Thomas Von Kempen Buch 1+2

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  • 8/2/2019 Thomas Von Kempen Buch 1+2

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    Thomas von Kempen

    BUCH 1+2

    Erstes Buch

    Anleitung zum geistlichen Leben

    KAPITEL 1Von der Nachfolge Christi

    1.Christi Leben will betrachtet sein.2.Christi Lehre will gelebt sein.3.Die Welt will durchschaut und berwunden sein.

    1.Wer mir nachfolgt, wandelt nicht im Dunkel, spricht der Herr (Joh 8, 12). Dassind Worte Christi. Sie spornen uns an, sein Leben und seinen Wandelnachzuahmen, wenn wir wahrhaft erleuchtet und von aller Blindheit des Herzensbefreit werden mchten. Unsere hchste Aufgabe sei die Betrachtung des

    Lebens Jesu Christi.2.Die Lehre Christi bertrifft alle Lehren der Heiligen. Wer den Geist besitzt,findet in ihr verborgenes Himmelsbrot. Doch es ist nun einmal so: Viele hrendie Frohbotschaft oft, spren aber nur geringe Sehnsucht nach dem Evangelium.Es fehlt ihnen der Christusgeist (vgl. Rm 8, 9). Wer Christi Worte ganzverstehen und verkosten will, mu bestrebt sein, sein ganzes Leben ihmgleichzuformen. Was ntzt es dir, tiefgrndig ber die Dreieinigkeit zu reden,wenn dir die Demut fehlt? Ohne sie mifllst du der Dreieinigkeit. Wahrlich,

    gelehrte Worte machen nicht den Heiligen und Gerechten. Das tut allein eintugendhaftes Leben. Das macht dich Gott teuer. Lieber mchte ich den Schmerzder Reue spren, als ihre Definition kennen. Wenn du die ganze Bibel

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    grndlicher dein Wissen ist, desto schwerer wiegt deine Verantwortung, wenndein Leben nicht um so heiliger war. Brste dich also nicht mit irgendeinerKunst oder Wissenschaft, frchte dich vielmehr wegen der dir verliehenenEinsicht. Wenn du meinst, vieles zu wissen und es recht gut zu verstehen, so

    bedenke, da es noch weit mehr gibt, was du nicht weit.3."Sei nicht berheblich" (Rm 11,20; 12, 16), gestehe lieber deine Unwissenheit.Warum willst du dich anderen vorziehen, da es doch viele gibt, die gelehrter undgesetzeskundiger sind als du? Willst du etwas Nutzbringendes wissen oderlernen, so liebe es, unbekannt zu sein und fr nichts gehalten zu werden. Das istdie tiefste und ntzlichste Wissenschaft: sich selbst richtig zu erkennen undgering zu achten. Das ist hohe Weisheit und Vollkommenheit: von sich selbernichts zu halten und von andern immer eine edle, gute Meinung zu haben. Siehstdu jemanden offenkundig sndigen und sich schwer vergehen, du drftest dichdennoch nicht fr besser halten. Denn du weit nicht, wie lange du im Gutenverharrst. Wir alle sind gebrechlich, aber halte keinen fr hinflliger als dichselbst.

    KAPITEL 3Die Lehre der Wahrheit

    1.Gott erkennen geht ber alles Fachwissen.2.Im Lichte des ewigen Wortes (Christi) erkenne ich die Wahrheit um Welt undLeben.3.Der gesammelte Geist, der sich beherrscht, erkennt leichter.4.Der demtige Geist erfat am tiefsten.5.Mein Wissen im Lichte des Jngsten Gerichtes.6.Das wahrhaft groe Wissen.

    1.Glcklich, den die Wahrheit (Gott) selbst belehrt, nicht durch vergnglicheZeichen und Worte, sondern in ihrem Wesen. Unser Denken und unser Sinntuschen uns oft und nehmen wenig wahr. Was ntzt das lange Reden berverborgene und dunkle Dinge? Wir werden ihretwegen nicht zur Rechenschaftgezogen, wenn wir sie etwa nicht gekannt haben. O groe Torheit, das Ntzlicheund Notwendige zu bergehen, um Dingen nachzugehen, die nur der Neugierdienen und Schaden anrichten! "Wir haben Augen und sehen nicht" (Jer 5,21und Ps 115,5). Was kmmern wir uns um Gattungen und Arten? Zu wem dasewige Wort (Gott) spricht, der bleibt vor vielen falschen Ansichten bewahrt.2.

