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THE NE(X)T GENERATION – DAS ANGEBOT DER BIBLIOTHEKEN

The Ne(x)T GeNeraTioN – Das aNGeboT Der biblioThekeN · DieNsTleisTUNGeN FÜr biblioThekeN Der Ne(x)T GeNeraTioN Axel Kaschte Unified Resource Management: Der Weg zur ... Themen

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The Ne(x)T GeNeraTioN – Das aNGeboT Der biblioThekeN

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schriften der Vereinigung Österreichischer bibliothekarinnen und bibliothekare (VÖb)herausgegeben von harald Weigelband 7

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Das aNGeboT Der biblioThekeN

herausgegeben von Ute bergner und erhard Göbel

Wolfgang Neugebauer Verlag Gesmbh Graz-Feldkirch

30. Österreichischer bibliothekartagGraz, 15.–18.9.2009

The Ne(x)TGeNeraTioN

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Umschlag/layout: Tobias NeugebauerDruck: buchbücher.de GmbhPrinted in GermanyisbN 978-3-85376-287-5

© 2010 W. Neugebauer Verlag Gesmbh Graz-Feldkirch

alle rechte, insbesondere das recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Tonkopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

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Inhalt

VorWorT ................................................................................................................................................................................................................ 13

erÖFFNUNGsVorTraG

Rüdiger Wischenbart „Das Universum (das andere die Bibliothek nennen).“ 4 politische Variationen

auf Jorge Luis Borges zum österreichischen Bibliothekartag 2009. ....................... 15

biblioTheksMaNaGeMeNT: Die Praxis

Adalbert Kirchgäßner Einleitung ...................................................................................................................................................................................................... 24

Per Knudsen Prozesskostenrechnung in Bibliotheken. Erfahrungen, Ergebnisse

und Perspektiven. Dargestellt am Beispiel der UB Mannheim ...................................... 26

Ruth Wüst New Public Management in der Aargauer Kantonsbibliothek –

ein Blick hinter die Kulissen ............................................................................................................................................. 39

Harald Weigel Die Balanced Scorecard der Vorarlberger Landesbibliothek ............................................. 45

Bruno Bauer Bibliotheksindex – BIX an österreichischen

Universitätsbibliotheken 2009 ........................................................................................................................................ 63

Simone Moser Geschafft? Mit Auszeichnung! Das Zertifizierungsverfahren der AKMB

(Arbeitsgemeinschaft der Kunst- und Museumsbibliotheken) ...................................... 73

Daniel Weger Qualität planen, steuern, sichern – die Zertifizierung von

Bibliotheken in Südtirol .......................................................................................................................................................... 79

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ForUM biblioThekssTaTisTik

Joachim Kreische Steuerungstool oder Datenfriedhof: Die Deutsche Bibliotheksstatistik

im Alltag einer Universitätsbibliothek ............................................................................................................... 84

Ronald M. Schmidt ÖBS – Österreichische Bibliotheksstatistik. Das ÖBS-Berichtsjahr 2008

für wissenschaftliche Bibliotheken in der Gesamtsicht ............................................................. 89

André Hensel Die Teilnahme von Fachhochschulbibliotheken (FHB)

an der Österreichischen Bibliotheksstatistik (ÖBS) ...................................................................... 92

biblioMeTrie – beNeFiTs Des biblioThekarischeN kNoWhoWs FÜr WisseNschaFTliche iNsTiTUTioNeN

Rafael Ball, Martin Gorski Bibliometrie – das Maß aller Dinge? ................................................................................................................... 96

kosTeN-NUTzeN-aNalyse elekTroNischer MeDieN

Axel Dörrer Der Hebis-Statistikserver als Basis für Kosten-Nutzen-Betrachtungen ........ 109

koNsorTialVerTräGe – chaNceN UND FesselN eiNer beDarFsGerechTeN besTaNDsPoliTik?

Adalbert Kirchgäßner Der finanzielle Nutzen von Konsortialverträgen oder

was verliert die Bibliothek, wenn sie aussteigt .................................................................................... 114

exTerNe DieNsTleisTUNGeN – Was kÖNNeN (solleN) biblioThekeN erWarTeN (ForUM GesiG)

Irmgard Siebert Keine Angst vor Dienstleistern. Kaufen oder Machen? ........................................................ 129

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TeachiNG library – koNzePTe

Wilfried Sühl-Strohmenger Aufwand und Ertrag der Teaching Library: Wie viel Zeit, Geld und

Personal sollen/können wissenschaftliche Bibliotheken in Kurs- und Schulungsangebote investieren? ............................................................................................................................... 137

Detlef Dannenberg In 10 Schritten zur Teaching Library .............................................................................................................. 144

berUFliche aNForDerUNGsProFile

Achim Oßwald Leitungsfunktionen in Bibliotheken: Qualifikationsprofile

im Spiegel ausgewählter Studienangebote ............................................................................................... 152

Karin Holste-Flinspach BibliotheksassistentIn – Fachangestellte für Medien- und

Informationsdienste – Mittlerer Bibliotheksdienst: Das Berufsbild der mittleren beruflichen Ebene in Bibliotheken derzeit und in Zukunft ......................................................................................................................................................... 161

André Hensel ABID-AssistentInnen in „Öschli“: Quo vaditis ? Die aktuelle Entwicklung der Berufsausbildung für den

mittleren Dienst an Archiven, Bibliotheken, Informations- und Dokumentationseinrichtungen (ABID) in Österreich, Schweiz und Liechtenstein („Öschli“) ......................................................................................................................................... 168

aUs- UND WeiTerbilDUNGsaNsäTze FÜr biblioThekariNNeN Der Ne(x)T GeNeraTioN

Ulrike Lang Einsteigen, aufsteigen, vorankommen: Durchhalten oder Durchstarten?

Strategien zum Generationenwechsel in Bibliotheken .......................................................... 175

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DieNsTleisTUNGeN FÜr biblioThekeN Der Ne(x)T GeNeraTioN

Axel Kaschte Unified Resource Management: Der Weg zur

Bibliotheksautomatisierung der nächsten Generation ............................................................ 181

Evelinde Hutzler Verbesserter Service durch Vernetzung von Dienstleistungen

am Beispiel von elektronischen Zeitschriften und Datenbanken ........................... 188

DiGiTalisierUNG

Susanne Blumesberger Sicher archivieren – grenzenlos recherchieren – intelligent nutzen.

Phaidra – Digitale Langzeitarchivierung an der Universität Wien ..................... 197

Wolfgang Kainrath Die hybride Sondersammlung der Fachbereichsbibliothek für

Geographie und Regionalforschung (FBGEO) ............................................................................... 204

Marianne Jobst-Rieder 100.000 Plakate aus 100 Jahren. Ein Digitalisierungsprojekt

der Österreichischen Nationalbibliothek .................................................................................................... 209

Markus Mainetti, Thomas Feurstein Das digitale Radio- und Fernseharchiv

der Vorarlberger Landesbibliothek ...................................................................................................................... 215

biblioThekskaTaloGe iM Web/Web 2.0 iN biblioThekskaTaloGeN

Christof Niemann Intelligenz im Chaos. Erste Schritte zur Analyse

des Kreativen Potenzials eines Tagging-Systems ............................................................................ 220

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biblioThekskaTaloGe FÜr Die Ne(x)T GeNeraTioN

Michaela Putz Primo an der Universitätsbibliothek Wien. Ein Werkstattbericht. ....................... 227

iNhalTserschliessUNG: iNGreDieNzeN, iNsTrUMeNTarieN, iNTerNaTioNaliTäT

Jessica Hubrich Thematische Suche in heterogenen Informationsräumen .................................................. 234

Rudolf Lindpointner Die Einführung der Dewey-Dezimalklassifikation (DDC)

in der Oberösterreichischen Landesbibliothek (OÖLB) .................................................... 243

ProVeNieNzForschUNG

Walter Mentzel Provenienzforschung an der Medizinischen Universität Wien:

Ergebnisse, Analysen und Forschungsperspektiven .................................................................... 248

Katharina Bergmann-Pfleger Dissertation „Universitätsbibliothek Graz 1938–1945“:

Provenienzforschung ................................................................................................................................................................ 255

Monika Eichinger Die Studienbibliothek Linz in der NS-Zeit .......................................................................................... 260

Ursula Schachl-Raber, Brigitte Wallinger-Schorn Der hinterlassene „Fingerabdruck“: Ein Forschungsprojekt der

Universitätsbibliothek Salzburg zu Buchraub und NS-Geschichte ..................... 266

ForUM MUsikbiblioThekeN

Michael Staudinger Zum aktuellen Stand der Ressource description and access (RDA) ................... 270

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Reinhard Ellensohn Die musikspezifischen Teile der RDA: Ein erster Annäherungsversuch ..... 273

Gabriele Fröschl Audiobestände online. Im Spannungsfeld zwischen

Web 2.0–Plattformen und Langzeitsicherungsaspekten ..................................................... 279

Susanne Gotsmy, Anita Pravits Zusatzausbildung Musikinformationsmanagement

an der Hochschule der Medien Stuttgart .................................................................................................. 283

schUlbiblioThekeN FÜr Das 21. JahrhUNDerT

Markus Fritz Wie können wir die Schulbibliotheken fit für die Zukunft machen?

Beispiele und Überlegungen aus Südtirol .................................................................................................. 290

iNTerkUlTUrelle biblioTheksarbeiT

Susanne Schneehorst Interkulturelle Bibliotheksarbeit: Themen und Trends ........................................................... 297

Beate Wegerer Herausforderung Interkulturalität: Erfahrungen und

Perspektiven der Büchereien Wien ..................................................................................................................... 302

Jana Sommeregger Sozial-integrative Bibliotheksarbeit in Österreich – Studie des BVÖ ............ 308

biblioThekeN als orTe FÜr Die Ne(x)T GeNeraTioN

Nicole Huber-Reisinger Die rechtswissenschaftliche Fakultätsbibliothek an der Johannes Kepler

Universität Linz – aus 12 wird „EINS“ ......................................................................................................... 318

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Martin Vorberg Das hybride Zentrum juristischer Informationen

der „Bucerius Law School” (Hamburg) ......................................................................................................... 321

akTiViTäTeN VoN PeNsioNisTiNNeN UND PeNsioNisTeN (roUND Table)

Sigrid Reinitzer Einleitung ................................................................................................................................................................................................ 327

Walter Neuhauser Erschließung der Handschriften der Universitäts- und

Landesbibliothek Innsbruck. Ein Projekt der Österreichischen Akademie der Wissenschaften .................................................................................................................................. 330

Edith Stumpf-Fischer Frauenbiographische Beiträge insbesondere über Frauen im österreichischen

Buch- und Bibliothekswesen. Arbeiten für frida und kolloqiA und das Projekt biografiA. .......................................................................................................................................................................... 341

Karl F. Stock Meine sogenannten Pensionsaktivitäten ..................................................................................................... 343

Willi Treichler Aktiver Ruhestand in der Schweiz ...................................................................................................................... 345

Irena Sapač Die Kalan-Stiftung und der Ausschuss für Čop Diplome

und Auszeichnungen ............................................................................................................................................................... 347

Wolfgang Schwab SeniorMent – wie teile ich mein Wissen und meine Erfahrung? .......................... 349

rahMeNProGraMM

Peter Klien The Ne(x)t Generation. Solo-Kabarett am Festabend des

Österreichischen Bibliothekartages 2009 ................................................................................................. 351

Die Autorinnen und Autoren ................................................................................................................................................ 359

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vorwort

Unter dem Motto „The Ne(x)t Generation – das Angebot der Bibliotheken“ fand vom 15. - 18. September 2009 in den Räumen des neuerbauten Kongresszentrums auf der Grazer Messe der 30. Österreichische Bibliothekartag statt. Erstmals wurde diese Fortbildungsveranstaltung für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Bibliotheken und verwandten Einrichtungen von der „Vereinigung Österreichischer Bibliothekarinnen und Bibliothekare“ (VÖB) gemeinsam mit dem „Büchereiverband Österreichs“ (BVÖ) ausgerichtet.

Mit mehr als 900 Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus 17 Ländern, mit 60 ausstellenden Firmen und mehr als 150 Vorträgen und Präsentationen war der Bibliothekartag in Graz ein großer Erfolg.

Bibliotheksmanagement, Bibliotheksstatistik und Bibliometrie gehörten zu den auf dem Kongress erörterten Themenblöcken wie auch elektronische Medien, externe Dienstleistungen, Teaching Library, Aus- und Weiterbildung, Dienstleistungen der Bibliotheken, Digitalisierung, Bibliothekskataloge, Inhaltserschließung, Provenienzforschung, Musikbibliotheken und die Aktivitäten pensionierter Bibliothekarinnen und Bibliothekare.

Die gemeinsame Ausrichtung mit dem BVÖ schlug sich in den Themenblöcken Schulbibliotheken und interkulturelle Bildungsarbeit nieder. Die breite Palette der Referatsthemen zeigt die Vielzahl bibliothekarischer Fragestellungen, neuer Herausforderungen und Tendenzen.

Die Vertiefung der Fachkenntnisse und der Erfahrungsaustausch waren wesentliche Ziele dieses Kongresses, zahlreiche positive Rückmeldungen bestätigen den Erfolg. Ein umfangreiches Rahmenprogramm ergänzte diese Veranstaltung und die TeilnehmerInnen waren begeistert von der Kulturstadt Graz, die sich bei strahlendem Wetter von ihrer besten Seite zeigte.

Ein Danke gebührt allen Autorinnen und Autoren des Tagungsbandes, die mit ihren Beiträgen das Nachlesen und das Erreichen einer Nachhaltigkeit bewirken, Frau Mag. Barbara Lagger für ihre Lektorentätigkeit sowie dem Verlag.

Ute Bergner Erhard Göbel

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Eröffnungsvortrag

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„Das unIvErsum (Das anDErE DIE BIBlIothEk nEnnEn)“

4 politische Variationen auf Jorge luis Borges zum österreichischen BiBliothekartag 2009

rüdiger WischenBart

1.„Das Universum (das andere die Bibliothek nennen)“, heißt es bei Jorge Luis Borges. „Das Universum, das andere die Bibliothek nennen“ – und nicht umgekehrt: die Bibliothek als Universum -, diese freche Volte bringt uns augenblicklich in Startposition für eine Erkundung dessen, was wir in Bibliotheken suchen mögen, wenn heute, so hört man es doch allerorten, Informationen und Wissen den Raum einfach durchdringen, bis zur Allgegenwart und zur vermeintlichen Auflösung der Orte für dieses Wissen.

Borges, der vor fast genau 110 Jahren in Buenos Aires geboren wurde und als ein Verfasser so genannter ‚phantastischer‘ Erzählungen gilt, also ein Ahnherr eines heute gerade wieder sehr populären Genres, hat ausgerechnet in seinen „Ficciones“ aus den 1940er Jahren, mit der ihm eigenen Kunst, möglichst niemals zum Punkt zu kommen, dieses Universum der Bibliothek als einen konkreten, wenngleich seltsamen –eben fiktionalen – Ort beschrieben. „Das Universum (das andere die Bibliothek nennen)“, schreibt Borges, „setzt sich aus einer unbegrenzten und vielleicht unendlichen Zahl sechseckiger Galerien zusammen, mit weiten Entlüftungsschächten in der Mitte, die mit sehr niedrigen Geländern eingefasst sind.“

Bei Borges erfahren wir sehr rasch, neben der sechseckigen verschachtelten Architektur, wie sehr Bibliotheken eigentümliche Veranstaltungen sind. Nicht notwendiger Maßen Orte – denn Orte sind selten unendlich – sondern verschachtelte Projektionen mit widersprüchlichen Eigenschaften.

So sehr Bibliotheken als Einrichtungen und Symbole Ansehen und Aufmerksamkeit genießen, erscheinen sie gleichwohl vielen auch als etwas Furchteinflößendes oder, wenn wir bei Borges bleiben, etwas Ungeheuerliches.

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Denn wenn wir uns von diesem Universum, in dem wir leben, und dem wir folglich ausgeliefert sind, eine Vorstellung machen wollen, beginnen wir notwendigerweise zu lesen. Die Bibliothek ist der Ort, an dem unterstellt wird, wir könnten dieses Universum ordnen. Dazu erfinden wir dann eben unendlich verschachtelte Sechsecke mit gefährlich niedrigen Brüstungen, aber auch, etwas pragmatischer, Wissensbäumchen und Wissens-Hierarchien, Indices und Kataloge, sowie Regalsysteme, Tiefspeicher und Bibliothekarsverbände, Ausleihordnungen und Öffnungszeiten.

Aber die Kluft, einmal geöffnet und bei Jorge Luis Borges in ihrer abgründigen Tiefe erahnt, bleibt: Bibliotheken sind Zwischenräume, die einerseits Ordnung schaffen für und rund ums Wissen, und andererseits schwindelerregend sind, weil wir recht schnell erfassen, dass jedes Buch, das auf ein andres verweist, jeder Autor, der auch andere Autoren gelesen hat, und jeder Leser, der mehr als nur ein einziges Buch liest, uns in endlose und wohl auch unendliche Verknüpfungen entführt, die rasch an jeder stabilen Ordnung rütteln und hinter jeder Gewissheit drei neue Fragen, vier neue Verknüpfungen und fünf neue Probleme aufwerfen. Deshalb säubern frisch antretende Diktaturen auch so gerne Bibliotheken, oder sinnen selbst die Bürokraten in demokratischen Systemen, ab und an, darüber nach, was man alles über die Bürger erfahren könnte, wenn man nur gründlich erfassen und aufzeichnen wollte, was diese in den Bibliotheken ausborgen und lesen.

So wechseln wir an dieser Stelle, unversehens, und vielleicht etwas brüsk, von der Literatur und Philosophie zur Politik.

2.Politik produziert, anders als Literatur, häufig knappe, zugespitzte Formeln um zu umreißen, worum es politisch geht. Zum Beispiel diese: „Wissen ist Macht“.

Die moderne europäische Bibliothek ist, vor rund 1000 Jahren, in den französischen Klöstern des Mittelalters erfunden worden. In wunderbaren Geschichten wie Umberto Ecos „Il nome de la rosa“ und in touristischen Führungen wird uns heute noch nahe gebracht, wie Mönche in akribischer Feinarbeit, und zugleich mit dem Feuer des innovativen Geistes die Welt der Gedanken erschlossen und, gegen alle Kräfte des Beharrens, das Licht der Ideen entfacht haben als ein Leuchtfeuer für neugierige Menschen. Diese Erneuerung – das ist der Kern unseres Mythos von den erleuchteten Mönchen, den Schreibenden - ist, dass sie die jeweils erstarrte Macht mit ihrem Wissen herausgefordert haben!

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Vieles, was diese Mönche und ihre – kirchlichen oder weltlichen – Gebieter unternahmen, griff auf geradezu übermächtige Vorbilder zurück, und zwar nicht nur solche aus der kaum noch fassbaren Antike, sondern, damals ganz gegenwärtig, auf das islamische Iberien, also auf – in heutiger Betrachtung – europäischen Boden. Die damals, um das Jahr 1000, wohl bei weitem größte Bibliothek war jene in Cordoba, mit angeblich um die 2 Millionen Bänden. Die Bibliothek der Mönche von Cluny umfasste dem gegenüber gerade ein paar tausend Bücher.

Hier ist das Problem: Warum habe ich in all meinen Geschichtsbüchern wie auch bei einer einigermaßen soliden Recherche, die ich schon seit ein paar Jahren betreibe, nur wenige Bruchstücke finden können, die mir erläutern, wie und mit welchen Hebeln vor 1000 Jahren ein paar verschworene Gangs von weitgehend selbsternannten Informationsjunkies in einem ungebeten aufstrebenden Newcomer Staat, der später „Frankreich“ heißen sollte, sich damals aufschwingen konnten, um eine neue – nein, nicht Weltordnung, sondern eine neue Ordnung und Klassifizierung des Universums – zu etablieren?

Es ist eine Trivialität in Erinnerung zu rufen, dass solche Organisationsbemühungen rund ums Wissen stets eine harte Konfrontation mit den jeweils Mächtigen – und ein ebenso energisches wie gewitztes Durchsetzen der eigenen Autonomie gegenüber diesen Machthabern - bedeutet hat.

Was mich dabei besonders interessiert, ist zweierlei: Die Geschichte der Organisation des Wissens – also die Ordnung des Universums, das wir Bibliothek nennen – ist wieder und immer wieder eine Geschichte der Brüche und der Revolutionen gewesen. Und an den Rändern dieser Brüche kam es jeweils zu in ihrer Struktur und in ihren anekdotischen Ereignissen verblüffend, ja geradezu lachhaft ähnlichen Verwerfungen zwischen denen, die jeweils das alte Wissensregime bewahren wollten – und den Erneuerern, die stets auf ähnliche, rituelle Weise als Vernichter der Tradition, der Kultur und des Wissens vorgeführt wurden.

Schon Plato berichtet im Phaidros, Sokrates zitierend, vom Verfall, der zu seiner Zeit, also vor 2500 Jahren, durch die damalige Medienrevolution eingetreten sei, nämlich durch die Verschriftlichung der mündlich vorgetragenen Reden und Gesänge! Vor 500 Jahren vernichtete die Explosion der Bücher im Gefolge der Druckerpresse und des Verlagswesens die mönchischen Traditionen und Werte der mutigen Schreibenden. Die Flut der Romane im späten 18. Jahrhundert verdarb die jungen – sich bildenden – Fräuleins. Das Fernsehen verdarb die Bildung, und das Internet verdirbt nun angeblich die Literatur.

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Die Durchsetzung neuer Medien bringt die Zerstörung alter Ordnungen – Wissensordnungen wie politischer Ordnungen -, stellt alte und neue einander in scheinbar unversöhnlicher, unauflösbarer Weise gegenüber. Die Debatte um die Organisation des Wissens ist nur eine der vielen Verkleidungen für die Auseinandersetzung um die definitorische Macht, also darum, wer das Sagen hat im Universum.

3.Sie haben gewiss längst bemerkt, dass ich von Informationstechnologien, also von Google und Amazon, von Urheberrecht und von aktueller Buchpolitik spreche. Doch habe ich, um zum Thema zu kommen, scheinbar einen Umweg gewählt. Das wirklich Verblüffende an der aktuellen Debatte um den jüngsten revolutionären Bruch in der nunmehr wenigstens zweieinhalb Jahrtausende zurück reichenden Geschichte um das Wort und seine mediale Vermittlung und um die Organisation des Wissens ist, dass kaum jemals ausgesprochen wird, worum es geht.

Es geht, ohne zu fackeln, um die künftige Verfügungsmacht über große Wissensbestände, und um die sie definierenden Spielregeln. Es geht damit um Besitzstände und um deren Veränderung, und es geht darum, welche Mittel – welche Medien und welche Technologien – wie geformt werden, um dies zu bewerkstelligen. Es geht um die Zugänge zu Wissen und um die Kontrolle dieser Zugänge. Und damit geht es um die Aufgaben und um die künftigen Ziele aller Personen und Organisationen, die an diesen Zugängen tätig sind.

Womit wir wieder bei den Bibliotheken und bei den Bibliothekaren angelangt sind.

Um die Bibliotheken mache ich mir keine ernsthaften Sorgen. Bei den Bibliothekaren bin ich mir dagegen nicht so sicher. Aber das hat nichts, absolut nichts mit der Metaphysik der Bibliotheken zu tun, und auch nicht mit den Revolutionen bei den Informationstechnologien oder irgendwelchen medialen Aporien. Das sind Ausreden. Es geht viel mehr, um bei Borges zu bleiben, in gewissem Sinn um die niedrigen Brüstungen.

Jede Medienrevolution führt die Neuen als die Vernichter des Alten vor, so als gelte es, das eine durch das andre zu ersetzen, während doch genau dieses niemals stattfindet: Die jeweils neuen Medien ersetzen nicht die alten, sondern eröffnen neue Räume. Dabei gilt es jedoch, das alte Wissen nicht zu vernichten – was jedoch allzu oft geschah. Das aber hat, wie gesagt, nichts mit Technologie, sondern mit Macht und Herrschaftsgewalt zu tun.

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Fast alle der großen alten Bibliotheken wurden zerstört, die von Cordoba, Alexandrien, und auch die von China, als sie der große Erneuerer des chinesischen Wissens und erste moderne Kaiser, Qi Shi Huang Ti – rund 3 Jahrhunderte nach Plato – verbrennen ließ! Es waren gezielt Akte der Machtdemonstration, denen diese Bibliotheken zum Opfer fielen, nicht Medienbrüche oder Innovation.

Aber das ist nicht die Bedrohung für die Bibliothekare heute. Warum wird – in absurder Weise gerade im Augenblick der aktuellen Wissensrevolution – ausgerechnet bei den öffentlichen Ausgaben für Bibliotheken gespart? Weil hier zwei Konzepte fälschlicherweise gegeneinander gehalten werden, und weil zwei unterschiedliche Geschwindigkeiten aufeinanderprallen.

Die aktuelle Revolution des Wissens und der Wissensmedien bedroht nicht unser Wissen, ganz im Gegenteil. Unter die Räder zu kommen droht die Vermittlung des Wissens, die heutige mönchische Arbeit in den unendlichen sechseckigen Galerien mit den niedrigen Geländern, die Weitergabe, nicht durch Abschreiben, sondern durch die alltägliche Erschließung und durch die Notwendigkeit, dass Bibliothekare ihr Wissen um die Zugänge zum Wissen weitergeben.

Die wirkliche Konfrontation heute, denke ich, geht nicht um Google oder Amazon, um Industrie-Monopole oder Urheberrecht, wie uns die Schlagzeilen in – im Übrigen eher alten – Medien glauben machen wollen.

Die aktuell größten Fragen sind vielmehr: Wer betreut die Schulbibliothek? Wer finanziert die Bibliothekszugänge – auch über Computer und Internet – an allen Schulstufen, über die unsere Kinder und Jugendlichen wissensmächtig werden? Und wer gewährleistet und finanziert, dass auch Neuankommende, also etwa sogenannte Ausländer – Immigranten und vorübergehende Bürgerinnen und Bürger – diesen Zugang offen finden?

Wer finanziert die Vielfalt von bibliothekarischen Einrichtungen, von Gemeinden über Länder bis zu den großen Forschungseinrichtungen, und die teure Balance zwischen Bestandserschließung, Fortführung der Sammeltätigkeit, und Erforschung der Bestände? Das sind teure Unterfangen, auf denen allerdings die Wissensgesellschaft wie auch die Demokratie heute beruhen.

Und wer garantiert und, in immer häufigeren Fällen: Wer verteidigt die Freiheit der Zugänge zum Wissen – und bewahrt uns vor Verfahren, die die Informationsfreiheit mit immer neuen Argumenten auszuhöhlen versuchen. Man prangert an, wenn diktatorische Regime immer raffiniertere Filtertechnologien einführen, um

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unbequeme Wissensquellen auszublenden. Doch wünschen sich plötzlich auch unsere staatlichen Einrichtungen immer öfter und immer leichtfertiger, genau diese selben Filter hier einzusetzen, um heute gegen Kinderpornographie, und morgen gegen schlicht unangepasste Wissensquellen vorzugehen.

4. Wir haben mit Jorge Luis Borges bei geradezu exotischen Gedanken über Bibliotheksuniversen begonnen und liefen beinahe Gefahr, darüber den Alltag aus dem Blick zu verlieren – und landeten doch, nach nur vermeintlichen Umwegen, schnurstracks im Getümmel der aktuellen Kontroversen.

Bei allem Verständnis für die Bedeutung der akuten Erregung ums Digitale, welche gerade in diesen Tagen und Wochen Schlagzeilen macht – mit Stichworten wie Digitalisieren, Urheberrechte, die Rolle der wichtigsten Akteure, als die der Autoren, Verlage, neuen Nutzer und Mittler, und damit auch der Bibliotheken – scheint mir umso wichtiger, immer aufs Neue nüchtern zu fragen: Worum geht es eigentlich?Für Bibliotheken wird es wichtig sein, die eigene Rolle sorgsam zu überdenken – ohne die Hybris, sich zum allmächtigen Gateway des Wissens zu erklären, und ohne in die Depression zu verfallen, überflüssig zu werden, weil Wissen allgegenwärtig würde, wie das Sein oder der Atem Gottes.

Hilfreicher ist es da wohl, die Kosten zu überschlagen, um eine ordentliche Schulbibliothek am Laufen zu erhalten, oder unaufgeregt die Digitalisierung nicht nur einiger Spezialkataloge voranzutreiben, und – hier ist dann endlich das Wort „Phantasie“ angebracht – zu überlegen, wie die Rechnungen dafür bezahlt werden könnten.

Womit wir, vielleicht ein wenig überraschend, wieder bei Jorge Luis Borges angelangt sind.

Neben der Erzählung über die Bibliothek von Babel, aus der das Zitat eingangs mit dem Universum stammt, hat Borges, ebenfalls in den 1940er Jahren, noch eine zweite, eine ganz andere Metapher für unser Thema erschaffen.

Ich denke, in keiner seiner notorisch mäandernden, unverschämt nicht zum Ziel kommenden Erzählungen hat Borges sein den Leser an der Nase herumführendes Prinzip so brutal angewandt wie in diesem Text. Man liest, und merkt nur, dass man keine Ahnung hat, worum es geht – ganz wie in weiten Teilen der aktuellen Debatte um die Zukunft des Wissens und der digitalen Medien. Bis Borges uns

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endlich enthüllt: Sein Thema ist nichts weniger als das Aleph, also ein Ort in diesem Universum, an dem man, wie durch ein Guckloch, Einblick in alles Geschehen –in „alle Orte der Welt“ - bekommt. Sie verstehen mich? Alles.

Borges‘ Aleph ist gerade zwei oder drei Zentimeter klein, und befindet sich auf einer wirklich unscheinbaren Treppe „im Keller unter dem Speisezimmer“. So unscheinbar es ist, es funktioniert perfekt. Alles ist da. Das Problem ist bloß, dass das Haus mitsamt Speisezimmer, Kellertreppe und somit auch dem Aleph ein paar Monate später weggerissen worden ist. Das war wahrlich dumm gelaufen, und niemand hatte dem Vorgang – oder auch dem Aleph – irgendeine Bedeutung beigemessen.

„Das Universum (das andere die Bibliothek nennen)“ sollte nicht das Schicksal des Aleph ereilen. Es sollte nicht, aus Einsparungsgründen, oder weil man – wer eigentlich? – hofft, dass Zugänge zum Wissen ohnedies immer bestehen würden, weggerissen werden, weil Platz für einen neuen Informationsparkplatz oder was auch sonst noch benötigt wird.

Um dies zu vermeiden, gilt es wohl einfach, die ganze Debatte vom Kopf auf die Füße zu stellen und dafür zu sorgen, dass der Ort alles Wissens, das Aleph, also die Bibliothek, nicht irgendwo unter der Kellertreppe schlummert und nur von Eingeweihten aufgesucht werden darf.

Der Grund für die Bibliothek, für die verschachtelten Räume, und für unser Universum des Wissens sind nämlich – und da widerspreche ich wohl dem Meister der Verschachtelungen aus Buenos Aires – der Grund für uns, hier über Bibliotheken zu sprechen, sind die Leser.

Die Lesenden sind mündig, und damit selbstbewusst wie auch launisch geworden. Es reicht ihnen nicht mehr aus, zu wissen, welch großartige Bibliotheken es prinzipiell gibt. Sie wollen sich nicht mehr gängeln lassen und um Zugänge zum Wissen buhlen, sich ausweisen, gar qualifizieren müssen und einsehen, dass diese oder jene Abteilung ihnen verschlossen bleibt.

Das ist zuerst ein direktes Erbe der Aufklärung, und dann auch ein Resultat von Demokratie und Massengesellschaft, also etwa des amerikanischen „First Amendment“, also des Verfassungszusatzes, der das Recht auf Meinungsäußerung und Zugang zu Informationen festschreibt - und diese Bestimmung gilt, ihrem Geiste nach, selbstverständlich längst auch in Europa. Zudem finden wir hier auch ein weiteres Beispiel für das nun schon geläufige Muster der vielfältigen Konfrontationen zwischen Altem und Neuem: Sind Wissen und Bücher eine beschränkte – knappe

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– Ressource, also ein Privileg, oder ist der Zugang ein Anrecht aller in offenen Gesellschaften? Mehr noch, und erst hier setzt wieder die Wirkungsmacht der technologisch getriebenen Wissensrevolution ein: Müssen die Lesenden zu den Büchern pilgern – oder kehren sich die Verhältnisse um?

Vermutlich besteht die eigentliche Provokation des aktuellen Umbruchs nämlich nicht in den digitalen Technologien, sondern in diesem Umsturz der Verhältnisse: Die digitale Revolution bringt die Bücher – das Universum – direkt in die Tasche der Lesenden, so wie sie schon zuvor die Musik direkt in deren Ohren gebeamt hat. Sie trivialisiert den Zugang zum Wissen, der früher nur ein Vorrecht weniger Eingeweihter war. Und das ist gut so!

Das aber ist das genaue Gegenteil von Borges‘ Aleph unter der Kellertreppe: Kein Ort, der aus Versehen oder Missachtung weggerissen werden kann, sondern tatsächlich ein Universum, das wir mit Fug und Recht auch eine Bibliothek nennen können.

So verändert sich vieles – jedoch nicht das eigentliche Wesen der Bibliothek, also die – symbolisch – ineinander verschachtelten sechseckigen Räume und die niedrigen Brüstungen, wo das Wissen weniger gelagert, als aufbereitet, organisiert, und zugänglich gemacht werden muss.

Hier neuerlich Dienst am Wissen und an den Lesenden zu organisieren, das ist gewiss eine große Aufgabe, aber aus Ihrer Sicht wohl sehr vertrautes Terrain. Verteidigen Sie deshalb Ihre Autonomie wie jene der alten Klöster, organisieren Sie ihre Häuser so gut wie damals in Cluny, seien Sie wach und der Zukunft und den immer neuen Verwandlungen zugewandt, verteidigen Sie den freien Zugang zum Wissen, für das Sie einstehen. Beharren Sie also bitte auf Ihrem Terrain – und lassen Sie sich nicht, unter welcher Parole auch immer, für die Schlachten anderer einspannen.

Als Leser hoffe ich auf Sie, und ich bin guten Mutes, dass Ihnen dies auch diesmal wieder gut gelingt.

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BIBlIothEksmanagEmEnt: DIE PraxIs

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EInlEItung

Der Themenblock „Bibliotheksmanagement: die Praxis“ umfasst sechs Beiträge. Die drei ersten Beiträge beschäftigen sich mit Kennzahlensystemen für die interne Steuerung, während die drei weiteren Beiträge Beispiele vorstellen, in welchen die Leistungen der Bibliotheken mit denen anderer Bibliotheken verglichen werden bzw. die Leistungsfähigkeit der Bibliotheken durch Zertifizierung dokumentiert wird.

Im ersten Beitrag „Prozesskostenrechnung in der Universitätsbibliothek Mannheim“ stellt Per Knudsen die Praxis der Prozesskostenrechnung in dieser Universitätsbibliothek vor. Dort wird die Prozesskostenrechnung als zeitlich begrenzte Erhebung im Abstand von mehreren Jahren wiederholt durchgeführt. Die daraus folgende kostenmäßige Bewertung von Prozessen und Produkten wird für die Reorganisation der Prozesse wie der räumlichen Ordnung der Bibliothek genutzt.

Im zweiten Beitrag „New Public Management in der Aarauer Kantonsbibliothek – ein Blick hinter die Kulissen“ stellt Ruth Wüst vor, wie sich die Bibliothek durch die Einführung des New Public Management (NPM) verändert. Innerhalb des NPM bekommt die Bibliothek von der Politik Leistungsaufträge und Zielvorgaben sowie weitgehende Autonomie in der Mittelverwendung zur Erreichung der Leistungsziele. Diese werden in möglichst einfachen Kennzahlen abgebildet, die zur Zielkontrolle dienen. Neue Aufgaben werden über Entwicklungsprojekte entwickelt und am Ende des Projektes in die Kernaufgaben übernommen. Deren Betriebskosten werden dann in das Gesamtbudget eingebunden. Diese Herangehensweise verändert auch die Betriebsabläufe, weil sich die Bibliothek nicht mehr über Bestand und Nutzungszahlen sondern über Dienstleistungen definiert.

Im dritten Beitrag „Die Balanced Scorecard der Vorarlberger Landesbibliothek“ berichtet Harald Weigel über den Einsatz der Balance Scorecard als Führungs- und Steuerungsinstrument. Mit der BSC werden angestrebte Entwicklungen der Bibliothek in Ziele und Indikatoren umgesetzt. Anhand der Entwicklung dieser Indikatoren wird die Entwicklung der Bibliothek gesteuert, wobei die Indikatoren verschiedene Sichtweisen auf die Bibliothek – insbesondere die Kundenperspektive – abbilden. Eine BSC ist ein Instrument des strategischen Controlling, dieses setzt voraus die Formulierung von Leitbild/Mission und Vision der Bibliothek und die Festlegung der strategischen Ziele. Die Organisationsentwicklung wird für alle Beteiligten transparenter und das Zahlenwerk dient einem permanenten Führungs- und Kommunikationsprozess.

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Nach den drei ersten Beiträgen, die die Innensicht thematisierten, wendet sich der vierte Beitrag der Außensicht zu. Im Beitrag »BIX – Wissenschaftliche Bibliotheken – aus der Perspektive der teilnehmenden österreichischen Universitätsbibliotheken« zeigt Bruno Bauer auf, mit welchen Instrumenten des Leistungsvergleiches sich die Universitätsbibliotheken in Österreich beschäftigen. Das Erfordernis externer Leistungsvergleiche führte dazu, dass inzwischen der größere Teil der Universitätsbibliotheken am BIX teilnehmen, um einen überregionalen Vergleich zur Leistungsmessung zu nutzen. Dieses Instrument ermöglicht sowohl die beteiligten österreichischen Bibliotheken untereinander wie auch diese Gruppe mit anderen regionalen Gruppen zu vergleichen. Daneben werden als weitere Instrumente des Leistungsvergleichs die österreichische Bibliotheksstatistik, die Wissensbilanz und der Leistungsbericht an das Bundesministerium genutzt.

Im nächsten Beitrag „Geschafft? Mit Auszeichnung! Das »Zertifizierungsverfahren der AKMB« – ein Erfahrungsbericht aus der MUMOK-Bibliothek“ berichtet Simone Moser über das Zertifizierungsverfahren der Arbeitsgemeinschaft der Kunst- und Museums-Bibliotheken (AKMB) aus der Sicht der zertifizierten Bibliotheken wie der prüfenden Auditoren. Dieses Verfahren wurde eigens für diese Spezialbibliotheken entwickelt und berücksichtigt damit auch deren Spezifika. Es handelt sich um ein Qualitätsmanagementverfahren, das kollegiale Hilfestellung bietet. Es gibt der Bibliothek die Möglichkeit, ihre Leistungen nach außen darzustellen und im inneren einen Entwicklungs- und Kommunikationsprozess in Gang zu setzen. Und das Erreichen des Zertifikates verbessert das Image der Bibliothek.

Im letzten Beitrag berichtet Daniel Weger unter dem Titel „Qualität planen, steuern, sichern – die Zertifizierung von Bibliotheken in Südtirol“ von einem Zertifizierungs-verfahren auf Gegenseitigkeit, das die Südtiroler Bibliotheken zusammen mit dem Amt für Bibliotheken entwickelt haben. Hierzu wurden von den Bibliotheken Standards entwickelt. Die zu zertifizierende Bibliothek meldet sich für die Zertifizierung beim Amt an. Die Auditoren werden vom Amt im Einvernehmen mit der Bibliothek bestellt. Die Zertifizierung ist ebenfalls eine kollegiale Hilfestellung zur Weiterentwicklung der Bibliotheken. Sie erfolgt freiwillig. Zertifizierte Bibliotheken bekommen für drei Jahre zusätzliche Mittel zugewiesen. Der objektive Qualitätsnachweis hilft bei Verhandlungen mit den Trägern und hat zu einem Netzwerk der gegenseitigen Unterstützung geführt.

Adalbert Kirchgäßner

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ProzEsskostEnrEchnung In BIBlIothEkEn

erfahrungen, ergeBnisse und perspektiVen. dargestellt am Beispiel der uB mannheim1

per knudsen

Das ProJekT

Die Prozesskostenrechnung der Universitätsbibliothek Mannheim ist vor dem Hintergrund zweier Krisenerscheinungen des letzten Jahrzehnts zu betrachten: Zum einen stehen die wissenschaftlichen und öffentlichen Bibliotheken angesichts sinkender Erwerbungsetats und exorbitanter Steigerungen bei den Medienpreisen sowie sinkender Personalausstattung vor der Aufgabe, mit geringeren materiellen und finanziellen Mitteln die gestiegenen Anforderungen der Wissenschaftler und Studierenden an die Informationsversorgung und Benutzung der Bibliotheken ohne Kürzung des Angebots erfüllen zu müssen. Zum anderen zwingt die derzeitige Finanzkrise des Staates mit dem damit einhergehenden Personalabbau, den Budgetkürzungen sowie der Einführung von Globalhaushalten und der leistungsbezogenen Mittelzuweisung die Bibliotheken zum Umdenken und zur Anwendung neuer betriebswirtschaftlicher Steuerungsinstrumente.

Diese Entwicklung findet in Baden-Württemberg im Rahmen der Einführung der Neuen Steuerungsinstrumente (NSI) statt. Das NSI-Projekt zielt auf eine stärkere Dienstleistungs- und Kundenorientierung, auf die Optimierung und Rationalisierung des Ressourceneinsatzes sowie eine verstärkte Transparenz der Ressourcenverwendung durch die Gewinnung von Kennzahlen und Informationen zur Steuerung. Diese Transparenz gewinnt besondere Bedeutung im Kontext der dezentralen Ressourcenbewirtschaftung. Neben Struktur- und Entwicklungsplänen, Zielvereinbarungen, Evaluationen und der Einführung eines Berichtswesens ist die Implementierung betriebswirtschaftlicher Steuerungsinstrumente, vor allem der Kosten- und Leistungsrechnung (KLR), das zentrale Instrument der Verwaltungsreform.

1 aus gründen der lesbarkeit wird in diesem aufsatz auf die weibliche form bei personen- und funktionsbezeichnungen verzichtet. soweit die männliche form verwendet wird, schließt diese frauen in der jeweiligen funktion ausdrücklich mit ein.

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Die Universitätsbibliotheken tauchen im Rahmen der landesweiten Kosten- und Leistungsrechnung nur als Vorkostenstellen der Universitäten auf, deren Kosten auf andere Kostenstellen umgelegt werden. Damit hätte eine einfache Ermittlung der Kostenarten auf Seiten der Universitätsbibliotheken ausgereicht. Aus diesem Grund fasste die UB Mannheim im Jahr 2000 den Beschluss zum Aufbau einer eigenen Prozesskostenrechnung. Mit dieser Prozesskostenrechnung sollte ein internes Steuerungsinstrument gewonnen werden, das eine stärkere Kostentransparenz, eine optimale Steuerung des Ressourcenverbrauchs und eine Verbesserung der innerbetrieblichen Prozesse ermöglichen sollte. Besonders sollte die Prozesskostenrechnung dazu dienen, die erwarteten und auch wirklich eingetretenen Personalkürzungen durch eine bessere Ausnutzung des noch vorhandenen Personals wenigstens teilweise aufzufangen und eine Einschränkung des Angebots und der Benutzungsbedingungen der Bibliothek möglichst zu vermeiden.

Das Projekt, das nach Genehmigung durch den Personalrat der Universität Mannheim im Jahr 2001 mit den ersten Zeiterfassungen startete, wurde anfangs von einer halben Stelle BAT Vb betreut, seit Oktober 2003 von einer Kraft des höheren Dienstes, die etwa 25 % ihrer Arbeitszeit für die Betreuung der KLR und andere Controlling-Aufgaben verwendet. Man hat sich dabei in Mannheim dazu entschlossen, die Prozesskostenrechnung nicht als permanentes Instrument zur innerbetrieblichen Fein- und Kapazitätssteuerung zu verwenden, sondern sie zur punktuellen Prozessanalyse zu nutzen. Die in den einzelnen Abteilungen der Zentralbibliothek von 2001 bis Anfang 2004 durchgeführten Zeitaufschreibungen wurden 2004 ausgewertet. Wegen der dabei auftretenden Dateninkonsistenzen, die weiter unten noch erläutert werden, hat die Universitätsbibliothek im Juni 2005 eine Vollerhebung aller Abteilungen der Zentralbibliothek und aller Bereichsbibliotheken durchgeführt, deren Ergebnisse demnächst vorliegen werden.

MeThoDisches VorGeheN

Zunächst wurden die Teilprozesse mit den Mitarbeitern der Zentralbibliothek gemeinsam erarbeitet und dann Erhebungsbögen für die einzelnen Kostenstellen und Abteilungen erstellt. Es folgte dann ein mehrtägiger Test, in dem sich die Mitarbeiter mit den Teilprozessen und den Bögen vertraut machen und Korrekturwünsche einbringen konnten. Die Erhebungsbögen wurden dann entsprechend der Korrekturwünsche noch einmal überarbeitet und anschließend eine zweiwöchige Erhebung durchgeführt, während der die Mitarbeiter die für die jeweiligen Teilprozesse anfallende Arbeitszeit notierten. Die dabei erzielten Ergebnisse wurden bei der ersten Erhebung größtenteils unverändert übernommen. Nur bei Mitarbeitern, deren Tätigkeiten und Aufgaben

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zeitlich unterschiedlich stark anfallen – z. B. finden Datenbankschulungen fast ausschließlich am Beginn des Semesters statt –, wurde aufbauend auf den Ergebnissen der zweiwöchigen Zeitaufschreibung noch einmal eine Schätzung der Verteilung der Jahresarbeitszeit durchgeführt. Damit sollte ein realistisches Bild der Verteilung der Arbeitszeit gewonnen werden.2 Bei der 2005 durchgeführten Vollerhebung wurde diese Methode der Zeitschätzung dann bei allen Mitarbeitern angewandt.

Bei der Durchführung des Projektes und der Auswertung der Ergebnisse wurden die Vorgaben des Personalrats wie die anonyme Zeiterfassung und Auswertung der Ergebnisse jederzeit eingehalten. Auch wurden die Erfassungsbögen nach ihrer Auswertung vernichtet. Diese Vorgehensweise entspricht auch dem Sinn der Prozesskostenrechnung, die auf eine Analyse der Arbeitsprozesse und nicht auf Leistungsmessung zielt, bei der es daher auf eine Erfassung der Prozess- und nicht der Mitarbeiterzeiten ankommt.

Bei der Auswertung der Daten, die mit dem Programm LIBRARYMANAGER erfolgte, ergaben sich zwei Probleme: zum einen die inkonsistente Datenerhebung – nicht alle Teilprozesse wurden konsequent erhoben -, zum anderen der lange Zeitraum der Zeitaufschreibungen von 2001 bis 2004. So hatten sich in der Zwischenzeit u. a. personelle und organisatorische Veränderungen ergeben, die die Definition neuer Kostenstellen und Teilprozesse notwendig machten. Als Berechnungsjahr wurde das Jahr 2002 gewählt, da bis Ende 2002 etwa 50 % der Kostenstellen erhoben worden waren, weitere 50 % danach. Die Inkonsistenz in den Daten konnte erst 2005 durch die gleichzeitige Vollerhebung in der Zentralbibliothek und den Bereichsbibliotheken ausgeglichen werden. Diese Einschränkungen bedingen, dass die unten dargelegten Ergebnisse der Prozesskostenrechnung Näherungswerte darstellen, aber keine detailgetreue Abbildung der Kostenstruktur der Zentralbibliothek sind.

Ferner muss man bei der Interpretation der Ergebnisse und der errechneten Kosten die Berechnungsart und die Berechnungsgrundlage im Auge behalten. Bei der Prozesskostenrechnung der Universitätsbibliothek Mannheim handelt es sich um eine Vollkostenrechnung, die auch kalkulatorische Pensionen und virtuelle Mieten umfasst. Die errechneten Kosten liegen also weit über den jährlich anfallenden tatsächlichen Ausgaben. Zudem sind sie abhängig von den zugrunde gelegten Normwerten. Verringern oder erhöhen sich diese, verändern sich auch die Kosten. So hätte beispielsweise ein um 1 € verringerter Mietnormsatz die Gesamtkosten um über 112.000 € reduziert.

2 eine schätzung der Jahresarbeitszeit bringt wesentlich zuverlässigere ergebnisse, wenn sie nicht „ins Blaue hinein“ erfolgt, sondern eine vorherige zeitaufschreibung anhaltspunkte für die ungefähre Verteilung der arbeitszeit ergeben hat.

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kosTeNarTeN

Im Einzelnen wurden die Kostenarten wie folgt angesetzt und berechnet:

1. Die Personalkosten wurden auf der Grundlage der vom baden-württembergischen Finanzministerium erstellten Normwerte über den „Gesamtaufwand einer Stelle für planmäßige Beamte und Richter, Beamte z. A. und Richter auf Probe“ berechnet. Ist-Werte flossen also nicht in die Berechnung ein. Zu den vom Finanzministerium vorgegebenen Lohnkosten wurden kalkulatorische Pensionen in Höhe von 31 % der Lohnkosten, Personalnebenkosten in Höhe von 9 % der Lohnkosten, Beihilfekosten und der Verwaltungsgemeinkostenzuschlag hinzugerechnet.3 Hierdurch ergaben sich Lohnkosten, die etwa das Doppelte der tatsächlichen Ist-Ausgaben betragen. So wurde etwa eine nach A13 besoldete Stelle des höheren Dienstes mit Kosten von 88.720 € angesetzt.

2. Die Kosten der Literatur- und Informationsversorgung beinhalten nicht nur die Medienkosten, sondern auch Buchbindekosten. Sie wurden dabei als Verbrauchsmaterialien angesetzt und nicht als Investition über einen längeren Zeitraum abgeschrieben. Wie die Personalkosten wurden sie den jeweiligen Kostenstellen, bei denen sie anfielen, genau zugewiesen.

3. Diese genaue Zuweisung wurde, soweit möglich, auch bei den Sachkosten vorgenommen. Wo dies nicht möglich war, wurden die Sachkosten den Kostenstellen über einen Verteilerschlüssel zugewiesen. Die Sachkosten umfassen Ausgaben für Porto, Kommunikation, Umzüge, Fortbildung etc.

4. Die Bewirtschaftungskosten, also die Ausgaben für Strom, Heizung, Wasser, Reinigung etc., wurden nach Flächenanteilen auf die Kostenstellen umgelegt.

5. Die Gebäudekosten wurden gemäß den Vorgaben der landesweiten KLR mit 12,78 € pro qm Hauptnutzfläche angesetzt. Durch die Ansetzung einer virtuellen Miete ergaben sich, wie weiter unten zu sehen sein wird, deutlich höhere Kosten gegenüber der ebenfalls möglichen Abschreibung des Bibliotheksgebäudes. Diese Abschreibung des Gebäudes war allerdings nicht möglich, da die Gebäudeinvestitionen der letzten 50 Jahre (Zeitraum 1952-2002) ohne unverhältnismäßigen Aufwand nicht mehr festzustellen waren.

6. Die Investitionen in bewegliches Vermögen wurden dagegen nach NSI-Vorgaben abgeschrieben und durch direkte Zuweisung bzw. Schlüsselung auf die Kostenstellen verteilt.

3 der Verwaltungsgemeinkostenzuschlag umfasst kosten, die außerhalb der universitätsbibliothek für leistungen anfallen, die der Bibliothek zugute kommen, von dieser aber nicht in eigenleistung erbracht werden. hierzu gehört z. B. der anteil der uB an den kosten der zentralen Besoldungs- und Versorgungsstelle des landes Baden-Württemberg, aber auch der anteil an den kosten der universitätsleitung.

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Insgesamt ergaben sich daraus für das Jahr 2002 für die Zentralbibliothek Kosten in Höhe von 7,3 Mio. €. Diese entfielen zu 48 % auf die Personalkosten, zu 16 % auf die Kosten der Literatur- und Informationsversorgung, zu 4 % auf die Sachkosten, zu 8 % auf die Bewirtschaftungskosten und zu 24 % auf die virtuelle Miete und die Abschreibungen für das bewegliche Vermögen (Tab. 1).

kostenart zentralbibliothek der uB mannheim (in klammern ohne kalk. miete)

suB Bremen ulB münster

personalkosten 48 % (60 %) 40 % 65 %

kosten der literatur- und informationsversorgung

16 % (20 %) 27 % 21 %

sachkosten 4 % (5 %) 4 % 4 %

Bewirtschaftungskosten 8 % (10 %) 7 % 6 %abschreibungen 24 % (5 %) 22 % 4 %

Tab. 1: Die Verteilung der Kosten auf die Kostenarten –

Mannheim, Bremen und Münster im Vergleich

Während es durch die Singularität des Projekts der Universitätsbibliothek Mannheim im Bereich der Prozesskosten keine Vergleichsmöglichkeiten gibt, bietet sich bei den Kostenarten die Möglichkeit eines Vergleichs zu den Universitätsbibliotheken in Bremen und Münster. Die Zahlen von Münster stammen ungefähr aus dem Jahr 1998, diejenigen von Bremen aus dem Jahr 2002.4

Da die UB Bremen wie die UB Mannheim ihr Gebäude nicht abgeschrieben, sondern eine virtuelle Miete angesetzt hat, sind die Zahlen von Mannheim und Bremen direkt vergleichbar. Es zeigt sich, dass eine größere Abweichung nur bei den Personal- und den Medienkosten vorliegt. Die günstigere Kostenstruktur von Bremen kann dabei durch unterschiedliche Normwerte bei den Personalkosten und durch einen deutlich höheren Erwerbungsetat der dortigen Universitätsbibliothek gegenüber der Zentralbibliothek der Universität Mannheim (2002: 4,8 Mio. gegenüber 1,2 Mio.) erklärt werden. Es ist aber zu erwarten, dass sich die Kostenstruktur der UB Mannheim bei Einbeziehung der Bereichsbibliotheken der Kostenstruktur von Bremen angleichen wird, da in den Bereichsbibliotheken in Mannheim die Hälfte der Medienerwerbung erfolgt, dort aber nur ein Viertel des Personals eingesetzt ist.

4 ceynowa, klaus/coners, andré, kostenmanagement für hochschulbibliotheken (zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie; sonderheft 76), frankfurt a. m. 1999, 59; die zahlen von Bremen hat die uB mannheim direkt von den dortigen kollegen erhalten.

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Die Zahlen von Münster sind dagegen nicht direkt mit denen von Mannheim vergleichbar, da die UB Münster bei ihrer KLR ihr Gebäude über 50 Jahre hinweg abgeschrieben hat, in diesem Bereich pro Jahr also nur relativ geringe Kosten anfallen. Rechnet man bei den Werten aus Mannheim hingegen die virtuelle Miete heraus, ergibt sich auch hier eine sehr ähnliche Kostenstruktur, wobei zu beachten ist, dass in diesem Fall die Abschreibungen im Vergleich mit Münster wegen des Wegfalls der Gebäudekosten zu niedrig angesetzt sind. Bei dem Vergleich mit Münster zeigt sich aber, dass Mannheim trotz dieses Umstandes bei den Personalkosten wesentlich besser abschneidet. Würde man die Gebäudeabschreibungen mit einrechnen, ergäbe sich eine noch günstigere Kostenstruktur im Bereich der Personalkosten. Die signifikante Abweichung bei den Bewirtschaftungskosten dürfte auf die seit 1998 deutlich gestiegenen Energiepreise zurückzuführen sein.

Lässt man den Bereich Gebäude und Haustechnik außer Acht, für den, wie oben beschrieben wurde, keine Abschreibungen errechnet werden konnten, so gestaltete sich das Verhältnis von Investitionen zu Abschreibungen im Jahr 2002 für die Zentralbibliothek im Verhältnis 1 zu 2. Es wurde also doppelt so viel verbraucht, wie investiert wurde – die UB Mannheim lebte 2002 von ihrer Substanz.

kosTeNsTelleN

Betrachtet man die Verteilung der Kosten auf die Kostenstellen (Abb. 1), so fällt zunächst auf, dass 42 % aller Kosten auf die sog. Nutzungsbereiche entfallen. Nutzungsbereiche sind zum einen für die Nutzer zugängliche Bereiche, wie der Lesesaal oder die Lehrbuchsammlung, zum anderen aber auch die Magazinflächen der Zentralbibliothek. Diese Kosten fallen also dafür an, dass Medien aufbewahrt und Bibliotheksräume von Studierenden genutzt werden können. Die Kosten für diese Kostenstellen setzen sich zusammen aus Medien- und Bewirtschaftungskosten, vor allem aber der virtuellen Raummiete. Die Nutzungsbereiche verursachen damit insgesamt relativ geringe tatsächliche Ausgaben, hauptsächlich die Ausgaben für die Beschaffung von Medien sowie die Beleuchtung und Reinigung der Räume, aber relativ hohe kalkulatorische Kosten. Allerdings ist fraglich, ob der zugrunde gelegte Einheitsmietsatz von 12,78 € auf die großenteils in sanierungsbedürftigem Zustand befindlichen und für andere Zwecke nicht nutzbaren Magazinräume der Zentralbibliothek wirklich anwendbar ist. De facto dürften auch die kalkulatorischen Kosten hier also niedriger sein.

Die Nutzungsbereiche dienen im Rahmen der Prozesskostenrechnung vor allem dazu, die errechneten Prozesskostensätze von den Kosten der großen Flächen zu

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entlasten. Wenn beispielsweise die Mitarbeiter des Magazins die gesamten Raum- und Bewirtschaftungskosten der nur von ihnen betretenen Magazinräume zugewiesen bekommen hätten, wären die Prozesskosten in diesem Bereich unrealistisch hoch gewesen und hätten in keinem Verhältnis mehr zu denen anderer Abteilungen gestanden.

Abb. 1: Verteilung der Kosten auf Kostenstellen

Der zweitgrößte Kostenfaktor ist die Benutzung, also die Betreuung der Benutzungsbereiche, die Auskunftserteilung, die Ausleihe von Medien etc. Auf sie entfallen 15 % der Kosten. Damit werden 57 % der Kosten direkt durch die Nutzung der Bibliothek verursacht. 13 % der Kosten fallen bei der Bearbeitung von Medien an, 5 % bei der Bearbeitung von Zeitschriften und 7 % bei den Fachreferaten, insgesamt also 25 % bei der Auswahl, Erwerbung und Erschließung von Medien sowie der Schulung von Studierenden in Literatur- und Datenbankrecherche. Die Betreuung des umfangreichen elektronischen Medienangebots der Bibliothek beansprucht 5 % der Kosten. Insgesamt 13 % entfallen auf die Verwaltung und sonstige Kostenstellen.

ProzesskosTeN

Aus den Geschäftsprozessen der Zentralbibliothek werden im Folgenden die Wesentlichsten erläutert (Tab. 2):

Eine gebende Fernleihe kostete im Jahr 2002 etwa 10 €. Die nehmende Fernleihe war dagegen wegen des damit verbundenen Rechercheaufwands 2 € teurer. Die Bearbeitung von Subito-Bestellungen kostete dagegen ca. 20 €. Da dieser Geschäftsgang allerdings mittlerweile wesentlich gestrafft und die Bearbeitung deutlich beschleunigt wurde,

42%

15%13%

8%

7%5% 5% 5%

Nutzungsbereiche BenutzungMedienbearbeitung VerwaltungFachreferate Digitale BibliotheksdiensteZeitschriftenstelle Sonstige Kostenstellen

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dürfte dieser 2002 im Vergleich zur Fernleihe außergewöhnlich hohe Wert mittlerweile auf dem Niveau der gebenden Fernleihe liegen.

produkt/geschäftsprozess cost driver menge cost driver

prozess-kosten (in €)

prozesskosten-satz (in €)

gebende fernleihe gebende fernleihen

14.207 141.449,80 9,96

nehmende fernleihe nehmende fernleihen

19.275 234.452,48 12,16

subito subito-Bestellungen 4.865 99.839,17 20,56

ausleihe magazin ausleihen magazin 262.961 729.534,21 2,77

ausleihe lehrbuchsammlung

ausleihen lBs 93.644 125.685,83 1,34

Benutzerverwaltung aktive entleiher 16.213 77.745,32 4,80

Benutzerberatung und –schulung

aktive entleiher 16.213 302.070,53 18,63

Bearbeitung einer print-zeitschrift

print-zeitschriften 3.595 198.600,02 55,24

Bearbeitung einer medieneinheit

medien-erwerbungen

14.864 970.855,92 65,32

tausch und geschenk tausch- und geschenk-exemplare

2.409 84.255,47 34,98

aussonderung aussonderung monographien

9.146 68.184,54 7,46

konversion retrokonvertierte medien

11.539 47.283,44 4,10

Tab. 2: Prozesskostensätze

Eine Ausleihe im Magazin kostete wegen des damit verbundenen Personalaufwands 2,77 €, doppelt so viel wie eine Ausleihe in der Lehrbuchsammlung, in der die Bücher frei zugänglich aufgestellt sind und die Ausleihe über eine Selbstverbuchungsanlage erfolgt. Für die Benutzerverwaltung wendete die Bibliothek 4,80 € pro Nutzer auf, ein Wert, der vor allem durch die Anmeldung von Nutzern und die Adressenverwaltung entsteht. Für die Beratung und Schulung von Nutzern, Führungen und Datenbankkurse, eine Tätigkeit, die durch die Vielzahl an elektronischen Medien und Ressourcen noch an Bedeutung gewinnen wird, fielen ca. 18,60 € pro Nutzer an.

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Teurer sind die Prozesskosten der Medienbearbeitung. Bei der Bearbeitung einer Print-Zeitschrift (55 €), einer Medieneinheit – Monographie oder CD, ohne Zeitschriften – (65 €) und eines über Tausch oder als Geschenk erworbenen Mediums (35 €) wurde jeweils der ganze Prozess der Erwerbung gemessen, von der Auswahl des Mediums über die Akzession, Inventarisierung, Katalogisierung und technische Buchbearbeitung bis zum Einstellen des Mediums in das Regal. Auffällig ist, dass die Bearbeitung einer über Tausch und Geschenk erworbenen Medieneinheit nur halb so teuer ist wie der Kauf einer Medieneinheit. Dies liegt daran, dass beim Erwerb über Tausch und Geschenk die Vorauswahl durch die Fachreferenten, die Preisermittlung, die Mahnungen an Lieferanten sowie die Rechnungsprüfung und –anweisung wegfallen. Zudem ist die Titelaufnahme bei solchen Medien oft einfacher. Gerade bei dem sehr hohen Wert für die Erwerbung einer Medieneinheit ist allerdings zu beachten, dass die Zahlen eben kalkulatorische Kosten umfassen und nicht die jährlich effektiv anfallenden Ausgaben wiedergeben.

Auch bei der Aussonderung und Konversion wurden die ganzen Arbeitsvorgänge gemessen. Die Aussonderung kostete durch die notwendige Auswahl der auszusondernden Medien und die Löschung im Katalog und im Lokalsystem ca. 7,50 €, die mittlerweile fast abgeschlossene Retrokonversion von bisher nicht online katalogisierten Medien 4,10 €.

(MÖGliche) reorGaNisaTioNsMassNahMeN UND aNPassUNGeN

Aus den Zahlen der Prozesskostenrechnung ergaben sich folgende (mögliche) Reorganisationsmaßnahmen und Anpassungen:

Die wichtigste Veränderung fand bei der Organisation des Erwerbungsgeschäftsgangs statt. Der Ausgangspunkt waren dabei die Kosten für Vorakzession und Akzession (ca. 230.000 €) und die Kosten für die Erwerbung und Bearbeitung einer Medieneinheit (ca. 65 €). Die Leitung der Universitätsbibliothek nahm beide Zahlen zum Anlass, zusammen mit der Leitung der Medienbearbeitung den Gang eines Buches durch die Bibliothek (organisatorisch und räumlich) zu analysieren und zu optimieren. Bei der Analyse zeigten sich einige Schwachpunkte im Prozess, die durch folgende Maßnahmen beseitigt wurden:

1. Es zeigte sich, dass die Vorakzession, also das Überprüfen, ob ein Buch schon in Mannheim vorhanden ist, oft durch die Fachreferenten und die Medienbearbeitung erfolgte, also Doppelarbeit stattfand. Daher wurde beschlossen, dass die Vorakzession ab sofort ausschließlich durch die Fachreferenten erfolgen soll, die im

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Gegenzug durch eine Organisationsreform von Verwaltungstätigkeiten entlastet werden sollen. Eine Bestandsüberprüfung durch die Medienbearbeitung erfolgt nur noch nach ausdrücklicher Aufforderung durch den jeweiligen Fachreferenten. In allen anderen Fällen liegt die Verantwortung für den Bucherwerb ausschließlich bei den Fachreferenten.

2. Bei der Vorakzession und Literaturauswahl ermitteln die Fachreferenten in den meisten Fällen ohnehin die elektronischen Daten des zu erwerbenden Titels. Dieser wird zukünftig von den Fachreferenten in ein elektronisches Bestellformular eingetragen und von dort in das Bibliotheksverwaltungssystem i3v eingetragen. Dadurch entsteht ein Pool von Bestellungen, auf den alle Mitarbeiter der Medienbearbeitung jederzeit zugreifen können. Da die Fachreferenten bisher sehr heterogene Bestellwege nutzten (Bestellungen direkt in i3v, E-Mail, Ausdruck, Kopien), erleichtert die Vereinheitlichung des Bestellvorganges die Arbeit in der Medienbearbeitung (kein Sortieren von Bestellungen, keine Liegezeiten bei Abwesenheit eines Mitarbeiters) erheblich. Zudem beschleunigt das Webformular die Bestellungen gegenüber dem bisher teilweise genutzten elektronischen Bestellweg über direkte Eintragungen in i3v.

3. Die bisher sehr heterogene Verschlagwortungspraxis der Fachreferenten wurde vereinheitlicht. Bisher war es so, dass einige Fachreferenten die Schlagworte selbst im Verbundkatalog eintrugen, andere die Schlagworte auf Zettel notierten. Im letzteren Fall gingen die Bücher an die Medienbearbeitung zurück, wo die Schlagworte dann eingetragen wurden. Da die Titel und die Ansetzungsformen der Schlagworte bei der Fremddatenrecherche und der Schlagwortvergabe durch die Fachreferenten ohnehin oft im Katalog aufgerufen werden müssen, tragen alle Fachreferenten die Schlagworte ab sofort selbst im Verbundkatalog ein. Der zeitliche Mehraufwand für das Eintragen der Schlagworte tendiert bei den Fachreferenten gegen Null, doch wird auf diese Weise eine Schleife im Geschäftsgang beseitigt, wodurch Liege- und Transportzeiten verringert werden.

4. Die Einarbeitung eines Buches wurde ferner dadurch beschleunigt, dass das Aufkleben der Signaturschilder neu beschaffter Monographien künftig nicht mehr in der Einband- und Beschriftungsstelle stattfindet, sondern von den für die Katalogisierung zuständigen Mitarbeitern der Medienbearbeitung übernommen wird. Hierzu war es notwendig, die Aufstellung im Magazin zu ändern, wo jetzt jede physische Einheit streng nach Numerus currens aufgestellt wird. Mehrbändige Werke stehen dadurch zwar teilweise nicht mehr zusammen, doch ist es nun möglich, den Katalogisiererinnen Signaturenkontingente zuzuweisen, die von diesen nach Eingang der Bücher vergeben werden. Durch diese Maßnahme beschleunigt sich der Durchlauf der Bücher erheblich. Allerdings werden sich durch die Tatsache, dass die Signaturschilder zukünftig von Angehörigen des gehobenen Dienstes und nicht mehr von Angehörigen des mittleren Dienstes bzw.

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studentischen Hilfskräften aufgeklebt werden, an dieser Stelle des Geschäftsgangs die Prozesskosten zukünftig geringfügig erhöhen.

5. Schließlich fiel bei der Analyse des Geschäftsgangs auf, dass die Bearbeitung der Medien in verschiedenen Stockwerken erfolgte und dass eng zusammenarbeitende Betriebseinheiten nicht immer in räumlicher Nähe zueinander angesiedelt waren. Um diesen Zustand zu beheben, zog die Fernleihe ins Erdgeschoss, wo sie nun in unmittelbarer Nähe zur Poststelle und zum Magazin angesiedelt ist. Die Medienbearbeitung konnte durch die nun freigewordenen Räume der Fernleihe bis auf wenige Mitarbeiter in einem Flur konzentriert werden. Ferner wurde der bisher im Erdgeschoss befindliche Scanner, mit dem Inhaltsverzeichnisse, Klappentexte etc. zur Anreicherung des Verbundkataloges digitalisiert werden, ebenfalls in diesem Flur untergebracht. Dadurch verlassen die Bücher diesen Flur bis zu ihrer Fertigstellung im Regelfall nicht mehr. Vielmehr werden sie in der Medienbearbeitung inventarisiert und katalogisiert, kommen dann zu den Fachreferenten und werden von diesen in den Scannerraum gebracht, wo sie gescannt, zurückgebucht, mit Folie zum Schutz der Signaturen beklebt und an das Magazin oder die Ausleihe weiterverteilt werden.

Ausgehend von dem Umstand, dass die Erwerbung und die Einarbeitung einer Medieneinheit ca. 65 € kosten, wird die Bibliothek nach dem Wegfall der landeseinheitlichen Gebührenordnung ab dem Jahr 2007 die Gebühr für Ersatzbeschaffungen beim Verlust von Büchern anheben. Hierdurch soll ein höherer Kostendeckungsgrad erreicht werden.

Eine weitere Veränderung ergab sich durch die in der Lehrbuchsammlung ermittelte Wartezeit von Hilfskräften im Wert von etwa 7.700 €. Diese Wartezeit ergibt sich an der Aufsichtstheke, wenn gerade keine Bücher zurückgegeben werden und die Hilfskräfte nicht durch interne Arbeiten beschäftigt sind. Inwiefern eine solche Wartezeit auch in den Bereichsbibliotheken anfällt, wird sich bei der Auswertung der Erhebung aus dem Jahr 2005 zeigen. Als Optimierungsmaßnahme wurden insbesondere die Fachreferenten angewiesen, Aufsichtskräfte zukünftig mit zusätzlichen Aufgaben zu betrauen.

Schließlich wird die Universitätsbibliothek als Konsequenz der Ergebnisse der Prozesskostenrechnung die bereits laufenden Planungen für eine Freihandaufstellung der Erwerbungen der Zentralbibliothek der letzten 20 Jahre verstärkt vorantreiben. Laut KLR beliefen sich die Prozesskosten für eine Magazinausleihe im Jahr 2002 auf 2,77 €, diejenigen für eine Ausleihe aus der Lehrbuchsammlung auf 1,34 €. Etwa zwei Drittel der Ausleihen der Zentralbibliothek entfallen auf Bestände der letzten 20 Jahre, im Jahr 2002 also etwa 175.000 von 263.000 Ausleihen insgesamt.

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Diese 175.000 Ausleihen verursachten Prozesskosten in Höhe von ca. 486.000 €. Wären diese Bestände wie die Bestände der Lehrbuchsammlung freihand mit einer Selbstverbuchungsanlage aufgestellt gewesen, so hätten sich die Prozesskosten lediglich auf ca. 235.000 € belaufen. Die Zentralbibliothek hätte also in diesem Fall brutto ca. 250.000 € an Prozesskosten gespart. Sollte eine Freihandaufstellung der Bestände der Zentralbibliothek realisiert werden, müssen davon allerdings erhebliche Aufwendungen für die geplante Verlängerung der Öffnungszeiten, die Sicherung der Medien, die dann notwendigen aufwändigeren Ordnungsarbeiten im Freihandbereich etc. abgezogen werden. Diese Mehrkosten dürften sich auf etwa 180.000 € belaufen, so dass ein Einsparungspotenzial von 70.000 € übrig bleibt.

Bei diesen Maßnahmen sei allerdings noch einmal darauf hingewiesen, dass es sich bei „Einsparungen“ nicht um wirkliche Einsparungen, die im Haushalt sichtbar werden, sondern um Veränderungen der Prozesskostensätze handelt. Diese werden sich lediglich in internen Umschichtungen und veränderten Prioritätssetzungen in der Benutzungs- und der Medienabteilung auswirken. Freiwerdende Kapazitäten sollen dabei in folgenden Bereichen eingesetzt werden:

1. Zu verstärkten Auskunfts- und Beratungsaktivitäten, vor allem in den Bibliotheksbereichen Ehrenhof, BWL, A 3 und A 5, also den Bereichsbibliotheken der UB Mannheim.

2. Zur verstärkten Umsystematisierung der Bestände auf die Regensburger Verbundklassifikation mit dem Ziel einer einheitlichen Aufstellungssystematik in allen Bibliotheksbereichen.

3. Zur seit längerem aufgrund zu geringer Personalkapazitäten vernachlässigten Revision der Bestände in den Bereichsbibliotheken und im Magazin.

4. Zur Aussonderung größerer Magazinbestände, die durch die zu starke Magazinauslastung der Zentralbibliothek in den nächsten Jahren notwendig sein wird.

5. Zur Aufrechterhaltung und evt. Ausweitung des universitätsinternen Dokumentlieferdienstes MALS.

6. Zum Digitalisieren häufig benötigter Literatur, die nicht mehr vom Urheberrecht betroffen ist.

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aUsblick

Die Prozesskostenrechnung hat sich aus Sicht der Universitätsbibliothek als internes Steuerungsinstrument bewährt und erheblich zur besseren Ausnutzung der vorhandenen Personalkapazitäten und zur schnelleren Bereitstellung von Medien für die Nutzer beigetragen. Die Erhebung im Jahr 2005 verspricht durch die Einbeziehung der Bereichsbibliotheken weitere aufschlussreiche Ergebnisse. Die Universitätsbibliothek plant für 2008 eine weitere Erhebung, um die bis dahin erfolgte Reorganisation zu evaluieren und die Prozesse weiter zu optimieren.

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nEw PuBlIc managEmEnt In DEr aargauEr kantonsBIBlIothEk – EIn BlIck hIntEr DIE kulIssEn

ruth Wüst

New Public Management (NPM) ist in der Schweiz auf sämtlichen föderalistischen Ebenen in unterschiedlicher Intensität zum festen Bestandteil des Verwaltungsalltags geworden. In 16 von 26 Kantonen wird NPM definitiv oder in einer Versuchsphase eingesetzt. Der Kanton Aargau war einer der Kantone, die eine Vorreiterrolle spielten. Die Aargauer Kantonsbibliothek nahm mehrere Jahre an einem Pilotprojekt teil, seit 2006 arbeitet sie vollumfänglich mit NPM. Der Namen für NPM sind viele, für die Kantonsbibliothek bedeutet das, dass Wirkungen, Leistungen und Finanzen nach den Grundsätzen der wirkungsorientierten Verwaltungsführung (WOV) geplant und gesteuert werden.

Eine Reihe weiterer Schweizer Bibliotheken, darunter die Nationalbibliothek oder die Zentralbibliothek Luzern, arbeiten ebenfalls mit NPM. Die Aargauer Kantonsbibliothek arbeitet mit NPM in 4-Jahreszyklen, mit einer Planung, die aus einem Finanzteil und einem Sachteil besteht. Die Bibliothek, die organisatorisch zur Abteilung Kultur im Departement Bildung, Kultur und Sport gehört, wurde innerhalb des Aufgaben- und Finanzplans der Abteilung Kultur als Produktgruppe definiert. Der Produktgruppenplan, in dem die Planung der Bibliothek festgelegt wird, beginnt immer mit einem Teil, der sich „Umschreibung des Steuerungsbereichs“ nennt. Dieser lautet wie folgt:«Die Aargauer Kantonsbibliothek ist eine öffentliche Bibliothek mit wissenschaftlicher Ausrichtung und regionalem Sammelauftrag. Sie sammelt, erschliesst, erhält und vermittelt gedruckte oder auf anderen Informationsträgern gespeicherte Informationen. Sie koordiniert die Bibliotheken der kantonalen Verwaltung und Schulen. Die Kantonsbibliothek erfüllt ihre Aufgabe insbesondere durch die langfristige Erhaltung von veröffentlichten Informationen über den und aus dem Kanton Aargau, die Bereitstellung von Dokumentensammlungen und anderen Informationsquellen, das Zugänglichmachen von Wissen und Informationen durch verschiedene Medien und Dienstleistungen und die Präsentation und Vermittlung der Sammlung.»

Diese Definition wurde nicht für die Planung erfunden, sondern das ist auch der Wortlaut aus dem neuen Aargauer Kulturgesetz, das die Kantonsbibliothek rechtlich verankert und dem ihr Auftrag entnommen werden kann.

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Die Aargauer Kantonsbibliothek ist im Schweizer Zusammenhang von mittlerer Grösse, leidet etwas an der Situation im Kanton keine Universität zu haben und gehört deshalb nicht zum Kreis der Universitätsbibliotheken, die in der Doppelfunktion auch Kantonsbibliotheken sind. Die Bibliothek besitzt eine unschätzbare Sammlung von Handschriften, Inkunabeln. Besonders erwähnenswert ist die Gründungsbibliothek, die Sammlung Zurlauben, eine Privatbibliothek aus dem 17.Jahrhundert mit etwa 7000 Bänden.

Als ich 2004 die Leitung der Kantonsbibliothek übernahm, befand sich die Bibliothek noch in der NPM Pilotphase, die Budgetierung erfolgte aber noch nach traditionellen Grundsätzen. Die Einhaltung des Budgets und nicht die Unterschreitung wurde angestrebt. Eine Überschreitung war nicht vorgesehen. Als wesentlicher Kritikpunkt dieser traditionellen Arbeitsweise sei hier die Verantwortungsspaltung, also die Trennung zwischen Fach- und Ressourcenverantwortung genannt. Diese förderte auch bei uns Verhaltensweisen wie das berühmt-berüchtigte „Novemberfieber“ oder anderen unverantwortlichen Umgang mit Ressourcen. Im traditionellen Haushaltwesen wird der Ressourcenverbrauch und nicht die Leistung belohnt.

Als ich zu Beginn versuchte einen Blick hinter die Kulissen des Bibliotheksbudgets zu werfen, sah ich nicht sehr viel Klares: Auf welchen Grundlagen die Höhe des Budgets jemals berechnet wurde konnte mir niemand erklären. Dass die Bibliothek kein Konto für Öffentlichkeitsarbeit besass, hatte sicher damit zu tun, dass es diese Arbeit auch nicht gab. Ein Spesenkonto war nicht vorhanden und dem Finanzchef war nicht unbedingt einsichtig, dass sich Bibliothekare auch ausserhalb ihrer Bibliothek bewegen könnten. Aber das war 2004. Da ich am Ende der NPM Testphase meine Arbeit begann, war es relativ schwierig einzusteigen. Ein Vorteil allerdings war, dass die neue Struktur noch nicht fertig war und ich mit meinem Leitungsteam die Inhalte unseres Geschäfts selbst festlegen konnte.

Die Struktur entstand auf der folgenden NPM-Basis: • Kunden- (bürger-) orientiertes Arbeiten der Verwaltung steht im Vordergrund • Verwaltungsabteilungen erhalten für ihre Dienstleistungen messbare

Leistungsvorgaben• Weitgehende Autonomie im Mitteleinsatz zur Erreichung der Leistungsziele • Politik konzentriert sich auf mittel- und langfristige Leistungsaufträge und

Zielvorgaben

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Die siTUaTioN iN Der kaNToNsbiblioThek heUTe

In unserer Struktur hat sich nicht – oder noch nicht – Grundlegendes verändert. Wir bilden eigentlich nach wie vor unser traditionelles Bibliotheksgeschäft in der neuen NPM Struktur ab. Und wenn es uns auch noch schwer fällt, unsere Denkstrukturen zu verändern, wir haben auf jeden Fall schon einmal die Begrifflichkeiten geändert. Das heißt, im Moment machen wir die alten Dinge in neuen Planungs- und Rechnungsstrukturen. Für die Planung haben wir unsere Abteilungen in Kostenstellen umgewandelt und innerhalb von Abteilungen Produkte definiert:

• Sammlung• Ausleihe• Fernleihe• Kurswesen• Aargauer Bibliotheks-Verbund

Das ist nicht wirklich neu. Wirklich neu ist, dass wir eine rollende Planung haben und Budgets für vier Jahre planen. Da mein Auftrag zu Beginn meiner Arbeit die Reorganisation der Bibliothek war, war für mich das Zauberwort und die Rettung: das Globalbudget.

Durch NPM erhielt die Kantonsbibliothek ein Globalbudget, das heißt: eine neue Budgetierungsform, die auf eine detaillierte Kontierung auf Kontoebene verzichtet. Gegenüber dem Parlament wird nur noch der Saldo der Laufenden Rechnung (Aufwand- oder Ertragsüberschuss) ausgewiesen.

Das Globalbudget ermöglicht beispielsweise, dass ein verhältnismäßig kleines Projekt, das nur als Möblierungsprojekt genehmigt wurde, in einen größeren Umbau ausgebaut werden konnte. Wir hatten eigentlich nur Geld, um neue Möbel für die Publikumsräume zu kaufen. Die Architekten stellten aber fest, dass die Trennwand zwischen Lesesaal und Auskunft völlig neu gebaut werden musste. Dafür war aber nichts eingeplant. Durch die Festlegung eines neuen Jahresschwerpunkts konnten jedoch Gelder aus dem Betrieb für ein Jahr dafür eingesetzt werden und es gelang so, der Bibliothek wirklich ein neues Gesicht zu geben.Ein Teil der Umbaukosten wurde innerhalb des Globalbudgets aus dem Erwerbungskredit finanziert und ein weiterer Teil wurde aus Mitteln des Buchbinderbudgets bezahlt. Dort hatten wir in den letzten Jahren massiv eingespart, da viele Zeitschriften nicht mehr gebunden, sondern eingeschachtelt werden.Entscheidend neu ist auch, dass wir die Lohnkosten auf jedes Produkt verteilen und so

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sehen, was uns Dienstleistungen eigentlich kosten. Das uns zugewiesene Budget muss allerdings nach wie vor am Ende des Jahres abgeschlossen werden, Überträge dürfen nicht gemacht werden. Es liegt aber, wie gesagt, in meiner Zuständigkeit bei einem Konto zu überziehen, während andere Konti nicht völlig ausgeschöpft werden.

Die Freiheit innerhalb des Budgets Gelder aus einem Bereich in einem anderen einsetzen zu können und gleichzeitig dem Parlament nur noch den Saldo auszuweisen, hat natürlich auch einen Preis, nämlich den der Kontrolle und Steuerung über Zielsetzungen, deren Erreichbarkeit dann auch gemessen wird und über die wir Rechenschaft ablegen müssen.

Früher war es so, dass ich bei jedem neuen Projekt den vorgesetzten Stellen und schlussendlich dem Parlament unser Geschäft immer wieder erklären musste. Sinn und Zweck einer Bibliothek standen jeweils schnell auf der Tagesordnung. Heute ist durch die Darstellung in unseren Planungspapieren für jeden Parlamentarier ersichtlich, was wir tun und zu welchem Zweck dies geschieht.

Die VorTeile Des NPM

Wir können dem Parlament und unserer vorgesetzten Behörde in einem Aufgaben- und Finanzplan unser Geschäft abbilden und mit Hilfe von Leistungskennzahlen und Zieldefinitionen die Notwendigkeit und den Sinn unseres Kerngeschäfts begründen. Die Kennzahlen geben immer viel Grund zur Diskussion. Welche Zahlen bilden unser Geschäft am besten ab und mit welchen Indikatoren, d.h. mit welchen Messgrössen, wollen wir uns „verkaufen“?

Eigentlich könnten wir hinter den Kulissen die Messgrößen sehr gut für unser internes Controlling verwenden. Das Dilemma dabei ist, dass diese Planungspapiere innerhalb der Behörde und dem Parlament gegenüber einsichtig sind. D.h. wenn wir sozusagen „die Flanke“ dort zu sehr durchsichtig machen, bieten wir natürlich auch Angriffsfläche für mögliche Kürzungen. Transparenz gegenüber zu großer Offenheit muss abgewogen werden.

Wir versuchen unseren Leistungsauftrag mit möglichst einfachen und relativ sinnvoll messbaren Kennzahlen abzubilden und beschränken uns dabei im Moment auf Zahlen wie Anzahl der Besucher oder Zuwachs an verfügbaren Medien. Je mehr Messgrössen es gibt, desto besser könnte man das interne Controlling betreiben. Der Aufwand für dieses Controlling darf aber nicht unterschätzt werden. Alleine die Zeit, die jetzt in die Planung und Erstellung der Aufgabenpläne und Jahresberichte investiert wird,

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ist erheblich. Grosse Bibliotheken haben dafür oft eine neue Controllingposition geschaffen. Die Kennzahlen sind jedoch nicht der wirklich wichtige Teil der Planungsstruktur. Diese Leistungskennzahlen müssen zu Beginn jeder Planungsphase für vier Jahre in die Zukunft projiziert werden.

Stimmt am Ende des Jahres dann die Planungszahl nicht mit der real erreichten Grösse überein, muss jede Abweichung begründet werden. Der weit wichtigere Teil der Planung allerdings sind die Entwicklungsschwerpunkte. An ihnen zeigen sich vor allem die Vorteile der neuen Struktur:Jede Aktivität, die über das eigentliche Kerngeschäft hinausgeht wird dort abgebildet. Neue Aufgaben werden so erstmalig in den Arbeitsprozess eingeführt. Nur über die Einführung als Entwicklungsschwerpunkt kann für Projekte ausserhalb des normalen Budgets auch eine Finanzierung beantragt werden. Das bedeutet, dass ohne grossen bürokratischen Aufwand ein Projekt angestossen werden kann, auch ohne bereits wirklich alle Planungsdetails zu kennen.

Ein Entwicklungsschwerpunkt ist der erste Schritt, neue Unternehmungen in unsere ja doch immer noch ziemlich statischen Organisationen einzuspeisen. Beispiele, die wir in den letzten Jahren so erfolgreich durchgeführt haben, sind ein grosses Rekatalogisierungsprojekt oder auch kleinere Aufgaben wie den Aufbau einer internen Weiterbildungsreihe.

Entwicklungsschwerpunkte geben uns Profil und bilden unsere Aktivitäten ab. Dort können wir neue Aufgaben initiieren und zeigen, dass wir wichtige Arbeiten neben unserem Kerngeschäft durchführen. Wird ein Entwicklungsschwerpunkt schliesslich am Ende eines Projekts in den Geschäftsgang eingebunden, kann ich dafür im Rahmen des Gesamtbudgets die laufenden Betriebskosten beantragen und einbinden.

Am Ende des Reportingzyklus steht der Jahresbericht, der ähnlich wie die Produktgruppenpläne daher kommt und nichts mehr mit den Hochglanzbroschüren vieler Bibliotheken zu tun hat. Der Jahresbericht ist eine Berichterstattung an unseren Geldgeber, das Parlament – schlussendlich an den Steuerzahler. Auch dort werden Abweichungen der Messzahlen begründet und Bericht über die Erreichung der Jahresziele erstattet. Diese Art von Berichterstattung hat viele Vorteile und benötigt gegenüber einem Prosajahresbericht viel weniger Zeit.

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VeräNDerN NeUe PlaNUNGssTrUkTUreN laNGFrisTiG aUch beTriebsabläUFe?

Ähnlich wie bei der Automatisierung der Bibliotheken erleben wir mit NPM eine einschneidende Veränderung in unseren Prozessen, die wir in Phasen angehen:John Diebold argumentierte in seinem Buch über Automatisierung, dass technologischer Wandel immer in drei Phasen abläuft.1 Ich glaube, dass wir in ähnlicher Art und Weise den Wandel durch NPM erleben werden: Wir befinden uns zur Zeit in der ersten Phase des Wandels, wo wir mit zwar neuen Steuerungsinstrumenten nach wie vor unser traditionelles Geschäft abbilden.

Zu Beginn machte es uns Schwierigkeiten, aus dem Rahmen der engen Kontoführung auszubrechen und das globale Budget zu betrachten.

Folgt man Diebolds Theorie, verändert sich erst in einer zweiten Phase die Definition und die Art und Weise der Arbeit.

Nach drei Jahren Arbeit mit NPM meine ich, dass wir jetzt langsam daran sind, zu verstehen, dass wir innerhalb dieses NPM-Instrumentariums auch unsere traditionellen Arbeiten verändern können und müssen.

Wir beispielsweise sind gerade daran, unsere Fachreferate zu verkleinern und teilweise aufzulösen. Wir haben begonnen mit Approval Plans zu arbeiten, mit denen wir dann schließlich direkt bei der Buchlieferung die Katalogdaten vom Lieferanten erhalten werden.

Erst in einer dritten Phase werden wir dann über eine wirkliche Neudefinition unseres Geschäfts nachdenken müssen und dann wohl nicht mehr unsere traditionelle Struktur von Benutzung und Sammlung einfach im neuen Planungsschema wieder abbilden. In dieser dritten Phase kann man sich vorstellen, dass sich zum Beispiel unser Kerngeschäft so verändert hat, dass wir uns nicht mehr über diese Zweiteilung im Produktgruppenplan der Benutzung und der Sammlung, die sich direkt an die Buchausleihe und Buchsammlung anlehnt, definieren werden. Die digitalisierte Welt hat dann massiv in unser Kerngeschäft eingegriffen und es entsprechend verändert.

1 John diebold: automation. ein klassiker der management-literatur mit einer aktuellen einführung. köln 1984.

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DIE BalancED scorEcarD DEr vorarlBErgEr lanDEsBIBlIothEk1

harald Weigel

Die Hochschulen, die bibliothekarischen Ausbildungsstätten und die Bibliotheken selbst beschäftigen sich seit Jahren in ganz anderer Intensität und Ernsthaftigkeit als früher mit grundsätzlichen Fragen von Theorie und Praxis des Bibliotheksmanagements. Dies wird stimuliert durch die mittlerweile weit verbreiteten Bestrebungen in den Verwaltungsapparaten, neue Steuerungsinstrumente – Public Management – einzusetzen. Es ist eine Zunahme der Selbstreflexion zu beobachten, und der Wille, sich an Strategien zu orientieren, wie sie für Wirtschaftsunternehmen entwickelt wurden – theoretisch. Die Praxis in den Bibliotheken steht dem allerdings diametral entgegen. Abgesehen von singulären Projekten einzelner persönlich Interessierter gibt es institutionell verankert wohl nur in wenigen Bibliotheken offengelegte und nachvollziehbare Systematiken zur Planung und Steuerung. Wirklich brauchbare Vorbilder haben wir nicht gefunden. An Literatur zum Thema mangelt es mittlerweile nicht, jedoch an veröffentlichten Beispielen praktischer Umsetzung. Der Tagesbetrieb absorbiert anscheinend die Ressourcen.

Die Übertragung betriebswirtschaftlicher Konzepte in den Bereich der öffentlichen Verwaltung und insbesondere in die Sphären von Bildung und Kultur ist unmittelbar nicht möglich. Rentabilität (Return on Investment) ist kein Kriterium zur Beurteilung staatlicher Dienstleistungen, für den öffentlichen Dienst sind die angestrebten Wirkungen entscheidend. Plädoyers für eine Outcome-orientierte Leistungsmessung von „Wert und Wirkung von Bibliotheken“ und eine Abkehr von der althergebrachten Bibliotheksstatistik häufen sich. Gefordert wird ein Strukturwandel in der Betrachtungsweise, die nunmehr die gesellschaftliche Bedeutung von Bibliotheken in den Blick nehmen sollte. Der Wert von Bibliotheken lasse sich erst zeigen, wenn er in Relation zu den Menschen definiert wird, für die die Bibliotheken da sind. Der Trend geht von der Leistungs- zur Wirkungsmessung.2

1 grundlage des textes ist die gemeinsam mit guntram rauch und Johannes kanonier verfasste praxisarbeit im rahmen des Betriebswirtschaftlichen lehrgangs des amtes der Vorarlberger landesregierung, kurs 2007/2008: Bibliothekscontrolling. der einsatz der Balanced scorecard und aspekte des controlling in der Vorarlberger landesbibliothek.

2 othmar fett: impact – outcome – Benefit. ein literaturbericht zur Wirkungsmessung für hochschulbibliotheken. Berlin 2004 (Berliner handreichungen zur Bibliothekswissenschaft 142). url: http://www.ib.hu-berlin.de/~kumlau/handreichungen/h142/h142.pdf (13.3.2010); roswitha poll: Was dabei herauskommt: Wirkungsforschung für Bibliotheken. in: zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie, 53 (2006) 2, 59–70; sandra Blanck: Wert und Wirkung von Bibliotheken. in: neues für Bibliotheken, neues in Bibliotheken, hg. von rolf fuhlrott u.a. Wiesbaden 2006 (B.i.t.online – innovativ 12), 9–105.

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Im Rahmen der Einführung neuer Steuerungsinstrumente für die Vorarlberger Landesverwaltung unter dem Namen „V aufkurs“ war es auch für die Vorarlberger Landesbibliothek wichtig, sich mit dem Thema „Wirkungsorientierte Verwaltung“ auseinanderzusetzen und für die Arbeit in einer Bibliothek zu adaptieren und zu konkretisieren. Da die Balanced Scorecard das Modell für die in der Landesverwaltung praktizierte Wirkungsanalyse vorgibt und zugleich auch in der bibliothekarischen Welt als attraktive Methode diskutiert wird, lag es nahe, sich mit diesem Managementinstrument näher zu beschäftigen. Schließlich geht es darum, einen praktikablen Ansatz für eine nachhaltig definierte betriebliche Steuerung zu finden, der wirklich im Betrieb Bibliothek, seinem Auftrag, seinen Zielen und der Art seiner Tätigkeiten verwurzelt ist.

Hier kann nur ein kurzer Abriss gegeben werden. Auch sind wir noch mitten in der Entwicklung und Verankerung der Balanced Scorecard im Alltag der Bibliothek, und letzteres ist in der Tat ein eigenes langfristiges Projekt. Unsere BSC ist bereits in die Module Leistungsvereinbarung und Berichtswesen im Rahmen von „V aufkurs“ integriert, die Kosten- und Leistungsrechnung, die Budgetierung und der alljährliche Bericht für den Rechenschaftsbericht der Landesregierung greifen aber im Detail hier noch nicht wirklich ineinander.

„Bibliothekscontrolling“ könnte die übergeordnete Überschrift zum hier Thematisierten lauten. Es ist zu unterscheiden zwischen strategischem und operativem Controlling. Strategisches Controlling fragt nach der Effektivität: Tun wir das Richtige? Operatives Controlling beurteilt die Effizienz bzw. Wirtschaftlichkeit: Tun wir das Richtige auch richtig? In der Praxis ist allerdings eine Unterscheidung von operativem und strategischem Controlling von eher geringer Bedeutung, zwangsläufig fließen beide Verfahren ineinander. Der Begriff „Controlling“ hat nunmehr wenig zu tun mit der intuitiv assoziierten „Kontrolle“, meist der Budgetkontrolle mittels Kostenrechnung. Controlling ist jetzt ein wesentlicher Teil im Führungssystem einer Bibliothek.3

Es stellt sich das zentrale Problem, wie Qualität quantifizierenden Methoden zugänglich gemacht werden kann. Vor allem im Bereich Bildung/Kultur gibt es kaum vorbildliche Arbeiten zur Wirkungsanalyse. Ehrenwerte und bedeutende Ziele bei der Formulierung des Controlling-Kreislaufes münden meist in hilflose Versuche zur Darstellung in Kenngrößen, die eben nicht zur qualitativen Auswertung taugen. Wie kann die Qualität eines Veranstaltungsprogrammes gemessen werden? Durch die Zahl der Veranstaltungen, durch die Zahl der Besucher? Wohl nicht. Wie können zumindest für Teilbereiche sinnvolle Steuerungsinstrumente entwickelt werden, ohne dass bloß statistische Zahlenfriedhöfe entstehen?3 Vgl. den Beitrag von peter te Boekhorst über controlling, kap. 5/4, in: erfolgreiches management von Bibliotheken

und informationseinrichtungen. fachratgeber für die Bibliotheksleitung und Bibliothekare, hg. von hans-christoph hobohm, konrad umlauf. hamburg 2002. loseblattausg., aktualisierungsstand: nov. 2007.

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Die balaNceD scorecarD (bsc)

In den 1990er Jahren landeten Robert S. Kaplan und David P. Norton, Professoren in Harvard, mit ihrem Buch über die „Balanced Scorecard“, die „ausgewogene Kennzahlentafel“, einen Bestseller. Binnen weniger Jahre beschäftigte sich die „ganze“ Wirtschaftswelt mit diesem Management-Instrument. Ein wesentlicher Grund für den Erfolg war die Chance zur Reduktion von Komplexität. Welche Faktoren sind entscheidend, welchen kann man trauen, wenn man einen Betrieb in einer sich verändernden Umwelt, bei sich verändernden Einflussfaktoren zukunftssicher steuern will?

Aus den Befunden der Kaplan/Norton-Studie über die Leistungsmessung amerikanischer Unternehmen wurde nach und nach das Modell bzw. das Management- oder Controlling-Konzept der Balanced Scorecard abgeleitet, das zum Welterfolg wurde. Die Verknüpfung von Strategie und Controlling bedeutete die herausragende Innovation im Controlling bis heute. Von allen Führungsinstrumenten bietet die BSC die umfassendste Lösung. „Während traditionelle Führungssysteme oft aus isolierten Bestandteilen aufgebaut sind, basiert die Balanced Scorecard auf einer integrierten und ausgewogenen Darstellung qualitativer, quantitativer sowie strategischer und operativer Kennzahlen“.4 Dass die Bedeutung von „Soft Facts“ in der Wirtschaftstheorie erkannt worden war, könnte der Anknüpfungspunkt sein, die BSC auch dort einzusetzen, wo große Probleme bestehen, Inhalte zu quantifizieren, gerade im Bildungs- und Kulturbereich.

Ausgangspunkt sind Vision und Strategie eines Unternehmens, diese sollen in konkretes Handeln übergeleitet werden. Welche Erfolgsfaktoren sind dabei zu berücksichtigen? Wie können diese als Ziele formuliert werden? Dazu wird das Unternehmen aus verschiedenen Perspektiven betrachtet. Den Zielen in den jeweiligen Dimensionen werden Indikatoren zugeordnet, die möglichst messbar sein sollten, sowie entsprechende Maßnahmen zur Steuerung. Für die Steuerung ist es von Vorteil, sich auf wenige aussagekräftige Indikatoren zu beschränken, die eine gleichgewichtige und gleichwertige Betrachtung der Ziele aus verschiedenen Perspektiven ermöglichen. Wobei eine Perspektive jedoch letztlich dominiert; bei Wirtschaftsunternehmen zwangläufig die Finanzperspektive. In der klassischen Form von Kaplan/Norton hat die „ausgewogene Kennzahlentafel“ vier Dimensionen. Nach Bedarf können weitere hinzukommen.5

4 arnold kappler: Balanced scorecard – ein führungsinstrument auch für kmu. luzern 2006, 1. url: http://www.kappler-management.ch/documents/database/seiten/51490/Bsc-f%c3%Bchrungsinstrument%20auch%20f%c3%Bcr%20kmu.pdf (13.3.2010).

5 abb. aus: http://de.wikipedia.org/wiki/Bild:Balanced_scorecard.png (15.3.2010).

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Jede Perspektive steht unter einer übergeordneten Fragestellung:• Finanzperspektive: Welche Erwartungen haben unsere Gesellschafter an unser

finanzielles Ergebnis?• Kundenperspektive: Welche Leistungen sollten wir für unsere Kunden erbringen,

um die Strategie zu verwirklichen?• Prozessperspektive: Wie müssen wir die Geschäftsprozesse optimieren, um

Gesellschafter und Kunden zufriedenzustellen?• Potenzialperspektive: Wie erhalten wir die Fähigkeit zum Wandel, zu verbessern und

zu entwickeln, um Innovationspotenzial und Strategieverwirklichungskompetenz zu steigern?

Wer eine Balanced Scorecard einführt und einsetzt, verfolgt das Ziel, der Unternehmensleitung und den Mitarbeitern einen ständigen Überblick über den Kurs des Unternehmens und der einzelnen Verantwortungsbereiche zu geben. Sie wird oft mit dem Cockpit eines Flugzeugs verglichen, in dem alle notwendigen Informationen über den Zustand des Flugzeugs und den Kurs angezeigt werden, die wichtig sind, um das Ziel zu erreichen. Mit der Balanced Scorecard werden Strategien im Unternehmen bekannt gemacht, dadurch verständlicher, transparent und allen zugänglich. Informierte und am Gesamtprozess beteiligte Mitarbeiter werden sich motivierter für den Erfolg des Unternehmens engagieren. Die BSC liefert somit keinen Ersatz für das operative Controlling, sondern ein Instrument zur Implementierung von Kommunikation. Operativ dagegen werden vorwiegend die Kosten- und Leistungsrechnung und Kennzahlen bezogen auf einzelne Produkte und Leistungen eingesetzt.

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Die BSC ist das Bindeglied zwischen der Unternehmensstrategie und ihrer Realisierung. Welche Indikatoren geben Auskunft über den wirklichen Unternehmenserfolg? Jedes Unternehmen nutzt mehr oder weniger Kennzahlen, die über die Entwicklung des Unternehmens informieren. In der ersten Phase wurden viele dazu verleitet, die BSC auf ein reines Kennzahlensystem zu reduzieren. Der Bezug zur Unternehmensstrategie ging verloren. Damit war aber auch das Gesamtkonzept der BSC nicht verstanden worden.

Die BSC beeindruckt durch Einfachheit und Kompaktheit. Sie liefert den raschen Überblick. Aber alles hat seinen Preis. Als grobe Faustregel gilt: Die einmaligen Kosten der Einführung wiederholen sich in etwa in den jährlichen Kosten für den Betrieb einer BSC, wenn man alle relevanten Kosten berücksichtigt, von den ausgelösten internen Sitzungen über die Pflege der BSC bis hin zur Überarbeitung der Führungsinstrumente – so die Äußerung eines eingeführten Beratungsunternehmens.6

VoraUsseTzUNGeN eiNer bsc-iMPleMeNTierUNG

Die BSC selbst ist kein Instrument der operativen Steuerung, sondern eines zur Beobachtung, wie weit die Realisierung der Strategien voranschreitet. Leitbild, Ziele und Strategie müssen bereits vorhanden sein. Die folgende Darstellung veranschaulicht, wie der Ablauf der Implementierung einer BSC aussehen könnte.7

6 arnold kappler, Balanced scorecard – ein führungsinstrument auch für kmu, 3.7 abb. aus: http://www.balanced-scorecard.de/konzept.htm (15.3.2010).

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Die Arbeiten von Kaplan und Norton zur BSC werden im deutschsprachigen Raum von der Firma Horváth und Partner übersetzt und maßgeblich verbreitet. Für den öffentlichen Sektor wurde ein Schalenmodell zur Verdeutlichung der strategischen Grundlagen entwickelt.8

Das Strategiemodell ist weitgehend selbsterklärend. Die äußere Schale beschreibt die Umwelt, in der der Betrieb agiert, mit den wesentlichen Elementen: Aufgabengebiet, Stakeholder, andere Akteure, Entwicklungen in diesem Kontext. Der strategische Rahmen meint die grundsätzliche Ausrichtung: Leitbild, Mission oder Vision, Werte, langfristige Zukunftsgestaltung. In der nächstinneren Schale wird die Strategie konkretisiert, und Steuerungsmaßnahmen beziehen sich auf mittel- oder langfristige Ziele. Die strategischen Aussagen und Weichenstellungen sollten dabei möglichst nicht abgehoben von den operativen Leistungen erfolgen, damit deren Management nahtlos an die strategische Steuerung anschließen kann. Im operativen Kern wird das Tagesgeschäft der definierten Dienstleistungen erledigt.

