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AUSGABE 2016/2017 | PERSPEKTIVEN FÜR IHR BERUFSLEBEN Berufliche Reha ORIENTIEREN Gut vorbereitet dank Beratung und Checkliste ENTSCHEIDEN Wie andere ins Arbeitsleben zurückfanden BEWERBEN Tipps zum Umgang mit einer Behinderung

Themenheft durchstarten - Berufliche Reha | 2016€¦ · Foto: BMAS/Plambeck . ANDREA NAHLES. MEHR MÖGLICH MACHEN , WENIGER BEHINDERN. Mit der Weiterentwicklung . des Rehabilitationsrechts

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A U S G A B E 2 0 1 6 / 2 0 1 7 | P E R S P E K T I V E N F Ü R I H R B E R U F S L E B E N

Berufliche RehaORIENTIERENGut vorbereitet dank Beratung und Checkliste

ENTSCHEIDENWie andere ins Arbeitsleben zurückfanden

BEWERBENTipps zum Umgang mit einer Behinderung

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Themenheft 2016/2017 Berufliche RehaORIENTIEREN INHALT

FÄHIGKEITEN EINBRINGENRund 17 Millionen Menschen in Deutschland haben

eine (drohende) Behinderung und etwa 7,5 Millionen

eine Schwerbehinderung. Ihr Ziel ist, selbstbestimmt zu

leben – dazu gehört auch der Beruf. Diese Broschüre

zeigt anhand konkreter Beispiele und Informationen,

wie berufliche Teilhabe gelingen kann.

IMPRESSUM HerausgeberBundesagentur für Arbeit, Nürnberg

VerlagMeramo Verlag GmbH, Gutenstetter Straße 8d, 90449 NürnbergTel. 0911 937739-0 Fax 0911 937739-99E-Mail: [email protected]

Redaktion BerufsfeldmedienGesamtleitung: Rainer MöllerChefredaktion: Helmut StanglRedaktion: Samuel Heller, Evelyn SchulzArt Direktorin: Viviane SchaddeLayout: Nicole Süß, René Weinberg Lektorat: Edith BackerTitelfoto: Martin Rehm Wir fotografierten im Novina Hotel in Herzogenaurach und bedanken uns für die freundliche Unterstützung.

AutorinnenSabine Olschner, Veronika Wiggert

DruckAlpha Print Medien AG, Darmstadt

RedaktionsschlussJuni 2016

HaftungsausschlussFür die Richtigkeit der Eintragungen kann – auch wegen der schnellen Entwicklung in Gesellschaft, Wirtschaft und Technik und der großen regionalen Unterschiede – keine Haftung übernommen werden. Bitte informieren Sie sich bei Ihrer Agentur für Arbeit, ob in der Zwischenzeit in einzelnen Punkten Änderungen eingetreten sind.

Copyright© Bundesagentur für ArbeitAlle Rechte vorbehalten. Der Nachdruck, auch aus-zugsweise, sowie jede Nutzung der Inhalte bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. In jedem Fall ist eine genaue Quellenangabe erforderlich. Bilder dürfen grundsätzlich nicht genutzt werden. Mit Namen gekennzeichnete Artikel geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Herausgebers wieder.

BestellungenDas Heft kann über den Bestellservice der Bundesagentur für Arbeit im Internet bezogen werden:www.ba-bestellservice.de

Überblick Starthilfe in ein neues Arbeitsleben ............................................................... 4

GesprächBundesarbeitsministerin Andrea Nahles über Teilhabe ......... 6

BeratungsangebotDie Agenturen für Arbeit helfen weiter .................................. 8

PorträtsWie andere ins Arbeitsleben zurückfanden ..............................12

InterviewBerater Klaus Käppel gibt Auskunft ............................. 20

Weitere Themen

Bewerben Stellensuche und Vorbereitung .............................. 22Checkliste Behinderung erwähnen oder nicht? ................................. 25Service Fachbegriffe und Internetadressen ........................26

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Themenheft 2016/2017 Berufliche RehaORIENTIEREN EINFÜHRUNG

STARTHILFE IN EIN NEUES ARBEITS-LEBENMenschen mit Behinderungen möchten wie andere auch am Berufsleben teilhaben. Damit dies gelingt, helfen die Agenturen für Arbeit weiter. In Zusammenarbeit mit anderen Rehabilitationsträgern bieten sie Unterstützung für den Wiedereinstieg in den Beruf.

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Ein Praktikum ist eine Möglichkeit, herauszufinden, ob eine neue Stelle oder Branche für Sie infrage kommt.

eine Erkrankung oder ein Unfall können unser Leben radikal auf den Kopf stellen. Was früher möglich war – zum Beispiel langes Sitzen und Ste-

hen oder feinmotorische Tätigkeiten –, fällt plötzlich schwer oder ist nicht mehr möglich. Diese neue Situation hat auch Einfluss auf den Beruf. Einsatzmöglichkeiten ändern sich, eventuell müssen Sie sogar in einen anderen Arbeitsbereich wechseln. Solche einschneidenden Veränderungen bringen viele Unsicherheiten mit sich: Wie geht es weiter? Wer kann mir weiterhelfen? Jede Neurorientierung, jeder Neuanfang birgt aber auch Chancen.

Ansprechpartner in den Agenturen für Arbeit In dieser Umbruchszeit der beruflichen Rehabilitation stehen Ihnen Fachleute verschiedener Rehaträger zur Seite. Maxi-me: Menschen, die behindert oder von einer Behinderung bedroht sind, sollen nicht benachteiligt werden. Dazu ist es wichtig, dass Sie sich intensiv mit Ihrer veränderten Leis-tungsfähigkeit auseinandersetzen und diese auch akzeptie-ren. Die Suche nach Unterstützung ist ein erster wichtiger Schritt: In der Zusammenarbeit mit anderen Rehaträgern

setzt sich die Bundesagentur für Arbeit für den Erhalt des Arbeitsplatzes oder die berufliche Wiedereingliederung ein. Die Rehabilitandinnen und Rehabilitanden erhalten verschiedene Leistungen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben. In allen Agenturen für Arbeit stehen speziell qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Teams Reha/SB allen Menschen mit Behinderungen oder solchen, die davon bedroht sind, beratend zur Seite. Sie suchen ge-meinsam mit Ihnen nach Möglichkeiten der weiteren Teil-habe am Arbeitsleben und legen zusammen mit Ihnen und abgestimmt auf Ihren individuellen Bedarf die erforderlichen Maßnahmen und Leistungen fest. Dazu gehören zum Bei-spiel arbeitsunterstützende Maßnahmen, Weiterbildungen

sowie Unterstützung bei der Aufnahme in ein Integrations-projekt oder in eine Werkstatt für behinderte Menschen. Der Leitsatz der beruflichen Rehabilitation lautet dabei: so normal wie möglich, so speziell wie nötig.

Veränderung als ChanceDie Beraterinnen und Berater helfen vom ersten Schritt an, der oft der schwerste ist. Zur Unterstützung können sie zusätzlich auf die Fachdienste im eigenen Haus zurückgrei-fen: Ärztlicher Dienst, Berufspsychologischer Service und

Technischer Beratungsdienst (siehe Infokasten auf Seite 9). Für viele Menschen ist es zunächst eine große Belastung, sich mit der neuen, ungewohnten Lebenslage auseinander-zusetzen. In den Beratungsgesprächen finden sie Gehör für Ängste und Sorgen, die die neue Situation für sie mit sich bringt. Sich einzugestehen, dass man nicht mehr so kann wie früher, ist schmerzlich und braucht Zeit. In den Gesprächen mit den Beratungsfachkräften der Reha/SB-Teams lernen Menschen mit Behinderungen, schrittweise ihre körperliche Einschränkung und/oder ihre psychische Belastung zu akzeptieren. Erst dann ist es möglich, die ver-änderte Situation als Chance zu sehen und neue berufliche Wege einzuschlagen.

Sich neu orientierenIm nächsten Schritt suchen die Betroffenen nach neuen Betätigungsfeldern: Was interessiert mich besonders? Was wollte ich immer schon mal machen? Dabei ist es sinnvoll, ehrlich zu sich selbst zu sein und zu erörtern, wo die eige-nen Stärken und Schwächen liegen. Aus dieser Bestands-aufnahme ergibt sich schließlich eine neue Zielrichtung, mit der Sie nach geeigneten Tätigkeiten suchen können. Bei diesem Prozess stehen Ihnen die Beraterinnen und Be-rater der Reha/SB-Teams zur Seite. Wichtige Hintergrund-informationen zu einzelnen Berufen liefern die Berufs-informationszentren (BiZ) der Agenturen für Arbeit sowie diverse Medienangebote der Bundesagentur für Arbeit (siehe Seiten 8/9). Ist die Entscheidung gefallen, können Sie die nächste Phase einleiten und Ihr neues Ziel angehen.

Entscheiden und bewerben Eine berufliche Umorientierung bedeutet nicht immer ei-nen kompletten Stellenwechsel. Oft genügen bereits klei-nere Veränderungen am Arbeitsplatz oder der Wechsel in eine andere Abteilung innerhalb des Betriebes. Wer jedoch gänzlich neu startet, für den macht vielleicht eine Testphase Sinn. Ein betriebliches Praktikum vermittelt erste Einblicke in die Anforderungen und Tätigkeiten, die der gewünschte Beruf mit sich bringt.

Die nächste große Hürde sind schließlich Bewerbungen. Möglicherweise liegt die letzte schon Jahre zurück und es fehlt die Übung. Auch hat sich mit den elektronischen Medien in den vergangenen Jahren viel verändert. Unter-nehmen verlangen eine Bewerbung per E-Mail oder Online-Formular. Auch dabei helfen die Agenturen für Arbeit, indem sie spezielle Trainingsprogramme anbieten sowie Computer- oder Bewerbungsseminare vermitteln. Danach steht einer erfolgreichen Bewerbung nichts mehr Weg!

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Themenheft 2016/2017 Berufliche Reha

„AUCH WENN SICH EINE TÜR SCHLIESST UND DER ALTE BERUF NICHT MEHR MÖGLICH IST, KANN SICH

EINE NEUE CHANCE AUFTUN.“

ORIENTIEREN GESPRÄCH

INTERVIEW

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ANDREA NAHLES

MEHR MÖGLICH MACHEN, WENIGER BEHINDERN

Mit der Weiterentwicklung des Rehabilitationsrechts verbinden die Betroffenen die Hoffnung auf mehr Teilhabe und Selbstbestimmung. Im Interview äußert sich Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles dazu.