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    Aus einem Worte (Gottes) stammen alle Dinge, und von einem Worte reden alleDinge, und das ist "der Anfang, der auch zu uns redet" (Joh 8, 25). Ohne ihnkommt keiner zur Einsicht, hat keiner ein rechtes Urteil. Wem alles das Eine ist,wer alles auf das Eine bezieht und alles in dem Einen schaut, dessen Herz kann

    festen Stand haben und dauernd im Frieden Gottes leben. O Wahrheit Gott,mach mich eins mit dir in ewiger Liebe! Ich bin des vielen Lesens und Hrensoft so berdrssig. In dir ist alles, was ich suche und ersehne. Schweigen mgenalle Lehrer, verstummen alle Geschpfe vor deinem Angesichte. Sprich du alleinzu mir!3.Je mehr einer mit sich selbst eins geworden ist, je einfacher er in seinem Innerengeworden ist, desto mehr und desto Hheres erkennt er ohne Mhe, weil er vonoben her das Licht der Erkenntnis empfngt. Ein lauterer, gerader undbeharrlicher Geist verliert beim Hochbetrieb nicht seine Sammlung, weil er alleszur Ehre Gottes tut und bestrebt ist, in Ruhe alle Eigensucht auszuschalten. Werbehindert und belstigt dich mehr als die unerttete Begier deines Herzens? Dergute, fromme Mensch berdenkt zuerst in seinem Inneren die Werke, die er nachauen zustande bringen mu. Darum ziehen ihn die Arbeiten auch nicht insSndhafte und Triebhafte, vielmehr gibt er selber den Neigungen die dem Urteilder gesunden Vernunft entsprechende Richtung. Wer hat einen hrteren Kampfzu kmpfen, als wer sich selbst zu besiegen trachtet? Und gerade das sollte unserGrundanliegen sein: uns selbst zu besiegen, tglich in der Selbstbeherrschung zuwachsen und so im Guten irgendeinen Fortschritt zu machen.

    4.Allem Vollkommenen haftet in diesem Leben Unvollkommenes an, und allunser Denken ist nicht frei von einem gewissen Dunkel. Die demtigeSelbsterkenntnis geleitet dich sicherer zu Gott als die tiefe wissenschaftlicheForschung. Die3Wissenschaft verdient keinen Tadel, auch nicht das schlichte Wissen um dieDinge. Diese sind in sich betrachtet gut und gehren der gttlichen Ordnung an.Aber ein gutes Gewissen und ein Leben der Tugend verdienen immer den

    Vorzug. Weil jedoch die meisten mehr auf das Wissen als auf ein tugendhaftesLeben bedacht sind, geraten sie oft in die Irre und zeitigen fast keine oder nurgeringe Frucht. Wenn sie doch ebensoviel Flei aufbrchten, ihre Fehlerauszurotten und Tugenden einzupflanzen, als gelehrte Fragen aufzuwerfen, esgbe nicht so groe Mistnde und rgernisse im Volke und nicht so vielZerfall in den Klstern.5.Bestimmt werden wir am kommenden Gerichtstage nicht gefragt werden, waswir gelesen, sondern was wir getan haben, und nicht, wie schn wir geredet,

    sondern wie gut wir gelebt. haben. Sage mir: Wo sind denn alle jene Herren undMeister, jene Leuchten der Wissenschaft, die du, als sie noch lebten, so gutgekannt hast? Schon sitzen andere auf ihren Pfrnden, und ich wei nicht, ob

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    diese ihrer noch gedenken. Zu ihrer Zeit schienen sie etwas zu bedeuten, undnun ist es still um sie geworden. Wie schnell verrauscht der Ruhm dieser Welt!Htte doch ihr Leben zu ihrer Gelehrsamkeit gepat, dann htten sie gut studiertund gelehrt.

    6.Wieviele gehen in dieser Welt an ihrem eitlen Wissen zugrunde! Sie kmmernsich zu wenig um den Dienst Gottes. Sie wollen lieber bedeutend als demtigsein; darum "schwinden sie dahin samt ihrem Denken" (Rm 1,21). Wahrhaftgro ist, wer groe Liebe hat. Wahrhaft gro ist, wer in seinen eigenen Augenklein ist und alle Ehrenbezeugungen fr nichts achtet. Wahrhaft klug ist, wer"alles Irdische fr Unrat hlt, um Christus zu gewinnen" (Phil 3,8). Einwirklicher Gelehrter ist, wer Gottes Willen tut und auf seinen eigenen Willenverzichtet.

    KAPITEL 4Achtsamkeit beim Handeln

    1.Glaube nicht alles, und erzhle nicht alles.2.berlege mit Ruhe, und lasse dir raten.