Zur BSC-Entwicklung als konstitutive Voraussetzung gehören demnach wesentlich eine Umweltanalyse und die Analyse der Branchenstruktur, dann Leitbild/Mission/Vision als Movens der explizit gemachten Strategie.

beziehUNGsUMFelD – biblioThekslaNDschaFT – leiTbilD

Das Ergebnis der Untersuchung zum Beziehungsumfeld der VLB wurde nach einem eingeführten Modell von Jennifer Cram veranschaulicht: Normative Gruppe, Funktionale Gruppe, Benutzergruppe, Diverse Gruppen.9 Im Weiteren wurde das Verhältnis der VLB zu den anderen Bibliotheken im Land analysiert und ein Schaubild

8 abb. aus: Balanced scorecard umsetzen, hg. von horváth & partners. 4., überarb. aufl. stuttgart 2007, 391.9 Vgl. sandra Blanck, Wert und Wirkung von Bibliotheken, 25.

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der Bibliothekslandschaft Vorarlberg gezeichnet. Die VLB verfügte bisher auch noch nicht über ein Dokument mit der Überschrift „Leitbild“. 2001 war das „Statut der Vorarlberger Landesbibliothek in Bregenz“ erlassen und im Amtsblatt veröffentlicht worden. Hier sind die Aufgaben der Bibliothek gelistet und die Einordnung in das Amt der Vorarlberger Landesregierung geregelt. Ein Team der VLB, bestehend aus Direktion, Abteilungsleitern und weiteren engagierten Kolleginnen, entwickelte, wie die die anderen Grundlagen auch, gemeinsam ein Leitbild und diskutierte das Ergebnis mit der vorgesetzten Behörde. Wegen des begrenzten Raumes in diesem Tagungsband wird die Diskussion der Inhalte hier nicht näher beleuchtet. Nur so viel als Selbstdarstellung: Die Vorarlberger Landesbibliothek, gegründet 1904 als landeskundliche Bibliothek und 1977 erweitert zur Studienbibliothek, ist eine wissenschaftliche Allgemeinbibliothek zur Förderung von Bildung, Wissen und Kultur mit wertvollen historischen Beständen. Sie arbeitet auf dem aktuellen Stand der technologischen Entwicklung, bietet ein umfangreiches Informationsangebot zu allen wissenschaftlichen Fachgebieten und sammelt mit dem Anspruch auf Vollständigkeit Publikationen und Informationen zu Vorarlberg. Sie ist ein effizienter und innovativer Dienstleistungsbetrieb und kooperiert mit Partnern aus Bildung, Wissenschaft, Kultur und Wirtschaft regional, national und international, insbesondere in der Regio Bodensee. Maxime des Handelns ist, Kundenfreundlichkeit bei allen Dienstleistungen und Mitarbeiterorientierung in allen Aspekten des Betriebes zur Geltung zu bringen. Die Sondersituation der Vorarlberger Landesbibliothek kann dahingehend akzentuiert werden, dass sie im Unterschied zu den anderen Landesbibliotheken Österreichs weder eine Universität noch eine große, leistungsstarke Stadtbibliothek in erreichbarer Nähe und somit in großer Bandbreite zu agieren hat.

Die BSC der Landesbibliothek war nun top down abzuleiten von der Mission, dem Leitbild und den vorgegebenen Aufgaben, indem konkrete Ziele formuliert und Indikatoren zur Verfolgung der Zielerreichung definiert werden. Die Vorleistungen und die BSC-Definition wurden gemeinsam in parallelen Workshops neben allen anderen Belastungen erbracht, sicher noch nicht in der wünschenswerten Systematik und Tiefe. Ohne Beteiligung des Teams wäre die Definition der BSC ein Musterbeispiel praxisferner Theorie geworden.

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iNDikaToreN, aber Welche?

An Leistungsindikatoren für Bibliotheken herrscht kein Mangel. Konrad Umlauf hat neun internationale Handbücher zur Leistungsmessung verglichen und knapp 200 Indikatoren gelistet.10 Das Problem besteht darin, dass es im Unterschied zu den gewinnorientiert arbeitenden Unternehmen an eindeutig definierten Bezugsgrößen mangelt. Input- wie Output-Größen sind hier in Geldeinheiten klar definierbar. Rentabilität aber macht für Nonprofit-Organisationen als Hauptziel keinen Sinn. Selbst Wirtschaftlichkeit, Effizienz, Sparsamkeit sind schwer zu fassen. Die Vorarlberger Landesbibliothek hat sich entschieden, sich auf keines der vorliegenden Modelle direkt zu beziehen, sondern im Rahmen von „V aufkurs“ Überlegungen zu einer individuellen Balanced Scorecard in den Mittelpunkt zu stellen, die Indikatoren ausschließlich nach der Tauglichkeit und Nützlichkeit für den eigenen Betrieb zu definieren und andere Instrumente wie Qualitätsmanagementverfahren bei Bedarf zusätzlich zu nutzen.

sechs PersPekTiVeN

Für die öffentliche Verwaltung gehört „Outcome“ an die Spitze der Zielpyramide strate gie orientierten Handelns, sie ist wirkungs-, nicht profitorientiert. Daher muss die BSC für die Nonprofit-Organisation Bibliothek ebenfalls intern umstrukturiert werden. Die Kundenperspektive tritt an die dominante Position und bestimmt die Orientierung der Ursache-Wirkung-Beziehungen auch der anderen Perspektiven.

In dem Projekt der Deutschen Forschungsgemeinschaft „Integratives Controlling für wissenschaftliche Bibliotheken“ wurde seit 1999 auf der Grundlage des Instrumentes Balanced Scorecard ein Kennzahlentableau zur Leistungsevaluation wisenschaftlicher Bibliotheken entwickelt.11 Obwohl es opinio communis in der Literatur über die Balanced Scorecard ist, dass diese notwendig individuell für den konkreten Betrieb definiert werden muss, wurde versucht, eine „Referenz-Scorecard“ zu definieren, also Standards für wissenschaftliche Bibliotheken allgemein festzulegen. Ausgehend von dieser Referenz-Scorecard für wissenschaftliche Bibliotheken versuchte Kandolf eine individuelle BSC für die Niedersächsische Landesbibliothek Hannover zu entwickeln. Die Prüfungsarbeit von Kandolf am Institut für Bibliothekswissenschaft der Humboldt-10 konrad umlauf: leistungsmessung und leistungsindikatoren für Bibliotheken im kontext der ziele von nonprofit-

organisationen. Berlin 2003 (Berliner handreichungen zur Bibliothekswissenschaft 116). url: http://www.ib.hu-berlin.de/~kumlau/handreichungen/h116/h116.pdf (15.3.2010)

11 klaus ceynowa, andré coners: Balanced scorecard für Wissenschaftliche Bibliotheken. frankfurt a.m. 2002 (zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie. sonderheft 82); klaus ceynowa: Bibliothekscontrolling mit der Balanced scorecard. in: zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie, 41 (2001) 1, 3–13; vgl. auch klaus ceynowa: kennzahlenorientiertes Bibliothekscontrolling – perspektiven und probleme. in: die effektive Bibliothek. roswitha poll zum 65. geburtstag, hg. von klaus hilgemann, peter te Boekhorst. münchen 2004, 91–109.

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Universität Berlin 1998, aktualisiert veröffentlicht 2004, lieferte uns den Leitfaden für die Diskussion und die Erstellung einer BSC für die Vorarlberger Landesbibliothek. Diese Veröffentlichung ist die einzige bekannte praxisnahe – wenn auch wohl nicht in die Praxis umgesetzte – BSC für den Bibliothekstyp Regionalbibliothek. Kandolf diskutiert Indikator für Indikator des Schemas des DFG-Projektes und prüft im einzelnen, ob dieser für die Niedersächsische Landesbibliothek übernommen werden kann.12 In Diskussionsrunden in der Vorarlberger Landesbibliothek wurde dieses Kenn-zahlensystem untersucht und dann doch eine eigene Systematik erarbeitet. Sinnvoll schien, sich nicht auf die vier klassischen Perspektiven zu beschränken. Hinzugefügt wurden die Perspektiven Ressourcen und Gesellschaft, um wirklich alle relevanten Dimensionen abzudecken. Vorbilder für Erweiterungen liefern etwa im Internet zu findende Beraterfirmen, die als Standard für Firmen unter den aktuellen Marktbedingungen zusätzlich die Perspektiven Innovation und Marketing für notwendig erachten,13 aber auch das Wirkungsanalyseprogramm (WaP) der Vorarlberger Landesverwaltung oder die Benchmarking-Systematik des BIX-Regionalbibliotheken mit fünf Zieldimensionen.

12 ulrich kandolf: Balanced scorecard für regionalbibliotheken. konzeption für die niedersächsische landesbibliothek hannover. Berlin 2004 (Berliner handreichungen zur Bibliothekswissenschaft 120). url: http://www.ib.hu-berlin.de/~kumlau/handreichungen/h120/h120.pdf (13.3.2010).

13 kappler management ag, luzern: corporate.six. Balanced scorecard, das performance- und monitoring-cockpit für die führung wettbewerbsstarker unternehmen, 19.9.2006. url: http://www.kappler-management.ch/documents/database/seiten/51450/107corporatesix_19-9-2006.pdf (13.3.2010).

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Bei den in der BSC genannten Zielen handelt es sich um maßgebliche Ziele der Bibliothek. Aber nicht alle Ziele und Indikatoren werden in die laufende Beobachtung übers Jahr einbezogen. Die Nutzerzufriedenheit stellt beispielsweise einen unverzichtbaren Indikator dar. Die dazu notwendige Benutzerumfrage aber kann maximal alle paar Jahre erfolgen und liefert dann eine Momentaufnahme. Beobachtungen und Vorfälle im laufenden Betrieb dienen zwar als Anlass, korrigierend einzugreifen. Ein systematisches Monitoring ist jedoch nicht möglich. Es ist auch nicht möglich, alle Ziele gleichzeitig zu verfolgen. In der Praxis werden Schwerpunkte gesetzt und zeitliche Priorisierungen vorgenommen. Die für die Steuerung an sich zu umfangreiche BSC liefert jedoch den systematischen Überblick über die verfolgten Ziele, sie bleiben im Blick und damit im (Problem-) Bewusstsein.

Auf diese Weise entsteht in jedem Jahr eine abgespeckte BSC, die wiederum dann dem operativen Controlling für die Kernleistungen sehr nahe kommen und dem Standardberichtswesen zugänglich sein soll. Die BSC liefert demnach ein umfassendes Konzept, das erst durch periodische Redefinition alltagstauglich gemacht werden muss. Die sechs Dimensionen mit den Zielvorgaben und jeweiligen Indikatoren werden im Folgenden im Tableau der BSC veranschaulicht, dazu die Datenquellen und die für die Steuerung vorgesehenen Maßnahmen. Wichtig ist dabei festzuhalten, dass es sich bei den Indikatoren zur strategischen Planung um qualitative Aspekte der Beurteilung handelt. Im Unterschied zu Kennzahlen im engeren Sinn ist zunächst der Aspekt der Quantifizierung sekundär. Die anschließenden Kommentare beschränken sich auf das Wesentliche, inhaltliche Aspekte und notwendige Erläuterungen. (Die Verteilung der Perspektiven in der Tabelle erfolgt hier lediglich nach dem Prinzip, möglichst raumsparend abzubilden.)

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VlB auf kurs – die Balanced scorecard der Vorarlberger landesbibliothek / l strategisches ziel indikator datenerhebung maßnahmen

nutz

er

hoher „markt“anteil entwicklung der zahlen zur Benutzung

zahl der aktiven Benutzer/-innen

kontaktpflege zu fokusgruppen; öffentlichkeitsarbeit; strategien zur kundenakquistion und pflege der kundenbeziehungen

konsequente nutzerorientierung aller services

Benutzer-zufriedenheit

Benutzerbefragung zu medienangebot, auskunftsqualität, öffnungszeiten, online-angebot etc.; rückmel-dungen, Beschwerden

Qualitätsmanagement; umfrage zur „kundenzufriedenheit“ im mehrjahresrhythmus

hohe nutzungsintensität

ausleihen pro Benutzer; zugriffe auf Website

statistik aleph;informatik-abteilung land

kundenbeziehung stärken;pflege Website intensivieren

effiz

ienz

effizienter mitteleinsatz beim medienerwerb

Bestandsnutzung pro fachgebiet, bezogen auf fachbudget

ausleihe von aktuellen monographien aus freihandbestand in relation zu fachbudget

ergebnisse periodisch inhaltlich durch experten bewerten und folgerungen umsetzen

effizienter personaleinsatz

angemessener personalaufwand

zeiterfassung auf stellen mit leistungsverteilung

Bewertung des aufwands für einzelne leistungen

mittel sozial einsetzen anteil sozialposten am stellenplan und Bewertung der akzeptanz

stellenplan; mitarbeiterbefragung

integration von menschen mit handicap

pote

nzia

le

mitarbeiter sind kompetent

fortbildungstage pro mitarbeiter

zahl der fortbildungstage: gesamtzahl der mitarbeiter

Bewerten im zusammenhang mit ausbildungsniveau allg. und Benutzerbefragung

mitarbeiter sind engagiert, zufrieden

mitarbeiterzufrie-denheit

Befragung; mitarbeitergespräche

führungsaufgabe; Betriebsklima! erweiterungsbau ...

mitarbeiter sind informiert

umfang und aktualität des VlB-Wiki

Bericht des Beauftragten; Jury

informationsfluss bestmöglich organisieren; Wiki-nutzung sichern; Wissensmanagement

akzeptanz des elektronischen angebots steigern

nutzungsrate des inhaltlichen elektronischen angebots

statistik der zugriffe auf eBooks, elektronische zeitschriften etc.

elektronische dienste ausbauen, aktuell halten und optimal präsentieren

gestaltungsspiel raum sicherstellen

Budgetentwicklung Budget : Budget Vorjahr + inflationsrate

lobbying

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VlB auf kurs – die Balanced scorecard der Vorarlberger landesbibliothek / iistrategisches ziel indikator datenerhebung maßnahmen

proz

esse

rasche medien-bereitstellung

Berichtssystem zur Workflow-steuerung, exemplarisch für monographien-verarbeitung

Bewertung an den einzelnen arbeitsstationen durch Beauftragte/Jury

Verantwortliche(r) berichtet

kontinuierlicher medienerwerb/-bearbeitung

kontinuierlicher mittelabfluss im Budget druckwerke

statistik aleph fachreferenten unterstützen

ress

ourc

en

Bestmögliche arbeitsbedin-gungen für nutzer

angebot leseplätze; angebot pc-arbeitsplätze; angebot gruppenräume

leseplätze : nutzer; pc-arbeitsplätze : nutzer; gruppenräume : nutzer

erweiterungsbau vorantreiben

aktuelles medienangebot

Bestandsverfügbarkeit zahl der ausleihen ohne Verlängerungen und Vor merkungen : zahl der ausleihen insgesamt (ohne Verlängerungen) + zahl der nehmenden fernleihen

fachreferenten unterstützen; Budgetverteilung prüfen

kommunikations-zentrum, mitgestaltung des kulturelles leben

Qualität/anzahl der Veranstaltungen; treffpunktfunktion erfüllt? ambiente attraktiv?

Jury

Jury

Jury

Veranstaltungs-management; erweiterungsbau;

kulturelles erbe sichern und vermitteln

Bewertung der zeit-gemäßen arbeitsweise und der infrastruktur

rückmeldungen; Vergleiche mit anderen Bibliotheken – Jury

Qualitätsmanage-ment; kooperationen

gese

llsch

aft

lebenslanges lernen fördern

anteil der nicht-schüler und nicht-studenten an nutzerschaft

aleph; Benutzerbefragung

öffentlichkeitsarbeit

informationskom-petenz steigern

zahl der schulungen und teilnehmer; Bewertung des nutzens

statistik; teilnehmerbefragung

Qualifiziertes personal; infrastruktur bereitstellen

impact und outcome; soziale Wirkung

direkter nutzen für den einzelnen, indirekter nutzen für gemeinschaft

interviews, umfragen bei fokusgruppen – „soziales audit“

auch nichtnutzer befragen

Wirken im Vlbg. Bildungsnetz und überregional

kontakte und kooperationen bewerten

Berichtswesen/rechen-schaftsbericht – Jury

kontakte und Vernetzung vertiefen

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Die PersPekTiVeN Der Vlb-bsc

a NUTzer: Wie erFÜlleN Wir Die erWarTUNGeN Der beNUTzer Der biblioThek?

Die „Konsequente Nutzerorientierung aller Services“ ist eine, wenn nicht die zentrale strategische Forderung. Die Benutzerzufriedenheit wird durch Umfragen im Mehrjahresrhythmus ermittelt. Die erste große Umfrage wurde in der benutzungsintensivsten Zeit an der Jahresende 2008/2009 durchgeführt.14 Dabei wurde angestrebt, auch möglichst viele Nicht-Nutzer zu erreichen. Das strategische Ziel „Hoher ‚Markt’anteil“ wurde aus Ceynowas BSC übernommen, obwohl die VLB nicht wie Universitätsbibliotheken über eine abgrenzbare „primäre“ Nutzergruppe verfügt, sondern einen unspezifischen Adressatenkreis hat. Kandolf verwirft deshalb den Indikator für die Niedersächsische Landesbibliothek.15 Das Team der VLB war sich jedoch einig, dass ein Aspekt, der ständig Gegenstand von Überlegungen ist, nicht wegfallen darf. Als Zielgruppen sollen im Wechsel Fokusgruppen wie z.B. Gymnasiasten angesprochen werden, ohne dass auch hier eine genaue Quote des erreichten Anteils angegeben werden kann.

Die Qualität des Benutzungsdienstes wird durch Qualitätsmanagementverfahren gewährleistet. Zur Qualitätssicherung im Benutzungsdienst wurde ein Workshop für die Kolleginnen und Kollegen der Benutzungsabteilung und die weiteren an der Informationstheke mitwirkenden Mitarbeiter mit Tom Becker als externem Fachmann zum Thema „Qualitätsstandards im Auskunftsdienst“ durchgeführt. Die „OPAC-AG“ arbeitet an den Desideraten bei der elektronischen Vermittlung des Medienangebots, gewissermaßen eine Arbeitsgruppe „Online-Kundenbeziehung“.

b iNTerNe Prozesse: Wie MÜsseN Die iNTerNeN Prozesse orGaNisierT seiN, UM DeN NUTzererWarTUNGeN zU eNTsPrecheN?

In dieser Perspektive sind die internen Prozesse zu identifizieren, die von allen am kritischsten hinsichtlich der Zielerreichung zu sehen sind.

Benutzer können erwarten, dass erworbene Medien so rasch wie möglich zur Verfügung gestellt werden. Der Workflow muss optimal organisiert sein. Am Beispiel der Monographienverarbeitung in der Vorarlberger Landesbibliothek wurde von Guntram Rauch ein System zur Beurteilung des Workflows erstellt, das aus 14 umfrage, ergebnisse und kommentar sind online nachzulesen: http://www.vorarlberg.at/vlb/umfrage.htm.15 ulrich kandolf, Balanced scorecard für regionalbibliotheken, 40.

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einer Mischung von elektronisch ermittelten Werten und mehreren Jurysystemen besteht.

Die Einbeziehung von Jurysystemen, bei denen ausgewählte Experten das Arbeitsergebnis beurteilen, ist notwendig, da längst nicht alle Workflowprozesse elektronisch überwacht werden können und überwachte Prozesse zum Teil so komplex sind, dass die Ausprogrammierung einer Lösung zur elektronischen Überwachung angesichts der langen Liste von Wünschen und Forderungen an die EDV aus Gründen der Gewichtung nicht als vorrangig eingestuft werden kann. Mitunter genannte Kennzahlen, die auf der Geschwindigkeit der Medienbearbeitung aufbauen, sind eher eine Schimäre.

Damit die Arbeitsprozesse optimal ineinander greifen, muss beim Erwerb der Medien kontinuierlich und möglichst gleichmäßig auf das Jahr verteilt gearbeitet werden. Die in der Bearbeitung danach betroffenen Mitarbeiter dürfen weder unter- noch überfordert werden. Wesentlich angesprochen ist hier die Erwerbungsabteilung, in erster Linie aber die Besteller, die Fachreferenten, die aus dem riesigen Medienangebot die Auswahl treffen.

Zur Reorganisation der Periodika-Bearbeitung wurde für die Zeitschriftenabteilung mit Unterstützung von Experten der Projektmanagement-Abteilung im Amtes der Landesregierung eine Prozessanalyse im Hinblick auf Tätigkeitsprofile und Arbeitsabläufe durchgeführt.

c eFFizieNz: Wie kÖNNeN Wir UNsere ressoUrceN eFFizieNT eiNseTzeN?

Effizienz kann nicht unmittelbar gemessen werden. Es müssen Sachverhalte gefunden wer den, in denen sich Effizienz ausdrückt.

Der Indikator „Bestandsnutzung pro Fachgebiet, bezogen auf das Fachbudget“ soll die Ausgaben beim Medienerwerb für ein Fachgebiet in Relation setzen zum Grad der Nutzung des betreffenden Bestandssegmentes und damit die Fragen beantworten: Korrespondieren Mittelzuteilung und Nachfrage der Benutzer? Werden die von den Nutzern stark nachgefragten Fachgebiete im Vergleich zu anderen auch stärker mit Mitteln versorgt? Der Indikator kann sich nur auf die aktuelle Literatur der Fachgebiete beziehen und auch nicht auf Vorarlbergensien. In Abhängigkeit von den technischen Möglichkeiten des EDV-Systems werden ein Erwerbungszeitraum und ein Benutzungszeitraum für Monographien des Freihandbestandes definiert.16

16 zur zu adaptierenden Berechnungsmethode vgl. im detail roswitha poll, peter te Boeckhorst: leistungsmessung in wissenschaftlichen Bibliotheken. internationale richtlinien. ifla section of university libraries & other general research libraries. münchen 1998, 64.

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Effizienter Personaleinsatz: Der Aufwand einer systematischen Zeiterfassung für die gesamte Belegschaft lohnt nicht. Es werden höchstens die Stellen betroffen sein, auf denen verschiedene Leistungen anfallen und die Verteilung bewertungsrelevant ist. In der EDV-Abteilung ist das Notieren der Verteilung der Zeitkontingente auf einzelne Abteilungen oder Projekte schon lange Praxis.

Die VLB legt großen Wert auf die Beschäftigung von Menschen mit Handicap. Diese müssen aber zum Betrieb und zur Belegschaft passen. Die bloße Anzahl kann nicht als Indikator gelten.

D PoTeNziale: Wie kÖNNeN Wir Die zUkÜNFTiGe leisTUNGsFähiGkeiT Der biblioThek GeWährleisTeN?

Die Potenzialperspektive wird oft auch Mitarbeiterperspektive genannt. Dass die Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens maßgeblich von Kompetenz, Engagement, Zufriedenheit und auch Informiertheit der Belegschaft abhängt, ist eindeutig. Hinzu kommt die Notwendigkeit, den finanziellen Spielraum sicherzustellen, insbesondere um in technologischer Hinsicht nicht den Anschluss zu verlieren. Hierher gehört auch das sich im Punktesystem der Stellenbewertungen sich ausdrückende fachliche Niveau, das der Bibliothek vom Träger zugewiesen wird.

Als eine Form des Wissensmanagements zur Sicherung des Informationsflusses wurde das VLB-Wiki installiert. Nur intern zugänglich, liefert es Informationen über Aktuelles, laufende Projekte, Dokumente zur Abteilungsarbeit, Dienstpläne, Besprechungsprotokolle, Geschäftsgänge, Handbücher, Richtlinien, Erlasse, die „Schnelle Hilfe“ mit Grundinfos z.B. bei Brandalarm etc – und unter „VLB auf Kurs“ alles zur BSC sowie die Leistungsvereinbarungen und Halbjahresberichte.

Die aktuell als zeitgemäß geltende Bibliothek ist die „hybride Bibliothek“, also eine Bibliothek, die in klassischer Weise ein Medienangebot in physischer Form vorhält, zugleich aber in der elektronischen Welt zu Hause ist. Die VLB sieht es als Aufgabe, ihre Nutzer in dieser elektronischen Welt der Informationsfülle bei der Suche nach hochwertiger Information zu unterstützen. Inwieweit das Angebot an teils zugekauften digitalen Informationen wie eBooks und Volltexten von elektronischen Zeitschriften genutzt wird, wird interpretiert als Indikator dafür, ob es der Bibliothek gelingt, bei den Nutzern Akzeptanz für die zweifellos maßgebliche Form der Informationsverbreitung der Zukunft zu erzeugen. Dies vor dem Hintergrund, dass ein Großteil der Nutzer keinen universitären Hintergrund hat. Eine Steigerung der Nutzungsrate der elektronischen Dienste wird auch als eine Steigerung des Niveaus der Nutzeransprüche angesehen.

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e ressoUrceN: Welche iNFrasTrUkTUr kaNN Die biblioThek DeN NUTzerN bieTeN?

Bibliotheken sollen attraktive Anziehungspunkte zur Belebung und Bereicherung der Städte sein. Und bei der Innenausstattung werden nicht nur die funktional zu bestimmenden Aspekte wie etwa die Gestaltung der Arbeitsplätze für die Benutzer beobachtet, das Hauptinteresse gilt dem Ambiente insgesamt. Eine Wohlfühlatmosphäre im Treffpunkt Bibliothek zu schaffen, das ist explizites Ziel.

Neben dem aktuellen Medienangebot und seiner Zugänglichkeit und der Funktionalität bibliothekarischer Infrastruktur muss registriert werden, ob auch die Infrastruktur für das Kommunikationszentrum und die Mitgestaltung des kulturellen Lebens ausreichend, gut oder optimal vorhanden ist. Landesbibliotheken sehen sich als Bildungseinrichtungen und bauen ihr Veranstaltungsangebot aus.

Die Beurteilung der Infrastruktur muss weitgehend einer Jury übertragen werden. Auch bei der Erfüllung der wesentlichen Pflichtaufgabe, das kulturelle Erbe Vorarlbergs zu sichern und zeitgemäß zu präsentieren, sind harte Fakten nicht unmittelbar verfügbar.

F GesellschaFT: Wie kaNN Die biblioThek GrÖssTMÖGlicheN NUTzeN FÜr Die GesellschaFT sTiFTeN?

Bibliotheken haben eine eminente gesellschaftspolitische Funktion, im Allgemeinen herrscht darüber Einigkeit. Die „unfassbare“ Wirkung von Bibliotheken für die Gesellschaft in Indikatoren oder Kennzahlen zu fassen, stellt eine Herausforderung dar. Die Leistungen für das Land und seine Menschen, das Heben des Bildungsniveaus und das Verbessern der Standortqualität auch in wirtschaftlicher Hinsicht, für diese Ziele sind keine Maßeinheiten und kein Zahlenmaterial verfügbar. Gerade die Dimension „Gesellschaft“ ist in ihrer umfassenden Bedeutung sehr wichtig und muss trotzdem in die Diskussion einbezogen werden.

Zur Vermittlung von Informationskompetenz wurde ein Programm „Schulung neu“ aufgesetzt, das die althergebrachten Bibliotheksführungen ersetzt. In einer Art Seminaratmosphäre werden Schulungen v.a. für Gymnasien abgehalten.

Die Bibliothek ist ein sozialer Raum, ein sich ständig wandelnder Organismus, in dem das Leben sich abspielt wie in der Gesellschaft selbst, vielfältig und heterogen. Die Gesellschaft, die Politik können diese Kraft von Bibliotheken fördern und bei der Gestaltung des sozialen Miteinanders nutzen. Es gilt die Erkenntnis, die mit der

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Balanced Scorecard bei der profitorientierten Wirtschaft Einzug gehalten hat: Die reine Umsatz- und Gewinnorientierung macht ein Unternehmen nicht lebensfähig, nachhaltig erfolgreich wird es erst, wenn es andere Dimensionen, vor allem die soziale Perspektive einbezieht.17 Wenn es also nicht die Vergangenheit berechnet, sondern die Zukunft gestaltet.

schlUssbeMerkUNG

Je mehr wir über das Konzept Balanced Scorecard lernten, desto mehr wussten wir es zu schätzen. Die neueren Arbeiten und Praxisberichte legen nahe, dass hier ein Instrument verfügbar ist, das durch die Zukunftsorientierung, die Betonung des gemeinsamen Kommunikationsprozesses und der Notwendigkeit, die Führung des Teams in den Mittelpunkt zu stellen, den Bedürfnissen der Praxis gerecht wird.

Die Kennzahlen sind für sich genommen nicht das Wichtigste. Das Wichtigste ist das Tun, das auf die Umsetzung der strategischen Ziele ausgerichtete Wirken. Und deshalb sind Maßnahmen und Ziele in einer engeren Verbindung zu sehen, als es ein erster Blick auf die Scorecard vielleicht nahelegt. Erhobenes Zahlenmaterial muss immer unter dem Verdacht stehen, nur die Vergangenheit abzubilden.

Das Kennzahlensystem war früher und auch in den Anfängen der BSC-Euphorie das Maß aller Dinge, die anderen weit wichtigeren Aspekte der wirkungsorientierten Analyse und Planung wurden eher ignoriert. Es sind jedoch gerade diese anderen konstitutiven Teile im Konzept der BSC, die sie attraktiv und Erfolg versprechend erscheinen lassen. Die formalisierte Kennzahlentafel ist das eine, sie mit Leben zu erfüllen das andere. Dazu gehört ein engagiertes Team und ein intensiver Kommunikationsprozess, der nie abgeschlossen sein wird, solange ein Unternehmen „lebt“.

Eine BSC sollte nur dort eingeführt werden, wo ernsthaft das Interesse verfolgt wird, etwas über den Betrieb wissen und diesen nachhaltig weiterentwickeln zu wollen. Sie ist individuell zu definieren, bezogen auf die angestrebten Wirkungsziele genau dieser Organisationseinheit mit ihren Eigentümlichkeiten: als ein Maßanzug. Um gestalten zu können, bedarf es der zum Einzelfall passenden Instrumente. Das bedeutet allerdings intensive Arbeit und engagierte Pflege der Betriebskultur.

17 hans-christoph hobohm: rechnen sich Bibliotheken? Vom nutzen und Wert ihrer leistungen. in: BuB. forum Bibliothek und information, 59 (2007) 9, 633-639.

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BIBlIothEksInDEx – BIx an östErrEIchIschEn unIvErsItätsBIBlIothEkEn 2009

Bruno Bauer

Der 1999 für Bibliotheken in Deutschland initiierte Bibliotheksindex – BIX (http://www.bix-bibliotheksindex.de) ist ein freiwilliges Vergleichsinstrument für öffentliche und wissenschaftliche Bibliotheken. 2009 haben sich bereits zwölf österreichische Universitätsbibliotheken am Bibliotheksindex für wissenschaftliche Bibliotheken (BIX-WB) beteiligt. Sie nutzen damit ein laufend verbessertes Instrumentarium der Leistungsmessung, das dazu beitragen kann, Stärken und Schwächen zu identifizieren, in der Bibliotheksarbeit Prioritäten zu setzen und die Bibliotheksleistung zu optimieren. Der BIX-WB weist zwar derzeit noch einige wichtige Desiderate auf (z.B. detaillierte Erfassung der Nutzung von elektronischen Ressourcen), bietet aber einen großen Mehrwert gegenüber anderen, weniger verbreiteten Evaluierungsinstrumenten, wie etwa die Möglichkeit eines länderübergreifenden Vergleichs von Kennzahlen.

Eine optimale Ergänzung für die im BIX erhobenen Kennzahlen bildet die Österreichische Bibliotheksstatistik, die durch eine seit 2009 bestehende Kooperation der OBVSG mit der Deutschen Bibliotheksstatistik und dem hbz auf eine neue professionelle Basis gestellt wurde. Für die Universitätsbibliotheken der bundesstaatlichen Universitäten in Österreich sind auch die in jüngster Zeit neu etablierten universitären Steuerungsinstrumente „Wissensbilanz“ und „Leistungsbericht“, soweit sie die Bibliotheken betreffen, anzuführen.

1 UNiVersiTäTsbiblioThekeN iN ÖsTerreich

Mit dem Universitätsgesetz (UG) 20021, das mit 1. Januar 2004 in Kraft getreten ist, wurden die bundesstaatlichen Universitäten, die überwiegend vom Staat finanziert werden, in eine neue Organisationsform übergeführt: sie erhielten die Vollrechtsfähigkeit. Der Staat, der auch weiterhin als wichtigster Geldgeber für die Universitäten auftritt, nimmt seither im Wesentlichen nicht mehr eine gestaltende, sondern eine kontrollierende Rolle wahr.

1 universitätsgesetz (ug 2002/2009) – http://www.bmwf.gv.at/uploads/tx_bmwfcontent/ug2002_011009.pdf.

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Das UG 2002 gilt für 21 Universitäten (12 „alte“ Universitäten, 6 Kunstuniversitäten, drei neuerrichtete Medizinuniversitäten), für deren Literatur- und Informations-versorgung 20 Universitätsbibliotheken zuständig sind.2

Einen Sonderfall stellt die Donau-Universität Krems dar, die als öffentliche Universität mit privatwirtschaftlicher Organisation einen Eigenfinanzierungsanteil von 75 % erreicht und deren Rechtssituation in einem eigenen Gesetz festgelegt wurde.3

Ebenfalls nicht vom UG 2002 betroffen sind die Privatuniversitäten, für die ein eigenes Akkreditierungsgesetz4 geschaffen worden ist. Charakteristisch für die derzeit 12 etablierten Privatuniversitäten sind die Finanzierung durch Länder, Vereine, Verbände oder Private, sowie Studienzugangsbeschränkungen und individuelle Studiengebühren. Die Privatuniversitäten sind nur schwach in bibliotheksspezifischen Kooperationen (wie Österreichischer Bibliothekenverbund, EZB, DBIS, BIX oder ÖBS) vertreten.5

2 biblioTheksiNDex – bix6

2.1 GrUNDzÜGe Des bix

Der BIX ist ein kennzahlenorientiertes Evaluierungsinstrument, das von interessierten Bibliotheken auf freiwilliger Basis genutzt werden kann. 2009 haben 257 Bibliotheken dieses Angebot genutzt, davon 177 Öffentliche Bibliotheken (BIX-ÖB) und 80 wissenschaftliche Bibliotheken (BIX-WB). Die Gruppe BIX-WB gliedert sich in einschichtige Universitätsbibliotheken, zweischichtige Universitätsbibliotheken sowie Hochschulbibliotheken.2 eine sonderrolle kommt der universitäts- und landesbibliothek tirol zu, die seit 2004 sowohl für die universität

innsbruck als auch für die medizinische universität innsbruck zuständig ist.3 Bundesgesetz über die universität für Weiterbildung krems (duk-gesetz 2004) - http://www.bmwf.gv.at/uploads/

tx_bmwfcontent/duk.pdf.4 Bundesgesetz über die akkreditierung von Bildungseinrichtungen als privatuniversitäten (akkreditierungsgesetz

1999/2000) - http://www.bmwf.gv.at/wissenschaft/national/gesetze/organisationsrecht/uniakkg/.5 zur situation der österreichischen universitätsbibliotheken seit 2004 vgl.: Bruno Bauer: universitätsbibliotheken in

österreich 2004-2006. in: Bibliotheksdienst 41 (2007) 3, 269-286. – Bruno Bauer: nationale und internationale kooperationen der österreichischen universitätsbibliotheken 2007. in: mitteilungen der VöB 61 (2008) 2, 21-31. – Bruno Bauer: nationale und internationale kooperationen der österreichischen universitätsbibliotheken 2008. in: mitteilungen der VöB 62 (2009) 2, 51-66.

6 der Bibliotheksindex (BiX) wurde 1999 von der Bertelsmann-stiftung und vom deutschen Bibliotheksverband (dbv), zunächst als jährlich zu erstellendes leistungsmessungsinstrument für öffentliche Bibliotheken in deutschland (BiX-öB) initiiert. 2004 erfolgte die erweiterung auf wissenschaftliche Bibliotheken (BiX-WB). 2005 wurde die Verantwortung für den BiX vom kompetenznetzwerk für Bibliotheken (knB) des deutschen Bibliotheksverbandes übernommen. die datenerfassung und indexberechnung erfolgt durch das hbz, die Veröffentlichung der ergebnisse in B.i.t. online.

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Der BIX ist ein Instrument der Leistungsmessung, das zwei Zielen dient:

• Als Instrument zur Steuerung der internen Betriebsorganisation ermöglicht es der BIX, die Performance jeder einzelnen Bibliothek im zeitlichen Verlauf zu evaluieren.

• Als Benchmarkinstrument eröffnet der BIX die Möglichkeit, Bibliotheksleistungen auf nationaler und internationaler Ebene zu vergleichen. Derzeit zählen Bibliotheken aus Deutschland, Österreich, Italien und Slowenien zu den BIX-Teilnehmerbibliotheken.

Die Ergebnisse des BIX können in zwei unterschiedlichen Feldern eingesetzt werden:

• Gute Ergebnisse können für die Außendarstellung der Bibliothek (Bibliotheks-marketing) genutzt werden.

• Schwache Ergebnisse können als Argumentationsgrundlage für Verbesserungs-maßnahmen im Rahmen von Personal- und Budgetverhandlungen herangezogen werden.

Aus 27 Kennzahlen werden 17 Indikatoren ermittelt, mittels derer das Abschneiden der Bibliotheken in den vier Zieldimensionen Angebote7, Nutzung8, Effizienz9 und Entwicklung10 bewertet wird.11

7 zieldimension 1 – angebote: Welche infrastruktur kann die Bibliothek anbieten? 1.1 raumangebot im Benutzungsbereich pro 1000 primäre nutzer, 1.2 mitarbeiterinnen pro 1000 primäre nutzer, 1.3 ausgaben für literatur und information pro 1000 primäre nutzer, 1.4 anteil der ausgaben für elektronische Bestände an den gesamtausgaben für informationsversorgung, 1.5 öffnungsstunden pro Woche.

8 zieldimension 2 – nutzung: Wie werden die angebotenen dienstleistungen genutzt? 2.1a physische Bibliotheksbesuche pro primären nutzer, 2.1b zugriffe auf homepage und opac pro primären nutzer, 2.3 Benutzerschulungsstunden pro 1000 primäre nutzer, 2.4 sofortige medienverfügbarkeit (Verhältnis von entlehnungen und nehmenden fernleihen), 2.5 nutzerzufriedenheitsquote (indikator wird noch nicht verwendet).

9 zieldimension 3 – effizienz: Werden die dienstleistungen kosteneffizient erbracht? 3.1 Bibliotheksausgaben pro primären nutzer, 3.2 Verhältnis der erwerbungsausgaben zu den personalausgaben, 3.3 prozesseffizienz (exemplarisch: medienbearbeitung), 3.4 prozesseffizienz (exemplarisch: entlehnung und fernleihe).

10 zieldimension 4 – entwicklung: sind ausreichend potenziale für die notwendigen entwicklungen vorhanden? 4.1 fortbildungstage pro mitarbeiter, 4.2 anteil der Bibliotheksmittel an den mitteln der hochschule, 4.3 anteil der dritt- und sondermittel an den Bibliotheksmitteln, 4.4 anteil des zur entwicklung und Bereitstellung elektronischer dienste eingesetzten personals.

11 zur konzeption des BiX vgl.: petra klug, Bruno Bauer: BiX – der Bibliotheksindex: 10 fragen von Bruno Bauer an petra klug, projektverantwortliche für den BiX in der Bertelsmann stiftung. in: medizin – Bibliothek – information 4 (2004) 2, 32-35.

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2.2 kriTik aM bix

Nachdem das Grundkonzept des BIX vorsieht, dass die Kennzahlen ohne allzu großen Aufwand erhoben werden und innerhalb der jeweiligen Bibliothekstypen eine weitestgehende Vergleichbarkeit gewahrt bleibt, kann der BIX die Leistungsfähigkeit von Bibliotheken nicht umfassend abbilden, sondern nur einen Ausschnitt davon.12

Wichtige Leistungen, die wesentlich zum Aufgabenbereich innovativer Bibliotheken zählen, wie etwa Aktivitäten in den Bereichen Open Access Publishing, Bibliometrie, Dokumentenlieferdienst (subito) oder Digitalisierung (EOD) sowie Sonderaufgaben (wie Zuständigkeit der Universitätsbibliothek für den Universitätsverlag, das Universitätsarchiv oder für Sammlungen und Museen, die von der Universität betrieben werden) können beim BIX nicht berücksichtigt werden.

Aber auch an den bereits entwickelten Indikatoren wird Kritik geübt:

• Bemängelt wird, gerade von den besonders leistungsorientierten und dynamischen wissenschaftlichen Bibliotheken, die sich sehr stark im Ausbau ihres Angebots an elektronischen Medien engagieren, dass die virtuelle Nutzung durch die alleinige Zugriffszählung auf Bibliothekswebsite und OPAC (die Nutzung der Datenbanken, E-Zeitschriften und E-Bücher wird nicht erfasst) ungenügend gemessen wird. Aus diesem Grund wird derzeit an der Hochschule der Medien Stuttgart daran gearbeitet, entsprechende Lösungsansätze für eine differenzierte Nutzungsstatistik im Rahmen des BIX zu entwickeln.

• Auch nicht berücksichtigt wird derzeit im BIX die Nutzerzufriedenheitsquote. Die Praktikabilität des dafür entwickelten Indikators wird derzeit an der Hochschule der Medien Stuttgart geprüft.

Kritisch bewertet wird auch das strukturelle Konzept des BIX:

• Die Vergleichbarkeit zwischen Bibliotheken unterschiedlicher Universitätstypen (etwa Medizinische Universitäten oder Kunst-Universitäten) ist nur bedingt gegeben. Ein Lösungsansatz könnte die Zusammenfassung von fachlich ähnlich ausgerichteten Bibliotheken in Cluster sein.

12 Bezüglich kritik am BiX vgl.: holm, arno leonhardt: BiX-WB – quo vadis? eine kritische Bestandsaufnahme. in: Bibliotheksdienst 39 (2005) 8/9, 1055-1060. – sandra rümmele: der BiX für spezialbibliotheken: eine Vorstudie in hinblick auf machbarkeit und akzeptanz. hausarbeit, hamburg: hochschule für angewandte Wissenschaften 2008. – simon Xalter: der „Bibliotheksindex“ (BiX) für wissenschaftliche Bibliotheken – eine kritische auseinandersetzung. tübingen 2006.

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• Die Darstellung der Ergebnisse in Rängen und Punkten wird den tatsächlichen Leistungen nicht ganz gerecht. Der Großteil der am BIX regelmäßig teilnehmenden Bibliotheken verbessert sich laufend, die derzeitige Präsentation der Ergebnisse, die aus einer Rangliste von der besten bis zur schlechtesten Bibliothek besteht, wird diesem Aspekt nicht gerecht. Abhilfe schaffen könnte ein Gütesigel, das jede Bibliothek erhält, die einen bestimmten Leistungsnachweis erbringt (angedacht ist etwa eine Art „Sternesystem“) und die Darstellung der Bibliotheken in Leistungsgruppen.

2.3 bix aN ÖsTerreichischeN UNiVersiTäTsbiblioThekeN

Nachdem sich über mehrere Jahre diverse Arbeitsgruppen an österreichischen Universitätsbibliotheken mit der Thematik „Leistungsmessung“ auseinandergesetzt hatten13, entschloss sich die Universitätsbibliothek der Wirtschaftsuniversität Wien 2004, als erste österreichische Bibliothek am BIX teilzunehmen; 2005 folgte die heutige Universitäts- und Landesbibliothek Tirol. Seit 2006 beteiligen sich auch die Universitätsbibliotheken der Medizinischen Universität Graz, der Medizinischen Universität Wien, der Veterinärmedizinischen Universität Wien und der Montanuniversität Leoben, seit 2007 die Universitätsbibliotheken der Kunstuniversität Graz, der Universität Graz, der Technischen Universität Wien und der Universität Wien am BIX. 2008 kam die Universitätsbibliothek der Technischen Universität Graz hinzu, und als bisher letzte Bibliothek folgte 2009 die Universitätsbibliothek der Universität Klagenfurt.14

Im BIX-WB 2009 scheinen zehn einschichtige und zwei zweischichtige Universitäts-bibliotheken aus Österreich auf.15

13 Vgl.: robert horvat, Brigitte kromp, dorothea scherzer, maria seissl: Wozu Qualitätsmanagement an wissenschaftlichen Bibliotheken. in: mitteilungen der VöB 54 (2001) 1, 86-89. – Bruno Bauer, margret schmied-kowarzik: leistungsmessungsindikatoren für digitale Bibliotheken in österreich: Bericht aus dem arbeitskreis nutzung elektronischer medien. in: mitteilungen der VöB 55 (2002) 3/4, 15-23. – robert horvat, karin Bitzan, christian gumpenberger, Brigitte kromp, maria seissl: leistungsmessung in rot-Weiß-rot – erfahrungen an wissenschaftlichen Bibliotheken in österreich. in: Bibliotheksdienst 37 (2003) 2, 180-183. – Bruno Bauer: die elektronische Bibliothek auf dem prüfstand ihrer kunden: konzeption und methodik der gemeinsamen online-Benutzerbefragung 2003 an zehn österreichischen universitäts- und zentralbibliotheken. in: Bibliotheksdienst 38 (2004) 4, 595-610.

14 Vgl.: elisabeth erasimus, Bruno Bauer: BiX: Beteiligung von sechs österreichischen universitätsbibliotheken am Bibliotheksindex 2006. in: mitteilungen der VöB 59 (2006) 3, 9-20. – elisabeth erasimus: BiX 2008: ergebnisse der elf österreichischen universitätsbibliotheken. in: mitteilungen der VöB 61 (2008) 4, 78-87.

15 BiX – der Bibliotheksindex 2009, B.i.t. online sonderheft.

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österreichische

BiBliotheken im

BiX-WB 2009

index-punkte

gesamt

punkte

angebote

punkte

nutzung

punkte

effizienz

punkte

entwicklung

einschichtige BibliothekenuB Vu Wien 867 257 260 158 191uB med uni Wien 781 162 191 260 168uB med uni graz 759 219 112 193 235uB leoben 756 178 153 256 169ulBt innsbruck 735 223 154 125 233uB tu Wien 665 197 153 203 112uB Wien 632 160 158 158 156uB klagenfurt 580 137 134 137 172uB tu graz 570 152 96 155 168ku graz 569 156 177 123 113zweischichtige universitätsbibliothekenuB graz 657 205 145 139 168uB Wu Wien 565 139 119 162 145

2.4 läNDerÜberGreiFeNDer VerGleich VoN erGebNisseN Des bix 2009

Die jährliche Präsentation der BIX-Ergebnisse erfolgt in Form einer Online-Datenbank (http://www.bix-bibliotheksindex.de/vergleich_wb/index.php?nID=19), die es möglich macht, die Leistungen von Gruppen von Bibliotheken miteinander zu vergleichen. Im Folgenden werden für ausgewählte Indikatoren die Ergebnisse der 33 einschichtigen Universitätsbibliotheken aus 2009 in Deutschland (23 Universitätsbibliotheken) denen in Österreich (10 Universitätsbibliotheken) gegenübergestellt.16

2.4.1 aNTeil biblioTheksMiTTel aN DeN MiTTelN Der hochschUle

Beim Indikator Anteil Bibliotheksmittel an den Mitteln der Hochschule zeigen sich besonders signifikante Unterschiede. Während der Mittelwert der deutschen einschichtigen Universitätsbibliotheken den Wert 6,9 % aufweist, liegt dieser für die zehn österreichischen Universitätsbibliotheken bei 3,8 %.

Die Medizinische Hochschule Hannover liegt mit 1,5 % als einzige deutsche Bibliothek unter dem österreichischen Mittelwert von 3,8 %.

16 die gruppe der zweischichtigen universitätsbibliotheken umfasst insgesamt 17 universitätsbibliotheken, davon nur zwei aus österreich, sodass hier ein Vergleich auf nationaler ebene nicht sinnvoll durchzuführen ist.

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Sämtliche österreichischen Bibliotheken liegen unter dem Mittelwert der deutschen Universitätsbibliotheken von 6,9 %; mit 6,5 % Spitzenreiter in Österreich sind die Universitäts- und Landesbibliothek Tirol und die Universitätsbibliothek Klagenfurt.

2.4.2 aUsGabeN FÜr liTeraTUr/iNForMaTioN Pro 1000 PriMäre NUTzer

Der Indikator Ausgaben für Literatur/Information pro 1000 primäre Nutzer weist für die 23 deutschen einschichtigen Universitätsbibliotheken EUR 198,61 aus, für die 10 österreichischen Universitätsbibliotheken EUR 169,49. Diese können somit pro primären Nutzer um ca. 17 % weniger investieren.

Spitzenreiter unter den deutschen Universitätsbibliotheken sind die Universitätsbibliothek der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg (EUR 458,59) und die Universitätsbibliothek Konstanz (EUR 400,07).

In Österreich kann die Universitätsbibliothek der Veterinärmedizinischen Universität Wien mit EUR 252,29 (pro 1000 primäre Nutzer) den größten Betrag für die Informationsbeschaffung zur Verfügung stellen.

2.4.3 ÖFFNUNGssTUNDeN Pro Woche (zeNTralbiblioThek)

Die deutlich bessere Finanzierung der deutschen einschichtigen Universitäts-bibliotheken spiegelt sich auch in einem besseren Leistungsangebot, wie am Indikator Öffnungsstunden pro Woche (Zentralbibliothek) ablesbar wird. Während die 23 deutschen Universitätsbibliotheken im Mittelwert 87,7 Öffnungsstunden aufweisen, liegt der entsprechende Wert für die zehn österreichischen Universitätsbibliotheken bei 68,4 Stunden.

Acht der 23 deutschen Universitätsbibliotheken bieten mehr als 100 Öffnungsstunden pro Woche an; Spitzenreiter ist die Universitätsbibliothek Konstanz mit 148 Stunden.

In Österreich kann die Universitäts- und Landesbibliothek Tirol als einzige Uni-versitätsbibliothek mit 111 Stunden mehr als 100 Öffnungsstunden pro Woche anbieten. Insgesamt liegen nur zwei der zehn österreichischen Universitätsbibliotheken über dem deutschen Mittelwert von 87,7 Öffnungsstunden.

2.4.4 läNDerVerGleich aUF basis Der JeWeiliGeN MiTTelWerTe

Der Ländervergleich auf Basis der jeweiligen Mittelwerte für die vier Zieldimensionen des BIX weist für die 23 deutschen Universitätsbibliotheken deutlich bessere Ränge

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für Angebote, Nutzung und Entwicklung auf, während die zehn österreichischen Universitätsbibliotheken nur beim Indikator Effizienz voran liegen. Der BIX 2009 weist für die deutschen Universitätsbibliotheken als Gesamtrang den Mittelwert 14,8 aus, für die österreichischen den Mittelwert 25,6 (bei insgesamt 33 berücksichtigten Universitätsbibliotheken).

BiX 2009einschichtige Bibliotheken deutschland österreichgesamtrang 14,8 25,6rang angebote 14,7 25,3rang nutzung 14,7 25,8rang effizienz 19,2 17,2rang entwicklung 16,4 22,7

3 WeiTere DarsTellUNGsForMeN Der leisTUNGeN Der ÖsTerreichischeN UNiVersiTäTsbiblioThekeN

Das Thema Kennzahlen, Leistungsmessung und Evaluierung hat für die Universitäts-bibliotheken in den letzten Jahren – abgesehen von der freiwilligen Teilnahme am BIX – auch durch die Österreichische Bibliotheksstatistik sowie durch die von den bundesstaatlichen Universitäten dem Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung regelmäßig vorzulegenden Leistungsnachweise zunehmend an Bedeutung gewonnen.

3.1 ÖsTerreichische biblioThekssTaTisTik

Die Österreichische Bibliotheksstatistik (ÖBS) konnte dank einer Initiative der ARGE Bibliotheksdirektoren/innen durch eine 2009 vereinbarte Kooperation der OBVSG mit der Deutschen Bibliotheksstatistik (DBS)17 bzw. dem hbz auf eine neue professionelle Basis gestellt werden. Die ÖBS bildet eine optimale Ergänzung zum BIX, zumal die dafür erhobenen Kennzahlen bereits als Grundset an Kennzahlen auch für die ÖBS genutzt werden können. Wie die Teilnahme am BIX ist auch die Teilnahme an der ÖBS freiwillig; 2009 haben sich an der Erstellung des ersten Berichtsjahres der ÖBS (2008) 16 von 20 bundesstaatlichen Universitätsbibliotheken beteiligt. Regelmäßig und mit (bis zu) 409 Kennzahlen überaus detailliert werden in der ÖBS Daten zu Bestand, Ressourcen und Services der sich beteiligenden Bibliotheken erfasst; diese umfassende Datenbasis bildet eine wichtige Voraussetzung für zukünftige Detailanalysen. 17 Vgl.: ronald m. schmidt, Bruno Bauer: deutsche Bibliotheksstatistik (dBs): konzept, umsetzung und perspektiven

für eine umfassende datenbasis zum Bibliothekswesen in deutschland: 10 fragen von Bruno Bauer an ronald m. schmidt. in: gms medizin – Bibliothek – information 8 (2008) 1, doc05.

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3.2 WisseNsbilaNz UND leisTUNGsberichT Der bUNDessTaaTlicheN UNiVersiTäTeN

Das Universitätsgesetz 2002 brachte den 21 bundesstaatlichen Universitäten die volle Rechtsfähigkeit. Der Staat als Hauptgeldgeber für die Universitäten hat sich auf eine kontrollierende Rolle zurückgezogen, die er u.a. durch die neu etablierten universitären Steuerungsinstrumente „Wissensbilanz“ und „Leistungsbericht“ wahrnimmt. Diese Steuerungsinstrumente betreffen auch die Universitätsbibliotheken.

3.2.1 WisseNsbilaNz

Seit 2007 besteht für die bundesstaatlichen Universitäten die Verpflichtung, jährlich eine Wissensbilanz (WB) an das zuständige Bundesministerium vorzulegen. Von den 66 Kennzahlen betreffen vier die Universitätsbibliotheken:• Kosten der angebotenen Forschungsdatenbanken;• Kosten für angebotene wissenschaftliche / künstlerische Zeitschriften

(unterschieden in Print bzw. Online);• Anzahl der Entlehnungen an Universitätsbibliotheken (unterschieden in:

Studierende, Lehrende / sonstige Universitätsangehörige, Nicht-Universitäts-angehörige);

• Anzahl der Aktivitäten von Universitätsbibliotheken (Ausstellungen, Schulungen, Bibliotheksführungen).

Voraussichtlich 2010 wird eine Novelle zur Wissensbilanzverordnung beschlossen, die zu einer Straffung der Kennzahlen führen soll.

3.2.2 leisTUNGsberichT

Für die Jahre 2007 bis 2009 wurden erstmals Leistungsvereinbarungen zwischen dem zuständigen Bundesministerium und den einzelnen Universitäten abgeschlossen. Damit zusammenhängend wurden die Universitäten verpflichtet, jährlich Zwischenberichte über die Umsetzung der vereinbarten Vorhaben in Forschung, Lehre und Administration vorzulegen. 2008 wurden von den Universitäten erstmals für 2007 Leistungsberichte erstellt.

Als Teil des vorzulegenden Leistungsbericht ist ausdrücklich ein „Bericht über die Aktivitäten im Bereich der Bibliotheken“ vorzulegen, wofür in der entsprechenden Verordnung folgende Struktur vorgeschlagen wird:1 Einbindung der UB in den Universitätsbetrieb2 Benutzerzufriedenheit

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3 Teilnahme am Österreichischen Bibliothekenverbund 3.1 Kooperation der UB mit der Verbundzentrale 3.2 Entwicklung im Bereich der Zeitschriftendatenbank 3.3 Entwicklung im Bereich der digitalen Bestände4 Bibliothekarsausbildung 4.1 Ergebnis der Universitätslehrgangsevaluierung 4.2 Kooperationen der Universitätslehrgänge

4 resÜMee

Das Thema Leistungsmessung an den Universitätsbibliotheken der bundesstaatlichen Universitäten gewinnt zunehmend an Bedeutung. Nach einer vorangegangenen Phase der intensiven Auseinandersetzung mit diesem Thema auf nationaler Basis bieten, beginnend mit 2004, Einstieg und Nutzung des BIX durch österreichische Universitätsbibliotheken die Chance, auf ein etabliertes, international eingesetztes und laufend optimiertes Leistungsmessungsinstrument zurückzugreifen.

Unabhängig davon, ob nun der BIX oder ein anderes Instrument genutzt wird, ist die Auseinandersetzung und Kenntnis derartiger Evaluierungsinstrumente jedenfalls sinnvoll und hilfreich, zumal davon auszugehen ist, dass dieses Thema in den nächsten Jahren noch an Bedeutung gewinnen wird.

Die Beurteilung von Bibliotheksleistungen erfolgt auf drei Ebenen:a) als einzelne Universitätsbibliothek durch das jeweilige Rektorat (z.B.: Prozess-

dokumentation, Zertifizierung);b) als Gruppe der österreichischen Universitätsbibliotheken durch das zuständige

Bundesministerium („Wissensbilanz“ & „Leistungsbericht“);c) als nationale oder internationale Gruppe von Universitätsbibliotheken (BIX, ÖBS).

Während Rektorate und das zuständige Bundesministerium nur wenige Kennzahlen wünschen, sollte es im Interesse der Universitätsbibliotheken liegen, regelmäßig Daten auf breiterer Basis zu generieren, um gegebenenfalls – auf Anfrage – auch zu Detailaspekten des Leistungsspektrums der Bibliothek fundiert Auskunft geben zu können.

DaNksaGUNG

Der Autor bedankt sich bei Frau Mag. Elisabeth Erasimus, BIX-Verantwortliche der Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien, für ihre Unterstützung.

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gEschafft? mIt auszEIchnung!

das zertifizierungsVerfahren der akmB (arBeitsgemeinschaft der kunst- und museumsBiBliotheken)

simone moser

In Fachkreisen stehen, vor allem in jüngster Zeit, immer wieder Themen zur Diskussion, die sich um den Wandel bibliothekarischer Rahmenbedingungen drehen. Denn nicht nur das Berufsbild der BibliothekarInnen war und ist im Begriff sich zu ändern, auch das Spektrum der Aufgaben ist in ständiger Bewegung und die Selbstverständlichkeit, sich eine Bibliothek zu leisten, scheint immer mehr in Frage gestellt.

BibliothekarInnnen sehen sich als Informations- und WissensmanagerInnen, die die klassischen Aufgaben des Sammelns, Bewahrens, Erschließens und Bereitstellens von Literatur unter Berücksichtigung neuer und sich ständig ändernder Anforderungen als SpezialistInnen wahrnehmen.

Die Kunst- bzw. Museumsbibliothek in ihrer tradierten „statischen“ Form gibt es nicht mehr [?]. Die Bibliothek der Gegenwart, vielfach Organisationseinheit eines ökonomisch agierenden Kulturbetriebes, blickt nach vorne und präsentiert sich als eine dynamische zielgruppenorientierte Einrichtung.

Gleichzeitig zwingt der allgemeine Trend rückläufiger Ressourcen viele Bibliotheken zu Sparsamkeit, es bedarf mehr denn je des wirtschaftlich orientierten Denkens und Handelns. Wer erfolgreich sein will, muss Grundlagenkenntnisse in Management-Methoden, Marketing und Controlling erwerben und seine Fähigkeiten adäquat, flexibel und strategisch einsetzen und beweisen können.

Angesichts dieser Ansprüche entstand das Vorhaben der AKMB, ein auf Kunst- und Museumsbibliotheken zugeschnittenes Qualitätsmanagement-Paket zu schnüren, d.h. entsprechende Qualitätsstandards zu formulieren und diese gleichsam in ein QM-System zu implementieren.

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Der Grundgedanke des Verfahrens liegt in der Absicht, mittels eines Audits ein fachliches Instrument für die Bibliothek anzubieten, um bei knapper werdenden Mitteln den Ressourceneinsatz belegen und die Zukunft gestalten zu können sowie „Trägerorganisationen und externen Gutachtern gegenüber ihre Unverzichtbarkeit für Forschung, Lehre und Studium vermitteln [zu] können.“1

Die zukünftige Aufgabe für Museumsbibliotheken lautet, nicht (nur) Existenzsicherung zu betreiben, sondern auch kontinuierliche Entwicklung und Verbesserung im Sinne einer lernenden Organisation anzustreben.

Museumsbibliotheken sind eine inhomogene Gruppe. Der deutschsprachige Raum kennt ein vielfältiges Netz an Museumsbibliotheken, gekennzeichnet durch Unterschiedlichkeiten in Profil, Dienstleistung, finanzieller sowie personeller Ausstattung u.a. Kleinere Bibliotheken werden meist als One-Person-Libraries mit geringen finanziellen Mitteln geführt, in großen Bibliotheken dagegen begegnet man einem beachtlichen Stab an MitarbeiterInnen, das Budget fällt üppig aus - und dazwischen liegt ein wohl breites Mittelfeld.

Ein funktionierendes Qualitätsmanagementverfahren für diese Zielgruppe anzubieten, hieß eine Methode zu entwickeln, die den unterschiedlichen Bibliothekstypen und deren spezifischen Herausforderungen gerecht wird.

Nach langen, intensiven Diskussionen und der Suche nach einer Lösung, die einerseits die Heterogenität von Bibliotheken bestmöglich berücksichtigt und andererseits den Anspruch erfüllt, keine unterschiedlichen Verfahren entwickeln bzw. anwenden zu müssen, entstand schließlich das Standardpapier der AKMB in der derzeit gültigen Fassung. Dieses umfasst 85 Standards, die auf alle Bibliothekstypen anwendbar sind. Um ein Zertifikat zu erlangen, müssen die Standards zu 100% erfüllt werden.

Folgende neun Bereiche werden geprüft:• Ziele und Zielgruppen• Organisation, Finanzen • Bestand• Dienstleistung • Kommunikation und Marketing• personelle Rahmenbedingungen• räumliche Rahmenbedingungen• technische Ausstattung 1 martin zangl: Qualitätsstandards für Bibliotheken und informationseinrichtungen. in: erfolgreiches management von

Bibliotheken und informationseinrichtungen : fachratgeber für die Bibliotheksleitung und Bibliothekare, hg. von hans-christoph hobohm, konrad umlauf. hamburg 2002. loseblattausg. stand: november 2007, kap. 5.5.11, 6.

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Da, wie bereits mehrfach erwähnt, Bibliotheken höchst unterschiedlich strukturiert und organisiert sind, war es offensichtlich, dass vermutlich kaum eine Bibliothek im Stande ist, alle geforderten Punkte zu erfüllen.

Um trotzdem ein positives Ergebnis erreichen zu können, wurde festgelegt, dass spezifische inkompatible Anforderungen als „nicht auditierbar“ erklärt werden und somit im Verfahren nicht zum Tragen kommen.

Die verbleibende Anzahl an Standards (folglich 85 abzüglich der aus der Bewertung genommenen) stellt die Grundlage der zu erfüllenden Richtlinien dar und legt die erforderliche Punktezahl fest.

Der Bewertungsschlüssel stellt sich wie folgt dar:• Erfüllung der Anforderung: 1 Punkt• Nichterfüllung der Anforderung: 0 Punkte• Übererfüllung der Anforderung: 2 Punkte

Das Verfahren ermöglicht den Erwerb von zusätzlichen Pluspunkten, die man für besonders gut funktionierende Bereiche erhält. Standards legen immer ein Mindestmaß fest, wer darüber hinaus eine besonders nennenswerte Leistung nachweisen kann, kann das Konto mit einer gewissen Anzahl an „übererfüllten“ Standards auffetten und zugleich die Gelegenheit nutzen, um einige „nicht erfüllte“ Standards (Minuspunkte) auszugleichen.

Diese Vorgangsweise macht es möglich, die unterschiedlichsten Profile und Strukturen der Bibliotheken zu berücksichtigen und somit auch gleichberechtigte Voraussetzungen für alle zu schaffen.

Ein Beispiel zur Orientierung: Eine Museumsbibliothek wird als hausinterne Bibliothek geführt, hat also keinen Öffentlichkeitsanspruch. Beim Verfahren werden alle Punkte, die die Öffentlichkeit betreffen, wie Öffnungszeiten, externe Benutzerbefragungen etc. aus der Bewertung genommen, indem sie zu „nicht auditierbaren“ Forderungen erklärt werden. Zurück bleibt ein durch die AuditorInnen schriftlich zu begründendes Anforderungspaket von x Punkten, das die Grundlage für das individuelle Verfahren darstellt und das Profil der Bibliothek auch entsprechend berücksichtigt.

Das QM-Verfahren der AKMB wurde bewusst keiner ISO-Zertifizierung unterzogen.

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Denn während das ISO-Verfahren auf eher formale Weise prüft, hat sich die AKMB für eine inhaltlich serviceorientierte Verfahrensmethode entschieden. Allerdings resultieren die formalen Schritte zur Durchführung des Verfahrens in Anlehnung an die Qualitätsnorm ISO 9001, wobei diese Norm die Rahmenbedingungen für kontinuierliche Leistungsverbesserungen und permanente Prozessanalysen in Organisationen im Allgemeinen festlegt.

Die Standards der AKMB sind „aus der Praxis für die Praxis“ entstanden. Sie resultieren aus Erfahrungswerten von Fachleuten, die mit den alltäglichen Arbeitsansprüchen und -abläufen bestens vertraut sind. So ist das Standardpaket u.a. mit der Absicht entstanden, Hilfestellung für den Alltag zu bieten. Die einzelnen zu erfüllenden Standards sind also sehr konkret auf Basis von Aufgaben formuliert. Sie definieren, mit welchem Mindestmaß – die Bibliothek kann selbstverständlich mehr leisten - Aufgaben erfüllt werden müssen.

Standards müssen messbar und nachweisbar sein - das ist ihr Kennzeichen. Daher sind sowohl Überprüfungen von schriftlichen Dokumentationen und Konzepten als auch Vor-Ort-Feststellungen durch Begehung und Besichtigung fixer Bestandteil der Audits.

Im Zuge des Audits wird geprüft, ob und wie die geforderten Standards erfüllt werden. Besonderes Augemerk wird darauf gelegt, dass dieser Prozess im Sinne eines Fachgesprächs zwischen den verantwortlichen BibliothekarInnen und den zwei AuditorInnen umgesetzt wird. Schließlich geht es nicht darum, Fehler aufzudecken und anzuprangern, sondern darum, Schwächen gegebenenfalls zu sondieren sowie Lösungsansätze zu erörtern. Selbstverständlich bietet das Gespräch auch ausreichend Raum für die Darstellung von Leistungen und Stärken.

Als AuditorInnen fungieren Fachleute aus Kunst- und Museumsbibliotheken. Innerhalb der AKMB hat sich eine Gruppe von KollegInnen gefunden, die mit der Absolvierung einer entsprechenden Schulung auch die Berechtigung zu erwarben, Audits in der Praxis durchzuführen.

Da der Inhalt des Zertifizierungs-Verfahrens aufgrund der öffentlichen Zugänglichkeit der Unterlagen schon im Vorfeld des Audits bekannt ist, steht einer gründlichen Vorbereitungsphase im Sinne einer „Trockenübung“ durch die MitarbeiterInnen der Bibliothek nichts im Wege. Für Rückfragen zu allen Bereichen rund um das Verfahren stehen das Team der „Fachgruppe Standards“, die Gruppe der AuditorInnen sowie KollegInnen aus bereits zertifizierten Bibliotheken gerne Rede und Antwort.

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Ein Audit, das erfahrungsgemäß ca. 1,5 Arbeitstage in Anspruch nimmt, wird mit einem Abschlussgespräch, zu dem die für die Bibliothek verantwortlichen Entscheidungsträger eingeladen sind, beendet. Die Bibliothek erhält im Zuge dessen einen vorläufigen schriftlichen Bericht, der zugleich die Kurzform der Empfehlung für die Zertifizierungsstelle an der „Humboldt-Universität zu Berlin“ darstellt.Das Verfahren schließt, nach positiver Prüfung durch Prof. Konrad Umlauf, mit der Vergabe des Zertifikats. Das Zertifikat hat eine Gültigkeit von drei Jahren und sollte nach Ablauf dieser Periode wiederholt werden.

Einige zusammenfassende Gedanken und Anregungen für die Zertifizierung:

Standards sind eine Möglichkeit, die Arbeit der Bibliothek und ihre Dienst-leistungen transparent zu machen, indem interne und externe Prozesse der Bibliothek überprüft werden.

Bereits in der Vorbereitungsphase wird das Team der Bibliothek motiviert, relevante Arbeitsabläufe zu analysieren, die eigene Praxis zu hinterfragen und dadurch auch zu einem besseren Verständnis der Tätigkeiten zu kommen.

Schriftlich fixierte Konzept- und Strategiepapiere sowie genaue Beschreibungen von internen Abläufen gewährleisten, dass diese Kenntnisse nicht exklusiv den BibliothekarInnen sondern auch der Organisation zur Verfügung stehen.

Exakte Beschreibungen der Aufgaben und Kompetenzen jedes Einzelnen vermitteln Sicherheit und Klarheit in Bezug auf die zugeteilten Tätigkeiten und Verantwortlichkeiten.

Das gemeinsame Agieren des Bibliotheksteams in der Vorbereitungsphase fördert die Kommunikation und bringt u.U. bisher verborgene Talente, persönliche Interessen und individuelle Fähigkeiten zum Vorschein.

Der Führungsstil der Bibliotheksleitung steht hinsichtlich MitarbeiterInnen-

führung und hinsichtlich Strategie und Zielerreichung am Prüfstand.

Das Audit selbst wird als Fachgespräch erlebt, das einen intensiven Erfahrungsaustausch ermöglicht, wobei das Potenzial der Bibliothek einer konstruktiven Kritik unterzogen wird.

Durch das Verfahren werden Entwicklungsprozesse angeregt, die in Folge zu einer verbesserten Routine führen und die Effizienz der Arbeit steigern.

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Mittel- und langfristig führen diese Prozesse auch zu einer kontinuierlichen Steigerung der Zufriedenheit der KundInnen, zu höherer Motivation der MitarbeiterInnen und somit zu einer Steigerung der Qualität im Gesamten.

Die Erreichung des Zertifikats führt zur Verbesserung des Images, sowohl intern als auch extern. Die Bibliothek definiert sich als Partner für die Zielerreichung der gesamten Organisation.

Das Audit „liefert“ und analysiert Daten als Basis für Entscheidungen.

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QualItät PlanEn, stEuErn, sIchErn – DIE zErtIfIzIErung von BIBlIothEkEn In süDtIrol

daniel Weger

In Südtirol wurde im Jahr 1983 ein Bibliotheksgesetz im Landtag verabschiedet und damit der Grundstein für den Aufbau eines gut verzweigten und stabilen Bibliothekssystems gelegt. Das Gesetz ist vor allem ein Struktur- und ein Finanzgesetz. Es regelt nämlich zum einen grundsätzlich den Aufbau und die Strukturierung des Bibliothekswesens (es sieht z.B. vor, dass es in den Bezirken Mittelpunktbibliotheken geben muss oder dass vor Ort Bibliothekssysteme mit Hauptstellen, Zweig- und Leihstellen zusammen auftreten sollen), und es regelt zum anderen die Finanzierung des Bibliothekswesens, und zwar sowohl die Finanzierung von Räumlichkeiten und Investitionen als auch die Finanzierung von Personal, von Bestandsaufbau, von Aktivitäten und vom laufenden Betrieb einer Bibliothek.1

Vor diesem Hintergrund gelang in den 80er- und 90er-Jahren der Aufbau eines strukturell gut ausgestatteten öffentlichen Bibliothekswesens. Schritt für Schritt entstanden schöne Bibliotheksneubauten oder zumindest attraktivere Bibliotheken in neuen Räumlichkeiten, und die Gemeinden konnten für das Thema „Öffentliche Bibliothek“ sensibilisiert werden und haben (in größeren Kommunen) hauptamtliches Personal zur Führung der Bibliotheken eingestellt.2

Vor zehn Jahren fragte man sich deshalb, wie man das lokale Bibliothekswesen nun inhaltlich weiterentwickeln und für die Zukunft rüsten könne. So machten sich zentrale Stellen und Bibliotheken gemeinsam daran, ein Bibliothekskonzept für Südtirol zu erarbeiten. Nach Jahren des Auf- und des Ausbaus sollten nun verstärkt die Qualität des Angebotes und die Professionalisierung der Führung der Bibliotheken ins Blickfeld gerückt werden. Deshalb stand von Beginn an die Entwicklung eines Qualitätssicherungssystems im Zentrum der Überlegungen. Nach längerer Diskussion entschied man sich dafür, nicht ISO-Normen und internationale Verfahren anzuwenden, sondern eine interne Lösung zu entwickeln.

1 online ist das südtiroler Bibliotheksgesetz abrufbar unter http://www.provinz.bz.it/kulturabteilung/bibliotheken/bibliotheken-gesetze.asp (15.10.2009).

2 einen guten überblick über die südtiroler Bibliothekslandschaft gibt das referat von Volker klotz, Bibliothekslandschaft südtirol: entwicklung, gesetz, strukturen, arbeitssituation & personal, herausforderungen & perspektiven, online: http://www.hdm-stuttgart.de/bi/bi_news/bi_news20090125101341/suedtiroltag_Bibliothekslandschaft_klotz.pdf (15.10.2009).

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Das war zwar wesentlich arbeitsaufwändiger, aber dafür konnte es maßgeschneidert auf die Profile und Bedürfnisse der Bibliotheken angepasst werden.

Dieses Qualitätssicherungsverfahren wurde nicht an einem Behördenschreibtisch entworfen und dann den Bibliotheken präsentiert, sondern es handelte sich um ein Gemeinschaftsprodukt, bei dem von Anfang darauf geachtet wurde, möglichst alle Beteiligten mit einzubeziehen. Für die Entwicklung und die konkrete Ausarbeitung wurde eine Steuerungsgruppe gebildet, die aus Vertretern der zentralen Stellen (Amt für Bibliothekswesen, Bibliotheksverband Südtirol), aus Vertretern der Bibliotheken (hauptamtliche und ehrenamtliche Bibliothekarinnen) und aus einem externen Moderator (Meinhard Motzko) zusammengesetzt war.

Die Grundlage für das Konzept bildete die Sammlung aller Aufgaben, die eine Bibliothek erfüllt. Von dieser allgemeinen Aufgabenbeschreibung ausgehend mussten in einem nächsten Schritt dann konkrete Standards formuliert werden, und zwar – und das ist entscheidend – messbare Standards, die nachher auch wirklich überprüft werden können.3 Außerdem wurden die Standardpakete für drei verschiedene Niveaustufen konzipiert: eine Sammlung von Standards für Mittelpunkt- und Stadtbibliotheken, eine Sammmlung für hauptamtlich geführte Kommunalbibliotheken (meist One-Person-Libraries) und eine Sammlung für kleine ehrenamtlich geführte Bibliotheken.

Als Beispiel für einen Standard kann man etwa aus dem Bereich „Angebote der Bibliothek“ die Veranstaltungsarbeit nennen, wo die zugrunde liegende Aufgabe ganz allgemein heißt: „Die Bibliothek organisiert verschiedene Veranstaltungen.“ Als konkrete Standards dazu wurden ausgearbeitet: für die Stufe I (ehrenamtlich): „Die Bibliothek organisiert eine Veranstaltung pro Jahr“, für die Stufe II (hauptamtlich): „Die Bibliothek organisiert fünf Veranstaltungen pro Jahr“, für die Stufe III (Mittelpunktbibliothek): „Die Bibliothek organisiert zehn Veranstaltungen pro Jahr“. Auf die einzelnen Aufgabenbereiche und Standards soll hier nicht näher eingegangen werden; die vollständigen aktuellen Standardpakete können online auf der Website des Amtes für Bibliotheken und Lesen jederzeit eingesehen werden.4

Nach der Ausarbeitung von Aufgaben- und Standardkatalog musste noch ein Überprüfungsprozess entwickelt werden. Dazu wurde ein so genanntes Auditierungssystem entworfen, welches vorsieht, dass zwei ausgewählte Auditoren eine Bibliothek besuchen und dort die Einhaltung der Standards überprüfen.

3 siehe auch: meinhard motzko, Was sind standards?, online: http://www.praxisinstitut.de/motzko/downloads/pdf/1317.pdf (15.10.2009).

4 http://www.provinz.bz.it/kulturabteilung/bibliotheken/qualitaetsstandards.asp (15.10.2009).

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Bei bestandenem Audit soll der Bibliothek ein Qualitätszertifikat überreicht werden, welches drei Jahre lang gültig ist und dann erneuert werden muss. Diese erste Entwicklungs- und Planungsphase beinhaltete neben der Arbeit der Steuerungsgruppe auch Sichtungs- und Rückmeldemöglichkeiten durch die Bibliotheken und dauerte insgesamt gut drei Jahre (2000-2002). Nach Abschluss der Planung begann man im Jahr 2003 mit der Umsetzung: das Bibliothekskonzept und das Qualitätssicherungsverfahren wurden den Bibliotheken in den Bezirken vorgestellt, und in einer mehrtägigen Schulung wurde eine erste Gruppe von Auditor/innen (Bibliothekar/innen und Mitarbeiter/innen der zentralen Stellen) ausgebildet. Zudem wurde festgelegt, dass Auditor/innenpaare jeweils aus einem/einer Bibliothekar/in sowie einer Person der zentralen Stellen zusammengesetzt werden und dass sich diese Auditor/innen mindestens ein Mal jährlich zu einer Auditkonferenz treffen, um die Erfahrungen zu diskutieren und das System dynamisch weiterzuentwickeln. Ab 2004 wurden in der Folge die ersten Bibliotheken auditiert.

Ein Audit läuft in der Praxis – verkürzt dargestellt – folgendermaßen ab: freiwillige Anmeldung der Bibliothek beim Amt für Bibliotheken und Lesen, namentlicher Vorschlag von zwei Auditor/innenpaaren durch das Amt, Auswahl eines Paares durch die Bibliothek, Terminfixierung zwischen Bibliothek und Auditor/innenpaar, Unterlagenübersendung zur Vorbereitung durch die Bibliothek, Erstellung des Audit(ablauf )plans durch die Auditor/innen, Durchführung des Audits in der Bibliothek (Rundgang, Besprechung, Fragen zu einzelnen Standards), Bewertung der Standards und Erstellung des Auditberichts durch die Auditor/innen, gemeinsame Besprechung des Ergebnisses mit Bibliotheksleitung und Träger, Übermittlung von Bewertung und Bericht an das Amt, Verleihung des Qualitätszertifikates durch die Landesrätin, Auszahlung der Prämie für das bestandene Audit (Letzteres seit 2006).

Nach nun fünfjähriger Erfahrung mit dem System kann man 2009 resümieren, dass nach zögerlichem Beginn inzwischen eine deutlich gestiegene Akzeptanz von Seiten der Bibliotheken festzustellen ist und dass die Zahl von knapp 50 auditierten Bibliotheken (bei freiwilliger Meldung) ein durchaus positives Ergebnis darstellt.Die Probleme, die überwunden werden mussten, waren vor allem auf emotionaler Ebene angesiedelt: die aufwändige Vorbereitung mit Erstellung von Bestandskonzept und verschiedenen Unterlagen wurde als zusätzliche Arbeitsbelastung empfunden, die geforderte schriftliche Dokumentation als unnötiger Bürokratismus und das Auditverfahren als Kontrolle der eigenen Tätigkeit. Zudem gab es von Seiten der Träger der Bibliotheken (Gemeinden, Pfarren) meist keine Unterstützung, sondern eher Desinteresse diesem Qualitätssicherungsverfahren gegenüber.

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Dass das System trotzdem Fuß fassen konnte und Schritt für Schritt überall anerkannt wurde, ist vor allem dem Umstand zu verdanken, dass die Bibliotheken (und somit die Bibliothekar/innen) selbst von Anfang an in die Entwicklung mit eingebunden waren und dass stets ganz offen kommuniziert und in persönlichen Gesprächen mit den Menschen geredet wurde. Dabei war auch die starke zentrale Steuerung wichtig, wodurch über Jahre dieselben Personen am System mitarbeiteten und Ansprechpartner/innen für die Bibliotheken waren und sind. Eine wichtige Komponente war selbstredend auch der finanzielle Anreiz, der mit Einführung der Geldprämie 2006 geschaffen wurde und einer auditierten Bibliothek drei Jahre lang willkommene zusätzliche Geldmittel garantiert. Und schließlich war auch zu beobachten, dass für junge Bibliothekar/innen, die in den Nullerjahren ins Bibliothekswesen eingestiegen sind, das Auditsystem von Anfang an einfach mit dazu gehörte und diese sich ohne Zögern mit dem Qualitätsanspruch identifizierten.

Als Fazit kann man heute auch auf inhaltlicher Ebene feststellen, dass das Qualitätssicherungssystem Erfolge zeitigt: es kann ein deutlicher Professionalisierungsschub und ein viel bewussterer Umgang mit den eigenen Aufgaben und Zielen, mit den eigenen Stärken und Schwächen bei den Bibliotheken beobachtet werden. Diese stärkere Selbstreflexion geht einher mit einem gesteigerten Selbstbewusstsein im Auftritt nach außen und in der Vermarktung des eigenen Schaffens und Angebotes. Dabei hilft der schriftliche und objektive Qualitätsnachweis, den das Zertifikat darstellt, auch bei der Argumentation und Verhandlung mit der Politik und den Entscheidungsträgern in Gemeinde und Land. Insgesamt hat das Qualitätssicherungsverfahren auch zu einer Netzwerk- und Systemstärkung geführt, die noch deutlicher zu Tage treten wird, wenn auch die Südtiroler Schulbibliotheken5 in den nächsten Jahren zwar nicht dasselbe, aber ein ganz ähnliches Auditierungssystem einführen und umsetzen werden.

5 siehe auch die Bachelor thesis von karin Volgger: entwicklung von Qualitätsstandards für südtiroler schulbibliotheken. stuttgart 2009. url: http://opus.bsz-bw.de/hdms/volltexte/2009/674 (15.10.2009).

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forum BIBlIothEksstatIstIk

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stEuErungstool oDEr DatEnfrIEDhof: DIE DEutschE BIBlIothEksstatIstIk Im alltag EInEr unIvErsItätsBIBlIothEk

Joachim kreische

1. eiN iNsTrUMeNT UNTer VieleN: Die DeUTsche biblioThekssTaTisTik

Alle Vorgänger eingerechnet bietet die Deutsche Bibliotheksstatistik seit 1902 ein bewährtes Instrument zum Leistungsvergleich zwischen den Bibliotheken an. Ab dem Berichtsjahr 1999 stehen die Daten online zur Verfügung und können für individuelle Fragenstellungen gefiltert und dargestellt werden. Über Nutzen und Aufwand der Deutschen Bibliotheksstatistik wurde zumindest öffentlich nicht räsoniert.

So bleibt die Frage, ob die Deutsche Bibliotheksstatistik ein taugliches Werkzeug für den Leistungsvergleich zur strategischen Steuerung der Bibliotheken ist, vage im Raum stehen. Dass in den Bibliotheken aber ein Bedarf nach einem solchen Instrument besteht und die Deutsche Bibliotheksstatistik diese Funktion zumindest nicht in der vorliegenden Form ausfüllen kann, wurde spätestens durch die seit Anfang der 90er Jahre in der Bibliotheksöffentlichkeit diskutierte Forderung nach aussagekräftigen Leistungskennzahlen für die strategische Steuerung der Bibliotheken deutlich.

In den Folgejahren entstanden auch durch die Unterstützung mehrerer DFG-Projekte mit der seit 1999 geltenden DIN ISO 11620 und mit dem Bibliotheksindex (BIX) neue Instrumente zur betrieblichen Steuerung durch Leistungskennzahlen. Diese orientieren sich an internationalen Normen und Produkten, so dass damit eine Vielzahl verwendbarer Kennzahlenschemata verfügbar ist.1 Leitend war jeweils die betriebswirtschaftlich belegte Maßgabe, dass Kennzahlensysteme die strategischen Ziele der Bibliotheken in einem überschaubaren und aussagekräftigen Set an Zahlen messbar veranschaulichen müssen.

Ersetzt haben diese Leistungskennzahlenschemata zumindest in Deutschland die Bibliotheksstatistik aber nicht. Im Gegenteil: Die Erhebungsdaten für den

1 ein guter überblick bei: inden, Yvonne: die entwicklung von Qualitätsstandards in Bibliotheken und ihr einsatz im Benchmarking. Berlin 2008, 39ff.

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Bibliotheksindex werden sogar explizit so weit wie möglich der Deutschen Bibliotheksstatistik entnommen. Die Bibliotheksstatistik übernimmt dabei die Funktion, alle Basisdaten in valider Form zu sammeln und zum Retrieval bereit zu stellen, während in den Kennzahlentableaus die für Managemententscheidungen maßgeblichen Kennzahlen in komprimierter Form zusammengestellt werden.

Wenn die Bibliotheksstatistik aber nur noch als Basisdienst für darauf aufbauende Kennzahlensysteme betrieben werden soll, stellt sich natürlich die Frage, welchen eigenständigen Zweck die Bibliotheksstatistik dann noch hat und warum nicht beide Systeme miteinander konvergieren. Dass diese Frage berechtigt ist, zeigt auch der Blick ins Ausland. Wie Henk Voorbij auf dem Deutschen Bibliothekartag 2009 berichtet hat, wurde z.B. in den Niederlanden die Bibliotheksstatistik bewusst zu einem Instrument des Leistungsvergleichs weiterentwickelt und auf eine weitere Basisstatistik verzichtet.

Dennoch leistet die Deutsche Bibliotheksstatistik etwas, was normierte und verbindliche Kennzahlentableaus nicht leisten können. Diese sollen durch den Vergleich Aussagen zur Effizienz und zur Effektivität angestrebter strategischer Ziele ermöglichen: Mit welchen Mitteln und/oder in welchem Umfang wird das Ziel in einer Bibliothek im Vergleich zu anderen erbracht? Mit der Definition der einzelnen Kennzahl wird festgelegt, welches Ziel damit messbar sein soll, mit der Summe der Kennzahlen wird der Umfang der vergleichbaren Ziele abschließend beschrieben. Auf diese Festlegung und Beschränkung lassen sich alle Bibliotheken ein, die an derartigen Vergleichen und Rankings teilnehmen. Für andere Ziele, die in den Bibliotheken gegebenenfalls verfolgt werden, im Kennzahlensystem aber nicht in messbaren Kennzahlen abgebildet werden, lässt sich kein aussagekräftiger Vergleich anstellen.

Kennzahlensysteme zum Leistungsvergleich schränken aber nicht nur den Zielekosmos ein, sie legen auch mit der Bewertung der Kennzahlen die strategische Zielrichtung fest. Die Kennzahl „Ausgabenanteil elektronische Medien“ des BIX gibt z.B. in der Prämierung der unbegrenzten Höhe des erzielten Wertes vor, dass eine Maximierung des Anteils elektronischer Medien am Erwerbungsetat ein strategisches Ziel aller teilnehmenden Bibliotheken ist. Dass der effiziente Personaleinsatz im BIX nur für die Medienbearbeitung gemessen wird, ignoriert, dass eine Bibliothek ihre Rationalisierungsanstrengungen vielleicht aus ganz zufälligen Gründen in ganz anderen Arbeitsbereichen vorangetrieben hat.

Aus all dem wird deutlich, dass ein kooperativ und verbindlich genutztes Kennzahlen-system niemals die individuellen und dynamischen Ziele einer einzelnen Bibliothek

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im Leistungsvergleich zum Ausdruck bringen kann. Dazu sind allein schon die lokalen Rahmenbedingungen zu unterschiedlich und dabei Einflussfaktoren und Entwicklungen unterworfen, denen sich die Bibliotheken heute mehr denn je strategisch stellen müssen.2

An dieser Stelle kommt die Stärke der Deutschen Bibliotheksstatistik ins Spiel. Sie lässt mit ihrem umfassenden Datenmaterial genau diesen individuellen Blick auf die effiziente und effektive Erfüllung der eigenen strategischen Ziele zu, die ein komplexitätsreduzierendes Kennzahlensystem gerade ausblenden muss, weil es sich auf die wesentlichen Zahlen konzentriert, die für alle teilnehmenden Bibliotheken gelten sollen.

2. sTeUerN MiT Der DeUTscheN biblioThekssTaTisTik

Die Deutsche Bibliotheksstatistik weist zurzeit ca. 400 Fragen auf, ungefähr die Hälfte davon ist verpflichtend zu melden. Mit dieser Datenfülle bietet sie einen vielfältigen Blick auf die einzelnen Zahlen der teilnehmenden Bibliotheken, die auch im Zeitverlauf dargestellt werden können. Dennoch wird schon bei den einfachsten Beispielen wie z.B. der Kategorie 149 „Ausgaben für den Medienerwerb“ deutlich, dass die Zahlen ohne die Berücksichtigung von Komplexität missverständlich sein können. Die Abfrage für das Jahr 2008 weist für die ULB Düsseldorf mit knapp 4,1 Millionen Euro einen beachtlichen 13. Platz aus. Durch den Blick auf andere Zahlen der Bibliotheksstatistik wird aber deutlich, dass mit den Einnahmen aus Studienbeiträgen (1,73 Millionen Euro) und den Mitteln für das Fach Medizin (0,99 Millionen Euro) 66% dieser Mittel für Zwecke gebunden sind, die an den vielen anderen Bibliotheksstandorten nicht erfüllt werden. Für die Einschätzung der lokalen Ressourcen ein gar nicht zu unterschätzender Umstand.

Die Erklärung von Summen aus ihren Teilen, um damit Rahmenbedingungen und Einflussfaktoren sichtbar zu machen, ist natürlich nur der erste mögliche Schritt der Datenaggregation. Um aus dem Vergleich unterschiedlicher Bibliotheken Schlüsse für die Bedingungsfaktoren und die Steuerungsmöglichkeiten vor Ort zu gewinnen, macht es oft Sinn, mehrere Zahlen aufeinander zu beziehen. Die Aussage, dass die ULB Düsseldorf bei den Aufwendungen für die Lehrbuchsammlung 2008 mit 404.000 Euro auf einen recht hohen 10. Platz gelandet ist, wird dadurch relativiert, dass die ULB Düsseldorf mit 9,8% vergleichsweise wenig für die Lehrbuchsammlung ausgegebenen hat, zumal sie bei den Einnahmen aus Studienbeiträgen, aus denen

2 kreische, Joachim: zwischen ranking und Qualitätsmanagement: der BiX-WB im alltag einer universitätsbibliothek. Vortrag auf dem deutschen Bibliothekartag 2008.

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die Lehrbuchsammlung an der ULB Düsseldorf ausschließlich bestritten wird, auf dem vierten Platz liegt.

In der Mehrjahresdarstellung wird aber deutlich, dass die Ausgaben für die Lehrbuchsammlung im Verhältnis zu Gesamtetat überdurchschnittlich gestiegen sind, ohne dass sich damit die Zahl der Bände in der Lehrbuchsammlung oder die Zahl der Gesamtentleihungen erhöht hätte. Allein der Blick auf und die Kombination von Zahlen aus der Bibliotheksstatistik verdeutlicht also ein strategisches Steuerungsdefizit, das in der ULB Düsseldorf mittlerweile durch ein dynamisches Etatberechnungsmodell für die Lehrbuchsammlung gelöst wurde.Einen weiteren Schritt der Datenanalyse stellt die individuelle Erstellung von Kennzahlen dar, die wie im Bibliotheksindex durch die Division von Zahlenwerten aus der Bibliotheksstatistik Aussagen erlauben, in denen der Zielerfolg anhand einer Bezugsgröße relativiert werden kann. Für die Frage, ob der eigene Medienetat effizient eingesetzt wird, kann es z.B. probat sein, die Erwerbungsetats vergleichbarer Bibliotheken jeweils durch die Anzahl der Erstentleihungen zu teilen. Bei der Untersuchung der Kosten pro Entleihung für die nordrhein-westfälischen Universitätsbibliotheken lässt sich so beruhigend feststellen, dass die Werte der einzelnen Bibliotheken eine nur geringe Schwankung aufweisen, die zwischen vier und acht Euro pro Erstentleihung liegt. Die Bibliotheksstatistik hält aber viele mögliche Kombinationen bereit, bei denen die Kennzahlenwerte deutlich stärker schwanken und den Bibliotheken mit Ergebnissen außerhalb der Normalverteilung Grund zur Ursachenforschung geben sollten.

Anhand solcher aussagekräftigen Kennzahlen werden die vermeintliche Schwäche und die tatsächliche Stärke der Bibliotheksstatistik deutlich. Gegenüber den Kennzahlenschemata, die sich für den Leistungsvergleich etabliert haben, hat die Bibliotheksstatistik den Nachteil, dass kaum eine Zahl für bare Münze genommen werden kann und belastbare Zahlen erst durch selbst zu bildende Kennzahlen oder Bezüge hervortreten. Dass es aber möglich ist, mit individuellen Fragestellungen, die sich aus konkreten strategischen Zielen ergeben, Kennzahlen aus der Bibliotheksstatistik zu gewinnen, ist ihr entscheidender Vorteil beim Einsatz in der zielorientierten Steuerung der einzelnen Bibliotheken.

Freilich gerät die Bibliotheksstatistik als Mammutunternehmen auch schnell an ihre Grenzen. Nicht immer sind die gemeldeten Daten valide, zu oft ändern sich die Berechnungsmethoden der Bibliotheksstatistik oder die der meldenden Bibliotheken. Für den Bereich der elektronischen Nutzung ist schon die Meldequote ernüchternd gering. Dies gilt grundsätzlich auch für alle Fragen, die eine manuelle Erhebung verlangen, auch wenn dies wie bei den Auskunftsanfragen auf Stichproben

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beschränkt bleiben darf. Zudem werden im Bereich der elektronischen Nutzung auch in Zeiten von COUNTER zu viele verschiedene Auswertungsinstrumente benutzt, als dass den Daten zu trauen wäre. Hier ist die Initiative im Bibliotheksindex zu begrüßen, zumindest bei der Zählung der Zugriffe auf den Online-Katalog und auf die Websites objektivierende Verfahren einzusetzen.

3. sTeUerUNG MiT zahleN Über Die DeUTsche biblioTheksTaTisTik hiNaUs Doch selbst bei höchst validem Datenmaterial wird schnell klar, dass die Bibliotheksstatistik für ein konsequent zahlenorientiertes management by objectives nicht das alleinige Instrument sein kann. In der ULB Düsseldorf wurde deshalb 2009 ein Controllingtableau entwickelt, das mit 463 Kennzahlen agiert, von denen ganze 70 de Pflichtfeldern der Deutschen Bibliotheksstatistik entsprechen. Für die interne Steuerung war zunächst die Festlegung notwendig, welche Ziele strategisch verfolgt werden, mit welchen Zahlen diese Ziele gemessen werden sollen und welchen Aussagewert den gemessenen Variablen dann zugesprochen werden soll. Alle Kennzahlen werden in einem System dargestellt, um Interdependenzen, Kausalitäten und Korrelationen kenntlich zu machen. Hierzu wurde ein Schema von Konrad Umlauf adaptiert, mit dem für Kultureinrichtungen aus dem Non-Profit-Bereich die Kundinnen- und Kundenperspektive sichtbar gemacht werden soll.3 Die Kennzahlen sind dabei den Dimensionen Ressourcen (input), Quantität der Produkte (output) und Nutzung durch die Kundinnen und Kunden (outcome) zugeordnet.

Noch bevor in 2010 das erste volle Erhebungsjahr anfängt, war schon in der Planungsphase zu erkennen, dass mit der gemeinsam erarbeiteten Konsolidierung und Transparenz aller in der Bibliothek erhobenen Zahlen und mit der damit verbundenen Definition von messbaren Leistungen eine Managementkultur in der ULB Düsseldorf gewachsen ist, in die alle Verantwortungsebenen fruchtbar einbezogen werden konnten.

3 umlauf, konrad: leistungsmessung und leistungsindikatoren für Bibliotheken im kontext der ziele von nonprofit-organisationen. Berlin 2003.

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öBs – östErrEIchIschE BIBlIothEksstatIstIk

das öBs-BerichtsJahr 2008 für Wissenschaftliche BiBliotheken in der gesamtsicht

ronald m. schmidt

Nachdem im Sommer 2008 eine Vereinbarung zwischen der Österreichischen Bibliothekenverbund und Service GmbH Wien und dem Hochschulbibliothekszentrum des Landes Nordrhein-Westfalen in Köln über eine Österreichische Bibliotheksstatistik ÖBS als Dienstleistung auf der Basis der Deutschen Bibliotheksstatistik DBS geschlossen werden konnte – hierüber wird an anderer Stelle berichtet –, kann nunmehr das erste Berichtsjahr dieser neuen Statistik für wissenschaftliche Bibliotheken in Österreich vorgestellt werden. Die ÖBS erscheint für die beiden Sparten „Wissenschaftliche Universal- und Hochschulbibliotheken“ und „Wissenschaftliche Spezialbibliotheken“ auf dieser Grundlage.

Die ProDUkTe Der Öbs

Den Zugang zu allen Angeboten der ÖBS und der ÖBS-Redaktion bietet die Webseite bibliotheksstatistik.at. Hier kann man sich auch zur Teilnahme anmelden. Zur Auswertung der ÖBS stehen zwei Produkte zur Verfügung: Gesamtauswertungen werden in Tabellenform im August eines jeden Jahres auf der Webseite publiziert; sie sind die zitierfähigen Publikationen als Aggregation der wichtigsten Kennzahlen. Die Variable Auswertung ermöglicht online Analysen aller Kennzahlen der ÖBS und kann länderübergreifend auch die DBS zu Vergleichen heranziehen.

Der Erfassungszeitraum, in dem die teilnehmenden Bibliotheken die elektronischen Fragebögen online für das vorherige Berichtsjahr ausfüllen können, läuft vom 02.01. bis zum 31.03. eines jeden Jahres. Danach wird die Eingabe gesperrt und eine Datenkontrolle auf der Basis von Plausibilitätsroutinen von der ÖBS-Redaktion durchgeführt. Das jeweilige ÖBS-Berichtsjahr wird zur gleichen Zeit als vorläufige

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Statistik in der Variablen Auswertung freigeschaltet, so dass die teilnehmenden Bibliotheken ihre Kennzahlen bereits im Kontext der Gesamtstatistik sehen und ggf. Korrekturen an die ÖBS-Redaktion melden können. Mit der Erzeugung der Gesamtauswertungen in der Regel im Juli eines jeden Jahres gilt die ÖBS für das betreffende Berichtsjahr als endgültig. Nun sind keine Korrekturen mehr möglich, denn sonst würden die Ergebnisse aus der Variablen Auswertung und der Gesamtauswertung auseinanderlaufen.

Zur Analyse der ÖBS-Daten ist die Kenntnis über die inhaltliche Definition der einzelnen Kennzahlen notwendig. Über die ÖBS-Webseite kann daher auch auf alle Fragebögen zugegriffen werden. Die ÖBS nutzt die Infrastruktur der DBS und deshalb sind unter dem Menüpunkt Online-Eingabe und Fragebögen in der Option Online-Konkordanz alle DBS-Fragebögen seit 1999 dokumentiert. So kann man sehen, wie sich Inhaltsdefinitionen über die Jahre ggf. verändert haben und dies bei der Interpretation der Analysen berücksichtigen.

Öbs 2008 GesaMTaUsWerTUNGeN

Die Gesamtauswertungen sind eine Aggregation der wichtigsten Kennzahlen. Das Kennzahlenset orientiert sich an der DBS, um auch hier die Vergleichbarkeit herzustellen. Für die Gesamtauswertungen, die ja die zitierfähige Publikation der ÖBS darstellen, wird, wie auch schon bei der DBS, auf eine Konstanz dieses Kennzahlensets geachtet. Nur so sind Zeitreihen über lange Zeiträume möglich.

Aktuelle Entwicklungen können jederzeit über die Variable Auswertung analysiert und beschrieben werden. Hier stehen alle Kennzahlen der ÖBS und DBS für die Auswertung zur Verfügung, so dass auch spezielle Fragestellungen möglich sind. Unsere Erfahrung zeigt, dass die Gesamtauswertungen als Dokument für das Bibliothekswesen insgesamt angesehen werden. Die Variable Auswertung wird neben der Beantwortung von speziellen Aspekten auch zur internen Steuerung einer Bibliothek herangezogen.

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zUsaMMeNFassUNG

Alle Informationen und Links zur Teilnahme an der ÖBS und zu deren Auswertungswerkzeugen finden Sie auf der Webseite bibliotheksstatistik.at. Zur Teilnahme müssen Sie sich anmelden: derzeit umfasst die ÖBS nur die Sparten „Wissenschaftliche Universal- und Hochschulbibliotheken“ und „Wissenschaftliche Spezialbibliotheken“. Die Fragebögen sind die der DBS, beide Statistiken wenden also dieselben Kennzahlen an und können auch miteinander verglichen und ausgewertet werden. Die aktuellen Bögen sowie die Fragebögen älterer Berichtsjahre finden Sie unter dem Menüpunkt Online-Eingabe und Fragebögen in der Option Online-Konkordanz. Für alle Fragen zur Österreichischen Bibliotheksstatistik können Sie sich gerne an die ÖBS-Redaktion wenden: [email protected].

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DIE tEIlnahmE von fachhochschulBIBlIothEkEn (fhB) an DEr östErrEIchIschEn BIBlIothEksstatIstIk (öBs)

andré hensel

Im Frühjahr 2009 haben erstmals auch österreichische Fachhochschulbibliotheken (FHB) an der Österreichischen Bibliotheksstatistik (ÖBS) teilgenommen. Hintergrund war die Adaptierung und Nutzung der Deutschen Bibliotheksstatistik (DBS) vom Hochschulbibliothekszentrum (HBZ) in Köln durch den Österreichischen Bibliothekenverbund (ÖBV).

Am ÖBS-Berichtsjahr 2008 haben folgende sechs FHB teilgenommen:• FHSt.Pölten(FHP)• FHJoanneumSteiermark(FHJ)• Campus02FHderWirtschaftGraz(FHC)• FHdesBerufsförderungsinstitutsWien(BFI)• FHKärnten(FHK)• FHBurgenland(FHB)

1. ProbleMe bei Der DaTeNerhebUNG

Ein Hauptproblem bei der Datenerhebung war der Einsatz unterschiedlicher Bibliotheksverwaltungsprogramme mit unterschiedlichen Möglichkeiten der Statistikauswertung. Hinzu kommen unterschiedliche Grade der Abhängigkeit von FH-internen Abteilungen (EDV/IT) und externen Outsourcing-Partnern (Verbundzentrale der OBVSG). Grundsätzlich gibt es im österreichischen FHB-Wesen drei Varianten:

1. Die Verbundteilnahme im Aleph-Sharing. Diese Outsourcing-Variante ist inzwischen bei den FHB mit acht Teilnehmerinnen am weitesten verbreitet. Das Outsourcing bedingt allerdings eine Abhängigkeit von der OBVSG. Für das Berichtsjahr 2008 konnten von der OBVSG lediglich zwei Kennzahlen (Feld 210 u. 211: Formalerschließung: Neuzugänge bzw. Eigenkatalogisate) automatisch, sowie eine weitere (Feld 4: Entleihende = aktive BenutzerInnen) auf Anfrage geliefert werden.