Frau Ministerin, welche generelle Ziel setzung verfolgen Sie mit dem Bundes teilhabegesetz, das in dieser Legislatur periode umgesetzt werden soll?

Andrea Nahles: Mit dem neuen Bundesteilhabege-setz wollen wir mehr möglich machen, weniger behin-dern. Wir wollen erreichen, dass in der Eingliederungs-hilfe der Mensch künftig noch stärker im Mittelpunkt steht – durch mehr Selbstbestimmung und Teilhabe. Was die Menschen mit Behinderungen an Unterstüt-zungsleistungen bekommen, soll nicht mehr davon abhängig sein, wo sie wohnen, sondern davon, was sie brauchen.

Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten geplanten gesetzlichen Änderungen?

Andrea Nahles: Bei dem, was viele Menschen mit we-sentlichen Behinderungen als „Anspar- und Heiratsverbot“ erleben, werden wir Verbesserungen erreichen. Wer arbei-tet, soll das auch auf dem Konto sehen: Die Freibeträge, ab denen das Einkommen zur Beteiligung an den nötigen Unterstützungsleistungen herangezogen wird, steigen deutlich. Mehr Sparen und Vermögensaufbau werden ebenfalls möglich. Und ab 2020 soll auch das Einkommen der Lebenspartner gar nicht mehr angerechnet werden.

Wie soll eine bessere Zusammenarbeit aller Beteiligten – also der staatlichen Stellen untereinander und der Leistungsbezieher – umgesetzt werden?

Andrea Nahles: Bisher ist es ziemlich kompliziert, alle nötigen Unterstützungsleistungen zusammenzubekom-men, damit der Alltag läuft. Künftig soll ein Antrag rei-chen, auch wenn Sozialamt, Arbeitslosen-, Renten- und Unfallversicherung sowie Kranken- und Pflegekassen für die unterschiedlichen Reha- und Pflegeleistungen zustän-dig bleiben. Ein Antrag genügt, die Zuständigkeiten klären die Träger dann untereinander: Das spart viele Wege, Anrufe und E-Mails – und ist eine echte Erleichterung.

Sie planen ein bundesweites Budget für Arbeit – was ist das und für wen ist diese Leistung bestimmt?

Andrea Nahles: Die Werkstätten für Menschen mit Behinderungen leisten wertvolle Arbeit, aber so mancher würde sein Glück gern auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt versuchen. Deshalb machen wir anstelle der Werkstatt-leistungen künftig auch Lohnkostenzuschüsse und Unter-stützung im Betrieb möglich – mit dem Budget für Arbeit. Dabei haben wir auch die Menschen im Blick, die unver-mittelt aus dem Berufsleben gerissen wurden und voll erwerbsgemindert daheimbleiben – weil es für sie bisher praktisch keine Angebote außerhalb der Werkstätten gibt.

Welche Unterstützungsangebote gibt es für behinderte Menschen am Arbeitsplatz?

Andrea Nahles: Eine ganze Menge: Die Agenturen für Arbeit, Jobcenter und weitere Rehabilitationsträger kön-nen beispielsweise mit Eingliederungszuschüssen helfen. Die Integrationsämter der Länder und Rehabilitationsträ-ger sind für die behinderungsgerechte Ausstattung von Arbeitsplätzen verantwortlich. Integrationsfachdienste unterstützen die behinderten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die einen besonderen Bedarf an arbeitsbe-gleitender Betreuung haben. Außerdem schaffen wir mit der Öffnung der Integrationsbetriebe gerade eine weitere Beschäftigungsmöglichkeit für langzeitarbeitslose schwer-behinderte Menschen. Und mit dem neuen Programm „In-klusionsinitiative II – Alle im Betrieb“ stellen wir aus dem Ausgleichsfonds ab diesem Jahr insgesamt 150 Millionen Euro zur Verfügung, um in den nächsten Jahren zusätz-liche Ausbildungs- und Arbeitsplätze in Integrationsfirmen zu schaffen.

Frau Nahles, der Arbeitsmarkt wandelt sich. Arbeitgeber suchen Fachkräfte – in einigen Branchen herrscht schon jetzt ein Mangel an Bewerberinnen und Bewerbern. Eine Chance für Menschen mit Behinderungen?

Andrea Nahles: Ja, und wir müssen sie nutzen. Auf einem robusten Arbeitsmarkt sind die Startbedingun-gen besser – und die Agenturen für Arbeit und Job center beraten individuell und unterstützen durch berufliche Aus- und Weiterbildungsförderung. Doch leider beschäf-tigen 39.000 Unternehmen in Deutschland nach wie vor keinen einzigen schwerbehinderten Menschen. Das ist ein unhaltbarer Zustand, dem wir nicht nur mit der Aus-gleichsabgabe, sondern vor allem mit viel Überzeugungs-arbeit begegnen müssen.

Was sagen Sie den Unternehmen, die einen großen Aufwand vermuten, wenn sie einen Menschen mit Behinderung beschäftigen?

Andrea Nahles: Da kann ich nur sagen: Probieren Sie es einfach mal aus. Dann werden Sie merken, dass Men-schen mit Behinderung oftmals hoch qualifiziert und sehr motiviert sind. Auch dafür gibt es bereits Fördermöglich-keiten, zum Beispiel die Probebeschäftigung.

Wenn Ihnen ein Mensch mit kürzlich erworbe-ner Behinderung sagen würde: Frau Nahles, ich sehe so viele Hürden – ich glaube, ich schaffe das mit dem Wiedereinstieg auf dem ersten Arbeitsmarkt nicht. Was sagen Sie ihm dann?

Andrea Nahles: Sie sind mit dem Gefühl nicht allein. Aber es gibt viele Unterstützungsleistungen, die es möglich machen, im Arbeitsleben bald wieder auf eigenen Beinen zu stehen. Meine Erfahrung ist: Auch wenn sich eine Tür schließt und der alte Beruf nicht mehr möglich ist, kann sich eine neue Chance auftun. Die Beraterinnen und Berater der Agenturen für Arbeit und der Integrations-ämter sind versierte „Türöffner“.

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Die Freibeträge für das Einkommen von Menschen mit Behinderungen sollen künftig steigen.

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Die örtlichen Agenturen für Arbeit und ihre Teams Reha/SB sind Ihre Anlaufstellen für die berufliche Teilhabe.

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Themenheft 2016/2017 Berufliche RehaORIENTIEREN AGENTUREN FÜR ARBEIT

EIN ERSTER ÜBERBLICK Bei der beruflichen Neuorientierung treten gerade zu Beginn viele Frage-zeichen auf. Die Bundesagentur für Arbeit bietet Ihnen kompetente Unterstützung und umfangreiche Informationen über verschiedene Berufe und Tätigkeitsbereiche.

wer nach dem Ausbruch einer Krankheit oder einer Verletzung erfährt, dass es mit der Berufstätigkeit nicht mehr in der gewohn-

ten Form weitergeht, muss sich erst einmal neu orientieren. Doch das fällt gerade anfangs nicht leicht. Da ist zum einen das berufliche Umfeld, wie Kollegen oder Aufgaben, die man gewohnt war, zum anderen aber auch der Beruf selbst, den man vor Jahren bewusst gewählt hat. Plötzlich heißt es, neue Wege zu gehen. Aber wie? Und wohin? Eine Bestandsaufnah-me der aktuellen Situation steht dabei am Anfang. Dabei ist es wichtig, auf sein Gefühl zu hören und vor allem ehrlich zu sich selbst zu sein: Was möchte ich und was nicht? Was kann ich? Wo liegen meine Stärken und wo habe ich Schwächen? Darauf aufbauend folgt schließlich als nächster Schritt die kritische Selbsteinschätzung: Wo liegen meine besonde-ren Fähigkeiten, die ich für einen neuen Berufsweg nutzen kann? Was hat mir in meinem bisherigen Beruf besonders Spaß gemacht? Was ist mir besonders gelungen? Womit war ich erfolgreich? Auch das Einbeziehen von außerberuflichen Fähigkeiten und Kompetenzen – wie Hobbys oder ein Eh-renamt – sowie von besonderen Inte ressen ist sinnvoll, wenn man nach einer neuen beruflichen Tätigkeit sucht. Die Agenturen für Arbeit helfen Ihnen bei der Beantwortung dieser ersten Fragen. Aber auch, wenn Sie schon konkrete Branchen oder Berufe im Auge haben, sind sie die richtige Anlaufstelle, um sich genauer zu informieren.

Persönliche BeratungDie Agenturen für Arbeit bieten vielfältige Möglichkeiten, nach einer neuen, passenden Tätigkeit zu suchen. In einem persönlichen Beratungsgespräch beim Team Reha/SB kön-nen Sie zunächst über Ihre beruflichen Wünsche und die Möglichkeiten einer neuen Arbeit sprechen. Vielleicht ist es auch nicht das erste Mal, dass Sie sich in einer Phase der Umorientierung befinden. Wer mit körperlichen Einschrän-kungen lebt, kann immer wieder in die Situation geraten, dass sich diese verschlechtern und eine andere Form der Tätigkeit gefunden werden muss. In diesem Fall können Sie zusammen mit Ihrer Beraterin oder Ihrem Berater auf bis-herige Bestandsaufnahmen aufbauen und überlegen, was Sie benötigen, um Ihre Ideen in die Tat umzusetzen. Gerade diese sehr persönlichen Gespräche bieten die Möglichkeit, individuelle Lösungen zu finden. Denn eines ist sicher: Jeder hat seine eigene Ausgangssituation, die darüber entscheidet, welche Arbeit passt und welche nicht. Darüber hinaus kann Sie die Beratungsfachkraft über Berufsbilder und Tätigkeiten genauer informieren und Ihnen Tipps für die weitere Recher-che geben. Manchmal wird auch einer der Fachdienste (sie-he Kasten) ins Boot geholt. Die Beratungsfachkräfte ziehen deren Gutachten heran, wenn sie gemeinsam mit Ihnen über Maßnahmen und Förderungen entscheiden, um Sie wieder in Arbeit zu bringen oder Ihren bisherigen Arbeitsplatz zu erhalten.

