Konikt um den Kandidaten, nocheinmal ein dritter Wahlgang eineKleinigkeit knnte nun schon schd-lich r die Kanzlerin werden.

    Denn mit Wul ist auch derjeni-ge gegangen, der mit seinem letztenSchritt, mit dem Rcktritt, Verantwor-tung bernehmen konnte r das, was

    er verbockt hat. Das hat er nun getan.Jetzt steht Merkel alleine da, jetzt istsie verletzlich. Deswegen muss sie denberparteilichen Kandidaten fnden.Sie muss sich selbst damit schtzen.Gelingt das, ist das Zeichen r diegroe Koalition gesetzt. Dann hat Mer-kel beste Chancen, in hnlicher Koali-tion 2013 wieder Kanzlerin zu werden.

    Findet sie den richtigen Kandida-ten nicht, kann sich auch die ra Mer-kel schneller dem Ende nhern, als esheute vorstellbar scheint.

    Gordon Repinski ist seit 2009

    Parlamentskorrespondent der

    taz. Er schrieb unter anderem

    fr den Spiegel, Spiegel

    Online und Die Zeit und gehrt zu den

    Otto-Brenner-Preistrgern 2010. Zuvor

    arbeitete er als Entwicklungshelfer in

    Afrika und Asien.

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  • 8/2/2019 The European Prsidentschaftswahl 2012

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    Au Schloss Bellevue ist eine Stelle vakant.Christian Wul musste sich am Ende geschlagengeben, er war dem Amt nicht gewachsen. RichardSchtze klopte die Kandidaten r uns ab.

    Nun ist das langsame Sterben desChristian Wul zu einem Ende ge-kommen; wie ein sterbender Schwansank und wurde er niedergerungen.Sichtlich mitgenommen, angespanntund mit brchiger Stimme, doch in-nerlich geasst und trotzig die Medienanklagend, erklrte der Bundesprsi-dent am Freitag den Rcktritt von sei-nem Amt. Aus der Traum von einemprsidialen Leben im Spannungseldzwischen kluger Wegweisung und ge-wichtiger Reprsentation, parkettsi-cherer Eleganz und brgernaher Jovi-

    alitt. Doch mit den Clowns kamendie Trnen knnte in Abwandlungeines Romantitels von Johannes Ma-rio Simmel das traurige Resmee desWulschen Wegs ins Verderben ber-schrieben sein.

    Denn schon lange vor seinem Ein-zug ins Bellevue war der Prsident o-enbar einem Hang zu einer zunchstr das Publikum und schlussendlichauch r ihn unertrglichen Leichtig-keit des Seins (so ein Romantitel von

    Milan Kundera) erlegen. Wo Altprsi-dent Khler noch als Bundes-Horsteher drge und ast spieig daherkam,versuchte Wul beschwingt wie in

    Deutschland

    sucht denSuper-Wul Richard Schtze

    Roman Polanskis Tanz der Vampirevoll lutigem Leichtsinn und zu einemverdammt hohen Preis in der Welt derReichen und Schnen dabei zu sein.

    Das Kandidaten-Casting lut an

    Auch zu Karnevalszeiten muss einKandidaten-Casting r das SchlossBellevue aber von hinreichendemErnst geprgt sein. BundeskanzlerinAngela Merkel und SPD-Che SigmarGabriel wollen sich zusammenrau-

    en. Denn keines der politischen La-ger vergt ber eine sichere Mehr-heit in der Bundesversammlung; dieRegierungskoalition bringt allenalls

    noch eine wackelige Mehrheit von vierStimmen zustande. Alles hngt nundavon ab, dass ein Kandidat geun-den wird, der dem Amt wieder seineWrde, Seriositt und Gravitt verleiht und obendrein au breite Akzeptanzim Volk stt.

    Joachim Gauck,der Aurechte

    Bei der Kandidatenkr ragt der

    ehemalige Brgerrechtler wie einedeutsche Eiche heraus. Der aurech-te, zuweilen aber auch unduldsameJoachim Gauck htte es sich nachVolkes Willen redlich verdient, Prsi-dent zu werden. Auch verkrpert erein r Angela Merkel bedeutsamesIdeal, das sie hin und wieder und rihre Verhltnisse euphorisch besingt:die Freiheit. Wenn Gauck mit sonor-emotionalem Timbre das Wort Frei-heit ausspricht, dann provoziert dies

    eine Gnsehaut wie der Klang des le-gendren Lieds von Marius Mller-Westernhagen. Gauck ist die Inkorpo-ration der Einheit in Freiheit, er ist

    Eichental / Fotomontage

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  • 8/2/2019 The European Prsidentschaftswahl 2012

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    auch ein wenig ein pastoral gebildeterRichard von Weizscker, ein gerisse-ner Genschman und ein prinzipien-treuer Helmut Kohl in einer Person.Zu seiner prounden Bildung kommteine wohltuend unaugeregte, aber zu-weilen auch eitel ehrgeizige Seniori-tt hinzu. Dabei verstrmt Gauck das

    Charisma eines glaubhat wirkendenHumanisten. Allerdings war er als Ge-genkandidat zu Wul der Mann vonSPD und Bndnisgrnen, der Kanzle-rin Merkel mit ihrer Entscheidung rWul als blanke Machtpolitikerin er-scheinen lie. Merkel msste bei derNominierung von Gauck ber einenrecht groen Schatten springen. An-dererseits wrde sie damit die Links-partei als unverbesserlichen Altkader-verein vorhren und den gewietenGregor Gysi rgern knnen. Zugleichwre eine Wahl von Gauck aber r dieFDP das Signal, dass die schwarz-gel-be Koalition sptestens nach den Bun-destagswahlen 2013 zu Ende geht. DieChancen r Gauck sind daher aber-mals eher gering; er ist der Auensei-ter im Rennen um die Prsidentschat.