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2. Die Verbundteilnahme mit eigenem Alephino-Lokalsystem. Diese Variante findet mittlerweile bei vier FHB Verwendung. Hierbei entsteht das Problem, dass bei unterschiedlicher Parametrisierung des Lokalsystems auch unterschiedliche Statistikauswertungen zustande kommen. So kann es beispielsweise im bereits genannten Feld 4 passieren, dass jede Aktualisierung der Benutzerdaten automatisch mitgezählt wird, obwohl eigentlich nur die BenutzerInnen gezählt werden sollten, die mindestens einmal im Berichtsjahr ein Medium entlehnt haben.

3. Schließlich gibt es auch noch die klassischen Insellösungen mit anderen Systemen, wobei hier v. a. BOND im Mittelpunkt steht, welches bei drei (ab 2010 zwei) FHB Verwendung findet. Hier gibt es keine einheitlichen statistischen Auswertungstools.

Ein zweites Hauptproblem liegt in dem Umstand, dass die österreichischen FHB in der Regel privatrechtlich organisierte Trägerschaften haben. In den meisten Fällen ist das eine GmbH mit Geschäftsführung und Vorstand. Nahezu alle wollen keine differenzierte Veröffentlichung ihrer Budgetzahlen. Im Kennzahlenset der ÖBS beziehen sich jedoch allein 47 Felder auf diverse „Ausgaben“ (wenn man die Fächerstatistik unberücksichtigt lässt). Somit kann der Ressourcen-Input nicht berücksichtigt und daher auch die Effizienz der Bibliothek nicht ermittelt werden. Dies stellt jedoch eine Voraussetzung für die Teilnahme am Bibliotheksindex (BIX) dar, welcher auf der D/ÖBS basiert. Für das Berichtsjahr 2008 konnte sich nur die FH St. Pölten dazu durchringen, ihre Ausgaben bekannt zu geben.

Schließlich treffen viele Bereiche der D/ÖBS auf österreichische FHB schlichtweg nicht zu.

Daher konnten folgende Kennzahlengruppen auch von keiner FHB erhoben werden:• sonstigeDruckwerke(40-57)• Mikroformenundweiterenicht-elektronischeMaterialien(70-77)• Handschriften,AutographenundNachlässe(78-109)• Fächerstatistik(235-409)

Darüber hinaus fehlen bei den meisten FHB Erfassungssysteme für physische Zutritte oder elektronische Zugriffe. Außerdem kann aufgrund mangelnder Arbeitsteilung der Ressourcenaufwand für einzelne Aufgabenbereiche nur unzureichend abgegrenzt werden.

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2. aUsWerTUNG

Die FHB haben von dem gesamten Kennzahlenset der D/ÖBS (= 409 Datenfelder) im Durchschnitt nur 47 Daten bekannt gegeben.

Nur 5 Kennzahlen konnten von allen teilnehmenden FHB geliefert werden: Bibliotheksstandorte (1), Studierende (2), wissenschaftliches Personal (3), Öffnungstage im Jahr (6) und Bände (18).

Die folgende Tabelle gibt einige ausgewählte Daten wieder. Der jeweils höchste Wert ist fett, der niedrigste Wert kursiv gedruckt. MW = Mittelwert. Quelle: HBZ.

FHP FHJ FHC BFI FHK FHB MW

dateneingabe (felder) 102 73 33 33 32 12 47

1: standorte 1 3 1 1 4 1 2

2: studierende 1715 3384 1008 1341 1620 1600 1778

11: hauptnutzfläche (m2) 394 2072 130 155 708 - - 692

18: Bände 17200 45210 6530 8542 33331 34000 24135

168: ausleihen 24845 27874 - - 3937 12856 - - 17378

215: Bibl.-personal (VzÄ) 2,5 7,13 1 1 5,5 - - 3,43

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BIBlIomEtrIE – BEnEfIts DEs

BIBlIothEkarIschEn knowhows für

wIssEnschaftlIchE InstItutIonEn

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BIBlIomEtrIE – Das mass allEr DIngE?

rafael Ball, martin gorski

Was isT biblioMeTrie?

Die Wissenschaftskultur hat sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten stark verändert. Wo viel von leistungsorientierter Mittelvergabe, Exzellenzclustern, Drittmittelstatistiken und Innovationspotentialen geredet wird, ist auch die Bibliometrie stärker präsent denn je. Grundsätzlich bedeutet ,Bibliometrie‘ „die Anwendung mathematischer und statistischer Methoden zur Erklärung der Prozesse der schriftlichen Mitteilungen, sowie der Natur und des Entwicklungskurses eines Wissenschaftsgebietes, durch Zählung und Analyse der verschiedenen Aspekte der schriftlichen Kommunikation.“1 Die Grundannahme der Bibliometrie ist also, dass die Leistungen eines Forschers durch die quantitative (Anzahl der Publikationen) und qualitative (Anzahl der Zitierungen einer Publikation, Impact-Factor2) Erfassung seines wissenschaftlichen Outputs messbar sind. Inwieweit diese Annahme (noch) problematisch ist und für welche Disziplinen die Bibliometrie aussagekräftige Ergebnisse liefern kann, zeigen die nachfolgenden Ausführungen.

Die GeschichTe Der biblioMeTrie: eiNiGe sTreiFlichTer

Die moderne Bibliometrie kann auf eine reiche und interessante Vorgeschichte zurückblicken. Bereits 1917 leisteten F. J. Cole und N. B. Eales bibliometrische Pionierarbeit mit einer statistischen Untersuchung über die Fachliteratur der Anatomie im Zeitraum zwischen 1550 und 1860.3 Dabei zeigten sie, wie unterschiedlich stark die anatomische Wissenschaft in verschiedenen Zeitabschnitten wahrgenommen und rezipiert wurde. Zehn Jahre später nutzten P. und E. Gross erstmals Zitate als bibliometrische Datenquellen. Sie analysierten anhand von Fußnoten, welche Zeitschriften für die wissenschaftliche Forschung und Ausbildung in der Chemie zum damaligen Zeitpunkt unentbehrlich waren.4

1 Juan gorraiz: Bibliometrie, url: http://www.zbp.univie.ac.at/gj/citation/bibliometrie.htm (07.09.2009).2 der Journal-impact-factor ist maß für die häufigkeit von zitierungen der artikel eines Journals in relation zur

gesamtzahl der dort veröffentlichten artikel. er stellt ein mögliches maß für das ansehen, das eine zeitschrift in einer fach-community genießt, dar.

3 f. J. cole; n. B. eales: the history of comparative anatomy. part i: a statistical analysis of the literature. in: science progress 11 (1917), s. 578-596.

4 rafael Ball; dirk tunger: Bibliometrische analysen – daten, fakten und methoden (schriften des forschungszentrums Jülich, reihe Bibliothek, Band 12). Jülich 2005, s. 15.

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Im Jahr 1955 nahm der US-amerikanische Informationswissenschaftler Eugene Garfield die Arbeit an einem richtungweisenden Projekt auf: der systematischen Erfassung von Zitationen wissenschaftlicher Publikationen. 1960 gründete Garfield das Institute for Scientific Information (ISI) und stellte 1963 den ersten Science Citation Index vor. Zu seinen wesentlichen Leistungen zählte der Nachweis, dass Zitationsanalysen eine bedeutende Rolle für die Wissenschaftsgeschichte, speziell für das Nachzeichnen der Entwicklungslinien einer Disziplin, spielen können. Der Ausdruck ,Bibliometrie‘ wurde allerdings erst 1969 von Alan Pritchard eingeführt.5

In der Folge fanden bibliometrische Verfahren internationale Verbreitung. In den USA werden bereits seit den 70er Jahren bibliometrische Messwerte als Grundlage für die Vergabe von Fördergeldern herangezogen, während in der Schweiz und in Skandinavien disziplinspezifische ,Forschungslandkarten‘ entwickelt wurden. In Frankreich nahm ebenfalls bereits in den 90er Jahren mit dem Observatoire des Sciences et des Techniques (OST) ein eigenes bibliometrisches Institut seine Arbeit auf. Vergleichsweise richtete Deutschland eine solche Einrichtung, das Kompetenzzentrum Bibliometrie für die deutsche Wissenschaft (KB) erst sehr spät, im Jahr 2008, ein.6

Die besTaNDTeile biblioMeTrischer aNalyseN

Zur Quantifizierung wissenschaftlicher Leistungen bedient sich die Bibliometrie einer Vielzahl unterschiedlicher, vielfältig kombinierbarer7 Methoden. Eine gute Möglichkeit, Wissenschaftler und Wissenschaftsmanager bei ihrer Arbeit zu unterstützen, ist die Outputanalyse. ‚Output‘ bezeichnet dabei die Summe aller Veröffentlichungen eines Wissenschaftlers oder einer Forschergruppe – also nicht nur Zeitschriftenaufsätze, sondern auch Monographien, Proceedings und Vorträge. 5 Vgl. alan pritchard: statistical Bibliography or Bibliometrics? in: Journal of documentation 25 (1969), s. 348–349.6 mit dem kompetenzzentrum Bibliometrie für die deutsche Wissenschaft haben sich – gefördert durch das BmBf

– das ifQ, das fraunhofer-institut für system- und innovationsforschung (isi), das institut für Wissenschafts- und technikforschung (iWt) der universität Bielefeld, sowie das fachinformationszentrum karlsruhe (fiz) zu einem konsortium zusammengeschlossen, um defizite im Bereich bibliometrischer analyseverfahren zu beheben und an die internationalen entwicklungen anzuknüpfen. das ziel der gemeinsamen arbeit ist zunächst der aufbau einer in-house-datenbank auf der Basis von scopus und relevanten Beständen des Web of science, worauf in einem mehrstufigen prozess die entwicklung von Qualitätsstandards für bibliometrische indikatoren und analysen sowie eine prüfung der aussagefähigkeit der international verwendeten und neu entwickelten kennzahlen folgt. nähere informationen finden sich unter http://www.forschungsinfo.de/projekte/kompetenzzentrum_Bibliometrie/projekte_bibliometrie.asp (05.03.2010).

7 tatsächlich ist es erst die zielgerichtete Verbindung unterschiedlicher bibliometrischer indikatoren, die eine qualifizierte aussage erlaubt. Völlig zu recht bezeichnete eine studie der international mathematic union zum sinn und unsinn bibliometrischer analysen die Verwendung von einzelzahlen für urteile über forschungsqualität als „atemberaubend naiv“ (robert adler; John ewing; peter taylor: citation statistics, url: http://www.mathunion.org/fileadmin/imu/report/citationstatistics.pdf, s. 2f. (01.09.2009).

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Als Quellen für diese Aussagen dienen interne wissenschaftliche Ergebnisberichte und Veröffentlichungsdatenbanken. Mit Hilfe von Veröffentlichungsdatenbanken kann institutsgenau ermittelt werden, wie sich der Anteil bestimmter Veröffentlichungs-arten über einen gegebenen Zeitraum verändert.

Zusammen mit der Resonanzanalyse liefert die Outputanalyse wichtige Informationen darüber, welche Arten von Veröffentlichungen am besten wahrgenommen wurden. Hieraus können für die Zukunft wichtige Erkenntnisse über das Publikationsverhalten und die Wahrnehmung von Forschung gewonnen werden.8 Die Resonanz kann durch die Zitationsrate (CPP), definiert als Summe der Zitationen aller Artikel geteilt durch die Anzahl aller Artikel, gemessen werden.9

Darüber hinaus lassen nationale und internationale Vergleichsanalysen (Rankings) mit thematisch ähnlich ausgerichteten Instituten Aussagen über die Wirkung einer wissenschaftlichen Einrichtung zu.

Schließlich kann die Bibliometrie durch Trendanalysen ermitteln, wie stark bestimmte Themen, Fragestellungen oder wissenschaftliche Teilgebiete Konjunktur haben bzw. in der Vergangenheit hatten, und mit welcher Geschwindigkeit sich solche ,modischen‘ Phänomene der Wissenschaft entwickeln.

Die biblioMeTrie – eiN liebliNGskiND alleiN Der NaTUrWisseNschaFTeN?

Während bibliometrische Analysen in den Naturwissenschaften bereits fest etabliert sind, ist die Situation in den Sozial- und Geisteswissenschaften heterogener. Diese Divergenz erklärt sich durch die unterschiedlichen Publikationskulturen verschiedener akademischer Disziplinen. So werden die häufigsten Publikationsformen in den Geisteswissenschaften, Aufsatz-Sammelbände, Kongressberichte und vor allem Monographien, von der Bibliometrie bis dato noch wenig berücksichtigt, wodurch bibliometrische Verfahren wie die Zitationsanalyse meist schlecht bis keine Ergebnisse liefern können.10 Die in den Social Sciences und Humanities häufige Publikation von Forschungsergebnissen in Monographieform lässt zudem die Halbwertszeit wissenschaftlicher Erkenntnis in diesen Disziplinen ansteigen und verlängert die 8 Vgl. rafael Ball; dirk tunger: Bibliometrische analysen – daten, fakten und methoden (schriften des

forschungszentrums Jülich, reihe Bibliothek, Band 12). Jülich 2005, s. 21f.9 zu diesen und weiteren bibliometrischen indikatoren vgl. ebd.. Vgl. auch ed c. m. noyons et al.: mapping excellence

in science and technology accross europe. nanoscience and nanotechnology. report to the european commission. leiden 2003 (url: ftp://ftp.cordis.europa.eu/pub/nanotechnology/docs/ec_mapex_nano_final_report.pdf, 05.03.2010).

10 axel rühle: ‚Quantität vor Qualität‘. in: süddeutsche zeitung, 29.01.2009.

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Forschungszyklen, was sich wiederum potentiell verzerrend auf bibliometrische Indikatoren auswirkt.11

Abbildung 1: References to non-journal-ressourcesQuelle: zusammenstellung aus: clemens, e. s.; Powell, W. W.;

Mcilwaine, k.; okamato, D. ,1995; Glänzel, W.; schoepflin U. ,1999; small, h. G.; crane, D., 1979; Thompson, J. W., 2002.

Die Abbildungen 1 und 2 bilden eine grundlegende Divergenz im Zitationsverhalten zwischen „Natural Science and Engineering“-Fächern (NSE) und „Social Sciences and Humanities“-Fächern (SSH) ab. Es zeigt sich, dass in den NSE-Fächern nahezu doppelt so häufig aus Zeitschriftenartikeln zitiert wird, als dies in den SSH-Fächern der Fall ist. Betrachten wir die zeitliche Entwicklung zwischen 1981 und 2000, so wird jedoch deutlich, dass sowohl in den SSH-Fächern als auch in den NSE-Disziplinen die Zitierungen aus Periodika stetig zunehmen. Im Jahr 2000 bezogen sich die Zitationen in den SSH zu 49% und in den NSE zu 87% auf Zeitschriftenartikel – Tendenz weiter steigend.12

11 J. W. thompson: the death oft the scholarly monograph in the humanities? citation patterns in literary scholarship. in: libri 52 (2002), no. 3, s. 121-136.

12 Vincent larivière; éric archambault; Yves gingra; étienne Vignola-gagné: the place of serials in referencing practices: comparing natural sciences and engineering with social sciences and humanities. in: Journal of the american society for information science and technology 57 (2006), no. 8, s. 1000f.. Vgl. auch linda Butler: explainig australia´s increased share of isi publications – the effects of a funding formula based on publication counts. in: research policy 32 (2003), s. 143-155.

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Abbildung 2: Wissenschaftskommunikation: NSE vs. SSH

Quelle: larivière, Vincent; archambault, Éric; Gingra, yves; Vignola-Gagné, 2006.

Ähnliche Ergebnisse finden sich auch in einer älteren Untersuchung von Winterhager, welche zeigt, dass im Zeitraum von 1985 bis 1989 in der sozialwissenschaftlichen Datenbank SOLIS13 knapp 42% der erfassten Dokumente auf Zeitschriftenaufsätze, 32% auf Beiträge in Sammelbänden und 26% auf Monographien entfielen.14 Winterhager kommt daher zu dem Schluss, dass bei einer Datenbank wie dem SSCI, die nur Zeitschriftenaufsätze erfasst, ein Verlust an für bibliometrische Analysen relevanter Literatur von nahezu 60% zu verzeichnen ist.15

Ein weiterer Stolperstein, den es zu beachten gilt, besteht in der unterschiedlichen Zitationskultur der verschiedenen Disziplinen: Während in den Naturwissenschaften im Regelfall nach dem ,Sprossenleiterprinzip‘ zitiert wird, d.h. neuere Arbeiten konstruktiv auf die von ihnen zitierten Arbeiten aufbauen, wird in den Geisteswissenschaften teils polemisch oder in Abgrenzung zitiert, da in diesen Disziplinen Erkenntnisgewinn und wissenschaftlicher Fortschritt oftmals durch Widerlegung gewonnen wird. Schließlich ist abzuwägen, inwiefern die Etablierung von bibliometrischen Verfahren im Wissenschaftsbetrieb strategisches Verhalten seitens der Wissenschaftler auslöst.

13 „in solis findet sich vor allem die im deutschen sprachraum entstandene fachliteratur, unabhängig davon, ob es sich um zeitschriftenaufsätze, readerbeiträge oder monographien handelt. nichtdeutsche publikationen sind dort kaum nachgewiesen.“ ebd.: s. 541.

14 matthias Winterhager: Bibliometrische Basisdaten zur entwicklung der sozialwissenschaften in deutschland, in: heinrich Best et al. (hgg.): informations- und Wissensverbreitung in den sozialwissenschaften: Beiträge zur umsetzung neuer informationstechnologien. opladen 1994, s. 539-551.

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Es sind also Instrumente nötig, die ,negative‘ bzw. polemische Zitate, sowie Selbstzitationen und Zitationen innerhalb einer geschlossenen Forschungsgruppe, erkennen können.

Zudem sind einige Wissenschaftsdisziplinen, wie z.B. die Rechtswissenschaft, die Sprach- und Literaturwissenschaften und die Soziologie in ihrer thematischen Ausrichtung stärker regional oder national fokussiert, was in diesen Fächern die Publikation in der jeweiligen Landessprache begünstigt (siehe Abb. 3 und 4). Publikationen mit internationaler Beteiligung und Ausrichtung erzielen jedoch in der internationalen Forschergemeinschaft eine – gemessen an den Zitationen – größere Wirkung als lokale Forschungsarbeiten.16

15 Vgl. diana hicks: the four literatures of social science. url: http://www.tpac.gatech.edu/papers/4lit.pdf (02.09.2009), die mit einer studie von small und crane (1979) feststellt, dass unter den referenzen von in sci oder ssci indexierten zeitschriftenartikeln Bücher einen anteil von bis zu 39% an allen zitierten dokumenten ausmachen. sie schließt: „indicators built from ssci indexed material – journal articles and citations to them – will miss the 40% of citations received by books“ (s. 6). Vgl. auch J. sylvan katz: Bibliometric indicators and the social sciences. report prepared for uk economic and social research council. url: http://www.sussex.ac.uk/users/sylvank/pubs/esrc.pdf (02.09.2009), die vergleichbare zahlen für australien und spanien zitiert und den schluss zieht: „this suggests that journal-based bibliometric indicators for the social sciences will be based on a smaller fraction of research output than for the natural sciences“ (s. 2). die gleiche tendenz berichtet schließlich auch anton J. nederhof (2006): Bibliometric monitoring of research performance in the social sciences and the humanities: a review. in: scientometrics 66 (2006), no. 1, aus einer älteren studie (Broadus, 1971): „in the social sciences, references to books and monographs vary between 31% (education) to 62% (sociology), whereas books are much less often cited in chemistry and physics“ (s. 85). Wiederum diana hicks (the difficulty of achieving full coverage of international social science literature and the bibliometric consequences. in: scientometrics 44 (1999), no. 2) weist in diesem zusammenhang auf den entscheidenden punkt hin, dass sich die zitationsmuster von Büchern und zeitschriftenartikeln unterscheiden: „[...] citations from books do not correlate with citations from journal articles, and so their absence is [...] significant“ (s.202). Vgl. schließlich auch michael kahl: zitatenanalyse mit den Journal citation reports des institute for scientific information: ein hilfsmittel für die zeitschriftenauswahl in wissenschaftlichen Bibliotheken? in: Bibliothek. forschung und praxis 19 (1995), no. 1: „danach muss im falle einer einbeziehung von anderen literaturgattungen bei der sammlung von daten für die Jcr im Bereich der sozial- und geisteswissenschaften von größeren Verschiebungen bei der Bewertung einzelner zeitschriften ausgegangen werden“ (s. 51). ein prägnanter schlusspunkt ist die einschätzung von ulla Wimmer: kultur messen: zählen, Vergleichen und Bewerten im kulturellen feld. Berlin 2004: „in den sozial- und geisteswissenschaften spielen monographien immer noch eine wichtige rolle, und so ist die [vorrangig auf Journalartikeln beruhende bibliometrische] auswertung für diese disziplinen praktisch wertlos“ (s. 153).

16 andrea nussbaum: forschungsleistungen messen. Wie können forschungsleistungen sinnvoll gemessen werden? heisst unsere zukunft ,Quantität vor Qualität‘? in: unilink – nachrichten der universität Bern, november 2008, s. 2. url: http://www.kommunikation.unibe.ch/content/publikationen/unilink/archiv2008/e2328/e2331/filesobject6339/unilink200811.pdf (04.09.2009).

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Abbildung 3: Publikationen nach Sprache im SSCIQuelle: Van leeuwen, Thed: The application of bibliometric analyses in the

evaluation of social science research. Who benefits from it, and why it is still feasible, in: scientometrics 66 (2006), No. 1, s. 141.

Abbildung 4: Publikationssprache A&HCIQuelle: Nederhof, anton J. (2006): bibliometric monitoring of research performance in the social sciences and the humanities: a review, in: scientometrics 66 (2006), No. 1, s. 84.

Weiterhin muss bei Werken, die von mehreren Autoren erstellt wurden, die Möglichkeit einer ungleichen Arbeitsverteilung zwischen den Autoren berücksichtigt werden. Die folgende Tabelle stellt abstrahierend die unterschiedlichen Rahmenbedingungen für bibliometrische Analysen in drei ausgewählten Disziplinen bzw. Fächergruppen dar.

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rechtswissenschaft Wirtschafts-

wissenschaften

klass. geschichte, klass. archäologie, klass. philologie

prestigeträchtige publikationsformen

monographien u. abhandlungen (habilitationsschrift, dissertation)

zeitschriftenartikel monographien u. kongressbände (habilitationsschrift, dissertation)

wichtige publikationsformen

großkommentar vs. studienkommentar; lehrbücher vs. lernbücher

fachbücher (meist artikelbasiert)

große Bedeutung des rezensionswesens; zeitschriftenartikel

Qualitätssicherung renommierte Verlage; peer-review

renommierte Verlage; double-blind peer- review (annahme- quote aa-Journals <10%)

renommierte Verlage; double-blind-peer-review

ausrichtung fachlicher schwerpunkte

national und regional international; teilweise auch nationale/regionale themen

spezialisierung auf zeitlich und geographisch begrenzte Bereiche

online-publikationen genießen weniger ansehen als Buch- und zeitschriften-publikationen

unter Qualitäts-gesichtspunkten kaum von Bedeutung

geringes ansehen und begrenzte attraktivität

publikationsort nationale und regionale orientierung; vereinzelt international

internationale publikationsorte

entsprechend der ausrichtung der fachlichen schwerpunkte

publikations-sprache landesprache vorwiegend englisch entsprechend der ausrichtung der fachlichen schwerpunkte

einzel- vs. co-autorenschaft

traditionell einzelautorenschaft

zunahme der co-autorenschaft

einzelautorenschaft; auch co-autoren

rankings seit 2009: ranking juristischer fach-zeitschriften

weltweit akzeptiertes Journal-ranking (Wu-ranking, VhB-Jourqual-ranking)

ranking geisteswissen-schaftlicher fachzeitschriften (esf)

fachspezifische Besonderheiten

reduktion der wiss. arbeit „führender professoren“

konferenzbeiträge erfahren Bedeutungsverlust

wissenschaftliches kolloquium als nachweis von forschungsaktivität

Tabelle 1: Publikationsverhalten in ausgewählten Disziplinen: Rechtswissenschaft,

Wirtschaftswissenschaft, Klass. Geschichte, Klass. Archäologie und Klass. PhilologieQuelle: eigene zusammenstellung aus: Publikationsverhalten in unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen. beiträge zur beurteilung von Forschungsleistungen,

Diskussionspapiere der alexander von humboldt-stiftung, Nr. 12, 2009.

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Angesichts dieser teils fundamentalen Differenzen in der Publikationskultur ist es eine wesentliche Herausforderung für die Bibliometrie, fachspezifische Besonderheiten in der bibliometrischen Analyse zu berücksichtigen, und gleichzeitig die Frage nach den Möglichkeitsbedingungen des transdisziplinären bibliometrischen Vergleichs zu stellen. Dass es prinzipiell möglich ist, unterschiedliche Publikations- und Zitationskulturen vergleichbar zu machen, hat eine Studie des Wissenschaftsrates exemplarisch für die Fächer Soziologie und Chemie festgestellt.17

Weiterhin ist es wichtig, die Grenzen der Leistungsfähigkeit der verfügbaren Datenbanken, die momentan von der Bibliometrie genutzt werden, im Auge zu behalten: So werden teils bestimmte Arten von Publikationen ausgeklammert, Forschungsgebiete nicht in Gänze berücksichtigt, oder es fällt schwer, unterschiedliche, aber namensgleiche Autoren auseinanderzuhalten.

Abbildung 5: Verfügbare DatenbasisQuelle: Van leeuwen, Thed: The application of bibliometric analyses in the

evaluation of social science research. Who benefits from it, and why it is still feasible, in: scientometrics 66 (2006), No. 1, s. 138.

Gerade hier werden neue Möglichkeiten, die sich mit dem Einsatz und der Weiterentwicklung etwa von Google Scholar oder Scopus ergeben können, zukünftig von großer Bedeutung für bibliometrische Dienstleistungen sein.

17 Wissenschaftsrat: Bericht der steuerungsgruppe zur pilotstudie forschungsrating chemie und soziologie, s. 14. url: http://www.wissenschaftsrat.de/texte/8453-08.pdf (10.09.2009).

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NeUe iNDikaToreN FÜr Die GeisTesWisseNschaFTeN

Bibliometrische Angaben können grundsätzlich keine qualitative Beurteilung ersetzen. Zwar kann mit Hilfe der Bibliometrie der Output in den Naturwissenschaften kritisch gesichtet werden – die Leistungen der Geistes- und Sozialwissenschaftler sind mit diesem Instrument aber aus den bereits genannten Gründen bislang kaum zu greifen. So kommt Martin Jehne für die Geschichtswissenschaften zu dem Ergebnis, dass sich letztlich „[d]ie Qualität historischer Fachbücher […] einzig und allein durch Lektüre“ erschließe.18

Dennoch ist es die Aufgabe der Bibliometrie, auch im SSH-Fächerspektrum möglichst valide und nutzbringende Indikatoren und Kennzahlen zu entwickeln. Tatsächlich lassen neue Entwicklungen Möglichkeiten für den sinnvollen Einsatz bibliometrischer Methoden in den Geistes- und Sozialwissenschaften aufscheinen.

Die bereits erwähnte Pilotstudie Forschungsrating Chemie und Soziologie des Wissenschaftsrates hat mit Hilfe eines differenzierten Analyserasters zur Bewertung von Forschungsleistungen (s. Tab. 2) zwei in ihrer Publikationskultur sehr heterogene Fächer in den Blick genommen. Die verschiedenen Dimensionen und Kriterien des Modells wurden dabei fachspezifischen Gegebenheiten angepasst – so waren für die Chemie im Kriterium ‚Forschungsqualität‘ Zitationsindikatoren maßgebend, während für die Soziologie Fachgutachten stärker in die Wertung Eingang fanden. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass es möglich ist, in beiden Fächern „zu differenzierten und, wie an der hohen Gutachterübereinstimmung zu erkennen ist, auch verlässlichen Bewertungen“ zu gelangen.19

18 martin Jehne: publikationsverhalten in den geschichtswissenschaften. in: publikationsverhalten in unterschiedlichen wissenschaftlichen disziplinen. Beiträge zur Beurteilung von forschungsleistungen, diskussionspapiere der alexander von humboldt-stiftung, nr. 12, ²2009, s. 59. url: http://www.humboldt-foundation.de/pls/web/docs/f12708/12_disk_papier_publikationsverhalten2.pdf (08.09.2009).

19 Wissenschaftsrat: Bericht der steuerungsgruppe zur pilotstudie forschungsrating chemie und soziologie. url: http://www.wissenschaftsrat.de/texte/8453-08.pdf, s. 6 (10.09.2009).

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dimension kriterium

forschung

i. forschungsqualität

ii. impact/effektivität

iii. effizienz

nachwuchsförderung iV. nachwuchsförderung

WissenstransferV. transfer in andere gesellschaftliche Bereiche

Vi. Wissensvermittlung und -verbreitung

Tabelle 2: Dimensionen und Kriterien für die quantitative und

qualitative Bewertung von ForschungsleistungenQuelle: Wissenschaftsrat (2008): bericht der steuerungsgruppe zur Pilotstudie

Forschungsrating chemie und soziologie, köln 10. april 2008, Drs. 8453-08, s. 14. Url: http://www.wissenschaftsrat.de/texte/8453-08.pdf (10.09.2009).

Ein weiteres, noch recht junges Instrument ist ,Libcitation Count‘ bzw. die ‚Library Catalog Analysis‘. Dieser Ansatz fußt auf einer Analyse von Bibliotheksbeständen – die Grundannahme ist, dass die Erwerbungsentscheidungen von BibliothekarInnen von den Wünschen der Kunden und ihrem eigenen Wissen um die Qualität von Verlagen und WissenschaftlerInnen bestimmt sind, und bedeutsame und nachgefragte wissenschaftliche Werke häufiger in Bibliotheken vorhanden sind als marginale Arbeiten. Zweitens geht man davon aus, dass das Vorhandensein eines Buches in vielen Bibliotheken einen Hinweis auf eine große kulturelle Wirkung darstellt.20

Ein weiterer innovativer Ansatz zur Begutachtung der Qualität von Monographien beruht auf einem zweistufigen Prozess, der nicht unmittelbar die Monographien selbst bewertet, sondern zunächst die Qualität von Verlagen evaluiert. Dazu werden zunächst Fachwissenschaftler gebeten, die angesehensten Verlage ihrer Disziplin zu nennen, worauf in einem zweiten Schritt mit den so ausgewählten Verlagen in ausführlichen Interviews fachspezifische Qualitätsindikatoren für das wissenschaftliche Verlagswesen entwickelt werden.21

20 Vgl. überblickshaft howard d. White et al.: libcitations: a measure for comparative assessment of Book publications in the humanities and social sciences. url: http://www3.interscience.wiley.com/journal/122211070/abstract?cretrY=1&sretrY=0 (05.03.2010).

21 elea giménez-toledo; adelaida román-román: peer review and in-depth interviews with publishers as a means of assessing Quality of research monographs. in: excellence and emergence. a new challenge for the combination of Quantitative and Qualitative approaches. 10th international conference on science and technology indicators, Vienna, austria, 17-20 september 2008. url: http://eprints.rclis.org/14778/1/assesing_research_monographs.pdf (10.09.2009).

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Interessante Projekte sind in diesem Zusammenhang auch der Aufbau fachspezifischer, regional orientierter Zitationsdatenbanken wie dem Chinese Social Sciences Citation Index (seit 2000; URL: http://cssci.nju.edu.cn/ecssci.htm) oder der Islamic World Science Citation Database (in Kooperation mit Scopus; URL: http://www.isc.gov.ir/isce.htm). In Deutschland ist es das Kompetenzzentrum für Bibliometrie, das eine Datenbank zur Forschungsleistung in Deutschland entwickelt.

zUsaMMeNFassUNG / aUsblick

Die Bibliometrie ist nicht das Maß aller Dinge. Sie ist jedoch ein Maß unter vielen anderen und geeignet für ausgewählte wissenschaftliche Disziplinen. Die Messung von Forschungsleistungen mit Hilfe des Outputs und der Resonanz kann nur ein kleiner Teil einer objektiven, umfassenden Qualitätsprüfung wissenschaftlicher Forschungsleistungen sein. Zu groß ist die Mittelbarkeit dieser Methode, zu groß die Heterogenität der Disziplinen und zu verschieden die Unterschiede in den Publikationskulturen.

Es wird künftig darum gehen, neue Methoden zu entwickeln, die ausgereifter sind, als die Output- und Resonanzanalyse auf der Basis von Bibliometrie, und diese Schritt für Schritt an den eigentlichen Kern der Qualitätsleistung heranzuführen. Die Mittelbarkeit, die als Maß bei der Nutzung bibiometrischer Analysen dient, muss kontinuierlich reduziert werden. Noch ist die Bibliometrie ein mittelbares Maß für die Messung der Forschungsleistung. Die Wissenschaftscommunity braucht jedoch gerade wegen der Vielfalt von Publikationskulturen und der Heterogenität der Disziplinen ein unmittelbares Maß zur Bestimmung der Forschungsleistung.

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kostEn-nutzEn-analysE ElEktronIschEr mEDIEn

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DEr hEBIs-statIstIksErvEr als BasIs für kostEn-nutzEn-BEtrachtungEn

aXel dörrer

Anbieterübergreifende, hochschulübergreifende und jahresübergreifende Auswertungen sind ein Vorteil des Statistikservers, den das HeBIS-Konsortium für alle Verbundbibliotheken betreibt. Die Einbindung von Nutzungsdaten der DFG Nationallizenzen und die geplante Öffnung des Zugangs für weitere Teilnehmer stellt das Entwicklungsteam vor neue Anforderungen.

Unter dem Aspekt, ein Werkzeug für die Vergabe von zentralen Mitteln zu schaffen sowie Erwerbungsentscheidungen der Bibliotheken zu unterstützen, startete im Jahr 2003 die Entwicklung des HeBIS-Statistikservers. Zielsetzung war die Implementierung einer zentralen Datenbank mit Schnittstellen für die Datenübernahme aus unterschiedlichen Quellen. Der Import von Nutzungsstatistiken sollte automatisiert und der Zugriff über eine Web-basierte Nutzeroberfläche für alle Teilnehmer und auch über alle Teilnehmer ermöglicht werden.

Abb. 1 Auswahlmaske Datenbanken der Nationallizenzen

Heute beinhaltet der seit sechs Jahren produktive Server die Nutzungszahlen der 14 Konsortialbibliotheken für 55 Datenbanken und knapp 5.000 Zeitschriften in 16 Zeitschriftenpaketen. Seit 2008 betreibt das HeBIS-Konsortium einen zweiten Statistikserver mit Nutzungsdaten des Nationallizenzprogramms der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Dieser umfasst derzeit Statistikzahlen von über 500

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Einrichtungen und 62 Datenbanken. Die Nutzungszahlen der Zeitschriftenpakete werden sukzessive erweitert, sofern vom Anbieter die Trennung der Nutzung von Archivdaten und laufenden Jahrgängen möglich ist.

Dieses Zahlenmaterial bildet die Grundlage für Kosten-Nutzenbetrachtungen von Bibliotheken und Konsortialgeschäftsstelle. Der Server liefert Nutzungszahlen für Statistikberichte an unterschiedliche Geldgeber und Institutionen.

Getrennt in die beiden Auswertungsmodule für Zeitschriften- und Datenbanknutzung bietet der Statistikserver verschiedene Auswertungsmöglichkeiten in den Dimensionen Standort, Monat und Zeitschrift bzw. Datenbank. Hierbei sind kumulative und vergleichende Auswertungen möglich. Die Zeiträume sind frei wählbar, sodass auch jahresübergreifende Auswertungen gezogen werden können. Zusätzlich zu den im COUNTER-Standard definierten Kennzahlen (Sessions und Searches) für Datenbanken kann der Statistikserver auch Downloads und Hits abbilden. Sämtliche Auswertungen sind im Excel-Format exportierbar.

Abb. 2 Auswahlmaske Zeitschriften der Konsortialstatistiken

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Durch die heterogene Natur der Datenlieferungen gestaltet sich die Pflege der Daten immer noch aufwendig, denn nicht alle Anbieter liefern bereits COUNTER-kompatible Statistiken. Die Daten werden automatisiert per E-Mail oder Anbieterplattform bereitgestellt, aber auch teilweise erst auf Anfrage geliefert. Die Automatisierung wird durch nicht einheitliche und/oder wechselnde Datenformate und Kapselungen erschwert. Auch wechselnde oder kryptische Institutionsbezeichnungen behindern die Zuordnung und damit eine weitere Automatisierung zusätzlich. Für jedes Produkt muss somit ein eigenes Auswerteskript zum einheitlichen Formatieren der Daten gepflegt werden. Sind diese Formatierung abgeschlossen, werden die Daten in eine MySQL Datenbank eingespielt. Um eine bessere Performance zu erreichen, werden die reinen Zugriffsdaten aus der MySQL ausgegliedert und in einer Berkleydatenbank abgelegt (siehe Abb. 3). Zusätzlich zu den laufenden Dateneinspielungen müssen am Jahresanfang die Lizenzdatensätze der Produkte sowie aktualisierte Titellisten in das System eingepflegt werden. Nach dem Einspielen von Neudaten werden diese auf Plausibilität und Vollständigkeit überprüft und ggf. beim Anbieter reklamiert. Insgesamt schlägt für die Pflege ein hoher personeller Aufwand zu Buche, was aber gegenüber gängigen kommerziellen Lösungen einen großen Vorteil bietet im Hinblick auf die Qualität der Daten und die Flexibilität der Auswertungen.

Abb. 3 Schema Statistikserver

Zur Zeit ist eine Institutionensicht für die Teilnehmer der Nationallizenzen in Entwicklung. Damit soll der Zugang zu den Nutzungszahlen mittelfristig für alle Nationallizenz-Teilnehmer geöffnet werden können. Weiterhin ist

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eine Implementierung von eBook-Statistiken sowie die Fortführung des Automatisierungsprozesses mit SUSHI (Standardized Usage Statistics Harvesting Initiative) geplant, um eine weitere Optimierung der Einspielungsroutinen zu erreichen.

Für Rückfragen und weitere Informationen wenden Sie sich gerne an:Axel Dö[email protected]

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konsortIalvErträgE – chancEn unD fEssEln

EInEr BEDarfsgErEchtEn BEstanDsPolItIk?

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DEr fInanzIEllE nutzEn von konsortIalvErträgEn oDEr was vErlIErt DIE BIBlIothEk, wEnn sIE ausstEIgt

adalBert kirchgÄssner

Mit dem Aufkommen elektronischer Zeitschriften wurden neue Geschäftsmodelle entwickelt1. Es erwies sich als zweckmäßig, den Zugang zu den Verlagsplattformen, auf denen die elektronischen Zeitschriften aufgelegt wurden, für alle Zeitschriften einer Bibliothek oder mehrerer Bibliotheken in einem Vertrag mit dem Verlag zu regeln. Dies hat für die Bibliotheken wie für den Verlag Vorteile. Grundprinzip fast aller dieser Verträge ist, dass die Bibliotheken das Vertragsvolumen nicht oder fast nicht reduzieren können, dafür aber die Preissteigerung gedeckelt wird. Dies hat zur Folge, dass die Kosten für die Bibliothek von Jahr zu Jahr steigen, unabhängig davon, ob der Bibliotheksetat steigt. Wenn diese Verträge länger laufen, verliert die Bibliothek bei Beendigung des Vertrages die durch die Deckelung der Preissteigerung im Laufe der Jahre angesammelten Preisvorteile. Enthält der Vertrag auch den sogenannten Cross-Access, d.h. die Nutzer der Bibliothek können auch die Titel der Partnerbibliotheken nutzen, solange die Bibliothek an einem Vertrag für mehrere Bibliotheken beteiligt ist, geht bei einer Vertragskündigung auch dieser Vorteil verloren. In diesem Beitrag wird an einem Beispiel untersucht, wie sich die Kosten eines solchen Vertrages entwickeln, welche Auswirkungen es hat, wenn einzelne Zeitschriftentitel hinzukommen oder aus dem Paket herausgenommen werden. Abschließend wird dargestellt, welche Vor- und Nachteile eine Beendigung des Paketvertrages hat.

1 Vgl: kirchgäßner, adalbert (2008): geschäftsmodelle für wissenschaftliche zeitschriften. zuerst ersch. in: gms medizin, Bibliothek, information 8 (2008), 1, doc10. aufsatz: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:352-opus-61207. und: kirchgäßner, adalbert ; schäffler, hildegard (2009): geschäftsmodelle für elektronische medien. zuerst ersch. in: B.i.t. online 12 (2009), 8, s. 133-148. aufsatz: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:352-opus-87234.

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Das zahleNMoDell

Das Zahlenbeispiel, an dem die Überlegungen dargestellt werden, beruht auf Daten der Bibliothek der Universität Konstanz, die vereinfacht wurden. Dabei wurde darauf geachtet, die Struktur der Daten, insbesondere die Zusammenhänge zwischen Kosten und Nutzungszahlen korrekt wiederzugeben.

titel 33einzelpreise 200 bis 12.000 €gesamtpreis 96.200 €onlinezuschlag 10 % 9.620 €gesamtkosten 105.820 €Volltextabrufe 10.853 p.a.Vertragsdauer 10 Jahrepreisanstieg der einzeltitel 5 bis 9 % p.adurchschnittlicher preisanstieg 7,1 % p.a

Tabelle 1: Modellparameter

Es wird angenommen, dass 33 Zeitschriften Einzelpreise zwischen 200 und 12.000 Euro haben (gerundet jeweils auf 100 Euro). Weiter wird angenommen, dass die Preissteigerung der einzelnen Zeitschriften zwischen fünf und neun Prozent liegt, aber während der ganzen Betrachtungszeit für jede einzelne Zeitschrift nicht verändert wird. Und für jede Zeitschrift werden die Nutzungszahlen des letzten Jahres ermittelt. Alle Zeitschriftentitel zusammen kosten € 96.200 und es wird eine Zugangsgebühr zur Verlagsplattform von 10 % erhoben. Damit enthält das Modell folgende Daten der 33 Zeitschriftentitel:

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zeitschrift zugriffe preisanstieg Verlagspreisa 180 6 200B 84 7 200c 208 8 200d 4 9 300e 44 5 800f 6 6 800g 96 7 800h 18 8 1.100i 194 9 1.400k 6 5 1.500l 80 6 1.600m 188 7 1.700n 0 8 1.700o 308 9 1.800p 36 5 1.800Q 286 6 2.000r 504 7 2.100s 196 8 2.200t 648 9 2.200u 200 5 2.300V 134 6 2.800W 192 7 2.800X 0 8 2.900Y 230 9 3.800z 206 5 4.100Ja 398 6 5.000JB 672 7 5.200Jc 1154 8 5.400Jd 34 9 5.700Je 3430 5 6.100Jf 956 6 6.100Jg 58 7 7.600Jh 26 8 12.000

gesamt 10776 96.200

Tabelle 2 : Zeitschriftendaten

GesaMTkosTeN Nach 10 JahreN VerTraGslaUFzeiT

In diesem Modell wird unterstellt, dass für jede Zeitschrift der Preisanstieg in jedem Jahr gleich ist und es wird errechnet, was die Zeitschriften nach zehn Jahren, also im Vertragsjahr elf kosten werden. Ist der Preis im ersten Jahr x1 Euro und die Preissteigerung Y Prozent, gilt nach zehn Jahren

x11 = x1*(1 + 0,01*y)10.

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Für Preissteigerungen zwischen fünf und zehn Prozent ergibt das folgende Werte:

% faktor nach 10 Jahrenx*(1+0,01*y)10

y = 5 1,629y = 6 1,791y = 7 1,967y = 8 2,159y = 9 2,367y = 10 2,594

Tabelle 3 : Faktor nach 10 Jahren

Die Listenpreise steigen für alle Zeitschriften zusammen um 7,1 % je Jahr. Damit kostet das Zeitschriftenpaket, wenn nichts verändert wird, nach 10 Jahren (im elften Vertragsjahr):

Abonnementkosten nach Listenpreisen € 191.337 Zuschlag 10 % auf € 191.337 € 19.134 Gesamtkosten im Jahr 11 € 210.471

beGreNzUNG Des PreisaNsTieGs

In den meisten Verträgen ist enthalten, dass die maximale Preissteigerung je Jahr bei länger laufenden Verträgen begrenzt ist, auch wenn die Listenpreise der einzelnen Titel stärker steigen. Die Frage ist, wie diese Deckelung der Preissteigerung berechnet wird. Nehmen wir an, vereinbart ist eine maximale Preissteigerung von sechs Prozent. Üblich sind drei Berechnungsverfahren:• DerGesamtpreissteigtummaximal6%

•imFolgendenGesamtpreismodellgenannt.• DerPreisjedeseinzelnenTitelssteigtummaximal6%

•imFolgendenEinzelpreismodellgenannt.• DerGesamtpreisistmaximal6%höheralsdieSummederListenpreisedes

Vorjahres •imFolgendenVorjahrespreismodellgenannt.

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beGreNzUNG Des PreisaNsTieGs iM GesaMTPreisMoDell

Im Gesamtpreismodell betragen die Kosten bei einer Kostensteigerung von maximal sechs Prozent nach zehn Jahren das 1,791-fache des Ausgangsjahres. Bei der Ausgangssumme von € 96.200 für die Abonnements und Gesamtkosten von € 105.820 im ersten Vertragsjahr ergibt dies € 172.280 Abonnementkosten. Dies führt zu folgender Berechnung für das elfte Vertragsjahr:

Reduzierte Abonnementkosten € 172.280Zuschlag 10 % auf € 172.280 € 17.228Gesamtkosten € 189.508Ersparnis € 20.963

beGreNzUNG Des PreisaNsTieGs iM eiNzelPreisMoDell

In diesem Modell wird die Preiserhöhung jeder Zeitschrift auf 6 % begrenzt. Die Preise der Zeitschriften, die eine Steigerung kleiner oder gleich sechs Prozent haben haben, deren Preis wird nicht reduziert. Zeitschriften, die eine Preissteigerung größer als sechs Prozent haben, deren Preissteigerung wird auf sechs Prozent reduziert. Dies ergibt für die oben aufgeführten Zeitschriften nach zehn Jahren Reduzierte Abonnementkosten € 169.591Zuschlag 10 % auf € 169.591 € 16.959Gesamtkosten € 186.550Ersparnis € 23.921Dies entspricht einer durchschnittlichen Preissteigerung von 5,83 %, und im elften Jahr ist nur das 1,696-fache des ersten Jahres zu bezahlen.

beGreNzUNG Des PreisaNsTieGs iM VorJahreslisTeNPreisMoDell

Bei dieser Berechnungsmethode wird der Preisanstieg immer auf sechs Prozent bezogen auf die Summe der Listenpreise des Vorjahres begrenzt. Die Summe der Listenpreise ohne Begrenzung im zehnten Vertragsjahr beläuft sich auf € 178.499. Plus sechs Prozent ergibt das

Abonnementkosten im elften Jahr € 189.209Zuschlag 10 % auf € 189.209 € 18.921 Gesamtkosten € 208.130Ersparnis € 2.128

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Der durchschnittliche Preisanstieg innerhalb von zehn Jahren beläuft sich nun auf 7,1 Prozent. Und je länger der Vertrag läuft, desto mehr nähert sich der durchschnittliche Preisanstieg dem Preisanstieg der Listenpreise. Die Preisreduzierungen werden bei dieser Berechnungsmethode nicht über die Jahre kumuliert sondern die Preissteigerungen werden um ein Jahr verzögert.

Diese Berechnungen führen zu folgendem Ergebnis:• Im Gesamtkostenmodell ist die Begrenzung der Kostensteigerung auf die

Gesamtsumme bezogen.• ImEinzelpreismodellistdieBegrenzungderPreissteigerungaufdieEinzelpreise

bezogen, Wenn einzelne Zeitschriften eine geringere Preissteigerung haben als die vereinbarte Obergrenze, ist die Summe aller Einzelpreise geringer als im Gesamtpreismodell.

• ImVorjahreslistenpreismodellwird in jedemJahrdieDifferenzzwischenderSumme der aktuellen Listenpreise und der Summe der Listenpreise des Vorjahres plus sechs Prozent eingespart. Diese Vorteile werden im Gegensatz zu den beiden anderen Modellen im Laufe der Jahre nicht kumuliert.

Jahr nominalpreis-steigerung

gesamt-preismodell

einzelpreis-modell Vorjahreslisten-preismodell

1 105.820 105.820 105.820 105.8202 113.274 112.169 111.987 112.1693 121.271 118.899 118.514 120.0704 129.853 126.033 125.424 128.5475 139.064 133.595 132.738 137.6446 148.951 141.611 140.480 147.4087 159.566 150.108 148.676 157.8898 170.964 159.114 157.352 169.1409 183.203 168.661 166.536 181.222

10 196.349 178.781 176.258 194.19611 210.470 189.508 186.550 208.130

Tabelle 4 : Gesamtkostenentwicklung der vier Kalkulationsmodelle über 10 Jahre

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kosten im Jahr 11 in €

ohneBegrenzung

gesamtpreis-modell

einzelpreis-modell

Vorjahreslisten-preismodell

abonnementkosten 191.337 172.280 169.591 189.209

kumulierter Vorteil 19.057 21.746 2.128

zuschlag 10 % auf abonnementkosten

19.134 17.228 16.959 18.921

gesamtkosten 210.471 189.508 186.550 208.130

Tabelle 5 : Vergleich der vier Kalkulationsmodelle im Jahr 11

VeräNDerUNG Der zUsaMMeNseTzUNG Des zeiTschriFTeNPakeTes WähreND Der VerTraGslaUFzeiT

Die Zusammensetzung des Zeitschriftenpaketes kann sich in der Vertragslaufzeit ändern, wenn neue Zeitschriftentitel hinzukommen, bisher enthaltene Zeitschriften wegfallen oder ein Titel durch einen anderen ersetzt wird. Dies hat auf die Kostenberechnung in den verschiedenen Kalkulationsmodellen unterschiedliche Auswirkungen. Im folgenden wird dargestellt, wie sich die Gesamtsumme des Vertrages für die weitere Vertragszeit in den verschiedenen Modellen berechnet.

zUsäTzliche TiTel iM GesaMTPreisMoDell

Angenommen, im Gesamtpreismodell wurde im Jahr n-1 ein Gesamtpreis von € 121.450 bezahlt und im Jahr n kommt eine neue Zeitschrift mit einem Listenpreis von € 2.100 hinzu. Dann errechnet sich der Preis für das Jahr n und das Jahr n+1 wie folgt:

Gesamtpreis Jahr (n-1) = € 121.450 Preis im Jahr (n) = 121.450 + 6 % = € 128.737 Neuer Titel = € 2.100 Gesamtpreis Abonnements im Jahr (n) = € 130.837 Gesamtpreis Jahr (n+1) = 130.837 + 6 % = € 138.867

Der Gesamtpreis des Jahres n-1 steigt um 6 % und der Listenpreis der neuen Zeitschrift wird hinzuaddiert, um den Gesamtpreis für das Jahr n zu ermitteln. Dieser Gesamtpreis wird in den Folgejahren wieder mit 6 % Preissteigerung fortgeschrieben.

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zUsäTzliche TiTel iM eiNzelPreisMoDell

Die Preise der einzelnen Zeitschriften werden in jedem Jahr mit einer Preissteigerung kleiner oder gleich 6 fortgeschrieben. Zu der für das Jahr n ermittelten Gesamtsumme der bereits vorhandenen Zeitschriften wird der Listenpreis der neuen Zeitschrift hinzugezählt, um den Gesamtpreis für das Jahr n zu ermitteln. Für das Jahr n+1 erfolgt die gleiche Berechnung für alle Titel einschließlich des im Jahr n hinzugekommenen Titels. Im Beispiel ergibt das folgende Rechnung:

Preis der Vorjahrestitel im Jahr (n) = € 127.709 Neuer Titel = € 2.100 Gesamtpreis Abonnements im Jahr (n) = € 129.809

Im Jahr n+1 werden die Einzeltitel wieder mit ihrer Preissteigerung, maximal 6 % fortgeschrieben.

zUsäTzliche TiTel iM VorJahreslisTeNPreisMoDell

Die Preise der einzelnen Zeitschriften werden gegenüber dem Listenpreis - nicht dem bezahlten Preis, der niedriger gewesen sein kann – mit einer Preissteigerung kleiner oder gleich 6 % fortgeschrieben. Die Summe der fortgeschriebenen Einzelpreise ergibt den Gesamtpreis der bisher schon bezogenen Titel im Jahr n. Hinzu addiert wird der Listenpreis des neuen Titels, um den Gesamtpreis für das Jahr n zu ermitteln:

Preis der bisherigen Titel im Jahr (n) = € 126.422 Neue Titel im Jahr (n) = € 2.100Gesamtpreis im Jahr (n) = € 128.522Gesamtpreis Abonnements im Jahr (n+1) = € 136.233

Im Jahr n+1 werden alle Titel einschließlich des neuen mit der Preissteigerung kleiner/gleich 6 % auf den Vorjahrespreis fortgeschrieben.

WeGFalleNDe TiTel iM GesaMTPreisMoDell

Der durch die Preissteigerungsbegrenzung bezahlte Gesamtpreis ist meist kleiner als die Summe der Listenpreise. Ist der Listenpreis der wegfallenden Zeitschrift höher als der Anteil dieser Zeitschrift im Gesamtpreis, wird nicht der Listenpreis, sondern

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ein reduzierter Listenpreis abgezogen. Sei im Beispiel die Summe der Listenpreise € 135.410 und der (reduzierte) Gesamtpreis € 128.737, also 95,072 % und hat der wegfallende Titel einen Listenpreis von € 2.141, so ergibt das folgende Rechnung (im Jahr n):

Summe Listenpreise = € 135.410 Wegfallender Titel Listenpreise = € 2.141 Neue Summe Listenpreise = € 133.310 Gesamtpreis einschl. wegfallendem Titel = € 128.737 Anteil 95,072 % aus € 2.141 = € 2.035 Gesamtpreis ohne wegfallenden Titel = € 126.702

WeGFalleNDe TiTel iM eiNzelPreisMoDel

Bei dieser Berechnungsmethode wird jeder Titel einzeln berechnet. Die Kosten einer Zeitschrift hängen auch nicht von den Kosten der anderen im Paket enthaltenen Zeitschriftentitel ab. Folglich wird der Betrag von der Gesamtsumme abgezogen, mit dem der Titel im letzten Jahr berechnet wurde. Im Beispiel sei die Summe der Listenpreise wieder € 135.410. Die Summe der reduzierten Einzelpreise beträgt € 127.709 und der (reduzierte) Preis der wegfallenden Zeitschrift beträgt € 2.100. Dann ergibt das folgende Rechnung:

Summe Listenpreise = € 135.410 Wegfallender Titel Listenpreise = € 2.100 Neue Summe Listenpreise = € 133.310 Gesamtpreis einschl. wegfallendem Titel = € 127.709 Wegfallender Titel, reduzierter Preis = € 2.100 Gesamtpreis ohne wegfallenden Titel = € 125.609

WeGFalleNDe TiTel iM VorJahreslisTeNPreisMoDell

Hier sind die Listenpreise des Vorjahres die Berechnungsgrundlage für den aktuellen Jahrgang. Die Summe der Listenpreise des Vorjahres reduziert um den Vorjahrespreis der wegfallenden Zeitschrift ergibt die Basis für die Berechnung des Gesamtpreises für das laufende Jahr:

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Summe Listenpreise im Vorjahr = € 135.410 Listenpreis wegfallender Titel im Vorjahr = € 2.141 Berechnungsbasis = € 133.310 Gesamtpreis im laufenden Jahr (+ 6 %) = € 141.309

TiTelTaUsch

Werden zwei Titel ausgetauscht, so wird in jedem Modell der wegfallende Titel und der zusätzliche Titel so berechnet wie oben dargestellt. Die Veränderung des Gesamtpreises errechnet sich als Differenz zwischen den Kosten des hinzukommenden und des wegfallenden Titels.

beeNDiGUNG eiNes MehrJähriGeN VerTraGes

Die hier beschriebenen Vertragsverhältnisse über große Zeitschriftenpakete sind so angelegt, dass die Kosten in jedem Jahr steigen (müssen). Wenn die Erwerbungsmittel nicht in dem Maße steigen, das erforderlich ist, die laufend steigenden Kosten zu tragen, oder wenn sich der Bedarf der Universität in der Form ändert, dass neue Zeitschriftentitel in einem anderen Verlag erscheinen als die bisher benötigten, muss die Bibliothek aus dem Vertrag über das Zeitschriftenpaket aussteigen. Ziele der Kündigung sind: • Kosteneinsparungen• FlexibilisierungdesAngebotesderBibliotheken• ZurückgewinnungdesfinanziellenHandlungsspielraumesderBibliothek.

Wenn die Bibliothek aus einem länger laufenden Vertrag aussteigt, verliert sie die Vorteile, die durch die Vertragsbedingungen (reduzierter Preisanstieg, geringere Online-Gebühren u.a.) entstanden sind. Das führt zu folgenden Nachteilen:• NachgeholtePreissteigerungen: Für Einzeltitel, die durch die Beschränkung des Preisanstieges im letzten Jahr

weniger als der Listenpreis gekostet haben, muss nun wieder der Listenpreis gezahlt werden.

• ErhöhteOnline-Gebühren: Wenn die Gebühr für den Onlinezugang durch den Vertrag geringer war als die

Gebühr, die bei Einzelbezug zu bezahlen ist, muss nun die höhere Gebühr bezahlt werden. Dies ist eine weitere Kostensteigerung für den einzelnen Titel.

• DerCrossAccesfälltweg: Wenn der Vertrag, aus dem die Bibliothek aussteigt, ein Konsortialvertrag

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mit CrossAccess war, stehen die Titel, die zugänglich waren, weil eine andere Vertragsbibliothek das Abonnement führt, künftig nicht mehr zur Verfügung.

Wenn die Entscheidung für den Ausstieg gefallen ist, ist zu entscheiden, welche Titel weitergeführt und welche abbestellt werden sollen.

zugrifffe +% preis nominal gesamt einzel Vorjahr kosten je zugriff zugriffe kosten kummuliert 1. Jahr 10. Jahr 10. Jahr 10. Jahr 10. Jahr nominal gesamt einzel Vorjahr nominal gesamt einzel Vorjahr

a 180 6 200 338 308 338 334 2 2 2 2 10.853 358 322 358 354c 208 8 200 400 364 338 395 2 2 2 2 10.673 790 711 716 781Je 3430 5 6.100 9.463 8.616 9.463 9.359 3 3 3 3 10.465 10.726 9.658 10.653 10.607B 84 7 200 368 335 338 364 4 4 4 4 7.035 11.120 10.012 11.011 10.996t 648 9 2.200 4.778 4.351 3.717 4.726 7 7 6 7 6.951 16.328 14.702 14.951 16.146r 504 7 2.100 3.861 3.515 3.548 3.818 8 7 7 8 6.303 20.459 18.421 18.711 20.231Jc 1154 8 5.400 10.795 9.829 9.123 10.676 9 9 8 9 5.799 32.117 28.918 28.382 31.760Jf 956 6 6.100 10.306 9.384 10.306 10.193 11 10 11 11 4.645 43.041 38.754 39.306 42.563Q 286 6 2.000 3.379 3.077 3.379 3.342 12 11 12 12 3.689 46.623 41.979 42.888 46.105o 308 9 1.800 3.909 3.560 3.041 3.867 13 12 10 13 3.403 50.884 45.816 46.111 50.318JB 672 7 5.200 9.560 8.705 8.785 9.455 14 13 13 14 3.095 61.113 55.026 55.424 60.434g 96 7 800 1.471 1.339 1.352 1.455 15 14 14 15 2.423 62.687 56.443 56.856 61.990i 194 9 1.400 3.041 2.769 2.365 3.007 16 14 12 16 2.327 66.001 59.428 59.364 65.268m 188 7 1.700 3.125 2.846 2.872 3.091 17 15 15 16 2.133 69.346 62.439 62.408 68.575u 200 5 2.300 3.568 3.249 3.568 3.529 18 16 18 18 1.945 73.092 65.812 66.155 72.279Ja 398 6 5.000 8.447 7.692 8.447 8.355 21 19 21 21 1.745 82.046 73.874 75.109 81.134s 196 8 2.200 4.398 4.004 3.717 4.350 22 20 19 22 1.347 86.796 78.151 79.049 85.831W 192 7 2.800 5.148 4.687 4.731 5.091 27 24 25 27 1.151 92.304 83.110 84.063 91.278e 44 5 800 1.241 1.130 1.241 1.227 28 26 28 28 959 93.607 84.284 85.366 92.566z 206 5 4.100 6.360 5.791 6.360 6.291 31 28 31 31 915 100.285 90.297 92.045 99.170l 80 6 1.600 2.703 2.461 2.703 2.674 34 31 34 33 709 103.151 92.877 94.910 102.004V 134 6 2.800 4.731 4.307 4.731 4.679 35 32 35 35 629 108.165 97.392 99.924 106.963Y 230 9 3.800 8.253 7.515 6.420 8.163 36 33 28 35 495 117.161 105.492 106.730 115.859p 36 5 1.800 2.792 2.543 2.792 2.762 78 71 78 77 265 120.093 108.132 109.662 118.758n 33 8 1.700 3.398 3.094 2.872 3.361 103 94 87 102 229 123.763 111.437 112.706 122.387h 18 8 1.100 2.199 2.002 1.858 2.175 122 111 103 121 196 126.138 113.575 114.676 124.736X 44 8 2.900 5.797 5.278 4.899 5.734 132 120 111 130 178 132.399 119.212 119.869 130.927d 4 9 300 652 593 507 644 163 148 127 161 134 133.109 119.852 120.407 131.629f 6 6 800 1.352 1.231 1.352 1.337 225 205 225 223 130 134.542 121.142 121.839 133.046Jg 58 7 7.600 13.972 12.722 12.840 13.819 241 219 221 238 124 149.492 134.603 135.450 147.830Jd 34 9 5.700 12.380 11.272 9.630 12.244 364 332 283 360 66 162.986 146.753 145.658 161.174k 6 5 1.500 2.327 2.119 2.327 2.301 388 353 388 384 32 165.430 148.953 148.101 163.590Jh 26 8 12.000 23.988 21.842 20.274 23.725 923 840 780 912 26 191.337 172.280 169.591 189.209

10853 96.200 178.499 162.528 160.235 176.542 16,45 14,98 14,76 16,27

Tabelle 6 : Kosten der Zeitschriften im 1. und im 10. Jahr;

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zugrifffe +% preis nominal gesamt einzel Vorjahr kosten je zugriff zugriffe kosten kummuliert 1. Jahr 10. Jahr 10. Jahr 10. Jahr 10. Jahr nominal gesamt einzel Vorjahr nominal gesamt einzel Vorjahr

a 180 6 200 338 308 338 334 2 2 2 2 10.853 358 322 358 354c 208 8 200 400 364 338 395 2 2 2 2 10.673 790 711 716 781Je 3430 5 6.100 9.463 8.616 9.463 9.359 3 3 3 3 10.465 10.726 9.658 10.653 10.607B 84 7 200 368 335 338 364 4 4 4 4 7.035 11.120 10.012 11.011 10.996t 648 9 2.200 4.778 4.351 3.717 4.726 7 7 6 7 6.951 16.328 14.702 14.951 16.146r 504 7 2.100 3.861 3.515 3.548 3.818 8 7 7 8 6.303 20.459 18.421 18.711 20.231Jc 1154 8 5.400 10.795 9.829 9.123 10.676 9 9 8 9 5.799 32.117 28.918 28.382 31.760Jf 956 6 6.100 10.306 9.384 10.306 10.193 11 10 11 11 4.645 43.041 38.754 39.306 42.563Q 286 6 2.000 3.379 3.077 3.379 3.342 12 11 12 12 3.689 46.623 41.979 42.888 46.105o 308 9 1.800 3.909 3.560 3.041 3.867 13 12 10 13 3.403 50.884 45.816 46.111 50.318JB 672 7 5.200 9.560 8.705 8.785 9.455 14 13 13 14 3.095 61.113 55.026 55.424 60.434g 96 7 800 1.471 1.339 1.352 1.455 15 14 14 15 2.423 62.687 56.443 56.856 61.990i 194 9 1.400 3.041 2.769 2.365 3.007 16 14 12 16 2.327 66.001 59.428 59.364 65.268m 188 7 1.700 3.125 2.846 2.872 3.091 17 15 15 16 2.133 69.346 62.439 62.408 68.575u 200 5 2.300 3.568 3.249 3.568 3.529 18 16 18 18 1.945 73.092 65.812 66.155 72.279Ja 398 6 5.000 8.447 7.692 8.447 8.355 21 19 21 21 1.745 82.046 73.874 75.109 81.134s 196 8 2.200 4.398 4.004 3.717 4.350 22 20 19 22 1.347 86.796 78.151 79.049 85.831W 192 7 2.800 5.148 4.687 4.731 5.091 27 24 25 27 1.151 92.304 83.110 84.063 91.278e 44 5 800 1.241 1.130 1.241 1.227 28 26 28 28 959 93.607 84.284 85.366 92.566z 206 5 4.100 6.360 5.791 6.360 6.291 31 28 31 31 915 100.285 90.297 92.045 99.170l 80 6 1.600 2.703 2.461 2.703 2.674 34 31 34 33 709 103.151 92.877 94.910 102.004V 134 6 2.800 4.731 4.307 4.731 4.679 35 32 35 35 629 108.165 97.392 99.924 106.963Y 230 9 3.800 8.253 7.515 6.420 8.163 36 33 28 35 495 117.161 105.492 106.730 115.859p 36 5 1.800 2.792 2.543 2.792 2.762 78 71 78 77 265 120.093 108.132 109.662 118.758n 33 8 1.700 3.398 3.094 2.872 3.361 103 94 87 102 229 123.763 111.437 112.706 122.387h 18 8 1.100 2.199 2.002 1.858 2.175 122 111 103 121 196 126.138 113.575 114.676 124.736X 44 8 2.900 5.797 5.278 4.899 5.734 132 120 111 130 178 132.399 119.212 119.869 130.927d 4 9 300 652 593 507 644 163 148 127 161 134 133.109 119.852 120.407 131.629f 6 6 800 1.352 1.231 1.352 1.337 225 205 225 223 130 134.542 121.142 121.839 133.046Jg 58 7 7.600 13.972 12.722 12.840 13.819 241 219 221 238 124 149.492 134.603 135.450 147.830Jd 34 9 5.700 12.380 11.272 9.630 12.244 364 332 283 360 66 162.986 146.753 145.658 161.174k 6 5 1.500 2.327 2.119 2.327 2.301 388 353 388 384 32 165.430 148.953 148.101 163.590Jh 26 8 12.000 23.988 21.842 20.274 23.725 923 840 780 912 26 191.337 172.280 169.591 189.209

10853 96.200 178.499 162.528 160.235 176.542 16,45 14,98 14,76 16,27

Tabelle sortiert nach Kosten je Zugriff im 10. Jahr

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In der Tabelle sind die Zeitschriften nach abnehmenden Zugriffszahlen sortiert. Damit kann man ablesen, welche Titel am wenigsten genutzt werden. (Man kann die Titel auch nach steigenden Kosten je Artikelabruf sortieren.) Man erhält eine Tabelle, anhand derer man entscheiden kann, auf welche Titel die Bibliothek verzichten kann oder will. Die Kosten je Artikelabruf gehen von € 2 bis zu € 923. 19 Titel haben einen Artikelpreis von unter 30 €. Aus diesen 19 Zeitschriften wurden 9.938 von insgesamt 10.853 Artikel bezogen. Verzichtet man auf die übrigen 14 Titel, führt das je nach Preismodell zu einer Kostensenkung von ca. 75.000 bis 98.000 Euro. Bei Vertragskündigung ist wieder der Listenpreis zu bezahlen. Die vertragsbedingte Begrenzung auf 6 % entfällt, und die dadurch in den Vorjahren erreichte Preisreduzierung fällt weg. Deshalb ist eine nachgeholte Preissteigerung je nach Preismodell zwischen € 1.041 und € 9.321 für die verbleibenden Titel zu bezahlen. Wenn durch den Vertrag eine zusätzliche Online-Zugangsgebühr entfallen ist, ist diese nach Vertragskündigung ebenfalls zu bezahlen. Angenommen, diese Gebühr beträgt 25 % statt der 10 %, die innerhalb des Vertrages zu bezahlen war, beläuft diese sich für die verbleibenden Titel auf € 23.402. Das führt zu folgendem Kostenvergleich zwischen der Fortführung des Vertrages und dem Weiterbezug der „rentablen“ 19 Titel nach Vertragskündigung als Einzelabonnements:

gesamtkosten-

modelleinzelkosten-

modell

Vorjahres listenpreis-

modellausstieg

abonnementkosten 172.280 169.591 189.209 93.607online-zuschlag 17.228 16.959 18.921 23.402gesamtkosten 189.508 186.550 208.130 129.009

Tabelle 7 : Kostenvergleich der Fortführung des Paketvertrages mit

den verschiedenen Kostenmodellen und den Kosten, die beim Ausstieg

aus dem Vertrag anfallen.

In der Situation, dass die festgeschriebenen Preissteigerungen die Zahlungs-möglichkeiten der Bibliothek übersteigen, hat diese kurzfristig nur die Möglichkeit, aus einem oder mehreren Paketverträgen auszusteigen und sich auf den Kernbestand der intensiv genutzten Zeitschriften zu beschränken. Die dann nicht mehr über Abonnements beschaffbaren Artikel müssen im Einzelartikelkauf beschafft werden. (Erfahrungsgemäß werden aber bei Einzelbeschaffungen, die nicht über Abonnements laufen, deutlich weniger Artikel beschafft. Stehen die Artikel barrierefrei zur Verfügung, werden alle Überprüfungen direkt online durchgeführt. Kostet jeder Artikelzugriff einzeln, werden jene Artikel, von denen bereits eine Kopie beim Benutzer vorliegt, meist nicht noch einmal online abgerufen.

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Aus den Berechnungsmodellen ist zu schließen, dass die Bindungswirkung der Paketverträge umso höher ist, je höher der jährliche Preisvorteil durch die Begrenzung der Preissteigerung ist und je länger der Vertrag schon läuft. Desto größer ist der Verlust bei einem Ausstieg aus dem Vertrag. Wie im Einzelfall zu handeln ist, hängt von der jeweiligen lokalen Situation und den Anforderungen durch die eigene Universität und von der Höhe der Mittel ab, die die Universität ihrer Bibliothek zur Verfügung stellt.

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ExtErnE DIEnstlEIstungEn – was könnEn (sollEn) BIBlIothEkEn ErwartEn (forum gEsIg)

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kEInE angst vor DIEnstlEIstErn

kaufen oder machen?irmgard sieBert

Bibliotheken, die den Anspruch haben, innovativ zu sein und ihren NutzerInnen den maximal möglichen Komfort und ein den technischen Möglichkeiten entsprechendes Dienstleistungsniveau zu bieten, stehen vor der Herausforderung, neben den „alten“ Kernaufgaben in der Regel ohne zusätzliches Personal nicht wenige neue, zumeist sehr komplexe Aufgaben bewältigen zu müssen, für die ihre Mitarbeiter oft nicht adäquat ausgebildet oder qualifiziert sind. Unter anderem um einen Innovationsrückstand mit den damit verbundenen Wettbewerbsnachteilen zu verhindern, sind diese Bibliotheken gezwungen, neue Wege zu gehen. Die Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf (ULB) hat sich dafür entschieden, in den Bereichen Erwerbung, Digitalisierung, Personalentwicklung und Öffentlichkeitsarbeit Dienstleistungen einzukaufen oder gemeinsam mit dem Anbieter zu entwickeln. Eine Ausdehnung auf andere Gebiete ist geplant. Die damit verbundenen Ziele sind ganz unterschiedliche: Zum einen geht es darum, Know-how einzukaufen, das im Hause nicht vorhanden ist bzw. dessen Aufbau allein aus eigenen Kräften wesentlich teurer wäre als das Outsourcing. Zum anderen sollen Rationalisierungen erreicht werden, die Potenzial für neue und/oder wichtigere Aufgaben freisetzen.

Die Outsourcing-Strategie der ULB Düsseldorf wird durchaus kritisch beobachtet. Dienstleister gelten im öffentlichen Bereich nach wie vor als zu teuer. Immer wieder wird darauf hingewiesen, dass irreversible Abhängigkeiten entstehen können, die die Entscheidungsfreiheit der Bibliothek massiv beeinträchtigen könnten. Die Vertreter dieser Position haben in der Regel jedoch nicht ermittelt, wie teuer die entsprechenden Dienstleistungen sind, wenn sie (auf Basis einer Vollkostenrechnung) mit eigenem Personal entwickelt und gepflegt werden.

Auch die Furcht vor der Entstehung von Abhängigkeiten ist nicht wirklich nachvollziehbar, insbesondere vor dem Hintergrund der bestehenden Alternativen. Innovative Bibliotheksservices, die auf den Fähigkeiten weniger oder gar einer/eines einzelnen Bibliotheksmitarbeiterin/Bibliotheksmitarbeiters beruhen, können zu wesentlich größeren Abhängigkeiten führen als solche, die von kommerziellen Anbietern eingekauft werden. In Fällen von Krankheit, Urlaub, Elternzeit fehlen in der Regel qualifizierte Vertretungen. Persönliche Inhouse-Softwareentwicklungen

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einzelner MitarbeiterInnen werden oft als sakrosankt und unfehlbar begriffen, auch wenn sie längst überholt sind. Notwendige Weiterentwicklungen, Neuorientierungen werden häufig nicht mit dem erforderlichen Engagement vorangetrieben.

Die bisherigen Erfahrungen der ULB Düsseldorf in/mit der Zusammenarbeit sehr sorgfältig ausgesuchter Dienstleister sind sehr positiv. Um Risiken zu reduzieren, wurde die Kooperation mit kleineren, überschaubaren Projekten gestartet und dann – auf Basis des entstandenen wechselseitigen Vertrauens – sukzessive ausgebaut, ein Prozess, der sich oft über mehrere Jahre hinzog. Wir sind inzwischen davon überzeugt, dass insbesondere im Kontext der komplexen aktuellen Herausforderungen der Einsatz von Dienstleistern unentbehrlich ist. Sie fördern und ermöglichen wichtige Innovationen, tragen zur Rationalisierung von Prozessen bei, kompensieren fehlendes eigenes Know-how bzw. das von Verbundzentralen oder Rechenzentren. Des Weiteren helfen sie Komplexität zu reduzieren, erleichtern die Konzentration auf Kernprozesse, erweitern den Blickwinkel und bringen sich kreativ und fördernd ein. Diese durchwegs positiven Erfahrungen sollen anhand der folgenden Beispiele konkretisiert werden.

QUaliTäT UND schNelliGkeiT: scaN To Web

Seit vielen Jahren ist die ULB bemüht, eine leistungsfähige Digitalisierungs- und Präsentationsinfrastruktur insbesondere für ihre wertvollen Sammlungen aus dem Bereich des Kulturellen Erbes aufzubauen. Die zunächst eingesetzten Inhouse-Softwarelösungen führten zu keinen befriedigenden Ergebnissen. Schließlich entschied sich die ULB Düsseldorf im Sommer 2007 für den Einsatz des Produktes Visual Library, das versprach, das Scannen durch professionelle Workflowunterstützung zu rationalisieren und die gescannten Objekte ohne Zeitverzug im Web zu präsentieren. Erworben wurden eine produktionsbereite, maßgeschneiderte und wartungsarme Software-Plattform, Implementierungs- und Beratungsdienstleistungen, Workflowunterstützung, Schulungen und Fortbildungen der Mitarbeiter und ein softwaregestütztes Qualitätsmanagementtool. Mittels dieser Infrastruktur und der dazu gekauften Beratungsdienstleistungen gelang der ULB nach vielen Jahren erfolgloser Digitalisierungsbemühungen der rasche Aufbau einer professionellen Webpräsenz. Die im Folgenden zügig weiter ausgebaute Digitalisierungswerkstatt erreichte schon bald ein konkurrenzfähiges Niveau, das die Bibliothek ermutigte, ihre Drittmittelakquise zu intensivieren und ihre Digitalisierungsaktivitäten sukzessive auf sehr unterschiedliche Dokumenttypen auszudehnen.1

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sachkosTeN VersUs bearbeiTUNGskosTeN

Im Durchschnitt, schreibt Adalbert Kirchgäßner schon im Jahre 2000, lägen die Bearbeitungskosten für die von einer Bibliothek gekauften Informationen in der Größenordnung der Einkaufskosten. Bei vielen Büchern und Zeitschriften, die ja in großen Mengen eingekauft würden, seien die Bearbeitungskosten sogar deutlich höher als die Kosten für den Einkauf. Deshalb könne durch kooperative effiziente Organisation deutlich mehr erwirtschaftet werden, als durch permanenten Druck auf die Margen der Händler.2

Überzeugt von der Richtigkeit dieser Feststellung hat die ULB in den vergangenen Jahren ihre Erwerbungsgeschäftsgänge systematisch evaluiert und – zumeist in Zusammenarbeit mit ihren Lieferanten – Rationalisierungspotentiale identifiziert und durch entsprechende nachfolgende Geschäftsgangsänderungen eine evidente Effizienzsteigerung realisiert. Im Bereich der Monographienerwerbung beispielsweise wurde die Zahl der Lieferanten auf drei leistungsstarke lokale Anbieter konzentriert, mit denen weitgehend homogene Service-Level-Agreements vereinbart wurden (Rhythmus der Lieferungen, Buchausstattung, Vereinfachung der Rabattkonditionen). Die Zeitschriftenverwaltung wurde reorganisiert durch die mit dem Dienstleister vereinbarte „regalfertige“ Lieferung von 11.000 Heften pro Jahr, das Outsourcen der Eingangskontrolle und der Reklamationen, die Automatisierung der Rechnungsbearbeitung und die konsolidierte Lieferung der Zeitschriften aus Drittländern, die nun ebenfalls von der Agentur bearbeitet werden. Die Erfahrungen sind positiv. Der Managementaufwand für Gespräche mit den Lieferanten konnte deutlich reduziert werden – zum einen, weil die Zahl der Lieferanten reduziert wurde, zum anderen, weil sich der Kommunikationsaufwand durch die klaren Ziele und Vorgaben verminderte. Die Sachbearbeitung gewann an Transparenz und Schnelligkeit, Rechnungsstelle und Einbandstelle konnten geschlossen und die Organisationsstruktur konnte dadurch verschlankt werden.

1 zum aktuellen stand (februar 2010) s. die Broschüren der semantics kommunikationsmanagement gmbh zur Visual library: http://www.semantics.de/service/produktinfos/broschuere-vlii.pdf (11.03.2010) und http://www.semantics.de/service/produktinfos/broschuere-vl-funktionenii.pdf (11.03.2010) sowie siebert, irmgard (hg.): digitalisierungsstrategie der universitätsbibliotheken nordrhein-Westfalens. positionspapier der arbeitsgemeinschaft der universitätsbibliotheken des landes nordrhein-Westfalen, url: http://docserv.uni-duesseldorf.de/servlets/documentservlet?id=13598 (11.03.2010).

2 Vgl. kirchgäßner, adalbert: produktivitätssteigerung durch kooperation. konstanz, url: http://kops.ub.uni-konstanz.de/volltexte/2005/1445/pdf/Wien0004a.pdf (09.03.2010).

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„Wie MaN sich zeiGT, so isT MaN“

Der deutsche Designer Otl Aicher hat in seinem vielbeachteten Buch „Die Welt als Entwurf“ (1991 erschienen bei ernst&sohn) folgende – nahezu philosophische – These aufgestellt: Das Erscheinungsbild eines Unternehmens sei nicht das Äußere es sei das Eigentliche. „man kann nicht existieren, ohne sich zu zeigen, und wie man sich zeigt, so ist man.“3

Die Frage der Gestalt ist also eng verbunden mit der Frage der Existenz, dem Sinn und Zweck, den Zielen und Visionen einer Institution. Genau diesen Fragen und deren visuellen, kommunikativen Lösungsansätzen widmet sich die ULB in enger Kooperation mit dem Designbüro Solldesign seit dem Jahr 2000. Im Mittelpunkt steht die Wahrnehmung unserer Hauptzielgruppe: die BibliotheksbenützerInnen. Neben identifikatorischen sind es daher auch konkrete semiotische und rezeptionsspezifische Fragestellungen, die gestaltungskonzeptionelle Lösungen erfordern. Die besondere soziale Aufgabe von Bibliotheken – die Bewahrung von Schrift- und Kulturgut – sollte sich auch in deren eigenen Publikationen gestalterisch kompetent widerspiegeln. Gestaltung wird dabei immer wieder eine Frage der „Haltung“ der Institution gegenüber ihren Erwartungsgruppen. Wir haben hier in enger Kooperation mit den Designern von Solldesign viel erreicht: Medienübergreifend wurde die Orientierung erleichtert, die Kommunikation professionalisiert sowie unsere Haltung in kommunikationsstrategisch relevanten Medien manifestiert.

Der kreative Prozess zur Bildung einer visuellen Identität war hochkomplex und spannend, u.a. deshalb, weil zu Beginn die Identität der Bibliothek, ihre Strategie, ihre Vision noch nicht voll ausgebildet waren, sondern diese sich auch mit dem Design und durch das Design entwickeln mussten. Bis heute gefährden immer wieder betriebswirtschaftliche Limitationen oder abweichende Vorstellungen der Hochschulleitung diesen unverzichtbaren Selbstfindungs- und Selbstdarstellungsprozess. Insgesamt jedoch wurden Ergebnisse erzielt, auf die die Bibliothek und der Dienstleister sehr stolz sind.

In einem schon fast ein Jahrzehnt umfassenden Prozess wurden nacheinander und aufeinander abgestimmt eine Wortbildmarke (2001), Struktur und Design für den Jahresbericht (2004), eine Imagebroschüre (2004) und Informationsbroschüren (2005) sowie ein Leitsystem (2006) entwickelt. Die eigentlich notwendige und mehrfach in Angriff genommene Anpassung des Webauftritts scheiterte bisher an sich widersprechenden Vorgaben der Hochschule für den Gesamt-Webauftritt der Universität.

3 aicher, otl: die Welt als entwurf. ernst & sohn 1991, 157.

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Wortbildmarke der ULB Düsseldorf

Titelblatt und Doppelseite aus dem Jahresbericht der ULB

Titelblatt der Imagebroschüre der ULB

Jahresbericht 2008

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ZWEI FLIEGEN MIT EINER KLAPPE DURCH SELBSTARCHIVIERUNG

Das geänderte Urheberrecht bestimmt, dass die Online-Veröff entlichungsrechte für Publikationen vor dem Jahr ���� zum Stichtag �.�.���� pauschal an die Verlage übergehen, die bereits die Nutzungsrechte für die gedruckte Veröff entlichung besitzen. Aller-dings räumte der neue § ���l Urheberrechtsgesetz den Urheberinnen und Urhebern die Möglichkeit des Widerspruchs ein. Dieser konnte auch durch eine Übertragung der Online-Rechte an einen Dritten ausgesprochen werden.

Die ULB hat darum den Wissenschaft lerinnen und Wissenschaft lern der Heinrich-Heine-Universität im Dezember ���� angeboten, ihre Publikationen über den Dokumentenservice der ULB online zu veröff ent-lichen. Damit konnten wir zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Zum einen gewährleistet die ULB den Verbleib der Online-Rechte bei den Autorinnen und Autoren, zum anderen sorgt sie für die nachhal-tige Verfügbarkeit der Publikationen weltweit im Internet.

Dieses Konzept der Selbstarchivierung wird auch als »green road« des Open Access bezeichnet. Über das sogenannte OAI-Protokoll sollen die Daten des Düsseldorfer Dokumentenservers in Zukunft auch anderen Dokumentenservern weltweit, z. B. denen von Fachgesellschaft en, zur Verfügung stehen.

Bis zum ��.��.���� musste die Einräumung des ein-fachen Nutzungsrechts erfolgen. Immerhin �� Wiss-enschaft lerinnen und Wissenschaft ler der HHU erteil-ten der ULB die Erlaubnis, ihre Publikationen online zu veröff entlichen. Über ���� Dokumente wurden gemel-det, die sich gleichmäßig auf alle Fakultäten verteilten.

Doch nicht alle gemeldeten Dokumente konnten tatsächlich elektronisch veröff entlicht werden – das Urheberrechtsgesetz hat hier deutliche Grenzen ge-setzt: So dürfen z. B. Werke mit mehreren Verfassern nur dann online publiziert werden, wenn alle Auto-rinnen und Autoren ausdrücklich zustimmen.

Nach der umfangreichen rechtlichen Prüfung im Frühjahr konnten wir im Sommer mit dem Scannen der Aufsätze und Monographien beginnen. Nicht in der ULB vorhandene Dokumente wurden über die Fernleihe bestellt oder direkt von den Autorinnen bzw. Autoren geliefert (z. B. Vortragsskripte).

Bis jetzt haben wir ��� Publikationen digitali-siert und auf den Dokumentenserver der Universität eingestellt.

KLASSE K ASSE

Seit dem ��. September ���� steht im Foyer der Zen-tralbibliothek ein Kassenautomat: Gebühren und Aus-lagen können hier ebenso bezahlt werden wie Publika-tionen, Ausstellungskataloge und Postkarten der ULB. Der große Vorteil für die Kundinnen und Kunden: Sie können den Kassenautomaten während der gesamten Öff nungszeit von ��� Stunden in der Woche nutzen und sind nicht mehr an die kürzeren Öff nungszeiten der Ausleihe gebunden.

Besucht eine Nutzerin bzw. ein Nutzer beispiels-weise sonntags die ULB, um ein Buch auszuleihen, und stellt dann fest, dass die Ausleihkarte wegen zu hoher Auslagen gesperrt ist, kann sie bzw. er nun am

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Wo immer es möglich ist, strebt die Bestandser-haltung die Sicherung der Originalsubstanz an. Ein Original beeindruckt uns durch seine Einzigartigkeit, seine Präsenz und haptische Qualität. Nur das Origi-nal und sein materieller Zustand, in dem es überliefert ist, geben Aufschluss über Formen und Intensität der Nutzung in den zurückliegenden Jahren und Jahrhun-derten und vermitteln eine Ahnung von Gebrauchs-wert und historischer Bedeutung.

Unter den vom Land geförderten bestandserhal-tenden Maßnahmen nimmt deshalb auch das Restau-rieren historischer Bücher eine herausragende Rolle ein. ���� sind die Restaurierungsarbeiten der ULB von der Staatskanzlei Nordrhein-Westfalen mit ���.��� Euro großzügig unterstützt worden. Mit den Mitteln des mehrjährigen Programms »Sicherung des schrift -lichen Kulturerbes« konnte die ULB ��� ausgewählte wertvolle, teils unikale alte Bücher restaurieren:

• � Handschrift en• �� Inkunabeln• � Bücher aus dem ��. Jahrhundert• �� Bücher aus dem ��. Jahrhundert• �� Bücher aus dem ��. Jahrhundert• �� Titel aus dem Rara-Bereich

Alle Objekte waren kaum noch benutzbar und in ihrem Fortbestand gefährdet. Gleichwohl verfolgten die Restaurierungskonzepte das Ziel, die Schadens-ursachen nur durch geringstmögliche Eingriff e in die Originalsubstanz zu beheben, d. h. dem »Alten« am zu erneuernden Buch absolutes Vorrecht zu gewähren. Die Authentizität der Bücher sollte dadurch weitge-hend erhalten bleiben, die einzelnen Arbeitsschritte sollten möglichst reversibel sein.

Mit ihren Restaurierungsarbeiten nimmt die ULB also stark auf den Umstand Rücksicht, dass das Buch als von der ULB verwahrtes Kulturgut mehr denn je nicht nur Text und Wissen beinhaltet, sondern auch non-textuelle Information, und darüber hinaus ein künstlerisches Artefakt darstellt. Bei der Restaurie-rung eines alten Buches geht es eben um weit mehr als um das Sichern eines Textes. Im Fokus steht die Gesamtheit der Faktoren, die das Objekt als Einzelfall charakterisieren: Pergament und Papier, Tinte und Druckerfarbe, Einbandkunst, Bilderschmuck, Heft -technik, Schließen, Beschläge, Foliierung usw. – bis zum Schmutz zwischen den Buchseiten.

Ihre Verantwortung gegenüber den überliefer-ten Bücherschätzen motivierte die ULB, mit den Restaurierungsarbeiten ausgewiesen hochqualifi -zierte Werkstätten in der gesamten Bundesrepublik zu beauft ragen, die nicht nur in den traditionellen Handwerkstechniken kundig, sondern auch gegenü-ber modernen Technologien aufgeschlossen sind. Vor der Auft ragsvergabe wurde für jedes einzelne Objekt das jeweilige Schadensbild protokolliert, es wurden Anforderungen und Vorstellungen der ULB zu Art, Durchführung und Ergebnis der Restaurierung prä-zise formuliert und schließlich wurde der Vorher-/Nachher-Zustand fotografi sch festgehalten.

Die Ergebnisse können sich sehen lassen. Die ���� durchgeführten Einzelrestaurierungen belegen überzeugend, dass der Schutz des Originals und seine nachhaltige Verfügbarkeit für die Forschung in Ein-klang gebracht werden können.

Erhaltenswerter Altbestand der ULB

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Informationsbroschüre der ULB Benutzungsordnung der ULB

Leitsystem und Piktogramme im Leitsystem der ULB

Pressemappe, Schreibblöcke, Stifte

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„MaNaGeMeNT isT WeiTGeheND lerNbar“4

Auf die wachsende Komplexität ihrer Herausforderungen kann die Bibliothek – will sie sich nicht selbst aufgeben – nicht nur mit Outsourcing reagieren, sondern auch mit adäquaten Personalentwicklungsmaßnahmen. Neben kontinuierlicher fachwissenschaftlicher Fortbildung sind vor allem Weiterbildungen auf den Gebieten Führung, Projektmanagement, Besprechungs- und Sitzungsmanagement sowie Teamorganisation erforderlich. Wie viele andere Bibliotheken nutzte die ULB jahrelang das einschlägige Angebot des Hochschulbibliothekszentrums in Köln, des nordrhein-westfälischen Innenministeriums, der HÜF oder der EKZ. Das Gesamtergebnis war letztlich unbefriedigend, nicht weil die Angebote schlecht waren, sondern weil die Inhalte naturgemäß stark variierten, sodass – überspitzt formuliert – jede Führungskraft der ULB eine andere Vorstellung von „richtiger“ Führung entwickelte. Da pro Veranstaltung jeweils höchstens ein oder zwei Mitarbeiter zugelassen werden konnten, errang das Führungsteam der ULB zu keinem Zeitpunkt einen gleichen Wissensstand.

Die ULB entschied sich deshalb, einen anderen Weg einzuschlagen. Überzeugt von der Position Fredmund Maliks – „Management ist weitgehend lernbar. Es ist ein Beruf und ein Handwerk. Es folgt denselben Regeln der Professionalität, wie sie in anderen Berufen bekannt und bewährt sind. Begabungen sind nützlich, aber nicht entscheidend“ – verpflichtete die ULB eine kleine Unternehmensberatung für Inhouse-Schulungen und für die zunächst am dringendsten benötigten Felder Führung und Sitzungsmanagement. Darüber hinaus wurde der Dienstleister bei wichtigen Personalauswahlverfahren sowie einzelnen Themen der Organisationsentwicklung beteiligt. Bei Bedarf werden MitarbeiterInnen Einzelcoachings finanziert, sehr konkrete Führungsprobleme können ohne Rücksprache mit der Direktion im Rahmen einer Hotline geklärt werden. Die Resonanz der MitarbeiterInnen auf dieses integrierte, maßgeschneiderte Fortbildungskonzept ist beeindruckend positiv. Alle Führungskräfte der ULB sind jetzt auf dem gleichen Stand, durch die gemeinsamen Schulungen wurde das wechselseitige Vertrauen gestärkt und das „Wir-Gefühl“ gesteigert. Durch das hohe Niveau der Fortbildung sowie die Bereitschaft der Bibliotheksleitung eine solche zu finanzieren, fühlte sich das Führungsteam wertgeschätzt und wurde sich der Bedeutung seiner Arbeit noch bewusster.

Insgesamt zieht die ULB eine positive Bilanz. Durch den gezielten Einsatz sehr sorgfältig ausgewählter Dienstleister konnten Rationalisierungen erreicht werden, entstanden Win-win-Situationen, die auf Seiten der Bibliothek zu Entlastungen und Kompetenzerweiterungen führten. Das Ansehen der Bibliothek konnte lokal, regional und national sichtbar vermehrt werden.

4 malik, fredmund: management. das a und o des handwerks. frankfurt am main 2005, 14.

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tEachIng lIBrary – konzEPtE

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aufwanD unD Ertrag DEr tEachIng lIBrary:

Wie Viel zeit, geld und personal sollen/können Wissenschaftliche BiBliotheken in kurs- und schulungsangeBote inVestieren?

Wilfried sühl-strohmenger

Die Aktivitäten zahlreicher wissenschaftlicher Bibliotheken auf dem Gebiet der Teaching Library haben in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Dies belegen auch die Deutsche Bibliotheksstatistik sowie weitere Veröffentlichungen zu der Thematik. Die Vermittlung von Informations- und Medienkompetenz scheint tatsächlich zu einer neuen „Kernaufgabe für öffentliche und wissenschaftliche Bibliotheken“1 geworden zu sein. Allerdings ist damit auch ein mehr oder weniger erheblicher Aufwand beim Personaleinsatz sowie in zeitlicher und finanzieller Hinsicht verbunden.

Entwicklung des Angebots und des Umfangs bibliotheksgestützter LehrangeboteNach der Deutschen Bibliotheksstatistik (DBS) belief sich die Zahl der Schulungsstunden der erfassten 236 Wissenschaftlichen Universal-/Hochschul-bibliotheken auf insgesamt 44.654 (Mittelwert: 218) Stunden (à 60 Minuten), die Zahl der TeilnehmerInnen auf insgesamt 393.781 (Mittelwert: 2.106) Personen.2 Spitzenwerte bei den Teilnehmerzahlen erreichen die Sächsische Landes- und Universitätsbibliothek Dresden mit 2.263 Schulungsstunden und 14.143 Teilnehmern, die Universitäts-/Forschungsbibliothek Erfurt-Gotha mit 2.135 Schulungsstunden und 11.432 TeilnehmerInnen, ferner die Universitätsbibliothek Bielefeld mit 532 Schulungsstunden und 8.917 TeilnehmerInnen sowie die Universitätsbibliothek Heidelberg mit 929 Schulungsstunden und 8.405 TeilnehmerInnen. Drei weitere Bibliotheken kommen auf 6.000 bis über 7.000 und 10 weitere Bibliotheken auf 5.000 bis 6.000 TeilnehmerInnen. Die Zahl der gehaltenen Schulungsstunden schwankt beträchtlich und bewegt sich allein in dieser Spitzengruppe von 15 Einrichtungen zwischen 250 und 1.031 Stunden.

1 Vgl. claudia lux, Wilfried sühl-strohmenger: teaching library in deutschland. Vermittlung von informations- und medienkompetenz als kernaufgabe für öffentliche und Wissenschaftliche Bibliotheken. Wiesbaden 2004.

2 Vgl. deutsche Bibliotheksstatistik (dBs), Berichtsjahr 2008, Wiss. universal-/hochschulbibliotheken, variable auswertung (kategorien 177, 178), url: http://www.hbz-nrw.de/angebote/dbs/auswertung/ (13.02.2010).

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In der DBS sind auch 22 österreichische Hochschulbibliotheken erfasst, von denen 12 allerdings zu den Schulungen keine Angaben machen. Auf die verbleibenden 10 Einrichtungen entfallen insgesamt 5.274 Schulungsstunden mit 18.031 TeilnehmerInnen (Mittelwert: 251 Std. / 1.639 TeilnehmerInnen). Die 95 Fach-/Hochschulbibliotheken kommen laut DBS auf 9.395 Schulungsstunden mit 89.293 Teilnehmern (Mittelwerte: 95 Std. / 1076 TeilnehmerInnen).

Differenziertere Daten zu den Schulungsangeboten der Hochschulbibliotheken als die DBS bietet die Statistik für die Arbeitsgemeinschaften zur Informationskompetenz in Baden-Württemberg, Bayern und Nordrhein-Westfalen3: Im Jahr 2008 umfassten die meisten Schulungen (98 %) eine Sitzung und dauerten maximal 90 Minuten (80%). Rund 48% der Veranstaltungen waren fächerunabhängig konzipiert, 21% bzw. 17% wendeten sich gezielt an Geisteswissenschaftler bzw. Juristen und Sozial- oder Wirtschaftswissenschaftler. Die Naturwissenschaften und die Medizin sowie die Ingenieurswissenschaften waren mit 10% bzw. 4% vertreten. Bei etwa 55% der TeilnehmerInnen handelte es sich um Studierende im Grundstudium oder in Bachelor-Studiengängen, aber auch Studierende im Hauptstudium und in Master-Studiengängen (6,5%) sowie Schüler (14%) bildeten wichtige Zielgruppen. In 87% der Veranstaltungen gab es Vorträge und Präsentationen, bei 48% kamen praktische Übungen und bei 4% Selbstlernphasen mit E-Learning hinzu. Die Mehrheit der Schulungen waren eigenständige Bibliotheksveranstaltungen ohne Einbindung in Lehrpläne, immerhin schon 28% Pflicht- oder Wahlpflichtveranstaltungen. BibliothekarInnen im gehobenen Dienst (oder vergleichbares Qualifikationsniveau) stellten mit 71% die Mehrzahl der DozentInnen, gefolgt von MitarbeiterInnen im höheren bzw. wissenschaftlichen Bibliotheksdienst mit 31%. Bei den inhaltlichen Schwerpunkten dominierten die Bibliotheksbenutzung (63%), einzelne Kataloge und Datenbanken (52%) sowie Suchstrategien und Suchtechniken (42%).

schUlUNGsPersoNal UND aUFWaNDsabschäTzUNG

Nach einer Studie zur Vermittlung von Informationskompetenz an österreichischen Universitätsbibliotheken im Raum Wien sind nur in zwei von acht Fällen Schulungen als hauptamtliche Tätigkeiten definiert. An den anderen sechs Universitätsbibliotheken wird dies als ein Aufgabenbereich angesehen, „ […] der von den MitarbeiterInnen neben all ihren anderen Aufgaben erledigt werden muss. Lehraufträge werden zum Teil sogar außerhalb der Arbeitszeit durchgeführt und von der Universität extra bezahlt, da die Tätigkeiten in der Bibliothek ansonsten zeitlich zu sehr belastet werden

3 siehe unter url: http://www.informationskompetenz.de/veranstaltungsstatistik/ (13.02.2010).

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würden.“4 Durchschnittlich seien pro Bibliothek 7 Personen an der Vermittlung von Informationskompetenz beteiligt, allerdings variiert dies von Universitätsbibliothek zu Universitätsbibliothek ziemlich stark. An den Universitätsbibliotheken der Universität für Bodenkultur bzw. der Veterinärmedizinischen Universität arbeitet beispielsweise das gesamte Bibliothekspersonal an der Erstellung von Lehr-Lern-Materialien für die e-Learning-Plattform mit.

Je nach Geschäftsmodell verwenden die mit Schulungen befassten Mitarbeiter(innen) in der Regel nur einen gewissen Anteil ihrer Arbeit auf diesen Bereich. Das für eine Personalstelle anzusetzende Vollzeitäquivalent (1 VZÄ) entspräche bei 40 Wochenstunden, abzüglich Urlaubsanspruch von rund 30 Tagen sowie Krankheitstagen, 10 x 164 = 1.640 Stunden.

Der Stundenaufwand vieler Hochschulbibliotheken für Schulungsaufgaben beläuft sich zur Zeit auf rund 400 bis 500 Unterrichtsstunden (Zeitstunden) pro Jahr nur für die Durchführung der Kurse, also ohne Planung, Vorbereitung und Nachbereitung.

Manche Bibliotheken wenden schon jetzt deutlich mehr Zeit auf, die Tendenz ist generell steigend. Insgesamt wären wohl mindestens zwei VZÄ notwendig, die indes auf alle mit der Teaching Library befassten Mitarbeiter(innen) aufzuteilen wären.

In Anlehnung an Erfahrungswerte aus dem Schulbereich sind bei einer Unterrichts-einheit von 90 Minuten insgesamt 180 Minuten Vorbereitung anzusetzen (2 x Unterrichtsdauer). Im Hochschulbereich gilt beim Arbeitsaufwand für Dozenten ein Anrechnungsfaktor von 1,0 für eine Unterrichtsstunde, von 0,5 für ein Praktikum. Bei multimedialen Lehrangeboten erhöht sich der Anrechnungsfaktor für den Erstaufwand auf 2-4 Stunden (pro Unterrichtsstunde).

Nicht zu unterschätzen sind der technische Aufwand, das Beantworten von Emails, die Teilnehmerdokumentation, die Kontakte zum Prüfungsamt, um nur einige Aspekte zu nennen.5 Sodann ist zu unterscheiden zwischen Erstaufwand und Folgeaufwand (bei Wiederholen derselben Veranstaltung).

Der Erstaufwand fällt bei der Planung eines neuen Kursangebotes bzw. bei der grundlegenden Überarbeitung eines bestehenden Angebots an (beispielsweise mit

4 anna katharina schatovich: zur Vermittlung von informationskompetenz an österreichischen universitätsbibliotheken. entwicklung, status quo und perspektiven im raum Wien. diplomarbeit. eisenstadt 2007, s. 52, url: http://eprints.relis.org/8529 (13.02.2010).

5 einen plastischen eindruck der bei der organisation von Bibliothekskursen anfallenden aufgaben vermittelt die entsprechende checkliste des Berufsverbandes information Bibliothek (BiB), url: http://www.informationskompetenz.de /standards-und-erklaerungen/ (31.02.2010).

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Blick auf neue Ressourcen oder veränderte Interfaces und Features bei Online-Katalogen oder Datenbanken). Gegenstände der Planung sind die Festlegung der Kursinhalte (schätzungsweise 20 % des Gesamtaufwandes für die betreffende Veranstaltung), didaktische Reflexion und Entscheidung (20 %), Wahl der Methoden (10 %), Einsatz von Medien und eLearning-Einheiten (10 %), Anfertigung von Lernmaterialien (Handout, Infoblätter) (20 %), Instrumente der Evaluation (10 %), personelle und räumliche Planung (5 %) sowie Ankündigung, Marketing (5 %). Veranschlagt werden für die Planung eines 90-minütigen Kurses mind. 4 x 90 Minuten = 360 Minuten (6 Stunden).

Zum Folgeaufwand und zur Vorbereitung einer bereits geplanten und mehrfach durchgeführten Lehreinheit gehören das Einstellen oder Kopieren von Lern-materialien, die Vorbereitung des Raums, die Teilnehmerdokumentation und die Erfüllung von Anforderungen des Prüfungsamts. Veranschlagt werden dafür insgesamt 30 Minuten.

Bei einer Veranstaltung von 90 Minuten sind etwa 15 Minuten Vorlauf und 15 Minuten Nachbereitung zu veranschlagen, also insgesamt 120 Minuten.