Alles über BerufeAußer einem Beratungsgespräch lohnt sich der Besuch bei einem der Berufsinformationszentren (BiZ), die zu den Agenturen für Arbeit gehören. Hier können Sie gezielt nach Berufsgruppen und Weiterbildungen recherchieren. In den 28 durchstarten Infomappen finden Sie zum Beispiel Anregungen

zur beruflichen Umorientierung oder Weiterentwicklung. Jede Mappe beschäftigt sich mit einem bestimmten Berufsfeld, wie etwa „Handel und Sekretariat“ oder „Lebensmittel, Getränke” oder „Elektro“. Unter www.arbeitsagentur.de > Bürgerinnen und Bürger > Arbeit und Beruf > Berufswahl > Berufsinforma-tionszentren sehen Sie einen Einführungsfilm zum BiZ. Eine weitere Möglichkeit ist, über eines der Internetangebote der Bundesagentur für Arbeit nach verschiedenen Berufen, Weiterbildungen und passenden Einsatzmöglichkeiten zu su-chen. Für einen Überblick, welche Berufe es überhaupt gibt, eignet sich das Portal BERUFENET am besten. Sie können es unter www.berufenet.arbeitsagentur.de aufrufen. Dort sind ungefähr 3.200 Berufsbeschreibungen zu finden. Wer es noch anschaulicher mag, kann sich im BERUFETV unter www.berufe.tv Filme über 350 verschiedene Ausbildungs- und Studienberufe anschauen. Die Filme ergänzen die Da-tenbank BERUFENET und bieten den idealen Einstieg in die Berufsorientierung. Zum Thema „Chancen mit Behinderung“ gibt es unter „Berufsgruppen“ extra einige Überblicksfilme, zum Beispiel das Video „Unfall oder Krankheit, und dann?“.

Wenn Sie sich schon für eine bestimmte Tätigkeit ent-schieden haben, aber noch nicht wissen, welches der richtige Bildungsveranstalter für die Verwirklichung Ihres Berufs wunsches ist, können Sie sich auf KURSNET unter www.kursnet.arbeitsagentur.de informieren. Deutschlands größte Aus- und Weiterbildungsdatenbank enthält unge-fähr 1,2 Millionen Bildungsveranstaltungen von 18.000 An-bietern. Unter „Für Bildungssuchende“ gibt es auch einen Bereich „Berufliche Rehabilitation“. Ausgehend von einem gewünschten Beruf und Ort zeigt Ihnen außerdem der Berufs-ent wicklungsnavigator (BEN) unter www.ben.arbeitsagentur. de passende Informationen für Berufswechsel oder Weiterbil-dung an.

Spezielle InformationenAußer den Internetportalen der Bundesagentur für Arbeit ge-hen auch andere konkret auf die Fragen von Menschen mit Behinderungen ein. Das praxisorientierte Informationsportal www.talentplus.de zum Thema „Arbeitsleben und Behinde-rung“ richtet sich sowohl an Arbeitnehmer als auch Arbeit-geber. Es informiert über Fördermöglichkeiten und spezielle Angebote für Arbeitnehmer und arbeitsuchende Menschen mit Behinderungen und gibt Antworten auf Fragen wie zum Beispiel: Welche Rechte und Pflichten habe ich als behinder-ter Arbeitnehmer? Welche Möglichkeiten gibt es, wenn die Arbeitsanforderungen zu hoch geworden sind? Ein Lexikon, in dem die wichtigsten Begriffe zum Thema erklärt werden, rundet das Angebot ab.

Auf der Internetseite www.rehadat.info, die vom Bundes-ministerium für Arbeit und Soziales gefördert wird, erhalten Sie beispielsweise Informationen über Urteile und Geset-ze zur Teilhabe am Arbeitsleben oder Praxisbeispiele aus Unternehmen. Sie können dort auch einen Newsletter mit Neuigkeiten zur beruflichen Teilhabe bestellen.

Trotz der vielfältigen Informationsquellen im Internet oder den Agenturen für Arbeit lohnt sich auch ein Praxistest in Form eines Praktikums. So können Sie am besten auspro-bieren, ob Ihnen die angestrebte Branche und die gewünschte

neue Tätigkeit liegen. Aber: Bevor Sie die Branche wechseln, können Sie auch erst einmal überlegen, auf welche Kennt-nisse aus Ihrem bisherigen Beruf Sie in einem anderen Beruf der gleichen Branche aufbauen können. Das fällt oft leichter, als sich auf komplett neues Terrain zu wagen.

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In den Agenturen für Arbeit finden Sie persönliche Beratung zu Ihren individuellen Fragen.

infoDie Fachdienste der Agenturen für Arbeit leisten wäh-rend der Orientierungsphase zusätzliche Unterstüt-zung. Sie werden von den Beraterinnen und Beratern der Teams Reha/SB hinzugezogen, wenn es Fragen zum Beispiel zur individuellen Einsatzfähigkeit oder zur Einrichtung des Arbeitsplatzes gibt.

Ärztlicher Dienst (ÄD)Dieser wird zurate gezogen, um die Leistungsfähig-keit und Belastbarkeit bei der Ausübung bestimmter Tätigkeiten zu prüfen. Nicht immer muss dafür ein persönlicher Untersuchungstermin vereinbart werden. Liegt das Einverständnis der betreffenden Person vor, können die Ärztinnen und Ärzte des Fachdienstes zum Beispiel auch ärztliche Befunde sowie den Entlas-sungsbericht der Reha-Klinik auswerten, um weitere Informationen über die Behinderung zu erhalten. Erforderlich ist, dass ein Gesundheitsfragebogen aus-gefüllt und die behandelnden Ärzte von ihrer Schwei-gepflicht entbunden werden. Der Ärztliche Dienst kann schließlich Vorschläge für weitere besondere Leistungen und Förderungen im Sinne der beruflichen Rehabilitation machen. www.arbeitsagentur.de > Institutionen > Ärzte

Berufspsychologischer Service (BPS) Jede Agentur für Arbeit verfügt über einen Berufspsy-chologischen Service. Die Psychologinnen und Psycho-logen beraten zu beruflichen Zielen und schätzen die Eignung für einen Beruf ein. Sie führen dazu Gespräche über den bisherigen Berufs- und Lebensweg. Außerdem kommen beim BPS Tests zur Anwendung, die Leistung, Fähigkeiten, Pesönlichkeit und Interessen ermitteln.www.arbeitsagentur.de > Institutionen > Psychologen

Technischer Beratungsdienst Die Ingenieurinnen und Ingenieure des technischen Beratungsdienstes werden von den Reha/SB-Teams der Agenturen vor allem hinzu gezogen, wenn es um die passgenaue Gestaltung des Arbeitsplatzes geht. Dazu gehören zum Beispiel besondere technische Hilfen oder Geräte, die das Arbeiten erleichtern, oder auch die Einrichtung eines barrierefreien Zugangs zum Arbeitsplatz. Ziel ist, den Betroffenen die Ausübung des Berufs so einfach wie möglich zu machen.

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Themenheft 2016/2017 Berufliche RehaORIENTIEREN CHECKLISTE

ORIENTIEREN, ENTSCHEIDEN, BEWERBEN Wo stehe ich? Wo will ich hin? Wie komme ich dahin? Die beruf-liche Reha ist ein mehrstufiger Prozess. Diese Checkliste hilft bei der systematischen Vorbereitung der einzelnen Schritte.

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Machen Sie einen Haken dran – die Checkliste fasst für Sie wesentliche Punkte aus dieser Broschüre zusammen.

checkliste ORIENTIEREN1) Die SituationsanalyseIch habe …

□ ... mir meine Einschränkungen bewusst gemacht und weiß, welche Auswirkungen diese hätten, wenn ich weiter im erlernten oder zuletzt ausgeübten Beruf tätig wäre. □ ... mich realistisch selbst eingeschätzt und nehme deshalb die Hilfe anderer Menschen an, um im Alltag zurechtzukommen. □ ... trotz meiner Einschränkungen meine Aktivitäten nicht aufgegeben und versuche, meinen Interessen und Hobbys nachzugehen. □ ... mich über infrage kommende Hilfen, beispiels-weise zum Erreichen des Arbeitsplatzes oder zur Sicherung der Teilhabe am Arbeitsleben, informiert.

Ich besitze … □ ... Stärken und weiß, womit ich am alten Arbeitsplatz überzeugen konnte und welche meiner persönlichen Eigenschaften dort gefragt waren. □ ... Interessen und weiß, was mich an meiner bisherigen beruflichen Tätigkeit gereizt hat und welche anderen Aufgaben ich außerdem gern erledigen würde. □ ... Fähigkeiten, die sich aus meinen Hobbys oder an-derweitigem Engagement ergeben haben und die mir auch beruflich nützen könnten.

Schlüsselqualifikationen:

Interessen:

Fachliche Kompetenzen:

2) Die Informationsquellen □ Kennen Sie das Berufsinformationszentrum in Ihrer Agentur für Arbeit? Einen Einführungsfilm und eine Adressliste finden Sie unter www.arbeitsagentur.de/biz. □Haben Sie schon mindestens ein Gespräch mit einer speziell geschulten Beratungsfachkraft Reha/SB geführt und wurden alle Ihre Fragen beantwortet?

□Kennen Sie die Fachdienste der Bundesagentur für Arbeit wie den Ärztlichen Dienst oder den Berufs psychologischen Service? Informieren Sie sich unter www.arbeitsagentur.de > Bürgerinnen und Bürger > Menschen mit Behinderung > Beratung. □Wussten Sie, dass die Arbeitsvermittlung der Agentur für Arbeit bei der Suche nach einer passenden Stelle hilft und Bewerbungsmöglichkeiten sowie Strategien aufzeigt?

ENTSCHEIDEN3) Die BerufsweltIch kenne …

□ ... das BERUFENET unter www.berufenet.arbeitsagentur.de. Informieren kann ich mich dort über Ausbildungsgänge für Menschen mit Behinderung, Ausbildungsberufe, Weiterbildungsberufe, Studienfächer und Hochschulberufe. □ ... die durchstarten Infomappen in meinem BiZ, die verschiedene Weiterbildungsberufe präsentieren. Einen ersten Eindruck gibt es unter www.biz-medien.de/durchstarten. □ ... den Berufsentwicklungsnavigator BEN unter www.ben.arbeitsagentur.de. Dort kann ich einen Beruf eingeben, in den ich wechseln oder für den ich eine Weiterbildung machen will, um passende Informationen für meine Region zu bekommen. □ ... die Möglichkeit eines Praktikums, um unterschied-liche Branchen auszuprobieren und werde meine Beratungsfachkraft deswegen um Rat fragen. □ ... unterschiedliche Lernorte wie Betrieb, Berufsschule, Bildungsträger oder Berufsförderwerk.

BEWERBEN4) Die StellensucheHaben Sie gewusst, dass …

□ ... Sie in der JOBBÖRSE unter www.jobboerse.arbeitsagentur.de Ihr Bewerberprofil veröffentlichen können? □ ... es berufs- und branchenspezifische Stellenbörsen gibt? Einige finden Sie aufgelistet unter www.arbeitsagentur.de > Bürgerinnen & Bürger > Arbeit und Beruf > Arbeits-/Jobsuche. □ ... sich Arbeitssuche und Bewerbung lernen lassen? Unter www.arbeitsagentur.de/ Bewerbungstraining finden Sie ein entsprechendes E-Learning-Programm.