    Wolgang Schuble,

    der unnachgiebigePreue

    Fr den schwbischen Preuenwre es die Krnung seiner politi-schen Laubahn, die mit immensenSchmerzen verbunden ist. Das At-tentat im Oktober 1990 esselte densportlichen Unterhndler der deut-schen Einheit an den Rollstuhl. Alt-

    kanzler Kohl verhinderte dann eigen-willig den Einzug seines vermeintli-chen Kronprinzen vor der verlorenenBundestagswahl 1998 ins Kanzleramt.Die damalige Generalsekretrin Mer-kel schob im Jahr 2000 ihren Partei-und Fraktionsche Schuble mit Hiledes noch immer einussreichen Kohldann wegen einer bis heute nicht au-geklrten Spendenare ins Abseits.Doch Schuble rackerte unverdrossenweiter und diente ihr anschlieend,

    unnachgiebig gegen sich und andere,von 2005 bis zum heutigen Tag als In-nen- und Finanzminister. Neben Ur-sula von der Leyen ist er eine tragen-

    de Sule im Kabinett. Zweimal schonwar das Prsidialamt r ihn zumGreien nah; einmal verweigerte sichdie FDP und Khler wurde installiert,dann kam ihm Wul zuvor. Sein An-sehen ist weit ber die Parteigrenzenhinweg immens; dass der griechischePrsident ihn in diesen Tagen un-

    qualifziert attackierte, diskreditiertden Angreier und verschat Schub-le zustzlichen Respekt. Ob SPD undBndnisgrne ihn auch wegen seinesrden Umgangs mit Untergebenenwie seinem ehemaligen Sprecher Mi-chael Oer akzeptieren mgen, stehtdahin. Manche mgen auch zweieln,ob der bald Siebzigjhrige eine n-jhrige Amtszeit noch gesundheitlichdurchstehen kann. So stehen Schub-les Chancen bei 50 : 50.

    Ursula von derLeyen, die diszipli-nierte Politmana-gerin

    Bei der letzten Wahl vorzeitig zurFavoritin ausgeruen, stand die smar-te und blitzgescheite Mutter von sie-ben Kindern dann am Ende des Cas-tings dpiert da. Sollte Schuble Pr-sident werden, wre die stets diszipli-niert und sortiert autretende Minis-terin neben Thomas de Maizire eineerste Wahl r das in Zeiten der Staats-schulden- und Eurokrise gewichtigeFinanzministerium. Der mehrspra-chigen Dressurreiterin wird zugetraut,bei den anstehenden Verhandlungen

    zur Bildung der europischen Fiskal-union ber die ntige Gewandtheitund Hrte zu vergen. Am Ende desTages knnte sie sogar r die Nach-olge von Kanzlerin Merkel selbst inBetracht kommen. Ihre Chancen alsNacholgerin von Christian Wul sinddaher eher gering.

    Klaus Tper, der

    Elder StatesmanBundesumweltminister a.D. Klaus

    Tper htte die Karos rs Prsiden-

    tenamt. In der Stdtebaupolitik, alsBeautragter der Regierung Kohl rden Bonn-Berlin-Umzug, aber auchals Direktor des Umweltprogrammsder Vereinten Nationen, als Bundes-umweltminister und als Leiter derEthikkommission bei der Atomwendeim vergangenen Jahr vergt der ka-

    tholische Volkswirt auch internationalber ein groes Prestige. Seine Chan-cen, ins Bellevue einzuziehen, sindrecht gut.

    Glaubwrdigkeitbesitzen und Ver-trauen ausstrahlen

    Weitere Persnlichkeiten wie Ver-teidigungsminister Thomas de Mai-zire, die Vizeprsidentin des Bun-destages Katrin Gring-Eckardt oderder Prsident des Bundesverassungs-gerichts Andreas Vokuhle stehenin Reserve und kommen als wenigerprominente, aber akzeptable Kom-promisskandidaten in Frage. Au je-den Fall soll nun eine unabhngig er-scheinende und skandalreie Persn-lichkeit, die Glaubwrdigkeit besitzt,Vertrauen ausstrahlt und die entstan-denen Wunden heilen und die Wrdedes Amtes wieder herstellen kann, insBellevue einziehen. Das wnschensich alle.

    Richard Schtze ist Geschfts-

    fhrer der Berliner Politik- und

    Kommunikationsberatung Richard

    Schtze Consult. Der Rechtsan-

    walt hat sich in zahlreichen Publikationen

    und Medien als Autor und Interviewgast mit

    dem Image von Politikern beschftigt.

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  • 8/2/2019 The European Prsidentschaftswahl 2012

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    Nach oben gehorchen, nach links treten:Ein Bundesprsident Gauck wre so deutsch,dass es schon jetzt zum Frchten ist.

    Die linke und

    die rechte Handdes Teuels

    Es war der groe Verdienst, halt: dasgroe Verdienst des uncharmantenHannoveraner Abgreiers, das Vater-land vor dem antikommunistischenSchleimer Gauck bewahrt zu haben,und der Herrgott mge es sich ver-kneien, uns einen seiner verdorbens-ten Adoranten im zweiten Anlau vordie staatsbrgerliche Nase zu set-zen, nicht nur den in jngerer Ver-gangenheit raglos gewachsenen Un-terhaltungswert des Amtes nachhal-tig (Chr. Wul) zu beschdigen, son-dern auch die rohe Botschat reiheit-lich-christlicher, gegen jede Form vonaltbser Gleichmacherei gerichteter

    Marktwirtschat ex cathedra untersgeneigte Volk zu blasen.