MoDellbeisPiele

Ein Fachreferent der Universitätsbibliothek Freiburg im Breisgau verwendet 12-15 % seiner Arbeitszeit (VZÄ) auf die Planung und Durchführung von 22 Veranstaltungen im Wintersemester zur Förderung fachbezogener Informationskompetenz.

Die Universitätsbibliothek Heidelberg hat eine gewisse Rationalisierung mit der Entwicklung des modularen Schulungsangebots erreicht.6 Die Ersterstellung der drei Module (Einführung in die UB mit Kurzeinführung in HEIDI, Einführung in die Recherche nach Büchern mit HEIDI, Einführung in die Recherche nach Aufsätzen mit Datenbanken) für einen Fachbereich mit je 1,5 Stunden war mit einem Aufwand von 90 Stunden verbunden. Nach der Entwicklung in einem Fach war der Transfer auf ein weiteres Fach (neue Inhalte, Medien, Aufgaben) weniger zeitaufwändig, da das Konzept und die Medien als Muster schon standen. Nach einmaliger Erstellung und 2-3maliger Durchführung - verbunden mit kleineren Korrekturen - konnte die eigene Vorbreitungszeit je Präsenzveranstaltung auf 5-10 Minuten reduziert werden. Das modulare Konzept war die Grundlage für die Ausdifferenzierung des Angebots in curriculare Veranstaltungen, allerdings war auch hier wieder viel Zeit zu investieren. 6 ich danke meinem heidelberger kollegen Benno homann für die nachfolgenden informationen, die er mir per

email im Vorfeld des grazer Bibliothekartags übermittelt hat.

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In der Bibliothek einer Pädagogischen Hochschule nehmen drei MitarbeiterInnen die Schulungsaufgaben wahr. Die Kurse sind weitgehend in Lehrveranstaltungen eingebunden, z.B. in den Fächern Sport, Wirtschaft, Germanistik. Der Vorbereits-aufwand ist teilweise sehr hoch, weil der Bibliothekskurs detailliert auf den betreffenden Seminarinhalt abgestimmt wird. Man unterscheidet verschiedene Formen von Schulungen mit entsprechend unterschiedlichem Vorbereitungsaufwand:• Bibliothekseigene Schulungen (sich wiederholende Schulungen) für eine

akademische Doppelstunde - nach einmaligem Vorbereitungsaufwand (s. Schulungen im Rahmen von Lehrveranstaltungen einzelner Dozenten) - mind. jedes Vierteljahr ca. 2 bis 2½ Stunden für Aktualisierungen

• LehrveranstaltungenimRahmenvonDozentenundBachelor-Studiengänge:pro akademische Doppelstunde ca. 5 bis 6 Stunden

• Lehrveranstaltungen imRahmen vonDozentenmit neuemKonzept: proakademische Doppelstunde ca. 6 bis 7 Stunden.

aUFWaNDsVerriNGerUNG

Falls keine zusätzlichen Personalstellen für die Teaching Library realisierbar sind, könnten Synergieeffekte und damit Aufwandsverringerungen beispielsweise durch die Aktivitäten der regionalen Arbeitsgemeinschaften zur Informationskompetenz erzielt werden. So erarbeitete die AG Nordrhein-Westfalen ein gemeinsames, grundlegendes Tutorial, das von allen Bibliotheken eingesetzt werden kann.7 Auch mithilfe didaktischer regionaler Fortbildungen, wie sie die Netzwerke in Baden, Bayern oder Thüringen organisieren, sind positive Effekte für die Schulungsaktivitäten der beteiligten Bibliotheken durchaus zu erreichen. Ähnliches gilt für lokale oder regionale Partnerschaften, zum Beispiel mit der Hochschuldidaktik oder mit Rechenzentren. Auch mithilfe didaktischer Fortbildungen, wie sie die regionalen Netzwerke zur Informationskompetenz in Baden-Württemberg, Bayern, Nordrhein-Westfalen oder Thüringen organisieren, sind positive Effekte für die Schulungsaktivitäten der beteiligten Bibliotheken zu erreichen.

FiNaNzierUNG

Für die Finanzierung der Teaching Library müssen in erster Linie die regulären Etatmittel herangezogen werden, also der Personaletat, der Sachetat und der Literaturetat. Hier sind jedoch enge Grenzen gezogen, so dass diese Mittel weder 7 Vgl. renate Vogt: lernziel kooperation: das online-tutorial informationskompetenz. in: Barbara lison (hrsg.):

information und ethik. dritter leipziger kongress für information und Bibliothek. leipzig, 19. märz bis 22. märz 2007. Wiesbaden 2007, s. 222-226.

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für den Personaleinsatz noch für die angemessene Ausstattung der Schulungsräume oder für die Beschaffung von Lehr-Lernsoftware ausreichen. Vergütete Lehr-aufträge, die seitens der Hochschule mit dem Lehrpersonal der Bibliothek (Fachreferenten) abgeschlossen werden, könnten eine gewisse Abhilfe beim Personaleinsatz schaffen. Auch das projektbezogene Sponsoring könnte genutzt werden, insbesondere im Hinblick auf Einführungskurse der Hochschulbibliothek für GymnasialschülerInnen.8

erTraG UND NUTzeN

Je professioneller die Schulungen und Kurse der Hochschulbibliothek geplant und durchgeführt werden, desto mehr sind sie dazu geeignet, die Bibliothek in der Hochschule deutlich besser als bislang zu positionieren. Positive Effekte der Förderung von Informationskompetenz für ein erfolgreiches Studium werden von Dozierenden wie auch von den Studierenden selbst nicht bestritten. Eine hohe Zahl möglichst fest in das Studium integrierter Lehrangebote der Bibliothek verstärken diese Effekte nachhaltig. Die didaktische Qualifizierung des Bibliothekspersonals ist dafür allerdings eine unabdingbare Voraussetzung. Verbesserte Informationskompetenz kann die Nutzungsfrequenzen der (teuer beschafften) elektronischen Ressourcen sichtbar erhöhen. Die Effekte der Schulungen liegen teilweise auch bei der Entlastung der Auskunft, bei stärkerer Ressourcennutzung und verbesserter Informationskompetenz der Studierenden, die schneller finden, was sie benötigen. Die laufende Fortbildung des Bibliothekspersonals, das für die Schulungen und Kurse zuständig ist, führt zu besserer Qualität der Informationsvermittlung und Nutzerberatung auch im Berufsalltag.

schlUss, zUsaMMeNFassUNG

Generell wäre zu sagen, dass der für die Vermittlung von Informationskompetenz zu erbringende Aufwand so groß wie möglich und angesichts der strategischen Ziele der Bibliothek vertretbar sein sollte. Andererseits sollte er in Anbetracht der sonstigen Tätigkeitsfelder sowie angesichts einer günstigen Kosten/Nutzen-Relation auch begrenzt werden. Die für Kurse und Schulungen aufgewandte Zeit muss also in einer angemessenen Relation zum erwarteten Nutzen (zu den Effekten) der Veranstaltungen stehen. Der Umfang des Personaleinsatzes hängt einerseits von den vorhandenen

8 Beispiele dafür sind die uB heidelberg und die förderung des fit-gYm-angebots durch sap-Walldorf: http://www.biblio.tu-bs.de/schulprojekt/; sodann das von der uB der tu Braunschweig initiierte angebot „fit für die informationsbeschaffung in niedersachsen“ mit unterstützung der stiftung niedersachsenmetall und der Volkswagen ag: http://www.biblio.tu-bs.de/schulprojekt/.

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Kapazitäten, andererseits von dem Umfang des Schulungsangebots insgesamt ab. Unterschätzen sollte man diesen Aufwand allerdings nicht, und es spricht auch wenig dafür, dass durch Verlagerung der Angebote in Richtung auf mehr E-Learning vergleichbar gute Effekte zu erzielen sind wie bei Präsenzveranstaltungen. Deshalb ist bei größeren Universitätsbibliotheken, die es mit potentiellen Zielgruppen von 20.000 und mehr Studierenden zu tun haben, mindestens eine ganze Personalstelle für die Organisation der Teaching Library anzusetzen.

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In 10 schrIttEn zur tEachIng lIBrary

detleV dannenBerg

Immer mehr öffentliche und wissenschaftliche Bibliotheken entwickeln sich zu Teaching Libraries: Sie bieten Gruppen bibliothekspädagogische Veranstaltungen in Form eines Curriculums unterschiedlicher Module an. Viele Bibliotheken orientieren sich dabei am Konzept „In 10 Schritten zur Teaching Library“ im Lernsystem Informationskompetenz (LIK).1 Im Folgenden soll dieses Konzept schrittweise dargestellt und seine Umsetzung exemplarisch am Beispiel der Bibliothek im Lette-Verein (Berlin)2 veranschaulicht werden. In ihr betreuen 2/2 Mitarbeiterinnen drei Berufsfachschulen bei 30 Stunden Öffnungszeit in der Woche mit einem Bestand von 17.000 Medieneinheiten.

schriTT 1: Die VeraNsTalTUNGsiDee

Die Veranstaltungsidee wird entwickelt aus der Erkenntnis, dass bestimmte Bibliotheksressourcen ungenügend genutzt werden, beispielsweise unselbstständig erschienene elektronische Quellen oder auch die Beratung. Einen guten Anknüpfungspunkt bieten dabei Lehrende, deren Lernende schon konventionelle Bibliotheksführungen bekommen. Zur Schaffung oder zum Ausbau solcher Kontakte lohnt ein Blick in die Lehrpläne der Schulen (wissenschaftliches Arbeiten, Projekt-, Fachgruppenarbeit, Ganztagsunterricht) oder Curricula der Hochschulen (Schlüsselqualifikationen, Propädeutika).

In der Bibliothek des Lette-Vereins wurde der Bedarf zunächst in einer für alle Schülerinnen und Schüler verbindlichen Katalogeinführung gesehen. Mit einem Lehrer einer Berufsfachschule wurde eine Unterrichtseinheit vereinbart.

schriTT 2: Die iNhalTsaNalyse

Die Inhaltsanalyse umfasst eine Liste möglicher Inhalte, ihrer Schwerpunkte, deren Anwendungsgrad und Abgrenzung sowie die Gliederung. Damit ist der Wissensstoff für eine Lehrsituation aufbereitet.

1 http://www.lik-online.de/fobi_10schrittezurteachinglibrary.shtml abruf: 2010-02-24.2 diese umsetzung wurde von Jana haase beschrieben. http://www.lette-verein.de/verein/ abruf: 2010-02-24.

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Am Katalog der Beispielbibliothek sollten behandelt werden: Kategorien, Trunkierung, Verknüpfung, Signatur, Aufstellung und Regalordnung, außerdem der Katalog im Verbund der Öffentlichen Bibliotheken in Berlin (VÖBB)3 mit den Recherchemöglichkeiten, den Standorten und den Beschaffungswegen.

schriTT 3: Die DiDakTische reDUkTioN

In der didaktischen Reduktion werden die zuvor analysierten Inhalte an eine konkrete Lernsituation angepasst, indem die Vermittelbarkeit, die Dauer, die Voraussetzungen der Lernenden und die institutionellen Bedingungen (Raum, Ausstattung, Personal) beschrieben werden.

In der Umsetzung in Berlin wurde festgestellt, dass die Inhalte nur durch praktische Anwendung zu vermitteln sind, und die Dauer wurde vorläufig auf 30 Minuten (10 Minuten Vortrag, 20 Minuten Übung) festgelegt. Es wurden drei Gruppen mit je 15 Lernenden mit heterogenen Vorkenntnissen erwartet. Zur Verfügung standen 6 PC-Rechercheplätze (Internet, Intranet), Gruppenarbeitsplätze und (außerhalb der Öffnungszeit) 2 Teilzeitkräfte.

schriTT 4: Die beschreibUNG Der lerNziele

Die Beschreibung der Lernziele kann nicht nur in der Planung verwendet werden, sondern auch zur Werbung, Einführung und Zusammenfassung während der Veranstaltung. Die Lernenden sollen wissen, was sie tun müssen, um das Lernziel zu erreichen. Die Beschreibung muss klar und eindeutig sein. Es muss das gewünschte Endverhalten der Lernenden definiert und die Bedingungen beschrieben werden, unter denen dieses Verhalten geäußert werden soll. Außerdem soll das Erreichen der Lernziele prinzipiell messbar sein.

In der Lette-Bibliothek wurden folgende Lernziele bezüglich des lokalen Katalogs beschrieben: Die Teilnehmerin / der Teilnehmer weiß, wo im Hause sich die Bibliothek befindet und kennt die Benutzungskonditionen, hat einen Überblick über die Katalogfunktionen „Konto“, „Hilfe“, „Links“, „Suche“ gewonnen, kennt die formalen Angaben zur Identifizierung einer Quelle, kann im OPAC formal einen Titel finden und die Angaben zum Standort, der Exemplarzahl, der Verfügbarkeit sowie zur Vormerkungsmöglichkeit interpretieren und findet das Buch im Regal. Für den VÖBB-Katalog wurde Entsprechendes formuliert.

3 http://www.berlin.de/citybibliothek/service/index.html abruf 2010-02-24.

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schriTT 5: Die Wahl Der MeThoDeN

Die Methoden sollen handlungsorientiert und aktivierend sein. Das können zum Beispiel aktivierender Vortrag, Paar- / Gruppenarbeit, Impulsmethode, Moderation und/oder die Karussellmethode4 sein. Bei längeren Veranstaltungen ist ein Methoden-mix empfehlenswert.

In der Beispielbibliothek wurde die Impulsmethode gewählt mit den Bestandteilen• Einführung• im 1. Impuls • Vortrag „Konditionen, Suchwege“ • Gruppenarbeit mit Arbeitsblatt (s. Abb. 1) • Ergebnispräsentation, Kontrollblatt• im 2. Impuls • Vortrag: „Systematik“ • Gruppenarbeit Bücher im Regal finden • Zusammenfassung

Abb. 1: aktivierte Lernende © Haase

schriTT 6: Die ablaUFMaTrix

Die Ablaufmatrix dient der Kontrolle von Struktur und Rhythmus, Zeit- und Ablaufplan sowie des jeweiligen Aktivierungsgrades der Lernenden, außerdem als Checkliste für Material, Räume, Wege, Personal und Medienmix. Zusätzlich unterstützt sie die Durchführung der Veranstaltung und kann für Notizen über besondere Vorkommnisse wie Zeitabweichungen genutzt werden.

4 http://www.lik-online.de/ppt/karussell/frame.html abruf 2010-02-24.

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Die Ablaufmatrix der Lette-Bibliothek ist in Abbildung 2 dargestellt.

zeit

09:15thema lernziel methode

ort

trainermedium tn-aktivität

5

09:20

einführung

kürzen!ort, kontakt Vortrag

eingang

h + mzuhören

10

09:30

Benutzung

suchwege konditio-nen, opac

Vortrag, fragen

rechner

hflipchart zuhören

15

09:45opac-

rechercheformal

VoeBBgruppen-

arbeit rechner

h + mopacs

arbeitsbl.recherche,

ausfüllen

10

09:55zusammen-

fassung„

lehr-gespräch

rechner

hkontroll-

blattvortragen

kontrolle

5

10:00systematik

signatur – regal

Vortragregal

hflipchart zuhören

10

10:10regal „

gruppen-arbeit

regal

hregal

mediensuchen

5

10:15feedback

kartenmotivation

Vortrag einzelaktiv

theke

h + mpunkt-matrix

reflexion, abholen

Abb. 2 Ablaufmatrix

schriTT 7: Die eValUaTioN

Damit ist die Planung einer Veranstaltung abgeschlossen und sie kann durchgeführt werden. Als Evaluationsmethoden kommen in Frage: Selbstaufschreibung, Befragung der Lernenden, Befragung der Lehrenden, Tests, Rechercheprotokolle, kollegiale Intervision und Coaching.

In der Beispielbibliothek kamen zum Einsatz die Selbstaufschreibung, eine Punktabfrage der Lernenden, Besprechungen mit dem Lehrer und das Coaching, später auch die kollegiale Intervision in Form von Hospitationen von und bei Berliner Kolleginnen.

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schriTT 8: Der koNTiNUierliche VerbesserUNGsProzess

Er dient der Qualitätssicherung und folgt dem Zyklus Zielsetzung – Durchführung – Evaluation - Korrektur der Ziele oder der Maßnahmen. Die Änderungen sollen sofort nach der Evaluation festgehalten werden und nicht erst kurz vor der Wiederholung der Veranstaltung. – Spätestens jetzt sollte ein Gesamtkonzept zur Förderung von Informationskompetenz erstellt werden. Als Vorlage dafür können Big65, DYMIK6 oder LIK7 dienen.

Die Lette-Bibliothek veränderte nach der ersten Veranstaltung die Formulierung in der Punktabfrage, die Methode der Selbstaufschreibung, den Ablauf des Lehrergesprächs, die Gestaltung der Ablaufmatrix, die Ankündigung und die Terminplanung. Das entwickelte und erprobte Modul wurde für alle neuen Klassen in der Einführungswoche verabredet und an die jeweilige Ausbildungsrichtung angepasst.

schriTT 9: Die ForTbilDUNGeN

Bibliothekspädagogische Fortbildungen sollten die praktische Anwendung und den Erfahrungsaustausch fördern. Angeboten werden sie von bibliothekarischen Fortbildungsträgern8, hochschuldidaktischen Zentren, Personalverwaltungen und Volkshochschulen.Frau Haase bildete sich fort durch Coaching im LIK-Projekt, eine Teilnahme am Workshop „Aktivierende Methoden bei der Vermittlung von Informationskompetenz“ am Weiterbildungszentrum der FU Berlin und gegenseitige Hospitationen der Kolleginnen des Berliner OPL-Arbeitskreises.

schriTT 10: Das biblioThekscUrricUlUM

Das Bibliothekscurriculum spiegelt die Koordination aller bibliothekspädagogischen Module wider. Angeboten werden sollten, zumindest mittelfristig, nicht nur Veranstaltungen zur Recherche, sondern auch solche, die die ganze Bandbreite der Informationskompetenz umfassen, es also ermöglichen, Fragestellungen und Recherchepläne zu entwickeln und Informationen zu finden, zu beurteilen und

5 http://www.big6.com/ abruf: 2010-02-24.6 http://www.informationswissenschaft.org/download/isi2000/isi2000_12.pdf abruf: 2010-02-24.7 http://www.lik-online.de/konzept.shtml abruf: 2010-02-24.8 so findet vom 13. bis zum 15.september 2010 eine fortbildung „in 10 schritten zur teaching library“ an der

önB Wien statt, kurs 05/2010 http://www.onb.ac.at/brainpool/sem/kurs05.htm abruf: 2010-02-24.

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zu verarbeiten.9 – Besonders nachhaltig wirken Spiralcurricula, in denen dieselben Lernenden in unterschiedlichen Ausbildungsabschnitten und Zusammenhängen mehrere aufeinander abgestimmte Module besuchen.

Das Bibliothekscurriculum des Lette-Vereins (s. Abb. 3) umfasst für alle drei Berufsfachschulen je drei aufeinander aufbauende Module in drei Semestern, die in jeweils unterschiedlichen Fächern Hausarbeiten begleiten. Zusätzlich gibt es Angebote für Lehrende zu elektronischen Ressourcen in den Naturwissenschaften, im Lebensmittelrecht, in der Medizin und in der Recherche nach Patenten sowie nach Bildern.

semestertechnische

Berufsfachschule hauswirtschaftliche Berufsfachschule

Berufsfachschule für design

lehrpersonen

3 doping:opac, internet,

Beurteilung

genfood: opac, internet,

Beurteilung

Wahrnehmung: opac, internet,

Beurteilung

datenbanken der naturwissen-

schaften, lebens-

mittelrecht, patent-

datenbanken, medizin,

Bildersuche

recherche für ein referat : Quellenbeurteilung, Quellenbeschreibung, rechercheprotokoll

2 abdomen: 6 ressourcen

limette: 6 ressourcen

gucci: 6 ressourcen

recherche zu einem unterrichtsproblem: inf. aus opac, nsW, Wikipedia, fachbuch, Website, dB

entnehmen, festhalten, vergleichen1 einführung literaturbeschaffung:

ort, ansprechpartner, dienste, katalog, systematik, VoeBB

Abb. 3: Bibliothekscurriculum im Lette-Verein

Entwicklungspotential kann im Angebot von Modulen im Bereich des wissenschaft-lichen Arbeitens gesehen werden, beispielsweise „Thema definieren, Suchbegriffe sammeln“, „Verantwortung, Plagiat und Täuschung“ oder „Zitieren und Belegen“, jeweils in enger Abstimmung mit Unterrichtseinheiten der Schulen zu den selben Themen.

9 lik-modell der informationskompetenz unter http://www.lik-online.de/ik-modell.shtml, liste möglicher lernziele unter http://www.lik-online.de/lernziele.shtml abruf jeweils: 2010-02-24.

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Das erGebNis

Bibliotheken, die nach dem Konzept „In 10 Schritten zur Teaching Library“ arbeiten, machen die Erfahrungen, dass personelle und materielle Ressourcen besser ausgenutzt werden, die Kundschaft informierter ist und die Kompetenzen der Bibliothek höher einschätzt. Die Kundenbindung zu Lehrenden wie Lernenden wird gestärkt und die Zufriedenheit aller Beteiligter, inklusive des Personals, wächst (s. Abb. 4).

Abb. 4: Kundenbindung und Personalzufriedenheit © Haase

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BEruflIchE anforDErungsProfIlE

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lEItungsfunktIonEn In BIBlIothEkEn: QualIfIkatIonsProfIlE Im sPIEgEl ausgEwähltEr stuDIEnangEBotE

achim ossWald

absTracT

Ob es der Interuniversitäre Universitätslehrgang in Österreich oder andere Master-studiengänge in Deutschland sind: Diese Studienangebote erheben den Anspruch für Leitungsfunktionen in Bibliotheken und anderen Informationseinrichtungen zu qualifizieren. Abhängig vom organisatorischen Kontext und den fachlichen Schwerpunkten der Angebote zeigen sich jedoch nuancierte Unterschiede, aber auch Gemeinsamkeiten. Der Beitrag versucht die fachlichen und personenbezogenen Zielvorstellungen und ausgewählte Qualifikationsangebote für Leitungsfunktionen in Bibliotheken aufzuzeigen und zu analysieren.

ProbleMaUFriss

Immer dann, wenn Bibliotheksleitungen eine Stellenausschreibung formulieren, stellt sich nicht nur die Frage, welches Qualifikationsprofil diese Person haben sollte, sondern auch, wo und wie potentielle Bewerber für diesen spezifischen Bedarf qualifiziert werden. Es lohnt es sich genauer hinzusehen, welche Hochschulen im Rahmen ihrer Masterstudiengänge auf der Grundlage der sog. Bologna-Reformen mit welchen Zielsetzungen ihre AbsolventInnen für bibliothekarische Leitungs- und Führungsfunktionen qualifizieren. Auf Unterschiede in den Zielvorstellungen der Studienangebote1 für Leitungs- und Führungsaufgaben weist der nachfolgende Beitrag hin.

In den letzten Jahrzehnten wurde in der bibliothekarischen Fachdiskussion immer wieder heftig darüber gestritten, welche neuen KollegInnen mit welchem Qualifikationsprofil die Praxis braucht und wie man hierfür „richtig“ qualifiziert.2 Klar ist doch, dass es schon seit Jahren insbesondere in funktional stark gegliederten Bibliotheken Bedarf an zwei Qualifikationsprofilen gibt, die man zwar am liebsten

1 das verwaltungsinterne referendariat wird daher nicht weiter berücksichtigt.2 Vgl. beispielsweise die zusammenfassende darstellung bei Bosserhoff, Björn: Wissenschaftlicher Bibliothekar –

Berufsstand in der legitimationskrise? ein rückblick auf die debatte von 1998. - in: Bibliotheksdienst 42 (2008) 11, 1161-1171 und die dortigen literaturangaben.

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in einer Person vereint sähe, die aber zumeist auf die beiden nachfolgenden Personengruppen verteilt vorkommen:• bibliothekarisch qualifizierte Personen mit einer fachwissenschaftlichen

Erstqualifikation („Fachreferenten“) sowie• bibliothekarisch qualifizierte Personen mit Managementerfahrungen und

-kompetenzen.

Die Diskussionen fokussieren zumeist darauf, wie Personen aus der ersten Gruppe für das zweite Qualifikationsprofil weitergebildet werden könnten (von „Naturtalenten“ einmal abgesehen) bzw. wie Personen für die zweite Gruppe gefunden oder im bibliothekarischen Kontext qualifiziert werden können. Hinsichtlich der Managementkompetenzen ist die inhaltliche Zielsetzung der Qualifikation relativ unstrittig: Die wohl seit langem umfassendste Delphi-Studie zu den gewünschten bzw. notwendigen Eigenschaften der nächsten Generation von Bibliotheksdirektoren haben Hernon / Powell / Young 20033 vorgelegt – mit diversen Einzelveröffentlichungen davor und weiterführenden Studien danach.

Sie haben – spartenübergreifend – unter Bezugnahme auf frühere Forschungen sechs Hauptkategorien von Eigenschaften identifiziert:• „LeadershipAbilitiesandSkills:Takinginitiative,makingthingshappenthrough

the effective action of others. ...• Management Skills: Structuring one’s own activities and those of others;

coordinating the use of resources to maximize productivity and efficiency. …• KnowledgeAreas:Applying the technicalknowledgeneeded todo the job,

including competence in library and information management. …• Cognitive Skills/Abilities: Processing information effectively to learn new

material, identify and define problems, and make decisions. How a person thinks and analyzes. …

• InterpersonalAbilities:Interactingwithothers.…• PersonalTraits“4

3 peter hernon, ronald r. powell, arthur p. Young: the next library leadership. attributes of academic and public library directors. Westport, ct, 2003.

4 zitiert nach: arthur p. Young, ronald r. powell, and peter hernon: attributes for the next generation of library directors, acrl eleventh national conference, april 10–13, 2003, charlotte, north carolina, 2.

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Deren Wirkungszusammenhang haben sie mit der nachfolgenden Grafik versucht darzustellen:

Grafik aus Young et al.: Attributes for the Next Generation

of Library Directors, 2003, 3 (vgl. FN 4)

In dieser Sicht der Qualifikationsanforderungen stehen also klar die persönlichen Eigenschaften und Fähigkeiten bei der Leitung und Führung von Organisationen wie Personen im Vordergrund. Die fachwissenschaftlichen Kompetenzen, die über Jahrzehnte eine mindestens genauso wichtige Rolle bei den Anforderungen spielten, werden in der Sicht von leitenden Bibliotheksdirektoren zunehmend von bibliotheksfachlichen Aspekten abgelöst.

NeUe QUaliFikaTioNsaNGeboTe iM MasTer-bereich

Mit den Bologna-Reformen ist eine Vielzahl und faktisch auch Vielfalt von strukturell ähnlichen Masterstudienangeboten entwickelt worden, die wir u.a. wie folgt unterscheiden können:• fachlichweiterführend(=fachlichkonsekutiv)oderdie• sog. Kreuzqualifikation, d.h. die Kombination aus einem Abschluss in

einer nicht-bibliothekarischen Fachdisziplin mit einem bibliotheks- und informationswissenschaftlichen Masterstudium.

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Weiterbildende Kreuzqualifikationsangebote sind typisch für den Bibliotheksbereich: Nach einem beliebigen Fachstudium wird im Masterstudiengang die bibliotheks- und informationswissenschaftliche Qualifikation erworben. Neu sind in Europa die mit Bologna ermöglichten fachlich konsekutiven Masterstudienangebote insbesondere für die Gruppe der fachlich erfahrenen, mit Leitungs- und Führungserfahrung im mittleren Management ausgestattete Gruppe der Diplom-BibliothekarInnen, aber auch für AbsolventInnen fachlich affiner Bachelor-Studienabschlüsse. Sie bilden nicht nur eine neue Interessentengruppe für Masterstudienangebote, sondern auch eine hochmotivierte Gruppe aufstiegsorientierter KollegInnen für Leitungs- und Führungsaufgaben.

Wer qualifiziert eigentlich für Leitungsfunktionen in Bibliotheken im deutsch-sprachigen Raum?

In den vergangenen Jahren wurden wiederholt strukturelle Überblicke zu den diversen Masterstudienangeboten im bibliotheks- und informationswissenschaftlichen Bereich des deutschsprachigen Raumes gegeben. Im Jahre 2008 war dem Thema ein ZfBB-Themenheft gewidmet5, im Jahre 2009 haben Studierende der Hochschule Darmstadt versucht, einen aktualisierten Überblick zu den Angeboten zu gestalten.6 Hierbei wird deutlich, dass • dieTraditioneinerHochschuleunddiefachlichenSchwerpunktsetzungender

ProfessorInnen sich im Masterangebot widerspiegeln;• die inhaltlicheAusrichtungderaffinenBachelorstudiengängeeinewichtige

Rolle spielt.

Abhängig von diesen und anderen Faktoren steht die Qualifizierung für den Bibliotheksbereich und dort für Leitungs- und Führungsaufgaben im Mittelpunkt oder eher am Rande jener Zielvorstellungen, die für die AbsolventInnen formuliert werden. Im Kern der Zielsetzung liegen sie mindestens bei den nachfolgenden Angeboten:

Angebote auf der Grundlage von Kreuzqualifikation oder konsekutiven Kenntnissen:• Österreich:Aufbaulehrgangdes InteruniversitärenUniversitätsstudiengangs

Library and Information Science (Master of Science); konsekutiv im Sinne der Weiterführung des bibliothekarischen Grundlehrgangs und weiterbildend unter

5 z.B. achim oßwald [hrsg.]: Qualifizierungswege für leitungsfunktionen in Bibliotheken: sachstand - analysen – perspektiven. - in: zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie (zfBB) 3-4, 2008; darin: achim oßwald: Bolognakonforme masterstudienangebote für den Bibliotheksbereich in deutschland, 124-129.

6 Vgl. studentische projektgruppe der hochschule darmstadt: informationswissenschaftliche masterstudiengänge im deutschsprachigen raum, stand: Juli 2009, http://yoda.iuw.h-da.de/master-informationswissenschaft-studieren/wordpress/synopse-evaluierung/uberblick-informationswissenschaftliche-masterstudiengange-im-deutschsprachigen-raum (dieser wie alle weiteren links wurden zuletzt am 13.3.2010 geprüft).

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Einbeziehung eines anderen Studienfaches; 2 Semester; berufsbegleitend für im BID-Bereich Tätige.

• Humboldt-Universität(HU)zuBerlin:Master-StudiengangBibliotheks-undInformationswissenschaft (Master of Arts)7, berufsbegleitendes Fernstudium; weiterbildend (kreuzqualifikationsbasiert); 4 Semester; ursprünglich anwendungs-, nun stärker forschungsorientiert.

• FachhochschuleKöln,Bibliotheks-undInformationswissenschaft(MasterinLibrary and Information Science), berufsbegleitender Weiterbildungsstudiengang (Kreuzqualifikation und konsekutiv); anwendungsorientiert; 4 Semester.

Rein konsekutive Angebote:• HochschulederMedien (HdM)Stuttgart:Bibliotheks-undInformations-

management (Master of Arts); konsekutiv, 4 Semester; auf Entwicklung und Forschung (in Kooperation mit der Praxis) orientiertes Studium; starke fachliche Orientierung auf die Bereiche Kulturmanagement, Öffentlichkeitsarbeit u.ä.8

• Hochschule für angewandte Wissenschaften (HAW) Hamburg: Infor-mationswissenschaft und -management (Master of Arts); konsekutiv; anwendungsorientiert; Vollzeitstudiengang; 4 Semester incl. Forschungssemester im Anwendungsbereich.

• Hochschule fürTechnik und Wirtschaft (HTWK) Leipzig: Bibliotheks-und Informationswissenschaft (Master of Arts); konsekutiv, 3 Semester; Vollzeitstudiengang mit sog. Profillinien (Musikbibliotheken, Historische Bestände oder Bibliothekspädagogik).

Die anderen Masterstudiengänge an Hochschulen in Österreich, der Schweiz und Deutschland setzen thematisch stärker auf Bereiche wie Management, Informations- und Kommunikationstechnik, Linguistik o.ä. – jeweils in Verbindung mit Methoden der Informationsaufbereitung und Informationsvermittlung.

Unterscheiden sich die Qualifzierungsziele dieser bibliothekarisch ausgerichteten Master-Studienangebote?

Wenn zumindest diese sechs Angebote auf dasselbe Arbeitsmarktsegment hin qualifizieren, dann sollten im Prinzip ihre Zielvorstellungen auch ziemlich identisch sein. Die nachfolgende Analyse zeigt dennoch feine inhaltliche Unterschiede.9

7 Weiteres angebot: ein rein konsekutiver, auf dem Bachelorstudiengang „Bibliotheks- und informationswissenschaft“ aufbauender forschungsorientierter master, der seit Wintersemester 2008/09 angeboten wird.

8 der studiengang soll ab 2011 auf ein berufsbegleitendes angebot umgestellt werden.9 grundlage sind die von den jeweiligen trägern der studienangebote veröffentlichten Quellen, ergänzt um

auskünfte der studiengangsverantwortlichen. aus platzgründen können die einschlägigen angaben aus den studiengangsbezogenen dokumenten nicht ausführlich zitiert werden.

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ÖsTerreich: iNTerUNiVersiTärer UNiVersiTäTslehrGaNG

„Ziel des Lehrganges ist die Vermittlung von Kenntnissen sowie deren wissen-schaftliche Vertiefung, Erweiterung und praktische Anwendung im Bereich des Bibliotheks-, Informations- und Dokumentationswesens.“10 Er qualifiziert „für höherqualifizierte und qualifizierte Tätigkeitsbereiche des Informations- und Wissensmanagements, insbesondere in Bibliotheken, Informations- und Dokumentationsstellen und verwandten Einrichtungen.“ (ebd.)

hU berliN: MasTersTUDieNGaNG biblioTheks- UND iNForMaTioNsWisseNschaFT

„(1) Das Studium berücksichtigt berufliche Erfahrungen von Studierenden und knüpft an diese an. Es zielt auf die forschungsbasierte Vermittlung von vertieftem und spezialisiertem Wissen im Themenfeld Bibliotheks- und Informationswissenschaft sowie auf den Erwerb von methodischen Kompetenzen in diesem Bereich.“11

In einer überblicksartigen Darstellung des Studienangebotes wird formuliert:„Ziel des Studiums ist • derErwerbvontheoretischenundpraktischenKenntnissenaufwissenschaftlicher

Grundlage über Funktion und Arbeitsmethoden des Bibliothekswesens, • der Erwerb von Fähigkeiten und Fertigkeiten zur Organisation von

Informationsprozessen, • dieBefähigungzurFührungvonBibliothekenundInformationseinrichtungen,• dieBefähigungzurRealisierungeigenerwissenschaftlicherProjekteundzur

Weiterentwicklung von Verfahren und Methoden der Bibliothekspraxis.“12

Fh kÖlN: MasTersTUDieNGaNG biblioTheks- UND iNForMaTioNsWisseNschaFT

Der berufsbegleitende Masterstudiengang „qualifiziert für spezialisierte Aufgaben-stellungen sowie für Leitungs- und Führungsaufgaben in Bibliotheken und anderen Informationseinrichtungen des In- und Auslands. […] Die erworbenen Qualifikationen befähigen die Absolventinnen und Absolventen dieses Studiengangs

10 § 2 zielsetzung des curriculums des interuniversitären universitätslehrganges „library and information studies, msc“; http://www.onb.ac.at/files/2009-ulg-curriculum.pdf.

11 § 4 der studienordnung für den weiterbildenden masterstudiengang „Bibliotheks- und informationswissenschaft“ im fernstudium mit dem abschluss master of arts (library and information science) [m. a. (lis)] vom 16.7.2007; http://www.fbiw.hu-berlin.de/pgfb/ordnungen/studienordnung/.

12 Beschreibung des fernstudiengangs Bibliotheks- und informationswissenschaft der hu Berlin. http://www.fbiw.hu-berlin.de/pgfb/beschreibung/.

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dazu, wichtige Managemententscheidungen eigenverantwortlich zu treffen bzw. vorzubereiten.“13

Neben fachlichen Kompetenzen werden auch fachübergreifende Schlüsselkompetenzen wie z.B. Kommunikationskompetenz u.ä. vermittelt, die insbesondere für die Ausübung von Führungsaufgaben von Bedeutung sind. Die AbsolventInnen zeichnen sich aus Sicht der Hochschule durch ausgeprägtes Servicedenken und betriebswirtschaftliche Effizienzüberlegungen aus.

hDM sTUTTGarT: biblioTheks- UND iNForMaTioNsMaNaGeMeNT

Der viersemestrige Vollzeitstudiengang wendet sich an Absolventinnen und Absolventen aus dem Bibliotheks-, Informations- und Archivbereich, die Leitungspositionen im Bereich Bibliotheken, Archive, Informationszentren und Medieneinrichtungen anstreben. Diese werden wie folgt informiert: „Fächer wie „Recht“, „Kommunikationspsychologie“, und „Teamarbeit & Personal-führung“ bereiten Sie auf Führungsaufgaben vor. Mit den Lehrveranstaltungen „Projektmanagement“ und „Methoden empirischer Sozialforschung“ lernen Sie, Forschungs- und Entwicklungsprojekte durchzuführen. Spezialisieren können Sie sich mit den Wahlangeboten „Informationsmanagement (Digitale Bibliotheken und Wissensmanagement)“, „Public Management / Bibliotheksmanagement“, „Kulturmanagement“, „Musikinformationsmanagement“ und „Medienwissenschaft“.“14

haW haMbUrG:iNForMaTioNsWisseNschaFT UND -MaNaGeMeNT

Das Ziel des Studiengangs liegt darin, die „Planung, Entwicklung, Gestaltung, Einführung und Vermarktung von Informationssystemen und -diensten mit methodischen, kommunikativen sowie Führungskompetenzen sowie einer fundierten informationswissenschaftlichen Wissenserschließung und -vertiefung zu verknüpfen.“15

13 § 2 (3) der master-prüfungsordnung für den studiengang Bibliotheks- und informationswissenschaft der fh köln in der fassung vom 8.12.2009; http://www.presse.fh-koeln.de/imperia/md/content/verwaltung/dezernat5/amtliche/2009_31.pdf.

14 hdm stuttgart, Bibliotheks- und informationsmanagement: „informationen zum studium“ http://www.hdm-stuttgart.de/bi/master/studium.

15 informationen des departments information der haW hamburg zum studiengang informationswissenschaft und -management. zitiert nach „modulhandbuch“ vom 19.3.2007, 4; http://www.bui.haw-hamburg.de/fileadmin/redaktion/deptinfo4.pdf.

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Es „werden Führungskompetenzen vermittelt, um Managementaufgaben in Informations-, Bibliotheks- und Medienorganisationen, in Agenturen der Kommunikationsbranche (Werbung/Public Relations), in der unternehmensinternen Kommunikation oder in nationalen und internationalen Marketingabteilungen professionell und verantwortungsbewusst bewältigen zu können.

Das Kompetenzprofil der Absolventinnen und Absolventen liegt daher im Bereich „informations- und kommunikationswissenschaftliche, betriebswirtschaftliche, informationstechnische und kreative Fähigkeiten.“ (ebd.)

hTWk leiPziG: biblioTheks- UND iNForMaTioNsWisseNschaFT

Der Studiengang vermittelt „die Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten, die für eine wissenschaftlich begründete und fachlich selbstständige Tätigkeit als Master of Arts in Bibliotheken jedes Typs sowie anderen informationsvermittelnden Einrichtungen erforderlich sind.“16

Er soll „zur Erfüllung anspruchsvoller Arbeitsaufgaben wie Konzeption und Leitung von Projekten, Planung und Durchsetzung bedarfsorientierter Dienstleistungen und Adaption wissenschaftlicher Methoden und Techniken in der Bibliotheks- und Informationspraxis“ (ebd. Satz (2)) befähigen und damit „in besonderem Maße für eine Tätigkeit in herausgehobener Position und zur Wahrnehmung von Leitungsaufgaben“ qualifizieren. (ebd.) Durch die im Rahmen des Studiums wählbaren Profillinien – Musikbibliotheken, Historische Bestände oder Bibliothekspädagogik – soll dieser Effekt verstärkt werden.

zUsaMMeNFassUNG UND schlUssFolGerUNGeN

• Die fachlichenUnterschiededer speziell fürdenbibliothekarischenBereichqualifizierenden Studiengänge erscheinen relativ gering, aber aufgrund unter-schiedlicher Studienkonzepte und Zielgruppen gibt es solche Unterschiede.

• WieundfürwelcheLeitungs-undFührungskompetenzentatsächlichqualifiziertwird, müsste noch über eine neutrale Detailuntersuchung der Studieninhalte ermittelt werden.

16 § 2 (1) der studienordnung für den masterstudiengang Bibliotheks- und informationswissenschaft an der hochschule für technik, Wirtschaft und kultur leipzig (fh) (studo-Bkm) vom 11. februar 2008. zitiert nach: http://www.fbm.htwk-leipzig.de/fileadmin/fbmedien/studiengaenge/downloads/studiendokumente/bk/Bkm-studienordnung.pdf.

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aUF DeM arbeiTsMarkT FiNDeN biblioThekeN

• auchweiterhindoppelqualifizierteBewerberInnenmitbeliebigemnichtbibliothekar-ischem Fachstudium und einer bibliothekarischen Zusatzqualifikation, aber

• nunauchpraxiserfahrene,qualifizierungsorientierte,bibliothekarischeBewerber-Innen mit Leitungskompetenz als AbsolventInnen von Weiterbildungsstudien-gängen, die informationsmethodisch auf den neuesten Stand sind.

• BewerberInnenausfachlichkonsekutivenStudiengängen.

biblioThekeN

• habendamiteinviel stärker fachlichunderfahrungsbezogendifferenziertesSpektrum an BewerberInnen als früher.

• könnennunganzgezielt fürLeitungsfunktionenqualifiziertesPersonalmitbibliothekarischer (Praxis)Erfahrung einstellen.

• müssensichvielgenauerüberlegen,welchesQualifikationsprofilsiefürwelchenFunktionsbereich / für welche Stelle benötigen – und die Ausschreibungen entsprechend gestalten.

biblioThekariNNeN UND solche, Die es WerDeN WolleN

• könnensichnundirektdurcheinkonsekutivesStudiumfürLeitungsfunktionenqualifizieren,

• habenaberauchimspäterenBerufslebennochdieChancezueinerfachlichenSpezialisierung oder zur Qualifizierung für Leitungsfunktionen und sollten diese – ggf. mit Unterstützung ihres Arbeitgebers – in einem berufsbegleitenden Masterstudiengang anstreben.

Diese stärker ausdifferenzierten Qualifizierungsmöglichkeiten bewirken allerdings auch einen deutlich ausgeprägteren Informationsbedarf für alle Beteiligten!

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BIBlIothEksassIstEntIn –fachangEstElltE für mEDIEn- unD InformatIonsDIEnstE – mIttlErEr BIBlIothEksDIEnst

das BerufsBild der mittleren Beruflichen eBene in BiBliotheken derzeit und in zukunft

karin holste-flinspach

Die Berufsausbildung für die mittlere berufliche Ebene im Bibliotheksbereich reicht mindestens bis in die 70er Jahre zurück – z.T. bis in die Zeit vor dem 2.Weltkrieg.Zur Zeit ist die Ausbildungssituation in Deutschland geprägt durch die 1998 begonnene Berufsausbildung zum Fachangestellten für Medien- und Informationsdienste mit fünf Fachrichtungen, die die Vorläuferausbildungen Assistent an Bibliotheken und Dokumentationsassistent ersetzte, in der Schweiz durch den zeitgleich in Kraft getretenen Ausbildungsberuf Informations- und Dokumentationsassistentin sowie den seit 2005 bestehenden österreichischen Lehrberuf Archiv-, Bibliotheks- und Informationsassistent/in.

Ungeachtet dessen, dass über die Gesamtzahl der für eine mittlere berufliche Ebene in Bibliotheken ausgebildeten Personen keine exakten Zahlen vorliegen, gilt für Deutschland ausgehend von den Ausbildungszahlen der Vorläuferberufe in der Bundesrepublik und der DDR bis 1998 sowie der im letzten Jahrzehnt ausgebildeten Fachangestellten für Medien- und Informationsdienste (FaMI) jedoch eine ungefähre Anzahl von mindestens 10.000, davon knapp die Hälfte FaMIs, als nicht übertrieben, für den schweizerischen Ausbildungsberuf „Informations- und Dokumentationsassistent“ wird ein Zahlenwert von über 700 Assistenten angegeben.

Spätestens in den letzten Jahrzehnten haben sich diese Berufsgruppen im Bibliotheks- und Informationswesen nicht nur Deutschlands zu einem nicht mehr wegzudenkenden Faktor entwickelt, ohne den öffentliche und wissenschaftliche Bibliotheken nur noch schwer vorstellbar wären.

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Die Ausbildungszahlen allein der FaMIs haben sich von knapp 500 Beginnern in den Anfangsjahren inzwischen auf einem Niveau von über 600 jährlich stabilisiert und in Bezug auf alle Lehrjahre wurde in Deutschland 2009 zum ersten Mal die 2000-Grenze überschritten, bezogen auf 2007 eine Steigerung von 17 %.

In Österreich wurden im Jahr 2008 50 Ausbildungsverträge geschlossen.

Beim FaMI zeigt sich ungeachtet nachhaltiger Werbung für den neuen Dienstleistungsberuf eine überdeutliche Dominanz der Bibliotheken als quantitativ größter Ausbildungsplatzanbieter mit rund 80%, gefolgt wechselnd auf dem 2. und 3. Platz von Information und Dokumentation und dem Archivsektor mit Anteilen zwischen 7 und 11 Prozent. Die wenigen übrigbleibenden Prozente teilen sich Medizinische Dokumentation und Bildagentur.

Angesichts dieser Zahlen erscheint der FaMI nicht als neuer Allrounder-Beruf unter Zusammenfassung inhaltlich verwandter Bereiche, sondern vielmehr als Nachfolgeberuf hauptsächlich der Assistenten an Bibliotheken, obwohl er auch für eine spätere Tätigkeit in Medienarchiven, bei Informationsvermittlern, in Fachinformationszentren bzw. Bildagenturen sowie bis in Kliniken und der pharmazeutischen Industrie qualifizieren sollte.

Jedoch zunächst zum Berufsbild der mittleren beruflichen Ebene in Bibliotheken:Ausgehend vom Gastgeberland nachfolgend eine eher allgemeine Tätigkeits-beschreibung der ABI-AssistentInnen:Archiv-, Bibliotheks- und InformationsassistentInnen arbeiten in Bibliotheken, Dokumentationsstellen, Archiven oder ähnlichen Einrichtungen.

Sie arbeiten beim Bestandsaufbau, -pflege und erschließung mit, beschaffen neue Medien, erfassen die erworbenen Medien, Informationen und Daten und machen sie zugänglich.

Dabei nutzen sie moderne Dokumentationsprogrammen und Datenbanken und haben Kontakt zu den KundInnen (LeserInnen, Studierende, Lehrende und Forschende) der jeweiligen Institutionen-insbesondere in der Ausleihe-, aber auch zu LieferantInnen, BuchhändlerInnen oder Verlagen.

Die Haupttätigkeiten der AbsolventInnen einer beruflichen Erstausbildung in Bibliotheken fallen überwiegend in die nachfolgenden drei Bereiche:1) Erwerbung und Erschließung von Medien (Bücher, Zeitschriften …), Daten

und Informationen:

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Hier wirken sie bei der Auswahl von Neuanschaffungen anhand von Bibliografien, Verlagskatalogen etc. mit, übernehmen die Vorakzession sowie die Bestellungen bei Buchhandlungen, Verlagen etc. aus dem In- und Ausland. Nach Eingang der bestellten Medien obliegt ihnen die Liefer- und Rechnungskontrolle, die Inventarisierung, die Mitarbeit bei der formalen und inhaltlichen Erschließung von Medien und die technische Einarbeitung.

2) Benutzung (Benutzerservice - Verbuchen und Beraten): Bezogen auf den Arbeitszeitanteil umfasst das Arbeitsfeld der mittleren

beruflichen Ebene in Bibliotheken schwerpunktmäßig Aufgaben im Benutzungsdienst sowie bei der Beschaffung und technischen Einarbeitung von Medien, das heißt auch Büchereinstellen, Regalordnungsarbeiten, Buchpflege, Ausleihe, Rücknahme.

Neue Bibliotheksbenutzer sind anzumelden, Benutzerausweise auszustellen, Benutzerverzeichnisse und Ausleihnachweise zu führen. Komplett übernimmt die mittlere Berufsebene die mit dem Verleih verbundenen Arbeiten: die Abwicklung der Entlehnvorgänge, die Bearbeitung von Mahnungen, Vorbestellungen und Verlängerungen.

Erstinformationen, einfache Auskünfte und Orientierungshilfen werden gegeben, auch z.B. hinsichtlich der Nutzung des OPACs, einfachere Recherchen durchgeführt sowie wird bei Fernleihbestellungen mitgearbeitet.

Zeitaufwendig ist im Benutzungsdienst nach wie vor insbesondere die Bestandsordnung, das Einordnen der zurückgebrachten Medien in die Regale und die Bestandspflege.

3) Überdies helfen die Berufsabsolventen bei der Durchführung von Werbemaßnahmen, bei der Vorbereitung und Durchführung von Ausstellungen und Veranstaltungen, Führungen und Autorenlesungen und übernehmen allgemeine administrative Aufgaben wie Schriftverkehr, Aktenführung, Auswertung von Statistiken, Arbeiten im Haushalts- und Rechnungswesen sowie der Personalverwaltung.

Die Struktur der in Rede stehenden drei Ausbildungsberufe sieht darüber hinaus grundsätzlich neben dem Bibliotheksbereich Einsatzmöglichkeiten in Archiven und Dokumentationsstellen vor.

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Das Übergewicht des Bibliothekswesens spiegelt sich jedoch auch in dem Arbeitsplatzangebot.

Zudem entsprechen die Anforderungen in den Fachrichtungen trotz der unstrittig vorhandenen Gemeinsamkeiten zwischen ihnen und einem partiellen Zusammenwachsen der Tätigkeitsfelder im Bibliotheks- und Dokumentationsbereich oftmals eher verschiedenen Berufen.

Das vorausgesetzte hohe Maß an Übereinstimmung bei Arbeitsmethoden und Kernaufgaben ist häufig nicht vorhanden und kann daher oft nur rudimentär in der durch Praktika ergänzten praktischen Ausbildung sowie im Berufsschulunterricht als vermeintlicher Klammer für alle Fachrichtungen vermittelt werden - nicht bis zur umfassenden Berufsfähigkeit.

Dabei sollte daran erinnert werden, dass eine der Motivationen für den FaMI-Beruf nicht bessere Qualifizierung und die Überwindung des Pluralismus in der Ausbildungsszene im deutschen Bibliothekssektor war, sondern eine breitere Akzeptanz auf dem Arbeitsmarkt.

Kehren wir zum Bibliotheksbereich zurück: Auch FaMIs müssen sich wie alle Informationsspezialisten auf veränderte und neue Möglichkeiten der

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Informationsverbreitung und einen Wandel der Informationsbedürfnisse einstellen und mit ihnen alle Bibliotheken, die Ausbildungsplätze anbieten oder anbieten wollen, um jungen Menschen einen qualifizierten Start in das Berufsleben in Bibliotheken zu ermöglichen.

Die Veränderungen in Bibliotheken, mit großem Mut zur Lücke, seien exemplarisch genannt: • Online-Bibliotheksangebote:vonBibliothekskatalogen(inklusiveVerfügbarkeits-

anzeige), der Verwaltung des eigenen Nutzerkontos bis zur zunehmenden Zurverfügungstellung von Dokumenten und Informationen über das Netz,

• dieVerlagerungvonErwerbungsentscheidungenanDrittedurchStanding-Order

• derEinkaufvonKatalogisatenbzw.dieMitarbeitineinemKatalogisierungs-verbund

• OutsourcingtechnischerArbeitenanexterneDienstleister.• Hinzukommt-unddavonistdiemittlereberuflicheEbenebesondersbetroffen

- die Einführung der RFID-Technik: Hier führt der technologische Wandel zu Selbstverbuchungsterminals und Rückgabeautomaten zu einer Verlagerung von Arbeiten auf den Endnutzer.

Dieser Wegfall des mit wichtigsten Aufgabengebietes wird Folgen haben, prognostiziert werden können Aufgabenänderungen und -zuwächse, auch im Grenzbereich zwischen der Ausbildungsebene und den bislang von Diplomkräften durchgeführten Tätigkeiten z.B. bei den Vorarbeiten zur auch digitalen Medien-bereitstellung, der Recherche und Benutzereinführung und –schulung. Hier kann mit Spannung erwartet werden, wie ein möglicher Neuzuschnitt der Aufgabenverteilung zwischen Assistenten und Bibliothekaren aussehen wird, ob der Weg eher in Richtung Ersatz durch Hilfskräfte oder in Richtung früherer Domänen von Diplom-Bibliothekaren geht.

Insbesondere im Öffentlichen Dienst als Hauptarbeitgeber verschärft sich die Problemlage der Berufsabsolventen mit ihrer Stellung zwischen studentischen Hilfskräften, Quereinsteigern und Ehrenamtlern auf der einen Seite und Diplomkräften sowie Bachelorabsolventen auf der anderen.

Seiteneinsteiger gefährden ihr Arbeitsgebiet und tragen zur Abwertung der beruflichen Erstausbildung bei, auch weil in Tarifverträgen die Berufsausbildung als Eingruppierungsmerkmal nicht zwingend vorgesehen ist, ein oftmals vermeintlich „billiger“ Ersatz durch fachlich nicht qualifiziertes Personal, teilweise von Personalverantwortlichen gefördert.

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Die Hierarchieverhältnisse im Öffentlichen Dienst vor allem mit der Abgrenzung zu den Bibliothekaren stellen ein weiteres Problem für den fähigen Berufsnachwuchs dar, die Chancen des Aufstiegs sind zwar in der Privatwirtschaft deutlich besser, insgesamt weist hier aber das Arbeitsplatzangebot zur Problemlösung zu geringe Kapazitäten auf.

Dagegen gab es ungeachtet der in einer längeren, breiteren Ausbildung erworbenen Qualifikationen Befürchtungen zum Trotz bisher kaum nennenswerte Konkurrenz- oder Verdrängungsmechanismen zu Ungunsten der Bibliothekare.

Eine Übernahme der für Bachelorabsolventen vorgesehenen Arbeitsfelder ist –unabhängig von der verkürzten Studiendauer gegenüber den Diplomstudiengängen- auch ohne entsprechende Weiterbildung nicht realistisch.

Für den Aufstieg in letztgenannte Arbeitsgebiete gibt es inzwischen Qualifizierungs-möglichkeiten durch Fernstudiengänge in Potsdam sowie seit 2008 durch die Weiterbildungsprüfung zum Fachwirt für Informationsdienste, auch und speziell für Nichtabiturienten, die in Deutschland immerhin noch ca. 60% der Auszubildenden ausmachen.

Ausgehend von der Prämisse, dass Bibliotheken gut ausgebildete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter brauchen und Personalentwicklung mit der Berufsausbildung von Schulabgängern beginnt, lautet mein persönliches Fazit, dass Assistenten weder überflüssig werden noch die Bachelorabsolventen ersetzen, vielmehr auch zukünftig als Fachkräfte benötigt werden.

Berufsnachwuchs kann bei Interesse an Medien und Kundenkontakt bei großzügig bemessenen Öffnungszeiten in einem heterogenen Arbeitsumfeld auch zukünftig dazu beitragen, dass der Bedarf der Nutzer an fundierten Informationen, Daten oder qualitativ hochwertigen Publikationen, in welcher Form auch immer, für Ausbildung, Forschung, Berufsalltag oder Privatleben in Inhouse-Bibliotheken, Hochschul- und Stadtbibliotheken zeitnah gedeckt wird.

In einer trotz Wirtschaftskrise, vor allem in der Privatwirtschaft, noch im Wachstum begriffenen Informationsbranche haben weiterhin Fachangestellte ihren Platz – aber bei geändertem Berufsbild. Wenn Ausleihe und Regalordnung bisher die Hauptarbeitsbereiche waren, bestehen hier keine Zukunftsperspektiven. Für bereits Berufstätige können Nachqualifizierungen erforderlich werden, im Ausbildungsbereich muss das Anforderungsprofil als Minimum neue Schwerpunkte abseits der durch technische Hilfsmittel zukünftig wegfallenden Aufgaben setzen.

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Dies bedeutet, dass Reformen und Änderungen der Ausbildungen vor dem Hintergrund der neuen technischen Herausforderungen notwendig sind, dies zeigt sich auch an dem neuen Beruf der Fachfrau Information und Dokumentation in der Schweiz und auch in der BRD wird zunehmend an eine Evaluation des Fachrichtungsmodells gedacht.

Auf das höhere Maß an flexiblem Einsatz außerhalb des Bibliothekswesen kann nicht unbedingt vertraut werden, positiv zu erwähnen ist aber die mögliche berufliche Mobilität des Berufsnachwuchses in alle Bibliothekssparten- sowie in regionaler Hinsicht, wenn auch nicht europaweit, so doch zumindest deutschlandweit und in den Alpenländern.

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aBID-assIstEntInnEn In „öschlI“: Quo vaDItIs ?

die aktuelle entWicklung der BerufsausBil-dung für den mittleren dienst an archiVen, BiBliotheken, informations- und dokumenta-tionseinrichtungen (aBid) in österreich, schWeiz und liechtenstein („öschli“)

andré hensel

1. Die aUsbilDUNGssiTUaTioN iN ÖsTerreich

In Österreich gibt es seit 2005 den Lehrberuf „Archiv-, Bibliotheks- und Informationsassistent/in“ (ABI-Ass.). Es handelt sich dabei um einen so genannten Gruppenlehrberuf, welcher zur Gruppe der kaufmännisch-administrativen Lehrberufe gehört. Diese beinhaltet insgesamt 25 Lehrberufe mit abgestuften Verwandtschaftsgraden, welche die gegenseitige Anrechnung von Lehrjahren ermöglicht. Volle Anrechnung besteht zu den Bürokaufleuten, sowie zu den drei Lehrberufen aus dem Bereich der Buch- und Medienwirtschaft. Die Lehrzeit beträgt regulär 3 Jahre, kann sich jedoch um ein Jahr verkürzen oder verlängern, wenn der Lehrling entweder bereits die Matura hat, oder diese parallel zur Lehre erwerben möchte.

Die ABI-Ausbildungsverordnung legt in einem so genannten Berufsbild die Ausbildungsschwerpunkte fest:1. Lehrbetrieb (Branche, Arbeitssicherheit, Organisation der Lehre)2. Verwaltung, Organisation, Kommunikation und EDV3. Beschaffung und Angebot (Arbeitsmittel, Material, Waren, Logistik)4. Betriebliches Rechnungswesen (Kostenrechnung, Zahlung, Buchhaltung)5. Erweiterte Grundkenntnisse (Fach- und situationsgerechte Kommunikation)6. Archiv-, Bibliotheks- und Informationsassistenz (Erwerbung und Erschließung

von Medien, Katalogrecherche, Entlehnung)

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5 von 6 Schwerpunkten sind dem allgemeinen kaufmännisch-administrativen Bereich entnommen. Nur der 6. Schwerpunkt befasst sich speziell mit den Tätigkeiten im ABID-Wesen. Die Schlüsselqualifikationen (Softskills) werden nur kurz angesprochen.

Bemerkenswert ist auch, dass die ABI-Lehre zwar die interne Ausbildung für den Tätigkeitsbereich mittlerer Qualifikation (C-Ausbildung) an den Universitätsbibliotheken (UB) lediglich ersetzt. Dies bedeutet jedoch keine automatische Ablösung.

Ein Hauptvorteil liegt dabei in der relativ kurzen externen Ausbildungszeit von insgesamt nur 30 Tagen Theorie an der zuständigen Ausbildungsbibliothek (Wien oder Innsbruck), sowie 15 Tagen externem Praktikum (davon 10 Tage an der Ausbildungsbibliothek und 5 Tage an einer anderen BID-Einrichtung). Beim C-Kurs für Öffentliche Büchereien (ÖB) sind es sogar insgesamt nur 16 Präsenztage beim Bundesinstitut für Erwachsenenbildung in Strobl am Wolfgangsee.

Demgegenüber müssen ABI-Lehrlinge in jedem Lehrjahr volle drei Monate (insgesamt also neun Monate) an der zuständigen Berufsschule (BS) in Wien als geblockte Lehrgänge absolvieren. Dies hat sich v. a. bei den ausbildenden Fachhochschulbibliotheken (FHB) als nachteilig erwiesen, da aufgrund der mangelnden personellen und räumlichen Arbeitsteilung die monatelange Abwesenheit der Lehrlinge während des laufenden Semesterbetriebes (in den Semesterferien hat auch die BS geschlossen) unmittelbare Auswirkungen auf das Benutzerservice hat.

Im Jahr 2008 wurden österreichweit neben 50 ABI-Lehrlingen im Rahmen interner C-Ausbildungen auch noch 23 Personen für die UB und 42 Personen für die ÖB ausgebildet.

Das ergibt ein Gesamtverhältnis von 65 zu 50 für die traditionelle interne C-Ausbildung.

Dabei darf nicht übersehen werden, dass die interne Ausbildung auch einen entscheidenden Nachteil hat: Sie wird eben nur intern anerkannt und bietet daher den AbsolventInnen bei der Karriereplanung weniger Flexibilität.

Ende 2009 waren folgende ABID-Einrichtungen als ABI-Lehrbetriebe zertifiziert: • 8UB,davon4inWien,2inGrazundje1inInnsbruckundKlagenfurt.• 5FHB:Kärnten,Oberösterreich,Steiermark( Joanneum),St.Pölten,Vorarlberg.

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• 5Stadtbüchereien:Bregenz,Feldkirch,Linz,Trofaiach,Wien.• 4Landesarchive:Oberösterreich,Steiermark,Vorarlberg,Wien.• 3 Studienbibliotheken Pädagogischer Hochschulen: Kärnten, Steiermark,

Tirol.• 2Landesbibliotheken:Steiermark,Vorarlberg.• 7weitereABID-Einrichtungen,darunterdieSozialwissenschaftlicheBibliothek

der Arbeiterkammer Wien, das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes, die Österreichische Akademie der Wissenschaften usw.

Die beiden folgenden Statistiktabellen geben die Anzahl der Lehrlinge (LL) und Lehrbetriebe (LB) sowie die Lehrlingsdichte (LD = LL : LB) jeweils zum 31.12. des Jahres wieder. Quelle: Wirtschaftskammer Österreich.

Gesamtstatistik Österreich 2005 - 2009:

Jahr 2005 2006 2007 2008 2009

lehrlinge u. lehrbetriebe ll lB ll lB ll lB ll lB ll lB

anzahl 14 10 38 25 41 30 50 29 43 32

lehrlingsdichte 1,4 1,5 1,7 1,4 1,3

Bundesländerstatistik 2009:

Bl k nö oö sb st t V W ö

ll 2 0 7 0 12 3 4 15 43

lB 3* 1 3* 1 8* 2 5 10* 32

ld 0,7 0,0 2,3 0,0 1,5 1,5 0,8 1,5 1,3

* Die Fh Joanneum (steiermark), kärnten und oberösterreich bilden an jeweils zwei verschiedenen standortbibliotheken abi-lehrlinge aus. Die Wiener Magistratsabteilung 2 betreut abi-lehrlinge aus drei verschiedenen Magistratsabteilungen. Damit ist die zahl der ausbildungsstätten in diesen bundesländern entsprechend höher. im burgenland wurden bis dato keine abi-lehrlinge ausgebildet.

Eine Befragung der zertifizierten wissenschaftlichen Bibliotheken hat Mitte 2009 folgendes Bild ergeben:• Rücklauf:18Bibliotheken,dieinsgesamt32LLausgebildethabenbzw.derzeit

noch ausbilden

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• Bei6Bibliothekenistnochnichtgeklärt,wiemitdenLLbzw.Lehrstellenweiterverfahren wird.

• 5 Bibliotheken haben sowohl fertige LL übernommen, als auch die freigewordenen Lehrstellen nachbesetzt bzw. planen dies.

• Übernahmevon15LLan11BibliothekenerfolgtodergeplantÜbernahmequote:52% (von 29 LL)

• Nachbesetzungvon12Lehrstellenerfolgtodergeplant

2. Die aUsbilDUNGssiTUaTioN iN Der schWeiz UND iN liechTeNsTeiN

In der Schweiz und in Liechtenstein ist der seit 1998 bzw. 1999 bestehende Lehrberuf „Informations- und Dokumentationsassistent/in“ (I+D-Ass.) auslaufend.

In 11 Jahrgängen wurden bzw. werden bis 2011 insgesamt 730 I+D-Ass. ausgebildet:Deutschschweiz: 392 I+D-Ass. in insgesamt 64 Ausbildungsbetrieben mit Berufsschulen in Bern und Zürich.

Westschweiz (frankophone Romandie): 316 I+D-Ass. in 62 Ausbildungsbetrieben mit BS in Lausanne. Berufsbezeichnung: „Assistent/e en Information Documentaire“.Südschweiz (italienischsprachiges Tessin/Ticino): 12 I+D-Ass. im ersten Jahrgang (1998) mit BS in Locarno. Danach gab es keine mit der restlichen Schweiz koordinierte Ausbildung mehr. 2009 meldet Locarno 3 Lehrabschlussprüfungen. Berufsbezeichnung: „Assistente all’Informazione e alla Documentazione“.

Liechtenstein: 10 I+D-Ass mit BS in Zürich. Einziger Ausbildungsbetrieb ist die Liechtensteinische Landesbibliothek, welche seit 1999 jedes Jahr jeweils einen Lehrling aufgenommen hat.

Die folgende Tabelle gibt die Anzahl der Lehrlinge des jeweiligen Jahrgangs ( Jg.) für die Deutschschweiz (Dt.) und die Romandie (Ro.) an. Quelle: Ausbildungsdelegation I+D.

Jg. 98 99 00 01 02 03 04 05 06 07 08

dt. 21 28 39 29 35 40 36 41 38 41 44

ro. 21 22 31 29 26 32 32 26 39 28 30

ges. 42 50 70 58 61 72 68 67 77 69 74

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Bemerkenswert ist die Tatsache, dass rund die Hälfte aller I+D-Ass. auch die Eidgenössische Berufsmaturität (Fachhochschulreife) erworben haben. Dies kann sowohl parallel zur Ausbildung geschehen, als auch durch ein zusätzliches Maturitätenjahr im Anschluss an die Lehrabschlussprüfung (Eidgenössisches Fähigkeitszeugnis).

Zudem ist die I+D-Ausbildung sehr gut koordiniert, da die drei maßgeblichen Berufsverbände des ABID-Wesens in der Schweiz (VSA = Archivwesen, BBS = Bibliothekswesen und SVD = Dokumentationswesen) bereits bei den ersten Planungen für den I+D-Ausbildungsberuf im Jahr 1994 eine gemeinsame „Ausbildungsdelegation I+D“ gegründet haben.

Ersetzt wird der I+D-Ausbildungsberuf 2009 durch die/den „Fachfrau/-mann Information und Dokumentation“. Französisch: „Agent/e en Information Documentaire“, italienisch: „Gestore/Gestrice dell’Informazione e della Documentazione“.

Die neue Ausbildung startete im August 2009 mit 70 Personen. Parallel dazu läuft die alte Ausbildung bis 2011 ( Jahrgang 2008) aus.

Die gesetzliche Grundlage bildet das neue Berufsbildungsgesetz (BBG) von 2004, in dem erstmals alle Berufsfelder in einem Gesetz zusammengefasst sind.Ziel der Ausbildungsreform ist die Vereinheitlichung und verbesserte Durchlässigkeit des Bildungssystems. Ein zentraler Punkt ist das so genannte „Dreieck der Berufsbildung“:1. Die Eidgenossenschaft, welche über das Bundesamt für Berufsbildung und

Technologie (BBT) die gesetzlichen Rahmenbedingungen vorgibt und kontrolliert;

2. die Kantone, welche die Berufsfachschulen (BFS) betreiben und somit für den theoretischen Teil der dualen Ausbildung verantwortlich sind;

3. die Berufsverbände (Organisationen der Arbeitswelt = OdA), welche für den praktischen Teil der dualen Ausbildung verantwortlich sind, d. h. die Ausbildungsbetriebe betreuen und überbetriebliche Kurse (ÜK) organisieren.

Die ÜK sollen dazu dienen, der zunehmenden Vielfalt beruflicher Anforderungen in einem heterogenen Arbeitsumfeld mit neuen technischen Herausforderungen gerecht zu werden.

Wenn man sich die I+D-Ausbildungsbetriebe in der Schweiz anschaut, versteht man warum:

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Angefangen vom Bundesarchiv und der Nationalbibliothek in Bern über diverse Staatsarchive, sowie Universitäts-, Hochschul-, Kantons- und Stadtbibliotheken, dem Schweizer Radio und Fernsehen bis hin zum Internationalen Roten Kreuz und dem europäischen Kernforschungszentrum CERN in Genf.

Folgende Handlungskompetenzen sollen laut Berufsbildungsverordnung in der neuen Ausbildung vermittelt werden:1. Fachkompetenz (FK): Erwerbung, Erschließung, Aufbewahrung, Instrumente

und Verfahren, Recherche, Administration, fachliche Kommunikation.2. Methodenkompetenz (MK): Arbeitstechniken, Beratungsmethoden,

Informations- und Kommunikationsstrategien, Kreativitätstechniken3. Sozial- und Selbstkompetenz (SSK): Lebenslanges Lernen, Eigenverantwortung,

Teamfähigkeit, Konfliktfähigkeit, Belastbarkeit, Zuverlässigkeit etc.

Diese Kompetenzen sollen laut Bildungsplan der Ausbildungsdelegation in sechs Stufen vermittelt werden:1. Wissen (gelerntes Wiedergeben) 2. Verstehen (Begreifen und Beschreiben) 3. Anwenden (konkretes Umsetzen) 4. Analyse (Untersuchung komplexer Strukturen)5. Synthese (Lösung konkreter, komplexer Problemfelder) 6. Beurteilung (Bewertung, Evaluierung)

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aus- unD wEItErBIlDungsansätzE für BIBlIothEkarInnEn DEr nE(x)t gEnEratIon

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EInstEIgEn, aufstEIgEn, vorankommEn: DurchhaltEn oDEr DurchstartEn?

strategien zum generationenWechsel in BiBliotheken

ulrike lang

In Bibliotheken steht ein massiver Generationenwechsel an. Vielerorts wurden in den letzten Jahren freiwerdende Stellen nicht oder nur verzögert nachbesetzt. Daneben hat sich die bibliothekarische Ausbildung inhaltlich und methodisch rasant verändert. Viel neues Wissen kommt fast täglich dazu, aber wird wirklich alles bisherige Wissen überflüssig? Und wie lernen die unterschiedlichen Altergruppen?

Die 8. Weltkonferenz der Sektion für Berufliche Fort- und Weiterbildung der IFLA hat sich - zum ersten Mal in Zusammenarbeit mit der New Professionals Special Interest Group - mit diesen Themen zur Schaffung einer positiven Arbeitsumgebung für eine multi-generationale Belegschaft vom 18. - 20. August 2009 in Bologna eingehend beschäftigt. Aufgezeigt werden sollten dabei Best practice-Beispiele von Strategien zur Regeneration des Berufsstandes anhand von wissenschaftlich belegten Studien wie auch Erfahrungs- und Erfolgsberichten aus unterschiedlichsten Institutionen.1

iN Der liTeraTUr UNTerscheiDeT MaN FolGeNDe WerkTäTiGe alTersGrUPPeN:

• Veterans:1920–1945geboren.DieseGruppeistinderBundesrepublikmeistnichtmehr berufstätig, in amerikanischen Bibliotheken gibt es jedoch eine Vielzahl von Arbeitskräften, die 70 Jahre und älter sind und auf Grund der schlechten sozialen Absicherung arbeiten müssen oder wollen. Diese Gruppe ist regelhaft von ihrer eigentlichen Tätigkeit schon pensioniert und arbeitet jetzt meist in Teilzeit. In ihrer beruflichen Erfahrung stand der gedruckte Katalog im Mittelpunkt.

• BabyBoomers:1946–1964geboren.IndenmeistenBibliothekenwohldiegrößte Gruppe. Etliche sind kurz vor dem Eintritt in das Rentenalter oder habe es kürzlich erreicht. Beschrieben werden sie als idealistisch und unabhängig.

1 strategies for regenerating the library and information profession. münchen 2009. (ifla publications. 139).

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In ihrer Amtszeit wurde der Wandel von geschlossenen zu Freihandmagazinen vollzogen, aber auch sie haben immer noch ein innniges Verhältnis zum gedruckten Bibliothekskatalog.

• Generation X: 1965 – 1980 geboren. Sie gelten als anpassungsfähig beiVeränderungen, selbstbewusst, aber auch misstrauisch gegenüber Autoritäten. Mit ihnen sind Computer, email und Datenbanken in die Bibliotheken eingezogen.

• GenerationYoderMillennials:nach1981geboren(mancheWissenschaftlersetzen hier die Grenze 1978 – 1994 ). Auch die Bezeichnung Digital Natives ist gebräuchlich, da sie komplett im Umfeld von Internet und modernen Kommunikationsmitteln aufwachsen. Sie werden als hilfsbereit und sensibel gegenüber unterschiedlichen Kulturen beschrieben. Ihr beruflicher Alltag ist geprägt vom Internet, web 2.0 und Nachfolgern.

Wie UNTerscheiDeT sich NUN Das lerNVerhalTeN Der GeNeraTioN y VoN DeM aNDerer GeNeraTioNeN?

• Multitasking.FürältereGenerationengalt:mankannsichnichtkonzentrieren,wenn nebenher Musik läuft. Heute ist es fast selbstverständlich, dass eine Unterhaltung geführt wird, gleichzeitig auf dem Handy SMS verschickt werden oder der MP3 Player Musik ins Ohr überträgt. Auf dem PC sind zahlreiche Fenster mit unterschiedlichen Chats geöffnet, die gepflegt und fortgesetzt werden, während man dennoch (konzentriert) arbeitet.

• Immeraktiv.SieverbringenvielZeitmitSuchen,Lesen,Organisieren,aberbitteschön immer im Internet und nur digital.

• Privatspärewirdgeschätzt,istabereineIllusion,durchdieVielzahlderPlattformenwie Facebook, Xing, StudiVZ, Twitter usw., denen man natürlich angehört. Die wachsende Community, der fast unüberschaubare „Freundeskreis“ ist dabei eher anregend als abschreckend.

• SkeptischgegenüberAutoritäten.DanebengiltdaspolitischeInteressederGruppeeher als unterentwickelt. Sie arbeiten lieber in virtuellen Teams als in strengen Hierarchien.

• Spaß.NichtnurdieFreizeit,auchdieArbeitmussSpaßmachen,damitsienichtdas Interesse daran verlieren. Und Spass bedeutet immer auch Innovationen im

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Bereich des Internets und der Technik. Daneben sind sie multikulturell, weltoffen und arbeiten zusammen ohne Beachtung herkömmlicher Rollen, ethnischer Herkunft oder Geschlecht.

• SichSelbstbeweisenundEntwickeln.WirdhäufigwichtigergenommenalsdieBezahlung. In Einstellungsverfahren ist zu beobachten, dass nur bei Gewährleistung z.B. bestimmter technischer Möglichkeiten am Arbeitsplatz eine Bewerberzusage erfolgt, im Umkehrschluss kein Interesse mehr an einer Einstellung besteht, wenn bestimmte Voraussetzungen nicht gegeben sind. Übrigens im Gegensatz häufig zur Generation der Baby Boomers, die manche Abstriche bezüglich Abwechslung am Arbeitsplatz hinnahmen, wenn denn die Bezahlung stimmte. Entscheidend für eine Stellenzusage bei der älteren Generation sind eher Ort, Sicherheit und die Höhe der Bezahlung.

• AusgeglichenesLeben.DerJobwirdordentlichausgeführt,abernichtrundum

die Uhr. Es muss auch noch Platz für Fitness, Chillen, Freunde treffen, Freizeit allgemein und weitere, andere Interessen bleiben.

• WechselnderLebensplan.DieGenerationYkannnichtmehrdavonausgehen,dass sie ihren erlernten Beruf bis zum Ende der Berufstätigkeit ausführen wird. Das lebenslange Lernen hat dadurch einen ganz anderen Stellenwert in der heutigen Gesellschaft, als bei der Generation Baby Boomers und selbst Generation X. Eine Vielzahl von befristeten Arbeitsangeboten, sowie stetige Vernetzung aller Dienstleistungen im Betrieb und Ablauf fordern die ständige Weiterbildung in unterschiedlichsten Bereichen und erschwert die familiäre Lebensplanung.

Die ältere Generation gilt als besserer Problemlöser, da sie mehr Lebenserfahrung besitzt und wird als loyal geschätzt.

Eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) mit dem Titel „faltig aber fit und fix“2 brachte gerade überraschende Ergebnisse einer Befragung der Führungsetagen in deutschen Betrieben zutage, die ein deutlich besseres Ansehen älterer MitarbeiterInnen offenlegte, als landläufig angenommen. So setzen rund 56 % der Betriebe auf altersgemischte Arbeitsteams, um älteren KollegInnen aktuelles Fachwissen durch die Jüngeren zu vermitteln, die wiederum die Erfahrungen der Profis frei Haus geliefert bekommen.3

2 Ältere Beschäftigte – faltig aber fit und fix. iwd – informationsdienst des instituts der deutschen Wirtschaft köln nr. 48 vom 26. november 2009.

3 isabel fleck, david Bawden: the information professional: attitudes and images. in: Journal of librarianship and information science, Vol. 27 (1995), no. 4, 215-226.

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Die in Bologna vorgestellten Beispiele beschäftigten sich mit der Rekrutierung der neuen, jungen Generation in Bibliotheken, ihrer Einführung in Führungsaufgaben, Mentoring und Coaching als Begleitung, sich kontinuierlich entfaltende Karriere-kurven und Changemanagement.

Einige Vortragende betonten die Notwendigkeit einer Karriereplanung, was durch die bereits oben geschilderten nicht planbaren Faktoren durchaus schwierig sein kann. Fort- und Weiterbildung müssen jedoch kontinuierlich und zukunftsgerichtet geplant werden und bedürfen deshalb des Daches einer lebenslangen Zukunftsvorstellung, damit die angestrebten Kenntnisse nicht sprunghaft nur am Bedarf der gerade aktuellen Tätigkeiten ausgerichtet sind. Generationenwechsel kann auch starke Auswirkungen auf die Strukturen der Hierarchie haben, wenn z.B. die Führungskraft durch die Generation Y ersetzt wird, der Personalstamm aber weiterhin den älteren Generationen angehört.

Wichtig ist, dass beide Seiten sich ernst nehmen, Vorschläge und Lösungen offen diskutieren, sich gegenseitig Aufgaben übergeben und die Ergebnisse der anderen auch akzeptieren. Energie und Veränderungswille können positiv von den älteren MitarbeiterInnen aufgenommen werden, wenn man ihnen auch die Zeit lässt, sich darauf einzustellen und sich mitgenommen zu fühlen, z.B. in dem sie stark in Projekte eingebunden sind und diese auch aktiv mitgestalten können. Dies gilt allerdings nicht nur für den Aspekt des Altersunterschiedes, sondern generell für Führung.

Gestört sein mag der non-verbale Dialog zwischen den Generationen, da sich sowohl Sozialisation als auch Erziehung verändert haben. Was manch Älterer heutzutage als unhöfliches Verhalten interpretieren mag, ist für die Jüngeren normaler Umgangston; die Kommunikationsstörungen sind so vorprogrammiert. Dabei ist nachvollziehbar, dass Personen, die überwiegend online lernen und kommunizieren, ein anderes Sozialverhalten als traditionell lernende und arbeitende MitarbeiterInnen haben. Es gilt also bei der Kommunikation unter unterschiedlichsten Aspekten genau darauf zu achten, wem man was und wie vermitteln will und dabei spielt das Alter durchaus eine Rolle.

Hilfreich für neue Führungskräfte kann ein innerbetriebliches Mentorenprogramm sein, dessen Gelingen durch folgende Faktoren bestimmt werden:• freier Wille zur Zusammenarbeit auf beiden Seiten, die „Chemie“ muss

stimmen • FeedbackundOffenheitüberdie„Leistungen“• keinezeitlicheBegrenzung

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• VertrauenimgeschütztenBereich.Fragensindmöglich,ohne,dasseineMessungdaran erfolgt

• derMentormussinderLagesein,aufGrundvonWissenundErfahrungzuhandeln

Mentoring ist sinnvoll nicht nur für „die Neuen“, sondern für die gesamte Arbeit, die Institution, das Wissen und das Selbstverständnis, aber auch für das Hinterfragen von Arbeitsschritten und – vorgängen, während man sie anderen erklärt.

Dabei gilt der Grundsatz: Jeder ist für sein eigenes Lernen verantwortlich, aber auch das Management für das Lernen in der Gesamtheit der Organisation oder des Systems. Die Leitung einer Einrichtung muss für die notwendigen Freiräume aller sorgen.

Eine IFLA Studie von 1992 kam zu dem Schluss, dass das Image und das Ansehen von Bibliothekaren niedrig ist, was sich auch in niedrigen Gehältern niederschlagen würde. Daneben schlussfolgerten die Autoren Isabel Fleck und Daniel Bawden nach einer Befragung von Bibliotheksnutzern 1995: „Der bibliothekarische Karrierepfad führt nicht sehr weit. Die Profession ist nichts für dynamische und aktive Menschen. Gesucht wird mehr der hilfsbereite Typ.“ Schaut man sich dagegen heute an, welche Kompetenzen von Bibliotheksverbänden wie IFLA, ALA, SLA usw erwartet werden, zeigt sich ein anderes Bild.

Als Ergebnis insgesamt bleibt: Alte und Junge lernen nicht unbedingt gleich, ja noch nicht einmal innerhalb einer Generation. Lernen ist immer individuell, was die für berufliche Fort- und Weiterbildung Verantwortlichen durchaus vor Probleme stellt, denn man wird sich überlegen müssen, das gleiche Thema möglicherweise auf unterschiedliche Art und Weise zu präsentieren. Nicht mehr nur als Vortragsveranstaltung oder Workshop, sondern auch als Selbstlernkurs im Internet oder Intranet. Und selbst die Zeiten des Angebotes sollten vielfältig den individuellen Bedürfnissen angepasst sein.Daneben kann es sinnvoll sein, Seminare auch nach Altersgruppen oder Geschlechtern getrennt anzubieten, wie z.B. EDV-Kurse oder Persönlichkeitskurse, in denen sich TeilnehmerInnen mit gleichen Voraussetzungen wohler fühlen können.Altersgemischte Arbeitsteams scheinen insgesamt erfolgversprechend zu sein.

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DIEnstlEIstungEn für BIBlIothEkEn DEr nE(x)t gEnEratIon

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unIfIED rEsourcE managEmEnt: DEr wEg zur BIBlIothEks-automatIsIErung DEr nächstEn gEnEratIon

aXel kaschte

Einhergehend mit sich verlagernden Benutzerbedürfnissen und –erwartungen, veränderter Wirtschaftslage, Technologiefortschritt und dem wachsenden Druck globaler Informationsdienste außerhalb der Bibliothekswelt, befinden sich Bibliotheken heutzutage inmitten einer Welt des Wandels: viele Bibliotheken müssen ihren Handlungsauftrag innerhalb einer Institution neu formulieren und transformieren.

WelT Des WisseNs

Dem Begriffsmodell der nächsten Generation liegt die Auffassung zugrunde, dass die Welt des Wissens, wie sie von den Bibliotheken gehandhabt wird, expandiert, und zwar nicht nur in Größe sondern auch an Reichweite. Die Bibliotheksmedien lassen sich deutlich in zwei Domänen gliedern: physisch und digital (oder elektronisch), jede mit einer Vielzahl unterschiedlicher Geschäftsgangabläufen. Diese Situation mündet im Bedürfnis nach einer einheitlichen Zusammenstellung von Diensten, die die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der verschiedenen Medienarten abdecken. Das beinhaltet das Bedürfnis, die Ressourcen nicht nur zu verwalten, sondern im Falle digitaler Materialien, diese aufzubewahren und die zukünftige Nutzbarkeit zu gewährleisten.

Zusätzliche Ressourceattribute setzen ebenfalls entsprechende Verarbeitungsprozesse für Bibliotheksmaterialien voraus – Materialien, die eine Bibliothek selber besitzt, werden z.B. normalerweise anders verwaltet als solche, deren Zugang über eine externe Quelle erfolgt. Darüber hinaus wird das Bibliothekspersonal mit neuen Herausforderungen konfrontiert durch die Menge und Qualität von kostenlosen Ressourcen, die online verfügbar sind, und neue Geschäftsmodelle, z.B. benutzergesteuerte Erwerbung bei E-Books und anderem Content sowie Open Access Publishing. Solche Herausforderungen muss ein Rahmenkonzept der nächsten Generation in einer vereinheitlichten Weise adressieren.

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Dies resultiert in einem Bedürfnis nach einer Balance zwischen den globalen Aspekten einer “world of knowledge” mit den lokalen Aspekten der Entstehung und Verbreitung, die durch Kultur, Erbe und Spezialisierung beeinflusst sind. In gewisser Weise bildet das System der nächsten Generation die digitalen Regale der Bibliothek der Zukunft, in der die Bestände und der Zugang zu Information im globalen Kontext gemanagt werden.

Das sTraTeGische rahMeNkoNzePT VoN ex libris

Mit der Einführung 2007 von Primo® entkoppelte Ex Libris die Unified Resource Discovery and Delivery Platform (URD), um einen einfachen und einheitlichen Zugang zu lokalen und externen Ressourcen bereit zu stellen. Dieser Ansatz ermöglicht das Suchen von Ressourcen über eine Vielzahl von Repositorien, wobei die Komplexität der Bereithaltung dieser Vielzahl von verschiedenen Systemen für den Endnutzer nicht spürbar ist.

Zusätzlich zu der Entkopplung der Front-End Dienste hat Ex Libris frühzeitig den Nutzen der Entkopplung und Zentralisierung der Datendienste erkannt. Ein Beispiel hierfür ist der Link Resolver SFX, der auf einer zentral geführten Knowledge Base basiert, und der neue zentralisierte Empfehlungsdienst bX® wie auch der gegenwärtig entwickelte zentrale Indexdienst Primo Central® für elektronische Ressourcen.

Ex Libris führt diesen Ansatz nun konsequent fort in der Automatisierung der Geschäftsgänge in der Bibliotheksverwaltung, dem sogen. Back Office, durch eine Neuentwicklung aller Dienste für ein Unified Resource Management (URM), das auf diesem neuen Rahmenkonzept und der neuesten Technologie basiert.

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UrM haUPTPriNziPieN

Die URM Entwicklung geht davon aus, dass Bibliotheken nicht nur Dinge anders, sondern auch andere Aufgaben bewerkstelligen müssen. Die Ziele sind, die laufenden Workflows zu verbessern, die Gesamtbetriebskosten durch Kollaboration und Arbeitsteilung zu senken und die Rolle der Bibliothek in einem neuen globalen Forschungs- und Lernumfeld zu stützen. Dies alles soll in einer offenen, ausbaubaren Umgebung stattfinden, die mit den Bibliotheksbedürfnissen wachsen kann.Insbesondere wird URM: • dieBibliothekenindieLageversetzen,‘Mehr’mit‘Weniger’zuerreichendurch

die Konsolidierung des Geschäftsgangs und der Integration von Back-Office-Prozessen aller Materialien unabhängig von Typ, Format und Erwerbungsart;

• dieZusammenarbeitüberInstitutionsgrenzenhinwegundmitdenAkteurender Bibliothekswelt unterstützen und fördern;

• die serviceorientierte Architektur und ein komponentenbasiertes Designnutzen, um ein modulares, ausbaufähiges Rahmenkonzept zu liefern, das mit den Bibliotheksbedürfnissen wachsen kann;

• dieBibliotheksprozesseindieAdministrations-,Technologie-undForschungs-infrastruktur der Mutterorganisation integrieren;

• OptionenfüreineImplementierungaufNetzwerkebeneodereinemSoftware-as-a-Service anbieten, um den Nutzen zentralisierter Datenservices auszuschöpfen und den Softwareeinsatz zu vereinfachen.

VereiNheiTlichTe WorkFloWs

URM erlaubt es dem Bibliothekspersonal eine integrierte Umgebung zu nutzen, um• Aufnahme, Speicherung undLangzeitzugang zu allen lokal gespeicherten

digitalen Materialien erledigen;• Erwerbung,AktivierenunddenkontrolliertenZugangzuexternendigitalen

Ressourcen zu kontrollieren;• dengesamtenLebenszyklusvonphysischemMaterialvonderAuswahlbiszur

Ausleihe zu verwalten, während die allgemeinen Funktionalitäten in allen Stufen der Metadatenverwaltung mit anderen genutzt werden.

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UrM koNzePTioNsMoDell

Innerhalb von URM werden die lokalen Bestände einer Bibliothek als Institutionsinventar gekennzeichnet. Eine Anzahl von Applikationen, die die Verwaltung von print, elektronischen und digitalen Ressourcen in den Bibliotheksbeständen unterstützen, umgeben das Inventar – Auswahl, Erwerbung, Zustellung (beinhaltet auch die Ausleihe von physischem Material) usw. URM unterstützt den entsprechenden Geschäftsgang für jede Art von Medium, ob print oder digital, selbstbesitzend oder zugänglich, lizenziert oder frei.

Web serVices

Das URM Rahmenkonzept selbst ist in der IT Infrastruktur der übergeordneten Organisation der Bibliothek eingebettet. Indem Online-Schnittstellen durch offene Standards unterstützt werden, können Bibliotheken Kommunikationsmechanismen erstellen, die nahtlosen, just-in-time Zugang zu extern angebotenen Services und Daten anbieten.

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beNUTzerserVices

In den traditionellen integrierten Bibliothekssystemen ist das Benutzermanagement sehr eng mit dem Inventarmanagement verbunden und die Benutzerdaten sind in den meisten Systemen Bestandteil der Ausleihverwaltung. Das URM Rahmenkonzept separiert den Benutzer vom Inventar und führt eine neue Komponente im Benutzermanagement ein, die ressourceorientierte Services mit benutzerorientierten Services verbindet.

MeTaDaTeN-MaNaGeMeNTserVices

Bibliotheken wollen Daten auf globaler Ebene nutzen – deskriptive Metadaten, Know-ledgeBase-Daten, Nutzungstrends u.a. – die für alle Institutionen gleichartig sind.

Das URM Rahmenkonzept führt eine globale Umgebung für Daten Services ein. Einer der Hauptservices ist die Bereitstellung eines zentralisierten Metadatenmanagementsystems (MMS), eine Infrastruktur, die neue Arbeitsmodelle für bibliographische und andere deskriptive Information ermöglicht.

Bestehend aus Metadaten aus einer Vielzahl von Quellen, pflegt das MMS die allgemeine bibliographische Beschreibung, während das Inventar jegliche bibliotheksspezifische Information enthält inklusive Abonnements elektronischer Zeitschriften und anderer Ressourcen.

Das Design des MMS stellt Bibliotheken mehrere Optionen zur Metadaten-bearbeitung bereit, von bibliothekskontrollierten Katalogen ähnlich der heutzutage verwendeten integrierten Bibliothekssysteme bis hin zu vollständig gemeinsam genutzten „Community“-Daten. In der Umgebung der „Community Zone“ verlinken Bibliotheken zu dem gemeinsam genutzten Datensatz. Die meisten Bibliotheken werden voraussichtlich ein „hybrides“ Modell nutzen, wo einige Inventarexemplare mit bibliothekskontrollierten Metadaten verknüpft sind (z.B. aus dem alten Bibliothekssystem kommend) und andere Inventarexemplare mit den „Community“-Datensätzen direkt verlinkt sind (z.B. neu erstellte Datensätze).

Für die Version 1 von URM beinhaltet der Katalog der Community Zone die Daten von zwei Primärquellen:• Nationale oder regionale bibliographische Serviceanbieter (z.B. Deutsche

Nationalbibliothek oder Library of Congress). Dublette Datensätze werden aus diesen Quellen zusammengeführt.

• IndividuelleLibraryZoneKataloge.

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Die Architektur von URM und MMS ermöglicht es individuellen Bibliotheken, mit unterschiedlichen MMS Katalogen zu arbeiten. Es ist für ein einzelnes Bibliotheksinventar möglich, mehrere Library Zone Kataloge für beschreibende Metadaten zu benutzen.

Die geplanten Such- und Finde-Mechanismen für Metadaten beinhalten Webservices und APIs (z.B. die Nutzung der WorldCat APIs), SRU/SRW und Z39.50.

Zusätzlich zu bibliographischen Daten bietet der Community Katalog Zugang zu voll umfänglichen Normdaten und eliminiert die Notwendigkeit einzelner Bibliotheken oder Verbünde, Normdaten lokal zu speichern und vorzuhalten.

Wichtig ist, dass jederzeit die Bibliothek die Besitzerin ihrer Metadaten ist.

PUblikaTioNskoNTrolle

Das URM Konzeptmodell ermöglicht den Bibliotheken das Verwalten ihres Inventars in Hinsicht auf Publizierung und Verbreitung zu Such- und anderen Benutzerplattformen. Eine besondere Funktion des Publikationsservices ist der automatische Upload aller inventarbezogenen Metadaten einer Bibliothek in externe bibliographische Programme (z.B. WorldCat) inklusive regelmäßiger Laderoutinen neuer Datensätze.

soFTWare als serVice

URM ist konstruiert gemäß den Spezifikationen des “Cloud Computing” und wird von Ex Libris als „Software-as-a-Service“ eingerichtet.

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roseTTa – eiN UrM ProDUkT

Die Zukunft in Bibliotheken wird digital sein, d.h. Aufbewahrung und Management von digitalen Objekten. Nationalbibliotheken sammeln digital publizierte Pflichtexemplare und digitalisieren nationales Kulturgut. Es gibt gänzlich neue Bereiche, in denen Bibliotheken bis dato nicht aktiv waren, z.B. Forschungsrohdaten und Publikation von Forschungsergebnissen.

Rosetta® ist eine Softwarelösung für das digitale Medienmanagement und seine Langzeitarchivierung und verwendet die URM Technologie. Die Nationalbibliothek Neuseelands benutzt diese für Pflichtexemplarverwaltung, Digitalisierung nationalen Kulturguts und Website Harvesting.

ex libris sTraTeGie Der oFFeNeN PlaTTForM

Um die zukünftige Ausbaufähigkeit von URM-Funktionen und Kundenservices sicher zu stellen, wird große Bedeutung der Ausbaufähigkeit von Services gewidmet. Um dieses Ziel zu erreichen, spielt URM eine wichtige Rolle im Programm der Offenen Plattform. Die 2008 gestartete Ex Libris Strategie der Offenen Plattform schreibt die Produktoffenheit als strategische Ausrichtung als einen der Grundwerte der Firma fest. URM wird Schnittstellen zu all denjenigen Services anbieten, die intern zur Verwendung durch die Anwender genutzt werden, die ihr System erweitern möchten. Zusätzlich gibt es Plug-ins, Adapter und Richtlinien im Geschäftsgang, die genutzt werden, bestehende Workflows zu verändern, um individuellen Anforderungen zu genügen.

NichT NUr NeUe WeGe soNDerN NeUe DiNGe

Die sich verändernden Bibliotheksbedürfnisse erfordern ein neues Rahmenkonzept, um nicht nur neue Wege für heutige Aufgabenstellungen zu unterstützen, sondern neue Arten von Bibliotheksservices und –funktionen zu ermöglichen. Bibliotheken müssen zukünftig neue Services anbieten und unterstützen – E-Learning, Organisieren und Managen von Forschungsinformationen, sich stärker Integrieren mit anderen Institutionen mit speziellen Kulturgutpflegeaufträgen usw. Mit dem durch Ex Libris bereitgestellten erweiterbaren Rahmenkonzept werden Bibliotheken imstande sein, ihren Arbeitsauftrag auszuweiten, um ein breiteres Wissensspektrum und breitere Informationsmanagementservices ihren übergeordneten Institutionen und Einrichtungen anzubieten.

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vErBEssErtEr sErvIcE Durch vErnEtzung von DIEnstlEIstungEn am BEIsPIEl von ElEktronIschEn zEItschrIftEn unD DatEnBankEn

eVelinde hutzler

Für eine moderne Literatur- und Informationsversorgung stehen heute verschiedene Bibliotheksdienstleistungen im Internet zur Verfügung. So sind beispielsweise die Elektronische Zeitschriftenbibliothek (EZB) oder das Datenbank-Infosystem (DBIS) zwei Dienstleistungen, die von der Universitätsbibliothek Regensburg speziell für die Nutzung von E-Zeitschriften bzw. Datenbanken entwickelt wurden und schon seit einigen Jahren hohe Akzeptanz bei ihren Nutzern finden. EZB und DBIS stehen aber nicht nur als eigene Dienstleistungen zur Verfügung, sondern sind inzwischen vielfältig mit anderen digitalen Diensten vernetzt. Durch die unterschiedlichen Formen der Vernetzung wird die Nutzung elektronischer Zeitschriften und von Datenbanken wesentlich erleichtert.

1. ezb UND Dbis als DieNsTe zUr NUTzUNG VoN e-zeiTschriFTeN UND DaTeNbaNkeN

Die Elektronische Zeitschriftenbibliothek1 und das Datenbank-Infosystem2 sind als kooperative Systeme in der Bibliotheks- und Informationswelt fest etabliert und werden intensiv genutzt. Dies kann anhand einiger Eckdaten mit Stand vom März 2010 belegt werden.

So ist die EZB mit ca. 48.000 E-Zeitschriften und zusätzlich etwa 60.000 Volltextzeitschriften aus Aggregatoren nach wie vor die größte Datenbank für wissenschaftliche E-Zeitschriften. Erreicht hat sie diesen Stand nur durch die Zusammenarbeit der mehr als 500 Anwenderbibliotheken in 10 Ländern. Die hohe Akzeptanz der EZB bei ihren Nutzern zeigt sich in hohen Nutzungszahlen. Allein im Jahr 2009 konnten über 19 Millionen Titelnutzungen in der EZB gezählt werden.

1 ezB: http://ezb.uni-regensburg.de.2 dBis: http://www.bibliothek.uni-regensburg.de/dbinfo.

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Auch das Datenbank-Infosystem erfreut sich eines kontinuierlichen Zuwachses. Die Anzahl der Literatur- und Fachdatenbanken ist auf über 8.000 angewachsen, gesammelt von mehr als 200 Anwenderbibliotheken. Und mit 8,1 Millionen Datenbanknutzungen im Jahr 2009 findet auch DBIS bei seinen Nutzern großen Anklang.

Die beiden Systeme sind nicht nur in einer großen Anzahl von Bibliotheken und Forschungseinrichtungen als lokale Services im Einsatz, sondern auch vielfältig mit anderen digitalen Diensten vernetzt.

2. VerNeTzUNG VoN ezb UND Dbis MiT aNDereN DieNsTeN

Eine Form der Vernetzung bieten die XML-Ausgabeformate für EZB und DBIS. Auf der Grundlage dieser XML-Ausgabeformate können Anwenderbibliotheken oder andere Diensteanbieter, wie z.B. die von Virtuellen Fachbibliotheken oder von Bibliotheksportalen, EZB und DBIS in ihre Systeme als modulare Bestandteile für die Nutzung von E-Zeitschriften und Datenbanken integrieren.

2.1. ezb UND Dbis als MoDUle aNDerer DieNsTe

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Die Möglichkeiten der modularen Integration von EZB und DBIS kann anhand von einigen ausgewählten praktischen Beispielen dargestellt werden. So ist die EZB z.B. in die Virtuelle Fachbibliothek „Germanistik im Netz“3 integriert.

In dieser Virtuellen Fachbibliothek gibt es die Funktion, nach elektronischen Zeitschriften zu browsen. Wählt man diese Option, bekommt man eine Liste von elektronischen Zeitschriften aus dem Fach Germanistik aus der EZB präsentiert, in der der Nutzer der Virtuellen Fachbibliothek blättern kann. Zudem bekommt der Nutzer auf der Basis der Prüfung von IP-Adressen lokale Lizenzinformationen aus der EZB angezeigt, sofern er sich im Netz einer EZB-Anwenderbibliothek befindet, für die der gültige IP-Adressenbereich in der EZB hinterlegt ist.

Die Vorteile einer solchen modularen Integration der EZB liegen auf der Hand. Die Metadaten zu den Zeitschriften stammen aus der EZB und werden dort kooperativ von allen EZB-Anwenderbibliotheken gepflegt. Durch die Einbindung der EZB in die Virtuelle Fachbibliothek stehen sie zugleich den Nutzern dieses Dienstes ohne Wechsel der Benutzeroberflächen zur Verfügung. Diese Form der Integration nutzen inzwischen einige Virtuelle Fachbibliotheken, Fachportale oder Bibliotheksportale.

Auch das Datenbank-Informationssystem kann durch eine XML-Ausgabe ähnlich wie die Elektronische Zeitschriftenbibliothek in Drittsysteme als Modul für die Nutzung von Datenbanken integriert werden.

So sind sowohl die EZB als auch das DBIS beispielsweise in das Bibliotheksportal der USB Köln4 an mehreren Stellen eingebunden. Die EZB ist in die Suche des Bibliotheksportals integriert. Auf diese Weise kann der Nutzer des Bibliotheksportals E-Zeitschriften gemeinsam mit anderen Medien suchen und nutzen. Die Ergebnisse der Suche stammen aus der EZB, werden aber gemeinsam mit anderen Treffern in der Nutzeroberfläche des Bibliotheksportals präsentiert. Zugleich ist es möglich, die Suche auf Zeitschriften einzuschränken. Daneben besteht die Möglichkeit, speziell in Fachlisten von E-Zeitschriften oder Datenbanken zu blättern oder gezielt nach E-Zeitschriften und Datenbanken zu suchen. Auch hier stammen die Daten aus der EZB bzw. aus DBIS.

3 germanistik im netz: http://www.germanistik-im-netz.de/.4 Bibliotheksportal der usB köln: http://www.ub.uni-koeln.de/.

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Diese Beispiele verdeutlichen, dass EZB und DBIS als Module vollständig in das Bibliotheksportal integrierbar sind und dadurch eine integrierte Nutzung von E-Zeitschriften und Datenbanken in einem Drittsystem möglich ist.

2.2. VerNeTzUNG DUrch DeN ezb-liNkiNGDieNsT

Eine andere Möglichkeit, die EZB zu vernetzen, bietet der EZB-Linkingdienst, den die Universitätsbibliothek Regensburg seit einigen Jahren in Betrieb hat. Eingebunden in Drittsysteme ermittelt dieser EZB-Linkingdienst die Verfügbarkeit von E-Zeitschriften und bietet eine Verlinkung auf die Inhalte von Zeitschriften an. Genutzt wird der EZB-Linkingdienst in verschiedenen Informationssystemen wie etwa in Fachportalen oder in Literaturdatenbanken.