    1.Glaube nicht jedem Worte, und traue nicht jeder Eingebung. Prfe vielmehr dieDinge vor Gott, behutsam und mit der ntigen Ruhe. Leider geschieht es oft, dawir von andern lieber das Bse glauben und erzhlen als das Gute; so schwachsind wir. Doch vollkommene Menschen glauben nicht so leicht jedemSchwtzer. Denn sie kennen die menschliche Schwche, die zum Bsen neigtund im Reden leicht zu Falle kommt.2.Es ist eine tiefe Weisheit, nicht bereilt zu handeln und nicht an seiner eigenen

    Meinung starrkpfig festzuhalten. Dazu gehrt auch, da man nichtirgendwelcher Rederei Glauben schenkt und das, was man etwa gehrt undgeglaubt hat, nicht gleich anderen Leuten weitererzhlt. Berate dich mit einemklugen und gewissenhaften Mann, und lasse dich lieber eines Besseren belehren,statt deinen Einfllen zu folgen. Ein gutes Leben macht den Menschen weise vorGott und4erfahren in vielen Dingen. Je demtiger ein Mensch ist und je vollkommener ersich Gott unterwirft, um so weiser wird er sein und um so reicher an Frieden.

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    KAPITEL 5

    Das Lesen der heiligen Schriften

    1.Achte mehr auf den Inhalt als auf die Form.2.Lies nicht als Wissender, sondern um zu lernen.

    1.Suche Wahrheit in den heiligen Schriften, nicht den Glanz der Rede. "Jedesheilige Buch mu in dem Geist gelesen werden, in dem es verfat wurde." Wirmssen mehr auf unseren Nutzen als auf die gewhlte Form achten. Darumsollten wir fromme und schlichte Bcher ebenso gern lesen wie hohe und

    gedankenschwere. Der Name des Verfassers und sein groes oder geringesAnsehen in der Literatur darf nicht stren. Was dich zum Buche fhren soll, seieinzig die Liebe zur reinen Wahrheit. "Frage nicht, wer das gesagt hat, sondernachte auf das, was gesagt wird."2.Die Menschen gehen dahin, die Wahrheit des Herrn aber bleibt in Ewigkeit.Gott spricht zu uns auf mannigfache Weise, ohne Ansehen der Person. Was unsbeim Lesen der Schriften oft hindernd im Wege steht, ist unsere Neugier. Wirwollen begreifen und ergrnden, worber wir einfach hinweggehen sollten.

    Willst du aus der Lesung Nutzen ziehen, dann lies demtig, bescheiden und vollVertrauen. Erhebe nie Anspruch auf den Namen eines Gelehrten. Stelle gernFragen und hre schweigend auf die Worte der Heiligen. La dich auch dieGleichnisreden der Alten nicht verdrieen; sie werden nicht ohne Grundgesprochen.

    KAPITEL 6Ungeordnete Gesinnungen

    1.Der Quell seelischer Unruhe.2.Bezwinge dich, und du findest Ruhe.

    1.Sobald der Mensch etwas begehrt, was gegen die Ordnung verstt, erfat ihnsogleich die Unruhe. Hochmtige und Geizige kennen keine Ruhe, der Arme imGeist und der Demtige leben im vollen Frieden. Wer sich noch nicht gnzlich

    abgestorben ist, gert leicht in Versuchung, er strauchelt ber die geringstenKleinigkeiten. Ein Mensch von schwachem Geist, der noch irgendwie demniederen Menschen und dem Sinnenhaften zugeneigt ist, kann sich nur schwer

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    von den irdischen Wnschen vllig loslsen. Er wird oft traurig, wenn er sichihnen entzieht, und wird leicht zornig, wenn ihm einer in den Weg tritt.2.Hat er aber erreicht, was er begehrt, drckt ihn sogleich der Vorwurf des

    Gewissens, weil er seiner Leidenschaft folgte, die ihm nicht zu dem gesuchtenFrieden verhilft. Wahren Herzensfrieden findet man nur im Kampf gegen dieLeidenschaften, nicht aber darin, da man ihnen nachgibt. In einem irdischgesinnten Herzen, das sich an uere Dinge verliert, ist kein Frieden, wohl aberin einem Menschen von Geist und Glut.

    KAPITEL 7Keine trgerische Hoffnung und berheblichkeit hegen!

    1.Baue dein Lebensglck nicht auf trgerischen Grund.2.Was die Welt schtzt, bietet kein haltbares Fundament.