    Die geballte Krataus Brgerrechtund Kirchentag

    So egal kann einem die viel be-schworene Wrde des Amtes gar nicht

    sein (eines Amtes, das so wrdevollnicht sein kann, wenn es, mit Aus-nahme Gustav Heinemanns, abwech-selnd von Nazis, Frmmlern oder

    Clowns bekleidet worden ist), um sichnicht trotzdem zu rchten vor der ge-ballten Krat aus Brgerrecht und Kir-chentag: In der Liebe zu einem Men-schen, zumal einem Kind, zu einemWerk, zu Gott, der Kunst, der Natur,einer Arbeit, einem groen Stil ent-steht eine ulminante Geneigtheit zuetwas auer mir selbst. Wer Freiheitals Verantwortung lebt, kommt letzt-lich bei den besten und tiesten Poten-zen an, die in uns angelegt sind. BeiKmanns Margot und ihrem gleich-wie menopausalen Lebenshilegegar-gel ist es noch absichtsloses Kabarett,bei Gaucks ulminanter Geneigtheit

    zur Verantwortung als Freiheit (mankann es drehn und wenden, es ist im-mer derselbe Dreck) die Verlngerungdes von allen Fernseh- und Liestyle-parrern in Richtung Hrzu moder-nisierten Kanzeltons ins ulminante,sich an sich selbst schon sehr besau-ende Arschgerede, dem Freiheit im-mer die Freiheit des BDI, mindestensaber die zum eigenen Fernsehautrittist.

    Manchmal bellt mich ein Alb-

    traum: wir alle, die wir r Freiheitund Demokratie austanden, verg-en unsere Siege, unsere Vollmacht,die groen Niederlagen der groen

    Stean Grtner

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  • 8/2/2019 The European Prsidentschaftswahl 2012

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    Unterdrcker, derselben groen Un-terdrcker, die Joachim Gauck, ge-gen ihre berzeugung, Religion seiVolksverdummung, Theologie studie-ren lieen, whrend im reiheitlich-demokratischen Westen ein kommu-nistischer Brietrger Berusverbotbekam. Solchem Albtraum wehre ichmit zweierlei: mit oenen Augen, diedie Siege der Menschen ber ihre Un-terdrcker in der Geschichte suchen,und mit geschlossenen Augen, die dieHonung herbeiruen, jene tiee zu-mal, die nie nachgelassen hat, nach

    Freiheit zu ruen.Es ist schwer, vor dieser um ge-sellschatliche Wirklichkeit ganz un-bekmmerten, sich rcksichtslos an-biedernden, das eigene Kriegserleb-nis im Kamp gegen Stasi und Aktu-elle Kamera eitel ausschlachtendenSalbungsvllerei nicht das Brechenzu kriegen. Freiheit, Honung: Dassjene, verstanden im Sinne Gaucks,diese ganz unmglich macht, ist eineWahrheit, die nicht zu sehen sich ent-

    weder materiellem Interesse oder gtt-

    lichem Autrag verdankt, und derGauck hat beides reichlich. Ihr, derHonung bzw. der Freiheit, ist auchwurscht, traue ich noch viel zu. Ge-nau wie den Menschen, die ihr ange-hren und jener gttlichen Krat, diesie in unsere ngstlichen Herzen ge-geben hat.

    Gauck ist rdie Stimmung da,nicht rs Catering

    Die Frage, wo die Angst in unse-ren Herzen herkommt, z.B. die, viaHartz und Minilohn von allem au-er sich selbst abgeschnitten zu sein,muss Gauck dabei nicht interessieren;er ist r die Stimmung da, nicht rsCatering, und auerdem gilt: Hil dirselbst, dann hilt dir Gott.

    Wrde Gauck Prsident, wre die-sem Land aber wirklich nicht mehr zu

    helen.

    Stefan Grtner war zehn Jahre

    lang Redakteur beim Satirema-

    gazin Titanic. Seine Bcher sind

    im Rowohlt und Atrium Verlag

    erschienen, zuletzt Deutschlandmeise.

    Streifzge durch ein wahnsinniges Land.

    Seit 2010 ist der Satiriker und Autor Kolum -

    nist bei The European.

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  • 8/2/2019 The European Prsidentschaftswahl 2012

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    Der Fall

    Am 13. Dezember 2011 berich-tet die Bild ber ChristianWuls umstrittenen Haus-kredit. Zwei Tage spter mel-det sich der Bundesprsidentzum ersten Mal zu Wort undbedauert, dass es zu Missver-stndnissen gekommen sei.

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  • 8/2/2019 The European Prsidentschaftswahl 2012

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    Unser Problemist nicht dasFehlverhalten desBundesprsiden-ten sondern einSystem aus Schat-

    tennetzwerken,in dem politischeSeilschaten undfnanzstarkeUntersttzer mehrzhlen als das

    Allgemeinwohl.

    Die neue

    politischeGeschenk-

    konomieIm Streit um Christian Wul domi-nieren bislang die persnliche und dieamtsorientierte Perspektive. In denHintergrund geraten ist dagegen dieBedeutung des engmaschigen Bezie-hungsnetzwerks, das den Bundespr-sidenten seit seiner Zeit als nieder-schsischer Landespolitiker umgibt.

    Auch unabhngig von weiterenEnthllungen entsteht der Eindruckeines Musters, das in hnlicher Formauch anderswo in der Republik exis-tieren kann. Zu ragen ist dabei, obsolche Netzwerke zwischen Politik,Wirtschat, Medien und Society sys-tembedingt entstehen und Politikerqua Amt darin eingebunden werden.