Er ist beispielsweise in MEDPILOT5 integriert. Nach einer Recherche in MEDPILOT werden die Treffer angezeigt. Bei den Treffern werden EZB-Links angeboten, sofern ein recherchierter Aufsatz in einer E-Zeitschrift erschienen ist, die in der EZB verzeichnet ist. Die Icons für den EZB-Link zeigen zugleich die Ampelfarbe der EZB an. Dadurch kann der Nutzer von MEDPILOT auf einen Blick erkennen, ob er Zugriff auf den Artikel hat.

5 medpilot: http://www.medpilot.de/.

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Klickt der Nutzer in MEDPILOT auf den EZB-Link, wird er auf eine EZB-Webseite mit Verfügbarkeitsinformationen für den gewünschten Aufsatz geführt. Hier erhält er detaillierte Informationen über die Zugänglichkeit des Aufsatzes für die EZB-Anwenderbibliotheken. Darüber hinaus bietet die EZB in vielen Fällen auf Basis der OpenURL-Technologie einen direkten Link zum Aufsatz an.

Die EZB kann für etwa 18.500 Zeitschriften von über 40 Verlagen bzw. Anbietern eine Artikelverlinkung anbieten. Zusätzlich hat die EZB bei ca. 55.000 Zeitschriften aus Aggregatoren (z.B, EBSO, Proquest) eine Artikelverlinkung realisiert. In den Fällen, in denen die EZB nicht direkt auf den Artikel verlinken kann, verweist sie auf die nächst höhere Ebene, also auf das Heft oder die Zeitschriftenhomepage. Der EZB-Linkingdienst ist derzeit in ca. 40 Dienste, wie z.B. in ReDI, in die DigiBib oder in Fachportale eingebunden.

Seit 2009 gibt es neben dem EZB-Linkingdienst einen weiteren Linkingdienst für Zeitschriften, den die EZB und die Zeitschriftendatenbank (ZDB) im Rahmen eines von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Projektes gemeinsam entwickelt und realisiert haben. Dieser gemeinsame Service von ZDB und EZB namens „Journals Online & Print“ ( JOP)6 bietet eine Verfügbarkeitsrecherche für

6 nähere informationen zu diesem dienst sind zu finden unter: http://www.zeitschriftendatenbank.de/services/journals-online-print.html.

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Zeitschriften bzw. Zeitschriftenaufsätze in elektronischer und gedruckter Form. Bei „Journals Online & Print“ ermittelt die EZB mit Hilfe ihres Linkingdienstes die Online-Verfügbarkeit einer Zeitschrift oder eines Aufsatzes und verlinkt auf die Volltexte. Zugleich ermittelt die ZDB die Verfügbarkeit von Printzeitschriften sowie die Online-Verfügbarkeit von Online-Zeitschriften, die nicht dem EZB-Profil entsprechen oder für Bibliotheken, die nicht an der EZB teilnehmen und ihre Lizenzdaten in der EZB hinterlegen. Auch „Journals Online & Print“ kann ähnlich wie der EZB-Linkingdienst in Drittsysteme eingebunden werden. Als Links können bei Zeitschriftentiteln oder Zeitschriftenaufsätzen Icons eingeblendet werden. Klickt man auf die Icons, werden dem Benutzer Verfügbarkeitsinformationen ausgegeben. Diese können durch eine XML-Ausgabe flexibel präsentiert werden. In der Standardversion werden die Verfügbarkeitsinformationen von „Journals Online & Print“ auf einer HTML-Seite angezeigt.

Auf dieser HTML-Seite wird dem Nutzer die Information aus der EZB geliefert, ob der Artikel online verfügbar ist. Zudem erhält er von der EZB den Link auf den Volltext der elektronischen Version der Zeitschrift, sofern die EZB eine Artikelverlinkung anbieten kann. Darüber hinaus liefert die ZDB detaillierte Bestandsangaben zur gedruckten Ausgabe. Konkret erhält der Benutzer aus der ZDB die Information, ob die Zeitschrift an der Bibliothek auch gedruckt vorhanden ist und die Signatur für die gedruckten Bestände. „Journals Online & Print“ bietet dem Nutzer somit die gesamte Information zur lokalen Verfügbarkeit der elektronischen und gedruckten Ausgabe in einer integrierten Form.

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Schließlich nutzt die EZB den Dienst „Journals Online & Print“ selbst, um in der EZB zusätzlich zur Online-Verfügbarkeit von E-Zeitschriften den Benutzer auch darüber zu informieren, ob die Zeitschrift vor Ort vorhanden ist und falls ja, wo sie in der Bibliothek zu finden ist. Auch dieses Beispiel zeigt, wie durch eine gezielte funktionale Vernetzung von Diensten Serviceverbesserungen erreicht werden können.

2.3. VerNeTzUNG DUrch sPezielle serVices UND schNiTTsTelleN FÜr aNDere DieNsTe

Die EZB stellt nicht allein mit ihrem Linkingdienst Serviceleistungen für Drittsysteme zur Verfügung, sondern bietet auch speziellen Service für andere Dienste und Schnittstellen zu anderen Diensten an mit dem Ziel, eigene Daten anderen Diensten zur Verfügung zu stellen und umgekehrt Informationen aus anderen relevanten Systemen in die EZB einzubinden.

2.3.1. DaTeNlieFerUNGeN aUs Der ezbIn diesem Kontext stellt die EZB Daten, insbesondere Lizenz- und Zugriffsinformationen, für Drittsysteme zur Verfügung. Zu nennen ist hier vor allem der gemeinsame Datenlieferdienst von ZDB und EZB. Bei diesem Dienst liefert die EZB Lizenzdaten für Online-Zeitschriften an die ZDB, um diese Daten gemeinsam mit den Katalogdaten der ZDB in gebündelter Form für Verbundkataloge und lokale Kataloge zur Verfügung stellen zu können. Daneben gibt es andere Anwendungen, die Lizenzdatenlieferungen aus der EZB für ihre Zwecke nutzen. So ist es z.B. möglich, für EZB-Anwenderbibliotheken Listen von lizenzierten Zeitschriften mit den jeweiligen Lizenzzeiträumen zu generieren und diese in anderen Diensten im Hintergrund für die Steuerung der Anzeige von EZB-Links bzw. für Verlinkungen auf Zeitschrifteninhalte zu nutzen. Konkret genutzt wird diese Form der Datenlieferung etwa bei Google Scholar oder für SFX.

2.3.2. schNiTTsTelle zU Pay-Per-VieW-aNGeboTeNIm Laufe des Jahres 2009 hat die Universitätsbibliothek Regensburg eine Schnittstelle zur Abfrage des Pay-per-View-Verzeichnisses von Verlagen realisiert, das die EZB bereits 2008 im Zuge der Änderung des deutschen Urheberrechtes (§53 a UrhG) in Kooperation mit dem Börsenverein des Deutschen Buchhandels geschaffen hat. Die Verlage haben dabei die Möglichkeit, ihre Pay-per-View-Angebote in einem speziellen Pay-Per-View-Verzeichnis der EZB7 nachzuweisen, um damit das im Gesetz geforderte Kriterium zu erfüllen, den Kauf von einzelnen Zeitschriften durch den Endkunden offensichtlich anzubieten. Diese Pay-per-View-Angebote der Verlage können in diesem Pay-per-View-Verzeichnis recherchiert und genutzt werden.

7 pay-per-View-Verzeichnis der Verlage in der ezB: http://ezb.uni-regensburg.de/ppVsearch.phtml.

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Für die Online-Abfrage dieses Pay-per-View-Verzeichnisses hat die EZB eine Schnittstelle erstellt, die seit Anfang April 2009 in Betrieb ist. Diese Online-Schnittstelle wird vom Dokumentlieferdienst subito genutzt, um zu prüfen, ob Pay-per-View-Angebote für eine Zeitschrift bestehen und abhängig vom Resultat dieser Anfrage die Konditionen für die Lieferart bzw. Lieferbedingungen für die Dokumentlieferung festzulegen. In dem Pay-per-View-Verzeichnis sind im März 2010 über 5.000 Zeitschriften mit Pay-per-View-Optionen von 25 Verlagen nachgewiesen.

2.3.3. ezb-schNiTTsTelle zU sherPa roMeoDas letzte Beispiel für die Vernetzung der EZB bewegt sich im Kontext von Open Access. Die Universitätsbibliothek Regensburg hat im Rahmen eines DFG-Projektes eine Verknüpfung von Sherpa RoMEO und der EZB hergestellt, um die Open Access Policies von Verlagen besser verfügbar zu machen. Dafür hat die Universitätsbibliothek Regensburg gemeinsam mit den Projektpartnern, der Universitätsbibliothek Stuttgart und dem Computer- und Medienservice der Humboldt-Universität Berlin, eine wechselseitige Verknüpfung von Sherpa RoMEO und EZB realisiert.

Ein wesentliches Ziel war es, Open Access Policies der Verlage in der EZB bei den Zeitschriftentiteln per Link verfügbar zu machen. Diese neue Funktion ist im Herbst 2009 in der EZB freigeschaltet worden. Auf den Detailseiten zu einem EZB-Titel können mit Hilfe eines Buttons die Open Access Policies des Verlages, von dem die Zeitschrift publiziert wird, abgerufen werden, sofern die Open Access Policy des Verlages in der Sherpa RoMEO-Datenbank erfasst ist.

3. FaziT

Die vorgestellten praktischen Beispiele verdeutlichen, dass das Datenbank-Infosystem und die Elektronische Zeitschriftenbibliothek bereits heute auf vielfältige Weise mit anderen digitalen Diensten vernetzt sind. Dadurch werden weitere Zugänge zu elektronischen Zeitschriften und Datenbanken parallel zur EZB und zu DBIS als eigene Dienste geschaffen und somit die Nutzung dieser elektronischen Medien in den verschiedenen Informationsumgebungen, in denen sich die Benutzer befinden, gefördert. Durch die Vernetzung ist es möglich, eigene Dienste mit Informationen aus anderen Systemen anzureichern. Umgekehrt können andere Dienste mit Informationen aus EZB und DBIS erweitert werden. Die Praxis zeigt, dass die flexible Nutzung von EZB und DBIS als Module in anderen Systemen sowie als Dienstleister im Hintergrund immer mehr zunimmt. Dies spricht dafür, die Vernetzung in Zukunft noch weiter auszubauen.

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DIgItalIsIErung

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sIchEr archIvIErEn – grEnzEnlos rEchErchIErEn – IntEllIgEnt nutzEn

phaidra – digitale langzeit-archiVierung an der uniVersitÄt Wien

susanne BlumesBerger

Einzigartig in Österreich verfügt die Universität Wien über ein gesamtuniversitäres Langzeitarchivierungssystem. Mit Phaidra (Permanent Hosting, Archiving and Indexing of Digital Resources and Assets, http://univie.ac.at/phaidra) können mehrsprachig ausführlich beschriebene und individuell lizenzierte Objekte wie Dokumente, Bilder, Audio- und Videofiles weltweit oder ganz gezielt mittels eines zitierfähigen permanenten Links zugänglich gemacht werden. Damit hat die Universität Wien eine Lösung in diesem Bereich entwickelt, die zusätzlich zu den eigenen Anforderungen auch richtungsweisend in anderen Bereichen, z.B. Open Access, ist.1

Die wichtigsten Eigenschaften von Phaidra sind Sicherheit, Offenheit, Vielseitigkeit, Flexibilität und BenutzerInnenfreundlichkeit.

PhaiDra bieTeT sicherheiT

Jedes in Phaidra geladene Objekt erhält einen permanenten Link, ist also wie eine Buchsignatur zitierbar. So bleiben digitale Inhalte immer wieder abrufbar. Sicherheit bietet Phaidra auch im Hinblick auf sich verändernde Formate. Ein „Best Practice Guide“2 regt an jene Dateiformate zu verwenden, die auch in Zukunft noch lesbar

1 näheres unter: http://phaidraservice.univie.ac.at2 http://phaidraservice.univie.ac.at/index.php?id=27661 Weitere informationen über phaidra: paolo Budroni und

susanne Blumesberger: „phaidra – digitale Bestände effizient aufbewahren“ http://www.dieuniversitaet-online.at/beitraege/news/phaidra/10.html, peter marksteiner: „phaidra. eine plattform für hochwertige digitale inhalte“, http://comment.univie.ac.at/08-1/19/ , peter marksteiner: „digitale reichtümer. Was ist ein digital asset management system und warum braucht die universität Wien eines?“ http://comment.univie.ac.at/07-1/34/ , peter marksteiner: „Von ultra-light bis extra-large Benutzungsberechtigungen nach maß“ http://comment.univie.ac.at/07-2/2/, susanne Blumesberger: phaidra – das innovative digital asset management system an der universität Wien http://fnm-austria.at/newsletter/file-repository/download/september08.pdf?file_id=189876, susanne Blumesberger: Wissen intelligent und sicher archivieren, verbreiten und nutzbar machen. phaidra - das innovative digitale langzeitarchivierungssystem der universität Wien. in: mitteilungen der VöB 62 (2009) 2, susanne Blumesberger: das kulturelle erbe - sicher und langfristig in phaidra. digitale langzeitarchivierung an der universität Wien. in: B.i.t. online zeitschrift für Bibliothek, information und technologie, 12 (2009), ausgabe 3, s. 294-296. http://www.b-i-t-online.de/pdf/bit/Bit2009-3.pdf.

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sein werden. Diese Dateiformate werden immer wieder automatisch in aktuelle Formate konvertiert. Sollte ein Objekt ausschließlich nur in einem anderen Format vorhanden sein, wird dieses – im Sinne der Sicherung des kulturellen Erbes – in der vorliegenden Form archiviert.

Sicherheit bedeutet aber auch, dass die NutzerInnen bestimmen können, wer ihre Objekte ansehen darf. Ausgehend vom Gedanken der Open-Access-Politik ist jedes in Phaidra geladene Objekt zunächst automatisch weltweit freigegeben, kann jedoch von den NutzerInnen sofort oder im Nachhinein auf einzelne Fakultäten, Personen und Personengruppen eingeschränkt werden. Eine weitere Sicherheit bieten die Lizenzen. In Phaidra besteht die Möglichkeit, anderen die Nutzung, insbesondere die Vervielfältigung, Verbreitung, Sendung, Zuverfügungstellung und Bearbeitung der Objekte durch eine Creative Commons Lizenz zu erlauben.3 Das Urheberrecht wird davon nicht berührt. Langfristigkeit und Sicherheit bedeuten auch, dass ein in Phaidra geladenes Objekt nicht mehr gelöscht werden darf.

PhaiDra – eiN oFFeNes sysTeM

Phaidra ist aus mehreren Gründen ein offenes System. Zunächst sind die Objekte weltweit sichtbar, mögliche Einschränkungen gibt es nur durch die Owner der Objekte. Auch der aktive Zugang ist sehr offen gestaltet, grundsätzlich können alle MitarbeiterInnen und Studierenden der Universität Objekte speichern. Aber auch für Außenstehende ist die aktive Nutzung des Systems möglich. MitarbeiterInnen der Universität Wien können einen „Light-Account“ vergeben, der berechtigt, Phaidra aktiv zu verwenden. Offenheit in Phaidra bedeutet weiters, dass das System über Schnittstellen verfügt. Neben dem Speichern einzelner Objekte ist in Phaidra auch das Hochladen großer Datenmengen über Maschinenschnittstellen möglich. So werden z.B. wertvolle Bücher der UB Wien der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt. Das Institut für Kunstgeschichte nutzt Phaidra, um umfangreiche Diasammlungen zu archivieren. Mehrere API-Schnittstellen wurden eingerichtet, um Phaidra „dialogfähig“ zu machen. Auf diese Weise gelangen auch die Objekte aus Phaidra in EuropeanaLocal Österreich (http://www.europeana-local.at/), dem Verbundportal für lokale und regionale Kultur- und Wissenschaftsdaten.

3 http://creativecommons.at.

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Die VielseiTiGkeiT VoN PhaiDra

Phaidra kann auf unterschiedlichste Art und Weise genutzt werden. Weltweit, ohne Einloggen kann man unter anderem nach Forschungsergebnissen, Bildern, Videos und Audiofiles bequem suchen. Eine umfassende Suche ist ebenso möglich wie eine gezielte und kombinierte Abfrage. Die gefundenen Objekte können abgerufen und je nach Lizenz weiterverwendet werden. Den aktiven Usern von Phaidra stehen viele Möglichkeiten, von denen hier nur einige genannt werden können, zur Verfügung:

1. Phaidra als Langzeitarchivierungssystem Für das sichere Archivieren und Wiederfinden wertvoller Daten steht ein

umfassendes Metadatenschema zur Verfügung. Die Objekte können detailliert beschrieben werden, die permanenten Links machen das Verwalten einfach. Eine große Anzahl ähnlicher Objekte kann über einen Bulk-Upload geladen werden.

2. Phaidra in der Lehre Das System eignet sich auch hervorragend, um im Lehrbetrieb eingesetzt werden

zu können. Speziell auf die Lehre abgestimmte Metadaten ermöglichen z.B. die Angabe von Lehr- und Lernzielen. Aufwändig gestaltete Filme können so archiviert per Link weiterverschickt werden. Innerhalb der Universität Wien ist es zusätzlich möglich, Gruppen von Studierenden einer Lehrveranstaltung zusammenzustellen und dieser Gruppe immer wieder gezielt Objekte zur Verfügung zu stellen. Durch die Möglichkeit, Sammlungen, so genannte Collections, zu bilden, können mehrere Objekte zusammengefasst werden und mit eigenen Metadaten versehen werden. Diese Sammlungen erhalten einen eigenen permanenten Link. So können ganze Lehrpakete zusammengestellt und nur mittels eines einzigen Links verschickt werden.

3. Phaidra als Veröffentlichungsplattform von Forschungsergebnissen Mit Phaidra ist es möglich, unkompliziert Forschungsergebnisse zu präsentieren,

in Form von Videos, Audiofiles, Bildern oder Texten. Die Links können rasch an Medien weitergegeben werden.

4. Der Phaidra Book-Viewer Die Universitätsbibliothek Wien stellt laufend digitalisierte alte, wertvolle und zum

Teil schonungsbedürftige und deshalb nicht mehr entlehnbare Werke in Phaidra, die mit einem speziell entwickelten Book-Viewer (siehe http://phaidra.univie.ac.at/o:19872) orts- und zeitunabhängig durchgeblättert und abgerufen werden können. Zahlreiche dieser Bücher sind mit der Möglichkeit der Volltextsuche ausgestattet.

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5. Videos in Phaidra Durch die Anbindung an den Streamingserver der Universität Wien können

auch Videodateien in Phaidra komfortabel angesehen werden.

Eine Spezialität von Phaidra ist der Objekttyp „Container“. Dabei werden unterschiedliche Dokumente gleichzeitig in Phaidra geladen und bilden zusammen ein eigenes Objekt. Der zusätzliche Nutzen liegt unter anderem in der Möglichkeit, mittels eines mithochgeladenen Programms Bilder in Bewegung zu setzen, um beispielsweise eine Münze um die eigene Achse drehen lassen und vieles mehr.

PhaiDra – eiN Flexibles sysTeM

Phaidra wurde an der Universität Wien mit fünf so genannten „Pilotpartnern“ entwickelt: VertreterInnen der Universitätsbibliothek, des Zentrums für Translations-wissenschaft, der Fakultäten für Informatik, Lebenswissenschaften und Physik brachten Anregungen ein. Durch die frühe Nutzung des Instituts für Kunstgeschichte und der Dienstleistungseinheit Öffentlichkeitsarbeit und Veranstaltungsmanagement wurden weitere unterschiedliche Anforderungen an das System herangetragen, was zu einer Fülle an Verwendungsmöglichkeiten von Phaidra führte.

Flexibilität heißt aber auch, dass die gespeicherten Objekte mehrfach genutzt werden können. Bei den archivierten Büchern besteht zum Beispiel die Möglichkeit, das gesamte Buch downzuloaden, bzw. den permanenten Link weiterzuverschicken, da jedoch jede einzelne Seite ebenfalls über einen permanenten Link verfügt, können auch diese einzeln zitiert, heruntergeladen, ausgedruckt oder weiterverschickt werden. Objekte können, wie schon erwähnt, zu Collections zusammengefasst werden, es können aber auch Sammlungen aus Sammlungen gebildet werden. Dabei ist es unerheblich, ob es sich um eigene oder fremde Objekte handelt. Eine Anwendungsmöglichkeit dafür wäre, für einen kunsthistorischen Vortrag im Ausland eine Sammlung an Bildern mit einer Sammlung an Fachbeiträgen und mehreren Videos zu einer eigenen übergeordneten Sammlung zu vereinen. Diese neue Sammlung kann mittels eines einzigen Links von der ganzen Welt aus aus dem Internet abgerufen werden, es muss nichts mehr abgespeichert und auf einem fremden Computer geladen werden. Den Vortragenden stehen alle Materialien vor Ort zur Verfügung. Solche Sammlungen sind für alle AnwenderInnen sichtbar, es sei denn die Benutzung wird – wie bei jedem anderen Objekt in Phaidra möglich – bewusst eingeschränkt.

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Eine flexible Handhabung der Daten zeigt sich auch in der Möglichkeit, Versionen eines Objektes zu kreieren. Damit können zum Beispiel Entwicklungen sichtbar gemacht werden. Kommen zu einem schon archivierten Forschungsbericht neue Ergebnisse dazu, wird dieser neue Bericht nicht als eigenes, unabhängiges Objekt sondern als Version des ersten Objekts hochgeladen. Die Metadaten werden dabei automatisch übernommen und können modifiziert werden.

Phaidra wird laufend optimiert, weitere Funktionen werden ergänzt.4 Ab April 2010 verfügt Phaidra über einen Book Importer. Der Phaidra Book Importer ermöglicht die eigene Erstellung eines Buches, eines Heftes, einer Broschüre, einer Zeitschrift usw. – d.h. ein eigenes Buch virtuell zu „binden“. Wie bei allen anderen Büchern in Phaidra kann auch das selbst hergestellte Buch im Phaidra Book Viewer angesehen werden, ebenso wie bei allen anderen Büchern kann es seitenweise oder zur Gänze gedruckt, als PDF-Datei, bzw. als Bild gespeichert und weiterverwendet werden. Sind OCR-Daten vorhanden, kann das selbst erstellte Werk auch komplett durchsucht werden. Es erhält den gleichen Status wie alle anderen Objekte in Phaidra, dadurch werden viele Verwendungsmöglichkeiten geboten, u.a. eignet sich dieser Objekttyp für Vorlesungsskripten, Projekt- und Tagesberichte – selbstverständlich wie in Phaidra gewohnt – lizenziert und individuell mit Rechten versehen.

PhaiDra – beNUTzeriNNeNFreUNDlich

Phaidra ist aus mehrerer Hinsicht bedienerfreundlich:1. Weltweiter Zugang zu archivierten Objekten Um Objekte in Phaidra ansehen zu können bedarf es keiner Registrierung.

Das System kann weltweit auch in englischer Sprache durchsucht werden. Die Objekte können gemäß der für sie vergebenen Rechte und Lizenzen sofort weiterverwendet werden. Die Objekte werden auch von Suchmaschinen, z.B. Google, gefunden.

2. Wenige Schritte zur Langzeitarchivierung Um ein Objekt in Phaidra laden zu können, benötigen MitarbeiterInnen

nur ihren mailbox-account, Studierende ihren u:net-account, alle anderen können unbürokratisch einen Light-Acoount beantragen. Die Pflichtfelder zur Beschreibung des Objekts sind auf ein Minimum gehalten, es stehen jedoch sehr ausführliche und detaillierte Metadaten zur Verfügung. Per Mausklick wird die entsprechende Lizenz ausgewählt und ebenso rasch können Benutzungseinschränkungen ausgewählt werden. Beim Laden mehrerer Objekte

4 neuigkeiten über phaidra werden laufend auf der serviceseite publiziert: http://phaidraservice.univie.ac.at/.

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empfiehlt es sich, aus den eingegebenen Metadaten eine Vorlage zu erstellen, die beim nächsten Ladevorgang wieder aufgerufen und gegebenenfalls modifiziert werden kann. Dadurch spart man Zeit und senkt die Fehlerquote. Nach wenigen Mausklicks ist das Objekt archiviert und abrufbar. Sollen Objekte nur einer bestimmten Personengruppe zugänglich sein, können diese Gruppen einmal gebildet immer wieder aufgerufen werden. Sowohl Vorlagen als auch Gruppen können anderen NutzerInnen weitergegeben werden – kollaboratives Arbeiten wird dabei erleichtert.

3. Hilfe in Phaidra Die User werden von einigen Tools beim Vorgang des Archivierens begleitet.

Eine ausführliche Serviceseite mit Tutorials, Kontaktmöglichkeiten – unter anderem auch zu einem Juristen, der sich schwieriger Rechtsfälle annimmt, einer Übersicht über Lizenzen, Hinweise auf aktuelle Schulungen usw. ist eingerichtet. Für User innerhalb der Universität Wien steht darüber hinaus auch ein Testsystem zur Verfügung, das regelmäßig geleert wird und in dem man den Ladevorgang üben kann.

Weiters werden die AnwenderInnen im System selbst von Hilfstexten begleitet, die immer dann erscheinen, wenn man mit der Maus mindestens vier Sekunden auf dem betreffenden Begriff verweilt. So kann zum Beispiel rasch herausgefunden werden, was in die jeweiligen Metadatenfelder eingetragen werden soll.

aUsblick

Phaidra wurde als digitales Langzeitarchivierungssystem der Universität Wien konzipiert, ist jedoch inzwischen über die Universitätsgrenzen hinaus in Verwendung. Seit einiger Zeit werden regelmäßig Objekte aus Phaidra in EuropeanaLocal Österreich übernommen, dem Verbundportal für lokale und regionale Kultur- und Wissenschaftsdaten. Auch andere Universitäten aus dem In- und Ausland haben bereits konkretes Interesse an Phaidra angemeldet. Weiters ist Phaidra bereits an mehreren EU-Projekten beteiligt.

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DIE hyBrIDE sonDErsammlung DEr fachBErEIchsBIBlIothEk für gEograPhIE unD rEgIonalforschung (fBgEo)

Wolfgang kainrath

Die FBGEO ist im Begriff, große Teile der Sondersammlungen digital zu archivieren und eine hybride Sammlung aufzubauen. Eine Besonderheit ist eine unmittelbare, räumliche Einheit der physischen Sammlung und der digitalen Archivierung. BenützerInnen können Objekte (deren Zustand es erlaubt) und gleichzeitig die digitalen Objekte und Metadaten in den Räumen der Bibliothek benützen. Bislang war die Benützung nur sehr eingeschränkt möglich, Objekte konnten wohl vor Ort benützt werden, eine Anfertigung von digitalen Reproduktionen war jedoch kaum umsetzbar. Individuell angefertigte Fotos konnten nicht die Qualität der hochauflösenden Scans erreichen, die nun mit dem Langzeitarchivierungssystem „Phaidra“ zur Verfügung gestellt werden.

Phaidra (Akronym für Permanent Hosting, Archiving and Indexing of Digital Resources and Assets) erlaubt auf einfache Weise, Objekte via Internet verfügbar zu machen und mit Beschreibung in Form von Metadaten zu versehen. Als Objekte sind in erster Linie Texte und Bilder aber auch Audio- und Videodateien anlegbar. Zur Gliederung können Sammlungen (Collections) gebildet werden. Dies wird in der Praxis so angewendet, dass das jeweilige Kapitel der Hausarbeit, welche den Nachlass erstmals systematisch aufgearbeitet hat, eine Collection bildet, in welcher die jeweils beschriebenen Sammlungsstücke als einzelne Objekte beschrieben werden.

Die Möglichkeit in Phaidra Dateien in Containern zusammenzuführen, gibt die Möglichkeit, Objekte in unterschiedlichen Details zu betrachten, ohne eine Vielzahl gleichartiger Metadaten zu produzieren. Geeignet dafür sind etwa mehrere Fotos mit gleichem Aufnahmedatum, desselben Inhalts oder mehrere Detailansichten einer Landkarte.

Durch die Verschachtelung von Collections und Containern bildet Phaidra die Sammlung so ab, als würde man ein Lade mit Mappen, die jeweils zusammengehörige Graphiken enthalten, öffnen und diese der Reihe nach betrachten.

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zWei NachlassTeile FrieDrich siMoNys iN PhaiDra

Eine virtuelle Sammlung der Teilnachlässe von Friedrich Simony (1813-1895) aus zwei Wiener Sammlungen ist eine Besonderheit der hybriden Sondersammlung der FBGEO. Die Kooperation mit der Bibliothek der Geologischen Bundesanstalt (GBA) ermöglicht nun die Benützung der digitalisierten Nachlassteile aus der graphischen Sammlung der GBA und der Sondersammlung der FBGEO.

Die Idee dazu ist bereits vor vielen Jahren entstanden, als der Autor in seiner Diplomarbeit die Sammlung von „Landschaftszeichnungen aus dem Salzkammergut“ der GBA bearbeitete. In der Folge konnte mit Unterstützung der Bibliothek der GBA unter Hofrat Dr. Tilfried Cernajsek eine gemeinsame Präsentation der Nachlassteile auf einer Internetseite erstellt werden. Dies war ein Ergebnis der Arbeit in der damaligen VÖB Kommission für Landkarten- und Vedutenbearbeitung.

Die fachliche Begründung liegt auf der Hand: Friedrich Simony hat einstmals zusammengehörige Teile seiner privaten Sammlung auf mehrere Sammlungen Österreichs aufgeteilt, bzw. geschah dies nach dessen Ableben durch seinen Sohn Oskar. Die großen Teile befinden sich heute im Naturhistorischen Museum und in der ÖNB (in der Habsburgischen Familien-Fideikommiss-Bibliothek). GBA und FBGEO haben besonders enge Verbindung durch Objekte, die als unmittelbar zusammengehörig erachtet werden können: wie zum Beispiel die Tiefenkarte des Hallstätter Sees (FBGEO) und die zugrundeliegenden Tiefenprofile der Messungen (GBA) oder zwei wertvolle Aquarelle vom Dachsteingletscher („Eine Partie des Karls-Eisfeldes am Hohen Gjaidstein“ in der FBGEO http://phaidra.univie.ac.at/o:51236, „Das Innere einer Gletscherhöhle im Karlseisfeld“ in der GBA http://phaidra.univie.ac.at/o:31402).

F. Simony 1844: Partie vom Karlseisfeld (Sammlung FBGEO)

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F. Simony 1842: Das Innere einer Gletscherhöhle im Karlseisfeld

(Graphische Sammlung GBA)

Da sich in der Praxis bald die Schwächen von Internetpräsentationen zeigten, wurde das Projekt nicht bis ins Detail ausgeführt. Einerseits konnte die Bildansicht in Webseiten nicht die Benützung des Originals ersetzen, andererseits war die Kontinuität und Pflege der Dateien nicht gewährleistet, da leider sehr oft die Contentaggregatoren von Webseiten vom Serviceangebot der EDV-Abteilungen abhängig waren. Oft wechseln Serverarchitekturen und URLs, insbesondere bei Personalwechsel ist daher eine Aktualisierung fraglich.

Mit Phaidra ist nun ein Durchbruch erfolgt: mit dem Zentralen Informatikdienst der Universität Wien ist vertraglich gesichert, dass Daten in Phaidra dauernd erhalten bleiben – ein Leitmotiv lautet „Einmal in Phaidra – immer in Phaidra“, wertvoller Nebeneffekt sind die Permalinks, die endlich Zitate von Webadressen analog zu Literaturzitaten in Druckwerken erlauben.

Nach Abschluss der Langzeitarchivierungsarbeiten kann auf einfache Weise eine überarbeitete Version der Einstiegswebseite als Portal eingesetzt werden, die jedoch anders als früher nur noch die Links zu den in Phadria archivierten Objekten beinhaltet.

eiNe ersTPUblikaTioN eiNer haNDschriFT

Es handelt sich dabei um eine Abschrift (von unbekannter Hand) eines 1843 verfassten Volksstückes mit dem vermutlichen Titel „Minnesänger“. Die vorhandene Handschrift „Vorspiel zum Minnesänger“ ist offenbar der erste Teil eines Werkes, von dessen Gesamtumfang bislang nichts bekannt ist.

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Das Original befand sich im Besitz des Vinzenz Siczinger (?) aus Hallstatt und gilt als verschollen. Die (Erst-)Veröffentlichung des Werkes von Simony in Phaidra in Form eines E-books wird vorgestellt.

Der kulturgeschichtliche Hintergrund und die Vernetzung der Wurzeln machen dieses Fragment erhaltenswert.

Simony, der bekannterweise mit Adalbert Stifter befreundet war, entnahm die Schlüsselfigur seines Minnesängers offenbar Stifters Geschichtsroman Witiko. Witiko von Prčice diente Adalbert Stifter als Vorbild für seinen historischen Roman zur Begründung des Adelsgeschlechts der Witigonen nach 1138, worin Heinrich von Oftering (ein Minnesänger) vorkommt. Ein historischer Beleg zur Person des Heinrich von Oftering (Ofterdingen) findet sich im Werk „Heinrich v. Ofterdingen (Baden-Württemberg, Landkreis Tübingen und das Nibelungenlied[…]“) von Anton Ritter von Spaun (1790-1849), einem Literaturhistoriker und Volkskundler. Weitere interessante Anknüpfungspunkte zu Simonys Volksstück bestehen dabei zur oberösterreichischen Heimatkunde und zur Auffindung möglicher weiterer Teile des Stückes. Das pdf-Dokument der gescannten Handschrift befindet sich unter dem Phaidra-Permalink https://phaidra.univie.ac.at/o:31390.

ersTVerÖFFeNTlichUNG herbariUM

Eine weitere Erstveröffentlichung, die mit Phaidra verhältnismäßig einfach und kostengünstig umsetzbar ist, betrifft ein von Simony eigenhändig angelegtes Herbarium aus den Jahren 1880, welches nach behutsamer Restaurierung erstmals in elektronischer Form veröffentlicht wird, wobei der Zustand bislang eine Benützung weitgehend ausschloss. Simony hat es Johanna Heigenhauser am 5. August 1880 gewidmet. Der Weg, auf dem es in die Sammlung des damaligen Geographischen Cabinets kam, ist ungeklärt. Simony hatte eine imposante Sammlung von Spannblättern angelegt, die Übergabe von 3455 Blättern an das Naturhistorische Museum ist im Akquisitionsjournal des Museums durch einen Eintrag vom 28. Mai 1897 von Dr. Fridolin Kaiser (1867-1922), damals wiss. Hilfskraft, belegt. Unter „Acq.Nr. 5840-8299 XXXV/1896“ ist „Herbarium Friedrich Simony: 3455 Spannbl. Geschenk von Prof. Oskar Simony“ zu finden. Durch die große Menge an Belegen (lt. Homepage über 200 000) und den Umstand, dass 1/6 der Sammlung im 2. Weltkrieg vernichtet wurde, ist die Erschließung der Bestände Simonys noch ungewiss. Zur Zeit der Abfassung dieses Artikels finden sich 3 Einträge in der Datenbank „Virtual Herbaria“ die als Sammler F. Simony nennen.

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Das gut erhaltene Herbarium ist ein interessantes Sammelstück, das sich durch das gut abgrenzbare Gebiet des Dachsteinplateaus und den engen Zeitraum der innerhalb von 2 Jahren gesammelten Pflanzen auszeichnet. Die im Laufe der Zeit markant dokumentierte Klimageschichte am Dachsteinplateau durch die wechselnden Vorstöße und Rückzüge des Gletschers erhält durch die Pflanzensammlung einen weiteren wichtigen Beleg. Die bearbeiteten Blätter des Herbariums werden aktuell noch in die Sammlung mit dem Permalink https://phaidra.univie.ac.at/o:37947 eingefügt.

Mit dem Ausbau der digitalen Technik neben den damit langzeitarchivierten Objekten ist ein interessantes Nebeneinander, eben einer hybriden Sammlung, bei welcher die der jeweiligen Fragestellung besser entsprechende Benützungsvariante zur Anwendung kommt, möglich geworden. Die schon 1981 von Umberto Eco (in „Die Bibliothek) geäußerte Befürchtung, dass „[…]eine Zivilisation der Lesegeräte und Mikrofiches die Zivilisation des Buches total verdrängt haben wird“, ist wiederum ein Stück weiter weg gerückt. Die Forderung „Altes Buch und Neue Medien: Gemeinsam in die Zukunft […]“ (Titel des Festvortrags am Bibliothekartag 1992 von F.G. Kaltwasser, Direktor BSB 1972-1992) hat nichts an Aktualität verloren.

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100.000 PlakatE aus 100 JahrEn

ein digitalisierungsproJekt der österreichi-schen nationalBiBliothek

marianne JoBst-rieder

PlakaTe iN Der DiGiTaleN biblioThek

2008 wurde in der Österreichischen Nationalbibliothek eine eigene Hauptabteilung „Digitale Bibliothek“ eingerichtet. Als Digitalisierungsziele bis 2013 wurden fest-gelegt:Zeitungen: 3,5 Millionen Seiten Bücher: 2 Millionen Seiten Bilder: 300.000 Seiten Papyri: 10.000 Stück Audio-Material: 4.000 Stunden

Seit 2009 läuft zusätzlich ein Digitalisierungsprojekt für Plakate: bis 2012 sollen über 100.000 Exemplare aus den Druckjahren von 1900 bis zu den aktuellen Beständen digital zugänglich sein.

Das Projekt, das von der Flugblätter-, Plakate- und Exlibris-Sammlung durchgeführt wird, baut auf umfangreichen Vorleistungen auf, da schon 1995 begonnen wurde, Plakate in einer Bilddatenbank zu erfassen. Mit Drittmittelprojekten erfolgte die Bearbeitung der wertvollen Sammlung Gregor (3.000 internationale Filmplakate von 1910–1955), der Plakate aus der Pflichtablieferung von 1918–1954 und der Neuerwerbungen. Sonderbestände wie das Plakatarchiv des „Bundes Österreichischer Gebrauchsgraphiker“ (BÖG) und hochwertige Nachlässe sind ebenfalls erschlossen. Umfangreiche Informationen zum Plakat, Künstlerbiographien, Werkstattdokumente mit der Geschichte der Werbeateliers und Druckereien und die Beschreibung des Plakatanlasses liefern Material zur Geschichte des österreichischen Graphikdesigns. Bereits beim Start des Projekts sind in der größten österreichischen Bilddatenbank mehr als 30.000 Plakate über den „Bildindex“ von Bildarchiv Foto Marburg im Internet recherchierbar. Da der Ablauf des Digitalisierungsprojekts durch die bisherigen Erschließungsarbeiten bestimmt ist, folgen nun einige Informationen zum Plakatbestand und zur bisherigen Aufarbeitung.

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PlakaTDaTeNbaNk: DeFiziT als chaNce

Die bereits 1912 eingerichtete Flugblättersammlung wurde ab 1920 erweitert: sie betreute zusätzlich die Kriegssammlung der Hofbibliothek und hatte den Sammelauftrag für die österreichischen Pflichtplakate (Schwerpunkt: Politik und Kultur), die nach dem Pressgesetz von 1920 an die Nationalbibliothek abgeliefert wurden.

Wegen Personalmangel musste jedoch auf eine Katalogisierung der einzelnen Objekte verzichtet werden. Durchgeführt wurde lediglich eine archivalische Aufstellung nach der Chronologie der eingelangten Jahrgänge in einer groben Systematik. Für das einzelne Plakat gab es keine Individualsignaturen oder Inventarnummern, keinen Numerus currens. Am Plakat vermerkt wurden der Jahrgang und die Systematiknummer. Die Benützer mussten in den Originalen suchen. Als Findhilfen dienten Inventarlisten mit einem Verzeichnis der Systematikgruppen pro Jahr, später Kopien für Flugblätter und eine Fotokartei für Bildplakate.

Ab dem Jahrgang 1970 wurden zusätzlich auch maschingeschriebene Listen der Pflichtplakate angelegt, die bis zum Jahrgang 1988 geführt wurden. Dieses Katalogisierungsdefizit ließ sich nur durch technologische Fortschritte beseitigen. Es zwang die Sammlung rasch, oftmals als Pionier in der ÖNB, EDV-Kataloge und Bilddatenbanken anzulegen.

Bereits 1989, also 3 Jahre vor der Einführung der BIBOS-Katalogisierung in der ÖNB, wurden die Pflicht-Plakate mit EDV katalogisiert. Diese Aufnahmen wurden ohne Bild vorgenommen, aber sie liefern jetzt für das Projekt die Metadaten für 20 Jahrgänge von Plakaten 1989-2009, zu denen nur mehr die Plakate zu scannen sind. Die Bilder werden dann lediglich den vorhandenen Katalogisaten zugeordnet und verlinkt.

kaTaloGisierUNG eiNzelNer besTaNDsGrUPPeN – eiN rÜck- UND Überblick

1989–2009: EDV-Katalogisierung Pflichtablieferung der Plakate (ohne Bild)1995–1998: Projekt BMUK: Bilddatenbank Filmplakate (Publikation: CD)1997–1999: EU-Projekt: Bilddatenbank Bildplakate 1914-1945 + Sonderbestände

Plakatarchiv des BÖG und Nachlässe (Publikation: CD)2000: OPAC auf Homepage der ÖNB: Plakate sind über „Bildindex Foto

Marburg“ mit Bild recherchierbar

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2004–2009: Retrokatalogisierung Plakate 2. Republik 1945–19552010: OPAC Bildindex: die ÖNB präsentiert einen eigenen, gekapselten

Katalog als Subdomain, gehostet vom Bildarchiv Foto Marburg2010: OPAC ÖNB mit der Bilddatenbank Gideon, die für das Bildarchiv

Austria verwendet wird: eigener gekapselter Katalog für Plakate

WisseNschaFTliche aUsWerTUNG Des PlakaTbesTaNDs iN ForschUNGsProJekTeN

1997–1998: Projekt Jubiläumsfonds der Österreichischen Nationalbank. Wahl-plakate 1. Republik. Image-Analyse

1998–1999: Projekt BMUK: Bilddatenbank Politische Plakate in der 1. Republik2004–2005: EU-Projekt (Culture 2000) REAGA Réseau européen de l’Affiche

et du Graphisme d’Auteur. Ausstellung: „Kampf der Symbole. Das politische Plakat im Europa des 20. Jahrhunderts.“ (Un combat, des symboles. Un siècle d’affiches politiques en Europe)

2005: Projekt BMBWK: Politische Bildstrategien. Plakate zu den National-ratswahlen der 2. Republik

2005: Projekt Hoover Institution Library and Archives, Stanford, Ausstellung in Stanford und ÖNB-Homepage: Wieder Frei! Österreichische Plakate 1945–1955

PlakaTDaTeNbaNk: VoN Der QUaliTäT Der QUaNTiTäT

30.000 Plakate aus dem Gesamtbestand von über 100.000 Plakaten sind also bereits im Internet zugänglich. Sie haben eine Sammlung der ÖNB bekannt gemacht, die Jahrzehnte ein Dornröschen-Dasein in den ehemaligen Zellen des Augustinerklosters geführt hatte.

Zusätzlich hat sich auch die Einschätzung des Mediums „Plakat“ geändert. Plakate und andere Ephemera (Flugblätter, Streuzettel, Reklamemarken, Prospekte) haben heute für die Wissenschaft einen anderen Stellenwert als zu den Zeiten, in denen sie abgeliefert wurden. Neue Wissenschaftszweige wie die Kultur- und Bildwissenschaften, aber auch interdisziplinäre Studien in den traditionellen Disziplinen (Kunstgeschichte, Zeitgeschichte, Politikwissenschaft, Medien- und Kommunikationswissenschaft) benötigen diese Medien als unersetzliche Quellen zur Erforschung des 20. Jahrhunderts – sie transportieren „Zeitgeist“ und dokumentieren Alltags- und Mentalitätsgeschichte.

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Nach 15-jähriger Arbeit waren noch immer große Lücken bei der Plakatdigitalisierung vorhanden, es fehlten z. B. die Pflichtplakate der Jahrgänge 1950-1988. Mit dem Stammpersonal hätten wir mindestens weitere 15 Jahre für die Katalogisierung und das digitale Fotografieren gebraucht, um einen lückenlosen Nachweis des Gesamtbestands zur Verfügung stellen zu können.

Die Generaldirektion der ÖNB entschied jedoch, dass das von der Wissenschaft, für Ausstellungen und vom breiten Publikum stark nachgefragte Medium möglichst rasch und vollständig im Internet digital zur Verfügung stehen solle. Sie initiierte und genehmigte ein Vierjahresprojekt, nach dessen Abschluss die ÖNB-Plakatdatenbank, die bereits jetzt die größte in Österreich ist, 2012 auch die vollständigste sein wird – über 100.000 Nachweise bedeuten eine neue Qualität für Recherchen im nationalen Image- und Bilderfundus des vergangenen Jahrhunderts.

PlakaTDiGiTalisierUNGsProJekT 2009 bis 2012

Mit dem Stammpersonal der Sammlung, einem Projektteam von zwei Vollzeitäquivalenten und in Kooperation mit weiteren Abteilungen der ÖNB, den Digitalen Services (Verrechnung mit Firma EMD und Speicherung der Bilder, Langzeitarchivierung) und dem Zentralen Informatikdienst (Betreuung der neuen Plakat-Datenbank in GIDEON und OPAC) startete das Projekt 2009.

ablaUFPlaN

In 4 Jahren sollen ca. 70.000 Scans und 35.000 Katalogisate produziert werden. Der Ablauf des Digitalisierungsprojekts erfolgt nach Jahrgängen, nach der Aufstellung der Plakate im Magazin.

Arbeitsschritte für jeden Plakatjahrgang (durchschnittlich 1.000 Plakate)1. Katalogisierung (kein Scannen ohne vorhandene Metadaten)2. Vorbereiten (Signaturenkontrolle, Lieferprotokoll, Mappen)3. Fremdfirma EMD: Scannen 4. ÖNB: Bildspeicherung – Skript – Imaging5. OPAC – Bildindex und ÖNB-Homepage (GIDEON)

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1. Katalogisierung 2. Kernaufgabe der Projektmitarbeiterinnen ist die Katalogisierung nach dem

MIDAS-Regelwerk.1 Entwickelt wurden die Richtlinien aufgrund der Erfahrungen vor allem aus dem EU-Projekt EPOC (1998–1999), bei dem eine Verbundkatalogisierung der Bildplakate 1914–1945 zusammen mit der Kunstbibliothek Berlin und dem Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg durchgeführt wurde. MIDAS ist ein Regelwerk für museale Objekte (Architektur, Fotos, Graphik, Malerei etc.) Die Anwendung für Plakate wurde beim EU-Projekt akkordiert, die Daten werden seit 2000 laufend in den Bildindex von „Bildarchiv Foto Marburg“ integriert.

Basis der Vollkatalogisierung ist die formale Beschreibung (Künstler, Titel, Druckort, Drucker, Jahr, Format, Technik). Zusätzlich werden plakatspezifische Daten wie Medieninhaber und „Anlass“/Ereignis erfasst sowie Literatur und Kommentare. Eine Transkription von Text ist bei Plakattext, Druckvermerk, Herausgebervermerk, Künstlersignatur (Beispiel:„Wagula, Handschrift gedruckt“, Anbringungsort „oben links“ ) möglich. Angelegt werden auch Künstlerdokumente mit Biographien und Werkverzeichnissen nach den Regeln für das Allgemeine Künstlerlexikon, an dem Mitarbeiter der Sammlung seit über zehn Jahren mitarbeiten.

Zur Erschließung der Bildinhalte wird ICONCLASS verwendet, ein hierarchisches Klassifikationssystem, welches das RKD (Rijksbureau voor Kunsthistorische Documentatie) in Den Haag betreut. Jede alphanumerische Notation hat ein Textäquivalent, das bisher in fünf Sprachen übersetzt ist. Iconclass stellt also einen multilingualen Thesaurus zur Verfügung, was für die Einbindung in internationale Portale von Vorteil sein kann.

Ikonographie (Iconclass) • 25I12*ProspekteinerStadt,Stadtpanorama,SilhouetteeinerStadt• 61E(GRAZ)*NamenvonStädtenundDörfern(mitNAMEN)

Im OPAC ermöglicht diese Erschließung über die Textäquivalente/„Schlagwörter“ Suchen zu ganz spezifischen Bildelementen – Beispiel: Buch 735 Treffer mit Werbeplakaten für Bücher, Buchhandlungen, Leihbüchereien, Veranstaltungen wie Buchmessen etc., aber auch Plakate für Politik und Filme oder Produktwerbung für Mode, bei der das Buch als Accessoire der mondänen Dame eingesetzt wird.

1 (marburger informations-, dokumentations- und administrations-system (midas) : handbuch und cd ; diskus - digitales informationssystem für kunst- und sozialgeschichte / Jens Bove ; lutz heusinger ; angela kailus. hrsg. vom Bildarchiv foto marburg. ... . - 4. überarb. aufl. . - münchen [u.a.] : saur , 2001 . - XVi, 282 s. . - (literatur und archiv ; 4). - 3-598-22090-1).

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Beim Plakatbestand 1900–1945 konnte der Museumsstandard von MIDAS mit der genauen Beschreibung durchgehalten werden. Für die Bestände der 2. Republik mit vielen Textplakaten für Veranstaltungen wurde eine vereinfachte Katalogisierung mit den wichtigsten Feldern gewählt: Hersteller (bei aktuellen Plakaten Fotograf, Werbeagentur), Drucker, Jahr, Titel, Format, Bezugsperson, Herausgeber/Körperschaft, Anlass/Ereignis (z. B. NR-Wahl 2006), Objekt- und digitale Repro-Nummer.

Da die Digitalisierung der Plakate von der Firma EMD außer Haus durchgeführt wird, bedarf es eines detaillierten Ablaufplans und einer konsequent durchgeführten Dokumentation. Lieferprotokolle (Excel-Listen) bieten für die Firma die Basisdaten mit den Objektnummern (Signaturen), die auf der Rückseite des Plakats mit Bleistift vermerkt sind. Die Bildnummernvergabe wird von der Firma EMD durch Stempeln auf der Plakatrückseite durchgeführt, die Digitalisierung erfolgt mit dem Durchlaufscanner COLORSCAN 4800 des deutschen Herstellers Microbox: 300 dpi / 80% jpg.

Die Bilddaten werden von EMD auf DVD geliefert und in der ÖNB auf den Projekt-Server eingespielt. In der Bilddatenbank HIDA wird die Verknüpfung der digitalen Repronummer mit der Objektnummer des Plakatdatensatzes mittels Excel-Listen durchgeführt. In der Gideon-Datenbank ist ein eigenes Tool „Imaging“ für diesen Vorgang programmiert.

PlakaTe iM oPac

Derzeit wird die Plakatdatenbank auf der Sammlungshomepage über einen Link von der Webseite des „Bildindex“ angeboten: http://www.bildindex.de/?ARCHIV_wien_oenb.

Zusätzlich ist die Migration der Plakatdaten in die GIDEON-Bilddatenbank der ÖNB im Gange, die die gleichen Features aufweisen wird wie bei der Foto-Datenbank des Bildarchivs (http://www.bildarchivaustria.at/default.aspx)

Da für GIDEON bereits eine Schnittstelle zu den Portalen „TEL“ (The European Library) und „Europeana“ existiert, ist die Möglichkeit gegeben, die Plakatdaten auch in diesen Portalen anzubieten.

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Das DIgItalE raDIo- unD fErnsEharchIv DEr vorarlBErgEr lanDEsBIBlIothEk

markus mainetti, thomas feurstein

Seit 1987 zeichnet die Vorarlberger Landesbibliothek Radio- und Fernsehsendungen landeskundlichen Inhalts auf (Zeitgeschehen, Kultur, Sport, Sendungen zu Vorarlberger Personen, historisches Film- und Tonmaterial usw.). 1993 wurde zu diesem Zweck die Mediathek als Sammel- und Dokumentationszentrum eingerichtet. Da die analogen Speichermedien akut vom Zerfall bedroht und nicht unmittelbar verfügbar sind, wurde 2006 ein umfassendes Digitalisierungsprojekt gestartet. Davon betroffen sind die Aufzeichnung aktueller Sendungen, die Speicherung sowie die Digitalisierung des gesamten Archivs (ca. je 9000 Stunden Audio- und Videomaterial) Die Benutzerinnen und Benutzer können an den Abspielstationen der VLB die gewünschten Audio- und Videodokumente direkt aus dem Katalog starten und in weniger als zehn Sekunden auf einen der mehr als 120.000 Beiträge zugreifen. Seit 2008 erfolgt die Aufzeichnung digital, 2010 wird das gesamte Archiv (ca. 40 TB) digital zur Verfügung stehen. In Zusammenarbeit mit mehreren Partnern konnte ein zukunftsfähiges System entwickelt werden, das gewährleistet, dass die Landesbibliothek auch im digitalen Zeitalter eine zuverlässige Bewahrerin des kulturellen Erbes sein kann.

Was isT NeU:

Die Benutzerinnen und Benutzer können an den Abspielstationen der VLB die gewünschten Audio- und Videodokumente direkt aus dem Katalog heraus starten. Derzeit sind über 120.000 Einzelbeiträge erfasst. Der Aufruf eines einzelnen Beitrages dauert weniger als 10 Sekunden. Nach Abschluss der Digitalisierung der bereits vorhandenen analogen Bestände (ab Mitte 2010) besteht ein direkter Zugriff auf ca. 20 Jahre Vorarlberger Radio- und Fernsehgeschichte. Dieser Zugriff erfolgt auf Beitragsebene, d.h. es ist kein Suchen innerhalb einer Sendung nötig. Das System startet direkt bei dem redaktionellen Beginn eines Beitrages, ohne davor die gesamte Aufnahme zu buffern.

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Woher sTaMMeN Die beiTräGe Der saMMlUNG?

Es werden Beiträge aus folgenden Quellen aufgezeichnet.• ProduktionendesORFVorarlbergundWien• ProduktionenausländischerRundfunkanstalten (ARTE,ZDF,ARD,SWR,

Bayerisches Fernsehen, etc.)• ProduktionenvonPrivatfernsehanstalten(LändleTV,VTV)sowiediverser

heimischer Videoproduzenten

Welche iNhalTe WerDeN aUFGezeichNeT?

Gesammelt werden alle Beiträge mit landeskundlich relevanten Sachthemen oder zu bzw. von Vorarlberger Personen:• Zeitgeschehen: Nachrichtenjournale wie V-Heute, Report, Thema, ZIB,

Landesrundschau etc.• Kulturberichterstattung:Literatur-undMusikproduktionenderHörfunksender

Ö1 und Radio Vorarlberg, Kultur nach 6, ORF2-Kulturmontag, Bregenzer Festspiele, Schubertiade etc.

• Sportberichterstattung:Fußball,Handball,Eishockeyetc.• Politikberichterstattung:Landtag,AktuelleStunde,Wahlenetc.• SendungenzuVorarlbergerPersonen (Talk-Shows,Dokumentationen)oder

Sendungen, an denen Vorarlberger maßgeblich mitwirken• InternationaleGroßproduktionen:ZDFFußball-EM-Studio2008,Wettendass,

Musikantenstadel etc.• SpielfilmemitDrehortVorarlbergoderSpielfilmemitVorarlbergerBeteiligung• HistorischesFilm-undTonmaterial

http://www.vorarlberg.at/vlb/In der Rubrik „Suche, Kataloge“ befindet sich das Radio- und Fernseharchiv“. Die Katalogabfrage über das Internet ist frei nutzbar. Aus rechtlichen Gründen können die Audio- bzw. Videobeiträge aber nur an den Abspielstationen der VLB (Intranet) wiedergegeben werden. Derzeit (September 2009) können ca. 29.000 Audio- und 93.800 Videobeiträge gefunden werden.

Der sTaND Der DiGiTalisierUNG

Seit März 2008 werden Sendungen nicht mehr analog, sondern digital aufgezeichnet und archiviert. Digitalisierung des vorhandenen analogen Altbestandes: Insgesamt

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ca. 18.000 Stunden analoges Audio- und Videomaterial werden derzeit digitalisiert. Ca. 50 Prozent sind bereits über den Katalog digital abrufbar. (Projektbeginn August 2008, Abschluss voraussichtlich Mitte 2010).

Mehr zUr TechNik

Die Aufzeichnung der Beiträge erfolgt auf einem digitalen „24x7-Recorder“ rund um die Uhr: Es wird je nach Bedarf das terrestrische (DVB-T) oder das Satellitensignal (DVB-S) aufgezeichnet. Dafür werden jeweils vier getrennte Aufzeichnungskarten eingesetzt. Neben dem Standard-Timer steht auch ein EPG-gesteuerter „Autotimer“ zur Verfügung, bei dem Sendungen nach beliebigen Stichworten, die im EPG enthalten sind, analysiert und automatisch aufgezeichnet werden. Vier „Standard-Programme“ (ORF 1+2; Ö1+2) werden rund um die Uhr aufgezeichnet und eine Woche lang aufbewahrt. So ist es möglich, auch Sendungen im Nachhinein in den Bestand zu übernehmen.

aUFzeichNUNG - TiMerlisTe

Die einzelnen Beiträge können bei Bedarf geschnitten bzw. nachbearbeitet werden. Ablage und Verwaltung der Dateien erfolgen prinzipiell automatisch. Zusätzlich können Beiträge aus anderen Quellen auch manuell hinzugefügt werden. Von jedem Beitrag wird ein hochwertiges Original auf einem Storage abgelegt. Dafür werden im Endausbau ca. 40 Terabyte Plattenplatz benötigt.

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Der Aufruf erfolgt über einen Hyperlink aus dem ALEPH-Katalog.

sTreaMiNG Der Files

Die Navigation über Slider und Thumbnails (alle 20 sec) ist möglich. Gestreamt werden aus Performance-Gründen nicht die Original-Dateien sondern extra erzeugte, komprimierte Vorschaufiles.

Besonderheit: Durch die Verknüpfung redaktionell erfasster Beginn- und Endzeiten mit den Files wird der gewünschte Beitrag punktgenau gestartet. Selbst innerhalb einer mehrstündigen Aufnahme wird jeder auch noch so kurze Beitrag sofort abgespielt. Es werden nur die zugehörigen Thumbnails angezeigt.

absPielsTaTioNeN

Im Moment sind zwei Stationen vorhanden (Standort: Mediathek). Bis Ende des Jahres 2009 sind alle PC-Stationen im Haus umgerüstet.

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BIBlIothEkskatalogE Im wEB – wEB 2.0 In BIBlIothEkskatalogEn.

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IntEllIgEnz Im chaos

erste schritte zur analYse des kreatiVen potenzials eines tagging-sYstems

christof niemann

eiNleiTUNG

Die Auszeichnung digitaler Medien durch Tagging ist zur festen Größe für das Wissensmanagement im Internet avanciert. Im Kontext des zunehmenden information overload1 stehen wissenschaftliche Bibliotheken vor der Aufgabe, die große Flut digital publizierter Artikel und Werke möglichst inhaltlich erschlossen verfügbar zu machen. Die Frage ist, ob durch den Einsatz von Tagging-Systemen die kollaborative Intelligenz der NutzerInnen für die Sacherschließung eingesetzt werden kann, während diese von einer intuitiven und individuellen Wissensorganisation profitieren. Die große Freiheit bei der Vergabe von Deskriptoren durch die NutzerInnen eines Tagging-Systems ist nämlich ein ambivalentes Phänomen: Kundennähe und kreatives Potenzial stehen der großen Menge völlig unkontrollierter Meta-Informationen gegenüber, deren inhaltliche Qualität und Aussagekraft noch unklar ist. Bisherige Forschungsbemühungen konzentrieren sich hauptsächlich auf die automatische Hierarchisierung bzw. Relationierung der Tag-Daten (etwa mittels Ähnlichkeitsalgorithmen) oder auf die Analyse des (Miss-)Erfolgs, den die NutzerInnen bei einer Suchanfrage subjektiv erfahren. Aus der Sicht stark strukturierter Wissensorganisation, wie sie Experten z. B. durch die Anwendung von Klassifikationen realisieren, handelt es sich bei den zunächst unvermittelt nebeneinander stehenden Tags allerdings kurz gesagt um Chaos. Dass in diesem Chaos aber auch Struktur und wertvolles Wissen als Gemeinschaftsprodukt erzeugt werden kann, ist eine der zentralen Thesen dieses Artikels.

zUr „kollekTiVeN iNTelliGeNz“

Im Zusammenhang mit kollaborativen Web 2.0 Systemen wie Wikipedia oder FlickR kommt regelmäßig die Vorstellung einer „Schwarmintelligenz“ zum Vorschein. Es handelt sich dabei um ein Phänomen, welches zunächst aus der

1 alvin toffler: future shock, new York 1990.

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Naturbeobachtung von staatenbildenden Insekten abgeleitet wurde. Relativ unintelligente Einzelwesen produzieren durch ihr kooperatives Verhalten eine emergente, übergreifende Ordnung, mittels derer sie zur Lösung komplexer Allokations- und Optimierungsprobleme befähigt werden. Dabei ist grundsätzlich keine klare hierarchische Struktur auszumachen. Mit dem Aufkommen des World Wide Web wurde der Versuch unternommen, das beschriebene Phänomen auch in den Informationsströmen des Webs wiederzuerkennen. Für diesen Versuch finden sich ebenso viele BefürworterInnen wie auch GegnerInnen. Die im Folgenden dargestellte Untersuchung liefert durch die Analyse der Qualität der NutzerInneneingaben in das erfolgreiche, deutsche (aber nur etwa zu einem Drittel deutschsprachige) Tagging-System „BibSonomy“2 neben einer pragmatischen bibliotheksnahen Evaluierung desselben auch einen Beitrag zur theoretischen Diskussion der Kollektiven Intelligenz.

aUsGaNGslaGe

BibSonomy wurde von der Universitätsbibliothek Mannheim nahtlos in die BenutzerInnenoberfläche des Online Katalogs integriert. Das Ziel war neben der Bereitstellung eines solchen Dienstes für die NutzerInnen, die entstehenden Daten hinsichtlich ihrer Qualität im Vergleich zur professionellen Verschlagwortung durch Fachreferenten und Fachreferentinnen und im Vergleich zu automatischen Indexierungsverfahren zu überprüfen.3 Da die Menge der Eingaben der NutzerInnen der Universitätsbibliothek für eine seriöse Ableitung von Hypothesen sowie deren Überprüfung nicht ausreichten, wurden sämtliche Eingaben aller NutzerInnen des BibSonomy-Systems für Artikel und Publikationen bis zum ersten Juli 2009 (97.762 Tags) berücksichtigt.

Zum Prinzip des Taggings gehört es, dass die NutzerInnen bei der Vergabe von Deskriptoren in keiner Weise eingeschränkt werden. Die zugrunde gelegten Daten sind dementsprechend höchst heterogen. Deshalb erfolgte als erstes eine Analyse der linguistischen Struktur des gesamten Tagging-Systems. Die Separierung grammatikalischer Einheiten wurde mittels Part-of-Speech Tagging, einem Verfahren aus der Computerlinguistik, realisiert. Grammatikalisch konnte so eine annähernde Drittelung der Daten in die Gruppen „lexikalisch existent“, „Wortketten“ und „lexikalisch nicht existent“ (Abkürzungen, Neologismen bzw. Neukombinationen

2 http://www.bibsonomy.org (04.03.2010).3 Vgl. christof niemann: intelligenz im chaos: collaborative tagging als neue form der sacherschließung. in: churer

schriften zur informationswissenschaft, 33 (2009), 59–66 und kai eckert, christian hänger und christof niemann: tagging and automation – challenges and opportunities for academic libraries. in: library hi tech 27 (2009) 4, 557-569.

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von Sprache jeglicher Art) festgestellt werden. Als besonders interessant im Sinne der These von „Intelligenz“ und „wertvollem Wissen“ in den Daten konnte die letzte Gruppe gelten.

Die iNTellekTUelle aNalyse NichT erkaNNTer TaGs

Eine valide inhaltliche Evaluierung von Tags kann ausschließlich intellektuell geleistet werden. Das einzelne Tag wird dabei nämlich nicht nur – wie dies bei den eher informatiknahen Forschungsbemühungen der Fall ist – als „leere“ Zeichenfolge betrachtet, die mit weiteren Zeichenfolgen mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit in einem inhaltlich nicht näher definierten Zusammenhang steht. Das Ziel besteht vielmehr darin, die Deskriptoren als Träger von de facto semantischem Gehalt zu betrachten. Dabei stehen insbesondere jene Wortformen im Vordergrund, die lexikalisch bisher noch nicht bekannt sind. Anhand solcher Neologismen oder „Neotags“4 kann das kreative Potenzial eines Tagging-Systems sichtbar gemacht werden. Die 500 häufigsten Tags aus BibSonomy wurden hierzu mittels eines spezialisierten Kategoriensystems analysiert, welches auch den Inhalt der durch die Tags bezeichneten Quellen selbst berücksichtigt.

Im Rahmen der intellektuellen Analyse wurden zunächst die „hard facts“ der Tags untersucht. Neben den üblichen Wortarten (Nomen, Verb, Adjektiv, Pronomen und Präposition) wurden für die besonderen Gegebenheiten in Tagging-Systemen weitere Wortklassen (Akronyme, Abkürzungen, Neologismen, Eigennamen und Nichtwörter) nach eigenen Identifikationsmerkmalen entwickelt und vergeben. Da Tags sehr häufig Kompositionen mehrerer Wortarten bzw. -klassen sind, wurde jedem Teilausdruck eines Tags zusätzlich seine individuelle Wortart zugeordnet (z.B. „bioinformatics“: „bio“ = Abkürzung, „informatics“ = Nomen).

WorTForMeNläNGe

Die Anzahl der Zeichen eines jeden Tags wurden automatisch gezählt. Zusätzlich liegen Vergleichswerte typischer natürlichsprachlicher Verteilungen aus der „Korpusbasierten Grund-/Wortformenliste“5 (DeReWo) des Instituts für Deutsche Sprache vor. Dieser Korpus weist bezüglich der Wortlängen Ähnlichkeiten mit jenen

4 ein neotag ist eine Wortneubildung, die unter den besonderen gegebenheiten und zweckmäßigkeiten eines tagging-systems durch einen nutzer gebildet und einer ressource zugeordnet wurde, um diese als mehr oder weniger komplexes gebilde in einer einzelnen Wortform insoweit zu erfassen, dass eine spätere identifikation, organisation und/oder inhaltliche Bestimmung der ressource problemlos möglich ist.

5 http://www.ids-mannheim.de/kl/projekte/methoden/derewo.html (04.03.2010).

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der Tag-Daten auf. Beide Korpora bestehen zum überwiegenden Teil aus Wortformen mit fünf bis 14 Zeichen. Bei den Tags ist die Verteilung allerdings insgesamt flacher, wobei ein deutlicher Ausreißer bei Längen von drei bis vier Zeichen besteht. Dies ist auf die große Anzahl von Akronymen und Abkürzungen zurückzuführen. Zudem fällt die Kurve in den Bereichen über 14 Zeichen wesentlich langsamer ab als im Vergleichskorpus, was auf häufige Zusammensetzungen lexikalisch ursprünglich getrennter Wörter schließen lässt. Betrachtet man nur die 500 häufigsten Tags, so fällt der deutliche Ausreißer bei drei Zeichen auf. Diese überproportionale Häufigkeit ist erneut durch die große Menge von Abkürzungen zu erklären, da sich anschließend ab einer Länge von fünf Zeichen beide Verteilungen bezüglich ihrer relativen Häufigkeiten wieder ähneln.

NUTzeriNNeNaNzahl

Die Anzahl unterschiedlicher NutzerInnen, die gemeinsam ein Tag benutzen, gibt Aufschluss über den Anteil der „collaborativeness“, also der „Vergemeinschaftung“, im Tagging-System. Für das BibSonomy-System gilt, dass gut 60% der Tags von nur einem oder zwei NutzerInnen verwendet wurden. Der klassische „Long Tail“6 besteht also aus etwa 23.000 speziellen Wortformen, die nur auf die individuellen Bedürfnisse einzelner NutzerInnen passen. 16,32% der Tags (6.133) werden von drei bis fünf NutzerInnen verwendet und beschreiben vermutlich treffend das inhaltliche Spektrum des Tagging-6 der „long tail“ ist jener lang auslaufende „schwanz“ in einer Verteilung, in der rangpositionen und

Benutzungshäufigkeiten bestimmter güter - z.B. Buchverkäufe oder tag-Verwendungen - aufgetragen werden. Wenige ausprägungen („Bestseller“) werden dabei sehr häufig, sehr viele ausprägungen hingegen nur sehr selten nachgefragt (vgl. dazu chris anderson: the long tail: the future of entertainment is in the millions of niche markets at the shallow end of the bitstream. in: Wired magazine, 12 (2004) 10, 170–177 sowie bezogen auf tags alex Barnett: the long tail of tags, http://alexbarnett.net/blog/archive/2006/09/16/the-long-tail-of-tags.aspx (04.03.2010).

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Systems bzw. bilden vereinzelt das Organisationsbedürfnis kleinerer Gruppen ab, die sich z.B. für den Aufbau gemeinsamer Ressourcenlisten auf ein bestimmtes Tag geeinigt haben. Die restlichen gut 22% der Tags werden von mindestens sechs NutzerInnen verwendet, wobei mit zunehmender NutzerInnenanzahl eine unabhängige Nutzung der betreffenden Wortform immer wahrscheinlicher wird. Deshalb können die in dieser Menge aufgefundenen Neotags als besonders aussichtsreiche Kandidaten für allgemein gültige Neuschöpfungen gelten.

Der Vergleich der beiden Tag-Daten Ausschnitte (Top 500 gegen alle Tags) zeigt signifikante Unterschiede bis zu einer Anzahl von fünf NutzerInnen. Erwartungsgemäß werden die sehr häufigen Tags wesentlich seltener von nur einem oder zwei NutzerInnen verwendet. Der Anteil der im eigentlichen Sinne kollaborativen Tags ist dagegen mit über 40% doppelt so hoch als in der Vergleichsmenge, zudem spielen hier Fünfergruppen keine besondere Rolle mehr. Diejenigen NutzerInnen, die es alleine mit einem Tag in die Top 500 der häufigsten Tags geschafft haben, können als „Poweruser“ bezeichnet werden. Von besonderem Interesse wird es sein, aus welchen Fachbereichen diese Tagging-Pioniere mehrheitlich stammen.

WorTarTeN

Die Ergebnisse der Wortartverteilung liefern je nach Zählart, d.h. der Berücksichtigung von z.B. nur der einzelnen Glieder eines Tags (z.B. bei „visualcommunication“ das Adjektiv „visual“ und das Nomen „Communication“), leicht variierende Werte. Für

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die 500 häufigsten Tags zeigt sich eine klare Dominanz nominativer Wortformen (zwischen 45 und 50%), die als Ergebnisse der Motivation einer inhaltlichen Erschließung betrachtet werden können. Dies gilt grundsätzlich auch für die zweitgrößte Gruppe, die aus 129 Akronymen besteht (20%). Eigennamen dienen als AutorInnen- bzw. NutzerInnennamen zumeist der Grobstrukturierung der eigenen Literatursammlung und sind im Sinne des kreativen Potenzials nicht weiter relevant. Ähnlich verhält es sich mit den ebenfalls mit 10% noch signifikant vertretenen Adjektiven, die als allein stehende Deskriptoren nur in Bezug auf eine konkrete Ressource Sinn machen bzw. als sehr allgemeine Attribute (z.B. „social“, „own“ oder „visual“) kaum Diskriminationskraft besitzen.

aUsblick

In diesem Artikel wurde die Ausgangsbasis einer inhaltlich-intellektuellen Analyse eines Tagging-Systems beschrieben. Wesentlich war dabei zunächst, eine theoretische Begründung für die These wahrscheinlich wertvoller Informationen im „Wortformen-Chaos“ eines Tagging-Systems vorzulegen. Anhand des konkreten Beispiels BibSonomy wurde der Einsatz computerlinguistischer Verfahren für die grundlegende Strukturanalyse dieses Systems gezeigt. Anschließend wurde der erste, allgemeine Teil eines Kategoriensystems zur intellektuellen Analyse desselben vorgestellt. Dabei konnte ermittelt werden, dass lediglich ein Fünftel der BibSonomy-Tags als kollaborativ gelten können. Dieser Anteil verdoppelt sich allerdings, betrachtet man nur die insgesamt sehr häufig verwendeten Tags. Auffällig war zudem die im Vergleich zu einem natürlichsprachlichen Korpus überproportionale Verwendung sehr kurzer und sehr langer Wortformen. Diese Beobachtung wurde mit der Dominanz von Akronymen und Abkürzungen bzw. Wortzusammensetzungen erklärt. Die folgenden Untersuchungen der Tag-Daten werden sich insbesondere mit der Identifikation der zu einem Tag gehörenden Fachbereiche sowie dem Phänomen der Neotags beschäftigen.

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BIBlIothEkskatalogE für DIE nE(x)t gEnEratIon

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PrImo an DEr unIvErsItätsBIBlIothEk wIEn

ein WerkstattBerichtmichaela putz

Was isT PriMo UND Was isT es NichT?

Primo soll als One-Stop-Shop einen Bestandsnachweis über mehrere eigenständige Datenquellen hinweg bieten und die Recherche in gedruckten und elektronischen Ressourcen unter einer Oberfläche ermöglichen. Durch die Verwendung von Suchmaschinentechnologie erhält der/die BenutzerIn sehr schnell eine Trefferliste, die ihm/ihr – unter Ausnutzung der Vorteile von strukturierten Daten – vielfältige Möglichkeiten zum Browsen in sowie zur Verfeinerung von Suchergebnissen bietet. Primo ist als Suchoberfläche für EndbenutzerInnen gedacht, d.h. die Suchoberfläche sollte möglichst selbsterklärend sein und es sollte keine Schulung notwendig sein, um Primo benutzen zu können.

Zusätzlich zur Suche in den Beständen der Bibliothek (in Print- und elektronischer Form) ist auch die Suche in externen Ressourcen via MetaLib möglich. Der Vorteil

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liegt darin, dass BenutzerInnen nicht mehr die Suchoberfläche wechseln müssen, wenn sie in elektronischen Fachinformationssystemen recherchieren wollen.

Primo in der Version 2 kann den OPAC noch nicht ersetzen, er wird für die Exemplaranzeige, die Bestellung von Werken sowie für die Anzeige des Aleph-Benutzerkontos benötigt. Ab Primo Version 3 sind diese OPAC-Funktionalitäten in die Primo-Oberfläche integriert.

FUNkTioNaliTäTeN

Primo von Ex Libris ist eine Suchoberfläche, die den Prinzipien eines „next generation library catalog“1 oder „Katalog 2.0“ folgt und bietet folgende Funktionalitäten:• DieAnzeigederVerfügbarkeit(beiPrintressourcen)bzw.derZugriffsmöglichkeit

(bei elektronischen Ressourcen) erfolgt bereits in der Trefferliste mittels der sogenannten „GetIt-Links“. Diese Links sollen den schnellsten Weg zur gewünschten Ressource bieten und sind – je nach Verfügbarkeit bzw. Zugriffsberechtigung – abhängig davon, in welchem IP-Range sich ein Benutzer/eine Benutzerin befindet und ob er/sie in Primo angemeldet ist oder nicht.

• DieSuchergebnissesindeinfacherzuinterpretierenundkönnenleichtverfeinertwerden: Zur einfacheren Identifikation der gefundenen Treffer enthalten die Suchergebnisse Buchcover sowie Icons für die Darstellung des Medientyps einer Ressource. In der Trefferliste werden Facetten (an der UB Wien AutorIn, Schlagwort, Erscheinungsjahr, Sprache, Standort, Medium, Form, Klassifikationen) zum „Browsen“ in Suchergebnissen angeboten. Dahinter steht ein neues Konzept der Suche: BenutzerInnen sollen zuerst Suchbegriffe eingeben und die Suche starten, danach können sie die Treffermenge mittels Facetten eingrenzen. Sie müssen also nicht von vornherein wissen, in welchem Feld was gesucht werden muss. Basis für die Facettierung bilden neben Elementen der inhaltlichen Erschließung wie Schlagworte und Klassifikationen bei Aleph-Daten hauptsächlich codierte Felder, die jetzt erstmals benutzerInnenfreundlich für die Recherche angeboten werden können.

• FRBR (Functional Requirements for Bibliographic Records)2: Ähnliche Datensätze werden in der Trefferliste zusammengefasst, die BenutzerInnen werden bei der Suche zu einer Ausgabe eines Werkes geleitet, und von dort zu weiteren Ausprägungen (verschiedene Auflagen, Print- u. elektronische Ausgaben, Sprachausgaben). Durch das Zusammenführen, z.B. von

1 einen überblick über das thema bietet marshall Breeding: next-generation library catalogs. library technology reports, Vol. 43, nr. 4/2007.

2 Barbara tillett: What is frBr? a conceptual model for the Bibliographic universe (2004) http://www.loc.gov/cds/frBr.html (6.5.2010).

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verschiedenen Auflagen eines Werks, kann die Trefferliste - beispielsweise bei Lehrbuchsammlungsbeständen - wesentlich verkürzt werden.

• „MeintenSie“-FunktionalitätähnlichwieinGoogle:WennmansichbeiderFormulierung des Suchbegriffs vertippt, erhält man nicht, wie aus dem OPAC gewöhnt, 0 Treffer, sondern Vorschläge, was man gesucht haben könnte und muss nur mehr auf einen vorgeschlagenen Begriff klicken, um die Suche neu zu starten.

• Web2.0Funktionalitäten:PrimobietetFunktionalitätenwieTaggingundBewertungen, die es BenutzerInnen ermöglichen, selbst Inhalte einzubringen.

Wie koMMeN Die DaTeN iN PriMo UND Was PassierT bei Der sUche?

Im Gegensatz zum OPAC findet in Primo keine Echtzeit-Suche in der/den jeweiligen Datenbank/en statt. Damit Daten in Primo durchsucht werden können, müssen sie in einem ersten Schritt aus dem Quellsystem exportiert werden. Aleph-Daten werden aus Aleph im sogenannten Publishing-Prozeß exportiert, dabei werden auch Anreicherungen aus den Normdateien (SWD, PND, GKD) mitgenommen. Danach erfolgt das Harvesting (= der Import in Primo), dabei werden mithilfe eines Templates, in dem festgelegt ist, welche Daten aus dem Quellsystem in Primo wie verwendet, angezeigt usw. werden, sog. PNX-Sätze erstellt (Primo Normalized XML = Datenformat in Primo).

In einem nächsten Schritt kann die Anreicherung der Daten mit Abstracts, Inhalts-verzeichnissen, Coverbildern oder Volltexten erfolgen und danach die Aufbereitung der angereicherten Daten mittels Suchmaschinentechnologie (Erstellung eines Index).

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Weitere Schritte beim Laden der Daten sind die Deduplizierung, dabei können gleiche Datensätze zusammengeführt werden, und die FRBRisierung, bei der gleichartige Datensätze zu sogenannten FRBR-Gruppen zusammengeführt werden, die ermöglichen, dass verschiedene Ausgaben eines Werks in der Trefferliste nur ein Mal aufscheinen.

Wenn ein/e BenutzerIn nun eine Suche startet, wird diese im Primo-Index durchgeführt und das Ergebnis innerhalb weniger Sekunden geliefert. Wie in Abb. 1 ersichtlich, verbirgt sich diese Art der Suche in der Primo-Oberfläche der UB Wien hinter dem Such-Reiter „Bücher und mehr“.

Den Grundstock an Daten in der Primo-Implementation der UB Wien stellen derzeit hauptsächlich Aleph-Daten dar. Weiters wurden die Titeldaten von 38.000 e-Journals, 20.000 e-Books (Titeldaten von e-Journals und e-Books aus der SFX-Knowledge Base) und ca. 400 Datenbanken (Titel und Beschreibungen von Datenbanken aus der MetaLib-Knowledge Base) integriert. In Zukunft werden auch Artikel und Volltexte aus externen Quellen (z. B. Hochschulschriften aus e-Theses, digitalisierte Bücher aus PHAIDRA, usw.) in Primo indexiert und damit unter einer Suchoberfläche durchsuchbar.

Hinter dem Such-Reiter „Artikel und mehr“ verbirgt sich eine weitere Funktionalität von Primo, die „remote search“, bei der Suchbegriffe an MetaLib weitergegeben werden. MetaLib führt eine föderierte Suche in externen Datenbanken durch, sammelt die Ergebnisse ein und schickt sie an Primo zurück. Dort werden die Daten dedupliziert und für die Anzeige aufbereitet. Der für den/die BenutzerIn sofort ersichtliche Unterschied zur Suche in „Bücher und mehr“: es dauert wesentlich länger, weil im Hintergrund mehrere Datenbanken durchsucht und die Ergebnisse zusammengeführt werden müssen.

ProJekTorGaNisaTioN UND -VerlaUF

Die UB Wien nimmt am österreichischen Primo-Konsortium als Pilotpartnerin teil. Die Projektleitung liegt bei Ex Libris, die OBVSG steht als Betreiber des Primo-Servers einerseits zwischen Ex Libris und den teilnehmenden Bibliotheken, ist aber andererseits selbst Teilnehmer mit einer eigenen Sicht3. Um die bereits vorhandene Verbundstruktur optimal nutzen zu können (Vermeidung von Redundanzen bei der Datenhaltung, Nutzung von Kataloganreicherungselementen u.v.m.), gibt es nur

3 die sicht oder View in primo ist die suchoberfläche einer institution. Jede institution kann eine oder mehrere sichten haben und ihre daten dort in einem oder mehreren suchreitern bzw. such-tabs anbieten.

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eine Primo-Installation für den gesamten Verbund. Da Primo in Version 2 noch nicht mandantenfähig ist, kann jede/r BearbeiterIn in der Administrationsoberfläche alle Einstellungen, auch die von anderen Teilnehmern, ändern. Ein weiterer Problembereich in diesem Zusammenhang ist, dass Primo derzeit in manchen Punkten noch keine scharfe Trennung der einzelnen Institutionen erlaubt, einige Einstellungen müssen von allen Teilnehmern geteilt werden (manche dieser Beschränkungen sind erst in der laufenden Implementierungsarbeit zutage getreten und fließen jetzt in die Weiterentwicklung von Primo ein). Diese Konstellation führte in der Anfangsphase des Projekts dazu, dass nach den Schulungen kein unmittelbarer Beginn der Arbeit möglich war und vorerst von Seiten der Teilnehmerbibliotheken nur wenig Implementierungsarbeit geleistet werden konnte. Der Kommunikationsfluss zwischen den Projektteilnehmern war nicht optimal und auch die Daten im Testsystem teilweise nicht stabil, weil dort Fehleranalysen durchgeführt und die Teilnehmer von dafür notwendigen Änderungen nicht verständigt wurden. Generell waren die Projektrollen anfangs zu wenig klar definiert. Manche Betroffene wurden erst spät einbezogen, z. B. die Zentralredaktionen für Formal- und Sacherschließung, die an den für Primo notwendigen Anpassungen in der Katalogisierungspraxis sowie an Datenbereinigungsarbeiten mitarbeiten und sie an alle Formal- und SacherschließerInnen im österreichischen Verbund weitergeben sollten.

Update: Die aufgezeigten Probleme in der Kommunikation wurden mittlerweile weitgehend gelöst, es finden regelmäßige Telefonkonferenzen statt, an denen alle Projektteilnehmer teilnehmen und der Informationsfluss, auch zu nicht direkt am Implementierungsprojekt Beteiligten, hat sich wesentlich verbessert. Für die gemeinsame Arbeit in einer Primo-Installation wurden und werden weiterhin Konventionen erstellt, die in einem für alle zugänglichen Projekt-Wiki dokumentiert werden. Bis zur endgültigen Mandantenfähigkeit von Primo bleiben für die Teilnehmerbibliotheken aber weiterhin Einschränkungen bestehen.

resÜMee UND aUsblick

Man muss seine Daten sehr gut kennen, um mit den Normalisierungsregeln arbeiten zu können. Daher ist eine möglichst frühzeitige Einbeziehung von MitarbeiterInnen, die im Bereich Formal- und Sacherschließung arbeiten, unumgänglich. An der UB Wien wurde bereits in einer sehr frühen Projektphase eine Informationsveranstaltung für KatalogisiererInnen abgehalten, weil die Erfahrungen an anderen Bibliotheken gezeigt haben, dass der Erfolg eines derartigen Projekts u.a. auch davon abhängt, ob die MitarbeiterInnen das Projekt mittragen. Ziel war es, Vorurteile abzubauen

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und ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass viele Primo-Funktionalitäten nur so gut sein können, wie die zugrunde liegenden Daten: die Arbeit, die in die Erschließung geflossen ist, bildet den Vorsprung von Primo gegenüber Google: durch die Ausnutzung von strukturierten Daten, die vielfältige Möglichkeiten zum Verfeinern der Suchergebnisse bieten, wird ein schnelleres Finden von relevanten Treffern ermöglicht.

Primo wird frühestens ab 2011 alle Bedürfnisse von Konsortien abdecken können. Dafür ist ein erhöhter Kommunikationsaufwand für die Projektteilnehmer erforderlich, um miteinander geteilte Einstellungen abzustimmen und alle auf dem gleichen Informationsstand zu halten. Der Aufwand, den sich eine teilnehmende Bibliothek bei Serverkauf und –wartung spart, fließt dafür in eine intensivere Kommunikation mit den anderen Projektteilnehmern.

Bei der Arbeit in der webbasierten Primo-Administrationsoberfläche lässt leider die Usability an manchen Stellen zu wünschen übrig, viele häufig benötigte Funktionalitäten sind nur mit vielen Klicks zu erreichen.

Die Normalisierung bietet viele Möglichkeiten, um die eigenen Daten bestmöglich für die Suche aufzubereiten. Leider hat die Primo-Dokumentation in einigen Bereichen (FRBR, Ranking, Zusammenhänge zwischen diversen Einstellungen) Ergänzungsbedarf, sodass diese Möglichkeiten vielfach nicht in vollem Umfang genutzt werden können.

Die UB Wien plant, Primo zuerst in einer Testphase einzuführen und dabei BenutzerInnenfeedback einzuholen, das in die Verbesserung der Oberfläche einfließen soll. Für die Anmeldung in Primo kommt auch erstmals an der UB Wien das Authentifizierungsverfahren Shibboleth4 zur Anwendung, das in Zukunft die Basis für Single Sign On bilden soll: ein/e BenutzerIn meldet sich nur einmal an und kann dann auf mehrere Webanwendungen zugreifen (im Fall der UB Wien Primo, Aleph-OPAC, MetaLib).

Update: Die Primo-Oberfläche der UB Wien wurde vom Implementierungsteam der UB Wien in Zusammenarbeit mit MitarbeiterInnen aus dem Informationsdienst sowie aus dem Bereich Sacherschließung angepasst und ist unter dem Namen u:search (http://usearch.univie.ac.at) am 4. März 2010 in einen öffentlichen Betabetrieb gegangen.

4 „shibboleth (internet)“. in: Wikipedia, die freie enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 22. februar 2010, 20:18 utc. url: http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=shibboleth_(internet)&oldid=71025120 (6. 5. 2010).

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InhaltsErschlIEssung: IngrEDIEnzEn,

InstrumEntarIEn, IntErnatIonalItät

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thEmatIschE suchE In hEtErogEnEn InformatIonsräumEn1

Jessica huBrich

1. eiNleiTUNG

Wissensorganisationssysteme unterstützen inhaltsbezogene Recherche- und Explorationsprozesse, indem sie a priori Beziehungen zwischen Begriffen ausweisen und einen standardisierten Zugriff auf Informationen ermöglichen. In heterogen erschlossenen Informationsräumen ist ihre Funktionalität indes eingeschränkt, da sie lediglich die Suche nach den Informationsressourcen, die mit ihnen erschlossen wurden, effizienter gestalten. Dokumente, deren inhaltliche Beschreibung auf der Grundlage von sprachlich, strukturell und typologisch unterschiedlichen Begriffssystemen erfolgte, werden hingegen nicht gefunden. Dies führt zu einem unzureichenden Recall und macht zusätzliche Recherchen notwendig.

Mittels der Herstellung von Verbindungen zwischen Begriffen unterschiedlicher Dokumentationssprachen wird der standardisierte Zugriff auf Informationen erweitert und das Potential einzelner Erschließungsinstrumente über Teilmengen hinaus nutzbar. Vor dem Hintergrund, über welche inhaltlichen Qualitäten die erstellten Links verfügen, lassen sich drei Arten semantischer Interoperabilität unterscheiden, die mit jeweils anderen Implikationen für Retrievalszenarien einhergehen: wortbasierte, begriffliche und differenzierte Interoperabilität.2

In dem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten und von der Deutschen Nationalbibliothek (DNB) in Kooperation mit der Fachhochschule Köln durchgeführten Projekt CrissCross3 wird eine begriffliche und differenzierte Interoperabilität zwischen der Schlagwortnormdatei (SWD) und der Dewey-Dezimalklassifikation (DDC) realisiert. In diesem Beitrag wird unter Berücksichtigung der Charakteristika der beiden Begriffssysteme dargelegt, welche Möglichkeiten die SWD-DDC-Mappings sowohl zur Unterstützung von inhaltsbezogenen Such- und Explorationsprozessen als auch zur Strukturierung von Treffermengen bieten.1 dieser artikel weist gegenüber dem auf dem Bibliothekartag in graz gehaltenen Vortrag „Begriffliche suche und

Wissensexploration in heterogenen informationsräumen“ eine leichte schwerpunktverlagerung auf, die sich in dem geringfügig abgewandelten titel widerspiegelt. eine kurzfassung ist unter dem titel „Begriffliche exploration und Wissensorganisation in heterogenen informationsräumen“ in den VöB-mitteilungen 62 (2009), h. 4, s. 7–12 erschienen.

2 Vgl. kap. 2 in Jessica hubrich: Vom stringmatching zur Begriffsexploration: das potential integrierter begrifflicher interoperabilität. Würzburg: ergon-Verl., 2010 [erscheint in kürze].

3 projekthomepage: http://linux2.fbi.fh-koeln.de/crisscross/index.html.

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2. TheMaTische recherche iN heTeroGeNeN iNForMaTioNsräUMeN

Inhaltsbezogene Suchprozesse, die sich zwecks Steigerung der Effizienz der Recherche einer Dokumentationssprache bedienen, lassen sich unter dem Gesichtspunkt, welche Anforderungen sie an das jeweilige Begriffssystem stellen, unterscheiden in – Recherchen nach Informationsressourcen (Dokumenten) sowie – Explorationsprozesse zur Erkundung des semantischen Umfelds eines Begriffs. Letzteres dient der Spezifizierung von zugrundeliegenden Fragestellungen und Suchanfragen und kann Ersterem sowohl vor- als auch nachgeordnet sein. Seitens des Wissensorganisationssystems wird dabei neben einem normierten Vokabular eine möglichst umfassende, lückenlose und logisch-konsistente Ausweisung von dokumentunabhängigen A-priori-Beziehungen zwischen Begriffen gefordert.4

2.1 beGriFFliche UND TheMaTische recherche

Begriffliche Recherchen zeichnen sich dadurch aus, dass die in einer Dokumentationssprache enthaltenen Begriffe inklusive der ausgewiesenen Synonyme als Ausgangspunkt für die Anfrageformulierung und damit als standardisierte Zugriffspunkte auf Informationsressourcen dienen. Wird mit den in den Suchanfrageformulierungen verwendeten Begriffen zugleich das thematisch Gemeinte zum Ausdruck gebracht und kann dieses in der dokumentationssprachlichen Repräsentation eines Dokumentgegenstands eindeutig wiedererkannt werden, kann neben einer begrifflichen Suche auch eine thematische Suche im engeren Sinn unterstützt werden.

Inwieweit thematische Recherchen im engeren Sinn möglich sind, ist von den anwendungsspezifischen Charakteristika der verwendeten Erschließungsinstrumente abhängig. Sie nehmen Einfluss darauf, ob und in welcher Form Begriffe mit anderen Begriffen in eine dokumentspezifische A-posteriori-Beziehung treten können, in der sie unterschiedliche Funktionen übernehmen und in der ihr dokumentunabhängiger Bedeutungsumfang möglicherweise modifiziert wird. Das Vorhandensein eines Begriffs aus einer Dokumentationssprache in der inhaltlichen Beschreibung einer Informationsressource ist keineswegs automatisch ein Indiz dafür, dass das durch diesen Begriff repräsentierte Thema auch den zentralen Inhalt der Informationsressource ausmacht. So ist beispielsweise in einer nach den Regeln für den Schlagwortkatalog (RSWK) erstellten Schlagwortfolge das primäre Thema eines Dokuments lediglich indirekt ersichtlich und kann weitgehend nur kognitiv ermittelt werden, sobald mehrere SWD-Schlagwörter zur Beschreibung des Dokumentgegenstands verwendet werden (vgl. Abb. 1).4 Vgl. Winfried gödert: semantische Wissensrepräsentation und interoperabilität. in: information, Wissenschaft und

praxis 61 (2010), h.1, s. 5–28, s. 6.

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Abb. 1: SWD-Begriff „Jagd“ im RSWK-Anwendungskontext

Begriffliche Suchen in heterogenen Informationsräumen erfordern in jedem Fall die Herstellung der bestmöglichen Beziehung zwischen den Begriffen unterschiedlicher Erschließungsinstrumente. Nur so kann neben einer Erhöhung des Recalls zugleich ein Höchstmaß an Precision gewährleistet werden. Im CrissCross-Projekt wird dies durch eine umfassende und spezifische Mappingstrategie sichergestellt, die bei dem dokumentunabhängigen Bedeutungsumfang des einzelnen Begriffs ansetzt. Der referentiellen Polysemie der SWD-Schlagwörter, die im Gegensatz zu der Kontextgebundenheit der DDC-Klassen steht, wird durch die Möglichkeit der mehrfachen Zuordnung von Notationen (One-to-Many-Mapping) begegnet. Bedingt durch die strukturelle und typologische Unterschiedlichkeit der Begriffssysteme erfolgt das Mapping unidirektional, wobei die SWD als Ausgangs- und die DDC als Zielvokabular fungieren.5 Die Einbindung der SWD-DDC-Verknüpfungen in Retrievalumgebungen trägt dazu bei, dass begriffliche Suchen mit SWD-Schlagwörtern (und deren Synonymen) sich nicht nur auf Dokumente, die mit SWD-Schlagwörtern erschlossen wurden, erstrecken, sondern zugleich auch auf Informationsressourcen, deren inhaltliche Beschreibung auf der Grundlage der DDC erfolgte.

Die DDC ist ein vorwiegend präkombiniertes Klassifikationssystem mit struktur-abbildenden Notationen. Dokumentspezifische DDC-Notationen zeichnen sich dadurch aus, dass der primäre Inhalt der Informationsressource eindeutig erkennbar bleibt und ein allgemeiner, grundlegender Bezug zu den dokumentunabhängigen Notationen der DDC-Wissensbasis sogar automatisch, d.h. maschinell, erkannt werden kann. In Retrievalszenarien können diese Eigenschaften der DDC genutzt werden, um ausgehend von einer Notation oder einer DDC-Klasse eine über das feste Begriffsnetz der DDC hinausgehende thematische Recherche zu unterstützen, in der dokumentspezifische synthetische Notationen miteinbezogen werden.

5 zum mappingprozess sowie den herausforderungen, die mit der Verknüpfung von typologisch unterschiedlichen Begriffssystemen einhergehen, vgl. Jessica hubrich: sWd-ddc-mapping. in: VöB-mitteilungen 61 (2008), h. 3, s. 50–58. sowie Jessica hubrich: multilinguale Wissensorganisation im zeitalter der globalisierung: das projekt crisscross. in: Wissensspeicher in digitalen räumen. nachhaltigkeit, Verfügbarkeit, semantische interoperabilität. proceedings der 11. tagung der deutschen sektion der internationalen gesellschaft für Wissensorganisation konstanz 20.–22. februar 2008. hrsg. v. peter h. ohly und Jörg sieglerschmidt. Würzburg: ergon-Verl., 2010. s. 81–90.

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Aus den zwischen dokumentunabhängigen und dokumentspezifischen Notationen bestehenden Relationen lassen sich allerdings keine Rückschlüsse ziehen, welche Relation zwischen einem in einer DDC-Klasse enthaltenen Teilthema und einer dokumentspezifischen synthetischen Notation besteht. Grund hierfür sind die in der DDC verankerten spezifischen Thema-Klasse-Beziehungen, die sich auf die Möglichkeit der Bildung dokumentbezogener synthetischer Notationen auswirken. So dürfen Standardschlüssel zum Beispiel i.d.R. nur dann an eine Notation angehängt werden, wenn das dokumentspezifische Thema eine wesentliche Übereinstimmung mit der DDC-Klasse aufweist.6 Spezifische Teilthemen und Aspekte dieser Teilthemen werden also in untergeordneten Klassen, die durch spezifische synthetische Notationen repräsentiert werden, nicht behandelt.

Vom strikt begrifflichen Standpunkt aus betrachtet erfolgt der Zugriff auf DDC-erschlossene Informationsressourcen im Rahmen einer von SWD-Sachschlagwörtern ausgehenden automatischen Suchraumerweiterung unter Rückgriff auf die CrissCross-Daten nun aber weitgehend über in DDC-Klassen enthaltene Teilthemen (vgl. Abb. 2).

Abb. 2: SWD-DDC-Mapping

Zur Förderung von thematischen Suchen im engeren Sinn wird in CrissCross aufgrund dessen eine differenzierte Interoperabilität realisiert. Die zwischen SWD-Schlagwörtern und DDC-Klassen erstellte unidirektionale Verbindung wird durch sogenannte Determiniertheitsgrade spezifiziert, welche sich in ihrer Bedeutung an den in der DDC inhärenten Thema-Klasse-Beziehungen orientieren. Der Determiniertheitsgrad 3 wird zum Beispiel in Anlehnung an den Begriff der wesentlichen Übereinstimmung in der DDC7 vergeben, wenn

6 Vgl. dewey-dezimalklassifikation und register. ddc 22. hrsg. v. Joan mitchell. deutsche ausgabe. hrsg. von der deutschen Bibliothek. Bd. 1. münchen: saur, 2005. s. lxv.

7 Vgl. http://www.ddc-deutsch.de/publikationen/pdf/ddc_22_deutsch_glossar.pdf sowie lois mai chan und Joan s. mitchell: dewey-dezimalklassifikation: theorie und praxis. lehrbuch zur ddc 22. übers. u. bearb. v. heidrun alex. münchen: saur, 2006. s. 116.

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a) der in der DDC-Klasse gegebene Kontext im (dokumentunabhängigen) Bedeutungsumfang des SWD-Schlagworts enthalten ist und gleichzeitig

b) das im Schlagwort enthaltene kontextspezifische Thema entweder koextensiv mit der DDC-Klasse ist oder mehr als die Hälfte des Inhalts der Klasse abdeckt.

Auf diese Weise kann automatisch anhand des jeweils vergebenen Determiniertheitsgrads implizit erkannt werden, welche Relation zur DDC-Klasse das Thema aufweist, auf das mit dem SWD-Schlagwort als Zugriffspunkt auf die DDC-Klasse Bezug genommen wird. Daraus können Schlussfolgerungen gezogen werden, ob ein Thema bzw. Aspekte dieses Themas möglicherweise auch in Dokumenten behandelt werden, die durch eine dokumentspezifische synthetische Notation erschlossen wurden. Präzisere thematische Suchen unter Einbezug von dokumentspezifischen synthetischen Notationen werden möglich.

Die durch die Determiniertheitsgrade implizit zum Ausdruck gebrachte Thema8-Klasse-Beziehung kann in Retrievalszenarien zudem genutzt werden, um ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Recall und Precision herzustellen. So ist zum Beispiel angesichts einer geringen Treffermenge eine Trunkierung von Notationen, d.h. die Anzeige von Dokumenten, die mit untergeordneten Notationen klassifiziert wurden, vorwiegend dann sinnvoll, wenn das durch das Schlagwort repräsentierte Thema vollständige oder wesentliche Übereinstimmung mit der durch eine Notation repräsentierte Klasse aufweist.

2.2 beGriFFsexPloraTioN

In Hinblick auf explorative Suchprozesse, die auf die Erkundung des semantischen Umfelds eines Begriffs abzielen, sorgt die Anbindung der SWD-Schlagwörter an die Wissensbasis der DDC für eine Erweiterung des zur Verfügung stehenden Netzes von A-priori-Beziehungen zwischen Begriffen, das in der SWD – bedingt durch ihre historische Entwicklung – lückenhaft und unterschiedlich stark ausgeprägt ist.

Durch die in CrissCross erstellten SWD-DDC-Verknüpfungen werden Schlagwörter zu Schlagwortclustern zusammengefasst, die auch als Ganzes recherchierbar gemacht werden können. Selbige sind über das DDC-Relationsgefüge mit weiteren Klassen und Schlagwortclustern verbunden, die eventuell ebenfalls für das Suchinteresse relevant sind. Zudem trägt die strukturbildende Eigenschaft der DDC-Notationen dazu bei, dass die in der SWD ausgewiesenen Relationen implizit eine Differenzierung erfahren, die sie besser nutzbar werden lassen. Das Schlagwort Jagd hat beispielsweise zahlreiche Unterbegriffe, die bisher nur alphabetisch angezeigt

8 „thema“ meint hier das durch das schlagwort repräsentierte thema.

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werden können. Diese können auf der Grundlage der CrissCross-Mappings weiter spezifiziert werden, wobei die DDC-Klassenbenennungen als ein Hilfsmittel zur Beschreibung der Relationstypen herangezogen werden können: so bezieht sich ein Teil der Unterbegriffe auf Jagdmethoden, andere wiederum auf Jagd auf einzelne Tierarten. Eine schnellere Einschätzung bezüglich der Relevanz der Unterbegriffe in Hinblick auf das Suchinteresse wird möglich.9

Abb. 3: SWD-Strukturdifferenzierung durch CrissCross

3. sTrUkTUrierUNG VoN TreFFerMeNGeN

Im Rahmen moderner Internet-Suchmaschinentechnologien ist die Strukturierung von Treffermengen inzwischen eine Selbstverständlichkeit, wobei diese häufig primär durch kommerzielle Kriterien bestimmt wird. In Onlinekatalogen ist vor allem ein Ranking auf der Basis von formalen Sacherschließungsdaten wie Erscheinungsjahr o.ä. verbreitet.10 Die Strukturierung von Treffermengen nach inhaltlichen Kriterien gewinnt 9 Vgl. die Beispiele in der zum Vortrag verwendeten präsentation: http://linux2.fbi.fh-koeln.de/crisscross/publikationen/

hubrich_graz09.pdf. der mit den crisscross-mappings gegebene nutzen für explorative suchprozesse wird ausführlich behandelt in kap. 3 in: Jessica hubrich: Vom stringmatching zur Begriffsexploration. das potential integrierter begrifflicher interoperabilität. in: proceedings der 12. tagung der deutschen sektion der internationalen gesellschaft für Wissensorganisation Bonn, 19. – 21.10.2009. Würzburg: ergon-Verlag, 2010. [erscheint in kürze]

10 zum ranking in onlinekatalogen s. oberhauser, otto und labner, Josef: relevance ranking in online-katalogen: informationsstand und perspektiven. in: mitteilungen der Vereinigung österreichischer Bibliothekarinnen und Bibliothekare, 2003, 56 nr. 3/4, 49–63. url: http://www.univie.ac.at/voeb/fileadmin/dateien/publikationen/VoB-mitteilungen/vm56200334.pdf. (21.04.2010). mit rankingalgorithmen in heterogenen informationsräumen befasst sich philipp mayr: re-ranking auf der Basis von Bradfordizing für die verteilte suche in digitalen Bibliotheken. dissertation. philosophische fakultät i, institut für Bibliotheks- und informationswissenschaft, humboldt-universität zu Berlin. 2009. url: http://edoc.hu-berlin.de/dissertationen/mayr-philipp-2009-02-18/pdf/mayr.pdf (11.01.2010).