    1.Ein Tor, wer seine Hoffnung auf Menschen oder Geschpfe setzt. Schme dichnicht, aus Liebe zu Jesus Christus anderen zu dienen und als arm zu gelten indieser Welt. Verla dich nicht auf dich selbst, setze vielmehr dein Vertrauen auf

    Gott. Tu, was du tun kannst, und Gott wird deinem guten Willen beistehen.Vertraue nicht auf dein Wissen oder auf die Schlauheit irgendeines lebendenMenschen. Baue vielmehr auf die Gnade Gottes, der den Demtigen hilft unddie berheblichen demtigt.2.Rhme dich nicht deiner Reichtmer (Jer 9, 23). Prahle auch nicht miteinflureichen Freunden. Dein Ruhm sei Gott, der alles schenkt und auer allenGaben sich selbst dir zu geben verlangt. Brste dich nicht mit der Kraft undSchnheit des Leibes; eine geringe Krankheit gengt, und er ist zerstrt und

    entstellt. Gefalle dir nicht in deiner Geschicklichkeit und Begabung, sonstmifllst du Gott, dem alles gehrt, was du von Natur Gutes hast. Halte dichnicht fr besser als andere, damit du nicht vor Gott geringer erfunden werdest.Er wei, was im Menschen ist (loh 2, 25). Sei nicht eingebildet auf gute Werke.Gott richtet anders als die Menschen. Ihm mifllt oft, was den Menschenwohlgefllt. Hast du etwas Gutes an dir, so glaube nur, da andere Besseresaufweisen knnen. So bewahrst du die Demut. Es schadet dir nicht, wenn dudich fr geringer hltst als alle andern, hchst schdlich aber ist es, wenn dudich auch nur einem vorziehst. Nie versiegender Friede begleitet denDemtigen, im Herzen des Stolzen aber wohnen oft Zorn und Erbitterung.

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    KAPITEL 8

    Vertrauensseligkeit sollte man vermeiden

    1.Nicht so vertrauensselig.2.Tusche dich nicht.

    1.ffne nicht jedem Menschen dein Herz (Sir 8,19), doch mit einem weisen,gottesfrchtigen Menschen besprich deine Sache. Mit jungen Leuten und mitFremden la dich weniger ein. Schmeichle nicht den Reichen, und erscheine nurselten vor Groen. Suche deine Gesellschaft und Unterhaltung bei den

    bescheidenen, einfachen und ausgeglichenen Menschen, und sprich mit ihnenber das, was zumGuten anregt. Sei nicht allzu vertraulich mit dem anderen Geschlecht, alle gutenFrauen aber empfiehl insgesamt dem Herrn. Wirklich vertraut sei nur mit Gottund mit seinen Engeln, dem Bekanntsein unter Menschen aber gehe aus demWege.2.Liebe soll man zu allen haben, Vertraulichkeit aber ist nicht zutrglich.Zuweilen kommt es vor, da ein Unbekannter einen sehr guten Ruf besitzt;

    siehst du ihn aber aus der Nhe, verliert er seinen Glanz in deinen Augen.Manchmal dnkt uns, andere fnden Gefallen an unserer Gesellschaft, doch sindwir schon auf dem Wege, ihnen zu mifallen, weil sie unsere Schwcheentdecken.

    KAPITEL 9Gehorsam und Unterordnung

    1.Achte die Vorgesetzten.2.Nimm Rat an.

    1.Es ist etwas Bedeutendes, im Gehorsam zu stehen, unter einem Oberen zu lebenund nicht sein eigner Herr zu sein. Ungleich sicherer ist es, Untergebener zu seinals Vorgesetzter. Viele sind untertan, mehr aus Zwang als aus Liebe. Sie habenihre Last damit und murren schnell. Sie bringen es nur dann zur Freiheit des

    Geistes, wenn sie sich um Gottes willen und aus ganzem Herzen unterwerfen.Laufe dahin oder dorthin, du findest keine Ruhe, wenn du dich nicht demtigder Leitung des Oberen unterwirfst. Die Einbildung, mit dem Wechsel des Ortes

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    wrde es besser, hat schon viele getuscht. Wahr ist, da jeder gern nach seinemeigenen Kopf lebt und lieber denen folgt, die mit ihm einer Meinung sind. Aberwenn Gott unter uns wohnt, gehrt es sich doch wohl, da wir bisweilen um deslieben Friedens willen von unserer eigenen Meinung lassen.

    2.Wer ist so weise, da er alles vollkommen wissen knnte? Darum baue nicht zusehr auf deine Einsicht, sondern hre auch gern auf die Meinung anderer. Istdeine Meinung gut, und du stehst um Gottes willen davon ab und folgst einemanderen, so wirst du ungleich greren Nutzen davon haben. Denn oft habe ichgehrt, es sei weit sicherer, auf einen Rat zu hren und ihn anzunehmen, als Ratzu erteilen. Es kann auch der Fall vorkommen, da die Meinung eines jedenHand und Fu hat. Aber gar nicht nachgeben wollen, wenn Vernunft und Sachedies erfordern, ist das Zeichen starrsinnigen Hochmut!

    KAPITEL 10Sei nicht redselig

    1.Das viele Reden schadet dir.2.Es bringt dir keinen Trost.