□ ... BERUF regional unter www.planet-beruf.de > planet-beruf.de regional über das Angebot an betrieblichen und schulischen Ausbildungsplätzen vor Ort informiert? □ ... viele Unternehmen digitale Unterlagen bevorzu-gen und diese genauso sorgfältig erstellt werden müssen wie eine klassische Bewerbung? □ ... manche Stellen ausschließlich auf der Internet-seite des jeweiligen Unternehmens ausgeschrieben werden? □ ... größere Betriebe gezielt digitale Netzwerke wie XING oder Facebook nutzen, um eine bestimmte Zielgruppe anzusprechen?

5) Der Inhalt □ Ich habe mir überlegt, ob und wie ich die Behinde-rung in der schriftlichen Bewerbung oder beim Vor-stellungsgespräch thematisiere. Dazu kann ich eine extra Checkliste auf Seite 25 verwenden.

□ Für eine Erwähnung spricht:

□Gegen eine Erwähnung spricht:

Mein Anschreiben enthält ... □ ... meine bisherigen Erfahrungen und Kenntnisse im betreffenden Bereich. □ ... meine Motivation, warum ich mich genau bei dieser Firma bewerbe. □ ... meine Begründung, weswegen ich die beste Besetzung für die Stelle bin.

6) Das Auswahlverfahren □Sind Sie auf ein Bewerbungsgespräch mit mehreren Betriebsangehörigen vorbereitet, bei dem Sie auf einen Personalverantwortlichen, eine Chefin, einen Kollegen und eine Psychologin treffen könnten? □Haben Sie sich über Assessment-Center informiert, bei dem meist mehrere Bewerber in Rollenspielen, Gruppendiskussionen und einzelnen Vorträgen ge-testet werden? □Wissen Sie, was Sie bei einem Telefoninterview wie sagen würden – in Bezug auf Ihre Kenntnisse und Motivation?

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Themenheft 2016/2017 Berufliche RehaENTSCHEIDEN IM PORTRÄT

GUT VOM NEUEN TEAM AUFGENOMMEN

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Conny Rippe (51), Kommuni-

kationsfach-frau, Gießen

Nach einer 15-jährigen Kinderphase wollte Conny Rippe, die aufgrund einer Krebserkrankung seit ihrem ersten Lebensjahr blind ist, als Teilzeitkraft wieder ins Berufsleben einsteigen. Dies gelang ihr über eine Probebeschäftigung.

nach dem Fachabitur hat Conny Rippe einige Semester Sozialarbeit studiert und anschlie-ßend neben ihrer hauptberuflichen Tätigkeit

bei einer Stiftung an einer Abendschule den Abschluss als Kommunikationsfachfrau erworben. Es folgte eine 15-jähri-ge Familienphase, nach der sie sich arbeitsuchend meldete. Ihre örtliche Agentur für Arbeit beauftragte daraufhin den Integrationsfachdienst, der sich bei einem Hausbesuch ein persönliches Bild von ihr machte. Schon zwei Wochen spä-ter erhielt sie einen Anruf von ihrer Beraterin beim Integra-tionsfachdienst, die eine Stellenanzeige gefunden hatte, die perfekt zu Conny Rippes Profil passte: Die Beratungsstelle pro familia Gießen und Friedberg suchte eine Mitarbeiterin für den telefonischen Erstkontakt und Unterstützung bei der Büroorganisation. Das Stellenprofil entsprach weitgehend den Fähigkeiten der 51-Jährigen: „Ich wollte am liebsten eine Arbeit haben, bei der ich Sozialarbeit und Kommunikation kombinieren kann. Außerdem telefoniere ich wirklich sehr gerne.“

Das Vorstellungsgespräch verlief erfolgreich, und Conny Rippe startete zunächst im Rahmen eines Praktikums, das beide Seiten zum Kennenlernen nutzten sowie zur Klärung, welche technischen Hilfsmittel für die Arbeit notwendig sein würden. Darüber hinaus konnte die Wiedereinsteigerin während des Praktikums herausfinden, ob und wie sich die Anforderungen des beruflichen Alltags und die familiären Aufgaben bei der Erziehung von drei Kindern koordinieren lassen. Als klar war, dass alles gut klappte, beantragte pro familia bei der Agentur für Arbeit die Kostenübernahme der nötigen Hard- und Software, die den Bildschirminhalt blin-dengerecht aufbereitet und wiedergibt.

Hilfsbereite und offene KollegenNachdem alle technischen Voraussetzungen erfüllt waren, mussten weitere Schritte für einen reibungslosen Arbeits-ablauf eingeleitet werden. „Damit ich zum Beispiel gezielt nach freien Terminen in den Kalendern der Kollegen suchen kann, habe ich sie gebeten, eine bestimmte Syntax (An-merkung der Redaktion: Textaufbau) zu verwenden. Ich war überrascht, wie schnell meine hilfsbereiten und offenen Kol-legen diesen Wunsch ohne große Diskussionen umgesetzt haben“, erzählt Conny Rippe, die bislang hauptsächlich für oder mit sehbehinderten Menschen gearbeitet hatte. „Bei meinen bisherigen Tätigkeiten war meine Blindheit eher ein Vorteil, weil ich ja, wenn ich zum Beispiel Computerhilfsmit-tel für Blinde verkauft habe, genau wusste, wo die Probleme des Kunden liegen und was er braucht. Wenn ich aber jetzt Termine in elektronische Kalender eintragen muss, die für Sehende übersichtlich gestaltet sind, ist das eher eine visu-elle Aufgabe , bei der meine Blindheit hinderlich ist. Trotzdem möchte ich diese Anforderung gern bewältigen.“

Ein ebenfalls aufregender Moment war der erste Kontakt mit dem Team: „Ich war mir nicht sicher, wie mir die Kolle-gen begegnen und ob sie mich trotz meiner Blindheit als gleichwertige Mitarbeiterin akzeptieren würden. Ich habe an

der Art, wie ich empfangen und aufgenommen wurde, aber gleich gespürt, dass ich mich in dieser Arbeitsatmosphä-re sehr wohlfühlen würde“, sagt Conny Rippe, die von der Probe beschäftigung in ein zunächst auf zwei Jahre befriste-tes Beschäftigungsverhältnis wechseln wird. Sie freut sich, dass sie so schnell eine Arbeit gefunden hat, die ihr Spaß macht und bei der sie sich ins Team integriert fühlt. „Auch wenn nicht immer alles direkt und reibungslos klappt, steht hier immer alles unter dem Motto: Es gibt keine Probleme, es gibt nur Lösungen“, so ihr Eindruck. Nach und nach wird sie nun anhand neuer Aufgabenstellungen ihr Tätigkeitsfeld ausbauen.

Sich gegenseitig helfenConny Rippe rät anderen Menschen mit Behinderung, die wieder ins Berufsleben einsteigen möchten, bei Gehalt und Aufgabenbereich flexibel zu sein. „Beim Wiedereinstieg muss

man meist erstmal kleinere Brötchen backen. Man sollte nicht erwarten, dass man gleich da wieder anfängt, wo man aufge-hört hat. Schließlich haben sich in der Zwischenzeit viele Din-ge verändert, die man erst wieder lernen muss.“ Man solle sich nie scheuen, deutlich zu artikulieren, wann und wo man Hilfe braucht, so ihr Tipp. „Hilfe anzunehmen ist für mich überhaupt kein Problem. Auch nicht behinderte Menschen benötigen häufig Hilfe. Für mich bedeutet Teamarbeit, sich gegenseitig zu helfen, indem man sich ergänzt.“ Bei der Ar-beitssuche hält sie es für sehr wichtig, auf das äußere Erschei-nungsbild zu achten und sowohl gegenüber der Agentur für Arbeit als auch gegenüber dem potenziellen Arbeitgeber trotz eventuell auftretender Anfangsschwierigkeiten eine deutliche Arbeitsmotivation zu signalisieren. „Man braucht viel Geduld, Toleranz und vor allem ganz viel Durchhaltevermögen. Und das gilt für alle Beteiligten.“

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Die Agentur für Arbeit förderte die Anschaffung spezieller Hilfstechnik, die Conny Rippe als Blinde benötigt.

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Die Arbeitsplatzanpassung ist nicht immer so einfach wie bei dieser Braille-Beschriftung. Das Team Reha/SB unter-stützt dabei.

linksZur Probebeschäftigung lesen Sie weitere Informa tionen auf Seite 26 und unter www.arbeitsagentur.de > Unternehmen > Finanzielle Hilfen > Rehabilitation > Probebeschäftigung sowie unter www.einfach-teilhaben.de > Ausbildung und Arbeit > Förderung für Arbeitgeber > Eingliederungszuschuss.

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ENTSCHEIDEN IM PORTRÄTThemenheft 2016/2017 Berufliche Reha

„MAN MUSS EINE SITUATION NICHT AKZEPTIEREN, SONDERN KANN IMMER ETWAS

ÄNDERN, WENN MAN ES WILL.“

NEUEINSTIEG DANK BEFRISTETER STELLE

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Sonja Eidel (37),

Bürokauffrau, Tauber-

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In ihrem alten Beruf konnte und wollte Sonja Eidel wegen eines Handicaps nicht weiterarbeiten. Daher entschied sie sich für eine Umschulung, nach der sie über eine befristete Beschäftigung neue Arbeit fand.

sonja Eidel hat den Beruf der Fleischereifachver-käuferin gelernt. Nachdem sie die Lehre abge-schlossen und in diesem Beruf gearbeitet hatte,

gründete sie eine Familie und bildete sich während der Elternzeit in einem Fernstudium zum Thema Geschäftsfüh-rung in Kleinbetrieben weiter. „Eigentlich war mir damals

schon klar, dass ich nicht wieder in meinen gelernten Be-ruf zurückkehren wollte“, erinnert sich die heute 37-Jähri-ge. Denn Sonja Eidel leidet bereits seit Kindertagen unter einem essentiellen Tremor: Ihre Hände zittern. „Das war

mir sehr unangenehm, weil mir die Kunden in der Fleische-rei beim Arbeiten immer auf die Hände geschaut haben.“ Auch das Hantieren mit scharfen Gegenständen wie Mes-sern und Gabeln war für die Fachverkäuferin nicht immer einfach. „Nach der Kinder pause habe ich Putzjobs ange-nommen, aber mein Leben lang wollte ich das auch nicht machen“, sagt Sonja Eidel. Also musste eine berufliche Alternative her.