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mit dem rapiden Zuwachs an Dokumenten an Bedeutung und trägt insbesondere in heterogenen Informationsräumen zur Effizienz von inhaltsbezogenen Recherchen bei. Ein sinnvolles, inhaltsbezogenes Ranking von Informationsressourcen erfordert indes die Berücksichtigung der Qualität der eingebundenen Mappingrelationen sowie ggf. die Berücksichtigung der Charakteristika der jeweiligen dokumentationssprachlichen Repräsentation von Dokumentinhalten.

Die im CrissCross-Projekt vergebenen Determiniertheitsgrade spezifizieren in numerischer Form die unidirektionale Verbindung zwischen SWD-Schlagwörtern und DDC-Notationen und eignen sich für die Strukturierung von DDC-erschlossenen Informationsressourcen.

Unter der Voraussetzung, dass die inhaltliche Beschreibung der Dokumente sowohl unter Rückgriff auf SWD-Schlagwörter als auch mit DDC-Notation(en) erfolgt, bieten die CrissCross-Daten die Möglichkeit, die Menge der Dokumente, die mit derselben Notation erschlossen wurden, weiter zu differenzieren und zu strukturieren unter Bezugnahme auf das Schlagwort und die Stärke seiner Beziehung zu der jeweiligen Notation.11 Ein Eindruck von diesem Rankingmechanismus wird indirekt im lizensierten Klassifizierungstool MelvilClass12 vermittelt, in dem die in eine DDC-Klasse gemappten SWD-Schlagwörter gerankt nach Determiniertheitsgrad parallel zur DDC-Klasse eingesehen werden können (vgl. Abb. 4). Ein analoges Ranking ist auch für DDC-erschlossene Informationsressourcen denkbar.

Abb. 4: Ranking von SWD-Schlagwörtern in einer DDC-Klasse in MelvilClass

11 Vorstellbar ist auch der analoge einsatz dieser rankingoption für den fall, dass ein dokument zwar nach ddc erschlossen wurde, jedoch nicht mit sWd, dafür aber das dokument ein titelstichwort aufweist, das formal einem sWd-schlagwort gleicht.

12 Vgl. http://melvil.d-nb.de/ (22.04.2010)

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Auch bei begrifflichen Suchen in einem erweiterten Suchraumszenario, in dem ein SWD-Schlagwort als standardisierter Zugriffspunkt auf DDC-erschlossene Dokumente dient, deren Inhalt nicht zusätzlich mit SWD-Sachschlagwörtern beschrieben wurde, unterstützen die Determiniertheitsgrade das Ranking der Informationsressourcen. SWD-Schlagwörter sind aufgrund ihrer Polysemie i.d.R. mehreren Notationen mit jeweils unterschiedlichem Determiniertheitsgrad zugeordnet. Durch sie ist infolgedessen auch der Zugriff auf Informationsressourcen gegeben, die mit unterschiedlichen Notationen erschlossen wurden. Unter Rückgriff auf die CrissCross-Daten werden zum Beispiel mit dem SWD-Schlagwort „Jagd“ Dokumente gefunden, die mit den DDC-Notationen „639.1“, „799.2“ oder „179.3“ erschlossen wurden. Eine Strukturierung der Treffermengen wird dadurch möglich, dass die Mappings unterschiedliche Determiniertheitsgrade aufweisen (vgl. Abb. 5).

Abb. 5: Ranking von Literatur im Anschluss an eine

Suche mit einem SWD-Schlagwort

In Ergänzung zu den mit den Determiniertheitsgraden gegebenen Optionen zur Strukturierung von Treffermengen können auch Charakteristika der DDC zu Rankingzwecken genutzt werden. Das beschriebene Jagdbeispiel gibt hierfür einen guten Ansatzpunkt: das Schlagwort „Jagd“ ist zu zwei DDC-Klassen mit demselben Determiniertheitsgrad verknüpft. In der DDC ist die Klasse „799.2“ aufgrund des alleinstehenden Registereintrags „Jagd“ als die Klasse charakterisiert, in der das Thema „Jagd“ fächerübergreifend behandelt wird. Dies könnte als Kriterium herangezogen werden, um mit „799.2“ erschlossene Dokumente höher zu ranken als jene, die mit „639.1“ erschlossen wurden. Auch wäre denkbar, dass die in den Notationen abgebildete DDC-Hierarchieebene als Grundlage für nachfolgende Rankings genommen wird.

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4. aUsblick

Die intensive Beschäftigung mit dem Potential der in dem DFG-Projekt CrissCross realisierten unidirektionalen begrifflichen und differenzierten Interoperabilität zwischen SWD und DDC hat deutlich werden lassen, dass der optimale Einsatz der Verknüpfungen zur Unterstützung von inhaltsbezogenen Recherchen in heterogenen Informationsräumen die Berücksichtigung sowohl der Spezifika der Art der erstellten Interoperabilität als auch der Charakteristika der jeweiligen Erschließungsinstrumente erfordert. Ein allgemeineres Stufenmodell der Interoperabilität konnte entwickelt werden,13 das für die Erarbeitung eines allgemeinen Interoperabilitätsmodells, das neben SWD, DDC und den CrissCross-Daten noch weitere Erschließungsinstrumente und Mappingrelationen integriert14, wichtige Ansätze liefern kann. Die explizite Erarbeitung und Beachtung der Interdependenzen zwischen Interoperabilitätstyp, Begriffssystem und Retrievalfunktionalitäten ist entscheidend, um Informationssuchenden in heterogenen Informationsräumen eine möglichst weitreichende Unterstützung für Retrievalprozesse zu bieten und keine Ressourcen zu vergeuden. Hierzu ist weitere, über das CrissCross-Projekt hinausgehende Forschung notwendig.

13 Vgl. kap. 2 in Jessica hubrich: Vom stringmatching zur Begriffsexploration: das potential integrierter begrifflicher interoperabilität. Würzburg: ergon-Verl., 2010 [erscheint in kürze].

14 Vgl. z.B. das von gödert vorgeschlagene interoperabilitätsmodell, das dargelegt wird in: Winfried gödert: ontological spine, localization and multilingual access. some reflections and a proposal. in: new perspectives on subject indexing and classification: essays in honour of magda heiner-freiling. hrsg. v. k. knull-schlomann u.a. leipzig, frankfurt am main, Berlin: deutsche nationalbibliothek, 2008, 233–240.

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DIE EInführung DEr DEwEy-DEzImalklassIfIkatIon (DDc) In DEr oBEröstErrEIchIschEn lanDEsBIBlIothEk (oölB)

rudolf lindpointner

Der Grund für die Einführung der DDC war die Umstellung auf Freihand durch den damals bevorstehenden Umbau und Ausbau der Bibliothek. Durch die Er-richtung von 3 Tiefgeschoßen war es möglich, das gesamte oberirdische Magazin für das Publikum zu öffnen, wodurch die Publikumsflächen von vorher weniger als 200 m2 auf nun 2200 m2 ausgeweitet werden konnten. Zur Ausgangssituati-on: Wir hatten damals eine Freihand-Bibliothek im Umfang von einigen tausend Nachschlagewerken im Lesesaal, die wir einige Jahre zuvor – nach einem Umbau des Lesesaals – grob nach der 3-stelligen DDC aufgestellt hatten. Aber im Grunde genommen war das Thema Freihand für uns vollkommenes Neuland.

Als Klassifikationssysteme wurden im wesentlichen die Regensburger Verbund-klassifikation und die DDC in die engere Auswahl genommen, wobei wir anfangs aufgrund der vermuteten Komplexität der DDC stark der RVK zugeneigt waren.• VorteilederRVKausdamaligerSicht: • Gratis Online-Verfügbarkeit • Verbreitung im deutschen Sprachraum • vergleichsweise hohe Verfügbarkeit bei Altdaten • Einfachheit der Vergabe – da keine Synthese notwendig,

und damit verbunden: • Kürze der Notationen

Zur Vorgangsweise: Wir einigten uns darauf, dass die Referenten (8 Personen) versuchen sollten, Bücher aus ihren Bereichen zu systematisieren und dann ihre Ergebnisse und vor allem ihre Erfahrungen in der Gruppe zu erläutern und zu diskutieren. Zunächst mit der RVK. Dabei haben sich die erwähnten (antizipierten) Vorteile teilweise relativiert. Insbe-sondere die Einfachheit wollte sich nicht so einstellen. Bei einigen scheinbar ein-fachen Beispielen – eines davon war No fixed points: dance in the twentieth century von Nancy Reynolds, 2003 – kamen wir zu keinem eindeutigen Ergebnis.

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Dieses Problem bestätigt sich auch häufig bei den Altdaten, nämlich dass eine RVK-Notation – salopp formuliert – selten alleine daherkommt. Was für die Recherche kein Problem darstellt, ist aber natürlich eines für die Aufstellung ... Jedenfalls erschien uns der (vorgestellte Dokumentations-) Aufwand für eine eini-germaßen kohärente Aufstellung relativ hoch (was sich natürlich für Spezialbibli-otheken durchaus anders darstellen kann). Der Vorteil der Syntheselosigkeit und Kürze wird andererseits bezahlt mit dem Nachteil der Abwesenheit jeder Semantik, d.h. dass jede Stelle eine diskrete Einheit ist, an der es nichts zu verstehen gibt. Das wirkt sich natürlich insbesondere – so viel Egoismus muss sein – auch auf den Spaßfaktor bei der Arbeit aus.

Durch diese Erfahrungen mit der RVK kamen wir noch einmal auf die – aufgrund der Vor-Überlegungen schon beinahe abgeschriebene – DDC zurück. Überra-schenderweise war das Echo von Seiten der Referenten – trotz der Tatsache, dass mit der 4-bändigen Druckausgabe hantiert werden musste – sehr positiv und so kam es im August 2006 zur einhelligen Entscheidung für die DDC.

Eine wesentliche Rolle bei der Entscheidung spielte natürlich auch die Tatsache, dass die (mehr oder minder flächendeckende) Vergabe von DDC-Notationen für die Neuerscheinungen der Reihe A der Deutschen Nationalbibliografie und damit auch für die Fremddaten durch die Deutsche Bibliothek ab Anfang 2007 bereits absehbar war (- mehr oder minder flächendeckend deshalb, weil ja z.B. Belletri-stik ausgenommen ist). Obwohl die Entscheidung sicherlich nicht bis ins Letzte durchargumentiert war und teilweise aus dem Bauch heraus getroffen wurde, bin ich heute mehr denn je von ihrer Richtigkeit überzeugt. Die Vorteile aus heutiger Sicht (zunächst in Gegenüberstellung zur RVK):• DasOnline-ToolMelvilClass–kostetwenigundbietetinteressanteFeatures,

so z.B. die Möglichkeit, synthetisierte Notationen abzuspeichern und Kom-mentare anzubringen, weiters die Verknüpfung zwischen SWD und DDC durch das sog. Criss-Cross-Projekt.

• DieVerbreitungderRVKimdeutschenSprachraumwirdinLinzgleichsamkonterkariert durch die Anwendung der DK sowohl in der UB als auch in der Stadtbibliothek. Ihr steht als Vorteil außerdem die Internationalität der DDC gegenüber.

• DerhoheGradanVerfügbarkeitderRVKbeiAltdatenimVerbundwirdmehrals aufgewogen durch den Vorteil der Verfügbarkeit von DDC-Notationen bei einem Großteil der aktuellen Literatur in den Fremddaten.

• AlsgroßenVorteilzumindestfüreineUniversalbibliothekwiedieOÖLBseheich auch die relativ einfach überblickbare Grundstruktur der DDC mit den 10 Hauptklassen. Natürlich sind damit auch gewisse Einschränkungen und

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Ungereimtheiten des Systems insgesamt verbunden, aber das trifft letztlich in gewissem Ausmaß auf jedes System zu.

• Einen gewissenVorteil der DDC-Signaturen sehe ich auch darin, dass sieklar getrennt aus einem Ziffernteil (der Notation) und einem Buchstabenteil (den Signaturelementen) bestehen, wodurch ich beim Suchen oder Sortieren mit meiner Aufmerksamkeit nicht ständig zwischen alphabetischer und nume-rischer Sortierung pendeln muss.

• DasProblemder langenSignaturen ingewissenBereichenhabenwirdurchsinnvolle Gliederung auf dem Etikett zu entschärfen versucht, für die wir uns ein kleines Makro schreiben haben lassen.

• TeilweisenehmenwirauchKürzungenderNotationvor,wobeiesverschiedeneMöglichkeiten gibt, das nicht linear, sondern intelligent und nach Regeln zu tun. Ich möchte dazu kurz 2 Beispiele nennen, die bei uns in den Regeln für die Signaturenbildung festgelegt sind:

• BeimRechtbezeichnendieerstendreiStellendasRechtsgebiet,z.B.345Straf-recht, dann kommt nach dem Punkt das Geografikum, also z.B. 436 für Öster-reich und dahinter die weitere Ausdifferenzierung, z.B. 0268 für Wirtschafts-recht. Die Notation für Wirtschaftsrecht Österreich ist daher: 345.4360268. Wir lassen nun – im Fall von Österreichischem Recht

• inderSignaturdieLänderkennungfürÖsterreichweg,sodassdieSignaturdann 345.0268_ ... lautet und das Österreichische Recht im jeweiligen Rechts-gebiet immer vor z.B. dem Deutschen Recht steht.

• InderKunstkommtbeiAusstellungengleichwelcherArtzuerstdieBezeich-nung der Kunst, z.B. Kunst des 21. Jahrhunderts 709.05, dann T1—074 für Ausstellung und daran das Geografikum, so ergibt sich z.B.: 709.05074434124 für die Documenta 2007. In diesen Fällen lassen wir generell das Geografikum in der Signatur weg und ziehen das dafür in die Signatur. Das sieht dann so aus: 709.05074_KASS_doc-12

Die Einführung war natürlich anfangs mit vielen Unsicherheiten behaftet, zumal sie ohne intensive Schulung erfolgte, nur auf der Basis von Fachbuch-Lektüre und Learning by Doing. Die Eigenvergabe von DDC-Notationen ist auch jetzt oft noch manchmal sehr zeitintensiv, da ich meine Entscheidungen in allen Zweifels-fällen immer durch Recherchen im Katalog der DNB oder im Dewey-Index der British-Library absichere ...

Die Arbeit mit der DDC macht auf jeden Fall Spaß, was wahrscheinlich mit der Mi-schung aus hohem Abstraktionsniveau einerseits und der Möglichkeit, viele Dinge und Aspekte sehr konkret auszudrücken andererseits, zusammenhängt. Durch die semantische Struktur hat sie beinahe etwas vom Lernen einer Sprache an sich.

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Dass beide Klassifikationssysteme – RVK und DDC – in unterschiedlichen Bereichen unterschiedlich differenzieren, möchte ich abschließend anhand von zwei Beispielen zeigen, an denen zugleich die unterschiedlichen Zugänge deutlich werden: • DasersteBeispielausdemBereichderGeschichteistdasKonzentrationslager

Mauthausen: • Dafür gibt es in der RVK nur NQ 2350 für Konzentrationslager ohne Dif-

ferenzierung nach Orten. • In der DDC haben wir dafür 940.5318536228, wobei 940.53185 für Kon-

zentrationslager steht und [4]36228 für Bezirk Perg. Hier habe ich also die Möglichkeit, auch konkret nach einzelnen KZs zu recherchieren. Für die Aufstellung muss ich mir überlegen, wie weit ich das differenzieren will.

Bei dem zweiten Beispiel aus dem Bereich der Literatur ist es umgekehrt: Hier hat in der RVK hat jeder mehr oder minder prominente Schriftsteller eine eigene oder mehrere Notationen, wenn er nicht in eine Residualkategorie fällt. So gibt es z.B. für Adalbert Stifter – abgesehen davon, dass er auch unter den Pädago-gen und den Künstlern firmiert – die Notationen:• GL 9343 Gesamtausgaben• GL 9344 Einzelausgaben• GL 9345 Übersetzungen• GL 9346 Sekundärliteratur was für die Stifter-Recherche natürlich viele Vor-

teile bietet, wesentlich mehr, als aus der DDC herauszuholen ist, wo er ganz einfach unter

• 833.7DeutscheErzählprosa–19. Jahrhundertzufinden ist. (Hätteer auchGedichte geschrieben, so stünden diese unter 831.7).

Andererseits bietet der Aspekt unter dem die DDC Literatur aufstellt, nämlich die Einteilung zuerst nach Sprache, dann nach Gattung (Lyrik, Drama, Prosa etc.) und Zeit, einen interessanten Zugang, der sich – anders als bei der RVK – nicht schon großteils im Opac abbildet.

Abschließend kann ich berichten, dass sich die Benutzer nach den Erfahrungen der ersten Wochen überraschend gut zurechtfinden, obwohl wir mit der Beschriftung noch nicht auf dem angepeilten Stand sind.

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ProvEnIEnzforschung

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ProvEnIEnzforschung an DEr mEDIzInIschEn unIvErsItät wIEn: ErgEBnIssE, analysEn unD forschungsPErsPEktIvEn

Walter mentzel

Die Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien initiierte mit Unterstützung des Rektorates der Medizinischen Universität Wien (MedUni Wien) im Mai 2007 ein Provenienzforschungsprojekt zum Thema „NS-Bücherraub an der Medizinischen Universität Wien“.1 Die bisher vorliegenden Zwischenergebnisse wurden in mehreren Publikationen und auf Tagungen vorgestellt.2 Darüber hinaus wurden 2008 von der Bibliotheksleitung anlässlich des „Gedenkjahres 1938“ auf Basis von Web 2.0 im „Van Swieten Blog“ ein Projekt zu den Vertreibungen von MitarbeiterInnen aus dem Personalstand der ehemaligen Medizinischen Fakultät durchgeführt.3 Außerdem begann die Projektleitung noch zwei Teilprojekte zur Grundlagenforschungen des NS-Raubes.4

Bis zum „Anschluss“ im März 1938 existierten in Wien an den lokalen Standorten der Medizinischen Fakultät und im Allgemeinen Krankenhaus zahlreiche Klinik- und Institutsbibliotheken5 sowie außeruniversitäre Bibliotheken von Standesorganisationen

1 zum projekt selbst, seinen zielsetzungen, den zwischenergebnissen, der finanzierung u.a. vgl. Walter mentzel, Bruno Bauer: ns-provenienzforschung an der universitätsbibliothek der medizinischen universität Wien. in: Bibliothek: forschung und praxis, nr. 1, 2010. Weiters: Bruno Bauer: provenienzforschung an österreichischen universitätsbibliotheken. recherche und restitution von ns-raubgut an den universitäten graz, innsbruck, klagenfurt, salzburg und Wien. in: Bibliotheksdienst 43 (2009), h. 11, s. 1123-1130. Walter mentzel, Bruno Bauer: stumme zeitzeugen. medizinische und medizinhistorische Bibliotheken an der medizinischen fakultät der universität Wien während der ns-zeit. in: stefan alker, christina köstner, markus stumpf (hg.): Bibliotheken in der ns-zeit. provenienzforschung und Bibliotheksgeschichte. Wien 2008, s. 273-287. Walter mentzel, harald albrecht: Wiener medizinische Bibliotheken und die rolle von ns-antiquaren im ns-Bücherraub am Beispiel des institutes für geschichte der medizin in Wien. in: tagungsband 7. österreichischer zeitgeschichtetag 2008 [erscheint 2010].

2 das projekt wird durchgeführt von dr. Walter mentzel (historiker, projektleiter) und dem mitarbeiter harald albrecht (Bibliothekar an der teilbibliothek des instituts für geschichte der medizin der universitätsbibliothek der meduni Wien).

3 sonder-Blogserie „Vertrieben 1938“. das projekt ist als Beitrag des erinnerns an die opfer des nationalsozialistischen regimes an der medizinischen fakultät der universität Wien, der Vorgängerinstitution der medizinischen universität Wien konzipiert. (http://ub.meduniwien.ac.at/vertrieben). ein wichtiges ziel der sonder-Blogserie ist die unterstützung weiterer forschungen zu dieser thematik.

4 Vgl. weiter unten das kapitel teilprojekte.5 Vgl. Bruno Bauer: die errichtung der fakultätsbibliothek für medizin an der universität Wien im neuen akh.

geschichte – struktur – perspektiven. hausarbeit. Wien 1992.

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und Fachorganisationen wie der „Gesellschaft der Ärzte in Wien“ (GdÄ). Diese ehemaligen dezentralen Bibliotheksbestände befinden sich heute in der Teilbibliothek der Universitätsbibliothek der MedUni Wien am Institut für Geschichte der Medizin, wo sie seit den 1990er Jahren sukzessive zusammengefasst wurden. Bei der seit Mai 2007 vorgenommene Autopsie von zirka der Hälfte des historischen Bibliotheksbestandes (Stand Februar 2010: 120.000 Bücher), konnten bisher 215 Signaturen als eindeutig geraubt identifiziert und 34 Provenienzen zugeordnet werden. Weitere, zirka 2.000 Bücher, stehen unter Verdacht, aus „bedenklichen“ Erwerbungsvorgängen zu stammen. Unter diesen befindet sich eine große Anzahl, die mit hoher Wahrscheinlichkeit aus jenen nach 1938 „arisierten“ oder „liquidierten“ Buchhandelsunternehmungen stammt. Dieser Umstand, sowie die noch zu autopsierenden Bücher, lassen eine weitaus größere Zahl an Raubgut erwarten.6

Nach Provenienzen geordnet, können wir folgende Systematik erstellen:1. Bücher vertriebener oder ermordeter Ärzte aus Einrichtungen und Organisations-

einheiten der ehemaligen Medizinischen Fakultät der Universität Wien und dem Allgemeinen Krankenhaus in Wien,7

2. Bücher aus Privatbibliotheken von Personen, die vertrieben oder deportiert und ermordet worden sind,

3. Bücher aus öffentlichen oder privaten Bibliotheken aus dem In- und Ausland,4. Bücher aus dem Beständen „arisierter“ oder „liquidierter“ Antiquariate und

Buchhandlungen,5. Bücher aus dem Bestand medizinischer Vereinsbibliotheken.8

Der „Anschluss“ im März 1938 führte zu einer vollständigen Zerschlagung der medizinischen Vereinslandschaft und damit auch deren Bibliotheken.9 Dies betraf vor allem Bibliotheken von Fach- und Standesorganisationen und die zahlreichen medizinischen Ärzte-, Studenten- und Akademikervereine. Viele dieser Vereine und Bibliotheken „verschwanden“ auf Grund ihrer „Liquidierung“ im Zuge der durch

6 details zu den bisher eruierten fällen an geraubten Büchern und ihren provenienzen finden sich bei: Walter mentzel, Bauer Bruno: opfer des ns-Bücherraubes – 10 fälle aus medizinischen Bibliotheken in Wien: provenienzforschungsprojekt an der universitätsbibliothek der medizinischen universität Wien. in: gms medizin – Bibliothek – information 8 (2008), h. 3, doc25. ab 2010 werden laufend „fallstudien über geraubte Bücher“ im Van swieten Blog der universitätsbibliothek der meduni Wien veröffentlicht werden.

7 Bücher mit diesen provenienzen konnten in der ehemaligen Bibliothek der i. chirurgischen klinik an der medizinischen fakultät in Wien – „Bibliothek deutsch“ festgestellt werden. der leiter der klinik, prof. leopold schönbauer, hatte zwischen 1945 bis 1956 auch die provisorische leitung des instituts für geschichte der medizin in personalunion inne.

8 eine aufstellung aller provenienzen, systematisch geordnet und laufend aktualisiert, findet sich auch unter: http://ub.meduniwien.ac.at/provenienzforschung/.9 1914 existierten alleine in Wien noch über 60 medizinische Vereine. im oktober 1938 wurde die gdÄ und das

doctoren-kollegium, die beiden letzten medizinischen Vereine, aufgelöst. Vgl. u.a. Wiener stadt- und landesarchiv, (Wstla), ma 119 zl. 7.710/1939, gelöschte Vereine: Wiener medizinisches doctoren-kollegium.

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das NS-Regime forcierten Neuordnungspläne, die eine völlige Zentralisierung und Gleichschaltung anstrebten, oder sie wurden während der nationalsozialistischen Verfolgung geraubt.10 Dem entsprechend wissen wir heute wenig bis gar nichts über das Schicksal und den Verbleib zahlreicher Bibliotheken, zumal auch im Falle von „Liquidierungen“ und Auflösungen medizinischer Vereine der Verbleib von Bibliotheksbeständen11 sich zumeist nicht in dem einschlägigen Aktenschriftgut der mit dem Raub und der Zerschlagung beschäftigten, aktenproduzierenden NS-Verwaltungsstellen niederschlug. Andere „institutionalisierte“ Bibliotheken hingegen erfuhren während des NS-Regimes eine ideelle Aufwertung und durch üppige Dotierungen eine Entwicklungsperspektive, die sich unter anderem in einer expansiven Erwerbungspolitik äußerte. Dazu zählte die Bibliothek der „Gesellschaft der Ärzte in Wien“ und die Bibliothek des Institutes für Geschichte der Medizin. Beide Bibliotheken konnten bisher als „Profiteure“ des NS-Raubes identifiziert werden.

Die biblioThek Der GesellschaFT Der ärzTe iN WieN – „billroThaUs“

Die 1837 gegründete „Gesellschaft der Ärzte in Wien“ (GdÄ) verfügte zum Zeitpunkt des „Anschlusses“ im März 1938 über einen der ältesten und bedeutsamsten medizinischen Bibliotheksbestand im deutschen Sprachraum. Nach dem Rücktritt des Präsidenten der GdÄ, Prof. Eiselsberg, einer Austrittswelle jüdischer Mitglieder und der Emigration des langjährigen Bibliothekars und Dozenten für Geschichte der Medizin Isidor Fischer (1869-1945), kam es durch den Gauobmann des NS-Ärztebundes zur Ernennung des bisherigen Vermögensverwalters und Nationalsozialisten Adolf Irtel (1867-1947) zum Bibliotheksleiter. Die Gesellschaft wurde im Oktober 1938 aufgelöst und nach deren Löschung durch Verfügung des Stillhaltekommissärs12 und der Vermögensübertragung der Reichsärztekammer in Berlin unterstellt. Im Februar 1939 wurde als Kompensation auch zu den anderen aufgelösten medizinischen Ärztevereinen die „Wiener medizinische Gesellschaft“ 10 Vgl. exemplarisch dazu den „akademischen Verein jüdischer mediziner“. Walter mentzel, harald albrecht u.a.:

provenienzforschung an der universitätsbibliothek der medizinischen universität Wien. in: mitteilungen der Vereinigung österreichischer Bibliothekarinnen und Bibliothekare 61, 2008, h. 1, s. 7-14.

11 zahlreiche von uns unter verdacht aus geraubten Bibliotheksbeständen stammen Bücher kommen aus jenen bis 1938 existierenden medizinischen Vereine, deren rechtsnachfolge heute nur mehr schwer zu klären ist. trotz des am 31. Juli 1945 von der provisorischen regierung erlassenen „Vereins-reorganisationsgesetzes“ (stgBl. 102 über vereinsrechtliche maßnahmen – Vereins reorganisationsgesetz) kam es kaum zu einer Wiederanknüpfung an die Vereinstätigkeit vor 1938. eine ausnahme bildete, auf der Basis der neuen gesetzlichen grundlage, die Wiedererrichtung der gdÄ.

12 stillhaltekommissar für Vereine, organisationen und Verbände. der stillhaltekommissar bildete die abteilung iV des reichskommissars für die Wiedervereinigung österreichs mit dem deutschen reich und war durch das gesetz vom 17. mai 1938 (gBl. für österreich nr. 136/1938) geregelt.

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gegründet. In dieser Gesellschaft wurde die Bibliothek der ehemaligen GdÄ von Adolf Irtl unter dem Namen „Wiener medizinische Bibliothek Billrothaus“ weitergeführt.13 Die Bibliothek der GdÄ befindet sich heute als Dauerleihgabe in der Teilbibliothek am Institut für Geschichte der Medizin an der Universitätsbibliothek der MedUni Wien.

Zwischen 1940 und 1942 bezog die Bibliothek „Billrothaus“ Bücher von der „Reichsaustauschstelle Berlin“, sowie zuvor im April 1939 vom Beauftragten des „Reichsärzteführers für das ärztliche Fortbildungswesen“, Kurt Blome14, Bücher aus der Paracelsus-Bibliothek aus der Sudhoff ’schen Bibliothek. Ab dem Jahr 1941 erhielt die Bibliothek vom Leiter des Pressereferates der Gestapo Wien, Alfons Rosse, eine Reihe französischsprachiger Bücher medizinischen Inhaltes,15 die allem Anschein nach aus Beschlagnahmeaktionen der Gestapo stammen dürften.16 Ebenso wurden nach der Besetzung Frankreichs französische Zeitschriften von der Auslandszeitungshandel GmbH. in Köln bezogen.17 Daneben konnten Bücher aus der Provenienz von 1938 vertriebener Ärzte im Bibliotheksbestand der GdÄ festgestellt werden.

Die biblioThek Des iNsTiTUTes FÜr GeschichTe Der MeDiziN

Die meisten aus Raubbeständen stammenden Bücher konnten in der ehemaligen Bibliothek des Institutes für Geschichte (IGM) und der schon vor 1938 dem Institut angeschlossenen Josephinischen Bibliothek, die wie heute einen repräsentativen und wertvollen Bibliotheksbestand darstellt, eruiert werden. Dieses Institut zählte in den 1930er Jahren in Europa zu einer der renommiertesten medizinhistorischen Institutionen, obwohl es in Wien personell wie finanziell ausgehungert ein Schattendasein führte. Sparmaßnahmen, wie sie in den 1930er Jahren im Bildungs- und Wissenschaftsbereich exzessiv betrieben wurden, führten mit der Emeritierung (1934) des Institutsleiters Max Neuburger zu einer de facto Schließung des Institutes und ihrer Bibliothek und Sammlungen. Nachdem der aus „rassischen“ Gründen 1938 zu Emigration gezwungene Institutsleiter, Max Neuburger, die Bibliothek seit ihrer Gründung im Jahre 1914 und vor allem nach 1934 mangels finanzieller

13 friedrich ribar: die geschichte der Bibliothek der gesellschaft der Ärzte in Wien 1837 – 1987. Wien 1990. (hausarbeit), karl hermann spitzy (hg.): gesellschaft der Ärzte in Wien 1837 –1987. Wien 1987, s. 39-54.

14 Blome wurde 1935 zum Beauftragten für ärztliche fortbildung ernannt. seit 1936 gehörte er dem reichsauschuss zum „schutze deutschen Blutes“ an. 1939 wurde er stellvertretender leiter des ns-Ärztebundes.

15 adolf irtl: Jahresbericht über die Wiener medizinische Bibliothek „Billrothaus“ 1941. in: Wiener medizinische Wochenschrift, 1942, h. 26, s. 481-482.

16 peter malina: die gestapo als Bücherlieferant. Vorläufige ergebnisse der provenienzforschung an der universität Wien. in: mitteilungen der gesellschaft für Buchforschung, 2, 2006, s. 30-41.

17 friedrich ribar: die geschichte der Bibliothek der gesellschaft der Ärzte in Wien 1837 – 1987, a.a.o., s. 54.

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Ressourcen durch Schenkungen und seine Sammlungstätigkeit zu erweitern versucht hatte, begann ab Jänner 1940 mit dem neu ernannten Institutsvorstand, dem Kölner Medizinhistoriker Fritz Lejeune, eine expansive Erwerbungspolitik, die innerhalb 4 Jahren zu einer massiven Ausweitung des Bibliotheksbestandes führte.18

Während die Bestandsgröße in den 1930er Jahren noch bei zirka 10.000 Büchern lag, wird in einem Bericht des provisorischen Leiters des IGM, Prof. Leopold Schönbauer19, vom Juni 1947, gerichtet an das Dekanat der Medizinischen Fakultät, der Gesamtbestand auf 60.000 Bucheinheiten geschätzt, was einer Versechsfachung entsprach.20 Diese expansive Ankaufspolitik wurde gefördert durch die ab 1940 erfolgte Aufwertung der Medizingeschichte zum prüfungsimmanenten Pflichtfach im Studium der Medizin sowie durch die hohen finanziellen Zuwendungen, die das Institut durch das zuständige Ministerium erfuhr. Neben seiner Tätigkeit für die Institutsbibliothek stellte Lejeune gerne seine Kenntnisse und Geschäftsbeziehungen des Wiener Büchermarktes für jene zu dieser Zeit sich im Aufbau befindenden medizinhistorischen Bibliotheken zur Verfügung. Dabei wird sichtbar, dass seine Rolle im NS-Bücherraub weit über die eines Nutznießers und passiven Profiteures hinaus ging, was u.a. auch seine eng gepflegten Kontakte und Geschäftsverbindungen zu NS-Antiquariaten belegen. Besonders eng und freundschaftlich gestaltete sich – den Krieg bis zu seinem Tode im Jahr 1966 überdauernd – seine Beziehung zur Kärntner NS-Prominenz und zum Führungskreis um Gauleiter Rainer, für die er im Rahmen der Paracelsus-Feiern 1941 in Villach initiativ geworden war und eine beträchtliche Zahl an historischen Büchern erworben hatte.21 So wie im Fall Kärnten bot er auch seine Hilfe bei den Ankäufen von historischen Büchern den Inhabern der Firma Boehringer Ingelheim am Rhein an, die für die Bewerbung ihrer Pharmaprodukte eine historisch-medizinische Bibliothek mit mittelalterlichen und neuzeitlichen Büchern mit dem Schwerpunkt „deutsche Heilkunde“ aufbauten und dafür zwischen 1941 und 1943 Lejeune in ihre Beschaffungspläne einbezogen hatten.22

18 fritz lejeunes karriere als medizinhistoriker begann in deutschland anfang der 1920er Jahren im umfeld der nsdap. seine weiteren karriereschritte erfolgten in den strukturen der ns-medizin und ns-medizingeschichtsforschung, sowie durch seine aktivitäten als mitgründer und seine tätigkeit in internationalen medizinhistorischen gremien und der daraus resultierenden nähe zum ns-propagandaministerium. seine Vernetzung bis in die höchsten ns-parteistellen führte durch deren förderung zu seiner Berufung an das institut für geschichte der medizin in Wien. klaus schmierer: medizingeschichte und politik. karrieren des fritz lejeune in der Weimarer republik und im nationalsozialismus. husum 2001.

19 leopold schönbauer (1888-1963), prof. und Vorstand der i. chirurgischen klinik, direktor des allgemeinen krankenhauses in Wien, prov. leiter des igm und abgeordneter zum österreichischen nationalrat (öVp).

20 igm, archiv, ordner dekanat-senat 1945/1946. 21 dieses projekt war auch die initialzündung zu einem von ihm gegründeten und eingerichteten museum sowie einer

medizinhistorischen Bibliothek in Villach/kärnten.22 igm, archiv, ordner Boehringer.

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Zu diesen von Lejeune initiierten oder unterstützten Projekten, vor allem aber auch für seine Erwerbungspolitik im Rahmen seiner Leitungsfunktion am IGM, pflegte er schon unmittelbar nach seinem Amtsantritt rege Geschäftsbeziehungen zu jenen in Wien im NS-Bücherraub involvierten Antiquariaten und Buchhandlungen. Seine beiden Hauptlieferanten waren die Wiener NS-Antiquariate Alfred Wolf23 und Karl Stark24, die beide aus „Arisierungen“ hervorgingen. Insgesamt unterhielt Lejeune zu acht Wiener Antiquariaten Geschäftsbeziehungen, die alle als eindeutige NS-Antiquariate identifiziert werden konnten. Daneben stellten für ihn ab Herbst 1940 niederländische und dänische Antiquariate eine weitere Bezugsquelle dar. Weitere Ankäufe tätigte er bei einer Reihe von Antiquariaten und Buchhandlungen in Deutschland.25

TeilProJekTe

Da ein Großteil der als „geraubt“ identifizierten bzw. unter Verdacht aus Raubbeständen stammenden Bücher aus dem Antiquariatshandel bezogen wurde sowie ähnliche Ergebnisse von Provenienzforschungsprojekten in Österreich und Deutschland vorliegen, bewog 2009 die Projektleitung, ein Forschungsprojekt zur systematischen Identifizierung, Erfassung und Dokumentation von NS-Antiquariaten und ihre Rolle im NS-Raubprozess zu entwickeln.26 Analog zu diesem wurde ein zweites Teilprojekt zum Thema „FotografInnen: Vertriebene und Opfer des Holocaust“ begonnen. Auch hier sollen als Grundlagenforschung für die Provenienzforschung an Bildarchiven die Opfer der Vertreibungen und deren Nachfolger und Profiteure systematisch dokumentiert werden.

aUsblick

Nach dem für Ende 2010 geplanten Abschluss der Autopsie in den historischen Bibliotheksbeständen an der Universitätsbibliothek der MedUni Wien wird der

23 alfred Wolf „arisierte“ mit seinem partner friedrich richard riedmann die beiden Wiener antiquariate von hans peter kraus und leo Weiser. zu diesem antiquariat und den dazu durchgeführten Voruntersuchen vgl. das kapitel „die antiquariats- und exportbuchhandlung alfred Wolf (1940-1972)“ in: Walter mentzel u.a.: Wiener medizinische Bibliotheken und die rolle von ns-antiquaren am Beispiel des institutes für geschichte der medizin in Wien, a.a.o.

24 karl stark „arisierte“ als ehemaliger mitarbeiter das antiquariat von marianne stern. Vgl. österreichisches staatsarchiv (östa), Bundesministerium für finanzen (Bmf), Vermögenverkehrsstelle (VVst.), handel, zl. 2.383 marianne stern.

25 näheres dazu in: Walter mentzel, Bruno Bauer: stumme zeitzeugen. medizinische und medizinhistorische Bibliotheken an der medizinischen fakultät der universität Wien während der ns-zeit. in: stefan alker u.a.: Bibliotheken in der ns-zeit. provenienzforschung und Bibliotheksgeschichte. Wien 2008, s. 273-287.

26 das projekt wird gefördert von der hochschuljubiläumsstiftung der stadt Wien.

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Endbericht über die Ergebnisse der Provenienzforschung an der Universitäts-bibliothek der MedUni Wien 2011 publiziert. Das an der größten medizinischen Fachbibliothek in Österreich durchgeführte Projekt wird Mitte 2010 auf die Bestände der „Sammlungen“ und Museen der Medizinischen Universität Wien (Handschriftensammlung, Bildarchiv, Instrumentensammlung, medizinhistorisches Museum) ausgeweitet, wobei bei ersten Voruntersuchungen im Bildarchiv erste Fälle von Raubgut eruiert werden konnten.

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DIssErtatIon „unIvErsItätsBIBlIothEk graz 1938–1945“: ProvEnIEnzforschung

katharina Bergmann-pfleger

Im Rahmen des Ende 2006 begonnenen, kurz vor dem Abschluss stehenden Dissertationsprojektes über die „Geschichte der Universitätsbibliothek Graz während des Nationalsozialismus“ wurde eine umfangreiche Untersuchung der Erwerbungen des Zeitraums 1938–45 durchgeführt, deren Ergebnisse in Teilaspekten an dieser Stelle präsentiert werden sollen.

1. aUsGaNGslaGe

Aufgrund ungünstiger Aktenlage – das dokumentarische Material der Jahre 1938-45, vor allem die erwerbungsspezifischen Korrespondenzakten, wurde bereits vor dem Zusammenbruch des Dritten Reiches vom damaligen Bibliotheksdirektor Dr. Franz Gosch (1884-1952) zu weiten Teilen vernichtet – wurde als Arbeitshypothese die Unwahrscheinlichkeit des Vorhandenseins von NS-verfolgungsbedingt entzogenem Bibliotheksgut an der UB Graz formuliert. Diese Annahme konnte erst durch das Auffinden der Inventarbücher des betreffenden Zeitraums und die in diesen enthaltenen Informationen zu den Erwerbungsvorgängen revidiert werden.

2. arbeiTsMeThoDik

Anhand der sorgfältig und lückenlos geführten Akzessionsjournale wurden in einem Ausschließungsverfahren von den insgesamt zwischen 1938–45 durch die UB Graz erworbenen 33.273 Druckschriften 12.998 ermittelt, die angesichts ihrer Herkunft oder anderer Indizien unter Raubgutverdacht standen. Diese rund 13.000 Objekte, die über staatliche Stellen wie der Reichstauschstelle, der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft, dem Deutsch-Ausländischen Buchtausch oder der Preußischen Staatsbibliothek, über Antiquariate, unbekannte Personen oder ohne Angabe einer Lieferantenquelle zwischen dem 15. März 1938 und dem 31. März 1945 in den Bestand der UB Graz gelangten, wurden mittels Signatur im Magazin ausfindig gemacht und einer autoptischen Überprüfung unterzogen. Die dabei eruierten Besitzvermerke (Stempel, Exlibris, handschriftliche Eintragungen wie Namen oder

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Widmungen) bzw. ihr Fehlen ermöglichten es, weitere 9.993 Druckschriften vom Verdacht, unrechtmäßig erworben worden zu sein, „freizusprechen“. Übrig geblieben waren immerhin 1. 778 Objekte, von denen nach eingehender Recherche entweder der NS-verfolgungsbedingte Entzug bestätigt werden konnte oder die nach wie vor unter einem solchen Verdacht stehen, deren Provenienz aber noch nicht (zumeist aufgrund ungenauer Besitzvermerke) geklärt werden konnte. 1.227 der ursprünglich anhand der Inventarbücher als verdächtig eingestuften Druckschriften konnten keiner Autopsie unterzogen werden, da sie entweder nicht gefunden werden konnten, im Laufe der Zeit in Verlust geraten oder an andere Institute der Karl-Franzens-Universität übergeben worden waren.

In der Dissertation wird als Forschungsergebnis u.a. eine Liste publiziert werden, die auf 1.278 Einzeleinträgen sämtliche der erwähnten Bücher und die in ihnen eruierten Besitzvermerke verzeichnet. Mit Hilfe dieses Registers soll zum einen eine Weiterarbeit am Provenienzprojekt ermöglicht werden, um die noch aufklärungsbedürftigen – darunter fallen auch die inzwischen an anderen Instituten lagernden – Objekte weiteren Recherchen unterziehen zu können. Zum anderen bieten die im Verzeichnis erstellten Informationen die Möglichkeit, die Standorte der als Raubgut klassifizierten Druckschriften einzusehen und Restitutionen durchzuführen.

3. erGebNisse - FallbeisPiele

In Anbetracht des relativ knappen Beitrages muss auf eine ausführliche Darlegung der Ergebnisse verzichtet und auf die Nennung einiger weniger geklärter Raubgutfälle beschränkt werden. Zu den mutmaßlichen Raubgutfällen, die noch eingehendere Recherchen erfordern, zumindest so viel: Bei den Ankäufen hat sich vor allem die aus den Antiquariaten Alfred Wolf, Wien, und Gilhofer und Ranschburg, ebenfalls Wien, stammende Literatur als verdächtig im Sinne verfolgungsbedingt entzogenen Bibliotheksgutes erwiesen. Einerseits handelt es sich hierbei um Bestände „arisierter“ Buchhandlungen, die zum Verkauf gelangten, andererseits um noch nicht geklärte, mutmaßlich geraubte Bücher unbekannter Vorbesitzer. Bei den Erwerbungen durch Geschenk hat sich unter anderem die Preußische Staatsbibliothek, Berlin, als Verteilerinstitution beschlagnahmter Bücher aus Verlagen bzw. Buchhandlungen erwiesen, als sie der UB Graz 1938 unverlangt 33 solcher Druckschriften zukommen ließ. Durch die Kreisleitung der NSDAP fanden insgesamt 323 Objekte ihren Weg an die Grazer Bibliothek. Die Bücher stehen – zumal in ca. 22 Prozent die Vorbesitzervermerke zumeist durch Ausschneiden entfernt worden waren – unter Raubgutverdacht, angesichts der schlechten Aktenlage konnte ihre Provenienz aber

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nicht geklärt werden. Ab Oktober 1941 wurden zudem rund 140 Druckschriften aus den Grazer Volksbibliotheken an die UB verbracht; auch diese könnten unrechtmäßig erworben worden sein.

Geklärt werden konnte indes, woher die 22 im Mai 1941 unter dem im Akzessions-journal verzeichneten Herkunftsvermerk „aus jüdischem Besitz“ einsignierten, um 150,- RM angekauften Bücher stammten. Bei den Bestrebungen der Stadt Graz, die „Stadt der Volkserhebung“ nach dem „Anschluss“ auf schnellstem Weg „judenrein“ zu machen, stellte sich für die jüdischen Bürger im Zuge der Emigration, aber auch der ab Mitte 1939 durchgeführten Zwangsumsiedelungen die Frage, wo ihr bewegliches Eigentum gelagert werden sollte. Zumeist entschieden sie sich, Spediteure zu beauftragen, die das Umzugsgut in Lagerräumen zwischenlagern oder den Transport in die Emigrationsländer übernehmen sollten. Viele dieser Ladungen konnten aufgrund der Schwierigkeiten, die sich bei der Emigration stellten, nicht versandt werden und wurden im Sommer 1940 per Erlass des Reichssicherheitshauptamtes durch die Gestapo beschlagnahmt. Danach folgte ein Ausbürgerungsverfahren der Eigentümer, das Umzugsgut wurde zugunsten des Deutschen Reiches eingezogen und der Grazer Rechtsanwalt Dr. Franz Löschnig nach Übereinkunft der Vermögensverkehrsstelle (als Arisierungsbehörde) und dem Oberfinanzpräsidenten mit der Durchführung der Abverkäufe beauftragt. Löschnig ließ als Bevollmächtigter der Gestapo schließlich die bei den Speditionen lagernden Gebrauchsgüter (Möbel, Teppiche, Bücher etc.) im Jahr 1941 in zwei Grazer Lagerhallen bringen, wo sie zu günstigen Preisen verkauft wurden. 22 dieser aus jüdischem Umzugsgut stammenden Bücher erwarb die UB Graz direkt von Franz Löschnig. Dass es sich demnach eindeutig um NS-verfolgungsbedingt entzogenes Bibliotheksgut handelt, geht aus den Schilderungen hervor. Aus wessen Besitz die Literatur stammte, konnte aufgrund fehlender Vorbesitzervermerke allerdings nicht eruiert werden. Lediglich ein Exlibris lässt Rückschlüsse auf den ursprünglichen Besitzer, den jüdischen Grazer Schriftsteller Hugo Oehler, Mitglied der ehemaligen Inhaberfamilie des Kaufhauses Kastner & Oehler, zu.1

Institut für Sozialforschung Frankfurt am Main: Das 1923 gegründete Institut für Sozialforschung wurde als eine an Marx und Freud orientierte Einrichtung am 13. März 1933 durch das NS-Regime geschlossen. Während dem Großteil der Angehörigen des Instituts die Emigration nach Amerika gelang, wurde das Gebäude einschließlich des Inventars, der Bücherbestände und der Materialsammlungen am 26. Mai 1933 auf Grund des „Gesetzes über die Enteignung kommunistischen Vermögens“ zugunsten des Landes Preußen beschlagnahmt und der Preußische Minister für Wissenschaft, Kultur und Volksbildung zum neuen Hausherren erklärt.

1 alle angaben aus: steiermärkisches landesarchiv, lg für strafsachen graz Vr. 6785/1946 franz löschnig.

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Nach Aufteilung der umfangreichen Büchersammlung in ein Drittel „Zersetzungs-literatur“ und zwei Drittel politisch einwandfreie Literatur gelangten die etwa 13.000 Bände „Zersetzungsliteratur“ mit Bescheid des Kultusministeriums vom 20. Oktober 1936 an die Preußische Staatsbibliothek in Berlin, da dort der Plan für die Einrichtung einer Zentralbibliothek für zersetzendes Schrifttum bestand. Die Aufteilung der politisch unbedenklichen Literatur ist teilweise mit der ab 1936 begonnenen Verbringung an diverse Institute der Frankfurter Universität geklärt, ein „Rest blieb im dunklen“2. Nach Ende des Dritten Reiches wurde angenommen, dass die fehlenden Bestände der Bibliothek durch Kriegseinwirkungen verbrannt waren.3

Dem war nicht so, denn 68 der verschollen geglaubten Bücher sind an der UB Graz gelandet. Sie wurden der Bibliothek zwischen 1940 und 1943 von verschiedenen Bezugsquellen übermittelt, darunter die „Gesamtverwaltung der Frankfurter Bibliotheken“, die „Bücherei Frankfurt“, die Reichstauschstelle und der Deutsch-Ausländische Buchtausch. Bei den Büchern aus dem Institut für Sozialforschung Frankfurt am Main handelt es sich wohl um einen der eindeutigsten Restitutionsfälle, die im Zuge der Dissertation herausgestellt werden konnten.

Wilhelm Berger: Am 2. April 1943 bestätigte die Direktion der UB Graz, vom Oberfinanzpräsidium in Graz Bücher hauptsächlich medizinischen Inhalts eines Dr. Wilhelm Berger übernommen zu haben.4 Drei Tage später wurden die 71 Objekte in den Bestand aufgenommen. Die medizinische Literatur stammte von dem am 9. Mai 1889 in Innsbruck geborenen Grazer Universitätsprofessor Dr. med. habil. Wilhelm Berger und dessen Frau Mathilde, voreheliche Bösch. Das Ehepaar emigrierte im Laufe des Jahres 1940 nach Amerika, wo es später die amerikanische Staatsbürgerschaft erhielt und sich in New York niederließ. Zufolge Bekanntmachung des Reichsministers des Innern vom 17. Juni 1942, verlautbart im Deutschen Reichs- und Preußischen Staatsanzeiger Nr. 143 vom 22. Juni desselben Jahres, verloren Wilhelm und Mathilde Berger die deutsche Staatsangehörigkeit, ihr Vermögen wurde beschlagnahmt und ein halbes Jahr später als dem Reich verfallen erklärt.5

2 Wolfgang schivelbusch: intellektuellendämmerung. zur lage der frankfurter intelligenz in den zwanziger Jahren. frankfurt am main 1982, 109.

3 Vgl. gunzelin schmid noerr: frankfurter geschichten 1933 – aus den akten eines gleichschalters. das institut für sozialforschung und die frankfurter Volksbüchereien als horte der „jüdisch-marxistischen zersetzung“. in: leviathan. zeitschrift für sozialwissenschaft. heft 1 (1995), 23.

4 Vgl. schreiben der uB graz vom 2.4.1943. archiv der universitätsbibliothek graz, kleines geschäftsbuch 1940-1945, schuber 24.

5 Vgl. rückstellungsbescheid der finanzlandesdirektion für Vorarlberg vom 5.3.1948, zl. ii – 36/10 – 1948. steiermärkisches landesarchiv, lreg. 15 Vermögensverw. Be/135 1948 Berger Wilh./mathilde.

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Nach Ende des Krieges strebte das Ehepaar Berger aus der amerikanischen Emigration heraus ein Rückstellungsverfahren an, das sich bis Anfang 1948 hinzog. Am 5. März 1948 lag schließlich der Rückstellungsbescheid der Finanzlandesdirektion für Vorarlberg vor, der den beiden geschädigten Eigentümern das ehemals zugunsten des Deutschen Reiches für verfallen erklärte Vermögen mit Wirkung vom 31. Dezember 1947 aus dem Grund der Nichtigkeit des seinerzeitigen Vermögensüberganges zurückerstattete. Das Vermögen umfasste u.a. drei Liegenschaften in Graz, das in Verwahrung der Finanzlandesdirektion für Steiermark befindliche bewegliche Eigentum sowie „die in Verwahrung des Landesgerichtes bzw. der Universität Graz stehenden, noch vorhandenen Fahrnisse“.6 Dazu hätten wohl auch die seit April 1943 an der UB Graz liegenden Bücher gehört, zumindest war die Bibliothek bereits am 13. November 1947 von der Finanzlandesdirektion Graz „um Ausfolgung der aus dem Besitz Prof. Dr. Berger dort verwahrten Bücher“7 aufgefordert worden. Zu einer Rückgabe der Literatur aus der Provenienz „Berger“ ist es offenbar nie gekommen; weshalb, konnte nicht ermittelt werden. Die UB Graz kann dies nun nachholen.

4. zUsaMMeNFassUNG

Die im Zuge einer Dissertation durchgeführte Provenienzforschung der Erwerbungen der UB Graz 1938-45 hat ergeben, dass in der Zeit des Nationalsozialismus eine nicht unbeträchtliche Anzahl von Druckschriften, die als NS-verfolgungsbedingt entzogenes Bibliotheksgut angesehen werden können, in den Bibliotheksbestand aufgenommen worden war. Die UB Graz stellte sich dabei vor allem als passive Empfängerin des durch staatliche Stellen versandten Raubgutes dar; es ist kein Fall überliefert, in dem sie selbst aktiv an dem von den Nationalsozialisten großangelegten Bücherraub verfolgter Personen beteiligt gewesen wäre. Dennoch kann ihr eine Nutznießer- bzw. Mitwisserschaft nicht abgesprochen werden. Dies belegen die Fälle der wissentlich angekauften Literatur aus dem Grazer jüdischen Umzugsgut bzw. der Übernahme von Bücherbeständen verfolgter Grazer Universitätsangehöriger.

6 ebd.7 schreiben der finanzlandesdirektion für steiermark in graz vom 13.11.1947 an die direktion der uB graz, zl.

6020. archiv der universitätsbibliothek graz, haupt- und Verwaltungsakten, schuber 118.

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DIE stuDIEnBIBlIothEk lInz In DEr ns-zEIt

monika eichinger

eiNleiTeNDe beMerkUNGeN

Im Rahmen der Diplomarbeit der Verfasserin1 wurde ein erster Schritt in Richtung Aufarbeitung der NS-Vergangenheit der Linzer Studienbibliothek, der heutigen Oberösterreichischen Landesbibliothek, gesetzt. Die Arbeit beschäftigt sich zum einen mit der Bibliotheksgeschichte von 1938 bis 1945 sowie mit den Nachwirkungen der nationalsozialistischen Jahre bis 1948, zum anderen mit dem Thema „NS-Raubgut“, wobei jedoch keine umfassende Provenienzforschung geleistet werden konnte. Aufgrund des Umbaus der Oberösterreichischen Landesbibliothek waren die Erwerbungen aus der fraglichen Zeit nicht zugänglich. Die entsprechenden Inventar- bzw. Zugangsbücher konnten nicht aufgefunden werden. Daher beschränkt sich die Arbeit auf jene Erwerbungen, die die Studienbibliothek nach Kriegsende in der so genannten Vermögensentziehungsanmeldung selbst als NS-Raubgut deklariert hat. Als Quellen dienten neben den jeweiligen Tätigkeitsberichten des Instituts2 die in der Landesbibliothek verwahrten Hausakten der vormaligen Studienbibliothek. Weiteres Material stammt aus dem Oberösterreichischen Landesarchiv, dem Österreichischen Staatsarchiv, dem Archiv der Nationalbibliothek, dem Linzer Diözesanarchiv sowie dem Oberösterreichischen Landeskonservatorat. Neben dem Studium der Akten wurden – auf der Suche nach NS-Raubgut – etwa 1.000 Stichproben im trotz der Bauarbeiten zugänglichen Depot mit den rund 30.000 unkatalogisierten Bänden der Landesbibliothek gemacht.

zUr GeschichTe Der sTUDieNbiblioThek liNz iN Der Ns-zeiT

Die nationalsozialistischen Jahre begannen in der Studienbibliothek mit der politisch motivierten Absetzung des Bibliotheksleiters Dr. Josef Hofinger.

1 monika eichinger: die studienbibliothek linz in der ns-zeit. [diplarb.], Wien 2009 sowie monika eichinger: geraubte Bücher in der linzer studienbibliothek. zur geschichte der Bibliothek in den Jahren 1938 bis 1945. ein zwischenbericht. in: Von der schatzkammer des Wissens zum lernort. 235 Jahre „bibliotheca publica“. zehn Jahre oö. landesbibliothek. red. von christian enichlmayr und rudolf lindpointner. linz 2009, 102-111.

2 die tätigkeitsberichte finden sich im Jahrbuch des oberösterreichischen musealvereines, Band 89 (1940) bis Band 95 (1950). die Bände 89 (1940), 90 (1942) und 91 (1944) erschienen unter dem titel Jahrbuch des Vereines für landeskunde und heimatpflege im gau oberdonau [beide titel in hinkunft als Jahrbuch zitiert].

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An seine Stelle trat der linientreue Dr. Walter Luegmayer,3 der eine sehr aktive Erwerbungspolitik betrieb. Deutlich erhöhte Dotationen für Bücherankäufe4 sowie die Übernahme von NS-verfolgungsbedingt entzogenen Beständen ermöglichten einen Zuwachs von mindestens 50.000 Bänden.5 Dabei handelte es sich nicht bloß um beschlagnahmte Bibliotheken, die der Studienbibliothek von NS-Behörden zugewiesen wurden. Im Gegenteil: Walter Luegmayer ergriff durchaus selbst die Initiative, wenn es darum ging, den Bestand seines Instituts auch durch Raubgut zu vermehren. Die Aufstellung und Katalogisierung der Bücher konnte mit dem enormen Zuwachs nicht Schritt halten, zumal der Bibliotheksbetrieb aufgrund von Einrückungen zur Wehrmacht ohnedies nur durch ständig wechselnde Hilfskräfte aufrecht erhalten werden konnte.6

Zum Schutz vor Luftangriffen wurden die Handschriften, Inkunabeln und alten Druckwerke im Herbst 1943 in das bei Rohrbach im Mühlviertel gelegene Schloss Sprinzenstein überstellt, wo sie den Krieg unbeschadet überdauerten.7 Ebenso wie von größeren kriegsbedingten Bücherverlusten blieb die Bibliothek auch von direkten Bombentreffern verschont. Allerdings wurden durch Druckwellen das Dach und sämtliche Fenster beschädigt.8

Nach Kriegsende, im Juni 1945, wurde Direktor Luegmayer auf Anordnung der amerikanischen Militärregierung entlassen.9 Die Bibliothek befand sich zu diesem Zeitpunkt in einem desolaten Zustand. Josef Bick, Direktor der Österreichischen Nationalbibliothek und Konsulent für Bibliotheksangelegenheiten im Bundesministerium für Unterricht, bezeichnet sie 1946 als „Musterbeispiel einer staatlichen Bibliothek, die durch das NS-Regime völlig desorganisiert und aus ihrer Entwicklung gedrängt wurde“10 und spricht von der „Unfähigkeit des von den Nazis eingesetzten Leiters“11. Zum einen litt die Studienbibliothek an drückender Raumnot – ausgelöst durch die Einquartierung verschiedener ausgebombter Dienststellen im Bibliotheksgebäude –,12 zum anderen unter der Zerstörung ihrer inneren Ordnung.

3 franz Wilfingseder: die Bundesstaatliche studienbibliothek in linz 1774-1974. leidensweg und lebenszähigkeit eines österreichischen kulturinstituts. in: Biblos, 23 (1974), 438.

4 eduard straßmayr: studienbibliothek. 1946. in: Jahrbuch, 92 (1947), 68.5 eduard straßmayr: studienbibliothek. 1945. in: Jahrbuch, 92 (1947), 65.6 Walter luegmayer: studienbibliothek. in: Jahrbuch, 90 (1942), 380.7 eduard straßmayr: studienbibliothek. 1945. in: Jahrbuch, 92 (1947), 64.8 ebd., 64.9 oölB [oberösterreichische landesbibliothek], hausakten der vormaligen studienbibliothek linz, mappe „dienststücke

1945“, zl. z/pers. 2230/3-1945, schreiben der oö. landeshauptmannschaft an luegmayer, 12.06.1945.10 östa [österreichisches staatsarchiv], adr, Bmu/hauptreihe, sign. 8, karton 668 betr. studienbibliothek linz ab

1945, zl. 26.890 iii/7-46, 6677 iii 4a/46, Äußerung von Josef Bick, 29.03.1946.11 önB archiv [österreichische nationalbibliothek archiv], Verwaltungsakten, mappe 1-200/1946, zl. 34/1946,

schreiben von Josef Bick an heinrich gleißner, 01.02.1946.12 eduard straßmayr: studienbibliothek. 1945. in: Jahrbuch, 92 (1947), 63.

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In den Gängen der Bücherspeicher stapelten sich die Erwerbungen aus den vergangenen sieben Jahren. Bibliothekskataloge – teilweise zerstört – waren unter diversem Gerümpel in den Kellerräumen vergraben.13 Die Verwüstung war so groß, dass Josef Bick nach einer Inspizierung der Studienbibliothek 1948 zu dem Schluss kam, dass es den gesamten Bestand und sämtliche Kataloge zu überprüfen und neu zu ordnen galt.14

GeraUbTe bÜcher

Ausgangspunkt für die Beschäftigung mit den unrechtmäßigen Erwerbungen der Studienbibliothek ist die oben erwähnte Vermögensentziehungsanmeldung. Die Bibliothek reichte dieses Dokument im November 1946 gemäß der entsprechenden Verordnung beim Magistrat der Stadt Linz ein und meldete darin sieben Büchersammlungen als entzogenes Vermögen an: die Bibliotheken des Linzer Priesterseminars und des Linzer Kapuzinerklosters, jene der Linzer Arbeiter- und der oberösterreichischen Landwirtschaftskammer, des Linzer Kaufmännischen Vereins, des oberösterreichischen Volksbildungsvereins sowie eine Büchersammlung aus jüdischem Privatbesitz – die Bibliothek von Dr. Georg Landauer aus Bad Ischl.15

Die Diplomarbeit konzentriert sich hauptsächlich auf die Bibliothek von Dr. Georg Landauer und jene des Linzer Priesterseminars. Behandelt werden darüber hinaus der Raub der Zimelien des Kapuzinerklosters sowie die Übernahme von Beständen aus oberösterreichischen Stiften über die Vermittlung des Historischen Forschungsinstituts in St. Florian. Die Erwerbung von Büchern aus der Bibliothek der Arbeiterkammer, der Landwirtschaftskammer und des Kaufmännischen Vereins konnte nur gestreift werden. Ziel war es, – soweit als möglich – den Weg dieser Büchersammlungen in die Studienbibliothek nachzuvollziehen und die Frage nach deren Restitution zu klären.

Im Depot mit den unkatalogisierten Beständen der Studienbibliothek förderten die Stichproben der Verfasserin 25 Bände aus den Bibliotheken diverser Volksbildungsvereine, 12 Bände des Kaufmännischen Vereins sowie 52 Bände des Linzer Priesterseminars zu Tage. Mitunter fanden sich auch Bücher aus Privatbesitz. Hinweise auf die ehemaligen Besitzer bzw. die Umstände der Erwerbung gibt es bisher jedoch keine. 13 önB archiv, Verwaltungsakten, mappe 301-721/1945, zl. 643/1945, ergänzung durch staatsbibliothekar Josef

hofinger, o.d.14 östa, adr, Bmu/hauptreihe, sign. 8, karton 668 betr. studienbibliothek linz ab 1945, zl. 25.903 iii-7/49, Bericht

über die inspizierung der studienbibliothek linz am 16. und 17. Juni 1948, 26.03.1949.15 oöla [oberösterreichisches landesarchiv], Vermögensentziehungsanmeldungen, linz stadt, sch. 11, fasz. 1,

zl. 350.

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Die Ausnahme bildet der Fall von Dr. Georg Landauer, aus dessen Sammlung 278 der überprüften Bände stammen. Ein Exlibris – es zeigt einen auf einem Fensterbrett sitzenden schwarzen Kater – weist den Bad Ischler als ursprünglichen Eigentümer aus. Der Raub seiner Büchersammlung sei im Folgenden kurz skizziert.

Die biblioThek VoN Dr. GeorG laNDaUer

Dr. Georg Landauer wurde 1863 in Wien geboren, entstammte einer assimilierten jüdischen Bürgerfamilie und lebte in der so genannten Landauer Villa in Bad Ischl. 1938 wurde die Villa mitsamt der darin eingerichteten Privatbibliothek arisiert. Georg Landauer konnte nach England ausreisen, wo er 1943 verstarb.16 Die Büchersammlung mit einem Umfang von 3.500 bis 6.000 Bänden hauptsächlich englisch- und französischsprachiger Belletristik sowie juristischer Fachliteratur wurde zerschlagen.17 Einen großen Teil – rund 1.300 Bände – verleibte sich die Linzer Studienbibliothek ein. Was mit den restlichen Büchern geschah, liegt im Dunkeln.

Die ersten Bände aus der Landauer Bibliothek – 887 an der Zahl –18 wählte Dr. Luegmayer selbst bei einem Besuch in Bad Ischl Anfang Dezember 1939 für die Studienbibliothek aus,19 wozu ihm die Landeshauptmannschaft auf seine Bitte hin die Erlaubnis erteilt hatte.20 In den Besitz weiterer Landauer Bücher kam die Studienbibliothek über Vermittlung von Adolf Reim, dem Leiter der Bad Ischler Gemeindebibliothek. Dieser war im Jahr 1938 von der Ortsgruppe der NSDAP beauftragt worden, „die in Bad Ischl vorhandenen Bibliotheken einer Musterung zu unterziehen, um alle Werke jüdischer, pazifistischer und deutschfeindlicher Autoren auszuscheiden“.21 Allem Anschein nach hatte ihn diese Aufgabe auch in die Landauer Villa geführt. Die von dort entfernten Bücher verwahrte er in der Gemeindebibliothek und bot sie schließlich der Studienbibliothek an.

16 Wolfgang Quatember: dr. georg landauer. rekonstruktion der lebensgeschichte eines „nichtmosaischen“ Bad ischler Juden. in: Betrifft Widerstand 32 (1996) 04, 4-9.

17 oöla, lreg. 1945ff., firk 91/48, sch. 5, nr. 50, pflugbeil karoline und Wehofer Johann (firk 5, mikrofilm), schreiben von Wilhelm haenel an die landeshauptmannschaft oberdonau, 03.08.1939.

18 oöla, lreg. 1945ff., firk 91/48, sch. 5, nr. 50, pflugbeil karoline und Wehofer Johann (firk 5, mikrofilm), Bücherverzeichnis.

19 oölB, hausakten der vormaligen studienbibliothek linz, konvolut „z 1937-1945“ (1939), zl. 649/39, schreiben von Walter luegmayer an die nsdap-ortsgruppe in Bad ischl, 04.12.1939.

20 oölB, hausakten der vormaligen studienbibliothek linz, konvolut „z 1937-1945“ (1939), zl. iii 1470/64-1939, schreiben der landeshauptmannschaft oberdonau (landesrat danzer) an Walter luegmayer, 01.12.1939.

21 oölB, hausakten der vormaligen studienbibliothek linz, konvolut „z 1940-44“ (1940), zl. 272/1940, schreiben von adolf reim an die leitung der studienbibliothek linz, 10.05.1940.

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Diese nahm die Bände im Juni 1940 entgegen.22 Eine weitere Büchersendung aus der Bad Ischler Bibliothek folgte ein Jahr später.23

1948 forderte Adolf Landauer, Georg Landauers Sohn, von der Studienbibliothek die Restitution von zwei Kisten mit wertvollen Büchern, darunter unter anderem eine Gesamtausgabe der Werke von Voltaire.24 Die Studienbibliothek schied daraufhin die rund 1.300 Landauer Bücher aus ihrem Bestand aus und stellte sie zur Rückgabe bereit.25 Da die Zustimmung der vorgesetzten Behörde, des Bundesministerium für Unterricht, auf sich warten ließ, wurde die Rückstellungskommission beim Landesgericht Linz mit der Sache befasst. Diese ordnete Mitte 1949 die Restitution der geforderten Bücher an.26 Rund 230 Bände der restituierten Werke verkaufte Adolf Landauer 1953 an das Antiquariat Britschgi in Zürich.27 Warum er – der übrigens in England, später in Südafrika lebte – nicht sämtliche 1.300 Landauer Bände zurückforderte, darüber kann nur spekuliert werden. Möglicherweise beschränkte er sich auf die wertvolleren Werke, um sie zu verkaufen, und verzichtete auf den Rest. Die zwar aus dem Bibliotheksbestand ausgeschiedenen, jedoch nicht rückgestellten Werke verblieben in der Studienbibliothek und wurden im Depot mit den erwähnten unkatalogisierten Beständen verwahrt,28 wo sie sich, wie die Stichproben der Verfasserin gezeigt haben, bis heute befinden.

abschliesseNDe beMerkUNGeN

Zwar restituierte die Studienbibliothek in den Nachkriegsjahren neben der Bibliothek des Priesterseminars29 und den Landauer Büchern auch die geraubten Bände des

22 oölB, hausakten der vormaligen studienbibliothek linz, konvolut „z 1940-44“ (1940), zl. 318/40, schreiben von luegmayer an adolf reim, 05.06.1940.

23 oölB, hausakten der vormaligen studienbibliothek linz, konvolut „z 1940-44“ (1941), zl. 355/1941, schreiben von luegmayer an die stadtbücherei Bad ischl, 25.06.1941.

24 oöla, linzer gerichte, sondergerichte, sch. 641, rk 866/48/1, georg landauer (lafr 48, mikrofilm), antrag auf rückstellung von entzogenem Vermögen, 29.12.1948.

25 oöla, linzer gerichte, sondergerichte, sch. 641, rk 866/48/a, georg landauer (lafr 48, mikrofilm), Verzeichnis der als eigentum dr. georg landauers ausgeschiedenen Werke, o.d.

26 oöla, linzer gerichte, sondergerichte, sch. 641, rk 866/48/11, georg landauer (lafr 48, mikrofilm), erkenntnis der rückstellungskommission beim landesgericht linz, 30.06.1949.

27 Bda, lkoö [Bundesdenkmalamt, landeskonservatorat oberösterreich], ausfuhrangelegenheiten XViii, 974/53, ansuchen um ausfuhrbewilligung von adolf landauer, 22.06.1953.

28 oöla, Vermögensentziehungsanmeldungen, sch. 11, fasz. 1, zl. 350, dion/56, schreiben der studienbibliothek linz an den magistrat linz, 14.11.1956 (abschrift).

29 dal [diözesanarchiv linz], ca 11, sch. 84, fasz. iii/3, gedächtnisprotokoll über gespräch von Josef lenzenweger und kurt Vancsa betreffend restitution der seminarbibliothek, 02.12.1949.

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Kapuzinerklosters30, der Landwirtschafts31- und der Arbeiterkammer32. Jedoch darf bezweifelt werden, dass die Restitution tatsächlich vollständig durchgeführt wurde. Auf die Rückgabe der Büchersammlungen des Kaufmännischen Vereins, des Volksbildungsvereins und der Bände aus dem Besitz der oberösterreichischen Stifte gibt es bislang keinen Hinweis. Jedenfalls ist nicht auszuschließen, dass sich im Bestand der oberösterreichischen Landesbibliothek noch heute NS-verfolgungsbedingt entzogene Bücher befinden. Eine Klärung könnte durch umfassende Provenienzforschung (Magazinautopsie, Überprüfung der eventuell noch aufzufindenden Zugangsbücher) erzielt werden.

30 kurt Vancsa: studienbibliothek. 1949. in: Jahrbuch, 95 (1950), 66.31 ebd., 66.32 kurt Vancsa: studienbibliothek. 1948. in: Jahrbuch, 94 (1949), 56.

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DEr hIntErlassEnE „fIngEraBDruck“

ein forschungsproJekt der uniVersitÄtsBiBliothek salzBurg zu BuchrauB und ns-geschichte

ursula schachl-raBer, Brigitte Wallinger-schorn

Das Provenienzprojekt der Universitätsbibliothek Salzburg „Der hinterlassene ‘Fingerabdruck‘“ erforscht die NS-Geschichte der Universitätsbibliothek Salzburg, damals Studienbibliothek Salzburg, sowie deren Verwicklung in den Buchraub der Nationalsozialisten. Das von der Universität Salzburg und dem Land Salzburg geförderte Forschungsvorhaben wird von Helga Embacher, Professorin am Fachbereich Geschichte der Universität Salzburg, wissenschaftlich begleitet und ist auf drei Jahre anberaumt. Unter der Gesamtleitung von Ursula Schachl-Raber arbeiten zwei WissenschaftlerInnen (Dr. Andreas Schmoller, Dr. Brigitte Wallinger-Schorn) für die historischen Recherchen sowie zwei Kolleginnen, die mit der Buchautopsie betraut sind.

Die bUchaUToPsie

Um mögliches Raubgut an der Universitätsbibliothek Salzburg (=UBS) zu finden, ist eine Buchautopsie des Gesamtbestandes notwendig, der zu Projektbeginn nach folgenden zwei Parametern selektiert wurde: Bücher, die nach 1933 in den Bestand der UBS gekommen sind, und Bücher, die vor 1946 gedruckt wurden. Diese Vorauswahl konnte aufgrund der vollständigen Retro-Katalogisierung digital an der UBS durchgeführt werden. Somit konnte das Projektteam eine Datenbank von potenziell verdächtigen Büchern erstellen, die 200.000 Exemplare umfasst. Diese Exemplare werden nun im Magazin der Hauptbibliothek und an allen weiteren Standorten einzeln auf Provenienzmerkmale, zum Beispiel Ex Libris, durchsucht. Sämtliche Hinweise auf Vorbesitzende werden in der Datenbank erfasst und dienen als Grundlage für weiterführende Provenienzforschungen. Schließlich werden Dossiers zu den verdächtigen Exemplaren verfasst werden, die die wissenschaftliche Grundlage für Restitutionsentscheidungen darstellen werden.

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Die Analyse von Einträgen in Zuwachsverzeichnissen der Studienbibliothek Salzburg sowie in deren Verkehrsbuch und Direktionsakten ermöglicht weitere Rückschlüsse auf die Provenienz einiger Bücher. Die Indizien, die in Akten und Büchern aufgespürt werden, stellen die hinterlassenen Fingerabdrücke der rechtmäßigen BesitzerInnen dar, aufgrund derer eine Restitution möglich sein wird. In Hinsicht auf die Aktenrecherchen und der Erschließung von Zuwachsverzeichnissen und Verkehrsbuch sind verdächtige Bücherlieferanten wie die Gestapo, die Reichstauschstelle oder das Ahnenerbe von besonderem Interesse. Buchankäufe weit unter ihrem Wert, Zugänge aus arisierten Antiquariaten oder Werke jüdischer AutorInnen stehen unter hohem Verdacht. Interessanterweise ist gestohlenes Buchgut nicht nur durch NS-Buchraub im In- und Ausland während des Zweiten Weltkrieges in den Bestand der UBS gekommen, sondern auch durch Buchzugänge in den Jahren danach. Dies geschah durch Ankäufe und Schenkungen von Dritten, die geraubtes Buchgut beinhalteten (etwa Antiquariatskäufe oder Nachlassschenkungen). Zusätzlich zur Forschungsarbeit im Haus werden intensive Recherchen an folgenden Instituten durchgeführt werden: am Landes- und Stadtarchiv Salzburg und am Konsistorialarchiv Salzburg sowie in Wien unter anderem am Staatsarchiv, am Archiv der Wirtschaftskammer, am Archiv der Kommission für Provenienzforschung und an den Archiven des DÖW und der ÖNB. Deutsche Archive, die gebündelt Unterlagen zum Nationalsozialismus sammeln, wie etwa Koblenz oder Berlin, werden auch bezüglich eventueller Information zur Studienbibliothek Salzburg durchsucht werden.

hisTorische ForschUNGsTäTiGkeiT

Folgende historischen Forschungsfragen werden verfolgt: zum einen, eine gründliche, umfassende historische, speziell auch bibliotheksgeschichtliche Aufarbeitung der Studienbibliothek Salzburg im Umfeld der NS-Bibliotheksszene. Hierfür wird das Personal der Studienbibliothek Salzburg, zum Beispiel ihr Leiter Dr. Ernst von Frisch, durchleuchtet sowie Ankaufs- und Entlehnpolitik kritisch erforscht werden. Der Umgang mit sogenanntem „schädlichen Schrifttum“ wird ebenfalls von großem Interesse sein. Des Weiteren wird die Vernetzung der Studienbibliothek Salzburg mit anderen NS-Bibliotheken und Büchereien analysiert werden. Vor allem die intensive Beziehung zur ÖNB sticht hier hervor. Es stellt sich die Frage, inwieweit die Studienbibliothek Salzburg zwischen 1938 und 1945 am von den Nationalsozialisten durchgeführten Buchraub partizipierte bzw. zum Nutznießer davon wurde.

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Zum anderen soll erforscht werden, wie die Studienbibliothek Salzburg lokal positioniert war. In der Stadt Salzburg bildete die Eliminierung katholischer Organisationsstrukturen einschließlich derer Bibliotheken ein Kernvorhaben der Nationalsozialisten. Beispielhaft sollen hier der Katholische Universitätsverein und das Stift St.Peter erwähnt sein. Es wird analysiert werden, ob die Studienbibliothek Salzburg in den katholischen NS-Buchraub verwickelt war. Auch die Repräsentanz des Wolfram Instituts, des Hauses der Natur und des SS-Ahnenerbe-Instituts, das sich institutionell am Kulturraub in den Kriegsgebieten beteiligte, ist eine zu erforschende regionale Komponente. Der „Salzburger Chefideologe“ Karl Springenschmid, der am 30. April 1938 die erste und einzige österreichische Bücherverbrennung in Salzburg organisierte, hatte als Landesrat für Erziehung und Volkspropaganda natürlich auch großen Einfluss auf die Salzburger Studienbibliothek.

Das Provenienzprojekt der UBS wird im Jahr 2012, in dem die Universität Salzburg ihr 50-jähriges Bestandsjubiläum feiern wird, abgeschlossen werden. Ganz bewusst widmet sich die UBS nun diesem dunklen Abschnitt ihrer „Hausgeschichte“: Die geraubten Bücher spiegeln einen Teil der Bibliotheksgeschichte wider, somit auch der Universitätsgeschichte sowie der Lokal- bzw. Familiengeschichte. Es ist höchste Zeit, widerrechtliche Geschehnisse in diesem Zusammenhang aufzudecken und das gestohlene Buchgut, das wissentlich oder in gutem Glauben in den Bestand der UBS gelangt ist, zurück zu geben. Werden die Vorkommnisse an der Bibliothek von 1938 bis 1945 erforscht und publiziert, so erinnern wir an die entmenschlichenden, erniedrigenden Handlungen der Nationalsozialismus und erweitern das kollektive Gedächtnis, was uns als objektiver Wissensinstitution ein wichtiges Anliegen ist. Die rechtlichen Grundlagen des Provenienzprojektes bilden das österreichische Kunstrückgabegesetz von 1998, das 2009 novelliert wurde, sowie ein diesbezüglicher Beschluss der Salzburger Landesregierung von 2003.

PUblikaTioNeN Ursula Schachl-Raber (Hg.): Bücherverbrennung – gegen das Vergessen: 30.4.1938 – 30.4.2008. Salzburg: Universitätsbibliothek Salzburg, 2008.Andreas Schmoller und Brigitte Wallinger-Schorn: NS-Raubgut in der Uni-Bibliothek? Aus: Salzburger Nachrichten vom 12.12.2009 (Universitäts-Magazin 4/09): 11.

ProJekThoMePaGe

http://www.uni-salzburg.at/portal/page?_pageid=147,1327684&_dad=portal&_schema=PORTAL

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forum musIkBIBlIothEkEn

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zum aktuEllEn stanD DEr rEssourcE DEscrIPtIon anD accEss (rDa)

michael staudinger

Im November 2005 fand an der Universität Wien eine von der OBVSG organisierte Informationsveranstaltung statt, in der der österreichischen Bibliothekswelt die Pläne eines Umstiegs von RAK auf die 3. Ausgabe der Anglo American Cataloguing Rules präsentiert wurde. Der Beschluss dazu war ein Jahr davor in der Arbeitsstelle für Standardisierung der DNB gefällt worden im Hinblick auf eine gewünschte Normierung des internationalen Bibliothekswesens und – damit einhergehend – auf eine Erleichterung des Datenaustausches. Unter diesem Aspekt der Internationalisierung wurde auch der Name des Regelwerkes von AACR3 auf RDA (Resssource description and access) geändert, wobei erstmals bei einer Regelwerksentwicklung auch die Bedürfnisse seitens der BenützerInnen zentral mitgedacht wurden.

Bei dieser Veranstaltung 2005 wurde damit gerechnet, dass die RDA Ende 2008 im englischen Original vorliegen könnten, dass 2009 die deutsche Übersetzung erstellt würde und dass 2010 mit dem neuen Regelwerk zu arbeiten begonnen werden könne. Dies ist so nicht eingetreten. Der nunmehr aktualisierte Zeitplan fußt aber schon auf deutlich greifbareren Voraussetzungen: am 22. Juni 2009 sind die Redaktionsarbeiten an den RDA beendet und das Werk an den Verleger übergeben worden. Mit dem Erscheinen in gedruckter Form wird Ende November 2009 gerechnet, ein online-Tool sollte eigentlich schon im Mai 2009 angeboten werden, ist nun aber ebenfalls erst im November zu erwarten (www.rdaonline.org).

Anschließend an die Veröffentlichung soll eine sechsmonatige Schulungs- und Testphase an der Library of Congress und 20 weiteren US-Bibliotheken stattfinden, in der Betriebsabläufe, technische Umsetzbarkeit und Wirtschaftlichkeit untersucht werden. Besonders bemerkenswert daran ist, dass sich die Library of Congress in einer Verlautbarung vom März 2009 auch die Option offengehalten hat, nicht auf RDA umzusteigen (http://www.loc.gov/bibliographic-future/rda/testing.html; 10.3.2010).

Sollte das tatsächlich eintreten, hätte das wohl auch eine Aussetzung der RDA-Pläne im deutschen Sprachraum zur Folge. Ein solches Szenario wird aber für nicht sehr wahrscheinlich gehalten. Es ist also damit zu rechnen, dass sich der ursprüngliche Zeitplan lediglich um ein bis zwei Jahre verschiebt, dass folglich im Laufe des Jahres 2010 eine deutsche Übersetzung erarbeitet wird und 2011/2012 die ersten Bibliotheken mit der Anwendung des neuen Regelwerkes beginnen.

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zUM hiNTerGrUND Der rDa

Vorläufer der RDA sind die Anglo American Cataloguing Rules in der 2. Ausgabe, Pläne zu einer Überarbeitung gehen auf das Jahr 2002 zurück, mit der Arbeit wurde 2004 begonnen. Die Idee dahinter ist einerseits, neue Formen von Informationsträgern – in erster Linie digitale Speichermedien – durch das neue Regelwerk zu erfassen, andererseits aber auch neue Formen der Darstellbarkeit von Metadaten zu ermöglichen – bisherigen Regelwerken lagen ja immer noch die Strukturen des Zettelkatalogs zu Grunde.

Initiator ist das sogenannte Committee of Principals bestehend aus der American Library Association, dem Australischen Committee on Cataloguing, der British Library, dem Canadian Committee on Cataloguing, dem Institute of Library and Information Professionals sowie natürlich der Library of Congress. Vertreter dieser Institutionen bilden das Joint Steering committee for the development zunächst der AACR3. 2005 wurde der Beschluss gefasst, den Namen des Regelwerks auf RDA zu ändern, um damit eben den Anspruch auf internationale Anwendbarkeit zu unterstreichen. Der Kreis der die Regelwerksentwicklung begutachtenden Institutionen wurde erweitert, für den deutschsprachigen Raum nimmt diese Funktion die Arbeitsstelle für Standardisierung der DNB wahr, der österreichische Verbund ist über verschiedene Arbeitsgruppen an diesem Prozess beteiligt.

2007 kam es zu einer völlig neuen Strukturierung des bis dahin erarbeiteten Entwurfs, mit dem Ziel, das neue Regelwerk noch stärker an das FRBR-Modell anzulehnen. Nach und nach wurden einzelne Teile zur Begutachtung versandt, im November 2008 schließlich auch der vollständige Entwurf. Die Begutachtungsfrist für diese Vollversion war sehr kurz, nämlich bis Anfang Februar 2009, die Einarbeitung der Änderungsvorschläge erfolgte im März und die redaktionelle Fertigstellung im Juni.

Die RDA sind in 10 Abschnitte, 37 Kapitel und 12 Anhänge gegliedert und umfassen mehr als 1500 Seiten. Eine genaue Übersicht bietet der sogenannte Prospectus, den die Deutsche Nationalbibliothek seit Juli dieses Jahres auf ihrer Homepage auch in einer deutschen Übersetzung bereitstellt. (http://www.d-nb.de/standardisierung/pdf/prospectus_dt_09.pdf; 10.3.2010)

rDa UND MUsik

Warum ist das Thema RDA nun gerade für Musikbibliotheken von Bedeutung? Zum einen widmen sich die RDA in einem eigenen Abschnitt – „Sonderregeln für Musikwerke“ (Kapitel 6.14.-6.18.) – schwerpunktmäßig der Erfassung von

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musikrelevanten Informationsträgern. Und zum anderen scheint das FRBR-Modell mit den Entitäten Werk, Expression, Manifestation und Exemplar ja geradezu maßgeschneidert für die Erfassung von Musikwerken. Dies betrifft auch die sachliche Erschließung von Musikalien, die besonders auf dem Bibliothekartag in Bregenz 2006 anhand der Modelle der Kunstuniversität Graz und des Südwestdeutschen Bibliothekenverbundes thematisiert worden war.

Dieses Thema wurde folglich auch in der Kommission für Musik intensiv diskutiert, weil sachliche Sucheinstiege – also Suche nach Besetzung, Gattung, womöglich Tonart und Ähnlichem – ein recht brennendes Thema darstellen. In dieser Diskussion kam auch der sonst wenig beachtete Einheitssachtitel ins Spiel. Gäbe es beispielsweise eine gepflegte Titelnormdatei, so könnten diese sachlichen Informationen auch dort untergebracht werden und müssten nicht in jeden einzelnen bibliografischen Datensatz eingearbeitet werden. Eine sachliche Erschließung etwa der Rasumovsky-Quartette von Beethoven würde also dann nur einmal im Einheitssachtitel stattfinden und nicht in jeder einzelnen Ausgabe (in der Bibliothek der Musikuniversität Wien beispielsweise um die dreißig).

Im Sommer 2007 wurde an der Arbeitsstelle für Standardisierung der Deutschen Nationalbibliothek in Frankfurt am Main eine Arbeitsgruppe Musik installiert, die sich diesem Thema widmet und an der ich für den Österreichischen Bibliothekenverbund teilnehme.

Bisher haben drei Sitzungen stattgefunden: eine im November 2007, eine im Februar 2008 und eine im Jänner 2009. Thema der ersten Sitzung war die Frage: ist es möglich – und wenn ja wie – die Einheitssachtiteldatei als kontrollierte Normdatei zu führen und dringend benötigte sachliche Sucheinstiege zu integrieren? Der Wunsch wurde von allen Teilnehmern an dieser Sitzung geteilt, das „Wie“ wurde aber von der weiteren Entwicklung der Regelwerksdiskussion, und somit dem Gedeihen der RDA abhängig gemacht.

Die Begutachtung der musikrelevanten Teile war folglich das einzige Thema der letzten Sitzung im Jänner 2009. Die ausführliche Begutachtung für den österreichischen Verbund haben zum größten Teil Christina Mitrenga, damals Bibliothekarin in der Musiksammlung der Wienbibliothek, und Reinhard Ellensohn von der Musikuniversität Wien besorgt. Eine eingehende Darstellung der musikbezogenen Teil der RDA findet sich im Beitrag von Reinhard Ellensohn (Tagungsband, S. ??)

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DIE musIksPEzIfIschEn tEIlE DEr rDa: EIn ErstEr annähErungsvErsuch

reinhard ellensohn

zUr GrUNDsTrUkTUr Der rDa Nach Frbr

Die RDA („Resource Description and Access“)1 orientiert sich in ihrer Grundstruktur nach dem sogenannten FRBR-Modell („Functional Requirements for Bibliographic Records“). Es handelt sich dabei um ein in den 1990er Jahren entwickeltes „abstraktes Referenzmodell“ für bibliographische Regelwerke, mit dem Anspruch, „den Benutzer in den Mittelpunkt zu stellen“2 sowie die Regeln für die formale Erschließung bzw. Abbildung des „bibliographischen Universums“ den Möglichkeiten und Potentialen der EDV kompatibel zu machen.3 Die FRBR folgen dabei dem Prinzip, Entitäten zu beschreiben und Beziehungen zwischen diesen herzustellen („Entity-Relationship-Modell“). Drei Gruppen von Entitäten werden unterschieden, wobei für unser Thema ausschließlich die erste Gruppe von Relevanz ist. Diese besteht aus den vier Entitäten „Werk – Expression – Manifestation – Item“. Mit Ausnahme des „Item“ sind diese Entitäten nicht mehr mit den Grundbegriffen der RAK-WB exakt in Einklang zu bringen („Werk – Ausgabe – Vorlage“).4

Ein „Werk“ wird definiert als „intellektuelle bzw. künstlerische Schöpfung“ im Sinn einer abstrakten Idee. Ideen bzw. Werke existieren real nur in einer spezifischen Form bzw. „Materialisierung“ oder „Realisierung“: der „Expression“. Die Idee etwa der neunten Beethovenschen Symphonie kann demnach unterschiedlich realisiert sein: in Form eines Notendruckes (als Partitur, Klavierauszug usw.), eines Tonträgers, einer Bearbeitung usw. Die „Manifestation“ bezeichnet weiters die „physische Verkörperung“, cum grano salis das, was die RAK-WB als „Ausgabe“ bezeichnet. Das „Item“ entspricht exakt dem RAK-Begriff der „Vorlage“ (einzelnes Exemplar).5

1 rda. full draft november 2008 (http://www.rdaonline.org/constituencyreview).2 heidrun Wiesenmüller: zehn Jahre ‚functional requirements for Bibliographic records’ (frBr). Vision, theorie

und praktische anwendung. in: Bibliothek. forschung und praxis 32 (2008), 349.3 Vgl. kurt pages: formale erschließung von Vorlagen mit musik. eine untersuchung von Werk und Werkbegriff in der

musik in hinblick auf die formale erschließung von Vorlagen mit musik. Berlin 2008, 218.4 Vgl. regeln für die alphabetische katalogisierung in wissenschaftlichen Bibliotheken. rak-WB. Berlin 21993.

losebl.-ausg., erg.-lfg. 1 (1995) – 4 (2002), §§ 1–3.5 Vgl. Wiesenmüller, a.a.o., 3–5. eine kritik des Werkbegriffs der frBr im hinblick auf musikwerke liefert pages,

a.a.o., 223–239.

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Die vier Entitäten und deren Merkmale werden in der RDA in den ersten beiden „Sections“ behandelt, die jeweils in vier (durchgezählte) Kapitel unterteilt sind. Musikspezifische Regelungen finden sich v.a. in Kapitel 6 („Identifying Works and Expressions“, Kap. 6.15–6.19); musikrelevant scheinen mir auch einige Abschnitte aus Kapitel 2 („Identifying Manifestations and Items“); darüber hinaus finden sich musikspezifische Abschnitte in Kapitel 3 („Describing Carriers“) und 7 („Describing Content“).

Das Frbr-MoDell iM hiNblick aUF MUsikalieN

Es dürfte kein Zufall zu sein, dass die FRBR und die RDA in ihren Beispielen zuweilen bevorzugt Musikwerke heranziehen. Diese zeichnen sich durch eine spezifische Komplexität aus, die sich zur Illustration diverser Regeln besonders gut zu eignen scheint.6 Zunächst sei auf folgenden Aspekt verwiesen: bei Musikwerken sind zahlreiche Ausgabe- und Bearbeitungsformen zu unterscheiden (Partitur, Studienpartitur, Klavierauszug usw.; Arrangement, Fassung, Entwürfe)7, die sich im FRBR-Modus (etwa als Baumstruktur) übersichtlich darstellen ließen:

Werk: Sinfonien, op. 125 / Beethoven – Tonträger – Bildtonträger – Notendruck – Partitur – Studienpartitur – Bärenreiter 2009 – Signatur II-12345 – Henle 1990 – Peters 1910 – Orchesterstimmen – Klavierauszug

Bestellungen bzw. Vormerkungen könnten nicht nur auf Item-Ebene, sondern auch auf Expressionsebene gemacht werden: der/die BenutzerIn würde „das erste zur Verfügung stehende Exemplar einer beliebigen Manifestation dieser Expression“ erhalten.8 Für BenutzerInnen, die dringend eine bestimmte Expression, sagen wir

6 „musical works provide excellent frBr examples because the bibliographic universe of music is often complex” (sherry l. Velluci.: frBr and music. in: understanding frBr. What it is and how it will affect our retrieval tools, hrsg. von arlene g. taylor, Westport 2007, 132. zit. nach: Wiesenmüller, a.a.o., 357f.).

7 Vgl. regeln für die alphabetische katalogisierung von ausgaben musikalischer Werke. rak-musik. leipzig, frankfurt am main, Berlin 2004, § 141,1 und §§ 510–511.

8 Wiesenmüller, a.a.o., 355.

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einen Klavierauszug, brauchen, könnte das ein großer Vorteil sein: sie bekämen tatsächlich den nächsten verfügbaren Klavierauszug, was bei einer Vormerkung auf Item-Ebene nicht garantiert wäre.

An diesem Punkt zeigt sich aber auch ein grundsätzliches Problem: sollen Ausgabeformen als spezifische Expressionen klassifiziert werden oder nicht? Die RDA sagt dazu: nein – mit Ausnahme der Klavierauszüge. Diese RDA-Regelung widerspricht unseren bisherigen Denkgewohnheiten und dürfte noch für Verwirrung sorgen.9

Schließlich weise ich nur en passant darauf hin, dass das FRBR-Modell über die Beziehungsebene die Möglichkeit bietet, Verweisungen von einem Musikwerk zu Sekundärliteratur herzustellen, z.B. von einem Musikwerk zu Werkanalysen. Vor allem an Universitätsbibliotheken könnte das zu einem praktischen Service für Studierende werden.

Allerdings: inwieweit die Möglichkeiten, die das FRBR-Modell bietet, realisiert werden können, ist wohl wesentlich eine Frage der Bibliothekssoftware.

Die rDa iM VerGleich zUr rak-MUsik: äNDerUNGeN, ProbleMaTisches, oFFeNe FraGeN

Die folgenden Ausführungen beschränken sich auf einige ausgewählte Aspekte der drei Entitäten Werk – Expression – Manifestation. Zunächst zur Manifestations-Ebene bzw. zur Frage nach der adäquaten Wiedergabe des Sachtitels in Vorlageform. Zwei Bestimmungen sollen mit der RAK-Musik verglichen werden.

Mehrsprachigkeit bei Angaben zur Besetzung, Tonart, Zählung, dgl. Die RAK-Musik sagt dazu: die hervorgehobene oder zuerst genannte Sprache wird angegeben, weitere Sprachen werden durch drei Punkte ersetzt.10 Die RDA löst dies anders: statt drei Punkte zu setzen werden die weiteren Sprachen als Paralleltitel behandelt.11

9 genaueres dazu weiter unten. Vgl. den Vorschlag von Velluci, ausgabeformen als „unter-expressionen“ einzustufen. (Velluci, a.a.o., 142f. zit. nach: Wiesenmüller, a.a.o., 352.).

10 rak-musik, § 128,14.11 rda, kap. 2.3.3.4.

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Vorlage: Sonata für Violine und Klavier A-Dur / for violin and piano A majorWiedergabe nach RAK-Musik:Hauptsachtit.: Sonata für Violine und Klavier A-Dur … Wiedergabe nach RDA:Hauptsachtit.: Sonata für Violine und Klavier A-DurParalleltit.: Sonata for violin and piano A major

Mehrsprachige einführende Wendungen. Dies kommt bei Musikdrucken sehr häufig vor. Umso erstaunlicher ist es, dass m.W. weder die RAK-WB noch die RAK-Musik dazu eine Lösung anbieten.12 Die RDA ist hier sehr differenziert (Kap. 2.4. „Statement of Responsibility“). Demnach werden jene einführenden Wendungen angegeben, die sich auf die Sprache des Hauptsachtitels bzw. weiterer Paralleltitel beziehen lassen.13

Vorlage: Stücke für Klavier / Pieces for Piano – hrsg. von / ed. byWiedergabe nach RDA: beide einführenden Wendungen werden angegeben.

Vorlage: Stücke für Klavier – hrsg. von / ed. byWiedergabe nach RDA: nur die erste einführende Wendung (die sich auf die Sprache des Sachtitels beziehen lässt) wird angegeben.

Zur Werk-Ebene. Ein wesentliches Thema ist hier die Ansetzung des Einheitssachtitels. Informationsquellen zur Ansetzung des Einheitssachtitels von Werken mit individueller Benennung14 sind nach RDA „resources embodying the work or reference sources” (für Werke nach 1500), „modern sources” bzw. „modern editions“, „early editions“, „manuscript copies“ (für Werke vor 1500).15 Weiters spricht die RDA vom Originaltitel bzw. der Originalsprache, die zu verwenden sei und erwähnt in aller Kürze zwei Ausnahmen davon.16 Was die RDA in ein paar Sätzen erledigt, behandelt die RAK-Musik auf ganzen acht Seiten. Die Ausführungen der RDA sind denn m.E. auch viel zu ungenau: es fehlt etwa eine klare Hierarchie an maßgeblichen Nachschlagewerken, wie sie in der RAK-Musik zu finden ist.17 Darüber hinaus ist eine Liste an verbindlichen Werkverzeichnissen (vgl. RAK-Musik, Anlage M 9) wohl unabdingbar, will man nicht dem/der BearbeiterIn eine unzumutbare Recherchebürde auflasten.

12 Vgl. rak-WB, §§ 136–140; rak-musik, §§ 136–137.13 Vgl. rda, kap. 2.4.3.2.14 die unterscheidung von Werken mit individueller Benennung von solchen, deren titel aus einem form- oder

gattungsbegriff besteht, unternimmt die rda zwar der sache nach, nicht aber explizit.15 rda, kap. 6.15.2.2.16 ebd., kap. 6.15.2.3.17 Vgl. rak-musik, § 505,1: Werkverzeichnis, grove, mgg usw.

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In Bezug auf die Ansetzung des Einheitssachtitels bei Form- und Gattungsbegriffen verweise ich auf zwei Problembereiche. Wünschenswert wäre zunächst eine verbindliche Liste an Gattungsbegriffen (vgl. RAK-Musik, Anlage M 10) sowie eine Liste der gebräuchlichen Abkürzungen für Instrumente und Instrumentengruppen (vgl. RAK-Musik, Anlage 4a). Die RDA-Bestimmung, dass der Gattungsbegriff im Plural anzusetzen sei, „unless the composer wrote only one work of the type“18, ist m.E. undurchführbar. Woher soll der/die BearbeiterIn wissen, wie viele Werke einer Gattung ein/e KomponistIn geschrieben hat? Woher soll der/die BenutzerIn wissen, dass er/sie im einen Fall den Gattungsbegriff im Plural, im anderen im Singular zu verwenden hat? Schließlich: was macht man bei Werken von lebenden KomponistInnen, die noch produktiv sind?

Der zweite Punkt betrifft die Besetzungsangaben. Nach RDA werden bei Kammer-musikwerken in Standardbesetzung nicht die einzelnen Instrumente, sondern bloß allgemeine Instrumentengruppen angeführt („strings“, „woodwinds“ usw.).19 Nur bei Abweichungen von der Standardbesetzung werden die einzelnen Instrumente genau angegeben.20

RAK-Musik: Trios, Vl Va VcRDA: Trios, strings

Ich halte das für nicht sehr benutzerfreundlich. Woher sollte der/die BenutzerIn wissen, welche Besetzung genau sich hinter der Bezeichnung „strings“ verbirgt?

Abschließend sei das bereits angesprochene Problem der Ausgabe- und Bearbeitungs-formen aufgegriffen (Partitur, Studienpartitur, Klavierauszug usw.; Arrangement, Fassung, Entwürfe). Die RDA differenziert hier etwas anders als die RAK-Musik. „Notated music“, „performed music“, „tactile music“ (z.B. Brailleschrift) werden u.a. als Expressionsformen angeführt. Weiters gelten Arrangements/Transkriptionen, Entwürfe/Skizzen, Klavierauszüge und Libretti als spezifische Expressionen.21

Zwei Aspekte scheinen mir hier von besonderer Relevanz zu sein. Die RDA unterscheidet nicht zwischen Arrangement und Fassung: auch Fassungen werden unter den Terminus „arranged“ subsumiert. Ganz anders die RAK-Musik, die hier wesentlich subtiler ist.22 Darüber hinaus rückt die RDA Klavierauszüge in

18 rda, kap. 6.15.2.5.19 die ausnahmeregelung, wonach dies nicht gilt, wenn der gattungsbegriff nicht im einheitssachtitel steht, scheint

mir rätselhaft: es kann sich dann nur um einen individuellen titel handeln. (Vgl. rda, kap. 6.16.1.5).20 rda, kap. 6.16.1.5.21 ebd., kap. 6.10.1.3 und 6.19.22 Vgl. rak-musik, § 510–511.

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die Nähe von Arrangements: ein Klavierauszug rangiert auf derselben Ebene, d.h. als Expression eines Werkes. Alle anderen Ausgabeformen hingegen (Partitur, Studienpartitur usw.) sind keine separaten Expressionen, sondern bloß zusätzliche Attribute der Expression „notated music“.23

Werk: Sinfonien, op. 125 / BeethovenExpressionen: – Notated music Content Type24: – Partitur, Studienpartitur usw. („Format“) – Mensuralnotation, Tabulatur usw. („Notation“) – Performed music – Arrangement (Arrangements, Fassung, Transkriptionen usw.) – Klavierauszug – Skizzen/Entwürfe – Libretti

Fazit: die Kritik einiger problematischer Seiten der RDA, die hier naturgemäß ein gewisses Übergewicht erhalten hat, sollte nicht zu einem verzerrten Bild führen. In vielen Fällen gibt es keine oder keine nennenswerten Änderungen im Vergleich zur RAK-Musik, einiges ist in besonders differenzierter Weise gelöst. In der RDA steckt durchaus ein Potential, das für die Katalogisierung von Musikalien viel Positives zu bieten hat, wie eingangs angedeutet. Allerdings: im Detail liegt meistens „der Hund begraben“, scheint vieles noch unausgegoren zu sein. Auf einige dieser Mängel aufmerksam zu machen war neben einer ersten Hinführung an die musikrelevanten bzw. musikspezifischen Teile der RDA die Intention dieser Ausführungen.

23 Vgl. rda, kap. 7.20 und 7.13.3.3. – die rak-musik klassifiziert klavierauszüge auf derselben ebene wie partituren, studienpartituren usw. als „ausgabeform“ (rak-musik, § 141,1).

24 als „content type“ bezeichnet die rda die form, in der ein inhalt ausgedrückt wird (vgl. rda, kap. 6.10 sowie kap. 7 „describing content“). im gegensatz dazu ist mit „carrier type“ der physische träger der information gemeint (papier, diskette, mikrofilm usw.). (Vgl. rda, kap. 3 „describing carriers“) „carrier type“ ist ein attribut der manifestation, „content type“ ein attribut der expression.