    1.Fliehe den Lrm der Menschen, sooft du kannst. Das Reden berTagesereignisse hemmt dich sehr, auch wenn es in guter Absicht geschieht.Denn schnell werden wir von den Eitelkeiten der Welt angesteckt und in ihrenBann gezogen. Ich wollte, ich htte mehr geschwiegen und wre nicht unterMenschen gegangen.2.Weshalb reden und schwtzen wir so gern miteinander, da wir doch selten ohne

    Verletzung des Gewissens zum Schweigen zurckkehren? Nur deshalb redenwir so gern, weil wir in der Unterhaltung gegenseitig Trost suchen und dem vomvielen Denken ermdeten Herzen gern Erleichterung verschaffen. Und sehr gernberdenken und sprechen wir aus, was wir lieben oder uns wnschen, oder wirreden von dem Unangenehmen, das uns drckt. Aber leider! Hufig erfolglosund vergeblich; denn diese uere Trstung ist der inneren, gttlichen Trstungsehr abtrglich. So mssen wir also wachen und beten (Mt 26,41), damit die Zeitnicht ungebraucht vergehe. Wenn es erlaubt und angezeigt ist zu reden, dannsprich, was aufbauen kann. ble Gewohnheit und Gleichgltigkeit gegenunseren Fortschritt tragen viel dazu bei, da wir unseren Mund nicht haltenknnen. Nicht wenig aber trgt zum geistlichen Fortschritt das religise

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    Gesprch ber geistliche Dinge bei, besonders dann, wenn Menschen gleichenHerzens und gleichen Geistes sich in Gott zusammenfinden.

    KAPITEL 11Frieden erwerben und unermdlich weiterstreben

    1.Frieden gewinnt, wer sich nicht unntig um alles kmmert.2.Frieden gewinnt, wer sich selbst widersteht.3.Fortschritte erzielt, wer sich tapfer, gottvertrauend, beharrlich in kleinenDingen einsetzt.

    1.Wir knnten reich sein an Frieden, wenn wir uns nicht soviel um daskmmerten, was andere sagen und tun und was uns nichts angeht. Wie kann derlange in Frieden leben, der sich in fremde Hndel mischt, uere Anlsse suchtund sich wenig oder selten innerlich sammelt? Selig die Einfltigen! Sie werdenviel Frieden haben. Warum sind manche Heilige so vollkommene undbeschauliche Menschen gewesen? Weil sie bestrebt waren, alle irdischenBegierden in sich zu berwinden; so konnten sie mit jeder Faser ihres HerzensGott anhangen und in Freiheit sich selbst gehren.

    2.Wir aber lassen uns zu sehr von den eigenen Leidenschaften beherrschen unddurch vergngliche Dinge in Atem halten. Selten erringen wir auch nur bereinen einzigen Fehler einen vollkommenen Sieg. Tglich voranzuschreitenfhlen wir keine Lust. Deshalb bleiben wir kalt und lau. Wren wir uns selbstvollkommen abgestorben und innerlich ausgeglichen, dann knnten wir sogar angttlichen Dingen Geschmack finden und ein wenig erfahren, was es um diehimmlische Beschauung ist. Das ist das einzige und das grte Hindernis: Wirsind versklavt an die Leidenschaften und Begierden und versuchen gar nicht,

    den Weg der Vollkommenheit, den die Heiligen gingen, zu beschreiten. Bei dergeringsten Kleinigkeit lassen wir sogleich den Kopf hngen und sehen uns nachMenschentrost um.3.Setzten wir uns in den Kmpfen wie Helden tapfer ein, wahrhaftig, wir wrden"die Hilfe des Herrn vom Himmel her ber uns kommen sehen" (2 Chr 20,17).Denn er ist bereit, denen zu helfen, die da streiten und auf seine Gnade bauen. Ergibt uns Gelegenheit zum Kampfe, damit wir siegen. Wenn wir den Fortschrittim religisen Leben nur in ueren bungen erblicken, wird es mit unsererInnerlichkeit bald am Ende sein. Legen wir vielmehr die Axt an die Wurzel, um,gereinigt von den ungeordneten Neigungen, den Frieden des Geistes zu finden.Wrden wir jedes Jahr nur einen einzigen Fehler ausrotten, wir wren bald

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    vollkommene Menschen. Aber oft genug erleben wir das Gegenteil und finden,da wir am Anfang unserer Umkehr besser und reiner waren als nach vielenJahren der Profe. Der Eifer und Fortschritt mten tglich wachsen, aber heutegilt einer schon als gro, der noch einen Funken des ersten Eifers in sich

    erhalten konnte. Wrden wir uns anfangs nur ein wenig Gewalt antun, wirknnten nachher alles leicht und frohgemut schaffen. Es ist schwer, Gewohnteszu lassen, aber noch schwerer ist es, gegen den eigenen Willen anzugehen. Dochwenn du ber Kleines und Leichtes nicht Herr wirst, wann willst du dieschwierigen Flle meistern? Widerstehe deiner Neigung gleich im Anfang undleg die ble Gewohnheit ab, sonst bringt sie dich nach und nach in grereSchwierigkeiten. Wrdest du doch recht bedenken, wie reich der Friede ist, derdir zuteil wird, und wie gro die Freude, die du anderen bereitest, wenn du dichgut fhrst, ich glaube, du wrdest auf deinen geistlichen Fortschritt mehrSorgfalt verwenden.