    Mit Netzwerk unddoppeltem Boden

    Einen Einstieg in den niedersch-sischen Fall ermglicht die Kampa-gnenbeihile des Finanzunterneh-mers Carsten Maschmeyer in Formvon Verlagswerbung r Wul imLandtagswahlkamp 2007. Diese Pra-xis einer personenunabhngigen

    Untersttzung entspricht ziemlich ge-nau den independent expenditures,die im Rahmen des anstehenden US-Wahlkamps r unlimitierte Geld-

    sse in Richtung der Kandidaturensorgen werden. An dieser Stelle gilt es,ber den Tellerrand der Wul-Arehinauszublicken.

    In den USA ist die Suche nach im-mer neuen Schlupchern, die einelegale Beteiligung an kandidaten-oder themenorientierten Kampagnenermglichen, zum Standard gewor-den. Dabei werden gesetzliche Regelnzur Politik- und Wahlkampnanzie-rung absichtsvoll umgangen undgenau dies ist zu einem zentralen An-satzpunkt r eine Fundamentalkri-tik am gesamten politischen Systemgeworden. Ein Worthrer dieser Str-mung ist der Jurist Lawrence Lessig,der in seinem aktuellen Buch Repu-

    blic, Lost die sukzessive Unterwande-rung der Politik durch eng geochte-ne Beziehungsnetzwerke beschreibt.Dabei geraten gewhlte Reprsentan-ten immer hufger in komplexe Ab-hngigkeitsverhltnisse, die nichtetwa durch kriminelle Bestechungentstehen, sondern durch den allmh-lichen Umbau des Machtzentrums inWashington zu einer nur noch schwerdurchschaubaren Geschenkkonomie.

    In den USA hat sich dieses Szena-

    rio zur Standardsituation politischerEinussnahme entwickelt. Lessigspricht dabei oen von einer neuenForm der Korruption: Korrupt sind

    Christoph Bieber

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    nicht mehr die Personen, korrupt istdie Institution. Der Grund dar sindEinussstrukturen, die au Einzelper-sonen innerhalb der Institution wir-ken und sie vom ursprnglich beab-sichtigten Einuss ablenken. Nichtmehr das Volk ist Bezugspunkt derPolitiker, sondern diejenigen, die r

    ein reibungsloses Funktionieren derpolitischen Maschinerie sorgen: Spen-der und Finanziers. Das ur-amerika-nische We, the people wird ersetztdurch We, the unders das ist dieverlorene Republik aus dem Buchtitel.

    Wir, die Geldgeber

    Von einer solchen Situation istDeutschland sicher noch weit enternt die Aulligkeiten im Politikbetriebhaben zuletzt allerdings derart zuge-nommen, dass es an der Zeit ist, syste-matisch nach Mustern zu suchen, dieau die Entstehung von eng geoch-tenen Beziehungsnetzwerken in denKernbereichen politischer Macht hin-deuten. Neben den Fllen materiellerVorteilsnahme oder Begnstigung ge-raten dabei insbesondere die Karrie-reverlue von Politikern in den Blick,die nach Abschluss ihrer politischenLaubahn immer hufger in promi-nente Wirtschats- oder Verbandsm-ter wechseln. Die Are um Bundes-prsident Wul leistet augrund derFallhhe aus oberster Staatspositionin besonderer Weise Vorschub r dieweitere Auseinandersetzung mit sol-chen Betriebsgeheimnissen der Politik.

    Christoph Bieber ist Inhaber der

    Johann-Wilhelm-Welker-Stiftungs -

    professur fr Ethik in Politikma-

    nagement und Gesellschaft an der

    NRW School of Governance der Universitt

    Duisburg-Essen. Bieber forscht zu den The-

    men Ethik und Verantwortung in der Politik,

    Transparenz und ffentliche Kommunikation,

    Demokratie und Neue Medien.

    Foto: Universitt Duisburg

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    Bundesprsident Wul hat die moralische Rolleseines Amtes angenommen, jetzt muss er sie auchausllen. Auch wenn er rher bereits Integritt

    bewiesen hat, reicht dieses Mal keine Erklrung.Wul muss sich entschuldigen.

    Entschuldigen

    Sie bitte

    Am Rathaus von Ingolstadt steht derolgende Spruch: Was andere mei-nen auch zu meinen, ist nicht schwer./ Nur immer anders als die anderenmeinen, auch nicht sehr. / Weit Duaus eigener Krat, mit mutig stillemWagen / dort ehrlich ja, hier ehrlichnein zu sagen, / gleich ob Dich alle lo-ben oder keiner, / dann bist Du einer.

    Dieser Appell, aurichtig und mu-

    tig zu sein, war auch au der Home-page des niederschsischen CDU-Po-litikers Christian Wul zu lesen. Die-

    se Inschrit sei ihm Richtschnur, be-grndete er dies.

    Schatten au derweien Weste

    In der Tat gibt es in der politischenBiografe des heutigen Bundesprsi-

    denten einige Ereignisse, in denener mutig genug war, ehrlich nein zusagen, wohl wissend, dass er dar

    Andreas Rueda

    Hugo Mller-Vogg

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    nicht gelobt wurde jedenalls nichtvon den Parteireunden. So machte er1984 als niederschsischer JU-Vorsit-zender au dem Stuttgarter CDU-Par-teitag Front gegen den Plan der Regie-rung Kohl/Genscher, rechtswidrigePraktiken bei der Parteienfnanzie-rung per Amnestie zu heilen. Hel-

    mut Kohl war not amused.Auch in der Spendenare 1999 /

    2000 verurteilte Wul die schwar-zen Kassen und Kohls Schweigen un-ter Bezug au sein Ehrenwort hrterund unnachsichtiger als die anderen

    jungen Wilden in der Partei, nann-te das Verhalten des Ex-Kanzlers un-ehrenhat. Wul erwog sogar, ganzaus der Politik auszuscheiden, weiler nicht dabei sein wollte, wenn audiese Art und Weise Rechtsbruch ver-tuscht wrde. Bis heute hat der Altein Oggersheim ihm das nicht verzie-hen.