Ausbildung mit AuszeichnungBei der Agentur für Arbeit ließ sie sich über ihre Möglichkei-ten aufklären. Gemeinsam mit ihrem Berater entschied sie sich schließlich für eine Umschulung. „Nach einem Termin bei einem Neurologen wurde mein Antrag auf Umschulung genehmigt“, erinnert sich die junge Mutter, die sich eigent-lich für eine Umschulung zur Industriekauffrau entschieden hatte. Da sie jedoch keinen entsprechenden Ausbildungs-platz fand, lernte sie stattdessen den Beruf der Bürokauf-frau. Bei einem Betrieb durchlief sie die auf zwei Jahre verkürzte Ausbildung. Parallel dazu lernte sie bei einem Bildungsträger die Inhalte des ersten Lehrjahres, und sie besuchte die Berufsschule. „Ich kam gut mit meinen jün-geren Mitschülern zurecht – es war interessant zu sehen, wie unterschiedlich wir ans Lernen herangegangen sind.“ In der Schulzeit war Sonja Eidel das Lernen nicht sonder-lich wichtig gewesen, gibt sie zu. „Aber jetzt habe ich mir besonders viel Mühe gegeben und mich angestrengt, denn das war eine Chance.“ Sie war erfolgreich und schloss ihre zweite Ausbildung mit Auszeichnung ab.

Da ihr Ausbildungsbetrieb sie nach dem Abschluss nicht übernehmen konnte, suchte sich die frischgebacke-ne Büro kauffrau einen neuen Job – und wurde fündig. Seit rund einem Jahr arbeitet sie bei einer Maschinenbaufirma in Tauberbischofsheim. „Ich digitalisiere Dokumente als Vorbereitung für die Einführung eines Softwaresystems im Unternehmen“, erklärt Sonja Eidel. Da diese Aufgaben in absehbarer Zeit abgeschlossen sein werden, ist ihre Stelle auf ein Jahr befristet.

Vorbild für ihr KindJeden Tag scannt Sonja Eidel Protokolle ein. „Dabei schaut mir keiner auf die Hände, ich kann meine Arbeit also un-beobachtet ausführen“, freut sie sich. Ihren Kolleginnen und Kollegen hat sie von Anfang an ihr Handicap erklärt, deshalb gibt es auch von deren Seite keine unschönen Kommentare. Sonja Eidel ist sehr zufrieden, den Schritt

der Umschulung gemacht zu haben. „Es war eine schwere Zeit, vor allem, da ich ja neben der Ausbildung auch noch Pflichten als Mutter hatte“, erinnert sie sich. Andererseits freut sie sich, ihrem Kind ein Vorbild zu sein. „Wir haben immer zusammen gelernt und Hausaufgaben gemacht, das hat uns beide motiviert.“ Nach der Umschulung konnte sie sich außerdem einen Realschulabschluss anerkennen lassen. Im Moment hofft Sonja Eidel auf eine Anschluss-beschäftigung in ihrem jetzigen Unternehmen.

Menschen, die in einer ähnlichen Situation sind wie sie und ihren Beruf wegen eines Handicaps nicht mehr aus-führen können oder wollen, rät Sonja Eidel: „Man muss eine Situation nicht akzeptieren, sondern kann immer et-was ändern, wenn man es will.“ Dazu müsse man sich nur – eventuell mit einer geschulten Beraterin oder einem ge-schulten Berater – genau Gedanken machen, welche Än-derungen sinnvoll und notwendig sind. Und ihre zweite Botschaft lautet: „Man sollte sich niemals aufgeben. Es ist nie zu spät, etwas Neues zu lernen.“ Ganz im Gegenteil: Die Zusammenarbeit mit den jungen Mitschülerinnen und Mitschülern habe ihr noch mal ganz neuen Schwung gege-ben, betont Sonja Eidel, die froh ist, nun wieder finanziell auf eigenen Beinen zu stehen. Um ihre Chancen auf eine neue Stelle zu erhöhen, gibt sie das Lernen auch nach der Ausbildung nicht auf: In der Zwischenzeit hat sie ein Sprachzertifikat für Englisch erlangt. Und sollten für ihren künftigen Job weitere Qualifikationen notwendig sein, scheut sich Sonja Eidel auch davor nicht. Denn dass sie mit Mitte dreißig noch Neues lernen kann, hat sie ja ein-drucksvoll bewiesen.

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Büro statt Fleischerei: Nach dem Wechsel in einen anderen Beruf ist Sonja Eidel heute zufrieden mit ihrer Arbeitsstelle.

linksInformationen zur Ausbildung für Menschen mit Be-hinderungen finden Sie unter www.arbeitsagentur.de > Bürgerinnen und Bürger > Menschen mit Behinderung > Aus- und Weiterbildung.

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Themenheft 2016/2017 Berufliche RehaENTSCHEIDEN IM PORTRÄT

IN DEN TRAUMBERUF GEWECHSELT

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Dominik Hasheminasab (29),

Koch, Hemer

Eine Verletzung am Knie führte dazu, dass Dominik Hasheminasab nicht mehr in seinem bisherigen Ausbildungsberuf arbeiten konnte. Dank einer betreuten betrieblichen Umschulung kann er nun seinen zweiten Traumberuf ausüben.

eine Ausbildung als Fliesenleger war genau das, was Dominik Hasheminasab nach seinem Schul-abschluss machen wollte. Nach dem erfolgrei-

chen Ausbildungsabschluss arbeitete er noch ein halbes Jahr auf dem Bau, bevor er sich vier Jahre lang als Zeitsoldat verpflichtete. Anschließend war er noch einmal zwei Jahre als Fliesenleger tätig, bis er merkte: Es ging einfach nicht mehr. „Das stundenlange Arbeiten auf dem Boden hat mei-nem Knie so zugesetzt, dass ich nicht mehr weitermachen konnte“, erinnert sich der heute 29-Jährige.

Mit der Diagnose seines Arztes ging er zur Agentur für Arbeit und ließ sich über seine weiteren Möglichkeiten be-raten. „Erst musste ich zum Ärztlichen Dienst, um meine Berufsunfähigkeit bestätigen zu lassen, und nach einem hal-ben Jahr bekam ich endlich die Zulassung zu einer betreuten betrieblichen Umschulung“, erzählt Dominik Hasheminasab. Diese besteht aus einem Reha-Vorbereitungslehrgang und einer anschließenden Umschulungsphase mit kontinuier-licher Betreuung. Ziel ist die dauerhafte Integration auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt.

Bei der Umschulung kam für Dominik Hasheminasab ein kaufmännischer Beruf nicht infrage. „Ich brauche eine Arbeit, bei der ich am Ende des Tages sehen kann, was ich getan habe.“ Aufgrund seiner persischen Wurzeln hat er schon immer das Kochen und die persische Küche geliebt. „Also entschied ich mich für die Umschulung zum Koch. Ich habe schon immer gesagt: In meinem zweiten Leben wer-de ich Koch. Jetzt habe ich bereits früher die Gelegenheit dazu bekommen.“

Mehrere AusbildungsangeboteDank des Reha-Vorbereitungslehrgangs, in dem er unter anderem lernte, gute Bewerbungsschreiben zu verfassen und sich in Bewerbungsgesprächen zu präsentieren, er-hielt Dominik Hasheminasab gleich mehrere Zusagen für eine Ausbildungsstelle. Köchinnen und Köche sind auf dem Arbeitsmarkt gesucht, merkte er schnell. Er entschied sich für das Hotel Mercure in Lüdenscheid. Für Tagungsgäste, aber auch für Hochzeitsgesellschaften bereitete er Buffets vor und lernte dabei in zwei Jahren alles, was Köchinnen und Köche nach ihrer Ausbildung wissen müssen. Da die Aus-bildung im Rahmen der betreuten betrieblichen Umschulung (siehe auch Seiten 20/21) auf zwei Jahre verkürzt ist, muss-te sich Dominik Hasheminasab die Inhalte aus dem ersten

Ausbildungsjahr selber aneignen. Auch ohne umfassende Nachhilfe absolvierte er die Ausbildung erfolgreich.

Neben seiner betrieblichen Ausbildung besuchte der an gehende Koch, wie alle anderen Auszubildenden, die Berufs schule. Der Altersunterschied zu seinen Mitschüle-rinnen und Mitschülern machte dem damals 25-Jährigen nichts aus, auch bei der Bundeswehr hatte er schon viel mit jungen Menschen zu tun gehabt. „Mir fiel auch in der Berufsschule erneut auf, dass viele junge Leute heute ein-fach keinen Ehrgeiz mehr haben. Ich hingegen habe mich reingehängt – auch wenn das Lernen mir nach so langer Zeit nach der Schule doch ziemlich schwerfiel.“ Trotz Prü-fungsangst bestand er am Ende die praktische und die the-oretische Prüfung.

Kreativ werdenSein Ausbildungsunternehmen konnte ihn anschließend nicht übernehmen, darüber hinaus zog Dominik Hashemi-nasab ohnehin mit seiner Frau von Lüdenscheid ins 40 Kilo-meter entfernte Hemer. Dort suchte sich der Koch eine neue Stelle und erhielt ebenfalls gleich mehrere Angebote. Nun arbeitet er im Sauerlandpark Hemer in einem Restaurant, in dem er mehr À-la-carte-Speisen zubereiten kann als bisher. „Das macht mir viel Spaß, weil ich kreativer sein kann. Ich mag gern Fleisch- und Fischgerichte sowie Desserts und habe zum Beispiel schon ein modernes persisches Gericht kreiert. Backen hingegen ist nicht so mein Ding.“ Trotzdem ist Dominik Hasheminasab natürlich bewusst, dass er als Koch noch viel dazulernen muss. „Das meiste lernt man ohnehin erst nach der Lehre in der echten Praxis“, ist er überzeugt.

Dass Köchinnen und Köche andere Arbeitszeiten haben als andere Berufstätige und damit die Freizeitgestaltung mit Freunden schwerfällt, daran musste sich Dominik Hasheminasab erst gewöhnen. In der Regel muss er am Wochen ende, an Feiertagen und bis in den späten Abend arbeiten, wenn andere sich mit Freunden treffen. „Dafür habe ich am Wochenanfang zwei Tage frei, das genieße ich dann umso mehr.“ Seinem Knie geht es seit der Umschulung auch viel besser. Dominik Hasheminasab ist auf jeden Fall froh, sich für die Umschulung entschieden zu haben. „Das war für mich wie ein Neustart – vor allem, da es mir in der Baubranche ohnehin nicht mehr so gut gefallen hatte.“ Sein Rat an alle, die ebenfalls aus gesundheitlichen Gründen ih-ren alten Beruf nicht mehr ausüben können: „Es gewinnt immer der Entschlossenste. Wer Ehrgeiz und Disziplin zeigt, kann am Ende alles schaffen.“

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Vom Fliesenleger zum Koch: Dominik Hasheminasab geht nun dem Beruf nach, der ihm schon lange vorschwebte.