    KAPITEL 12Der Nutzen von Widrigkeiten

    1.Widrigkeiten erziehen dich zur Demut.2.Das Leid fhrt dich zu Gott.

    1.Es ist gut fr uns, da wir bisweilen Dingen begegnen, die uns unangenehm undzuwider sind; denn sie rufen den Menschen oft zu sich selber zurck. Er erkennt,da er in der Verbannung lebt und da er seine Hoffnung nicht auf irgend etwasin der Welt setzen soll. Es ist gut, da wir zuweilen Widerspruch erfahren undda schlecht und abfllig ber uns gedacht wird, selbst wenn wir recht handelnund es gut meinen. Das frdert oft die Demut und schtzt uns vor eitlem Ruhm.Wenn nmlich die Menschen in der Welt uns gering achten und uns nichts Gutes

    zutrauen, dann suchen wir noch mehr den inneren Zeugen: Gott.2.Deshalb sollte der Mensch so fest in Gott grnden, da er nicht ntig htte, vielum menschlichen Trost zu betteln. Wenn ein Mensch, der guten Willens ist, inBedrngnis oder Versuchung gert oder von bsen Gedanken geplagt wird, dannsieht er besser ein, da er Gott doch recht ntig hat und da er ohne ihn nichtsGutes vermag. Er wird traurig, klagt und betet wegen der Not, die er leidet.Dann mag ernicht lnger mehr leben, sehnt den Tod herbei und mchte "aufgelst werdenund mit Christus sein" (PhilI, 23). Es geht ihm die Erkenntnis auf, da es eineletzte Sicherheit und einen vollen Frieden in der Welt nicht geben kann.

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    KAPITEL 13

    Anfechtungen zurckdrngen

    1.Wir alle werden versucht.2.Versuchungen und Anfechtungen sind Segen und Klippe.3.Quellen der Versuchungen und deren Abwehr.4.An Hufigkeit und Heftigkeit verschieden sind sie: Prfstein, Erziehungsmittelund Verdienstquelle.

    1.Solange wir auf Erden leben, knnen wir nicht ohne Trbsal und Versuchung

    sein. Bei Hiob heit es: "Angefochten sein, das ist des Menschen Leben aufErden" (7, 1). Daher sollte jeder sein Augenmerk auf das richten, was ihn zuFalle bringen kann. Er sollte wachen und beten, damit der Teufel keineGelegenheit finde, ihn zu berlisten. Denn der Teufel schlft nie, sondern "gehtumher, suchend, wen er verschlinge" (1 Petr 5, 8). Niemand ist so vollkommenund heilig, da er nicht zuweilen Versuchungen htte, und ganz frei von ihnenbleiben ist uns gar nicht mglich.2.Doch bringen die Versuchungen dem Menschen oft groe Vorteile, ob sie ihm

    auch lstig und beschwerlich sind: sie demtigen, lutern und erziehen ihn. AlleHeiligen sind durch viele Drangsale und Anfechtungen gegangen, und sie sindan ihnen gewachsen. Die aber nicht fhig waren, in den Versuchungendurchzuhalten, wurden abtrnnig und gingen verloren. Kein Stand ist so heilig,kein Ort so abgelegen, da sie den Versuchungen und Trbsalen nichtzugnglich wren.3.Niemand ist zeitlebens vor Versuchungen ganz sicher, weil der Keim zurVersuchung in uns selber schlummert. Wir sind in der Situation des Begehrens

    geboren. Ist eine Versuchung oder Bedrngnis berstanden, kommt schon einezweite. Immer werden wir etwas zu leiden haben; denn wir haben das Gutunserer Glckseligkeit verloren. Viele suchen den Versuchungen zu entfliehenund verstricken sich noch mehr in sie. Die Flucht allein fhrt uns nicht zumSiege, aber Geduld und wahre Demut machen uns strker als alle Feinde. Wernur uerlich ausweicht und die Axt nicht an die Wurzel legt, richtet wenig aus.Ja, die Versuchungen werden schneller wiederkehren und ihn um so schlimmerplagen. Nur nach und nach, durch Geduld und Langmut wirst du mit GottesHilfe die Oberhand gewinnen, nicht durch eine schroffe, ungestme Art. Holedir fters Rat, wenn du versucht wirst, und verfahre nicht hart mit dem, derversucht wird. Sprich ihm vielmehr Trost zu, wie du es selbst fr dichwnschest. Die Quelle aller bsen Versuchungen sind das unbestndige Herz