    Doch au die glnzende Rstungdes weien Ritters Wul sind lngstdunkle Schatten geallen. Mit der Kre-ditare werden auch die Erinnerun-gen an ein upgrade in die BusinessClass oder kostenlose Urlaube in no-blen Managervillen wieder wach. Dasist r einen Bundesprsidenten nochmisslicher als r einen Ministerpr-sidenten. Denn das Staatsoberhaupthat keine Macht. Er ist eher eine mo-ralische Instanz, ein weltlicher Ober-priester, wie es der Historiker Hans-Peter Schwarz einmal ormuliert hat.

    Nicht Wahrheit,nicht Lge

    Prsident Wul hat die Rolle dermoralischen Instanz angenommen.So hat er in diesem Jahr in zwei gro-en Reden vor Gewerkschatern und

    Bankern den hrenden Mnnernund Frauen ins Gewissen geredet:

    Wer zur Elite eines Landes gehrenwill, muss Vorbildunktion und auchVerantwortung bernehmen ohneWenn und Aber.

    Vor Nobelpreistrgern aus allerWelt wurde er noch deutlicher: Das

    Versagen von Eliten bedroht lang-ristig den Zusammenhalt in der Ge-meinschat, in der Gesellschat. Wersich zur Elite zhlt und Verantwor-tung trgt, dar sich eben auch nichtin eine eigene abgehobene Parallel-welt verabschieden.

    Der Bundesprsident gehrt zwei-ellos zu unserer Elite, ja er steht anihrer Spitze. In der Kreditare hater im juristischen Sinn nicht gelogen.Aber die volle Wahrheit hat er auchnicht gesagt. Und es war leider nichtdas erste Mal, dass er Wohltaten an-nahm, die er besser zurckgewiesenhtte.

    Jetzt muss der Bundesprsidentsich selber ragen, ob er seinen eige-nen Ansprchen in Bezug au Vor-bildunktion und Verantwortung ge-recht geworden ist. Eine umassendeErklrung der damaligen Vorgnge istnotwendig, reicht aber nicht. Notwen-dig ist eine Entschuldigung ohneWenn und Aber.

    Der Autor verentlichte 2007 eine

    Gesprchsbiografe ber Christian Wul

    mit dem Titel Besser die Wahrheit. DerTitel wurde au ausdrcklichen Wunsch

    Wuls so gewhlt.

    Hugo Mller-Vogg ist Autor meh-

    rerer Gesprchsbiograen, unter

    anderem ber Christian Wulff

    und Horst Khler. Er arbeitet als

    Kolumnist fr Bild sowie als Kommentator

    des Nachrichtensenders N24. Zuvor war er

    Wirtschaftsredakteur, USA-Korrespondent

    und Herausgeber der FAZ.

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    Wer nicht selberkocht, kann sichnicht aussuchen,wer serviert. Alsoberuen sich

    die Emprungs-Journalisten audie Bild-Zeitung.Emotionale Au-geregtheit ist aberbillig, die Recher-

    che hingegen teuer.Und wichtiger.

    Wiegen wir alle Zeitungsseiten,gellt mit moralischen Leitartikelnber die Causa Wul, kommen einpaar Zentner Emprung zusammen.Die Emprung war gerechtertigt,aber sie war auch wohleil. Recherchemacht Arbeit. Sie braucht gut ausge-stattete Redaktionen mit journalisti-schen Trelschweinen, die sich wo-chenlang aus der Tagesron des Zei-

    tungsmachens verabschieden knnen.Es reicht nicht, sich ein paar Doku-mente aus dem Netz au den Rechnerzu laden. Rechercheure mssen juris-tisch ft sein, sie mssen ber Jahregewachsene Verbindungen ausspielenknnen, sie mssen geschnte Zah-lenkolonnen enttarnen. Und sie brau-chen einen Verlag, dem die journa-listische Knigsklasse der Recherchenoch ein paar Euros wert ist. Da gibtes leider nicht mehr viele in Deutsch-

    land, beim Spiegel, bei Bild, beider SZ.Emprung dagegen ist wohleil. Sie

    kostet den Verleger nichts. Sie ist zwi-

    Emprung

    kostet nichts

    schen Kantinenbesuch und Redak-tionsschluss schnell niedergeschrie-ben, zumal andere leider die Kon-kurrenz die Are detailversessenund wasserdicht ausgebreitet haben.Journalismus hat sich mal wieder malals Meister des Copy-and-paste er-wiesen. Die einen recherchieren, dieanderen drucken das Recherchiertereihndig nach und geben als eige-

    ne Leistung den erhobenen Zeigefn-ger des Kommentators dazu. Sieht soArbeitsteilung im Journalismus aus?Skurril wird die Sache, wenn einigeBedenkentrger dabei sorgenvoll ihrKommentatorenhaupt wiegen, weiles ein Boulevardblatt ist noch dazu

    Bild , au das sie sich nun beruenmssen. Aber wer nicht selber kocht,kann sich nicht aussuchen, wer ser-viert.

    Bei Guttenberg war es nicht anders.

    Die investigative Recherche hattennetzane Laien bernommen, dieden Medien ihre Rechercheergebnis-se kostenrei berlieen. Danach pur-

    Ernst Elitz

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    zelten noch ein paar andere Doktor-hte. Aber nicht etwa, weil der Jour-nalismus au den Trichter gekommenwre, den sinistren politischen Ge-stalten selber au den Zahn zu hlen.Wer heute im Copy-and-paste-Verah-ren die Rechercheergebnisse anderernutzt, sollte beim nchsten Mal selber

    lieern, aber bitte Substanz und nichtnur wohleile Meinung. Das wre air,aber ein Journalismus, der darauvertraut, dass andere r ihn die Ar-beit machen und die Ergebnisse dannbeim Prtner abgeben, macht es sichzu bequem au dem Soakissen.