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auDIoBEstänDE onlInE

im spannungsfeld zWischen WeB 2.0–plattformen und langzeitsicherungsaspekten

gaBriele fröschl

In den meisten Fällen stehen heute Internetrecherchen am Beginn wissenschaftlicher Fragestellungen. Hier werden, nicht zuletzt von den UserInnen Realitäten geschaffen, denen sich Bibliotheken genauso wie Archive und Museen schwer verschließen können, wollen sie auch künftig eine zentrale Rolle als Wissens- und Kulturvermittler spielen. Was erwarten sich nun UserInnen als Ergebnis ihrer Recherchen vor Ort und im Netz? Neben einem einfachen Zugang zu Information auch die Information, das Buch, das Tondokument selbst. Hier stehen vor allem AV-Archive in einem gewissen Spannungsfeld zwischen der Erwartung, dass man alles im Netz finden müsse, unbeschadet aller rechtlicher Möglichkeiten und der damit verbundenen Einschränkungen, denen diese Institutionen unterworfen sind. Besonders der Aspekt des Medialen – Töne, Videos, Bilder – erweist sich als in hohem Maße internetaffin.

Dies nicht nur, weil der Konsum von Medien via Internet (siehe Plattformen wie youtube) einen hohen Stellenwert im Userverhalten einnimmt, sondern auch, weil, bei sorgfältigem Umgang, die Qualität dieser Medien auch im Internet praktisch uneingeschränkt erhalten bleibt. Der Umgang mit diesen Quellen hat sich in den letzten Jahren rasch gewandelt. Heute scheint es vielen schon anachronistisch, zur Benutzung von Medien AV-Archive aufzusuchen, dies bleibt oft BenützerInnen mit umfangreichen und komplexen Recherchen vorbehalten. Dazu kommt, dass in diesem Bereich einerseits der technologische Wandel rasch voranschreitet und AV-Archive dadurch vor zahlreiche Herausforderungen stellt, nicht nur der Obsoleszenz der Medien sondern auch der Abspielgeräte wegen. Andererseits profitieren die Archive von diesem technologischen Wandel, um ihre Bestände durch Digitalisierung und digitale Langzeitarchivierung erhalten zu können.

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DiGiTalisierUNG

Grundvoraussetzung für die Onlinepräsentation von AV-Medien ist die Digitalisierung der Bestände. Hier stellen sich nicht nur Fragen der Qualitätssicherung (für Audiodigitalisierung existieren international anerkannte Normen der IASA, der internationalen Vereinigung der Schall- und audiovisuellen Archive) sondern auch der Umsetzung des Vorhabens in der jeweiligen Institution. Digitalisierung ist ein komplexer Workflow, der hohe - und vor allem sehr spezielle - Expertise verlangt.

Medium ist nicht gleich Medium, unterschiedliche Medien brauchen unterschiedliche Digitalisierungsstationen, unterschiedliche Zuspielgeräte und jeweils spezielles Fachwissen. Sind die Bestände in den einzelnen Institutionen eher klein und heterogen, ist die Sinnhaftigkeit der Durchführung von jeweils eigenen Digitalisierungsvorhaben fraglich. Hier sind Kompetenzzentren sinnvoll, die ihre Digitalisierungslösungen auch anderen Institutionen zur Verfügung stellen. So etwa digitalisiert die Österreichische Mediathek Audiobestände der Österreichischen Nationalbibliothek.

NachhalTiGkeiT

Ziel von Onlinepräsentationen ist der Wunsch nach Öffnung des Archivs durch neue Wege der Benützung. Hinsichtlich des Wunsches nach breiter Öffentlichkeit unterscheiden sich Archive auf den ersten Blick nicht von usergenerierten Onlineplattformen mit ähnlichen Inhalten. Für Archive liegt ein weiterer und ganz entscheidender Aspekt jedoch in der Nachhaltigkeit. Die Österreichische Mediathek hat im Jahr 2009 mit www.journale.at rund 5.000 Stunden Hörfunkjournale des ORF von 1967 bis 1989 online zugänglich gemacht. UserInnen sehen vor allem den Aspekt, dass durch diese Plattform ein wichtiger geschlossener Quellenbestand zur jüngsten österreichischen Geschichte erstmals öffentlich zugänglich ist.

Ein für UserInnen vordergründig nicht sichtbarer, aber für Archive entscheidender Aspekt liegt jedoch in der Persistenz: Die Projektergebnisse werden von der Österreichischen Mediathek auf Dauer bewahrt, d. h. die Tondateien und die zugehörigen Metadaten werden im digitalen System der Mediathek langzeitarchiviert, die Internetplattform zu ihrer Benützung wird zeitlich unbegrenzt aufrechterhalten. Digitale Langzeitarchivierung ist ein ständiger Prozess, der ununterbrochene Obsorge verlangt. Das Bewahren von Onlineauftritten ist eine Aufgabe, der sich viele Institutionen noch kaum bewusst sind und wo noch kaum erprobte Konzepte vorliegen: Was will man bewahren? Nur die Inhalte oder auch die Form der

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Präsentation? Wie geht man hier mit dem technologischen Wandel im Internet um? Dass man sich diesen Fragen und Aufgaben stellt, darin unterscheiden sich kulturbewahrende Institutionen jedoch von Web 2.0-Plattformen: Heute mag es sein, dass man dort ein breiteres Spektrum von Inhalten findet als bei den meisten Archiven, Bibliotheken und Museen, aber niemand garantiert, dass diese Inhalte auch längerfristig verfügbar bleiben. Tondokumente im Internet sind für die Österreichische Mediathek das Ergebnis konsequenter und fachgerechter Digitalisierung bzw. Langzeitarchivierung und damit eine Symbiose zwischen notwendiger Bestandssicherung und breiterer Öffentlichkeit.

ÖFFeNTlichkeiT

Angesichts kolportierter hoher Zugriffszahlen auf Onlinemedien und dem generellen Zug der Zeit, Erfolge von Kulturinstitutionen vordergründig an Besucherstatistiken festzumachen, besteht ein gewisser Zwang, diese Form von breiter Öffentlichkeit auch von Kulturinstitutionen zu fordern. Der Weg der generellen Verbesserung und Vereinfachung des Zugangs zu Informationen und Digitalisaten (Töne, Filme, Bilder, Texte) aus dem Bereich des Kulturerbes ist in weiten Bereichen unbestritten, es gibt kaum Institutionen, die sich dem Weg ins Internet bewusst verschließen. Dem Wesen von Web 2.0-Plattformen können sie jedoch nur schwer entsprechen. Nicht nur, weil öffentliche Institutionen an geltende Bestimmungen des Urheber- und Leistungsschutzrechts gebunden sind, was vor allem für das relativ junge Ton- und Filmmaterial eine wesentliche Einschränkung darstellt, sondern auch, weil die Web 2.0-Plattformen nicht nur Bereitstellung von Information leisten, sondern vor allem auch soziale Netzwerke sind, die von außen bzw. institutionell schwer zu steuern sind.

Was erfolgreich ist, lässt sich schwer vorhersagen und die klassischen Inhalte von Archiven, Bibliotheken und Museen zählen auch dort nicht zu den Dokumenten mit den höchsten Zugriffsraten. Was Institutionen von diesen Plattformen lernen können, ist die vermehrte Einbindung von UserInnen, die Dokumente kommentieren, Tags vergeben und ihre Favoriten mit anderen UserInnen teilen können. Es erscheint sinnvoll, zu überlegen, wo diese Einbindung von UserInnen auch für Onlineauftritte von Kulturinstitutionen nicht nur Community schafft und damit die Nutzerzahlen erhöht, sondern auch wertvolle Rückmeldungen an die Institutionen bringt.

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VerNeTzUNG

Für Kulturbewahrer können Angebote im Internet nicht bloß ein reines „Ins-Netz-Stellen“ unreflektierter Inhalte bedeuten, sondern sie umfassen daneben auch Kooperation bei der Digitalisierung, Online-Bereitstellung und Bewahrung des kulturellen Erbes auf nationaler wie europäischer Ebene. Im Zentrum der Anstrengung einer Vernetzung von Kulturinstitutionen steht Europeana, mit dem Ziel, europäisches kulturelles Erbe aus Archiven, Bibliotheken und Museen online zugänglich zu machen. Ziel einer ersten Ausbaustufe sind 10 Millionen digitale Objekte. Voraussetzung für die Teilnahme ist neben der Online-Bereitstellung von digitalen Objekten die Lieferung dazugehöriger Metadaten. Diese Metadaten werden von Europeana gehostet und sind Basis der Suche. Treffer verlinken zu den einzelnen Partnern, d. h. die Nutzung der Medien erfolgt auf den Websites der jeweiligen Institutionen. Vorteile für Institutionen liegen in der potenziellen Vergrößerung des Benutzerkreises, Nachteile sind, dass die Voraussetzungen, um an derartigen Projekten teilnehmen zu können, nämlich Digitalisierung, digitale Langzeitarchivierung und Bereitstellung der Medien online von den einzelnen Institutionen finanziell getragen werden müssen.

Für diese nicht unerhebliche Basisarbeit stehen kaum zusätzliche Mittel und Förderungen zur Verfügung, was für manche, vor allem kleinere Institutionen, eine nicht unerhebliche Hürde bedeuten kann. Klar auf der Hand liegen die Vorteile für BenützerInnen: Die gesuchte Information selbst (und nicht nur ein Katalogeintrag!) ist online zugänglich. Eine länder- und institutionsübergreifende Suche ist möglich und damit eine wesentliche Erweiterung des Spektrums. Für kulturelle und wissenschaftliche nichtkommerzielle Nutzung nachteilig sind die geltenden Urheber- und Leistungsschutzrechte, die den Online-Zugang einschränken und nach Plänen der EU noch verschärft werden sollen. Als UserIn profitiert man von beiden Zugängen: von Web 2.0-Plattformen mit rechtlich (und manchmal auch qualitativ) fragwürdigen, aber gesuchten und aktuellen Inhalten und von Kulturinstitutionen mit qualitativ hochwertigen, sorgfältig edierten und langfristig bewahrten Dokumenten. Im Sinn der Arbeit dieser Institutionen zu hoffen ist, dass diese von einer steigenden Zahl an UserInnen auch wahrgenommen werden.

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zusatzausBIlDung musIkInformatIonsmanagEmEnt an DEr hochschulE DEr mEDIEn stuttgart

susanne gotsmY, anita praVits

Stuttgart kann seit dem Jahr 1951 auf eine sehr lange Tradition in der Vermittlung musikbibliothekarischer Fachkompetenz verweisen. Seit dem Wintersemester 2007/2008 wird an der Hochschule der Medien Stuttgart die musikbibliothekarische Zusatzausbildung „Musikinformationsmanagement“ innerhalb des Master–Studiengangs „Bibliotheks– und Informationsmanagement“ als Wahlpflichtmodul angeboten. Diese musikbibliothekarische Spezialisierung ist auch für externe Studierende sowie für Interessierte mit entsprechender Berufserfahrung zugänglich.

Die Möglichkeit dieser Zusatzausbildung war uns sehr willkommen, da bei den Büchereien Wien in der bibliothekarischen Grundausbildung keinerlei Inhalte zum musikbibliothekarischen Arbeiten vorgetragen wurden. Mit uns nahmen 5 Master-Studierende der Hochschule der Medien Stuttgart sowie Bachelor–Studierende aus Darmstadt und Hamburg, weiters BerufskollegInnen aus diversen Bibliotheken und Rundfunkanstalten Deutschlands und ein Kollege aus Luzern daran teil.

Die ReferentInnen waren Fachleute aus Bibliotheken und der Verlagswelt, weshalb ein hoher Praxisbezug gegeben war (z.B. Hr. Jürgen Diet von der Bayerischen Staatsbibliothek und Dipl. Bibl. M.A. Silke Sewing vom Deutschen Musikarchiv Berlin). Die Lerninhalte waren in zwei Seminare gegliedert, die einzeln oder zusammen belegt werden konnten.

Der zeiTliche rahMeN GesTalTeTe sich FolGeNDerMasseN:

Pro Seminar fand im November 2008 eine ganztägige Auftaktveranstaltung statt, in der Organisatorisches besprochen und erste Lerninhalte vermittelt wurden. Daran anschließend begann eine E–Learning Phase, die bis Ende Jänner 2009 dauerte, basierend auf der Lernplattform Moodle, auf der online fast alle Lern–Unterlagen bereit gestellt wurden. In dieser E–Learning Phase waren RAK–Übungsbeispiele, Recherche–Übungen und Referate zu erarbeiten sowie erste Überlegungen zu Studienarbeiten zu machen. In einem Chat–Forum mit Fixterminen war Raum für offene Fragen.

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Das Kompaktseminar im Februar 2009 nahm pro Seminar eine Woche in Anspruch. In dieser intensiven Zeit wurde uns eine Fülle an Informationen vermittelt bzw. erarbeiteten wir Lerninhalte gemeinsam vor Ort.

Zur Auflockerung sehr willkommen waren Exkursionen zu den Bauer–Studios (Tonstudio in Ludwigsburg) und zum SWR (Südwestrundfunk), Bibliotheksführungen in der Musikbücherei und der Bibliothek der Musikhochschule in Stuttgart. Auch der Erfahrungsaustausch mit den BerufskollegInnen war sehr anregend.

Die Prüfungsleistung bestand aus einer Klausur (Digitale Musikbibliothek) und drei Studienarbeiten zu den übrigen Fächern.

NUN zU DeN iNhalTeN Der beiDeN seMiNare:

Seminar 1 „Musikmedien und Musikinformation“ hatte folgende Themenschwer-punkte zum Inhalt: Musikmarkt – Musikdatenbanken – Erschließung von Musikmedien.

Im Kapitel Musikmarkt wurden die Typologie und Ausrichtung der Musikverlage, die Produktentwicklung im Musikverlag und Musikinformationsplattformen besprochen. In Referaten galt es u.a. die Profile unterschiedlicher Verlage und die gegenwärtigen Angebote an neuen Medien herauszuarbeiten. Weitere Referatsthemen waren z.B. „Klingeltöne – ein lukrativer Absatzmarkt“ und „Music Download mit mp3“.

Das Kapitel Musikdatenbanken hatte die Schwerpunkte Typologie und Anwendungs-bereiche von Datenbanken zu musikwissenschaftlicher Literatur, Musikalien und Musiktonträgern sowie Recherchemöglichkeiten in den Datenbanken zum Thema, z.B. bestandsbezogene Datenbanken (Klaus Kuhnke Archiv), Handelsverzeichnisse ( JPC, IDNV), Linksammlungen (z.B. der Stadtbücherei Stuttgart) u.a.m. Weiters verglichen wir anhand von Suchbeispielen OPACs von großen Musikbibliotheken Deutschlands und diskutierten Stärken und Schwächen dieser.

Die E–Learning Phase zum Themenbereich Erschließung von Musikmedien gestaltete sich in RAK–Musik recht zeitintensiv, positiv war aber die stets persönliche Rückmeldung seitens unserer Referentin.

Seminar 2 „Digitale Musikbibliothek“ und „Digitale Musikarchivierung“ hatte folgende Themenschwerpunkte zum Inhalt: Digitale Musikbibliothek – Digitale Musikarchivierung – Recht (ab dem darauffolgenden Seminar wird verstärkt auf

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die spezifischen Fragestellungen bezüglich des Urheberrechtes in Bezug auf Audio–Medien und Noten, Lizenzrechte und Ausnahmeregeln der erlaubnisfreien Nutzung eingegangen).

DiGiTale MUsikbiblioThek:

Prinzipiell gibt es drei Bereiche digitaler Anwendungen in Bibliotheken, sei es als • Infrastruktur der Bibliothek• als Möglichkeit von Arbeitsabläufen in der Bibliothek• oder als Angebot digitaler Inhalte (textuelle Publikationen, multimediale

Inhalte...), die oft einen Zusatznutzen zu den Printausgaben oder auf CD– oder DVD–Scheiben besitzen, wie etwa Volltextsuche und inhaltsbasierte Suche. Der prinzipielle Vorteil digitaler Inhalte ist vor allem die Möglichkeit, sehr einfach völlig gleiche Duplikate herzustellen, aber auch die Möglichkeit Inhalte anzubieten, die man pysikalisch gar nicht besitzt.

Digitale Angebote erfordern allerdings ein spezielles Wissen um Herstellung, technische Möglichkeiten, das Wissen um Hard– und Software, Formate usw., das im Seminar vermittelt wurde:• Audioformate (CD–Format, komprimierte und unkomprimierte Formate)• die Möglichkeiten Notendrucke und Notenmanuskripte zu digitalisieren,

entweder als eingescannte Images oder in symbolischer Form • Videoformate für Filmmaterial• Metadaten

Wir haben über die Vor– und Nachteile der jeweiligen Formate erfahren, etwa was den Speicherbedarf anbelangt oder die Kompatibilität untereinander, den Vorteil von Open–Source–Software und auch zahlreiche Beispiele digitaler Angebote im World Wide Web kennengelernt, wie etwa Europeana, die Greenstone Digital Library, • das Musipedia–Projekt (www.musipedia.org), eine Datensammlung von

Melodie–Anfängen auf Wiki–Basis, die also von jedem erweiterbar ist. Das Programm kann Melodien, die vorgesungen, vorgespielt oder gepfiffen oder anhand des Parsons Code eingegeben werden, erkennen;

• das Projekt VIFA–Musik – DAS Fachportal für die deutsche Musikwissenschaft. Besonders interessant war vor allem die Projektbeschreibung (1. Förderphase Juli 2005 – Juni 2007), die Umsetzung dieses Projektes, der Zusammenschluss verschiedener Institutionen, das Aufstellen der finanziellen Mittel – derzeit läuft ein Antrag auf weitere 2 Jahre, in denen die Seite weiter ausgebaut werden soll, WebLogs und RSS–Feeds installiert werden sollen, RISM frei über diese

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Seite zugänglich werden soll und vieles mehr. Geklärt werden muss jeweils die technische Seite, die rechtliche (z.B. was das RISM betrifft), etc. Wichtig bleibt natürlich auch die Verstetigung nach dem Ende der Projektlaufzeit;

• das Probado–Projekt – in diesem Projekt sollen alle musikalischen Formate mittels eines Entity–Relationship–Metadaten–Modells in einem music repository aufgenommen (natürlich möglichst automatisch durch Heranziehen schon vorhandener Katalogdaten), sämtliche Musikdokumente erschlossen und schließlich eine herkömmliche Suche sowie eine inhaltsorientierte Suche durch Eingabe monophoner oder polyphoner Notenfolgen ermöglicht werden. Die Ausgabe erfolgt dann mit exakter Position der Notenanfrage innerhalb der gefundenen Musikdokumente und durch audio–visuelle Wiedergabe der Fundstellen (akustische Wiedergabe der Fundstellen, synchrone Wiedergabe der Partitur), angepasst an die jeweilige Interpretation. Auch hier haben wir wieder über den bisherigen Verlauf des Projektes erfahren, derzeit befindet es sich in der 2. Förderphase, geplant ist eine 3. Förderphase ab 2010.

WeiTere iNhalTe Dieses seMiNarTeiles WareN:

• Das Entity–Relationship–Datenbankmodell und FRBR, auf dem ja RDA basiert• Die Projekte Variations2 und Variations3 der Musikbibliothek der Indiana

University – auch hier will man, ähnlich wie beim Probado–Projekt, alle Musikformate zusammenbringen und eine synchrone Benutzung ermöglichen

• Digitale Musikdistribution und spezielle Angebote für Bibliotheken (Naxos Music Library, Classical Music Library, DiViBib)

• Nationale und internationale Verbände und Konferenzen

Im zweiten Teil dieses Seminars ging es um Digitale Musikarchivierung, also um Digitalisierung, Sammlung, Erschließung, Archivierung und Bereitstellung von digital vorliegender Musik und den daraus resultierenden strategischen, technischen, rechtlichen und Lizenz–Fragen.

Wir haben dabei über technische Obsoleszenz sowohl analoger Medien als auch digitaler Datenträger und digitaler Datenformate gehört und dabei von den Vor– und Nachteilen der verschiedenen analogen Medien (von der Schellackplatte bis zu den Magnetbändern), sowie der digitalen Medien (CD bis Blu–Ray) und den verschiedenen Möglichkeiten der Langzeitarchivierung, der Migration, der Emulation oder auch des Erhaltes alter Hard– und Software erfahren. Da sich die Migration in einem Massenspeicher als sicherste Variante in den meisten maßgeblichen Instituten etabliert hat, lag das Hauptaugenmerk des Seminars auf der Langzeitarchivierung mittels Massenspeichern.

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Dabei GiNG es UM FolGeNDe FraGesTellUNGeN:

Um die Frage des Aufbaus eines digitalen Archives, um die Frage der benötigten Metadaten – sowohl um bibliographische (etwa im MAB– oder MARC–Format, im Dublin Core ...), als auch um technische, rechtliche oder administrative Metadaten und um die Frage wie ist es zu tuna) einerseits die Funktionalität und auch rechtliche Fragen betreffend, um die

Schaffung von Standards, nach denen im Betrieb zu arbeiten istb) und auch die Organisation betreffend: Aufgabenteilung, Finanzierung, etc.

Wir haben die wichtigsten Standards kennengelernt: die IASA–Standards TC–03, TC–04, das OAIS–Modell für digitale Archive, den Kriterienkatalog vertrauenswürdiger Archive von nestor und wichtige Organisationen, die sich um die Bildung von Standards bemühen und kompetente Ansprechpartner für digitale Archive sein können:• nestor (Kompetenznetzwerk Langzeitarchivierung), • kopal (kooperativer Aufbau eines Langzeitarchives digitaler Informationen), • Sound Directions (Herausgabe von best practise–Beispielen)• und auch Institutionen, an denen große Digitalisierungprojekte laufen, wie

etwa das Leibniz–Rechenzentrum, die Bayerische Staatsbibliothek und deren Kooperation mit Google–Book–Search, die Österreichische Nationalbibliothek und die Entwicklung von Scanrobotern.

Wir haben auch Einblick in die Planung der Implementierung eines Digitalen Langzeitarchives gewonnen – von der Vorbereitung, der Klärung der möglichen Soft– und Hardware, der Einschätzung der Kosten, der Planung des Workflows bis zur Realisierung.

Erwähnenswert zum Abschluss ist auch der neue Workshop „Music in Digital Libraries and Archives“, der in der Unterrichtssprache Englisch an der Hochschule der Medien Stuttgart angeboten wird.

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UNser resÜMee:

Beide Seminare haben für Musikbibliothekare große Relevanz. Seminar 1 beinhaltete für uns genau das, was wir in der bibliothekarischen „Grundausbildung“ so vermisst haben. Es wird eine Fülle an Basiswissen vermittelt, weshalb dieses Seminar vor allem Berufseinsteigern zu empfehlen ist, aber auch Berufserfahrenen zur Vertiefung des Wissens. Seminar 2 ist zwar sehr speziell im Thema und in unserem derzeitigen, speziellen Berufsalltag in einer öffentlichen Bibliothek noch nicht von großer Bedeutung, obwohl z.B. die Onleihe, das Ausleihen von Medien über das Internet, durchaus schon Realität ist. Digitalisierung hat die Bibliothekslandschaft bereits verändert und wird sie sicherlich noch weiter massiv verändern. Seminar 2 möchte nicht nur das theoretische Wissen über diese Entwicklungen liefern. Auch die Kenntnis um neue Projekte und mögliche Kooperations- und Ansprechpartner kann für viele Bibliotheken überaus hilfreich sein.

Wir denken, eine Anerkennung dieser Ausbildung in Österreich wäre überaus sinnvoll und wünschenswert!

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schulBIBlIothEkEn für Das 21. JahrhunDErt

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wIE könnEn wIr DIE schulBIBlIothEkEn fIt für DIE zukunft machEn?

Beispiele und üBerlegungen aus südtirolmarkus fritz

Wenn wir im Jahr 2009 Schulbibliotheken planen, so planen wir für die nächsten fünf Jahre. Niemand kann mit Sicherheit sagen, wie die Schulbibliotheken in 10 Jahren aussehen werden.

Schulbibliotheken haben in den vergangenen Jahren einen großen Wandel vollzogen: sie haben sich zu multimedialen Lese- und Lernwerkstätten entwickelt. Die Erschließung und Bereitstellung von aktuellen Medien ist nach wie vor eine wichtige Aufgabe jeder Schulbibliothek, doch das genügt heutzutage nicht mehr. Die multimediale Schulbibliothek muss auch einen Beitrag leisten zur Vermittlung der Lese-, Informations- und Medienkompetenz. Schulbibliotheken sind dann sinnvoll, wenn sie einen konkreten und messbaren Beitrag zur Unterrichtsentwicklung leisten. Folgendes Modell der „integrierten Schulbibliothek“ verdeutlicht, was damit gemeint ist.

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Im Zentrum des Schulgebäudes befindet sich die multimediale Schulbibliothek. Sie bietet genügend Raum für verschiedene Tätigkeiten: ganze Klassen können sich darin aufhalten, ebenso Schülergruppen oder einzelne SchülerInnen. Lehrkräfte können Recherche- oder Leseprojekte durchführen und Unterrichtsstunden abhalten. Außerdem hält man sich in der multimedialen Schulbibliothek gerne auf. Sie ist hell und einladend. Dieses Modell zeigt, dass ansprechende Räumlichkeiten, gekoppelt mit einer adäquaten technischen Ausstattung, einem didaktischen Konzept und einer professionellen Betreuung dazu beitragen, dass Bibliotheken sich zum Lese- und Lernzentrum der Schule entwickeln. Ein gelungenes Beispiel dafür ist die Mediothek KIWI der Handelsoberschule in Bruneck.1

WozU braUcheN lehreriNNeN UND schÜleriNNeN schUlbiblioThekeN?

Lehrkräfte brauchen multimediale Schulbibliotheken, • in denen sie Leseförderung betreiben können,• in denen sie Unterricht gestalten und Rechercheprojekte durchführen können,• in denen sie ein vielfältiges, aktuelles Medienangebot finden.

Schüler/innen brauchen multimediale Schulbibliotheken,• in denen sie attraktive Lektüreangebote finden, • in denen sie vielfältige Informationen in verschiedenen Medien finden,• in denen sie kompetente Beratung erhalten und• in denen sie sich gerne aufhalten.

eiN blick iN Das Jahr 2015 – koNkreTe VorhabeN

Ausgehend von diesen grundsätzlichen Überlegungen über Sinn und Zweck einer multimedialen Schulbibliothek macht man sich im Amt für Bibliotheken und Lesen der Südtiroler Landesverwaltung2 Gedanken über die Zukunft der Schulbibliotheken. Mithilfe folgender konkreter Vorhaben sollen die Schulbibliotheken fit für die Zukunft gemacht werden:

Fundamental ist die Qualifizierung des Bibliothekspersonals. In enger Zusammen-arbeit mit dem Pädagogischen Institut organisiert das Amt für Bibliotheken und Lesen Ausbildungslehrgänge für LehrerInnen.

1 www.mediothek.hob-bruneck.info (letzter zugriff: 19.02.2010).2 www.provinz.bz.it/bibliotheken (letzter zugriff: 19.02.2010).

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Die Lehrkräfte werden zu FachexpertInnen für Leseförderung und Bibliotheksdidaktik ausgebildet. Parallel dazu werden verschiedene Fortbildungsveranstaltungen angeboten, sowohl für LehrerInnen als auch für hauptamtliche SchulbibliothekarInnen. Die Schwerpunkte liegen dabei auf der Vermittlung der Informations- und der Lesekompetenz. Die SchulbibliothekarInnen müssen die Experten für Leseförderung und Informationsrecherche an der Schule sein. Besonderes Augenmerk wird in den nächsten Jahren auf die Unterstützung von leseschwachen SchülerInnen gelegt werden. So planen wir - zusammen mit dem Pädagogischen Institut - eine Kursfolge für LehrerInnen, in welcher sie mit geeigneten Diagnoseinstrumenten und Fördermaterialien vertraut gemacht werden.

Als Landesfachstelle für Bibliotheken planen wir den Ausbau der Unterstützungs-systeme für Bibliotheken. Wir veröffentlichen regelmäßig Empfehlungslisten für den Medienankauf, initiieren landesweite Leseprojekte und fördern die zentrale Medienbearbeitung durch den Bibliotheksverbands Südtirol. Dadurch sollen die SchulbibliothekarInnen von den technischen Arbeiten entlastet werden und mehr Zeit für Beratung und die Durchführung von Projekten haben. Zweimal pro Jahr organisiert die Fachstelle Autorenwochen für Schulen und Bibliotheken. Jedes Jahr werden ca. 160 Lesungen durchgeführt. Das ambitionierte Ziel lautet: Jeder Schüler / jede Schülerin sollte einmal in seiner / ihrer Schullaufbahn eine Autorenbegegnung miterleben dürfen.

Sehr wichtig ist der Kontakt mit den Schulführungskräften und der Schulverwaltung. Dazu werden jährliche Treffen organisiert, die vor allem der Sensibilisierung und dem Informationsaustausch dienen sollen.

Seit Jänner 2009 gelten in Südtirol neue Schulbaurichtlinien. Bei Schulneubauten wird für die multimediale Schulbibliothek eine Raumgröße von 0,60m2 pro SchülerIn vorgesehen. Die Schulbibliothek wird als Informations-, Lese-, Lern-, Dokumentations-, Kultur- und Kommunikationszentrum definiert. Sie liegt in zentraler Lage, im Erdgeschoss und am Hauptverkehrsstrom. Das Amt für Bibliotheken und Lesen bietet zusammen mit der „Beratungsstelle Schularchitektur“ am Pädagogischen Institut Beratung in Bau- und Einrichtungsfragen.

Die multimediale Schulbibliothek sollte in allen Schulprogrammen verankert ist. Ein klares, gut durchdachtes und umsetzbares Konzept zu Funktion, Aufgaben und Nutzung der Schulbibliothek ist unumgänglich. Es genügt nicht, wenn sporadisch Aktionen zu Bibliotheksnutzung und zur Leseförderung angeboten werden.

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Die Aktivitäten der Schulbibliothek müssen eingebunden sein in das didaktische Konzept der Schule.3

Dazu gehört auch, dass jede Schulbibliothek über ein Bestandskonzept verfügt, in welchem klare und transparente Richtlinien für den Bestandsaufbau definiert werden: schulspezifische Schwerpunkte, Zielbestand, Kriterien für die Medienauswahl, Organisation des Bestandsaufbaus.

Multimediatische in der Handelsoberschule Bruneck (Foto: Markus Fritz)

Ein weiteres wichtiges Vorhaben ist die Entwicklung eines Curriculums zur Vermittlung der Lese- und Informationskompetenz von der Grundschule bis zur Maturaklasse. Seit dem Frühjahr 2009 gelten für Grund- und Mittelschulen (Klasse 1 - 5 und Klasse 6 - 8) neue Rahmenrichtlinien für die Festlegung der Curricula. Die Grundgedanken lauten: Ausrichtung des Lernens nach Kompetenzen (über Fertigkeiten, Fähigkeiten und Kenntnisse Kompetenzen aufbauen) und die Individualisierung des Lernens. Die Rahmenrichtlinien bieten sehr viele Anknüpfungspunkte für die Schulbibliothek. Die SchulbibliothekarInnen müssen dafür sorgen, dass ihre Tätigkeiten in das Schulcurriculum integriert werden. Das Curriculum zur Vermittlung der Lese- und Informationskompetenz soll in der Oberschule (Klasse 9 – 13) weiterentwickelt werden. Die Schulbibliothek wird die Schaltzentrale für LehrerInnen und SchülerInnen bei der Ausarbeitung von Fachbereichsthemen (Beratung bei Rechercheprojekten, Vorbeugung von Plagiaten, …). Ein Beispiel dafür ist der Mediotheksführerschein in der Handelsoberschule Bruneck.4 Beim Mediotheksführerschein handelt es sich um ein,

3 ein Beispiel dafür ist der schulsprengel sterzing i: das konzept der „lesenden schule“ und der „systematischen leseerziehung“ ist teil des schulprogramms: http://www.snets.it/ssp-sterzing1/default.aspx (letzter zugriff: 19.02.2010).

4 siehe tagungsband zur tagung „die lernende Bibliothek“, chur 2009, http://www.lernendebibliothek2009.ch/ (letzter zugriff: 19.02.2010).

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für alle SchülerInnen verpflichtendes, aus fünf Modulen bestehendes Qualifizierungs-programm. Im Mittelpunkt stehen die Vermittlung der Recherchekompetenz und die Vorbereitung auf die Fachbereichsarbeit in der Abschlussklasse.

Da die Qualität der Schulbibliotheksarbeit auch Auswirkungen auf den Schulerfolg hat, ist ein Qualitätsmanagement für Schulbibliotheken notwendig. In enger Zusammenarbeit mit der „Dienststelle für externe Evaluation der Schulen“ werden Qualitätsstandards für Schulbibliotheken und ein Qualitätssicherungsverfahren ausgearbeitet.5 Wir beginnen mit der Ausarbeitung von Qualitätsstandards für Schulbibliotheken mit hauptamtlichem Bibliothekspersonal (ca. 70 Schulbibliotheken). Einfache Qualitätsstandards zur Selbstevaluation für kleinere Schulbibliotheken werden folgen.

Lesezelt in der Bibliothek Feldthurns (Foto: Ludwig Thalheimer)

Angesicht der rasanten technischen Entwicklung muss man sich die Frage stellen: Ist die Schulbibliothek im digitalen Zeitalter nicht überflüssig geworden? Wenn sie sich auf den Verleih von (Print)-Medien beschränkt, ist dies eine berechtigte Frage. Auch wenn in Zukunft die SchülerInnen iPhone, iPad und e-Book in der Tasche haben werden, so brauchen sie doch einen Raum, einen Lernort. Die Bibliothek könnte als (räumliches) Wissenszentrum fungieren. Es geht auch um die Initiierung und Begleitung von Lernprozessen: SchülerInnen werden in Zukunft verstärkt Lotsen brauchen, die ihnen behilflich sind, Informationen zu finden, zu bearbeiten und für sich nutzbar zu machen. In der angelsächsischen Welt hat sich für das Wissenszentrum

5 http://www.provinz.bz.it/kulturabteilung/bibliotheken/2475.asp (letzter zugriff: 19.02.2010); siehe auch: Volgger, karin: entwicklung von Qualitätsstandards für südtiroler Bibliotheken. Bachelorarbeit im studiengang Bibliotheks- und informationsmanagement an der hochschule der medien. stuttgart 2009, http://opus.bsz-bw.de/hdms/volltexte/2009/674/pdf/Bachelorarbeit_karin_Volgger.pdf (letzter zugriff: 19.02.2010).

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der Begriff „learning commons“ durchgesetzt.6 Die wörtliche Übersetzung dafür lautet „Wissensallmende“. Gemeint ist der mittelalterliche Allmendebegriff, das Gemeingut an Wasser, Weide und Wald. „Learning commons“ beinhalten eine Vielzahl an Räumen: Begegnungsraum, Einzelarbeits- und Gruppenarbeitsraum, Plenum. Sie ermöglichen eine Vielzahl an Arbeits- und Sozialformen. Sie sind hell, offen und sie stellen eine breite Auswahl an Medien zur Verfügung. Selbstverständlich gibt es genügend Multimedia-PCs bzw. Anschlüsse für Laptops.

Wenn wir uns die Schulbibliotheken in Südtirol vor Augen führen, entsprechen einige von ihnen den oben beschriebenen Vorstellungen. Die Aufgabe für die Zukunft wird darin bestehen, die Lese- und Informationskompetenz von Kindern und Jugendlichen zu fördern. Dazu kann die multimediale Schulbibliothek einen wichtigen Beitrag leisten.

6 siehe dazu auch: http://basedow1764.wordpress.com/2009/11/23/die-entbibliothekarisierung-der-schulbibliothek/ (letzter zugriff: 19.02.2010).

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IntErkulturEllE BIBlIothEksarBEIt

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IntErkulturEllE BIBlIothEksarBEIt: thEmEn unD trEnDs

susanne schneehorst

VoM „GasTarbeiTer“ zUM „(MiT)bÜrGer MiT MiGraTioNshiNTerGrUND“

In den letzten eineinhalb Jahrzehnten hat sich in Deutschland ein Paradigmenwechsel vollzogen: Dieser Wandel betraf die nationale Politik ebenso wie die kommunale Integrationspolitik. In vielen Kommunen wird Integrationspolitik inzwischen als Querschnittsaufgabe begriffen, die nachhaltig von allen Referaten und Dienststellen sowie den städtischen Unternehmen bei ihrer Arbeit berücksichtigt werden soll.

Einen ähnlichen Paradigmenwechsel gab es im Bibliothekswesen: Viele kommunale Bibliotheken in Deutschland haben schon in den Frühzeiten der Einwanderung Angebote für ImmigrantInnen gemacht. Der weitaus umfassendere Begriff „Interkulturelle oder multikulturelle Bibliotheksarbeit“ ist jedoch erst seit einigen Jahren in Gebrauch.

WarUM iNTerkUlTUrelle biblioTheksarbeiT?

Öffentliche Bibliotheken orientieren sich an den Bedürfnissen der Bevölkerung – die Bevölkerung ist multikulturell und multilingual.

Multikulturelle und vielsprachige Medienangebote sichern den gleichberechtigten Zugang aller Bevölkerungsgruppen zur Information. Dieser gleichberechtigte Zugang wird in der UNESCO-Konvention zur Kulturellen Vielfalt1 eindeutig erwähnt.

Ein weiterer Grund: Muttersprachliche Angebote erleichtern den ImmigrantInnen den Zugang zur Mehrheitsgesellschaft. Sie signalisieren „Ich bin / Ihr seid willkommen“ und fördern die Identifikation mit der deutschen Gesellschaft. Nur wer sich kulturell und sprachlich angenommen fühlt, identifiziert sich auch mit der Gesellschaft.

1 deutsche unesco-kommission e.V.: übereinkommen über den schutz und die förderung der Vielfalt kultureller ausdrucksformen. http://unesco.de/konvention_kulturelle_vielfalt.html?&l=4: 05.03.2010.

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Warum haben sich die deutschen Öffentlichen Bibliotheken in den letzten Jahren dem Thema zugewandt? Drei Faktoren spielen eine Rolle: 1. das schlechte Abschneiden der deutschen Bildungssysteme bei den PISA- und IGLU-Studien, die das Thema Lese- und Sprachförderung auf die Tagesordnung gebracht haben, 2. die demografische Veränderung – der Anteil der Menschen mit Migrationsgeschichte steigt langsam, aber stetig an, und 3. das allgemeine politische Klima, das den Einwanderern mehr Aufmerksamkeit widmet.

Interkulturelle Bibliotheksarbeit wird dabei zunehmend nicht mehr verstanden als das bloße Zur-Verfügung-Stellen muttersprachlicher Bestände. Sie umfasst alle Bibliotheksangebote und Leistungen, die sich auf die Bedürfnisse der multikulturellen Gesellschaft und ihrer Mitglieder beziehen. Sie ist eine Querschnittsaufgabe. Die Leistungen einer Bibliothek für ethnische, linguistische und kulturelle Minderheiten können nicht isoliert oder als zusätzliche Leistungen gegenüber ‚normalen’ Leistungen betrachtet werden. Sie müssen als integraler Bestandteil aller Bibliotheksleistungen gelten. Fremdsprachige Bibliotheksführungen, interkulturelles Training für BibliotheksmitarbeiterInnen, fremdsprachige Bestände, Bereitstellung von PCs mit mehrschriftlichen Codierungen, die z. B. auch eine Recherche in kyrillischer Schrift möglich machen – all das subsummiert sich unter dem Titel interkulturelle Bibliotheksarbeit.

asPekTe iNTerkUlTUreller biblioTheksarbeiT

besTaNDsaUFbaU – MeDieNaNGeboTe

Wer eine Sprache spricht, sollte sie auch pflegen können. Öffentliche Bibliotheken können BürgerInnen anderer Familien- und Muttersprache nicht ausschließen.

Leider gibt es in Deutschland keine übergeordnete staatliche Einrichtung, die die Bibliotheken betreut – für das Thema „Literaturversorgung von ImmigrantInnen“ ist das besonders wichtig, da jede Bibliothek bei diesem Thema mehr oder weniger sich alleine überlassen bleibt. Es ist schwierig, sich den Markt für muttersprachliche Medien zu erschließen, Bücher in Russisch, Türkisch oder Tamil auszuwählen, zu katalogisieren usw. Der Deutsche Bibliotheksverband hat im Jahre 2006 reagiert und eine Kommission Interkulturelle Bibliotheksarbeit einberufen, die sich bemüht, landesweit eine Infrastruktur für Bibliotheken aufzubauen, die sich mit fremdsprachigen Benutzern und Medien befassen. Die Kommission pflegt auch eine Mailingliste, über die Tipps, Literaturempfehlungen und Informationen ausgetauscht werden. (Anmeldung unter: [email protected])

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Was leseN iMMiGraNTiNNeN?

Erwachsene nutzen häufig, aber keinesfalls ausschließlich, muttersprachliche Angebote. Kinder und Jugendliche leihen oft nur Medien in deutscher Sprache aus. Dies ist nicht verwunderlich, da Kinder ihre Familiensprache häufig nicht lesen und schreiben lernen. Das Angebot an fremdsprachigen Bilder- und Vorlesebüchern wird dagegen sehr gut genutzt, da Eltern ihren Kindern offensichtlich lieber in der eigenen Sprache vorlesen. Bücher über Religion, sei es das Judentum für jüdische Russen oder der Islam für Menschen aus dem entsprechenden Raum, sind sehr gefragt. Kochbücher sind die absoluten Renner, ebenso Bücher mit Diätrezepten, sei es für Diabeteskranke, zum Abnehmen oder über salzarme Kost. Viel ausgeliehen werden auch Erziehungsratgeber, Ratgeberliteratur zu Themen wie Sexualität und Krankheit und natürlich Belletristik. DaF- und DaZ-Materialien sind unabdingbar.

Zu den Medienangeboten zählen auch die Materialien, die ImmigrantInnen, und gerade denen ohne besonders gute deutsche Sprachkenntnisse, die Orientierung erleichtern: Broschüren über Beratungsangebote, Informationen in den Muttersprachen usw. Wichtig ist auch der kostengünstige Zugang zum Internet, der Zugang zu Informationen aller Art ermöglicht. ImmigrantInnen nutzen häufig das Internet zum kostenlosen Telefonieren in ferne Länder, aber auch für die aktuelle Zeitungslektüre.

Breiten Raum nehmen Medien für Kinder im Vorschulalter ein. Nicht erst seit dem schlechten Abschneiden der Bundesrepublik bei den PISA- und IGLU-Studien ist man sich einig, dass die Sprach- und Leseförderung schon im Vorschulalter anfangen muss – übrigens keineswegs nur für Kinder aus Einwandererfamilien! In Kindergärten, Grundschulen, im ganzen Bildungssystem wird über die mangelnden Sprach- und Lesekenntnisse von Kindern geklagt. Dabei ist zu bedenken: Literalität oder Literacy ist sprachunabhängig – wer in einer Sprache den Umgang mit Schrift, Sprache, Büchern usw. erlernt, erlernt ein auf Zweit- oder Drittsprache übertragbares Verhalten. Wenn Eltern im Kindergarten aufgefordert werden, mit ihren Kindern die Muttersprache zu pflegen, dann müssen muttersprachliche Medien auch zugänglich sein. Öffentliche Bibliotheken sind hier in der Pflicht: wo, wenn nicht in den Bibliotheken, sollen Eltern muttersprachliche Bücher finden?

MUlTiliNGUale aNGeboTe – zWei- UND MehrsPrachiGe MeDieN

In der Diskussion um Sprachförderung und Integration werden zwei- und mehr-sprachige Medien häufig erwähnt. Zweisprachige Medien für Kinder gibt es inzwischen in ziemlich großer Vielfalt – Bibliotheken können sie zur Verfügung stellen.

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iNTerkUlTUrelle aNGeboTe

Zu nennen sind hier: Autorenlesungen, die Begegnung zwischen den Kulturen ermöglichen, Bibliotheksführungen in den einschlägigen Sprachen, aber auch die Bereitstellung von literarischen Übersetzungen, sei es vom Deutschen in eine andere Sprache oder umgekehrt.

Beliebt sind Vorlesestunden – hier greifen inzwischen immer mehr Bibliotheken auf VorleserInnen zurück, die auch in anderen Sprachen als Deutsch lesen. Ehrenamtliche VorleserInnen sind regelmäßig Gast in Kindergärten. Die öffentlichen Bibliotheken stellen die mutter- oder mehrsprachlichen Medien zur Verfügung. Auch Bilderbuchkinos können zwei- oder mehrsprachig vorgeführt bzw. gelesen werden. Es gibt zahlreiche Bilderbücher, zu denen es ein Bilderbuchkino und eine fremdsprachige Ausgabe gibt – hier ist etwas Puzzlearbeit gefragt.

Zu den interkulturellen Angeboten gehören auch speziell auf MigrantInnen zugeschnittene Bibliotheksführungen, die oft in Zusammenarbeit mit anderen Bildungsanbietern organisiert werden. Die Stadtteilbücherei Gallus/Frankfurt/Main hat dazu ein detailliertes Konzept entwickelt. Vielerorts werden die sog. „Mami lernt Deutsch“-Kurse, die „Deutsch als Fremdsprache“-Kurse der VHS und andere Gruppen durch die Bibliothek geführt. Zahlreiche Bibliotheken bieten inzwischen Elternabende oder -nachmittage an, bei denen ein/-e BibliothekarIn über das Angebot der Bibliothek und die Bedeutung des Lesens informiert.

Die biblioThek als bilDUNGsParTNer iN sacheN sPrach- UND leseFÖrDerUNG

Öffentliche Bibliotheken können in Kooperation mit anderen Partnern (Krankenhäusern, Bürgerämtern, Vereinen, Schulen usw.) über niederschwellige flächendeckende Angebote auch eher bildungsferne Schichten erreichen und damit ihrem Anspruch, vom Neugeborenenalter an erfolgreiche Leseförderungsaktionen zu initiieren, gerecht werden. „Social inclusion“-Programme Öffentlicher Bibliotheken sind etwa Buchstart, Lesetüten-Aktionen für Schulanfänger, flächendeckende Aktionen zum Tag des Vorlesens usw. Die Kampagne der Briloner Stadtbibliothek Bücherbabys - ein guter Start für jedes Kind war die erste von zahlreichen Bibliotheksinitiativen, in denen es darum geht, Eltern schon früh über die Wichtigkeit der Leseförderung zu informieren und in den ersten Lebensjahren des Kindes ein Lesestart-Paket zu übergeben. Bei diesen Programmen erhalten alle Eltern in einem Gebiet ein Buch für ihr Kind sowie Informationen zum Thema

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Lesen und Vorlesen. In anderen Städten erhält jedes Kind zum Schulanfang ein Buch geschenkt. Derartige Programme sind oft mehrsprachig. In Brilon bekommen türkische und russische Eltern eine Broschüre über die Bedeutung des Lesens, die Nürnberger Stadtbibliothek verteilt Vorlesetipps in 16 Sprachen, der Elternbrief der Stadtbücherei Hamm ist ebenfalls in zahlreichen Sprachen verfasst. Die Aktion Buchstart aus der Schweiz ist ebenfalls konsequent mehrsprachig.

Zahlreiche Bibliotheken stellen Medienkisten zur Sprachförderung zur Verfügung. Die Stadtbücherei Frankfurt hat sog. DaZ-Container zusammengestellt, Medien und Materialien für den Unterricht in Deutsch als Zweitsprache an Grundschulen.

Während es in der Schweiz und in anderen europäischen Ländern zentrale Institutionen gibt, die die Bibliotheken mit Medien und Materialien versorgen, sind die Bibliotheken in Deutschland lange Zeit mehr oder weniger auf sich alleine gestellt gewesen. Der Deutsche Bibliotheksverband hat im Jahre 2006 die Kommission Interkulturelle Bibliotheksarbeit einberufen. Als erstes größeres Projekt hat diese Gruppe das Web-Portal www.interkulturellebibliothek.de2 erstellt. Das Portal gibt einen Überblick über Konzepte und die aktuelle Praxis in deutschen Bibliotheken. Kernstück ist das Sprachenportal, das Übersetzungen von bibliotheksbezogenen Texten wie zum Beispiel einen Begrüßungstext mit den wichtigsten Ausleihmodalitäten, aber auch Texte zur Leseförderung u.a. für bis zu 20 Sprachen enthält. Für jede Sprache sind Links zu Onlinewörterbüchern, Nachschlagewerken, landeskundlichen Informationen usw. angegeben.

iNTerkUlTUrelle ÖFFNUNG

Interkulturelle Bibliotheksarbeit ist eine Querschnittsaufgabe. Die Öffentlichen Bibliotheken müssen sich auch personell öffnen. Die BibliothekarInnen mit Migrationshintergrund, die in der deutschen Bibliothekslandschaft arbeiten, sind bisher an den Fingern zweier Hände abzuzählen. Die Diskussion über die Anerkennung von Berufsabschlüssen aus dem Ausland und die interkulturelle Öffnung der Kommunen hat in Deutschland erst begonnen.

2 kompetenznetzwerk für Bibliotheken: www.interkulturellebibliothek.de. http://www.bibliotheksportal.de/hauptmenue/themen/bibliothekskunden/interkulturelle-bibliothek.

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hErausforDErung IntErkulturalItät: ErfahrungEn unD PErsPEktIvEn DEr BüchErEIEn wIEn

Beate Wegerer

iNTerkUlTUrelle akTiViTäTeN – WozU?

Ein Blick auf die österreichische Geschichte zeigt, dass kulturelle Vielfalt kein Phänomen ist, das uns erst seit gestern beschäftigt (Vielvölkerstaat während der österreichisch-ungarischen Monarchie, aktive Anwerbepolitik für Gastarbeiter in den 60er Jahren, Aufnahmeland zahlreicher Flüchtlingswellen der näheren Vergangenheit, Wohlstandsgefälle zwischen Norden und Süden bzw. Osten und Westen).

Es geht also für uns alle längst nicht mehr darum, ob wir für oder gegen Einwanderung und die daraus resultierende kulturelle Heterogenität der in unserem Land zusammen lebenden Menschen sind, sondern lediglich darum, WIE wir mit dieser Tatsache umgehen und ob und wie wir die ihr inne wohnenden Chancen nutzen und die ihr ebenfalls inne wohnenden Herausforderungen meistern, indem wir diese bestehende Vielfalt in unserer täglichen Arbeit berücksichtigen. Aus diesem Grund kann dieses Thema auch an den öffentlichen Büchereien nicht spurlos vorbeigehen.

Wenn man davon ausgeht, dass zielgruppenorientierte Bibliotheksarbeit selbstverständlich und ausnahmslos ALLE Mitglieder einer Gesellschaft einschließt, dann gehören auch die 35,4% der WienerInnen bzw. 17,5% der gesamtösterreichischen Bevölkerung1 dazu, die über einen Migrationshintergrund2 verfügen.

Zum Vergleich: 2008 lag der Anteil der über 50-jährigen bei 35,19%. Die Gruppe der unter 15-jährigen machte 15,23% aus3. Wäre es denkbar, dass eine öffentliche Bibliothek die Bedürfnisse und Wünsche der über 50-Jährigen oder der unter 15-Jährigen ignorieren könnte? 1 http://www.statistik.at/web_de/statistiken/bevoelkerung/bevoelkerungsstruktur/bevoelkerung_nach_

migrationshintergrund/033241.html (01.03.2010).2 „migrationshintergrund“ in diesem fall: in österreich lebende personen mit ausländischer staatsbürgerschaft +

österreicherinnen, die entweder selbst im ausland geboren sind oder mindestens einen elternteil haben, der im ausland geboren ist.

3 eigene Berechnung auf Basis der tabelle „Jahresdurchschnittsbevölkerung seit 2001 nach fünfjährigen altersgruppen und geschlecht der statistik austria, siehe: http://www.statistik.at/web_de/statistiken/bevoelkerung/bevoelkerungsstruktur/bevoelkerung_nach_alter_geschlecht/023427.html (01.03.2010).

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303

iNTerkUlTUrelle akTiViTäTeN bei DeN bÜchereieN WieN

Bei den Büchereien Wien herrscht traditionell ein Berufsverständnis, das über die Bereitstellung von Medien hinausgeht und auch einen gesellschaftspolitischen Impetus impliziert (Bibliothek als Institution, die Ausgleich schaffen zwischen gesellschaftlich bevorzugten und benachteiligten Bevölkerungsgruppen, die Teilhabe fördern, etc.). Daher sind interkulturelle Angebote nichts Neues. Fremdsprachenbestände, mehrsprachige Veranstaltungen, multikulturelle Feste, Aktivitäten, die einzelne Länder oder Kulturen vorstellen und Raum für die Begegnung zwischen Angehörigen dieser Kulturen und den anderen BibliotheksnutzerInnen bieten – das alles und noch mehr gibt es seit gut 20 Jahren bei den Büchereien Wien.

Seit Sommer 2008 gibt es jedoch eine eigene Arbeitsgruppe, die sich mit diesem Thema befasst.

Diese wurde mit dem Ziel gegründet, die interkulturelle Büchereiarbeit aus ihrer Position eines durchaus löblichen, doch optionalen Zusatzangebots, das von der Lust und vom Engagement einzelner Personen abhängt, herauszuholen, und zu einer echten Querschnittsaufgabe zu machen, die in alle Bereiche bibliothekarischen Denkens und Handelns mit einfließt.

Die Arbeitsgruppe INKUBA bei den Büchereien Wien besteht aus derzeit 9 Personen.

Seit ihrer Gründung, also in etwas mehr als einem Jahr, wurde: • einKonzeptmitmittel-undlangfristigenZielenerarbeitetunddiesesmitder

Leitung diskutiert und abgestimmt, • eineDokumentationüberdenstatusquoder interkulturellenAngeboteund

Aktivitäten erstellt, • eineBefragungderMitarbeiterInnenundeinebeidenZweigstellenleiterInnen

durchgeführt, • einebedarfsorientierteVerteilungvonZweigstellenmitSchwerpunkt-und

Grundbestand an Medien in den wichtigsten MigrantInnensprachen über ganz Wien begonnen,

• eininternerMailverteilerfüralleandiesemThemainteressiertenKollegInnengeschaffen

• undeineFortbildungsinitiativeindiesemBereichbegonnen.

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Zwei Themen werden im Hintergrund aller inhaltlichen Diskussionen und Überlegungen stets mitbedacht und sind daher von besonderer Relevanz:

1. Es gibt einige wichtige inhaltliche Grundpfeiler der Bibliotheksarbeit, an denen keine moderne Bücherei mit zukunftsweisenden Visionen vorbeikommt. Es handelt sich dabei um:• dieArbeitmitKindernundJugendlichen,• dieAngeboteimZusammenhangmitdemlebenslangenLernen,• virtuelleAngebote,• Bestrebungen,imkulturellenLebendesEinzugsgebieteineRollezuspielen,• dieVernetzungmitanderenInstitutionendernäherenUmgebungundeben• dieinterkulturellenAngebote.

Jeder einzelne dieser Grundpfeiler ist mit den anderen verwoben und verzahnt. Die kulturelle Vielfalt der NutzerInnen ist für jeden einzelnen der anderen Grundpfeiler von Bedeutung und muss daher überall mitbedacht werden.

2. Das Verständnis der Büchereien Wien von den Angeboten der interkulturellen Bibliotheksarbeit ist nicht das eines „Nischenprogramms“ für MigrantInnen. Zielgruppen interkultureller Bibliotheksarbeit sind daher zwar auch, aber keineswegs ausschließlich, Menschen mit Migrationshintergrund und AsylwerberInnen. Fremdsprachenbestände werden genauso von ausländischen StudentInnen, DiplomatInnen, TouristInnen, Sprachen lernenden oder Fremdsprachen sprechenden „Einheimischen“ genutzt. Sprachkurse aller Art erfüllen ihre Grundbestimmung, einen interkulturellen Austausch zu ermöglichen, unabhängig davon, ob sie von Einheimischen, AusländerInnen oder ÖsterreicherInnen mit Migrationshintergrund genutzt werden. Auch jedes andere Medium, das es den NutzerInnen ermöglicht, sich mit Ländern und Kulturen auseinander zu setzen, fällt in diesem Verständnis in den interkulturellen Bereich – angefangen von Reiseführern, Ethno-Musik, Länderdokus, über geschichtliche, soziologische und politikwissenschaftliche Werke bis hin zu Fachliteratur über Migration, interkulturelle Kompetenz, Pädagogik usw. usf. Ob sich jemand aufgrund seiner Herkunft, seines Berufs oder schlicht aufgrund eines persönlichen Interesses für eines der genannten Themen interessiert, hat keine Bedeutung.

Zwar mag es heute opportun erscheinen, die interkulturelle Bibliotheksarbeit zu betonen – einfach, um besondere Aufmerksamkeit darauf zu lenken. Das Ziel hingegen muss letztendlich sein, dass die Berücksichtigung der kulturellen Vielfalt in allen Aspekten der Büchereiarbeit so selbstverständlich geworden ist,

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dass man allenfalls noch von Bibliotheksarbeit in einer kulturell heterogenen Gesellschaft reden kann.

Nun noch einige konkrete Beispiele, mit denen die Büchereien Wien versuchen, auf die vielfältigen Bedürfnisse ihrer NutzerInnen einzugehen:

1. Veranstaltungen: Gerade in Hinblick auf die kulturelle Vielfalt eignen sich Veranstaltungen in der

Bücherei ganz besonders dafür, Bevölkerungsgruppen unterschiedlichster Herkunft ein Gefühl des Willkommenseins zu vermitteln, der Mehrheitsgesellschaft andere Sprachen und Kulturen näher zu bringen, der Bücherei selbst, sich als Plattform für unterschiedliche kulturelle und soziale Initiativen und Dialoge darzustellen und sie schaffen Kommunikationsmöglichkeiten – sowohl unter den KundInnen als auch zwischen KundInnen und Bibliothek - , die über den Kontakt im Rahmen der normalen Bibliotheksarbeit hinaus gehen. Veranstaltungen bieten sich ganz besonders für Kooperationen mit anderen Institutionen und Vereinen an, wodurch einerseits Synergieeffekte entstehen und andererseits die Zielgruppen direkt in die für sie gestalteten Angebote eingebunden werden können. Ein ganz besonderes Potential, das sich auch für interkulturelle Themen nutzen lässt, steckt in Veranstaltungsschwerpunkten und Veranstaltungsreihen.

2. Kooperationen: Wichtig sowohl im Bereich der Bestandsarbeit als auch bei den Veranstaltungen

ist die Zusammenarbeit mit Vereinen, Botschaften und Kulturinstituten (Schenkungen, Unterstützung bei Auswahl, Katalogisierung, Kontakte für die Durchführung von mehrsprachigen Lesungen, Bewerbung des Angebots bei der entsprechenden Community etc.)

3. Angebote, die sich speziell an MigrantInnen mit geringen Deutschkenntnissen wenden und diesen einen niederschwelligen Zugang zur Bücherei ermöglichen sollen:

„Deutsch um Fünf“: alle zwei Wochen stattfindende informelle Deutsch-Konversationsgruppe, bei der die TeilnehmerInnen in lockerer Atmosphäre und anhand von interessanten Themen die Gelegenheit haben, Deutsch zu sprechen, wobei sie von einem Sprachlehrer unterstützt und gelenkt werden. Es geht darum, einer Zielgruppe mit Hilfe einer Aktivität, die auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten ist, zu signalisieren, dass die Bücherei für sie da ist, dass sie dort Ansprechpersonen findet, und ihr mit der Zeit schließlich auch den Bestand zu erschließen.

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Bibliotheksführung für Menschen mit geringen bis mittleren Deutsch-kenntnissen: speziell entwickeltes Führungsmodell, das auf einer einfachen und bildhaften Präsentation der zu vermittelnden Inhalte und einer lebendigen interaktiven Gestaltung, die die BesucherInnen durch Dialog und Aufgaben mit einbezieht, aufbaut, das besonders auf die Interessen und Bedürfnisse der Deutschlernenden ausgerichtet ist, das an deren eigene Sprache und Kultur anknüpft und ihnen vor allem einen „warm welcome“ vermittelt.

4. Angebote zur kulturellen und sprachlichen Vielfalt für Kinder: Ein Angebot, das – ganz im Gegensatz zu den beiden eben genannten – weniger

auf Neuankömmlinge und Deutsch-Lernende fokussiert ist, sondern vielmehr die Fähigkeit eine andere Sprache als Deutsch zu beherrschen, in den Mittelpunkt stellt und v.a. Kinder in der Verwendung einer Erst-/Zweit-/Familiensprache bestärken soll, sind die „Geschichten zum Anhören in verschiedenen Sprachen“ auf der Kinderbücherei-Homepage. Es handelt sich dabei um ein Mitmachprojekt, das die Sprachenvielfalt in Wien widerspiegelt. Kinder mit anderen Familiensprachen als Deutsch erfahren dort die Wertschätzung von Sprachenkompetenz und erweitern den Geschichtenschatz in ihrer Mutter-/Vatersprache. Sprachenlernende haben die Möglichkeit, ihr Hörverständnis in der neuen Sprache zu erproben. Neugierige Menschen lernen die Sprachmelodie vieler verschiedener Sprachen kennen. Kinder und Erwachsene haben dabei Gelegenheit, Audiodateien mit erzählten oder vorgelesenen Geschichten, Gedichten oder anderen Texten in ihrer jeweiligen Muttersprache einzusenden. Von den GeschichtenspenderInnen sind mittlerweile Geschichten und Gedichte in 14 Sprachen auf http://www.kirango.at/de/tipps/anhoeren zum Anhören bereit.

Es bedarf aber keineswegs immer spektakulärer oder aufwändiger Projekte, um das Thema der kulturellen Vielfalt in den Mittelpunkt zu stellen. Gerade bei Schulklassenführungen mit Kindern unterschiedlichster Herkunft können statt einem der üblichen Rätselspiele oder Vorlesegeschichten auch mehrsprachige Bilderbücher wie z.B. „Ich bin einmalig. Kannst du mich finden?“ zum Einsatz kommen. Auch Internetseiten wie etwa www.kleine-eule.net oder www.weltabc.at können als Grundlage für eine kleine und unkomplizierte Animation zum Thema sprachliche Vielfalt dienen.

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VerNeTzUNG

Wer sich mit den anderen austauscht, kann nicht nur auf einen reichen Fundus an Ideen und praktischen Tipps und Anleitungen zurückgreifen, sondern findet auch Diskussionspartner, mit denen er oder sie die eigene Position in diesem kontroversiellen Feld immer wieder neu hinterfragen und ausfeilen oder durch neue Erkenntnisse erweitern kann.

Die Vernetzung ist auf drei verschiedenen Ebenen wichtig:

1. Mit den KollegInnen: z.B. mittels interner Mailverteiler (für Fragen, Informationen, Veranstaltungshinweise etc. unter den am Thema interessierten KollegInnen), durch persönliche Treffen der in diesem Bereich engagierten KollegInnen (für Weitergabe wichtiger Informationen, Raum für die gegenseitige Vermittlung von best-practice-Beispielen und für inhaltliche Diskussionen), sowie durch Wissens- und Informationsmanagement-Tools.

2. Mit den KundInnen: mehrsprachige Informationsmaterialien, ein sprach-unabhängiges oder mehrsprachiges Leitsystem im Haus und übersetzte Teile der Homepage der Bücherei zeigen, dass sprachliche Vielfalt zum Selbstverständnis der Bücherei gehört, newsletter für NutzerInnen informieren über Neuigkeiten zum Thema.

3. Mit anderen Fachleuten: z.B. mailingliste OeB_multikulturell, Bücherei-Wiki OeB_multikulturell

(http://buecherei.netbib.de/coma/OeBmultikulturellAktuell); deutschsprachiges Portal zur Interkulturellen Bibliotheksarbeit von der Expertengruppe des DBV (http://www.bibliotheksportal.de/hauptmenue/themen/bibliothekskunden/interkulturelle-bibliothek/); jede Art von Vernetzungsinitiativen, die good practice Beispiele, Tipps und Anleitungen und/oder Raum für Diskussionen, Austausch und Kontakt bieten; BVÖ-Referat für sozial-integrative Bibliotheksarbeit.

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sozIal-IntEgratIvE BIBlIothEksarBEIt In östErrEIch – stuDIE DEs Bvö

Jana sommeregger

Öffentliche Bibliotheken (ÖB) mit ihrer nicht-kommerziellen Ausrichtung auf die flächendeckende Versorgung mit Literatur und Information, können im Kontext von Migration Aufgaben übernehmen, die sonst nur wenige andere Bildungseinrichtungen bieten1. Für Bibliotheken sind sozial-integrative Angebote nicht nur ein klarer gesellschaftlicher Beitrag zum Abbau von ökonomischen Ungleichheiten und Nutzungsbarrieren, sondern auch eine Möglichkeit, sich im Bildungs- und Kultursektor als Integrationszentren zu profilieren. Nichtsdestotrotz sind Projekte und Maßnahmen der integrativen und interkulturellen Bibliotheksarbeit österreichweit noch unstrukturiert und nicht zuletzt oft Verdienst einzelner engagierter BibliothekarInnen – das belegt auch die aktuelle Studie des Büchereiverbandes Österreichs (BVÖ) über sozial-integrative Bibliotheksarbeit in Österreich.2

laNDesWeiTe sTUDie

2009 erhob der BVÖ in einer landesweiten Studie, welche sozial-integrativen Angebote derzeit in ÖB bereits gemacht werden. 1.511 Fragebögen wurden dazu Anfang 2009 an Mitgliedsbibliotheken des BVÖ versendet. Im Zentrum der Erhebung standen Fragen nach nichtdeutschen und mehrsprachigen Medienbeständen, nach Service- und Lernangeboten für Zielgruppen sowie Fragen nach entsprechendem Fortbildungsstatus der BibliothekarInnen. Insgesamt haben 373 Bibliotheken den Fragebogen retourniert, d. s. 24,6 %. Nach Bundesländern stellen sich die teilnehmenden Bibliotheken in Prozentzahlen wie folgt zusammen: 8 % Bibliotheken aus dem Burgenland, 5 % Bibliotheken aus Kärnten, 16 % aus Niederösterreich, 21 % aus Oberösterreich, 11 % aus Salzburg, 15 % aus der Steiermark, 16 % aus Tirol, 6 % aus Vorarlberg sowie 2 % Bibliotheken aus Wien.

1 Vgl. z. B. Busch, rolf: „social inclusion“ und die rolle der Bibliotheken. eine einleitung. in: Brücken für Babylon. interkulturelle Bibliotheksarbeit. grundlagen – konzepte – erfahrungen. herausgegeben von petra hauke und rolf Busch. Bad honnef: Bock + herchen, 2008, hier s. Xiiif.

2 state of the art-studie sozial-integrative Bibliotheksarbeit. Wien: Büchereiverband österreichs, 2009. http://www.bvoe.at/serviceangebote/sozial-integrative_Bibliotheksarbeit.

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gesamtzahl öB nach statistik 2008

teilnehmende öBganze zahlen

teilnehmende öBprozent

Burgenland 74 30 41 %

kärnten 69 20 29 %

niederösterreich 252 60 24 %

oberösterreich 338 78 23 %

salzburg 129 39 30 %

steiermark 241 55 23 %

tirol 186 61 33 %

Vorarlberg 106 22 21 %

Wien 116 8 7 %

Das österreichische Bibliothekswesen ist von zwei unterschiedlichen Organisations-formen geprägt: vom Haupt- und Ehrenamt. Von den 1.511 Öffentlichen Bibliotheken, die Mitglied beim BVÖ sind (Statistik 2008), werden 1.211 Bibliotheken (87,1 %) ehrenamtlich bzw. nebenberuflich und nur 181 (12,9 %) Bibliotheken hauptamtlich geführt. Das Verhältnis entspricht auch annähernd der Zusammensetzung der Öffentlichen Bibliotheken, die sich an der Studie beteiligt haben. 305 der 373 an der Studie beteiligten Öffentlichen Bibliotheken werden ehrenamtlich geführt, d. s. 81,8 %; nur 68 haben hauptberufliche MitarbeiterInnen, d. s. 18,2 %. Dennoch war die Rücklaufquote der hauptamtlich geführten Bibliotheken im Verhältnis deutlich höher: von den ehrenamtlich geführten Bibliotheken haben sich 24,9 % an der Studie beteiligt; von den hauptamtlich geführten 37,6 %.

Anteil hauptamtlich geführter Bibliotheken Statistik 2008

87,10%

12,90%

0,00%10,00%20,00%30,00%40,00%50,00%60,00%70,00%80,00%90,00%

100,00%

Ehrenamt Hauptamt

Prozent

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Diese strukturelle Gespaltenheit von ehrenamtlich und hauptamtlich geführten Bibliotheken in Österreich ist auch an der Gesamtstatistik der Studie ablesbar. Die größte Gruppe der ÖB, die an der Befragung teilgenommen haben, sind Öffentliche Bibliotheken mit einer geringen Medienanzahl von 1.000 bis 5.000 Medien (177 Bibliotheken), die zumeist von ehrenamtlichen MitarbeiterInnen betreut werden und daher starken Einschränkungen bei Öffnungszeiten, Veranstaltungsangeboten, räumlichen Ressourcen und zusätzlichen Serviceleistungen unterliegen. Von den 373 teilnehmenden Bibliotheken gaben zehn an, eine Medienanzahl von bis zu 1.000 Medien zu führen, 177 Bibliotheken verfügen über 1.000 bis 5.000 Medien, 103 Bibliotheken verfügen über 5.000 bis 10.000 Medien, 41 haben bis zu 15.000 Medien, 24 haben bis zu 30.000 Medien, 4 Bibliotheken haben bis zu 50.000 Medien und 11 Bibliotheken verfügen über (weit) mehr als 50.000 Medien. Die großen und hauptamtlich geführten Bibliotheken lieferten auch die Leistungsdaten in der Studie.

Anteil hauptamtlich geführter Bibliotheken in der Studie

81,80%

18,20%

0,00%

10,00%

20,00%

30,00%

40,00%

50,00%

60,00%

70,00%

80,00%

90,00%

Ehrenamt Hauptamt

Prozent

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medienanzahl

Bundeslandbis

1.000

1.000 bis

5.000

5.000 bis

10.000

10.000 bis

15.000

15.000 bis

35.000

35.000 bis

50.000

ab 50.000

keine angabe

gesamt

Burgenland 3 22 4 0 0 0 1 0 30

kärnten 0 6 6 4 3 0 1 0 20

niederösterreich 0 26 16 9 7 1 1 0 60

oberösterreich 2 31 27 9 5 1 2 1 78

salzburg 0 25 10 1 2 0 1 0 39

steiermark 2 26 14 8 4 0 1 0 55

tirol 3 33 16 6 1 1 1 0 61

Vorarlberg 0 8 7 4 0 0 2 1 22

Wien 0 0 3 0 2 1 1 1 8

gesamt 10 177 103 41 24 4 11 3 373

barriereFreiheiT

Über einen barrierefreien Zugang (Rampe) verfügen derzeit bereits beachtliche 188 der an der Befragung beteiligten Bibliotheken, d. s. 50 %. 6 % der Bibliotheken planen einen barrierefreien Zugang; 127 Bibliotheken, d. s. 34 % haben derzeit noch keinen. 39 Bibliotheken, d. s. 10 %, machten leider keine Angabe. Gerade im Bereich der behindertenfreundlichen Nutzung müsste in Zukunft jedoch nicht nur der barrierefreie Zugang in die Bibliotheksräumlichkeiten gewährleistet werden; auch Websites und Leitsysteme sollten in diesem Bereich stärker auf Barrierefreiheit adaptiert werden. Nachahmenswerte Beispiele hierfür gibt es bereits in den Stadtbibliotheken von Linz, Graz, Salzburg und Wien, wo unter anderem taktile Leitsysteme vorhanden bzw. Videos in Gebärdensprache auf der Homepage abrufbar sind.

NichTDeUTschsPrachiGe MeDieN

Von den 373 an der Umfrage beteiligten Bibliotheken ist die Mehrheit mit einer Medienzahl zwischen 1.000 bis 5.000 Medien ausgestattet; entsprechend gering ist daher auch das Angebot der nichtdeutschsprachigen Medien. Nur elf der befragten Bibliotheken verfügen über (weit mehr) als 50.000 Medien, wobei bei diesen Bibliotheken allein der nichtdeutschsprachige Medienbestand weit mehr als 50.000 Medien umfasst. Kleine Bibliotheken mit bis zu 1.000 Medien decken nur die Sprachen

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Englisch und Französisch ab. Ab einer Größe von 1.000 Medien aufwärts können die Bibliotheken bereits ein weitaus größeres Angebot an Sprachen machen.

Bibliotheksgröße nach medien

sprachebis

1.000

1.000 bis

5.000

5.000 bis

10.000

10.000 bis

15.000

15.000 bis

35.000

35.000 bis

50.000

ab 50.000

keine angabe

gesamt

englisch 3 135 92 39 21 4 10 2 306französisch 1 35 26 26 16 4 9 1 118italienisch 0 19 23 22 15 3 9 1 92spanisch 0 12 11 14 11 2 8 1 59tschechisch 0 8 7 1 4 0 2 0 22slowakisch 0 4 2 1 1 1 1 0 10ungarisch 0 9 4 2 2 1 3 0 21slowenisch 0 7 5 3 3 0 2 1 21türkisch 0 15 22 13 10 4 9 2 75Bks. 0 14 15 7 4 1 9 2 52russisch 0 5 6 6 4 2 5 1 29sonstige 0 14 3 4 2 0 6 1 30gesamt 4 277 216 138 93 22 73 12 835

sPrachlerNMeDieN

Die BibliothekarInnen wurden im Fragebogen auch gebeten, Angaben über ihren Sprachlernmedienbestand zu machen, um einschätzen zu können, inwiefern sich die Öffentlichen Bibliotheken derzeit mit ihrem Medienbestand als „Teaching Library“ positionieren. 13 (3,5 %) der 373 befragten Bibliotheken gaben an, in ihrer Bibliothek keine Medien zum Erlernen von Sprachen zu führen. Das Gros der Bibliotheken, 198 (53 %) an der Zahl, haben bis zu 50 Sprachlernmedien in ihrem Bestand. 18 (4,8 %) der an der Befragung beteiligten Bibliotheken gaben an, zwischen 50 und 100 Sprachlernmedien in ihrem Bestand zu führen, weitere 10 (2,7 %) bieten zwischen 100 und 500 Sprachlernmedien an, 4 (1,1 %) Bibliotheken haben bis 1.000 Sprachlernmedien und 3 (0,8 %) stellen ihren BesucherInnen zwischen 1.000 bis 5.000 Medien zum Spracherwerb bereit. Nur eine der befragten Bibliotheken (0,3 %) hat weit mehr als 5.000 Medien in diesem Segment. 126 (33,8 %) der an der Befragung beteiligten Bibliotheken machten keine Angaben zu ihren Sprachlern-Beständen. Auch im Bereich der Sprachlernmedien wurde deutlich: je größer die Bibliothek, desto größer und vielfältiger ihr Angebot. Ab einer Medienzahl von 1.000 Medien aufwärts können die Bibliotheken bereits ein bemerkbar umfassenderes Angebot an Sprachlernmedien präsentieren.

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Wie viele sprachlernmedien gibt es in ihrer Bibliothek?

ergebnisse ganze zahlen ergebnisse prozentzahlen

keine 13 3,5 %

bis 50 198 53 %

50 bis 100 18 4,8 %

100 bis 500 10 2,7 %

500 bis 1.000 4 1,1 %

1.000 bis 5.000 3 0,8 %

mehr als 5.000 1 0,3 %

keine angabe 126 33,8 %

summe 373 100 %

TheMaTische sachMeDieN

Bei den Fragen zum Bestand wurde auch erhoben, ob Bibliotheken Fachliteratur und Sachmedien zum Thema Migration, Integration u. Ä. anbieten. In diesem Bereich erzielen die Öffentlichen Bibliotheken solide Ergebnisse: 50 % haben in ihrer Bücherei auch Sachmedien zum Thema Migration, Integration u. Ä. anzubieten. 37 % der Bibliotheken bieten derzeit noch keine Sachmedien aus diesen Bereichen an. 7 % planen, thematische Medien anzukaufen. 6 % der befragten Bibliotheken machten zu dieser Frage keine Angabe.

ForTbilDUNGsakTiViTäTeN

Nur 10 % der befragten 373 Bibliotheken gaben an, dass ihre MitarbeiterInnen bereits einmal eine Fortbildung zum Thema Integration besucht bzw. eine entsprechende Ausbildung absolviert haben. 9 % der Bibliotheken gaben an, dass ihre MitarbeiterInnen bereits öfter Fortbildungen zum Thema besucht haben. 32 % planen, ihren MitarbeiterInnen den Besuch einer Fortbildungsveranstaltung zum Thema zu ermöglichen. 49 % der befragten Bibliotheken haben jedoch keine Angaben zur spezialisierten Ausbildung ihrer MitarbeiterInnen gemacht.

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serVice UND VeraNsTalTUNGeN

Im Zuge der Erhebung wurde auch gefragt, welche auf Integration bezogenen Service- und Veranstaltungsangebote bereits in den ÖB angeboten werden. Gerade im Bereich des Service- und Veranstaltungsangebots zeigte sich, dass es für Bibliotheken große Defizite gibt. Nur sehr wenige Bibliotheken (20 von 373) bieten mehrsprachige Services wie Leitsysteme, Benutzungsordnungen und mehrsprachige Websites an. 15 der an der Befragung beteiligten Bibliotheken planen solche Services für ihre Bibliothek. 317 der 373 befragten Bibliotheken haben keine mehrsprachigen Informationsmaterialien oder Leitsysteme und bieten ihre Websites nicht in verschiedenen Sprachen an. 21 Bibliotheken machten keine Angaben zu diesem Bereich. In folgenden Sprachen gibt es bereits mehrsprachige Services in den befragten Bibliotheken:

mehrsprachige

services auf:B k nö oö s st t V W gesamt

englisch 1 2 0 1 1 1 0 2 4 12französisch 1 1 0 0 0 1 0 0 0 3italienisch 1 2 0 0 0 0 2 0 0 5spanisch 1 0 0 0 0 0 0 0 0 1türkisch 1 0 0 3 1 1 0 2 3 11Bks 2 0 0 3 0 1 0 0 0 6russisch 1 0 0 0 0 0 0 0 1 2sonstige 1 2 0 1 0 0 0 0 0 4

Im Bereich sozial-integrativer Veranstaltungen gibt es in den ÖB noch augenscheinliche Defizite. Nur 29 von 373 Bibliotheken organisieren Veranstaltungen über Migration, 28 zu Mehrsprachigkeit, 37 zur Interkulturalität, 31 machen in den Veranstaltungen Leben mit Behinderung zum Thema, 5 Bibliotheken gaben an, bereits Veranstaltungen zur Arbeitslosigkeit angeboten zu haben. Eine Ausnahme bilden hier Veranstaltungen für SeniorInnen: diese werden von beachtlichen 99 Bibliotheken angeboten.

Veranstaltung zum thema ja ist geplant nein k. a.migration 29 15 206 123mehrsprachigkeit 28 9 204 132integration 37 17 196 123interkulturalität 53 22 184 113senioren 99 38 149 87leben mit Behinderung 31 12 197 133

arbeitslosigkeit 5 4 208 156

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Diese Defizite im Bereich Service und Veranstaltung lassen sich u. a. mit Platzmangel, fehlenden finanziellen Mitteln und ungenügenden personellen Ressourcen erklären. Gerade im Bereich des Veranstaltungs- und Serviceangebotes werden Öffentliche Bibliotheken in Zukunft verstärkt auf Kooperationen mit anderen Bildungsinstitutionen angewiesen sein. Mit gut ausgebauten Kooperationspartnerschaften könnten auch kleine Bibliotheken ihre Veranstaltungen und Services um wichtige Impulse erweitern. Solche Kooperationen und unterstützenden Netzwerke sollten in Zukunft daher von den TrägerInnen besonders gefördert werden.

kooPeraTioNeN UND NeTzWerke

Verhältnismäßig viele Bibliotheken arbeiten bereits erfolgreich mit SeniorInnenzentren und Volkshochschulen zusammen. Ausbaubedürftig sind jedoch vor allem Kooperationen mit migrantischen Vereinen, dem Arbeitsmarktservice und Gehörlosen-, Blinden- und Behindertenverbänden. 34 von 373 an der Befragung beteiligten Bibliotheken gaben an, Kooperationen mit migrantischen Vereinen zu betreiben. 21 Bibliotheken kooperieren bereits mit dem AMS und 23 mit Gehörlosen-, Blinden- und Behindertenverbänden. 63 der an der Befragung beteiligten Bibliotheken kooperieren mit Volkshochschulen; 67 arbeiten erfolgreich mit SeniorInnenzentren zusammen.

kooperation mit: B k nö oö s st t V W gesamt

migrantischen Vereinen 3 1 3 7 4 6 5 3 2 34

arbeitsmarktservice 1 1 2 2 3 6 3 2 1 21

Volkshochschulen 2 2 14 9 10 11 9 4 2 63

seniorinnenzentren 1 2 11 16 10 13 11 2 1 67

gehörlosen-, Blinden- und

Behindertenverbänden1 1 2 4 1 7 4 2 1 23

gesamt 8 7 32 38 28 43 32 13 7 208

schlÜsse

Umfassende integrative und interkulturelle Bibliotheksarbeit umfasst im Sinne des Internationalen Bibliotheksverbandes IFLA und der UNESCO die Bereiche Medienbestand, Informations- und Serviceangebot sowie Fachausbildung der

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MitarbeiterInnen.3 Für die Umsetzung etwa der Vorschläge der Fachgruppen im Deutschen Bibliotheksverband werden mehrsprachige Materialien und Medienbestände ebenso benötigt wie zusätzlich geschulte MitarbeiterInnen und entsprechende Räumlichkeiten, in denen regelmäßig Veranstaltungen und Kurse abgehalten werden können.4 Die besondere Problematik, die sich vor allem für BibliothekarInnen im Bereich der sozial-integrativen Bibliotheksarbeit ergibt, ist, dass ÖB in Österreich in den meisten Fällen ehrenamtlich betrieben werden und zumeist nicht über die notwendigen personellen, finanziellen und infrastrukturellen Mittel verfügen, die für eine umfassende sozial-integrative Bibliotheksarbeit vonnöten wäre. Die Betrachtung der Aus- und Fortbildungssituation zeigt, dass insbesondere themenspezifische Qualifikationsangebote in den Bundesländern fehlen. Zielgruppenspezifische Serviceangebote wie mehrsprachige Leitsysteme, Grundinformationen zur Bibliotheksbenützung und mehrsprachige Websites sollten durch Interessensvertretungen erarbeitet werden, ebenso wie die Bereitstellung von Online-Ressourcen sowie Dokumenten und Materialien zentral und leicht zugänglich angeboten werden sollte. Trotz Mängel zeigt die Studie aber auch, dass das Thema für ÖB aktuell ist und es ein Interesse seitens der BibliothekarInnen an Aktivitäten in diesem Bereich gibt. Beispielhaft dafür stehen etwa die soliden Ergebnisse im barrierefreien Zugang, im Sachbuchbereich und beim Veranstaltungsangebot für SeniorInnen.

liTeraTUr

Rolf Busch: „Social Inclusion“ und die Rolle der Bibliotheken. Eine Einleitung. In: Brücken für Babylon. Interkulturelle Bibliotheksarbeit. Grundlagen – Konzepte – Erfahrungen, hg. von Petra Hauke, Rolf Busch. Bad Honnef 2008, XIII–XXXII.

bibliotheksportal.de: http://www.bibliotheksportal.de/hauptmenue/themen/bibliothekskunden/interkulturelle-bibliothek/bibliothekskonzepte/.

State of the art-Studie Sozial-integrative Bibliotheksarbeit. Wien 2009. http://www.bvoe.at/Serviceangebote/Sozial-integrative_Bibliotheksarbeit

IFLA (Hg.): Multikulturelle Gemeinden: Richtlinien für Bibliotheksdienstleistungen. 2. Aufl. Den Haag 2002, 4.

Beate Wegerer: Zwischen den Kulturen. Interkulturelle Bibliotheksarbeit. In: Büchereiperspektiven (2007) 4, 8–10.

3 ifla (hrsg.): multikulturelle gemeinden: richtlinien für Bibliotheksdienstleistungen. 2. auflage. den haag: 2002, s. 4.

4 Vgl. z. B. http://www.bibliotheksportal.de/hauptmenue/themen/bibliothekskunden/interkulturelle-bibliothek/bibliothekskonzepte/.

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BIBlIothEkEn als ortE für DIE nE(x)t gEnEratIon

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DIE rEchtswIssEnschaftlIchE fakultätsBIBlIothEk an DEr JohannEs kEPlEr unIvErsItät lInz – aus 12 wIrD „EIns“

nicole huBer–reisinger

Die Johannes Kepler Universität ist nicht nur durch den Bau des Science Parks, sondern auch durch den Umbau des Juridicums und der damit verbundenen Errichtung einer juridischen Fakultätsbibliothek im Vormarsch. Sie soll die modernste Rechtsbibliothek Österreichs werden. Bisher sind die stark zersplitterten Fach– oder Institutsbibliotheken nicht nur im Juridicum, sondern über den gesamten Campus verstreut. Die größeren Bereiche wie Zivilrecht oder Verwaltungs– und Verfassungsrecht, sowie Staatsrecht, Strafrecht und Rechtsgeschichte befinden sich bereits im Juridicum. Aber viele kleinere Einheiten (Arbeitsrecht, Völker– und Europarecht oder etwa Kirchenrecht) müssen aus anderen Gebäuden des Campus übersiedelt werden. Bisher nur sporadisch betreute dezentrale Bereiche werden nun in die Fakultätsbibliothek eingegliedert (Umwelt–, Universitäts– und Multimediales Öffentliches Recht beispielsweise). Der Zubau, mit dem im Juli 2009 begonnen wurde, ermöglicht es, eine moderne, den Bedürfnissen der BenutzerInnen entsprechende, rechtwissenschaftliche Bibliothek aufzubauen.

Der Anbau erstreckt sich wie das bestehende Juridicum über vier Stockwerke. Zusammen gerechnet entstehen im Neubau 3200 Quadratmeter Bibliotheksfläche. In die freiwerdenden Flächen im Altbau werden die bisher im Keplergebäude untergebrachten Rechtsinstitute mit ihren Büros und Seminarräumen geholt. Im Erdgeschoss, am Eingang in die Bibliothek, befindet sich der (beinahe) „rund um die Uhr“ besetzte Servicebereich mit Entlehnung, Informationsschalter und Recherche–PCs. Regal– und BenützerInnenbetreuung an den Informationspunkten in den einzelnen Stockwerken werden in einer Art Rotation erfolgen.

Jede Reorganisation oder Zusammenlegung muss Bewährtes und Neues vereinen, um am Ende von Erfolg gekrönt zu sein. So wird auch hier die bisher gewohnte Nähe zu den Instituten gewahrt werden. Die Teamstruktur bleibt erhalten, deren Leitung und Koordination obliegt weiter dem/der Referenten/in. Im Team wird es MitarbeiterInnen für die Erwerbung, Buchbearbeitung und die Zeitschriftenverwaltung geben. Die größte Herausforderung – für MitarbeiterInnen und Institutsangehörige – wird wohl die Umstellung einer dezentralen auf eine zentrale Bearbeitung sein.

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Vorteile dieser Wissenskonzentration sind nicht nur, die mit Sicherheit gewährleisteten, längeren Öffnungszeiten, sondern auch der effizientere Einsatz aller Ressourcen. Standardisierung von Prozessen und Spezialisierung auf einzelne Prozesse der Literaturbeschaffung sind ebenso als strategische Vorteile zu nennen, wie auch die Reduzierung von Mehrfachbestellungen und ein verbesserter Informationsfluss innerhalb des Teams. Mit dem Entstehen einer rechtswissenschaftlichen Fakultätsbibliothek und benutzerfreundlichen Öffnungszeiten wird in der Folge möglicherweise auch der rechtswissenschaftliche Bereich der Hauptbibliothek (inklusive der Lehrbuchsammlung) in die Fakultätsbibliothek übersiedeln. Da es sich im Moment überwiegend um (stundenweise besetzte) Präsenzbibliotheken handelt, werden durch eine Zusammenlegung nicht nur die Öffnungszeiten benutzerfreundlicher, sondern auch der Service–Level durch eine ständige Anwesenheit eines Bibliothekars/einer Bibliothekarin erhöht. Durch entsprechend adaptierte Dienstpläne sind ähnliche, wahrscheinlich sogar längere Öffnungszeiten wie die der Hauptbibliothek zu erreichen.

Gerade im rechtswissenschaftlichen Bereich hat sich neben dem herkömmlichen Studium auch das österreichweit einzigartige Multimediastudium Jus etabliert. Jetzt ist es Zeit, eine ebenso moderne und aufstrebende Bibliothek zu präsentieren. Zum einen vermittelt die Bibliothek herkömmliches, gedrucktes Material (wie Bücher, Zeitschriften), zum anderen muss sie auch den Raum (bisher sind es zu viele kleine Einheiten ohne Erweiterungsmöglichkeiten) und den Zugang zu Geräten bieten, um mit dem Multimedia-Angebot arbeiten zu können. Dazu zählen Arbeits– und Leseplätze, DVD–Arbeitsplätze mit Kopfhörer für Multimedia–Jus, PC–Plätze für das Recherchieren in den Datenbanken.

Die Bibliothek soll mit der Keplercard zugänglich sein und mit modernen Entlehn– und Buchsicherungsanlagen mittels RFID–Technologie ausgestattet werden. Für die „Selbstbedienungsentlehnung“ kann auf die Erfahrungen des in der Hauptbibliothek bereits verwendeten Self–Checks der Firma 3M verwiesen werden. Für ForscherInnen wird es einen 24-Stunden-Zugang geben.

Für die Zukunft stehen jede Menge weitere Ausbau– und Erweiterungsmöglichkeiten des Servicebereiches zur Auswahl. Erstens könnten Informations– und Entlehnschalter um einen Kassenbereich zur Verrechnung von Mahngebühren und der Erstellung von Gäste–Karten erweitert werden. Zurzeit gibt es diese Service–Leistungen nur in der Hauptbibliothek (und nur während der Öffnungszeiten der Leihstelle). Zweitens stünde eine Umbenennung der Hauptbibliothek an, wenn die gesamte REWI–Literatur im Juridicum aufgestellt ist. Drittens sollten zukünftig hinzukommende Bereiche (Institute) in die Fakultätsbibliothek eingegliedert und

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Sonderstandorte vermieden werden. Viertes und wahrscheinlich schwierigstes Ziel wäre eine Zusammenführung aller unterschiedlichen Aufstellungssystematiken der früheren Fachbibliotheken zu einer gemeinsamen.

Ziel bis zum Umzug und der Eröffnung der Fakultätsbibliothek im Herbst 2010 ist die komplette Rückarbeitung des Gesamtbestandes der Fachbibliotheken, kurzum von über 150.000 Einheiten.

Bei jeglichem technologischen Fortschritt sei abschließend angemerkt, dass gerade eine juridische Fakultätsbibliothek sich von einer technischen, sozial– und wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät gravierend unterscheidet. Eine virtuelle Multimedia–Bibliothek wird niemals die klassische „Bücher–Bibliothek“ ersetzen können. Es braucht Arbeits–, Lese– und Recherche–, sowie BearbeiterInnenplätze für die BenutzerInnenbetreuung. Ein 24/7–Zugang hilft nur jenen Personen, die sich auch wirklich in einer Bibliothek zurechtfinden.

Für die Universitätsbibliothek Linz wäre die Vision von drei bzw. vier großen Fakultätsbibliotheken nach dem Vorbild der REWI–Bibliothek anzustreben. Jede davon sollte mit einer eigenen Lehrbuchsammlung und einem Magazin ausgestattet sein. Eine solche Zusammenführung kann aber nur in Etappen und nur mit ähnlichen Bauvorhaben realisiert werden.

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Das hyBrIDE zEntrum JurIstIschEr InformatIonEn DEr „BucErIus law school” (hamBurg)

die erste priVate rechtsWissenschaftliche hochschule deutschlands – ein proJekt der “zeit-stiftung eBelin und gerd Bucerius”

martin VorBerg

Die „Bucerius Law School“1 wurde im Oktober 2000 eröffnet und nahm mit der Immatrikulation der ersten 100 Studierenden ihren Studienbetrieb auf. Die Hochschulgründung folgte der Idee, einen konstruktiven Beitrag zur Reformierung der Juristenausbildung in Deutschland zu liefern und den Wettbewerb unter den deutschen Hochschulen zu fördern. Unabhängig von ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit werden einmal jährlich im Rahmen eines aufwändigen Auswahlverfahrens aus circa 500 für das Studium geeigneten BewerberInnen die 100 sozial Kompetentesten ausgelesen. Das viereinhalbjährige grundständige Jurastudium führt in Trimestern zur „Ersten Prüfung“ und dem akademischen Grad des LL.B. (Bachelor of Law). Die Studiengebühren betragen insgesamt (2010) 44.400 €, als Finanzierungsmöglichkeiten bieten sich dem Studierenden ein Bucerius-Stipendium für BAföG-Empfänger, eine Darlehensvermittlung sowie der so genannte Umgekehrte Generationenvertrag. Die Resultate der Staatsexamina unserer AbsolventInnen liegen (mit 11 gegenüber 6 Punkten) weit über, die Abbrecherquote (mit 6% gegenüber 20-25%) weit unter dem Bundesdurchschnitt, 80% unserer AbsolventInnen erzielen Prädikatsexamina gegenüber bundesweit nur 22%. Seit 2007 kann auf unserem Campus im Rahmen eines weiterbildenden Graduiertenprogramms – in Kooperation mit der „WHU – Otto Beisheim School of Management“ – der „Master of Law & Business“ (MLB) erworben werden.

1 gerd Bucerius (1906-1995) wurde in hamm/Westfalen geboren. er absolvierte sein Jurastudium in freiburg, hamburg und Berlin, arbeitete als hilfsrichter und rechtsanwalt und promovierte 1935 an der universität hamburg. 1946 wird er gründungsherausgeber der Wochenzeitung „die zeit“, 1949 mitglied des deutschen Bundestages. 1971 errichtet er die zeit-stiftung, deren größtes projekt 30 Jahre später die Bucerius law school werden soll. 1986 wird Bucerius zum ehrenbürger der freien und hansestadt hamburg ernannt.

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Die biblioThek als zeNTrUM JUrisTischer iNForMaTioNeN Die Bibliotheksleitung ist verantwortlich für das Management einer Präsenzbibliothek2

als informationellem Kompetenzzentrum mit Bereitstellung einer gedruckten und zunehmend digitalen Arbeitsumgebung für Studium, Forschung, Lehre und Weiterbildung an unserer Hochschule. Der gedruckte wie elektronisch verfügbare Informationsbestand inmitten des Neubaus mit ansprechender Aufenthaltsqualität soll permanent nutzbar sein, das Dienstleistungsspektrum kontinuierlich um geeignete Angebote zur Befriedigung individueller Informations- und Recherchebedarfe erweitert werden. Zugleich sollen optimale informationelle, organisatorische und infrastrukturelle Voraussetzungen geschaffen werden für eine langfristig stabile Versorgung mit juristischen Informationen (Schwerpunkte: Handels- und Wirtschaftsrecht sowie Europäisches und Internationales Recht in deutscher und englischer Sprache). Die Bibliothek als wissenschaftliche Informationseinrichtung und akademisches Herz unserer Hochschule muss hierbei als permanentes „work in progress“ (vulgo: Dauerbaustelle) betrachtet werden.

reTrosPekTiVe

Die Bibliothek der Bucerius Law School wurde im Jahre 2000 wortwörtlich aus dem Boden gestampft, während der erste Jahrgang unserer Studierenden bereits den Campus bevölkerte. Im ersten Jahr lag der Anteil des gedruckten Bestandssegmentes bei 100%, der der elektronisch verfügbaren Ressourcen bei 0%. Während also mit unglaublicher Rasanz3 die ersten juristischen Lehrbücher und Kommentare, Schriftenreihen und Zeitschriftenabonnements die Regale füllten, waren die Nutzungsmöglichkeiten ausschließlich auf den Lern- und Arbeitsort Bibliothek beschränkt; lediglich privilegierte Benutzergruppen (ProfessorInnen und wissenschaftliche MitarbeiterInnen) waren und sind immer noch befugt, ein begrenztes Kontingent von Literatur in ihre Lehrstuhlbüros mit ihren 16 eigenen Lehrstuhlbibliotheken zu entführen.

2 Wenige tage nach ihrer gründung wurde die Bibliothek nach ihrem größten sponsoren benannt, der renommierten und weit über hamburgs grenzen hinaus bekannten großkanzlei „hengeler mueller“. diese kanzlei fördert seitdem den Bestandsaufbau mit einer jährlichen überweisung jenseits der 100.000 €.

3 rückblickend erwarb das fünfköpfige Bibliotheksteam circa 600 medieneinheiten pro monat.

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sTaTUs QUo

Ende 2009 dient die Bibliothek der informationellen Versorgung von 1.000 potentiellen KundInnen. Als Benutzergruppen unterscheiden wir die regulär Immatrikulierten, Austauschstudierende, unsere ProfessorInnen und wissenschaftlichen MitarbeiterInnen, GastdozentInnen, DoktorandInnen, Studierende des MLB-Studiengangs, ReferendarInnen und Angehörige des „Bucerius Alumni e.V.“ sowie MitarbeiterInnen des Hochschulmanagements.

Das Personal der Bibliothek besteht aus zwei BibliothekarInnen (mit Diplom- bzw. Magisterabschluss, drei Bibliotheksassistenten, einer Auszubildenden zur „Fachangestellten für Medien- und Informationsdienste“ und vier Hilfskräften in verschiedenen Funktionen. Organisiert wurde eine verlässliche Nutzung der gedruckten Bestände und elektronischen Ressourcen bei einer ganzjährigen 24-Stunden-Öffnung. Das Bibliotheksteam unterstützt die anspruchsvolle Kundschaft – bei Bedarf auch in ständig geschulter englischer Sprache - von Montag bis Freitag, jeweils von 07:00 bis 18:00 Uhr. Das Budget der Bibliothek beträgt (exklusive Personalkosten) 435.000 €, ist leider in dieser Höhe eingefroren und verliert somit permanent an Kaufkraft. Zur Stabilisierung des gedruckten Bestandes, der den hohen Anforderungen besonders der DoktorandInnen und HabilitandInnen nur selten genügt, wurden einseitige Nutzungsverträge mit der Zentralbibliothek Recht der Universität Hamburg sowie einer juristischen MPI-Bibliothek geschlossen.

Der Umfang des gedruckten Bestandes liegt mittlerweile bei 83.000 Medieneinheiten, die nach wie vor für den Großteil unserer KundInnen nur innerhalb der Präsenzbibliothek zur Verfügung stehen. Aufsehen erregt, dass immerhin 2.525 E-Books (= 3% des Gesamtbestandes) erworben wurden, die in den lizenzierten juristischen Online-Datenbanken enthalten sind4. Sie sind mittels WLAN auf dem gesamten Campus nutzbar, für wenige privilegierte (und dieser Technologie auch zugeneigte) ProfessorInnen mittels Remote Access auch zu Hause. Lückenlos vom ersten erschienenen Heft bis zur neuesten Ausgabe sind 2.350 juristische Zeitschriftentitel verfügbar, von denen 2.115 (= 90%) als E-Journals, wiederum enthalten in Online-Datenbanken, lizenziert wurden. Die analogen Ausgaben sind in der Bibliothek und per antiquiertem und unökonomischen, aber partout nicht abschaffbarem „Zeitschriftenumlauf für ProfessorInnen“ verfügbar, die elektronischen Ausgaben ortsunabhängig auf dem Campus mittels WLAN, für ProfessorInnen per Fernzugriff recherchierbar.

4 hinzu gesellen sich ende 2009, gespendet von unserem Buchlieferanten „internationale Buchhandlung massmann gmbh“, 50 separate englischsprachige e-Books juristischen inhalts des us-amerikanischen providers „ebrary“.

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PersPekTiVe

Die Bibliotheksleitung an unserer Hochschule ist unter anderem auch verpflichtet, sich Gedanken um die Zukunft der Bibliothek im Jahre 2020, strategische Ziele und den kundenorientierten Kurs dorthin zu machen. Zwar bar aller prophetischen Fähigkeiten, doch ausgestattet mit Fachwissen und Erfahrung sowie der Kenntnis des Ortes, der Abläufe, unserer Kundschaft sowie gesundem Menschenverstand lässt sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststellen, dass das bisher in gedruckter Form erworbene Zeitschriftenspektrum sukzessive durch elektronische Formate abgelöst werden wird. Der Impetus hierzu wird weniger durch eine selektierende und damit entscheidende Bibliotheksleitung, sondern durch rein wirtschaftlich handelnde Verlage ausgelöst, gepaart mit stetig wachsender Akzeptanz neuer Publikationstypen. Auch der Anteil sorgfältig selektierter E-Books am Gesamtbestand (hier besonders rechtswissenschaftliche Nachschlagewerke, Enzyklopädien und Wörterbücher in englischer Sprache) wird deutlich ansteigen. Schon heute (Februar 2010) sind projektiert der Aufbau und die Nutzungsmöglichkeit einer einzelplatzlizenzbasierten E-Paper-Sammlung, die Nutzung elektronisch offerierter Dissertationen (z.B. unter www.dissonline.de) und fachbezogener elektronischer Quellen wie der „Virtuellen Fachbibliothek Recht“ und die Nutzung der eigenen Bibliothek als Repositorium für elektronisch abgelieferte Magisterarbeiten unseres „MLB“-Studienganges.

Das konservative Lager unserer ProfessorInnen muss und kann von der grandiosen Möglichkeit der Schaffung einer Kollektion eigener elektronischer Vorlesungsskripte überzeugt werden, unsere blutjungen Ersttrimester (allesamt „Internet Natives“) wissen schon mit Studienbeginn um die Vorzüge elektronischer Semesterapparate der eigenen ProfessorInnen.

Vorstellbar ist ferner die Ausweitung (und damit Optimierung der Nutzung) lizenzierter elektronischer Ressourcen außerhalb des Campus durch Remote Access z.B. auch für unsere inzwischen über 130 DoktorandInnen, wenngleich sie mit immensen Kostensteigerungen einher ginge.

Für VertreterInnen der Bibliotheks- und Informationswissenschaft bedarf es keiner großen Vorstellungskraft, um sich die Auswirkungen einer zunehmenden Metamorphose des informationellen Bestandes vor Augen zu führen – sie deckt sich mit den Zielen der Bibliotheksleitung der Bucerius Law School: Der mit Abstand größte Teil unserer KundInnen soll – in räumlich idealer Kombination mit ihren Vorlesungen, Seminaren, Kleingruppenarbeit und Examenshausarbeiten - weiterhin an den attraktiven Lern- und Arbeitsort Bibliothek gebunden werden,

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dies durch eine verlässliche Bereitstellung aktueller gedruckter Bestände, durch eine maximale Individualisierung klassischer bibliothekarischer Dienstleistungen und Informationskompetenz und ein digitales Informationsumfeld.

Zugleich soll der überschaubaren Anzahl privilegierter KundInnen (ProfessorInnen, DoktorandInnen, HabilitandInnen und ForscherInnen) die Möglichkeit geschaffen werden, ihre wissenschaftliche Arbeit mit den elektronischen Ressourcen der Bibliothek auf höchstem Niveau auch zu Hause durchführen zu können – interne Umfragen bestätigen, dass individueller Bedarf in dieser Hinsicht längst vorhanden ist.