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    und das geringe Vertrauen zu Gott; denn wie ein steuerloses Schiff von denFluten hin und her geworfen wird, so gert ein lauer, seinem Vorsatz ungetreuerMensch in die Wogenwucht der Versuchungen. "Das Feuer erprobt das Eisen,die Versuchung den Gerechten" (Sir 2, 5). Oft wissen wir nicht, was wir knnen,

    aber was wir sind, zeigt die Versuchung. Wir mssen wachen, besonders, wenndie Versuchung einsetzt. Man wird den Feind leichter berwinden, wenn manihm entschlossen den Zugang zum Inneren sperrt und ihn, sobald er Einlabegehrt, vor der Schwelle noch, zum Kampfe stellt. Deshalb hat jemand gesagt:"Den Anfngen biete die Stirn, zu spt wird sonst der Heiltrank bereitet, wenndas bel durch die lange Dauer sich verfestigt hat." Zuerst naht dir ein einfacherGedanke, dann eine lebhafte Vorstellung, schlielich die Lust, dann diesndhafte Regung und Einwilligung. Und so nimmt der bse Feind allmhlichganz Besitz von dir, wenn du ihm nicht gleich anfangs widerstehst. Und jelnger du sumst, Widerstand zu leisten, um so schwcher wirst du von einemTage zum andern, whrend der Feind um so strker wird.4.Einige haben zu Beginn ihrer Umkehr grere Versuchungen zu bestehen,andere am Ende, wieder andere haben sozusagen ihr ganzes Leben hindurch zuleiden, whrend einige nur ganz gelinde versucht werden, je nach der Weisheitund Gerechtigkeit der gttlichen Vorsehung, die Stand und Verdienst derMenschen abwgt und alles zum Heile ihrer Auserwhlten vorherbestimmt. Wirdrfen deshalb nicht verzweifeln, wenn wir versucht werden, mssen vielmehrGott um so inbrnstiger anflehen, da er uns in aller Drangsal gndig zu Hilfe

    komme. Er wird nach dem Worte des hl. Paulus "zugleich mit der Versuchungeine solche Hilfe schicken, da wir ihr gewachsen sind" (1 Kor 10, 13). "Beugenwir uns also demtig unter Gottes Hand" (1 Petr 5, 6) in jeder Versuchung undTrbsal; denn die demtig sind im Geiste, wird er erretten und erhhen.Versuchungen und Drangsale sind der Prfstein, der den Fortschritt desMenschen anzeigt, begrnden ein greres Verdienst und rcken die Tugend inhelleres Licht. Es ist nichts Groes, gottinnig und eifrig zu leben, solange unsnichts bedrckt; aber wenn wir in der Zeit der Not geduldig ausharren, drfenwir hoffen, da wir im Inneren bedeutend gewachsen sind. Einige erleben keine

    groen Versuchungen, dafr erliegen sie oft im Kleinkampf des Alltags. Siesollen, weil gedemtigt, niemals in groen Dingen auf sich selbst vertrauen, dasie schon in kleinen Dingen versagen.

    KAPITEL 14Leichtfertiges Urteilen meiden

    1.Dein Urteil wird zu leicht von der Eigenliebe, den Sinnen und vonGefhlsmomenten diktiert.

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    2.Soviel Kpfe, soviel Ansichten; die Sicht von Christus her fhrt zur Einsichtim Denken.

    1.Richte dein Auge auf dich selbst und hte dich, ber das Tun anderer zu Gerichtzu sitzen. Das Urteilen ber andere ist vergebliche Mhe, der Mensch urteiltfters falsch und fllt dabei leicht in Snde. Wenn er sich aber selber kritischbeurteilt, bringt ihm diese Mhe allezeit Segen. Wie uns eine Sache am Herzenliegt, so urteilen wir gewhnlich darber; denn wegen der Eigenliebe verlierenwir leicht den Blick fr das rechte Urteil. Wre Gott stets das reine Ziel unseresVerlangens, wir wrden durch den Widerstand unserer Denkart nicht so leichtaus der Fassung geraten. Aber oft bleibt uns von innen her etwas verborgen oderkommt von auen auf uns zu, was uns sofort mitreit. Viele suchen imgeheimen bei ihrem Tun und Lassen sich selbst und wissen es nicht. DemAnschein nach leben sie, solange die Dinge nach ihrem Wunsch und Willengehen, in tiefem Frieden. Kommt es aber anders, als sie wnschen, sind siegleich erregt und traurig.2.Wegen der Verschiedenheit im Fhlen und Denken entstehen hufigZwistigkeiten unter Freunden und Mitbrgern, unter Ordensleuten undGottesfreunden. Eine alte Gewohnheit gibt man schwerlich auf, und niemandlt sich gern ber seine eigene Anschauung hinausfhren. Wenn du dich mehr

    auf deine Vernunft und auf deinen Flei verlt als auf die bezwingende KraftJesu Christi, wirst du nur selten und erst spt ein Mensch der Erleuchtung; dennGott will, da wir uns ihm vollkommen unterwerfen und uns mit flammenderLiebe ber alles natrliche Denken erheben.