    Schn, dass wirdrber geredethaben

    Die milliardenschwere ARD, dieMaschmeyer und diversen Billigdis-countern wegen ihrer schmierigenPraktiken mit harten Recherchen zuLeibe rckte, drckt sich bei politi-schen Skandalen gern in der letztenReihe. Ein kesser Titel Der Bundes-prsident stellt sich. ersetzt keine in-vestigative Recherche. Ebenso wenigist es journalistischer Hochleistungs-

    sport, den Prsidenten, der mit ei-nem Gesicht wie au einem zerknit-terten Fahndungsoto im Studio sitzt,mit einigen Fragen zu konrontieren.Die ARD bekennt sich mit der Talk-showisierung ihres Programms oh-nehin zum Psychotherapeuten-Prin-zip Schn, dass wir drber geredet

    haben.Journalismus ist mehr als abschrei-

    ben, drber reden und sich reihenwei-se empren. Journalismus ist, etwasrauszubekommen, sich dabei schmut-zig zu machen und bei der Untertage-Arbeit auch mal zu verzweieln, weildie Goldader der Inormationen sichhinter hartem Gestein verbirgt. Sowar das auch bei Wul. Die einen ga-ben au, die anderen bohrten weiter.Journalistische Qualitt zeichnet sichdurch investigative Arbeit aus. Emp-rung ist nur der wrzige Nachtisch.

    Ernst Elitz war bis 2009 Intendant

    des Deutschlandradio. Seine

    journalistische Laufbahn fhrte

    ihn vom RIAS ber den Spiegel

    bis zum ZDF, wo er unter anderem das

    heute-journal moderierte. Ab 1985 war er

    Chefredakteur des Sddeutschen Rund-

    funks. Heute ist Elitz Direktor der

    BerlinMediaProfessionalSchool

    der FU Berlin.

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  • 8/2/2019 The European Prsidentschaftswahl 2012

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    Christian Wul ist zum Abschuss rei-gegeben zumindest wenn es nach den

    groen deutschen Medien geht. Dassder Skandal eigentlich keiner ist, son-dern knstlich entacht und am Lebengehalten wird, rckt dabei vollstndigin den Hintergrund.

    Vielleicht muss man es mal gese-hen haben, dieses Blitzen in den Au-gen von Journalisten, diese pltzlicherwachende Jagdlust, die ohnehin nurau der Lauer gelegen hatte. Vielleichtmuss man es mal erlebt haben, die-se Schnelligkeit, mit der augrund ei-nes vagen Verdachts Recherchegrup-pen gebildet werden, um Inormantenanzuzapen. Vielleicht muss man esmal gehrt haben, dieses leise vor sichhin gemurmelte und als Selbstaneue-

    rung gemeinte Jetzt ist er llig.Vielleicht allerdings muss man ihrauch mal widerstanden haben dieserVersuchung, sich als Bob Woodward

    Waidmannsheil

    hlen zu wollen, der einen RichardNixon zu Fall bringt, weil die Ein-sicht gereit war, stattdessen nur einwilliger Mitvollstrecker jener vampi-rischen Hetzmeute zu sein, die ohneBlut nicht lange leben kann und Opersucht, weil sie Oper braucht.

    PolitischerVampirismus

    Christian Wul hat weder gelo-gen noch betrogen, er hat keinem ge-schadet und niemanden hintergangen.

    gettyimages

    Malte Lehming

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  • 8/2/2019 The European Prsidentschaftswahl 2012

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    Vielleicht ist er ein schwacher, blasserund zu harmloser Prsident. Doch da-rum geht es in diesem Fall nicht. Na-trlich hat es vielen Kommentatorenschon immer hchsten Genuss berei-tet, den immanenten Widerspruch desAmtes ber keine Macht zu ver-gen, aber groe Reden schwingen zu

    mssen, aus denen wegen der Macht-losigkeit nichts olgen kann hmischauszuschlachten. Finanzkrise? Euro-sklerose? Rechter Terror? Warum sagtWul denn nichts? Aber solche Frot-zeleien waren lngst zu durchsichtiggeworden, um noch provokatorischeWirkung entalten zu knnen. Das Ka-liber musste grer werden.

    Unwillkrlich hlt man sich anden Sturz Horst Khlers erinnert. Da-mals titelte die tageszeitung einenTag nach dessen Rcktritt in reudi-ger Erwartung: Da geht noch mehr.Dazu zeigte sie ein Bild von GuidoWesterwelle, Angela Merkel und ebenKhler. In seltener Oenheit wurde dieBotschat klar: erst Khler, dann viel-leicht Westerwelle und zum Schluss Politischer Vampirismus pur.

    Die etwas etablierteren Mediensind da ranierter. Man knnte auchsagen hinterhltiger. Sie erkennenan, dass die Causa in der Wul-Sacher einen Rcktritt nicht reicht. Dochleider habe wegen der entlichenAuregung nun mal die Glaubwr-digkeit des Prsidenten gelitten, erknne kein Vorbild mehr sein, seineFunktion als gesellschatliches Ge-wissen sei beeintrchtigt. Mit ande-ren Worten: Weil der eigentliche An-lass zu banal ist, wird die inszenier-te Emprung ber die Banalitt alsGrund r einen Rcktritt instrumen-

    talisiert. Und weil die Diskussion, dieman selbst kramphat am Leben hlt,nicht abebben will, muss sich der Pr-

    sident gelligst ragen lassen, ob erdas Amt durch seine Sturheit, in dem-selben bleiben zu wollen, nicht be-schdigt. Perfder gehts kaum.