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Während seiner zweiten Ausbildung zum Koch bereitete der heute 29-Jährige unter anderem Buffets vor.

linksWie das Beispiel zeigt, lohnt sich eine gute Vorbe-reitung auf Bewerbungen. Dafür finden Sie mehrere Lernangebote unter www.arbeitsagentur.de > Weiterbildung > E-Learning.

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Themenheft 2016/2017 Berufliche RehaENTSCHEIDEN IM PORTRÄT

„ICH HABE WÄHREND DER ZEIT BEI QUIT EINE GANZE REIHE VON TÄTIGKEITEN

KENNENGELERNT.“

MENTALES TIEF ÜBERWUNDEN

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Mirsada Sumar (45),

Helferin – Verkauf, Bochum

Mirsada Sumar konnte aus gesund-heitlichen und betrieblichen Gründen nicht mehr bei ihrem alten Arbeitgeber bleiben. Nachdem sie eine Maßnahme der Agentur für Arbeit begonnen hatte, gelang ihr der Einstieg in den allgemeinen Arbeitsmarkt über eine Teilzeitstelle.

anfang der 1990er-Jahre ist Mirsada Sumar aus Bosnien nach Deutschland gekommen. Sie gründete im Ruhrgebiet eine Familie, zog drei

Kinder auf und wollte anschließend arbeiten, um selber Geld zu verdienen. Bei einer Reinigungsfirma fand sie eine Stelle, auf der sie über zehn Jahre lang tätig war. Sie wurde vor allem bei einem Automobilunternehmen eingesetzt, wo sie im Team die Büroräume reinigte. Nach zehn Jahren war eine Weiterbeschäftigung der heute 45-Jährigen aber aus betrieblichen Gründen nicht möglich.

Hinzu kam, dass Mirsada Sumar schon länger starke Rückenschmerzen hatte. Drei Monate war sie zunächst wegen ihres Rückens krankgeschrieben – dann kamen wei-tere gesundheitliche Probleme hinzu: „Die Arbeitslosigkeit, das Nichtstun, hat mich neben den Schmerzen zusätzlich belastet. Daher bin ich auch noch psychisch krank gewor-den“, berichtet die ehemalige Reinigungskraft, die mittler-weile fünf Monate lang arbeitsuchend gemeldet war. Über ihren Berater bei der Agentur für Arbeit erhielt sie Zugang zu einer Maßnahme, die ihr helfen sollte, eine neue Stelle

zu finden. Der Fachdienst Berufliche Rehabilitation bietet in Kooperation mit der Agentur für Arbeit und den Jobcentern Bochum und Herne das Programm QUIT an: Qualifizierung und Integrationstraining für Menschen mit psychischen Be-einträchtigungen. Die Maßnahme dauert insgesamt zehn Monate und dient unter anderem der Eignungsfeststellung und Orientierung sowie der modularen Weiterbildung und Qualifizierung. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer können ihre Fertigkeiten und Kenntnisse anhand praktischer Übun-gen in gewerblich-technischen, kaufmännischen Berufsfel-dern sowie der Textilbearbeitung und der EDV/IT ausbauen, ihre sozialen Kompetenzen trainieren und lernen, wie man gute Bewerbungen schreibt.

Über eine Bekannte Stelle gefunden„Ich habe während der Zeit bei QUIT eine ganze Reihe von Tätigkeiten kennengelernt, darunter Kochen, Nähen und das

Arbeiten mit Holz“, berichtet Mirsada Sumar. Dann hörte sie von einer Bekannten, die in einem Supermarkt arbeitete, dass das Geschäft noch jemanden sucht. Also bewarb sie sich, absolvierte einen Probearbeitstag im Laden und wurde angenommen. Nun räumt Mirsada Sumar in einem Bochu-mer Supermarkt Regale ein. Meist im Team, manchmal auch allein, sorgt sie dafür, dass auf der Verkaufsfläche immer genug Waren zur Verfügung stehen und diese ordentlich in den Regalen stehen. In der Regel arbeitet sie täglich zwei bis drei Stunden. „Manchmal ist es aber auch mehr, zum Beispiel, wenn Kollegen einfach nicht kommen, obwohl sie für die Schicht eingetragen sind. Dann muss ich länger blei-ben, weil die Arbeit ja erledigt werden muss.“ Ihre Einsätze finden unregelmäßig statt: Sie arbeitet immer dann, wenn ihr Arbeitgeber sie braucht. „Das können mal zwei Stunden sein, ein anderes Mal sind es vier oder fünf.“

Gut für die PsycheNach einem längeren Einsatz spürt Mirsada Sumar ihre Rückenschmerzen immer noch. „Aber es ist, auch dank Krankengymnastik und der Behandlung durch einen Schmerztherapeuten, schon viel besser geworden.“ In ei-ner zweimonatigen Probezeit im Supermarkt konnte sie ausprobieren, ob ihr Rücken die neue Arbeit gesundheitlich mitmacht – „zum Glück war das der Fall“. Auch mental geht es Mirsada Sumar besser, seit sie eine neue Stelle gefunden hat. „Als ich arbeitslos war, hatte ich viel Zeit zum Grübeln. Doch nun, da ich wieder arbeite, bin ich abgelenkt und ver-gesse meine Sorgen.“

Auch wenn es nicht einfach war, trotz ihrer Krankheit ar-beiten zu gehen, ist Mirsada Sumar froh, eine neue Stelle gefunden zu haben. „Ich bin auch gar nicht wählerisch. Es ist mir eigentlich egal, was ich tun kann. Mir ist nur wichtig, dass ich eine Beschäftigung habe.“ Aber mehr als eine Teil-zeitstelle würde sie nicht annehmen. „Vollzeit zu arbeiten, würde ich mit meinem Rücken nicht schaffen. Aber Haupt-sache, ich kann überhaupt arbeiten. Nur zu Hause rumsitzen und nichts tun, das ist definitiv nichts für mich.“

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Dank ihrer neuen Beschäftigung in einem Supermarkt und passender Behandlung geht es Mirsada Sumar besser.

linksDie für alle Beschäftigten gültigen Regelungen zur Teilzeitarbeit sind zusammengefasst unter www.einfach-teilhaben.de > Ausbildung und Arbeit > In Teilzeit arbeiten.

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Themenheft 2016/2017 Berufliche Reha

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ENTSCHEIDEN INTERVIEW

INTERVIEW

GLEICHE CHANCEN FÜR ALLE

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KLAUS KÄPPEL

Welche Unterstützung bekommen Menschen mit Behinderungen bei den Agenturen für Arbeit konkret? Klaus Käppel vom Team Reha/SB der Agentur für Arbeit Bayreuth-Hof gibt Auskunft.

Wer findet bei den Teams Reha/SB der Agenturen für Arbeit Beratung?

Klaus Käppel: Im Grunde kann sich jeder an die Teams Reha/SB der Arbeitsagenturen wenden, der mit einer Behinderung oder einer chronischen Krank-heit in den Beruf neu oder wieder einsteigen will: Schulabgänger, Arbeits uchende, aber auch Berufstä-tige, die ihre Stelle wechseln möchten. Man kann sich direkt an uns wenden, oder die Arbeitsvermittlung stellt Arbeitslosen mit gesundheitlichen Einschrän-kungen den Kontakt zu unserem Team her. Außerdem sind wir Ansprechpartner für Arbeitgeber, die Fragen zum Beispiel zur Beschäftigung Schwerbehinderter haben. Wir arbeiten auch mit Ärzten und Sozialdiens-ten von Fachkliniken zusammen.

Was sind vermittlungsunterstützende Leistungen der Bundesagentur für Arbeit?

Klaus Käppel: Zum einen können wir alle allgemeinen vermittlungs unterstützenden Leistungen für Arbeitslose nutzen, zum Beispiel Arbeitsberatung und -vermittlung, finanzielle Unterstützungen für Bewerbungskosten oder Fahrtkostenerstattungen für Vorstellungsgespräche. Darüber hinaus können wir im Team Reha/SB ergän-zend auf besondere Leistungen zugreifen, darunter bei-spielsweise Eingliederungszuschüsse für behinderte und schwerbehinderte Menschen oder die Kostenübernah-me für eine Probebeschäftigung.

Gibt es Unterstützung für speziell notwendige Arbeitsplatzausstattungen?

Klaus Käppel: Es gibt zum einen technische Arbeits-hilfen, zum anderen Hilfen im Betrieb für die Aufnahme und den Erhalt eines Arbeitsplatzes. Technische Arbeits-hilfen können zum Beispiel höhenverstellbare Arbeits-tische oder besondere Bürostühle sein, Stehhilfen für Menschen, die an Maschinen arbeiten, Hubwagen für Menschen mit Hebe- oder Trageschwierigkeiten oder größere Bildschirme und Lesegeräte für Sehbehinder-te. Das Spektrum an technischen Arbeitshilfen ist sehr groß. Auf der anderen Seite gibt es die Hilfen im Be-trieb, also alle baulichen Veränderungen im Gebäude des Arbeitgebers. Das sind beispielsweise Rampen,

Türverbreiterungen, elektrische Türöffner, Auf züge oder sanitäre Anlagen für Rollstuhlfahrer. Wir versuchen also, alle Hemmnisse, die ein behinderter oder chronisch kranker Mensch am Arbeitsplatz haben könnte, im Rah-men des Rechts auf Teilhabe zu beseitigen.

Was ist eine Umschulung?Klaus Käppel: Eine Umschulung ist eine erwachsenen-spezifisch verkürzte Ausbildung. Ausbildungen, die eigentlich drei oder dreieinhalb Jahre dauern, werden auf 24 oder 28 Monate verkürzt. Die betriebsnahe Um-schulung hat den Vorteil, dass die fachlichen Inhalte arbeitsmarktnäher sind. Außerdem besteht bei einer Umschulung in einem Betrieb die Chance, dass die Fir-ma anschließend den Umschüler in eine Festanstellung übernimmt.

Wie kann die Agentur für Arbeit eine Umschulung fördern?