Sorgen bereitet, dass die ständige Zunahme kurzfristigen Zugangs zu juristischen Informationen durch Lizenzierungen zu nur noch eingeschränktem Besitz5 führt und mittelfristig den Erwerb langfristigen Eigentums durch einen traditionellen Bestandsaufbau ersetzt. Ohnehin wird dieser erlernte und gewohnte Bestandsaufbau (durch Kauf, Geschenk, Pflichtabgabe, etc.) mehr und mehr ersetzt durch das regelmäßige Bemühen des Bibliotheksleiters um störungsfreien „Zugang“, „Zugriff“ oder „Verfügbarkeit“. Der seit Jahrtausenden gewohnte greifbare und somit auch leichter be-greifbare Literaturbestand mit eigener Physis, eigenem Profil, eigener Struktur und Systematik mutiert zu kaltem „access“ auf ephemere Informationen, geliefert durch Provider, die binnen Kurzem vom Markt verschwunden oder nach Fusion in einer bislang unbekannten Verlagsgruppe untergegangen sein können – mit unabsehbaren Folgen auf die weitere Zusammensetzung des lizenzierten Informationsspektrums und seiner Kostenentwicklung. Versuche der Lösung schon jetzt erkennbarer Probleme der dauerhaften Archivierung kostspielig erworbener juristischer Informationen stoßen schnell an personelle, informationstechnologische, organisatorische und urheberrechtliche Grenzen.

Letztlich droht der Bibliothek als Verkörperung und Präsentationsfläche gedruckten informationellen Reichtums einer Hochschule wie der Bucerius Law School ein Verlust an Nachhaltigkeit und gewohnter permanenter Zuverlässigkeit ihrer Nutzung.

5 eingeschränkt ist der Besitz hierbei durch das lizenzierte informationelle spektrum sowie den zeitraum, die art, den ort (z. zt. nur campus) und die zahl der Berechtigten der nutzung.

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aktIvItätEn von PEnsIonIstInnEn unD PEnsIonIstEn(rounD taBlE)

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EInlEItungsigrid reinitzer

Was tun Bibliothekare und Bibliothekarinnen nach ihrer Aktivzeit in ihrer Pension, im sogenannten wohlverdienten Ruhestand?

In einigen Ländern haben Bibliotheksverbände eigene Kommissionen für pensionierte BibliothekarInnen eingerichtet, sie arbeiten ehrenamtlich im Informationsbereich sowie in wissenschaftlichen Bibliotheken und öffentlichen Büchereien. Oft widmen sie sich aus eigenen Stücken in der Pensionszeit mit großem Engagement neuen Aufgaben, die manchmal, aber nicht immer mit ihren ursprünglichen Tätigkeiten in Verbindung stehen. Bibliothekare und Bibliothekarinnen sind von ihrer Natur her Informationsvermittler und Informationsbewahrer, man kann fast sagen: aus Leidenschaft. Mit größter Geduld erarbeiten sie Informationen, gehen bibliographischen und biographischen Fragen nach und stellen ihre Arbeiten in gedruckten Werken oder im Rahmen von Seminaren und Workshops der interessierten Öffentlichkeit bereit.

Beispiele aus diesen Aktivitäten wurden am Bibliothekartag in Graz kurz vorgestellt. Diskussionen im Rahmen des ‚Round Table’ sollten zusätzliche Anregungen geben und Informationen über die Vielfalt der Tätigkeiten bringen.

Eingeladen waren erfahrene Pensionistinnen und Pensionisten, außerdem Kollegen und Kolleginnen, die der Pensionszeit schon 2009 und 2010 entgegenblicken, aber auch alle anderen BibliothekarInnen, die Interesse an der Vielfalt der Tätigkeiten nach der Aktivzeit haben.

Nicht mit einem eigenen Beitrag vertreten ist Heidi Zotter-Straka, pensionierte Abteilungsleiterin für Buchbearbeitung der UB Graz. Sie berichtete über die neugegründete Gesellschaft zur Förderung der Steiermärkischen Landesbibliothek, deren Vorsitz sie in verantwortungsvoller Weise noch in ihrer Aktivzeit übernommen hat, aber auch in der Pensionszeit weiterführen wird. Die Planungen schreiten voran und wir alle hoffen gemeinsam mit dem Bibliotheksleiter Kollegen Christoph Binder, dass die älteste österreichische Landesbibliothek, die von Erzherzog Johann gegründet wurde, bald ein würdiges und den modernen Erfordernissen entsprechendes Gebäude erhält.

Einige KollegInnen konnten am Round Table nicht persönlich teilnehmen, schickten aber Informationen über ihre Aktivitäten in der Pensionszeit:

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Dr. Magda Strebl, erste Generaldirektorin an der Spitze der ÖNB (Österreichischen Nationalbibliothek) schrieb, dass ihre vielfältigen Tätigkeiten in der Pensionszeit durch ihren Wohnort Klosterneuburg begründet sind: - Obfrau des Vereins „Freunde des Stadtmuseums Klosterneuburg“, - Vize-Präsidentin der Franz Kafka Gesellschaft, - Mitwirkung beim Verschönerungsverein Klosterneuburg,

- Vortragstätigkeiten bei der Volkshochschule Klosterneuburg und anderen Organisationen, zumeist Seniorengruppen. Themen sind die großen Bibliotheken der Welt, Klosterbibliotheken in Österreich, Geschichte, Sozio-logie, Richard Löwenherz, Salz, das weiße Gold sowie feministische Themen wie Frauen auf Reisen, Frauen im Mittelalter, Frauen an der Seite bedeutender Männer, Frauen der Babenberger,

- Einladungen von BerufskollegInnen zu Treffen mit Informationsaustausch – was geschieht so alles in der Pensionszeit?

Ein wichtiger Aspekt ist natürlich stets die Familie, aber nicht erst in der Pensionszeit, sondern lebenslang. Viele Tätigkeiten haben soziale und volksbildnerische Aspekte, als Gast erhält man herzliche Zuwendung und umfassende Informationen zur schönen Stadt Klosterneuburg mit dem eindrucksvollen frisch renovierten Kloster oder dem Essl-Museum.

Dr. Ferdinand Baumgartner, früher Bibliotheksdirektor der Universitätsbibliothek Wien, teilte mit, dass er in seiner Pension den Großteil seiner Zeit der Seniorenbetreuung in Klosterneuburg widmete. Er war 12 Jahre lang Obmann des Seniorenbundes der Ortsgruppe Klosterneuburg. Weiters war er 10 Jahre Gemeinderat in Klosterneuburg und mit den Schwerpunkten Soziales und Agenden der Pensionisten betraut.

Dr. Jarmila Burgetova, langjährige Präsidentin der tschechischen Bibliotheks-vereinigung SKIP, schickte eine Publikation bei der sie mitgewirkt hat: „Libraries und Librarianship in the Czech Republic“, 1.Aufl. 2005, 63 Seiten. Bei internationalen Tagungen wie z.B. der IFLA vertritt sie aufgrund ihrer großen Sprachkenntnisse und ihrer bibliothekarischen Erfahrungen regelmäßig ihr Land. Weiters wies Frau Burgetova darauf hin, dass wieder eines der Werke von Maria Razumovsky „Marina Cvetajeva“ ins Tschechische übersetzt wurde.

Maria Razumovsky schrieb rückblickend, dass sie bei ihrer Arbeit, zum Teil auch an der ÖNB, viele Kenntnisse und Erfahrungen gewonnen hat, die sie in die Pensionszeit mitnehmen und dort auch weiterpflegen konnte. Sie ist schon 20

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Jahre im Ruhestand und hat sich nie gelangweilt, das zeigt die große Zahl ihrer Bücher, die auch in weitere slawische Sprachen übersetzt werden. Das bedeutet für Maria Razumovsky nicht nur das Verfassen der Bücher, sondern oft noch viele Arbeitsstunden gemeinsam mit den jeweiligen Herausgebern und Übersetzern ihrer Bücher zu verbringen.

Manfred Lube, pensionierter Direktor der UB Klagenfurt, betreut immer noch mit Engagement und Freude das von ihm aufgebaute und wissenschaftlich betreute Karl-Popper-Copyright-Büro seiner Universität.

Maria Mairold ist seit mehr als 30 Jahren in Pension, war Leiterin der Handschriftenabteilung der UB Graz und besucht noch heute gerne und regelmäßig diese Abteilung (SOSA-Sondersammlungen), schreibt Beiträge in verschiedenen Fachzeitschriften von Steiermark und Kärnten und zeigt Einsatz und Freude bei ihren Arbeiten. Auch sie war eine der interessierten Teilnehmerinnen am Round Table.

Weitere PensionistInnen haben angerufen, Briefe, Karten oder E-Mails geschickt und haben sich gefreut, dass ihre verschiedenen Arbeiten, die wichtig und wertvoll sind, auch nach der Aktivzeit im Berufsverband der Bibliothekarinnen und Bibliothekare Beachtung finden.

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ErschlIEssung DEr hanDschrIftEn DEr unIvErsItäts- unD lanDEsBIBlIothEk InnsBruck

ein proJekt der österreichischen akademie der Wissenschaften

Walter neuhauser

eiNleiTUNG

Wer rastet der rostet, oder: welche Möglichkeiten hat der Bibliothekar im berühm-ten wohlverdienten Ruhestand, um dem oben genannten Zustand zu entkommen? Die Tätigkeiten sind äußerst unterschiedlich, und sie sind oft zu wenig bekannt. Es war daher eine schöne Idee, die Pensionisten an einem Bibliothekartag zu Wort kommen zu lassen. Der Dank gebührt der Initiatorin dieser Veranstaltung, Frau Hofrätin Reinitzer, der langjährigen Direktorin der UB Graz, welche nicht nur die Idee zu dieser Veranstaltung hatte, sondern auch die Moderation übernommen hat. Bedauerlicherweise begnügt sie sich damit, dabei hätte sie viel Interessantes über ihre vielfältigen Tätigkeiten in ihrem Ruhestand zu berichten.

Bevor ich damit beginne, was ich seit meiner Pensionierung Ende 1998 getan habe, möchte ich ein Wort des Gedenkens einlegen, das Gedenken an denjenigen österreichischen Bibliothekar, der wohl am intensivsten die Zeit des Ruhestandes zu weiterer Forschung genutzt hat, den 2008 verstorbenen früheren Direktor der Handschriftensammlung der Österreichischen Nationalbibliothek, Hofrat Dr. Otto Mazal. Wie wohl kaum ein anderer war er auch gerade nach seiner Pensionierung unermüdlich tätig, die zahlreichen in den letzten Jahren erschienenen Publikationen legen ein beredtes Zeugnis davon ab. So kann Otto Mazal für uns Pensionisten als leuchtendes Vorbild dienen.

Und so darf ich, der freundlichen Einladung folgend, jetzt über meine Tätigkeit be-richten. Im Mittelpunkt steht dabei das Werk, das ich, leicht übertreibend, als mein Lebenswerk bezeichnen möchte, der in den „Denkschriften“ der Österreichischen Akademie der Wissenschaften erscheinende Handschriftenkatalog der Innsbrucker

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Universitätsbibliothek (seit 2008 Universitäts- und Landesbibliothek Tirol, ULB) (genaues Zitat am Ende des Beitrags).

VorGeschichTe

Hier sei ein kurzer Rückblick auf die Vorgeschichte dieser Arbeit erlaubt:1972 ergriff Otto Mazal die Initiative zu einer Neuerfassung der österreichischen Handschriften, ausgehend von seinem Grundsatzreferat am Österreichischen Bibliothekartag in Eisenstadt über die Verpflichtung der Bibliotheken zu wissen-schaftlicher Betätigung auf dem Gebiet der Buch- und Bibliotheksgeschichte. Er fand die Unterstützung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, deren damaliger Präsident, Univ.-Prof. Dr. Herbert Hunger, selbst Handschriftenfachmann und Vorsitzender der hierfür zuständigen Akademie-Kommission für Schrift- und Buchwesen des Mittelalters war. Für die Betreuung der deutschen Handschriften wurde der Ordinarius für ältere deutsche Literatur an der Universität Salzburg, Univ.-Prof. Dr. Ingo Reiffenstein, gewonnen, ebenso bekundeten weitere Fachleute auf dem Gebiet der Handschriftenkunde, wie der damalige Direktor der UB Salzburg, Univ.-Prof. Dr. Karl Forstner, und ich als Leiter der Handschriftenabteilung der UB Innsbruck ein dringendes Interesse an einem entsprechenden Projekt.

Die Erschließung der Tiroler Handschriftenbestände war bisher mangelhaft und wenig befriedigend gewesen. Für die Universitätsbibliothek Innsbruck war die Einbindung in das gesamtösterreichische Projekt eine einmalige Chance und so wurde sie auf mein Drängen von Anfang an in dieses Projekt einbezogen. Seitens der Österreichischen Akademie der Wissenschaften wurde dies gefördert, was mit meiner Aufnahme in die Kommission für Schrift- und Buchwesen des Mittelalters der Akademie zum Ausdruck gebracht wurde. Mein Vorgänger als Direktor, HR Dr. Stranzinger, begrüßte das Unternehmen, und so konnte ich, freilich nur neben der bibliothekarischen Alltagstätigkeit, mit der Arbeit beginnen.

VorsTellUNG Des ProJekTes

Bis zur Übernahme der Direktion der Innsbrucker Universitätsbibliothek (1991) konnte ich zwei Bände, umfassend die Codices 1-200, herausbringen, erschienen 1987 und 1991, unterstützt von einer Mitarbeiterin der Handschriftenabteilung, Frau ADir. Sieglinde Sepp. Die lange Bearbeitungsdauer war dadurch bedingt, dass ich die Arbeit am Katalog neben allen übrigen laufenden Agenden nur nebenher machen konnte.

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Der dritte Band (Cod. 201-300, erschienen 1999) wurde zu dritt begonnen, zusam-men mit zwei Mitarbeiterinnen, Frau ADir. Sepp und Frau Mag. Eva Ramminger. Mit der Übernahme der Direktion war dann an eine Weiterarbeit in dieser Form nicht mehr zu denken, umso mehr, als auch die Mitarbeiterinnen zusätzliche Verpflichtungen übernehmen mussten. Es wurde daher beim Österreichischen Forschungsfonds (FWF), der bei den beiden ersten Bänden die Drucklegung finan-ziert hatte, um Bezahlung eines Mitarbeiters für die weitere Bearbeitung des dritten Bandes angesucht. Dies wurde genehmigt, wobei ich als Direktor gegenüber dem FWF als Projektleiter verantwortlich war und in der Person von Frau Dr. Gabriela Kompatscher eine geeignete Bearbeiterin gefunden wurde.

Die PeNsioNisTeNTäTiGkeiT

Dieses Projekt blieb dann in meiner Pensionszeit meine Haupttätigkeit.Für den vierten Band trat eine neue Situation ein: Auf Grund meiner Pensionierung im Herbst 1998 wurde die Katalogisierung von der Innsbrucker Universitätsbibliothek abgekoppelt, sie wurde von der neuen Leitung zwar begrüßt, wurde aber nicht mehr offiziell von der Universitätsbibliothek getragen. Für den vom FWF be-zahlten neuen Bearbeiter war ich weiterhin Projektleiter. Dass ich mich auch an der Katalogisierungsarbeit betätige, mache ich aus eigenem Interesse, es besteht seitens der Bibliothek kein Auftrag. So wurde das Ganze zu einer Arbeit für die Universitätsbibliothek.

Auf dieser Grundlage konnten weitere Bände herausgebracht werden, wie zuvor fi-nanziert vom FWF. Der vierte Band (zusammen mit Dr. Lav Šubarić, abgeschlossen 2003) erschien 2005. Da die bisherigen Mitarbeiter inzwischen Assistentenstellen am Institut für Klassische Philologie erhalten hatten, musste seit 2003 ein neues Team aufgebaut werden. Es sind bzw. waren dies (teilweise mit Teilzeitbeschäftigung) Frau MMag. Claudia Schretter (seit 2003 bis Mai 2009, klassische Philologin und Historikerin, Mitglied des Österreichischen Instituts für Geschichtsforschung in Wien), Frau Dr. Michaela Rossini (2003-2005, klassische Archäologin), Frau Dr. Daniela Mairhofer (2003-2007, klassische Philologin), Frau Dr. Ursula Stampfer (seit 2006, Germanistin und Historikerin) und Frau Mag. Petra Ausserlechner (seit 1.1.2008, klassische Philologin und Historikerin). Der fünfte Band (Cod. 401-500, Schretter, Mairhofer, Rossini) erschien im April 2008, der sechste Band (Cod. 501-600, Schretter, Mairhofer, Stampfer) im August 2009; der siebte Band (Cod. 601-700, Schretter, Stampfer, Ausserlechner) ist in Arbeit, das Rohmanuskript ist ab-geschlossen. Bei allen Bänden war ich Projektleiter sowie auch an der Katalogisierung aktiv beteiligt. Für einige Handschriften des fünften, sechsten und siebten Bandes,

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für deren Bearbeitung Spezialkenntnisse notwendig waren bzw. sind (z. B. Orientalia, Mathematik) wurden entsprechende Fachleute der Universität Innsbruck herange-zogen.

Aufgrund einer Umstellung der universitären FWF-Projekte war für den sechsten und siebten Band die Zuordnung zu einem Universitätsinstitut (ohne Veränderung in der Projektleitung) notwendig geworden. Dieses Projekt wurde daher gemein-sam von der Universitätsbibliothek und dem Institut für Sprachen und Literaturen, Abteilung Latinistik, getragen. Für den achten und neunten Band wurde von der ULB beim FWF wiederum ein Antrag für die Bearbeitung zweier Bände gestellt. Das Verfahren ist derzeit im Laufen. Mit einem noch ausständigen zehnten Band wird dann der Innsbrucker Handschriftenkatalog abgeschlossen sein.

aNlaGe Des kaTaloGes

Da es sich um einen Generalkatalog handelt, welcher den gesamten Handschriften-bestand der Universitätsbibliothek umfassen soll, ergab sich für den Katalog die Erfassung, Bearbeitung und Publikation nach den Signaturen. Da die Handschriften nach Numerus-currens-Signaturen ohne Rücksicht auf inhaltliche Zusammengehörigkeit, Zeit, Sprache oder Provenienzen aufgestellt sind, bietet jeder Band eine bunte Mischung.

Jeder Band bestand ursprünglich aus drei Teilen, dem Katalogband, dem Registerband und einem Beiheft für die sog. Datierten Handschriften, letzteres bearbeitet von Dr. Alois Haidinger und Dr. Franz Lackner (Österreichische Akademie der Wissenschaften), geordnet in Form von Lose-Blatt-Tafeln chronologisch nach Datierungen. Sie sind ein Ersatz für die bei anderen Bibliotheken erschienenen Kataloge der datierten Handschriften in Österreich (das Projekt der Datierten Handschriften in Österreich ist abgeschlossen, Ergänzungen noch ausstehender Bestände werden in dieser Form gebracht).

Diese Beihefte wurden nur für den ersten bis dritten Band erstellt. Für die weiteren Bände wurden bzw. werden die einschlägigen Daten in Form einer CD-ROM erfasst, welche seither, erstmals dem fünften Band des Kataloges (für die datierten Handschriften des vierten und fünften Bandes), beigegeben wurden.

Ein Wort zum Abbildungsteil, in welchem einige ausgewählte, besonders signifikante Beispiele der Ausstattung sowie alle Schmuckelemente der verzierten Einbände in Schwarz-Weiß wiedergegeben werden. Auf Farbabbildungen wurde bei Band 1 bis 4

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aus Kostengründen verzichtet. Wichtig ist vor allem die Wiedergabe der Einbände, da hier die Abbildungen meist aussagekräftiger sind als die verbale Beschreibung. Für den sechsten und siebten Band werden nur noch die Durchreibungen der Einbände im Tafelteil wiedergegeben, die Abbildungen zu Schrift und Buchmalerei werden nunmehr in einer DVD wiedergegeben, welche neben den Datierungen auch noch undatierte Schriftproben, Beispiele der Buchmalerei und sämtliche Wasserzeichen enthält. Die Wasserzeichen, welche früher anhand von Durchzeichnungen erfasst wurden, wer-den seit dem fünften Band von einer Mitarbeiterin der ÖAW, Frau Dr. Maria Stieglecker, mit Hilfe der Betaradiographie erfasst und bestimmt und in die von Dr. Haidinger begründete österreichische Wasserzeichendatenbank der ÖAW eingespeist.

Noch neu ist die Mitarbeit an weiteren Datenbanken. Während wir früher nur Nutznießer von Datenbanken gewesen waren, bes. der Manuscripta mediaevalia, ferner der an der ÖAW beheimateten Literaturdatenbank zu den Handschriften der österreichischen Bibliotheken, und zur akademie-internen Datenbank der mi-hoeb, sind wir derzeit daran, auch selbst an Datenbanken mitzuarbeiten, an welche die Ergebnisse der Katalogisierung gemeldet werden. Derzeit ist es der deutsche „Handschriftencensus“ bzw. der Marburger Index, an der im Aufbau begriffenen österreichischen Datenbank der ÖAW, den „Manuscripta.at“, werden wir uns eben-falls aktiv beteiligen.

zeiTaUFWaND

Ein Wort zum Zeitaufwand: Es zeigte sich, dass die für die Beschreibung aufzu-wendende Zeit sehr unterschiedlich ist. Besonders viel Arbeit machen die vielen Texthandschriften theologischen Inhalts. Sie sind äußerlich oft wenig ansehnlich, die Texte aber für die Text- und Überlieferungsgeschichte wichtig. Ihre Bearbeitung ist oft sehr zeitaufwendig, vor allem die Identifizierung einzelner, oft nur kurzer Texte. Als Beispiele für solche umfangreiche Beschreibungen seien angeführt: Cod. 56 mit 15 Seiten Katalogbeschreibung, Cod. 94 mit 14 Seiten, jeweils ein

Homiliar.Cod. 110 mit 16 Seiten, eine Sammlung von Autographen des Hippolyt

Guarinoni.Cod. 238 mit 17 Seiten, eine Predigtsammlung, mit 516 Blättern die umfangreichste

Handschrift der Universitätsbibliothek Innsbruck.Cod. 243 mit 21 Seiten, ein illuminiertes Homiliar des 12. Jahrhunderts, mit 438

Blättern die umfangreichste Pergamenthandschrift der Universitätsbibliothek Innsbruck.

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Cod. 400 (s. u.) mit 18 Seiten Katalogtext. Cod. 404 und 636 mit je 36 Seiten Katalogtext. Cod. 409 mit 18 Seiten bzw. 57 verschiedenen theologischen Texten. Cod. 422 mit 34 Seiten, eine in Meran im 15. Jahrhundert geschriebene medizinische

Sammelhandschrift aus dem Besitz der Herren von Annenberg im Vinschgau.Cod. 625 mit zwar nur dreizehn Seiten im Katalog, jedoch nicht weniger als 63

verschiedenen, meist kurzen, aber einzeln zu bestimmenden und zu beschrei-benden Texten.

erGebNisse

Man fragt sich: wozu das Ganze, was bringt ein Katalog, was sind die Ergebnisse:Bis zur jetzigen Katalogisierung waren nur einzelne Handschriften bekannt gewesen und in der Literatur mehr oder weniger ausführlich behandelt oder für Editionen her-angezogen worden, so die Glanzlichter der ULB wie etwa die Wolkensteinhandschrift (ohne Signatur), der sog. Deutschenspiegel (Cod 922), die Neustifter-Innsbrucker Spielhandschrift (Cod. 960) und die illuminierten Handschriften wie etwa das sog. Innicher Evangeliar des 10. Jahrhunderts (Cod. 484), das Missale des Ippolito d’Este (Cod. 43), die Annenberger Bibel (Cod. 469), das Wappenbuch des Jörg Rugenn (Cod. 545).

Nunmehr werden alle Handschriften erstmals einheitlich systematisch erfasst und zueinander in Beziehung gebracht. Abgesehen davon werden durch diese ausführ-liche Untersuchung viele Handschriften erstmals in ihrer Bedeutung erkannt, vor allem aber treten viele bisher unbekannte Texte zutage.

Hier ist an erster Stelle Cod. 400 zu nennen, eine bisher unbeachtet gebliebene Handschrift des 13./14. Jahrhunderts, welche ein sensationeller Neufund ist und in der internationalen Fachwelt entsprechendes Echo gefunden hat. Sie kann nunmehr zu den interessantesten Texthandschriften der ULB Innsbruck gerechnet werden. Sie enthält eine heute als „Innsbrucker Briefformelsammlung“ bezeichnete Sammlung von 217 Briefen aus dem 13. Jahrhundert, neben Papstbriefen und anderen Briefen aus bekannten Sammlungen vor allem eine große Zahl bisher unbekannter Briefe aus den Kanzleien Kaiser Friedrichs II. und König Konrads IV. Eine Edition durch Univ.-Prof. Dr. Josef Riedmann (Innsbruck) steht bevor. Eine andere wichtige, bisher unbekannte Briefformelsammlung des 13./14. Jahrhunderts aus dem französischen Zisterzienserbereich ist in Cod. 404 enthalten, auch sie wartet auf eine Edition.

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Weitere bedeutende Handschriften:Die Guarinoni-Autographen: Die Universitätsbibliothek besitzt als Cod. 110 vier Bände mit Autographen des Hippolytus Guarinoni, Arzt des Damenstiftes in Hall und Pestarzt im 17. Jh. Er verfasste medizinische Werke, Werke zur rich-tigen Lebensführung, auch im moralischen Sinn, Biographien von Heiligen. Am bekanntesten ist sein im Druck erschienenes Werk „Die Greuel der Verwüstung menschlichen Geschlechts“. Das Problem bei der Bearbeitung bestand in einer schwer lesbaren Schrift und im Wesen der Konzepthandschrift mit zahlreichen Streichungen, Ergänzungen, Umstellungen großer Textteile.

Die Haller-Autographen:Eine andere Besonderheit stellen sechs zwischen 1464 und 1471 geschriebene Codices des Schnalser Kartäusermönchs Heinrich Haller dar, enthaltend von ihm vorgenommene Übersetzungen lateinischer aszetischer und homiletischer Texte in ein frühes Neuhochdeutsch, ein „gemeines Deutsch“; der heute gängige Fachausdruck wird von ihm selbst verwendet. Für wen diese Übersetzungen, deren lateinische Vorlagen teilweise in anderen Schnalser Handschriften an der ULB Innsbruck erhalten sind, angefertigt wurden, ist unsicher, möglicherweise für die Herren von Annenberg im Vinschgau, mit denen die Kartause Schnals in regem gegenseitigem Bücheraustausch war.

WeiTere erGebNisse

Die Katalogarbeit erbrachte Ergebnisse anderer, für die Mitarbeiterinnen durchaus erfreulicher Art. Die Mitarbeit am Katalog erwies sich als gewisser Karrieresprung (der derzeitige Innsbrucker Rektor Univ.-Prof. Dr. Karlheinz Töchterle, Vorstand des Innsbrucker Instituts für Klassische Philologie, sprach scherzhaft von einer Kaderschmiede für seine Assistenten): So haben zwei frühere Mitarbeiter am Katalog, Frau Dr. Kompatscher und Herr Dr. Šubarić, Assistentenstellen am ge-nannten Institut erhalten; Frau Dr. Kompatscher, angeregt durch den Besuch mei-ner im Rahmen eines Lehrauftrags gehaltenen Vorlesung über Mittellatein, hat ihre Dissertation über die Gesta-Romanorum-Handschriften der ULB Innsbruck geschrieben, hat sich aus Mittellatein habilitiert und ist inzwischen ao. Professorin. Frau Dr. Mairhofer hat aufgrund ihrer Mitarbeit am Handschriftenprojekt eine Stelle als Handschriftenbearbeiterin an der Bibliotheca Bodleiana in Oxford erhal-ten, und last not least hat Frau MMag. Schretter, welche dem Projekt sechs volle Jahre die Treue gehalten hat, aber aufgrund der Bestimmungen des FWF nicht mehr beim Projekt mitarbeiten darf, eine Stelle an der Abteilung für Sondersammlungen der ULB Innsbruck bekommen, wo sie ihre langjährigen Erfahrungen zum Nutzen

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der Abteilung bzw. der ULB einbringt. Zu ihrem Aufgabenbereich gehören u. a. die Betreuung von Projekten, Erschließungsarbeit und Öffentlichkeitsarbeit.

Daneben sei noch auf einen anderen Aspekt als Ergebnis meiner Pensionistentätigkeit hingewiesen, auf die Vorbildwirkung des Innsbrucker Kataloges: Da dieser in der Fachwelt gut angekommen ist, wurden in Tirol seither weitere Unternehmungen ins Leben gerufen, so ein Katalog der Handschriften des Stiftes Wilten (Innsbruck), begonnen von Frau Dr. Kompatscher, weiter bearbeitet von Frau MMag. Schretter und Frau Dr. Mairhofer, nunmehr endredigiert von Frau Mag. Ausserlechner. Ein kleiner Handschriftenbestand an der Pfarre Brixen im Thale im Unterinntal wird unter der Leitung von Herrn Dr. Šubarić bearbeitet. Dieser betreut auch ein weiteres Projekt, die Katalogisierung der an der ULB Innsbruck als Dauerleihe verwahrten Handschriften des Innsbrucker Servitenklosters. Für Südtirol sind entsprechende Projekte in Planung.

Das Endergebnis sollte eine flächendeckende Erfassung aller Handschriften in Nord- und Südtirol, also des alten Kulturraumes Tirol, sein. Dies ist freilich noch Zukunftsmusik, doch gibt es derzeit, wie man sieht, vielversprechende Ansätze, wobei für mich persönlich ein erfreuliches Resultat die Tatsache ist, dass der Ausgangspunkt zu allen diesen Projekten der von mir begründete, weitgehend erst in der Pension bearbeitete Handschriftenkatalog der ULB Innsbruck war.

WeiTere TäTiGkeiTeN iN Der PeNsioN

In Verbindung mit der Katalogarbeit ergaben sich weitere Aktivitäten, die das Rosenzüchten in der Pension ersparten: Vorträge und Publikationen in Zeitschriften und Festschriften zu verschiedenen Themen, hauptsächlich zu einzelnen Handschriften und Handschriftengruppen der ULB Innsbruck, zur Einbandkunde und zur Buch- und Bibliotheksgeschichte. Es sind dies nicht zuletzt auch Bausteine für eine noch zu schreibende Tiroler Buch- und Bibliotheksgeschichte. Insgesamt waren es in diesen elf Pensionsjahren 30 Arbeiten. Auf eine Publikation möchte ich hinweisen, auf unser „Büchl“, wie wir es liebevoll nennen, ein Büchlein mit dem Titel „Schreiber, Schriften, Miniaturen“, verfasst von Walter Neuhauser, Claudia Schretter, Michaela Rossini und Daniela Mairhofer, erschienen 2006 in der Verlagsanstalt Tyrolia in Innsbruck (80 Seiten, mit 66 Farbabbildungen). Es handelt sich um eine kurze Einführung in alle Bereiche der Handschriftenkunde sowie in die Tiroler Buchgeschichte des Mittelalters, reich illustriert ausschließlich anhand von Beispielen aus Nordtiroler Bibliotheken, neben der ULB Innsbruck noch aus der Bibliothek des Tiroler Landesmuseums Ferdinandeum und der Klöster Wilten, Stams und Fiecht.

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aUsblick

Soweit zur Tätigkeit in meinen Pensionsjahren. Dass ich in dieser Zeit ziemlich in-tensiv tätig war, hat vor allem in den letzten Jahren auch einen persönlichen Grund: An sich nutzte ich in den früheren Jahren die freie Zeit gerne zum Bergsteigen, Wandern und Schifahren, wie es sich für einen Pensionisten in Tirol gehört; das ist mir in den letzten Jahren ziemlich unmöglich geworden, und so bin ich weitgehend zum Schreibtischtäter geworden; aber kein Nachteil ohne Vorteil, dem Fortgang des Kataloges ist es zugute gekommen. Insgesamt bin ich fast jeden Tag, im Durchschnitt vier bis sieben Stunden, zusätzlich auch noch daheim in den Abendstunden (z. B. für Korrekturen) tätig; im Jahr 2008 waren es ca. 1200 Stunden, Gratisstunden natürlich.

Zur Abrundung möchte ich drei Persönlichkeiten der ULB Innsbruck nennen, welche ebenfalls im Ruhestand tätig waren: mein Vorvorgänger als Direktor, Josef Hofinger, wollte die Geschichte der Innsbrucker Universitätsbibliothek im 20. Jahrhundert schreiben und sammelte reiches Material; leider konnte er sein Vorhaben nicht ver-wirklichen und so ist es bei der Materialsammlung geblieben (seine Notizen sind in Gabelsberger Kurzschrift geschrieben und daher schwer benutzbar). Sein Vorgänger Rudolf Flatscher hat das Verdienst, den ersten und bis heute einzigen modernen Inkunabelkatalog der ULB Innsbruck geschaffen zu haben, der die Inkunabeln in den großen Nachschlagewerken Hain-Copinger und GW nachweist. Und schließ-lich hat Frau Jerica Tropper nach dem Zweiten Weltkrieg, von Hofinger beauftragt, die Umschrift der alten Kataloge vor 1930 auf PI durchgeführt.

Abschließend sei noch ein Blick in die Zukunft gestattet.Vom Katalog fehlen also noch drei Bände. Dank der überdurchschnittlichen Leistung meiner drei Mitarbeiterinnen Schretter, Ausserlechner und Stampfer ist die Arbeit an den letzten Bänden schneller als erwartet vorangegangen, was mir Hoffnung gibt, auch die restlichen Bände mit entsprechender Hilfe über die Runden zu bringen. Die nächsten beiden Bände, also Band acht und neun, befinden sich derzeit in Antragstellung. Wenn dieser Antrag akzeptiert wird, dann sollte bei beantragten zwei Stellen in drei Jahren das Manuskript dieser beiden Bände fertig gestellt wer-den. Es würde dann nur noch der zehnte Band als Abschlussband fehlen, für den dann je nach zur Verfügung stehendem Personal ein bis zwei Jahre zu veranschlagen wären. Dies würde bedeuten, dass dieses Opus magnum, sofern ich es noch erlebe bzw. falls im gegenteiligen Fall hoffentlich jemand das Projekt weiterführen wird, im optimalen Fall bis etwa zum Jahr 2013 ein Ende finden würde, sozusagen als ein Geburtstagsgeschenk zu meinem Achtziger in diesem Jahr 2013. Dum spiro spero, solange es mir möglich ist, mache ich weiter.

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biblioGraPhische aNGabeN

Walter Neuhauser: Katalog der Handschriften der Universitätsbibliothek Innsbruck. Teil 1 (Österreichische Akademie der Wissenschaften, Phil.-hist.Kl., Denkschriften 192 = Veröffentlichungen der Kommission für Schrift- und Buchwesen des Mittelalters, Reihe II, Bd. 4, T. 1). Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften 1987. Textband: 293 S., XVI Tafeln. Registerband: 109 S. Walter Neuhauser: Katalog der Handschriften der Universitätsbibliothek Innsbruck. Teil 2 (Österreichische Akademie der Wissenschaften, Phil.-hist.Kl., Denkschriften 214 = Veröffentlichungen der Kommission für Schrift- und Buchwesen des Mittelalters, Reihe II, Bd. 4, T. 2). Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften 1991. Textband: 216 S., XII Tafeln. Registerband: 99 S.

Katalog der Handschriften der Universitätsbibliothek Innsbruck. Teil 3. Bearbeitet von Gabriela Kompatscher unter Mitarbeit von Walter Neuhauser, Sieglinde Sepp, Eva Ramminger (Österreichische Akademie der Wissenschaften, Phil.-hist.Kl., Denkschriften 271 = Veröffentlichungen der Kommission für Schrift- und Buchwesen des Mittelalters, Reihe II, Bd. 4, T. 3). Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften 1999. Textband: 345 S., XVI Tafeln. Registerband von Gabriela Kompatscher: 136 S.

Walter Neuhauser und Lav Šubarić: Katalog der Handschriften der Universitäts-bibliothek Innsbruck. Teil 4 (Österreichische Akademie der Wissenschaften, Phil.-hist. Kl., Denkschriften 327 = Veröffentlichungen der Kommission für Schrift- und Buchwesen des Mittelalters, Reihe II, Bd. 4, T. 4). Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften 2005. Textband: 481 S., XXIV Tafeln. Registerband von Walter Neuhauser, Lav Šubarić und Claudia Schretter: 238 S.

Walter Neuhauser: Katalog der Handschriften der Universitätsbibliothek Innsbruck. Teil 5. Unter der Leitung von Walter Neuhauser bearbeitet von Daniela Mairhofer, Walter Neuhauser, Michaela Rossini und Claudia Schretter (Österreichische Akademie der Wissenschaften, Phil.-hist. Kl., Denkschriften = Veröffentlichungen der Kommission für Schrift- und Buchwesen des Mittelalters, Reihe II, Bd. 4, T. 5). Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften 2008. Textband: 681 S., 16 Tafeln. Registerband von Walter Neuhauser, Claudia Schretter, Daniela Mairhofer. 247 S.

Walter Neuhauser: Katalog der Handschriften der Universitätsbibliothek Innsbruck. Teil 6. Unter der Leitung von Walter Neuhauser bearbeitet von Daniela Mairhofer, Walter Neuhauser, Claudia Schretter und Ursula Stampfer (Österreichische Akademie der

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Wissenschaften, Phil.-hist. Kl., Denkschriften 375 = Veröffentlichungen der Kommission für Schrift- und Buchwesen des Mittelalters, Reihe II, Bd. 4, T. 6). Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften 2009. Textband: 392 S., 4 Tafeln. Registerband von Walter Neuhauser, Claudia Schretter, Ursula Stampfer: 100 S.

Walter Neuhauser: Katalog der Handschriften der Universitätsbibliothek Innsbruck. Teil 7. Unter der Leitung von Walter Neuhauser bearbeitet von Petra Ausserlechner, Walter Neuhauser, Claudia Schretter, Ursula Stampfer (Österreichische Akademie der Wissenschaften, Phil.-hist. Kl., Denkschriften = Veröffentlichungen der Kommission für Schrift- und Buchwesen des Mittelalters, Reihe II, Bd. 4, T.7). Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ca. 2010/2011). Textband: … S., .. Tafeln. Registerband von Petra Ausserlechner, Walter Neuhauser, Claudia Schretter, Ursula Stampfer: … S.

Walter Neuhauser, Daniela Mairhofer, Michaela Rossini, Claudia Schretter: Schreiber, Schriften, Miniaturen (Reihe „Tiroler Kulturgüter“). Innsbruck: Verlagsanstalt Tyrolia 2006. 80 S. mit 66 Farbabbildungen.

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frauEnBIograPhIschE BEIträgE InsBEsonDErE üBEr frauEn Im östErrEIchIschEn Buch- unD BIBlIothEkswEsEn

arBeiten für frida und kolloqia und das proJekt biografia.

edith stumpf-fischer

Zwei Interessensschwerpunkte in der Zeit meiner Berufsausübung – das Buch- und Bibliothekswesen und frauenpolitische Anliegen – prägten auch meine jetzige Beschäftigung:

1. Ich schrieb einige Publikationsbeiträge über Frauen im österreichischen Buch- und Bibliothekswesen, z. B. über österreichische Verlegerinnen in dem Band „ kolloquiA: Frauenbezogene/feministische Dokumentation und Informations-arbeit in Österreich…“ (2001).

2. Tätigkeit im Rahmen des Projektes „biografiA – biographische Datenbank und Lexikon österreichischer Frauen“ am IWK (Institut für Wissenschaft und Kunst), gestartet 1998, geleitet von Dr. Ilse Korotin, finanziert insbeson-dere durch das Wissenschaftsministerium und das Frauenministerium. Ziel ist das „Sichtbarmachen von Frauen“. Die Datenbank, die von der Römerzeit (Inschriften!) bis heute reichen und als laufend ergänzte und aktualisierte Grundlage für weitere Forschungen dienen soll, enthält mittlerweile etwa 16.000 Datensätze. Sie dient auch als Grundlage für das zweite Anliegen des Projektes, die Erstellung eines mehrbändigen Lexikons, das bereits in Vorbereitung ist. Inzwischen wurde, ursprünglich basierend auf einer Veranstaltungsreihe, auch eine Publikationsreihe gegründet; von dieser Reihe „biografiA – Neue Ergebnisse der Frauenbiografieforschung“ ist bereits der 8. Band in Vorbereitung.

Ich konnte zur Entstehung des Projektes beitragen, lieferte an die Datenbank etwa 90 Datensätze, hauptsächlich über österreichische Frauen des Buch- und Bibliothekswesens (Druckerinnen, Verlegerinnen, Buchbinderinnen, Buchhändlerinnen, Bibliothekarinnen, Bibliophile), von denen ein Teil auch im Lexikon verwendet werden kann, sowie Beiträge zu den Veranstaltungen über die Verlegerin und Kinderbuchautorin Helene Scheu-Riesz und

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„Österreichische Bibliothekarinnen auf der Flucht“ und zu den daraus resultie-renden Publikationen, Band 1 (hg. von Susanne Blumesberger) und Band 4 (hg. von Ilse Korotin) der erwähnten Buchreihe. Als Band 7 ist die von mir verfasste Biographie der Diplomatin und Kinderbuchforscherin Johanna Monschein am 3.11.d. J. präsentiert worden.

3. Noch im Planungsstadium befindet sich ein Projekt des Vereins frida (Verein zur Förderung und Vernetzung frauenspezifischer Informations-Dokumentationseinrichtungen in Österreich) zur Geschichte der österreichi-schen Bibliothekarinnen, bei dem ich zur Mitarbeit eingeladen wurde.

4. Immer wieder stoße ich auf verborgene Frauenspuren, die sichtbar gemacht werden sollten; darunter befinden sich die maschinschriftlich niedergelegten Erinnerungen einer im kommunistischen Widerstand tätigen Wienerin jü-discher Herkunft, deren Herausgabe ich mir als nächste Aufgabe vorstellen könnte.

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mEInE sogEnanntEn PEnsIonsaktIvItätEn

karl f. stock

Meine Aktivitäten seit Antritt der Pension im Jahre 1997 sind keine „Pensions-Aktivitäten“ sondern ein Kontinuum und eine Fortsetzung meiner auch schon vor diesem Zeitraum getätigten Arbeiten. Neben meiner seinerzeitigen Berufstätigkeit habe ich meine „Freizeit“ mit Tätigkeiten ausgefüllt, die verständlicherweise berufs-verwandte Bereiche betrafen. Ich musste also für meinen dritten Lebensabschnitt nicht nachdenken und planen, was ich tun sollte, sondern ich machte einfach so weiter wie vorher, nur dass mir nunmehr die ganze Zeit zur Verfügung stand, wofür ich vorher nur die Freizeit nutzen konnte.

Die drei Hauptbereiche meine Tätigkeiten sind nun folgende:

1. Bibliographie der österreichischen Bibliographien, Sammelbiographien und Nachschlagewerke, Abt. 3: Personalbibliographien österreichischer Persönlichkeiten.

2. In den Jahren seit 1997 sind die Bände 11-24 erschienen, die die Buchstaben „Kru-Witten“ mit den Seiten 3575-9341 umfassen. Diese Arbeiten wurden und werden zusammen mit Hofrat Dr. Rudolf Heilinger und mit meiner Frau Marylène Stock durchgeführt. Gegenwärtig arbeiten wir am 25. und letzten Band dieser Abteilung. Nach der Fertigstellung der Druckausgabe, die seit 2002 beim Verlag Saur in München erscheint, überlegen wir die Bereitstellung der Bibliographiedaten in einer Internet-Datenbank. Als Auszüge für besondere Benutzergruppen erschienen daraus als Druckausgaben: - Personalbibliographien österreichischer Dichterinnen und Dichter (Stock-Heilinger-Stock) – Bd 1-4. 2002 – München: Saur. - Personalbibliographien österreichischer Musikerinnen und Musiker (Stock-Heilinger-Stock) – Bd 1-3. 2005 – München: Saur

3. Graphische Arbeiten in der Technik des Linolschnittes und der Monotypie. Seit 1957 mache ich Linolschnitte und seit etwa 1962 Monotypien. In beiden Techniken sind es inzwischen je rund 400 Werke, darunter 100 Exlibris. Angeregt durch meinen Aufsatz über „Exlibris für meine Freunde“ in der Festschrift eines befreundeten Bibliothekars, begann ich auch Literatur über Exlibris zu sammeln. Die diesbezügliche Datenbank enthält mittlerweile über 48000 Einträge und ist im Internet zugänglich: http://bibi.kfstock.at.

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Beim Verlag Saur erschien daraus folgendes Werk: Karl F. Stock: Österreichische Exlibris-Bibliographie 1881-2003: Bibliography of Austrian Bookplate Literature 1881-2003. - München: Saur, 2004. – IX, 374 S. ISBN: 3-598-11687-X 2114 Literaturzitate von Monographien und Zeitschriften-Artikeln, Datensätze von 790 österreichischen Künstlern und 163 Künstlerinnen; Register nach Lebensdaten und Gesamtregister. [email protected]

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aktIvEr ruhEstanD In DEr schwEIz

Willi treichler

Einem vielseitigen Wunsch entsprechend widmet sich Willi Treichler in der ersten Zeit des Ruhestands, also seit 2007 noch der Fertigstellung der drit-ten Ausbauetappe nunmehr der Nationalbibliothek, daneben betreut er weitere Projekte von Kulturbauten der Eidgenossenschaft und ist beratend bei ausländischen Bauvorhaben von Kulturinstitutionen tätig.

Herr und Frau Schweizer arbeiten allgemein gern und lange. Das allgemein gültige und auch durch gesetzte Ruhestandsalter von 65 Jahren (bald auch für Frauen) gilt allge-mein nicht als Pforte ins Nir wana des Nichtstuns, sondern eröffnet eine breite Palette von Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten, bezahlten und unbezahlten. Im klassischen schweizerischen System der Altersvorsorge – der staatli chen Altersversicherungen (AHV), der beruflichen (Pensionskasse) und der privaten Vorsorge (Ver mögen) unterliegen alle Einkünfte und Erträge gleichermaßen der Einkommenssteuer, also auch „Lohn“ im Ruhestand. Nicht nur der/die Weiterarbeitende, sondern auch der Staat und dessen Alters versicherung profitieren nachhaltig von denen, „die einfach nicht aufhören können“.

Nehmen also diese Unermüdlichen jungen Leuten die Arbeit weg? In wenigen Fällen mag dies richtig sein, doch im Allgemeinen handelt es sich um Tätigkeitsfelder in Form auslaufender Projekte oder Arbeitsprozesse, für welche sich ein anspruchsvoller Knowhow-Transfer oder gar eine gezielte Einar beitung eines Nachfolgers nicht mehr lohnt. Dies ist beim Verfasser dieser Zeilen im Staatsdienst und war bei seinem Vater bei der legendären Brown Boveri der Fall. Kurz und salopp: es geht um Auslau fen in Form von Aufräumen.

Die anspruchsvolle Struktur des helvetischen Staates, der seinen Bürgerinnen und Bürgern ein hohes Quantum an Eigenverantwortlichkeit zuweist, hält nach dem offiziellen Eintritt in den „dritten Lebens abschnitt“ eine Menge von anderen hoch- bis gar nicht honorierten Beschäftigungsmöglichkeiten im politischen, sozialen oder pädagogischen Bereich bereit. Die entwickelte schweizerische Demokratie, die vier oder mehr Male pro Jahr zu Abstimmungen und Wahlen auf allen Stufen zur Urne ruft, ver langt eine entsprechende personelle Infrastruktur, sei es in den (nicht vom Staat subventionierten) politischen Parteien bei der Information des Stimmvolks vor Urnengängen, sei es von den Gemeinden beim bis ins Letzte

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durchorganisierten Vollzug der Meinungsbildung am Abstimmungs- oder Wahl-sonntag. Gerne wird dabei auf die Zuverlässigkeit, Erfahrung und Verfügbarkeit der „grauen Panther“ (männliche und weibliche) gezählt. Breit ist der Fächer im sozialen System, in dem die öffentlichen Institutionen auf mannigfache Hilfe aus privaten Kreisen aller Schattierungen angewiesen sind. Wer noch einigermaßen agil ist, steht auch für Kleinigkeiten jenen bei, die mit den Segnungen des mo dernen Alltags Mühe bezeugen. Von der schlichten Aufgabenhilfe bei Migrantenkindern bis hinauf zur Seniorenuniversität reicht schließlich das Spektrum im pädagogischen und Bildungsbereich.

Interessant ist vielleicht, dass weiterarbeitende Ruheständler dies nicht unbedingt im angestammten Beruf tun. Wenn vor dem für den „langsamsten Schnellzug der Welt“ namensgebenden, wenn auch kaum mehr sichtbaren Gletscher die Züge auf einer 1982 aufgelassenen Strecke wieder wie zu Urgroßvaters Zeiten verkehren können, so ist dies neben dem Einsatz vieler „Fronis“ auch manchen rüstigen Rentnern zu verdanken. Das Berufespektrum ist hier beeindruckend.

„Tue Gutes, aber sprich nicht darüber“ könnte die Devise vieler aktiven Pensionisten lauten. Sie helfen Anlässe zu organisieren, arbeiten in kulturellen oder kirchlichen Gremien mit oder sind „Dienstleister“ beim Ausfüllen von Steuererklärungen, beim Umgang mit komplizierten Behörden oder auch ganz einfach in der Nachbarschaftshilfe in der Form einfachen Coachings.

Fazit: manche öffentliche Verwaltung, manche Unternehmung und manche Partei oder Organisation sowie manches wissenschaftliche Vorhaben hätte beträchtliche Mühe, über die Runden zu kommen, könnte sie nicht auf das aktive Mitwirken von Pensionierten, wie sie in der Schweiz heißen, zurück greifen. Materielle Vorteile stehen im Gegensatz zu häufigen Vorurteilen nicht im Vordergrund, son dern meist das Bestreben, Wissen und Erfahrung weiterzugeben, weiterhin Networking zu betreiben und schlicht und einfach „nützlich“ zu sein und – zu arbeiten.

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DIE kalan-stIftung unD DEr ausschuss für coP DIPlomE unD auszEIchnungEn

irena sapac

Als pensionierte Bibliothekarin und Direktorin der Universitätsbibliothek Maribor war ich in den letzten Jahren in den Ausschüssen der Vereinigung Slowenischer Bibliothekare aktiv, und zwar im Vorstand der Kalan-Stiftung und im Ausschuss für Čop Diplome und Auszeichnungen.

kalaN-sTiFTUNG

Die Kalan-Stiftung wurde am slowenischen Bibliothekartag 1974 in Ljubljana gegründet. Der Zweck der Kalan-Stiftung ist es, im Namen des verdienstvollen slowenischen Bibliothekars Pavel Kalan, die fachliche und wissenschaftliche Arbeit der slowenischen Bibliothekare zu fördern. Die Kalan-Stiftung hat individuelle und kollektive Mitglieder. Die individuellen Mitglieder der Kalan-Stiftung sind die slowenischen Bibliothekare und Bibliothekarinnen, die kollektiven die slo-wenischen Bibliotheken. Die Mitglieder ermöglichen das materielle Wirken der Stiftung mit der Zahlung von jährlichen Mitgliedsbeiträgen. Die Kalan-Stiftung wird von der Vereinigung der Bibliothekarsvereine Sloweniens und deren Vorstand verwaltet.

Die Preise der Kalan-Stiftung bekommen diejenigen Bibliotheksangestellten, deren schriftliche wissenschaftliche Arbeiten einen wichtigen Beitrag zur Theorie der slowenischen Bibliothekswissenschaft und einer besseren Bibliothekspraxis leisten. Die Preise der Kalan-Stiftung werden für die besten wissenschaftlichen und fachlichen Arbeiten verliehen, die zwei Jahre vor der Ausschreibung des Vorstandes in Slowenien oder im Ausland publiziert waren.

Der Vorstand der Kalan-Stiftung bewertet die vorgelegten Arbeiten und entschei-det, welche für die Verleihung der Preise in Betracht kommen. Es werden Preise für Arbeiten von höchstens zwei Preisträgern in der Kategorie Diplom-, Magister- und Doktorarbeiten, zwei in der Kategorie für Publikationen der Bibliotheks-Praktiker und einer in der Kategorie der registrierten Wissenschafter ausgeschrieben. Die Preise werden vom Vorstand der Kalan-Stiftung am Slowenischen Bibliothekartag verliehen. Der Vorstand der Kalan-Stiftung bereitet die Ausschreibungen für die

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Preise vor, beurteilt die eingereichten Arbeiten und berichtet über seine Arbeit der Vereinigung Slowenischer Bibliothekare und in der Fachzeitschrift Knjižnica.

Der aUsschUss FÜr ČoP DiPloMe UND aUszeichNUNGeN

Čop Diplome und Auszeichnungen sind nach dem slowenischen Bibliothekar und Gelehrten Matija Čop benannt. Die Čop Diplome werden den Mitgliedern der Vereinigung Slowenischer Bibliothekare für außerordentliche Leistungen auf dem Gebiet der Bibliothekswissenschaft verliehen. Die Diplome werden denjenigen Bibliothekaren verliehen, die zur Entwicklung der bibliothekarischen Theorie und Praxis beigetragen haben sowie für langjährige Arbeit bei der Vereinigung. Čop Auszeichnungen werden für fachliche Leistungen verliehen und zwar an Mitglieder, die sichtlich zum Ansehen und zur Entwicklung einzelner Bibliotheken auf dem Gebiet der Leitung der Bibliothek, der Arbeit mit den Benutzern, dem Aufbau verschiedener Bibliothekssammlungen und zu neuen Technologien beigetragen ha-ben. Čop Diplome und Auszeichnungen werden alle zwei Jahre beim Slowenischen Bibliothekartag verliehen. Čop Diplome und Auszeichnungen werden auf Grund der Ausschreibung, die jedes zweite Jahr in der Fachzeitschrift Knjižnica erscheint, vergeben. Die Kandidaten für die Čop Diplome müssen eine von diesen Bedingungen erfüllen: außerordentliche wissenschaftliche Leistungen und persönliches Engagement auf dem Gebiet des Publizierens, der Ausbildung, Einführung neuer Technologien und Verbesserungen, erfolgreicher Organisationsarbeit bei der Entstehung neuer Bibliotheken, Leitung der Bibliothek und des Bibliotheksnetzes, Verbindungen im staatlichen und inter-nationalen Rahmen.

Die Kandidaten für die Čop Auszeichnung müssen für die Periode der letzten zwei Jahre wenigstens eine der folgende Leistungen vorweisen können: wichtige wissenschaftliche Leistung bei der Leitung einer ganzen Bibliothek oder eines Teiles der Bibliothek, besondere Leistung bei dem Angebot der benutzerfreundli-chen Dienstleistungen, besondere Leistungen beim Sammlungsaufbau, besondere Leistungen bei der Einführung neuer Technologien für die Informationsvermittlung und innovative Lösungen für die leichtere Informationsbenutzung.

Über die Verleihung der Čop Diplome und Auszeichnungen entscheidet eine Kommission, die einen Vorsitzenden und vier Mitglieder hat. Die Namen der Preisträger und kurze Begründungen werden in der Knjižnica und auf der Homepage der Vereinigung Slowenischer Bibliothekare verkündet.

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sEnIormEnt – wIE tEIlE Ich mEIn wIssEn unD mEInE Erfahrung?

Wolfgang schWaB

Schon immer fand ich den Umstand beklagenswert, dass mit der Pensionierung bzw. Emeritierung verdienter ForscherInnen und LehrerInnen plötzlich, ja geradezu schmerzlich, ein Schnitt im Informationstransfer stattfindet. Im Zenit des Wissens und der Erfahrung wird systembedingt (?) eine Trennung vollzogen, die unsinnig erscheint. Dies ist dann besonders gravierend und nachhaltig ungünstig, wenn in kurzer Zeit eine ganze Generation an hervorragenden Persönlichkeiten – nur bedingt durch die Geburtsdaten – schlagartig ausscheidet, da es nur selten zu einem langsamen Ausgleiten kommt.

Ich habe daher die Möglichkeit einer Teilnahme am Programm des Zentrums für Weiterbildung der Karl-Franzens-Universität Graz am Semesterkurs „SeniorMent – wie teile ich mein Wissen und meine Erfahrung?“ gerne aufgegriffen, der im Wintersemester 2007/08 im Rahmen des EU-Projektes „ADD LIFE – ADDing quality to LIFE through inter-generational learning via universities“ durchgeführt wurde.

Der Kurs war gut besucht (12 Personen), ausgewogen zwischen den Geschlechtern, alle am Rand des regulären Erwerbslebens, die alle bereit waren, ihr Wissen an Hilfesuchende weiterzugeben. Als Leiter war es gelungen, den Doyen der Grazer Betriebswirtschaftslehre, Herrn em. Univ.-Prof. Dkfm. Dr. DDr.h.c. Herbert Kraus, zu gewinnen.

Am Beginn stand die Vorstellung theoretischer Modelle: Grundlagen zu Arbeitswelt und Selbstorganisation, Selbstmanagement, Methoden und Instrumente des Mentoring.

Im zweiten Teil ging es um die Umsetzung der erworbenen Kenntnisse in einem Praxisprojekt, wo durch die Mentoren Personen betreut wurden, in der Weise, dass ver-sucht wurde, ihnen bei der Realisierung ihrer Anliegen unter den gegebenen Problemen und Fragestellungen Hilfe zu geben, Möglichkeiten und Strategien der Umsetzung zur Erreichung der angestrebten Ziele zu erarbeiten und umzusetzen. Die Ergebnisse waren überaus interessant, zum Teil verblüffend und zeigten, wie nützlich und sinnvoll, ja notwendig die Wissensübertragung zwischen den Generationen ist.

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rahmEnProgramm

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thE nE(x)t gEnEratIon

solo-kaBarett am festaBend des österreichischen BiBliothekartages 200915. septemBer 2009, graz, kasematten

peter klien

(Sound INTRO:Titelmusik „Star Trek Bibliothekartag“. Bühne ist dunkel und leer)„Der Weltraum. Unendliche Weiten. Wir befinden uns in einer fernen Zukunft. Dies sind die Abenteuer des Raumschiffs Bibliothekartag, das viele Lichtjahre von der Erde entfernt unterwegs ist, um fremde Datenbanken zu entdecken, unbekannte Medienformen und neue Kataloge. Der Bibliothekartag dringt dabei in Theorien vor, die nie ein Mensch zuvor gesehen hat.“

(Licht. Auftritt im Captain-Kirk-Kostüm, mit Phaser-Pistole am Gürtel)Willkommen, bienvenue, welcome – um dem internationalen Flair gerecht zu werden. Meines Wissens sind ja sogar Leute aus Liechtenstein hier. Natürlich könnte ich auch rufen: nuqneH (sprich: „nukhnech“)! So begrüßen einander die Klingonen. Und damit sind wir auch schon beim Thema: The next generation. Apropos Thema. Ich hab ja gedacht, dass das heute Abend hier eine Motto-Party ist. Mit Verkleidung und so. Aber wie das ausschaut, bin ich jetzt hier der einzige im inter stellaren Hochglanzpy jama. Da haben’s mich in der Firma wieder falsch informiert. Dort geht’s halt auch immer ein bisschen chaotisch zu... Für die, die mich nicht kennen: Mein Name ist Peter Klien, und ich arbeite in der Verbundzentrale des Österreichischen Bibliotheken ver bundes.

The next generation, lautet also das Thema des heurigen Bibliothekartages. Zunächst muss ich sagen: Ich fahre seit bald 20 Jahren auf solche Veranstaltungen und seit bald 20 Jahren wird überall von der Zukunft der Bibliotheken gesprochen. Alles ändert sich, nichts bleibt, wie es ist. Nur die Vortragstitel, die ändern sich seit 20 Jahren nicht mehr. Die fangen alle an mit „quo vadis – wohin?“: Wohin in der Katalogisierung? Wohin in der Sacherschließung? Wohin in der Mittagspause? Ich bin ja froh, dass sich dieses allgemeine Blabla heuer in Grenzen hält. Denn ich denke, man kann diese Dinge sehr einfach in einem Satz zusammenfassen: Prognosen sind etwas Schwieriges; insbesondere wenn sie sich auf die Zukunft beziehen. Aber schauen wir uns die Themen des Bibliothekartages einmal ein bisschen genauer an.

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* The next generation: Digitalisierung: Bücher in 0 und 1 verwandeln (das war der Titel eines Vortrags heute). Insofern sind Bibliothekare schon voll digitalisiert. Unter denen gibt es nämlich auch jede Menge Einsen – und einige Nullen. Als ich vor kurzem hier im Land eine Führung durch eine mittelgroße Universitätsbibliothek gemacht hab, hab ich den Kollegen gefragt, wie viele Leute denn hier eigentlich arbeiten würden. Wissen Sie, was er geantwortet hat: „ungefähr die Hälfte“. Es hat ja angeblich auch eine Studie gegeben, in der festgestellt wurde, wie viele Leute pro Bibliothek tatsächlich nur Arbeits-Simulanten sind: „Bibliothek zwei Null.“

* The next generation: Wissensmanagement. Die Kunst, das kollektive Wissen einer Institution so aufzubereiten, dass jeder jederzeit darauf zugreifen kann. Da finden sich dann die Antworten aller Mitarbeiter auf die Fragen: Wie täusche ich einen Krankenstand vor? Wie verschaffe ich mir Installateurtermine? Wie tippe ich scheinbar dienstlich auf der Tastatur?

* The next generation: Katalogisierung: Ich wundere mich, dass hier so viel von Regelwerken die Rede ist. Dabei gibt es in der Katalogisierung eigentlich nur zwei Gesetze: 1. Akzeptiere niemals eine Titelaufnahme, die ein anderer Katalogisierer erstellt hat. 2. Akzeptiere niemals eine Titelaufnahme, die du selbst erstellt hast, sobald sie älter als sechs Monate ist. Oder die Frage, worunter eine Titelaufnahme die Haupteintragung und worunter sie die Nebeneintragung erhalten soll. Haupt- und Nebeneintragungen. Die gibt es zwar seit dem Ende des Zettelkatalogs nicht mehr – also auch gerade erst einmal zwanzig Jahre – aber wer hat schon die Zeit, sich um die Praxis zu kümmern, wenn die Theorie doch um so vieles spannender ist? * The next generation: Klassifikationen. Zum Beispiel die DDC. Klingt das nicht ein bisschen wie eine ansteckende Krankheit? Dabei handelt es sich um die Dewey-Dezimalklassifikation. (In übertrieben englischer Aussprache:) DUI. -- DUI. -- „Tu i so a lange Nummer lesen, tu i mi glei gar nimmer auskennen.“ Ich hab ja lange Zeit geglaubt, dass die DDC-Nummern deswegen so lang sind, weil sie so ermittelt werden, dass man alle Blöcke der ISBN miteinander multipliziert und dann durch die Anzahl der Seiten dividiert. Aber offenbar steckt ein anderes System dahinter.

* The next generation: Sicherheit in Bibliotheken. (Zielt mit dem Phaser aufs Publikum; tut ihn dann weg.) Ist eh auf Betäubungsmode. Bibliotheken sind Orte, die oft sonderbare Menschen anziehen – und ich meine hier nicht in erster Linie die Mitarbeiter. Ich meine die verschiedenen Vertreter gesellschaftlicher Randgruppen: Obdachlose, Drogenabhängige, psychisch Labile. A: „Grüß Gott, haben Sie auch Bücher über Selbstmord?“ B: „Nein, haben wir nicht. Ich kenn das schon. Und dann bringt’s wieder keiner zurück!“

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* The next generation: Benutzerforschung. Das kann man natürlich unterschiedlich verstehen. Manche Bibliotheken wollen auf diese Weise herausfinden, ob in ihren Räumlichkeiten nicht vielleicht doch irgendwo EIN Leser sitzt. Tatsächlich bemisst sich ja der Erfolg einer Bibliothek unter anderem daran, wie viele Leser sie hat. Woran erkennen Sie demnach, dass Ihre Bibliothek nach herkömmlichem Maßstab nur mäßig erfolgreich ist? Wenn es ganze Tage gibt, an denen der einzige Leser, den Sie zu Gesicht bekommen, der Barcode-Leser ist. Es bringt allerdings auch Vorteile, wenn man weniger Benutzer hat. Das fördert die Hygiene auf den Männerklos. Denn dort ist die Leserstrahltechnologie leider nicht besonders ausgereift.

* Ausbildung und Berufsbild. Psychologen teilen ja die Menschen gerne in Alpha-Tiere und Beta-Tiere. Aber es gibt eben auch Alphabet-Tiere: die Bibliothekare. Die meisten Menschen haben ja gar keine Vorstellung davon, was Bibliothekare eigentlich machen. Und natürlich haben sich auch meine Freunde damals gewundert: „Was wirst du? Bibliothekar? Mit deinem Gehirn? Ich mein, du hättest Busfahrer werden können!“ Aber es kennt eben jeder nur die Klischees. In Wahrheit ist es ein sehr spannender Beruf, wo sich inhaltlich vieles tut, wo man viele nette Leute trifft und wo man immer noch ein bisschen Zeit findet, am Abend seinen Hobbys nachzugehen. Ja, ja – auch Bibliothekare haben ein Privatleben. Sogar ein Liebesleben. Man hat zum Beispiel herausfinden können, wie der Traummann der meisten Bibliothekarinnen beschaffen ist. Interessiert Sie das? Der Traummann der meisten Bibliothekarinnen ist freundlich, einfühlsam, intelligent, eins-achtzig groß und 90 Kilo schwer. Und: er ist aus massiver Milchschokolade. Wahrscheinlich deswegen hab ich es immer wieder erlebt, dass Kolleginnen mit den Jahren voll aufgegangen sind in ihrem Job. – Aber egal, wie der Bibliothekar letztlich eingestellt ist zu seiner Arbeit: Er wird auch in Zeiten der Krise immer zu sagen wissen, was die einzig beständigen Wert-Papiere sind: nämlich Bücher!

* The next generation. Elektronische Medien: ebooks, ejournals. Früher waren die Bibliothekare ja elektronische Nackerpatzln. Die haben in Bewerbungsgesprächen bei der Frage nach EDV-Qualifikationen geantwortet: „EDV beherrsche ich grundsätzlich. Insbesondere den einfachen Klick. Doppelklick. Also Maus. E-Mail. E-Mail versenden. E-Mail empfangen. E-Mail löschen. Und Monitor.“ Heute hingegen sind die Bibliothekare alle die totalen Web 2.0-Experten. Die kennen sich überall aus: Weblogs, Facebook, World of Warcraft! Ich sag immer: In meiner Arbeit begegnen einander beide Welten: Buch und elektro nische Medien. Ich muss da besonders an das Buch von Rupert Hacker denken: „Biblio the ka ri sches Grundwissen“. Und andererseits an die Digitale Bibliothek der Europäischen Union „Euro pe a na“. In beiden kann ich mich zur Gänze wiederfinden. Ich bin genau so völlig überar beitet wie die 6. Auflage vom Hacker und genau so völlig überlastet wie der Server von Europeana.

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Die liebe Arbeit. Arbeit bringt niemanden um, heißt es. Stimmt schon. Aber sie macht einen müde. Schon in der Früh verwöhnt sie uns mit der Melodie des Lebens: „tütütüt - tütütüt – tütütüt“. Und danach hält sie uns den ganzen Tag hindurch in Amt und Würgen. Dazu kommen die Mühlen der Hierarchie. Immer muss man sich mit Vorgesetzten herumschlagen. Gut, heute benimmt sich der Chef ja oft wie ein guter Freund. Aber halt wie ein guter Freund, der immer Recht hat. Und wer glaubt, dass ein Abteilungsleiter eine Abteilung leitet, der glaubt wahrschein lich genau so, das ein Zitronenfalter Zitronen faltet. Darum kommen im Normalfall auf einen lei-t-enden Angestellten jede Menge lei-d-ende Angestellte. Im Übrigen herrscht innerhalb einer Institution strenge Arbeitsteilung: Wer etwas kann, der tut es; wer etwas nicht kann, der lehrt es.

Besonders vergnüglich an der Arbeit hab ich ja immer diese Grüßerei gefunden. Schauen Sie: Ich kann verstehen, dass man in der Früh die Kollegen grüßt – nämlich genau dann, wenn man sie das erste Mal zu Gesicht bekommt. „Hallo, Toni“ (winkt rechts). „Morgen, Hans“ (winkt links). „Servus, Eva“ (winkt rechts). Aber dass man jemanden, den man an diesem Tag bestimmt schon sieben Mal gesehen hat, jedes Mal aufs Neue grüßen muss, wenn man ihm am Gang begegnet – das ist doch bitte schön ein wenig sonderbar! (Nickt mit dem Kopf ) „Servas, Gregor“. - (Zieht die Augenbrauen in die Höhe) „Gregor“. - (Zieht nur die Augenbrauen in die Höhe). Noch ärger wird das Ganze gegen Mittag. Das Seltsamste, was ich diesbezüglich je erlebt hab, war, wie mir ein Kollege einmal am Klo die Kabinentür in die Hand gedrückt hat mit den Worten: „Mahlzeit“. Ist mir ein bisschen unpassend erschienen.

Arbeit ist ja ein bisschen wie Emmentaler. Lustig wird es erst durch die Löcher. Darum mögen auch alle die freien Tage so. Am liebsten sollte ja jeder Arbeitstag ein Fenstertag sein. Dabei geht das schon längst. Mit Microsoft Windows. Naja. Wir haben uns das halt ein bisschen anders vorge stellt. Obwohl Computer bestimmt zu den ganz großen Erfindungen der Menschheits geschichte gehören - neben Dampfmaschine, Uhrwerk und wieder verschließbarer Schokolade. Großartige Maschinen, Wunder der Technik, leuchtende Denkmäler des menschlichen Forschergeistes. Und was haben uns Computer nicht alles gebracht! Nackenschmerzen. Sehnenscheidenentzündung. Augenprobleme. Mittlerweile ist ja jeder dritte schon ein kleiner Stevie Wonder (imitiert mit zusammengekniffenen Augen das Tippen auf der Tastatur). Trotzdem nimmt der Computer in vielen Haushalten einen herausragenden Platz ein. Ungefähr dort, wo (jedenfalls in ländlichen Wohnungen) der Herrgottswinkel war. Ein digitaler Herrgottswinkel, könnte man fast sagen. Mit dem Computer als Hausaltar. Und wirklich: Oft sitzt jemand davor und ruft: „Herrgott – kann denn das Zeug nicht endlich funktionieren!?“ Man könnte das noch weiterdenken.

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Für die Tastatur – sozusagen die Hausorgel unter dem Altar – könnte man zur Abdeckung gegen Staub und Schmutz so ein weißes Tuch mit rot aufgesticktem Spruch verwenden. Sie kennen das. Da steht normal immer drauf „Unser Salz – Gott erhalt’s.“ Oder: „Unser Schmalz – Gott erhalt’s.“ Oder: „Hopfen und Malz – Gott erhalt’s“. So etwas könnte doch auch über der Tastatur liegen. Ich weiß zwar eigentlich nicht, wie der richtige Name für das Ding ist. Halt so ein Stickspruch auf einem Stickstoff. Auf dem könnte dann zu lesen sein: „O guter Gott, erspar den Frust / von Absturz und Dateiverlust.“ Wäre das nicht eine schöne Form moderner Religiosität?

Dass man nicht zu viele Probleme hat, darum kann man wirklich nur beten. OK, zugegeben – manchmal sitzt der Fehler vor der Tastatur. Aber der Computer kann schon auch richtig spinnen. Das beginnt damit, dass er mir gleich nach dem Hochfahren drei automatische Programm-Up dates installiert. Im Word will mich diese vertrottelte Büroklammer dann zwingen, einen Brief zu schreiben anstatt eines Protokolls. Und gleich nach der Anmeldung am Mailserver fordert mich das System dazu auf, „im Zuge einer Erhöhung der Sicherheitsstandards“ ein neues Passwort ein zu geben. Ich entscheide mich für ein weniger gebräuchliches Wort (obwohl: ordinäre Sachen möchte ich eigentlich nicht erzählen – es sind ja auch Herren hier!) und tippe ein: „Penis.“ Was schreibt das System zurück? „Ihr Passwort ist zu kurz.“ Und so geht das weiter. Um es abzu kürzen: Das sind die Tage, an denen sich einmal mehr der Unterschied zwischen Mensch und Computer zeigt: Ein Computer braucht zum Abstürzen keinen Alkohol. Und zuletzt sitzt du da vor dem schwarzen Schirm, erschöpft, entnervt, komplett vom Windows verweht.

Aber Gott sei Dank gibt es für solche Fälle den EDV-Support. Das sind jene Leute, die helfen, wo sie können, solange man nicht von ihnen erwartet, dass sie nett sind. Früher hab ich gedacht: Coole Burschen. Die müssen’s wirklich draufhaben. Einmal hat mir gefallen, dass sie dich immer so behandeln, als würdest du aus der Vergangenheit anrufen. „Welche Version haben Sie? 2.0.3.8? Die ist seit drei Wochen veraltet! Wie wär’s wenn Sie sich dafür entscheiden könnten, auf die neueste Version des Browsers upzudaten? Oder würden Sie auch Wurst aus dem Vormonat essen?“ Und dann hab ich mir gedacht, dass die einen irrsinnig lässigen Umgang mit Frauen haben müssen. Ungefähr so: Die neue Mitarbeiterin aus der Erwerbungsabteilung ruft an. Sie sagt, sie braucht dringend eine neue User-ID. Der Support-Django erwidert ihr: „Aber bitte, Brigitte. Bei uns wird die User-ID vom Zufallsgenerator erzeugt. Alles, was ich dafür von dir brauche, ist: deine Haarfarbe, Alter, Maße und Familienstand.“ Die Daten hören sich aufregend an, also schaltet der Support-Django in den zweiten Gang: „Pass auf, Leckerchen. Deine User-ID wird zu Mittag fertig sein. Und wegen der Dringlichkeit der Angelegenheit werd ich sie dir am besten persönlich überbringen.

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Kannst du essen? Kannst du gehen? Lass uns essen gehen!“ Und am Schluss der Mittagspause verabschiedet sich der Support-Django bei seiner neuen Flamme mit den Worten: „Also dann, süße Maus – überleg’s dir bis am Abend. Ich hab ein wirklich exquisites Maus-Bett zu Hause. Und obwohl ich normaler Weise kein Mann bin für eine Nacht – für dich würd’ ich eine Ausnahme machen.“

Aber in Wahrheit sind die ganz anders drauf. Das sind Freaks. Leute mit der sozialen Kompetenz und dem Charisma einer Ninja-Turtle-Plastikfigur. Wenn du einem von denen sagst: „Willst du dir nicht endlich einmal das wirkliche Leben ansehen?“ Dann sagt der: „Gerne! Wo kann ich’s mir downloaden?“ So sind die drauf. Machen sich’s hinterm Monitor bequem und wehren sich auf diese Weise gegen die drei größten Feinde des EDV-Experten: Sonne, Frischluft und das schreckliche Gebrüll der Vögel. Deswegen rennen die dann auch permanent mit dieser intensiven Bildschirmbräune im Gesicht herum – die sich von der Leichenblässe eigentlich nur mehr durch die hochroten Ohren unterscheidet. Und mit Frauen sind die alles andere als lässig.

Dabei ist das leider überhaupt ein Trend geworden: dass sich die Leute lieber im Internet treffen als in der Realität. Da gibt es diese Dienste der neuen Generation: Xing, Bing, Bong und wie die alle heißen. Oder Twitter – das bedeutet ja auf Deutsch übersetzt „zwitschern“. Und dieses... Oder „tirilieren“ Und dieses... „trällern“ könnte man auch sagen. Und dieses ... „schnattern“ genauso. Und dieses... oder auch „tschilpen“. Und dieses... obwohl „tschilpen“ eigentlich kein richtiges deutsches Wort ist. Und dieses Twitter ist ja im Moment der allerletzte Schrei im Social Web. Übrigens hab ich mir jetzt gerade fünf Mal ins eigene Programm hinein getwittert. Mördercool, stimmt’s? Wer’s aber nicht weiß, wie das genau funktioniert: Ich schreib da eine kurze Nachricht – ungefähr so wie ein SMS – und jeder, der auf mich abonniert ist, bekommt die Nachricht dann auf seinen Twitter-Account zugestellt. Oder auf sein Handy. Und wenn dann alle zehn Minuten so eine Twitter-Nachricht per SMS hereinflötet, kann man jedes Mal stolz sagen: “Ah – bei mir piept’s wohl!“ Ich weiß nicht. Früher hat man so etwas „Elektroschocks“ genannt.

Besonders wichtig im Internet sind vor allem die Suchmaschinen. Oder lassen Sie mich präzisieren: EINE Suchmaschine – Google. Die häufigsten Suchbegriffe in Google.at?1. Youtube k klar: Fernsehen ohne Werbung ist perfekt. 2. Wetter k auch klar: oft einmal ist man zu faul aufzustehen und die Vorhänge beiseite zu schieben, um nachzuschauen, was draußen grad so läuft. 3. Google k das versteh ich nicht. Ist das der österreichische Geheimdienst, der versucht, Google zu durchleuchten...?

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Kennen Sie übrigens den dritthäufigsten Hundenamen nach Bello und Rex? „Google“ Die Leute wollen alle so gerne über die ganze Wiese rufen: „Such‘s, Google. Na such‘s!“

Super am Internet ist: die Back-Taste; die fehlt im richtigen Leben öfters. Wenn ich zu einer Freundin sage: „Kathi – du schaust aus als wärst du schwanger“, dann könnt ich so eine Taste auch sehr gut gebrauchen. Denn entweder ist sie schwanger und wollte es aber noch verheimlichen oder sie ist nicht schwanger und glaubt jetzt, dass sie zu dick ist oder sie will eigentlich schon längst schwanger sein, und ich hab sie grade dran erinnert, dass es nicht und nicht geht. In allen drei Fällen würde ich mir nur eines wünschen: Zurück!!!“

Internetsucht. Viele sind betroffen. Aber: fünfmal mehr Männer als Frauen. Warum ist das so? Ich kenn mich ja nicht wirklich aus. Aber eine mögliche Erklärung wäre vielleicht: Beim Internet gibt’s ja immer etwas downzuloaden: Texte, Bilder, Videos, Musik, Programme. Und jedes Mal beim Herunterladen sieht man so ein Fenster mit einem Strich, der immer länger wird – ich weiß gar nicht, wie man den nennt. Ich sag halt einmal „Erwartungsbalken“. Jedenfalls kennen Männer diese Erfahrung sehr gut: dass der Erwartungsbalken so lange anwächst, bis der Download beendet ist. Für Männer ist das eine ziemlich freudvolle Angelegenheit.

Aber ich bin überzeugt: Je mehr das Internet zum Alltag gehört, umso mehr geht das Suchtpotential zurück. Wir stehen ja erst am Anfang. Und übrigens: Vor kurzem ist die erste Ausbaustufe des interplanetaren Internet in Betrieb genommen worden. War auch höchste Zeit! Die NASA hat einfach keine Astronauten mehr gefunden. Die Bewerber haben alle gesagt: „Was? Ins Weltall? Da fahr ich doch nicht hin, wenn ich dafür vier Tage lang aus Facebook aussteigen muss.“ Jaja: der Weltraum. Unendliche Weiten. Und die übernächste Generation wird dann anwenden können, was sie in Klingonisch für den Urlaub gelernt hat: nuqDaq ´oH Qe´QaQ´e´? Wo gibt es hier ein gutes Restaurant?

Meine Damen und Herren – ich danke für Ihre Aufmerksamkeit! Für mich ist es Zeit zu gehen. „Hol mich hier raus, Kitt.“ Nein, falsch. -- „ E.T. nach Hause telefonieren.“ Auch nicht. Ich kann mir dieses blöde Passwort nicht merken.-- Ah, jetzt hab ich’s: „Beam mich rauf, Scotty.“

(Winken; Sound BEAMER; Licht flackert und bleibt dann aus)

ENDE

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DIE autorInnEn unD autorEn

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DIE autorInnEn unD autorEn

raFael ballLeiter der Universitätsbibliothek Regensburg, zuvor Leiter der Zentralbibliothek des Forschungszentrums Jülich. Mitarbeit in Gremien und Arbeitsgruppen zu Bibliotheksmanagement und Wissenschaftskommunikation. Zahlreiche einschlägige Publikationen.

brUNo baUerMag. phil, Studium der Geschichtswissenschaften an der Universität Wien, Leiter der Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien, Vorsitzender der ARGE BibliotheksdirektorInnen.

kaThariNa berGMaNN-PFleGerMag. phil., geb. 1981 in Graz, Studium der Deutschen Philologie an der Karl-Franzens-Universität Graz, Diplomarbeit „Literarische Zeitschriften in Österreich 1938-1945. Seit Herbst 2006 Doktoratsstudium der Deutschen Philologie an der Universität Wien zum Thema „Geschichte der Universitätsbibliothek Graz 1938-1945“.

sUsaNNe blUMesberGerDr., Studium der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft und der Germanistik an der Universität Wien, zahlreiche Forschungen, Projekte, Publikationen und Lehraufträge im Bereich der (Frauen-)biografieforschung und Kinder- und Jugendliteraturforschung. Herausgeberin zahlreicher Sammelbände, u.a. „Kinder- und Jugendliteratur als kulturelles Gedächtnis“ (2008) und „Frauen schreiben gegen Hindernisse II“ (2009). Seit April 2007 Customermanagement für das digitale Langzeitarchivierungssystem Phaidra (Permanent Hosting, Archiving and Indexing of Digital Resources and Assets) an der Universitätsbibliothek Wien.

DeTleV DaNNeNberGDipl.-Bibl. (FH Hamburg), Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg, Bibliothekar im Hochschulinformations- und Bibliotheksservice und Lehrassistent am Department Information.

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axel DÖrrergeb. 1975, neben und nach dem Studium (Media-System-Design) an der Fach-hochschule Darmstadt (bis 2005) mehrere Jahre freiberuflich als Gestalter und Webentwickler tätig. Seit 2007 an der Universität Frankfurt und im HeBIS-Verbund maßgeblich an der Einführung des Authentifizierungs- und Autorisierungs-Infrastrukturverfahrens Shibboleth beteiligt. Mit der Erweiterung des Aufgabenfeldes Mitte 2008 neben der Koordination und Organisation von Statistikanlieferungen, der Qualitätsprüfung und Einpflege von Nutzungsdaten, auch für die technische Betreuung und Entwicklung der Statistikserver im HeBIS-Konsortium verantwortlich.

MoNika eichiNGergeb. 1984 in Linz, Studium Lehramt Deutsch und Geschichte an der Universität Wien, Ausbildung für Deutsch als Fremdsprache, Tätigkeit in der Wienbibliothek im Rathaus, Diplomarbeit zum Thema „Die Studienbibliothek Linz in der NS-Zeit“.

reiNharD elleNsohNMag. phil. MSc, Studium der Violine, Philosophie und Geschichte in Feldkirch, Graz und Wien, Universitätsbibliothek der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien, Lokaler Redakteur Formalerschließung.

ThoMas FeUrsTeiNMag. phil., geb. 1964 in Bregenz, tätig in der Vorarlberger Landesbibliothek seit 1989, bibliothekarische Ausbildung in Zürich 1994/95, Leiter der Abteilung Vorarlbergensien.

MarkUs FriTzDr. phil., Studium der Germanistik und Vergleichenden Literaturwissenschaft in Innsbruck, stellvertretender Direktor des Amtes für Bibliotheken und Lesen, Bozen.

Gabriele FrÖschlDr. phil., Studium der Geschichte in Wien, Österreichische Mediathek, Bereichsleitung Metadatenerfassung und Benutzung, Webprojekte, wissenschaftliche Projekte.

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MarTiN GorskiMitarbeiter in der Direktion der Universitätsbibliothek Regensburg und zuständig für Strategisches Marketing, Projekte und Fachreferat Sportwissenschaft.

sUsaNNe GoTsMyBüchereien Wien / Hauptbücherei, College 5 Kunstraum – Musikbücherei, Lektorat CDs und Noten E-Musik.

aNDrÉ heNselMag. phil., akademischer Bibliotheks- und Informationsexperte, Studium der Geschichte und Germanistik in Klagenfurt, Library and Information Studies in Graz, Bibliotheksleiter der Fachhochschulbibliothek Kärnten.

kariN holsTe-FliNsPachAbschluss als Diplom-Bibliothekarin Köln, Masterabschluss Humboldt-Universität Berlin; Praktische Tätigkeiten: Stadtbibliothek Essen (Zentrale Information, Zweigstellenleitung), Stadt Frankfurt (Ausbildungsleitung Assistenten an Bibliotheken, FaMIs, Archivinspektorenanwärter), Land Hessen (Berufsschullehrerin für angehende FaMIs), zudem Ausschuss-Vorsitzende Prüfungsausschüsse Zwischen- und Abschlussprüfung FaMI, Berufsbildungsunterausschuss, Kommission für Ausbildung und Berufsbilder des BIB.

Nicole hUber–reisiNGerMag., Studium der Betriebswirtschaft an der Johannes Kepler Universität Linz, Abschluss des Lehrganges zur „Diplomierten Controllerin“, Dissertantin zum Thema „Ergebnisorientierte Steuerung an wissenschaftlichen Bibliotheken“. Seit 2002 stellvertretende Leiterin mit den Aufgabenbereichen Personal, Raum und Controlling an der Universitätsbibliothek der Johannes Kepler Universität Linz (derzeit in Karenz).

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Jessica hUbrichM.A., M.L.I.S., Studium der Deutschen Philologie, Ethnologie und Philosophie an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster (Westf.), Studium der Bibliotheks- und Informationswissenschaften an der Fachhochschule Köln, Fachhochschule Köln, Institut für Informationsmanagement (IIM), Teamleiterin DFG-Projekt CrissCross.

eVeliNDe hUTzlerDr., Studium der Fächer Pädagogik, Soziologie und Psychologie an der Universität Regensburg, Ausbildung zum Höheren Bibliotheksdienst in München. Seit 1995 an der Universitätsbibliothek Regensburg tätig, Leiterin der Benutzungsabteilung und zuständig für Öffentlichkeitsarbeit, Leitung der Elektronischen Zeitschriftenbibliothek und des Datenbank-Infosystems. Mitglied in verschiedenen Fachgremien im Bayerischen Bibliotheksverbund und auf nationaler Ebene und Publikationentätigkeit zu den Themen elektronische Zeitschriften und digitale Bibliotheksdienste.

MariaNNe JobsT-rieDerMag.phil, Studium der Germanistik Universität Wien, Direktorin der Flugblätter-, Plakate- und Exlibris-Sammlung an der Österreichische Nationalbibliothek.

WolFGaNG kaiNraThStudium Geographie und Geschichte (Lehramt), Sondersammlungen der Fachbereichsbibliothek Geographie und Regionalforschung, Universität Wien.

axel kaschTeDr., Studium der theoretische Physik an der Humboldt-Universität zu Berlin. Nach dem Fall der Mauer tätig für die Firma Dynix als Softwareentwickler und Spezialist für globale Lösungen, Projektmanager bei Verbundkatalog-Projekten in Deutschland und Washington, Entwicklungsleiter in Provo, Utah, und internationaler Produktmanager, derzeit Strategiedirektor für Europa bei Ex Libris.

aDalberT kirchGässNerDr., Studium der Betriebswirtschaft und Mathematik in Mannheim, Bibliotheksreferendariat in Mannheim und Frankfurt. Seit 1983 Erwerbungsleiter

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und Leiter der Bearbeitungsabteilung an der Bibliothek der Universität Konstanz. Beschäftigt sich seit Jahren intensiv mit Fragen der Betriebsorganisation, der betrieblichen Steuerung und Finanzierungsproblemen des Literatur- und Informationsmarktes.

PeTer klieNMag., geb. 1970, Studium Philosophie und Klassische Philologie (Griechisch) in Wien, Innsbruck und Salzburg. Seit 1992 im Bibliothekswesen tätig, zunächst an der Universitätsbibliothek der TU Wien (Formalerschließung, Systembibliothekar), später an der Österreichischen Bibliothekenverbund und Service GmbH (OBVSG), als PR-Verantwortlicher und Teamleiter Aleph-Lokalsysteme. Nebenberuflich Lektor für Philosophie an der Universität Wien sowie Auftritte als Kabarettist.

Per kNUDseN geb. 1947 in Bergen (N), Studium der BWL/VWL in Mannheim, seit 1975 in der UB Mannheim beschäftigt, stellv. Direktor der Universitätsbibliothek Mannheim.

JoachiM kreischeDr. phil., Studium des Bibliothekswesen und der Sozialwissenschaften in Hannover, stellv. Direktor der Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf.

Ulrike laNGDipl.Bibliothekarin an wissenschaftlichen Bibliotheken, Assistentin der Direktorin der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg Carl von Ossietzky mit Zuständigkeit für Ausbildung, Fortbildung, Personalentwicklung und Gesundheitsmanagement.

rUDolF liNDPoiNTNerDr. phil., Studium der Philosophie und Geschichte an der Universität Salzburg, Oberösterreichische Landesbibliothek Linz, Leiter Bearbeitungsabteilung.

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MarkUs MaiNeTTigeb. 1966 in Bregenz, AHS in Bregenz, HTL-Kolleg für Nachrichtentechnik und Elektronik in Rankweil. Seit 1993 Bediensteter des Amtes der Vorarlberger Landesregierung in der Vorarlberger Landesbibliothek in Bregenz, Aufbau und Betrieb des landeskundlichen Radio- und Fernseharchivs der VLB, Veranstaltungstechnik.

WalTer MeNTzelDr. phil. Studium der Geschichte an der Universität Wien, Projektleiter des Provenienzforschungsprojektes an der Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien. Forschungsschwerpunkte: Zeitgeschichte, Fotografiegeschichte.

siMoNe MoserDr., geb. 1961, Studium der Kunstgeschichte und Volkskunde an der Karl-Franzens-Universität Graz, Leiterin der Bibliothek des MUMOK / Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien; Lehrbeauftragte beim Universitätslehrgang «Master of Science (MSc) Library and Information Studies» an der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien; Auditorin der AKMB (Arbeitsgruppe für Kunst- und Museumsbibliotheken) für Qualitätsmanagementverfahren an Bibliotheken.

WalTer NeUhaUserHofrat Dr., geb. 1933 in Innsbruck. Studium der Klassischen Philologie und Germanistik. Ab 1967 Aufbau und Leitung der Abteilung für Sondersammlungen. 1991-1998 Bibliotheksdirektor der Universität Innsbruck. Seit 1.11.1998 im Ruhestand. Tätigkeiten nach der Pensionierung: Leitung (und aktive Mitarbeit) des von der ÖAW getragenen bzw. vom FWF finanzierten Projektes «Katalog der Handschriften der UB Innsbruck» (bisher sieben Bände, Bd. 8 in Arbeit). Zahlreiche Publikationen zu Handschriftenkunde, Buch- und Bibliotheksgeschichte, insbes. Tirol betreffend, und zu Mittellatein.

chrisToF NieMaNNDr., Studium der Soziologie, Psychologie und der Politischen Wissenschaften an den Universitäten Heidelberg und Salamanca, Promotion am Seminar für Medien- und Kommunikationswissenschaft der Universität Mannheim. Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Universitätsbibliothek Mannheim im DFG-Forschungsprojekt „Collaborative Tagging als neuer Service von Hochschulbibliotheken“.

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achiM ossWalDProf. Dr., Informationswissenschaftler (Konstanz), Historiker und Germanist. Fachhochschule Köln, Lehrgebiet «Anwendung der Datenverarbeitung im Informationswesen»; Studiengangsbeauftragter des berufsbegleitenden Masterstudiengangs Bibliotheks- und Informationswissenschaft; Leiter des Zentrums für Bibliothekarische und Informationswissenschaftliche Weiterbildung (ZBIW) der FH Köln.

aNiTa PraViTsBüchereien Wien / Hauptbücherei, Leiterin College 5 Kunstraum – Musikbücherei, Lektorat Musik / Bildende Kunst.

Michaela PUTzMag. (FH), Studium am FH-Studiengang Informationsberufe in Eisenstadt, seit Ende 2007 Systembibliothekarin an der Universitätsbibliothek Wien.

siGriD reiNiTzerHR Dr., in Pension seit 1.1.2007. Davor ab 1971 Bibliothekarin und ab 1989 Bibliotheksdirektorin der Universitätsbibliothek Graz. Seit 1974 Mitglied der VÖB, 1998 - 2002 Präsidentin der VÖB. Seit 1989 Mitglied des Vereins Deutscher Bibliothekare (VDB), 2003 Ernennung zum Ehrenmitglied des VDB. Internationale Kooperationen mit den Nachbarländern sowie Bibliotheks- und Informationsorganisationen (z.B.: LIBER, ELAG, u.a.). Seit 2004 stellvertretende Vorsitzende der UNESCO-IFAP (Information For All Programme)-Kommission in Österreich und seit 2009 Mitglied der Arbeitsgruppe MoW (Memory Of the World). Mitarbeit bei AIT, CSC-Austria und Steinbeis-Institut Graz (Univ.-Prof. Dr. Walter Koch und Mag. Gerda Koch). Mitglied der BAM-Gruppe Österreich (Bibliotheken, Archive, Museen). Ausbildung über ein EU-Projekt der Universität Graz 2007 zur Mentorin.

ireNa saPaČDr., geb. 1950, Studium der Bibliothekswissenschaft, 1995 bis 2005 Direktorin der Universitätsbibliothek Maribor von, Präsidentin der Vereinigung der Bibliothekare in Maribor. In Pension seit 2006. Tätigkeiten nach der Pensionierung Vorstand der Kalan-Stiftung, im Ausschuss für Cop Diplome und Mitglied der Redaktion der Zeitschrift Knjižnica (Die Bibliothek).

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UrsUla schachl-raberMMag. Dr., Studium der Theologie und Kath. Theologie in Graz und Salzburg, Leiterin der Universitätsbibliothek Salzburg, Leiterin des Provenienzprojektes.

roNalD M. schMiDTDr., Leiter der Gruppe Deutsche Bibliotheksstatistik beim Hochschulbibliotheks-zentrum des Landes Nordrhein-Westfalen in Köln.

sUsaNNe schNeehorsTDiplombibliothekarin, Stadtbibliothek Nürnberg, Fremdsprachenlektorat und Öffentlichkeitsarbeit. Mitglied der Kommission Interkulturelle Bibliotheksarbeit des dbv.

WolFGaNG schWabDr.iur., geb. 1942, Studium der Rechtswissenschaften, Ausbildung für den Höheren Bibliotheksdienst an der ÖNB, Leiter der RESOWi-Bibliothek (Rechts,-Sozial- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultäsbibliothek) der Karl-Franzens Universität Graz, Stellvetreter der Bibliotheksdirektorin der Universitätsbibliothek Graz, Zweiter Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft für das juristische Bibliotheks- und Dokumentationswesen, seit 2007 in Pension. Tätigkeiten nach der Pensionierung. Vortragender am ULG und an der Berufsschule für das Fach Betriebslehre.

irMGarD sieberTDr., Studium der Germanistik und Geschichte an der Philipps-Universität in Marburg. Ausbildung für den Höheren Bibliotheksdienst an der UB Marburg, seit 2000 leitende Bibliotheksdirektorin der Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf.

JaNa soMMereGGer,Mag. Studium der Germanistik sowie Theater-, Film- und Medienwissenschaft in Wien. Seit 2008 pädagogische Mitarbeiterin des Büchereiverbandes Österreichs, Betreuung Projekte.

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Michael sTaUDiNGerStudium der Musikwissenschaft und Italienisch in Wien und Bologna. Zwischen 1997 und 2001 Mitarbeiter bei der Österreichischen Musikzeitschrift und im Archiv des Wiener Konzerthauses sowie Lektor für Musikgeschichte am Institut für Musikwissenschaft der Uni Wien. Seit 2001 stellvertretender Leiter der UB.MDW.

karl FraNz sTockHofrat Dr., geb. 1937 in Graz, Studium der Staatswissenschaften mit Schwerpunkt Statistik und EDV. Bibliotheksdirektor der Technischen Universität Graz, seit 1997 im Ruhestand. Tätigkeiten seit der Pensionierung: Exlibrisforschung, Aufbau bibliographischer Internetdatenbanken, Linolschnittarbeiten, Gestalter von über 100 Exlibris.

eDiTh sTUMPF-FischerDr., Studium der Klassischen Philologie und Archäologie; Ausbildung und Tätigkeit als wissenschaftliche Bibliothekarin, später Leitung der Abteilung für wissenschaftliches Bibliotheks-, Dokumentations- und Informationswesen des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung und Leitung der dortigen Arbeitsgruppe für die Gleichstellung der Frauen im Bundesdienst; Mitarbeit am frauenbiographischen Projekt biografiA (Datenbank, Lexikon, Buchreihe); Publikationen (bis zur Eheschließung 1992 unter dem Namen Edith Fischer) zu Themen des wissenschaftlichen Informationswesens sowie zu frauengeschichtlichen Themen, vor allem über Frauen im österreichischen Buch- und Bibliothekswesen.

WilFrieD sÜhl-sTrohMeNGerBibliotheksdirektor der UB Freiburg im Breisgau. Leiter der UB 1 (sanierungsbedingte provisorische Unterbringung für 4 Jahre in der ehemaligen Stadthalle Freiburg). Leiter der Dezernate Bibliothekssystem und Informationsdienste; Betreuung mehrerer Fachreferate. Langjährige Schulungs- und Lehrtätigkeit auf dem Gebiet der Informationskompetenz/Teaching Library sowie Lehraufträge im Rahmen des Universitätslehrganges Library and Information Studies (Master of Science) in Innsbruck und Wien. Vorträge und Publikationen zum Themenkomplex Teaching Library/Informationskompetenz.

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Willi TreichlerDr., geb. 1941, wissenschaftlicher Assistent an der Universität Zürich, Mitglied des Direktionsstabs an der Schweizerischen Landesbibliothek in Bern betraut mit dem Baureferat. Mitglied der VÖB und seit mehreren Jahrzehnten Kassenprüfer der VÖB. Seit der Pensionierung 2007 Berater für die Schweiz im Bereich Bau von Kulturinstitutionen wie Bibliotheken und Museen.

MarTiN VorberGDipl.-Bibl., M.A. (LIS), Studium der Anglistik (Universität Hamburg) und des Bibliothekswesens (HAW Hamburg), seit 2002 Leiter der «Hengeler Mueller-Bibliothek» an der Bucerius Law School. 2006 bis 2008 arbeitszeitbegleitendes Fernstudium (Humboldt-Universität zu Berlin). Brütet zur Zeit über einem Promotionsvorhaben zu einem bibliotheksbaulichen Thema sowie über dem Projekt «Hengeler Mueller-Bibliothek 2020».

briGiTTe WalliNGer-schorNDr. phil., Studium der Amerikanistik in Salzburg und East Anglia, UK, Universitätsbibliothek Salzburg, Wissenschaftlerin am Provenienzprojekt.

DaNiel WeGergeb. 1975 in Bruneck/Südtirol- Studium in Innsbruck und Siena. Unterrichtstätigkeit an verschiedenen Südtiroler Oberschulen. Bibliothekar in verschiedenen Südtiroler Bibliotheken. Seit 2004 beim Bibliotheksverband Südtirol; seit 2007 dessen Geschäftsführer.

beaTe WeGerergeb. 1964, Bibliothekarin bei den Büchereien Wien, seit 2001 Leiterin der Kinderabteilung (Kirango, der Kinderplanet) der Hauptbücherei Am Gürtel und Kinderbuch-Lektorat; dzt. interimistische Referentin für zielgruppenspezifische Angebote bei den Büchereien Wien. Arbeitsschwerpunkte: Kinderbüchereiarbeit, interkulturelle Büchereiarbeit.

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haralD WeiGelDr., seit 1996 Direktor der Vorarlberger Landesbibliothek in Bregenz, seit 2002 Präsident der Vereinigung Österreichischer Bibliothekarinnen und Bibliothekare, seit 2003 Sprecher von BAM-Austria / Kooperationsinitiative Bibliotheken, Archive, Museen, seit 2006 Präsident des Vereins Bibliotheken der Regio Bodensee.

rÜDiGer WischeNbarTDr., geb. 1956 in Graz, promovierter Literaturwissenschaftler, Journalist, Autor mehrerer Bücher und Berater mit Schwerpunkt internationale Buchmärkte, versucht, die Schnittstellen zwischen Buchkultur und Buchmarkt in seinen Betrachtungen genauer zu untersuchen.

rUTh WÜsTDr., Studium der Amerikanistik und Bibliothekswissenschaft an der FU Berlin, Dissertation in Informationswissenschaft zum Thema Integration neuer Technologien in Bibliotheken. Berufliche Tätigkeiten in den USA, u.a. in Chicago für Bibliothekssoftwarefirmen und als Mitarbeiterin der Library of Congress in Washington DC. Seit 2004 Direktorin der Aargauer Kantonsbibliothek (CH). Daneben Lehrbeauftragte an MAS-Studiengängen der Fachhochschule in Chur und der Universität Zürich.

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schrIftEn DEr vErEInIgung östErrEIchIschEr BIBlIothEkarInnEn unD BIBlIothEkarE

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baND 1eVeliNe PiPP (hrsG.): zUGaNG zUM FachWisseN. oDok ‘05, bozeN 2006 – 220 Seiten – ISBN 978-3-85376-281-3EUR 39,90 (Für VÖB-Mitglieder EUR 29,90)

baND 2haralD WeiGel (hrsG.): Wa(h)re iNForMaTioN. 29. Österreichischer Bibliothekartag Bregenz 2006317 Seiten – ISBN 978-3-85376-282-0EUR 39,90 (Für VÖB-Mitglieder EUR 29,90)

baND 3haralD Tersch: schreibkaleNDer UND schreibkUlTUr. Zur Rezeptionsgeschichte eines frühen Massenmediums2008 – 120 Seiten – ISBN 978-3-85376-283-7EUR 24,80 (Für VÖB-Mitglieder EUR 18,60)

baND 4MarioN kaUFer: erWerbUNGsProFile iN WisseNschaFTlicheN biblioThekeN. Eine Bestandsaufnahme2008 – 91 Seiten – ISBN 978-3-85376-284-4EUR 22,00 (Für VÖB-Mitglieder EUR 16,50)

baND 5eVeliNe PiPP (hrsG.): iNForMaTioNskoNzePTe FÜr Die zUkUNFT. oDok ’07, Graz2008 – 204 Seiten – ISBN 978-3-85376-285-1EUR 39,90 (Für VÖB-Mitglieder EUR 29,90)

baND 6Michael kaTzMayr: aUFTeilUNG Des erWerbUNGsbUDGeTs UND Der erWerbUNGskosTeN iN UNiVersiTäTsbiblioThekeN. Prinzipien wirtschaftlichen Handelns im Bestandsaufbau2009 – 80 Seiten – ISBN 978-3-85376-286-8EUR 18,00 (Für VÖB-Mitglieder EUR 13,50)

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baND 7The Ne(x)T GeNeraTioN. Das aNGeboT Der biblioThekeN. 2010 – 372 Seiten – ISBN 978-3-85376-287-5EUR 39,90 (Für VÖB-Mitglieder EUR 29,90)

baND 8TreNDs, MeGaTreNDs, sackGasseN.2010 – 116 Seiten – ISBN 978-3-85376-288-XEUR 24,80 (Für VÖB-Mitglieder EUR 18,60)