    Teuelskreis aus

    BeutefeberAm liebsten jammern Journalisten

    ber das angeblich ehlende Formatder politischen Klasse. Dabei verdrn-gen sie, in welchem Mae sie selbstdazu beitragen. Je ungehemmter dieMedienzunt ihr Beutefeber auslebt,desto misstrauischer wird die han-delnde Klasse. In diesen Teuelskreisreiht sich die Wul-Debatte nahtlosein. Irgendwann wird ein Bundes-prsident weder eine Vorgeschichtegehabt haben noch je ein Wort sagendren. Aber dann, ja dann wird ihmgenau das zum Verhngnis gemacht.

    Vielleicht muss man sie wirklicheinmal erlebt haben, diese kollektiveJagdlust, die sich gern hinter dem Vor-wand tarnt, die entlichkeit aukl-ren und Fehlverhalten ans Licht brin-gen zu wollen, um ein noch tieeresMa an Verachtung zu empfnden, alsjene es aubringen knnen, r dieVerachtung nur ein Mittel zum Zweckist, um wieder mal einen Politiker zustrzen.

    Malte Lehming leitet die Mei-

    nungsseite des Tagesspiegel.

    Zuvor war er Chef des Washing-

    toner Bros der Zeitung und

    Redakteur fr Auenpolitik. Von 1989 bis

    1991 arbeitete Malte Lehming als Persn-

    licher Referent und Redenschreiber fr

    den ehemaligen deutschen Bundeskanzler

    Helmut Schmidt.

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  • 8/2/2019 The European Prsidentschaftswahl 2012

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    Der Rcktritteines weiterenBundesprsidentenwrde lediglich dasAmt beschdigen.Wul muss nun

    stattdessen in dieOensive gehen eine Chance hater verdient.

    Au Bewhrung

    Rcktritt? Nein, das wre Flucht vorBewhrung und Verantwortung. DerBundesprsident muss als Person wie-der glaubwrdig werden, um sein Amt,das des Bundesprsidenten, nicht irre-parabel zu beschdigen. Der Vorgn-ger von Christian Wul, Horst Khler,ist unter merkwrdigen Umstnden zurckgetreten. Wenn nun, nichteinmal zwei Jahre spter, der nchs-te Prsident schon wieder zurcktrte die Institution Bellevue wre schwer

    beschdigt, das Amt des Bundesprsi-denten als solches wrde inrage ge-stellt werden: Brauchen wir das noch,wrde allseits geragt. Wir brauchenes. Wuls Handeln muss sich daherjetzt darau okussieren, dem hchs-ten Amt im Staate keinen irreparab-len Schaden zuzugen. Entscheidendist nicht mehr, ob er den Kredit einesFreundes htte annehmen dren odernicht, sondern, wie er jetzt, nachdemer es getan hat, seine moralische Inte-

    gritt wieder herstellen und damit dasAmt des Bundesprsidenten scht-

    zen kann. Noch einmal: Ein Rcktritt

    Wuls, der zweite in diesem Amt in-nerhalb kurzer Zeit, wrde die Institu-tion Bellevue schwer beschdigen.

    Ich halte das Amt des Bundespr-sidenten r wichtig, es hat sich in derGeschichte der Bundesrepublik be-whrt. Es war geradezu ein Glcks-all r das politische System Deutsch-lands, dass es einen Bundesprsiden-ten gab vielleicht gerade, weil er sowenige Kompetenzen und Beugnis-se hat. Dieses Amt lebt von der Per-snlichkeit des jeweiligen Trgers desAmts. Die Erolgsgeschichte dieser In-stitution hat reilich in den vergange-nen Jahren gelitten. Man kann die Fra-ge stellen, ob es denn womglich diePersnlichkeiten, die dem Amt Aura(und nicht ein Geschmckle.) geben,nicht mehr gibt. Es gibt diese Persn-lichkeiten. Man muss den Mehrheits-parteien, an der Spitze der Kanzlerin,den Vorwur machen, dass sie nichtnach der respektabelsten Persnlich-keit suchen, sondern die vermeintlichkompatibelste Person whlen.

    Christian Wul ist ein Prsident,der unter Bewhrung steht. Manmchte jetzt wissen, was tatschlichpassiert ist, wie weit seine Beziehun-gen zu Unternehmern und Finanz-dienstleistern gingen. Da dren kei-ne weiteren Verdachte mehr schmo-ren. Ich mchte, dass der Prsidentsich nicht mehr an der Wahrheit vor-

    beimogelt. Ich will einen verdachts-reien Prsidenten, der reinen Tischgemacht hat. Eine Entschuldigungverunziert einen Prsidenten nicht. Erwird zu alledem auch in seiner Weih-nachtsansprache etwas sagen mssen.Es kann ja nicht sein, dass er ber Pro-bleme der Welt im Allgemeinen unddie deutschen Probleme im Speziellenredet und dabei die eigenen Probleme,die ihn und das Amt betreen, aus-spart. Wul hat wohl die schwierigste

    Weihnachtsansprache zu halten, die jeein Bundesprsident gehalten hat. Es

    ist zu wnschen, dass er die Worte fn-

    det, die auch ihm und dem Amt denWeihnachtsrieden bringen.