Klaus Käppel: Die Agentur für Arbeit kann eine Um-schulung sowohl als allgemeine als auch besondere Leistung fördern. Der Umfang der Förderung ist jeweils abhängig vom individuellen Bedarf des Einzelnen.

Und welches sind die besonderen Leistungen für eine Umschulung?

Klaus Käppel: Für den Reha-Bereich gibt es zusätzlich Maßnahmen, die auf die speziellen Bedürfnisse von be-hinderten und chronisch kranken Menschen ausgerich-tet sind. Das bedeutet, dass die Rehabilitandinnen und Rehabilitanden während der betrieblichen Umschulung ergänzende Unterstützung erhalten oder Umschulungen in besonderen Einrichtungen (wie zum Beispiel Berufs-förderungswerken) durchgeführt werden. Zu dieser Un-terstützung gehört zum Beispiel eine durchgehende , so-zialpädagogische und fachliche Betreuung – auch schon in der vorbereitenden Phase. Hier wird zum Beispiel die Kompetenz der Arbeitnehmer festgestellt, damit eine passgenaue Stelle für die Umschulung gefunden werden kann. Zudem können die Arbeitnehmer nötige Fähigkei-ten erwerben. Aufgabe des Bildungsträgers ist es auch, den Absolventen möglichst in ein dauerhaftes sozialver-sicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis zu vermitteln.

Welche begleitenden Hilfen bieten die Integrationsämter?

Klaus Käppel: Integrationsämter sind speziell für Schwerbehinderte und Gleichgestellte zuständig. Sie wirken darauf hin, dass der schwerbehinderte Mensch in seiner sozialen Stellung nicht absinkt und er auf Arbeits-plätzen beschäftigt wird, auf denen er seine Fähigkeiten und Kenntnisse anwenden und weiterentwickeln kann. Der Bewerber soll im Wettbewerb mit nicht behinderten Menschen bestehen können. Konkrete Unterstützung der Integrationsämter können zum Beispiel Arbeitshilfen sein, Hilfen bei der Suche nach eine Arbeitsplatz, Maßnahmen zum Erlangen und Erhalten von beruflichen Fähigkeiten oder die Finanzierung von Arbeitsassistenten. Auch psychosoziale Begleitungen sind möglich.

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Zur Unterstützung gehören unter anderem technische Hilfen, wie zum Beispiel höhenverstellbare Arbeitstische.

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Eine passende Betreuung kann Rehabilitandinnen und Rehabilitanden die Umschulung erleichtern.

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Themenheft 2016/2017 Berufliche RehaBEWERBEN HINTERGRUND

MIT STÄRKEN UND ERFAHRUNG PUNKTENSelbstbewusstsein und Offenheit – auch im Umgang mit der eigenen Behinderung – sind die besten Voraussetzungen für eine erfolg-reiche Bewerbung. Aber auch für eine spätere vertrauensvolle Zusammen-arbeit mit dem Arbeitgeber.

die Bewerbung ist der erste Schritt in ein neues Berufsleben. Wenn es einige Jahre zurückliegt, seitdem Sie sich auf eine Stelle beworben ha-

ben und Sie nun Unterstützung bei der Jobsuche und dem Verfassen eines Anschreibens oder Lebenslaufs benötigen, können Sie sich an Ihre Agentur für Arbeit wenden. Melden Sie sich arbeitsuchend, hilft Ihnen dort die Arbeitsvermitt-lung des Teams Reha/SB gern weiter. Die Beraterinnen und Berater nennen Ihnen offene Stellen, geben Ihnen Tipps für die Suche und besprechen nach Durchsicht Ihrer Be-werbungsmappe mit Ihnen Ihre Möglichkeiten. Allerdings ist auch ein hohes Maß an Eigeninitiative gefragt. Dazu ge-hört, sich eigenständig um einen Arbeitsplatz zu bemühen sowie die Bewerbungsunterlagen, aber auch Fertigkeiten und Kenntnisse auf dem neuesten Stand zu halten. Mit dem Trainingsprogramm durchstarten der Bundesagentur für Arbeit können Sie sich beispielsweise online alles Wis-senswerte zum Thema Bewerbung und Stellensuche aneig-nen. In der LERNBÖRSE finden Sie außerdem verschiedene Online-Kurse (beide Angebote siehe auch Infokasten). Zur Vermeidung von Nachteilen, zum Beispiel einer Sperrzeit, ist es jedoch auch wichtig, dass Sie sich rechtzeitig ar-beitsuchend melden – spätestens drei Monate, bevor Ihr

Beschäftigungsverhältnis endet. Erfahren Sie weniger als drei Monate vorher vom Ende der Beschäftigung, müssen Sie sich spätestens am dritten Tag melden, an dem Sie da-von wissen.

Praktische Tipps für die StellensucheDie JOBBÖRSE der Bundesagentur für Arbeit ist ein guter Ausgangspunkt für die Recherche. Das Portal ermöglicht eine regionale Auswahl ebenso wie eine Suche nach be-stimmten Stichworten oder Tätigkeiten. Darüber hinaus lohnt sich auch ein Blick in regionale Jobbörsen, zum Bei-spiel in Tageszeitungen, sowie in die großen überregiona-len Internet-Jobbörsen. „Wichtig ist, dass Sie sich darüber im Klaren sind, wonach Sie suchen, damit Sie zielgerich-tet zu geeigneten Stellenanzeigen kommen und nicht den

Überblick verlieren“, rät Eva Didion von der Industrie- und Handelskammer (IHK) Nürnberg für Mittelfranken. Sie ist Leiterin des dortigen Projekts „Implementierung von Inklusi-onskompetenz“, das vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales gefördert wird. „Wichtig ist auch, ein persönliches Netzwerk zu aktivieren. Eine Empfehlung bietet oft eine gute Chance, einen Arbeitsplatz zu finden.“ Eva Didion kennt auch die Arbeitgeberseite, denn sie berät Unternehmen, wie sie Schwerbehinderte in den Berufsalltag integrieren können. Gerade kleinere und mittlere Unternehmen seien oft bereit, Bewerberinnen und Bewerbern mit Lücken im Lebenslauf – zum Beispiel aufgrund einer längeren Krankheit oder eines Reha-Aufenthalts – eine Chance zu geben. Entscheidend ist jedoch, dass Sie sich vorab bewusst machen, welche Erfah-rungen und Fähigkeiten Sie für die jeweilige Arbeitsstelle mitbringen. Deshalb: Schauen Sie sich die Stellenanzeige genau an und informieren Sie sich über das Unternehmen, bevor Sie Ihre Bewerbung losschicken.

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Wenn Sie zum Vorstellungsgespräch eingeladen sind, stellen Sie Stärken und Erfahrungen in den Vordergrund, die für die Stelle wichtig sind. Dazu kann auch gehören, dass Sie gelernt haben, Schwierigkeiten zu überwinden.

Ansprechpartner herausfindenViele Unternehmen haben inzwischen auf digitale Bewer-bungen umgestellt – zum Teil per E-Mail, zum Teil über Online-Formulare. Am besten informieren Sie sich über die Homepage des jeweiligen Unternehmens, welcher Weg gewünscht ist. „Wichtig ist ein aussagekräftiger Betreff, damit die E-Mail nicht im Spam-Ordner, sondern direkt beim richtigen Ansprechpartner landet. Das Anschreiben, der Lebenslauf und weitere Unterlagen wie Zeugnisse soll-ten in einer PDF-Datei in den Anhang der E-Mail. Das Text-feld der E-Mail sollte nicht leer sein“, ergänzt Eva Didion. „Am besten schreibt man eine stark gekürzte Fassung des Anschreibens, das beim Unternehmen Interesse weckt.“ Ideal ist es, vorab bei dem Unternehmen anzurufen – so kön-nen Sie sich direkt auf das geführte Telefonat beziehen.

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Themenheft 2016/2017 Berufliche Reha

„WICHTIG IST, DASS SIE SICH DARÜBER IM KLAREN SIND, WONACH

SIE SUCHEN.“

Behinderung erwähnen?Aber wie offen kann ich im Anschreiben auf meine Behinde-rung eingehen? Soll ich Sie gleich zu Beginn der Bewerbung ansprechen oder doch lieber erst im Vorstellungsgespräch? Hier empfiehlt die IHK-Expertin: „Wenn die Behinderung offensichtlich ist und unter Umständen auch eine gewisse Vorbereitung seitens des Arbeitgebers erforderlich ist, zum Beispiel um einen Zugang für Rollstuhlfahrer zu schaffen, empfiehlt es sich durchaus, dies bereits in der schriftlichen Bewerbung anzugeben. Eine wenig offensichtliche Behinde-rung würde ich nicht in die schriftliche Bewerbung aufneh-men, insbesondere dann, wenn diese für die Tätigkeit nicht relevant ist.“ Wer einen Schwerbehindertenausweis mit ei-nem Grad der Behinderung von 50 hat oder gleichgestellt ist und sich auf eine Stelle im Öffentlichen Dienst bewirbt, hat von vornherein gute Karten, da Ämter und Behörden gesetz-lich dazu verpflichtet sind, jeden zum Vorstellungsgespräch einzuladen, sofern er oder sie die fachlichen Qualifikationen erfüllt. „Allerdings: Damit diese Verpflichtung wirksam ist, müssen Sie im Anschreiben oder Lebenslauf auf Ihre Behin-derung hinweisen“, erklärt Eva Didion.

Vertrauen und Ehrlichkeit sind die Grundlage für ein gu-tes Arbeitsverhältnis. Deswegen empfiehlt Eva Didion, die Behinderung und deren konkrete Auswirkungen im Laufe des Vorstellungsgesprächs zu erwähnen. Dennoch sollten Sie Ihrer Behinderung nicht allzu viel Raum geben: „Im Mit-telpunkt sollten immer die Stärken und Fähigkeiten stehen, auf Grund derer der Arbeitgeber die Bewerberin oder den Bewerber einstellt.“

Viele Unternehmen sind offen eingestelltManche Unternehmen haben noch immer Bedenken, Men-schen mit einer Krankheit beziehungsweise einer Behinde-rung einzustellen. Um hier Hemmungen abzubauen, arbeiten in den Agenturen für Arbeit Spezialistinnen und Spezialisten, die gezielt auf die Arbeitgeber zugehen. Eva Didion hat in ihrer Beratungstätigkeit, mit der sie Unternehmen dabei unterstützt, schwerbehinderte Mitarbeiter neu einzustellen oder weiter zu beschäftigen, auch positive Erfahrungen ge-macht: „Viele Unternehmen geben an, dass Sie durchaus bereit wären, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Behin-derung einzustellen – jedoch keine oder kaum Bewerbungen von dieser Personengruppe erhalten.“ Also: Trauen Sie sich und bewerben Sie sich!