    Die Presse ist nichtdar da, Rck-trittskampagnenzu inszenieren

    Also: Der junge Prsident Christi-an Wul hat eine Chance verdient. Erselbst kann seinen Teil dazu beitragen,indem er sich und sein Verhalten oenund ehrlich erklrt. Es wre wichtig,dass Wul sein Projekt, das er als daswichtigste seiner Amtszeit dargestellthat, weiterverolgen kann: Wuls Pro-jekt ist die zweite Deutsche Einheit,also die Integration der Menschen mitauslndischen Wurzeln und der Dia-log mit den Muslimen. Wer die Inte-gration voranbringen will, muss aberselber integer sein. Wuls Reden zurIntegration mgen vielleicht nicht dergroe rhetorische Wur gewesen sein,aber ihr In- und Gehalt waren vor-bildlich. Die Hme ber Wul, die inder berechtigten Kritik vielach mit-schwingt, vergisst das leider. Die Pres-se ist nicht dar da, Rcktrittskam-pagnen zu inszenieren. Sie soll sorg-ltig recherchieren, sie soll auklren,

    sie soll Aren und Skandale aude-cken natrlich auch und gerade diein hohen und hchsten Staatsmtern.Aber unsere Augabe ist es nicht, mitlustvoll-gezielten Kampagnen Rck-tritte herbeizuschreiben.

    Heribert Prantl ist Leiter des Res-

    sorts Innenpolitik und Mitglied der

    Chefredaktion bei der Sddeut-

    schen Zeitung. Vor seiner Zeit als

    Journalist war er als Jurist und Staatsanwalt

    ttig. Er hlt Lehrauftrge der Journalis-

    tenschulen in Hamburg und Mnchen und

    der juristischen Fakultt der Universitt

    Bielefeld.

    Heribert Prantl

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  • 8/2/2019 The European Prsidentschaftswahl 2012

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    Der Fall des Bundesprsidenten zeigt au dramati-sche Weise: Deutschland hat ein Elitenproblem.

    Elite muss

    man wollen

    zur Grasnarbe, ganz tie nach unten?

    Deutschland hateine Elite, aberkein Elitenbe-wusstsein

    Von den Kollateralschden r jeneUntersttzerparteien, die sich br-gerlich nennen und die in der ganzenCausa sehr unbrgerlich sprachenund unkerten, war schon die Rede.Alle aber, die Teil sind dieses Gemein-

    wesens, werden nach dem Abgang desMannes, der Lgner genannt werdendar, sich ragen mssen: Wie ent-steht eigentlich diese dnne Schicht,

    Der Mietling zu Bellevue, der Lgnergenannt werden dar, hat sich r dieKnigsdisziplin wankender Herrscherentschieden, r das Aussitzen. Dasist sein gutes Recht. Wir werden se-

    hen, wie weit es ihn trgt, ob er damitabermals schlecht oder ausnahmswei-se gut beraten war. Viel drngender, janachgerade epochal ist indes die Fra-ge, was nach dem Ende dieses bundes-prsidialen Schlamassels bleiben wird.Welche Lehren sind aus dem Schei-tern des Mannes, der Lgner genanntwerden dar, zu ziehen? Was wird insSkurrile, Komische, subjektiv Peinli-che absinken, und aus welchen Stei-nen wird der Rucksack gemacht sein,

    der dem deutschen Michel hernachau den Schultern lasten wird zent-nerschwer, sodass des Michels Blickest zum Boden gerichtet sein wird,

    gettyimages

    Alexander Kissler

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  • 8/2/2019 The European Prsidentschaftswahl 2012

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    die zwei veremte Begrie zusam-menbindet, die deutsche Elite? Ob esuns gellt oder nicht eine solche Eli-te gibt es, wird es immer geben, im-mer brauchen. Vergt die Bundesre-publik aber ber die richtigen Techni-ken und Strategien, damit nach obengelangt, wer nach oben gehrt? Nach

    Lage der momentanen Dinge: Nein.Der Fall des Mannes, der Lgner

    genannt werden dar, zeigt au dra-matische Weise: Deutschland hat eineElite, aber kein Elitenrekrutierungs-programm. Deutschland hat eine Elite,aber kein Elitenbewusstsein. Deutsch-land hat ein Elitenproblem. Unum-stritten sind hchstens der Geld- undder Sportadel. Wer deutlich mehr ver-dient als andere oder deutlich sport-licher ist, hat Anspruch au allgemei-nes Interesse. Dessen Wort wird ver-nommen, wenn auch nicht beolgt.Die sogenannte Funktionselite hinge-gen, zuvrderst die politische, hat einenormes Legitimationsdefzit. Die Re-gel scheint es zu sein, dass die Ange-passten und die Vernetzten nach obengelangen, nicht die Besten. Auch derjetzige Mieter von Bellevue gilt alsMeister der Kungelei, und allein einerKungelrunde im Bundeskanzleramtverdankt er sein jetziges Amt.

    Hand aus Herz

    Ein solches Modell taugt nicht. Esvertreibt systematisch alle Exzellenzund lsst jene Mittelmigkeit mit El-lenbogen zurck, wie sie au SchlossBellevue residiert. Nicht die unab-hngigen Kpe, sagte jngst Arnul

    Baring, setzen sich durch, sonderndie Apparatschiks. () In Frankreich,Grobritannien und den USA () gehtman ganz anders vor. In den Verei-nigten Staaten gelangen hufg Wirt-schatshrer in die Politik. In Frank-reich greien alle Lager au die Absol-venten der Eliteschulen zurck. Und

    wenn man in Oxord oder Cambridgestudiert und jeden Tag die Portrts derPremierminister, die aus dem jeweili-gen College hervorgegangen sind, anden Wnden der Hall sieht, hlt mansich automatisch ermutigt, es einesTages selbst zu versuchen.

    Hand aus Herz: Welchen klugenKop knnte die Malaise zu Bellevueanspornen, dereinst selbst nach die-sem Amt sich ausstrecken zu wol-len? Wer mag nach einer Wrde grei-en, die man auch wrdelos hand-haben kann? Wen lockt die Aus-sicht au Hinterzimmergemauscheleund Strippenzieherei, deren Resul-tat dann ein angeblich unab