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Guter Eindruck zählt: Mit einer Bewerbung präsentieren Sie sich selbst.

infoSie suchen Unterstützung bei der Bewerbung? Das Trainingsprogramm durchstarten vermittelt Wissenswertes zu Stellensuche, Bewerbung und Vorstellungsgespräch. Informieren Sie sich unter www.arbeitsagentur. de/bewerbungstraining

Ob Tastaturtraining, Geschäftssprache Englisch oder Business-Etikette: Kundinnen und Kunden der Bundesagentur für Arbeit können sich mit der LERNBÖRSE ganz flexibel von zu Hause aus weiter-bilden. Mehr zu diesem E-Learning-Angebot erfahren Sie unter www.arbeitsagentur.de/lernbörse. Wenn Sie von der Agentur für Arbeit betreut werden und in der JOBBÖRSE anmeldet sind, können Sie von dort dem Link zur LERNBÖRSE folgen.

BEWERBEN CHECKLISTE

checklisteFolgende wesentliche Punkte sollten Sie berücksichtigen, wenn Sie das Anschreiben für die schriftliche Bewerbung vorbereiten: Nehmen Sie sich Zeit für den Inhalt und die Gestal-tung. Das Anschreiben ist der erste und wichtigste Eindruck, den der Arbeitgeber in der schriftlichen Bewerbung von Ihnen bekommt.

□ Überlegen Sie, wie Ihre fachlichen und sozialen Kompetenzen zu den Anforderungen in der Stellenanzeige passen. Machen Sie deutlich, warum Sie für den Job geeignet sind. Weisen Sie auf Ihre individuellen Fähigkeiten hin. □ Die Frage, ob Sie Ihre Behinderung erwähnen sollten, lässt sich nicht pauschal beantworten. Entscheidend kann dafür sein, ob die Behinderung für die Tätigkeit eine Rolle spielt. □ Eine Überlegung kann dabei auch sein, ob Sie Ihre Behinderung später beim Bewerbungsge-spräch thematisieren möchten. □ Falls Sie Ihre Behinderung erwähnen, stellen Sie diese nicht in den Vordergrund, sondern in einen positiven Zusammenhang. Zeigen Sie, dass Sie gelernt haben, Schwierigkeiten zu überwinden. Zum Beispiel: „Trotz meiner Hörbehinderung habe ich mithilfe meines Hörgeräts erfolgreich gearbei-tet/eine Weiterbildung absolviert …“ □ Das Team Reha/SB Ihrer Agentur für Arbeit berät Sie auch zu dieser Entscheidung. Im Internet finden Sie weitere Informationen dazu unter www.talentplus.de > Arbeitnehmer > Neuer Job > Bewerbung und Behinderung. □ Personalverantwortliche müssen viele Bewerbun-gen lesen. Übersichtlich strukturierte Unterlagen helfen ihnen dabei – und begünstigen damit auch Ihre Bewerbung. □ Kontrollieren Sie alles am Schluss gründlich und lassen Sie jemanden gegenlesen.

Zum Anschreiben gehören grundsätzlich: □ Absender mit vollständigem Namen, Anschrift, E-Mail-Adresse und Telefonnummern □ Adresse des Empfängers mit Anschrift und möglichst konkretem Ansprechpartner □Ort und Datum □ Betreffzeile mit Positionsbezeichnung, falls vor-handen Kennziffer und Fundort der Anzeige □ Anrede, möglichst an den konkreten Ansprechpartner □ in übersichtliche und sinnvolle Absätze auf geteilter Text □ eventuell Eintrittstermin und Gehaltsvorstellung □Unterschrift

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ORIENTIEREN GLOSSAR – LINKS

WICHTIGE FACHBEGRIFFE Zur beruflichen Reha gehören viele Förderungen und Institutionen. Einige wesentliche werden im Folgenden kurz erklärt.

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Ziel der Maßnahmen ist stets, die bestehende Beschäftigung zu erhalten oder eine neue zu finden.

praxistippBetriebliches Eingliederungs managementIst ein Arbeitnehmer sechs Wochen ununter brochen krank oder wiederholt arbeitsunfähig, ist der Arbeit-geber verpflichtet, ein betriebliches Eingliederungs-management durchzuführen. Durch das Verfahren sollen Ursachen von Arbeitsunfähigkeit ausfindig gemacht und Rehabilitationsbedarf frühzeitig erkannt werden, um so vor Arbeitslosigkeit und Frühverren-tung zu schützen.

EingliederungszuschussZur leichteren Eingliederung können Arbeitgeber einen Zuschuss zum Arbeitsentgelt als Ausgleich einer Minderleistung erhalten. Die Höhe und Dauer dieses Eingliederungszuschusses richten sich nach dem Umfang der Einschränkung und den Arbeitsplatzanforderungen. www.arbeitsagentur.de > Unternehmen > Finanzielle Hilfen > Schaffung von Beschäftigungsverhältnissen > Eingliederungszuschuss

IntegrationsfachdienstIntegrationsfachdienste suchen im Auftrag von Rehabilitationsträgern geeignete Arbeitsplätze auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, begleiten während

der Einarbeitungsphase, beraten über finanzielle Förder-möglichkeiten und helfen bei Schwierigkeiten im Arbeitsverhältnis weiter.

Leistungen zur Teilhabe am ArbeitslebenUm die Erwerbsfähigkeit zu erhalten oder eine nachhal-tige Eingliederung ins Arbeitsleben zu erwirken, werden Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erbracht. Dazu zählen beispielsweise Mobilitätshilfen, Leistungen zur beruflichen Anpassung sowie Aus- und Weiterbildung.

Persönliches BudgetAuf Antrag kann der zuständige Rehabilitationsträger Leistungen zur Teilhabe durch ein Persönliches Budget ausführen. Es ermöglicht behinderten Menschen, eigenverantwortlich geeignete Maßnahmen zur Teilhabe selbst zu organisieren. Die Höhe wird anhand des indivi-duell festgestellten Bedarfs ermittelt.

ProbebeschäftigungWährend der Probebeschäftigung eines Menschen mit Behinderungen können dem Arbeitgeber die Kosten je nach Einzelfall bis zu drei Monate erstattet werden. Be-schäftigte und Unternehmen können in dieser Zeit die Zusammenarbeit testen.

HIER FINDEN SIE HILFE Auf zahlreichen Internetseiten können Sie sich zu Themen rund um die berufliche Rehabilitation informieren. Hier finden Sie eine Auswahl.

Bundesagentur für ArbeitDer Internetauftritt der Bundesagentur für Arbeit hält in der Rubrik Bürgerinnen und Bürger > Menschen mit Behinderung spezielle Informationen beispielsweise zu Beratung und Rehabilitation sowie weiterführende Links, Broschüren und Merkblätter bereit. Es wird verwiesen auf E-Learning-Pro-gramme und auf die Themen Arbeitssuche und Bewerbung.www.arbeitsagentur.de

BERUFENETIm BERUFENET stehen informative Texte und Bilder zu rund 3.200 Berufen für Sie bereit, die Einblick in die Arbeitswelt gewähren.www.berufenet.arbeitsagentur.de

KURSNETDie führende Datenbank für die berufliche Aus- und Weiter-bildung gibt einen bundesweiten, tagesaktuellen Überblick über Bildungsangebote.www.kursnet.arbeitsagentur.de

BERUFETVUnter www.berufe.tv > Berufsgruppen > Chancen mit Behin-derung finden interessierte Arbeitskräfte und Arbeitgeber nicht nur Überblicksfilme und besondere Ausbildungen, sondern auch gelungene Integrationsbeispiele.www.berufe.tv

BENDer Berufsentwicklungsnavigator BEN ermöglicht gezielte Information für Berufswechsel oder Weiterbildung anhand eingegebener Berufe und Orte.www.ben.arbeitsagentur.de

einfach teilhabenDas Internetportal des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) bietet Informationen rund um Teilhabe, Selbstbestimmung und Integration für behinderte Men-schen, deren Angehörige sowie für Arbeitgeber und öffent-liche Einrichtungen.www.einfach-teilhaben.de

Bundesministerium für Arbeit und SozialesAuf der Internetseite des BMAS findet sich unter Themen > Teilhabe von Menschen mit Behinderung viel Wissenswertes zur Politik für behinderte Menschen, zur Rehabilitation und Teilhabe oder auch zum Persönlichen Budget.www.bmas.de

Beauftragte der Bundesregierung für die Belange behinderter MenschenIn diesem Bereich können Sie Details zu rechtlichen Grund-lagen, Bildung und Arbeit oder Barrierefreiheit nachlesen. Die auf der Inklusionslandkarte vermerkten Beispiele geben Tipps zur praktischen Umsetzung von Inklusion, regen zur Nachahmung an und würdigen bereits gelebte Inklusion.www.behindertenbeauftragte.dewww.inklusionslandkarte.de

REHADATDas Informationssystem zur beruflichen Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderung bietet eine Über-sicht über Hilfsmittel, motiviert mit erfolgreichen Praxis-beispielen und informiert über Arbeitsleben, Werkstätten oder Seminare.www.rehadat.info

talentplusDas Portal zu Arbeitsleben und Behinderung spricht sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber an. Es weist Rechte und Pflichten aus, informiert über Hilfsangebote und bietet ein Lexikon an.www.talentplus.de

Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrations ämter und HauptfürsorgestellenDie Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter (BIH) informiert zum Schwerbehindertenrecht.www.integrationsaemter.de

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Die Bundesagentur für Arbeit bietet online viele Informationen barrierefrei.

Page 15: Themenheft durchstarten - Berufliche Reha | 2016€¦ · Foto: BMAS/Plambeck . ANDREA NAHLES. MEHR MÖGLICH MACHEN , WENIGER BEHINDERN. Mit der Weiterentwicklung . des Rehabilitationsrechts

WEITERE ANGEBOTE IM Erkennen und nutzen Sie Ihre beruflichen Chancen. Zu folgenden individuellen Lebenslagen gibt es Hefte zum Mitnehmen:

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Berufsinforma­tionszentrum (BiZ) können Ihnen bei der Suche nach geeigneten Informationen weiterhelfen.

zum Mitnehmen!

�� 50plus�–�Ihre�Erfahrung�zählt

�� Berufliche�Reha�

�� Existenzgründung

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www.arbeitsagentur.de/durchstarten

außerdem im BiZ:

Die durchstarten Infomappen bieten Informationen über Weiter­bildungsberufe, Anpassungs­qualifizierungen und Trends in verschiedenen Arbeitswelten.