    KAPITEL 15Handeln aus der Liebe

    1.Alles geschehe aus Liebe.2.Die Liebe sei ganz rein.

    1.Um kein Ding in der Welt und niemandem zuliebe darf man Bses tun. Wohlaber soll man, um einem Bedrftigen zu helfen, bisweilen ein gutes Werk ausfreien Stcken unterlassen oder in ein besseres ndern. Denn dadurch wird dasgute Werk nicht aufgehoben, sondern in ein hheres verwandelt. Ohne Liebe hat

    das uere Werk keinen Wert. Alles aber, was aus Liebe geschieht, mag es auchklein und unansehnlich sein, bringt ganz reiche Frucht. Denn Gott sieht mehr auf

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    die Gesinnung, die dein Tun beseelt, als auf deine Leistung. Vieles vollbringt,wer viel Liebe hat. Vieles vollbringt, wer eine Sache recht tut. Gut handelt, wermehr der Gemeinschaft als seinem Eigenwillen dient.2.

    Oft scheint etwas wie Liebe auszusehen, und es ist mehr natrliches Begehren;denn die Neigung der Natur, der Eigenwille, die Hoffnung auf ein Entgelt undder Hang zur Bequemlichkeit verlangen immer ihr Recht. Wer wahre,vollkommene Liebe hat, sucht in keiner Sache sich selbst, hat vielmehr in allemnur Gottes Ehre im Auge. Er beneidet niemanden, verlangt fr seine Person nachkeiner Freude und sucht sie auch nicht in sich selbst. Nur in Gott, ber alleErdengter hinaus, mchte er sich erfreuen. Er schreibt keinem etwas Gutes zu,sondern bezieht es ganz auf Gott, den Urquell alles Guten und das Ziel, in demalle Heiligen ihre selige Ruhe finden. Wer nur einen Funken wahrer Liebe htte,frwahr, er wrde spren, da alles Irdische voller Eitelkeit ist.

    KAPITEL 16Ertrage die Unzulnglichkeiten der anderen

    1.Ertrage, ohne zu streiten, und bitte um Kraft.2.Beurteile dich und die Welt nicht nach zweierlei Ma.

    3.Das Ertragen ist gottgewollte Ordnung.

    1.Was der Mensch an sich oder anderen nicht bessern kann, mu er geduldigtragen, bis Gott es anders fgt. Denke: Es ist so vielleicht besser fr deineBewhrung in der Geduld, ohne die unsere guten Werke ja kein Gewicht haben.Du mut jedoch bei solchen Schwierigkeiten zu Gott flehen, da er dir gndigzu Hilfe komme und dir die Kraft gebe, sie ruhig hinzunehmen. Sollte sich

    jemand nach ein oder zweimaliger Ermahnung nicht fgen, streite nicht mit ihm,sondern stelle alles Gott anheim, da sein Wille geschehe und da alle seineDiener ihm Ehre erweisen. Es ist ihm ja ein leichtes, das Bse zum Guten zuwenden.2.Lerne Geduld zu haben mit anderer Menschen Fehlern und Schwchen, welcherArt sie auch sein mgen. Auch du hast vieles an dir, was andere ertragenmssen. Wenn es dir nicht gelingt, ein Charakter zu werden, wie er dirvorschwebt, wie kannst du den anderen nach deinem Wunschbild formen?Andere haben wir gern vollkommen, die eigenen Fehler aber bessern wir nicht.Andere sollen streng zurechtgewiesen werden, wir selbst aber wollen uns nichtssagen lassen. Die weitgehenden Freiheiten, die anderen gegeben werden,

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    erregen unser Mifallen, die eigenen Wnsche aber wollen wir erfllt sehen.Andere sollen durch Verordnungen eingeengt werden, und selbst dulden wirkeine weitere Einschrnkung. So ist es also offenbar: Wir messen den Nchstennur selten mit dem Mae, mit dem wir uns messen.

    3.Wenn alle vollkommen wren, was htten wir dann von den anderen um Gotteswillen zu leiden? Nun aber hat Gott die Ordnung getroffen, da wir lernen, "dereine die Last des andern zu tragen" (Gal 6,2). Denn keiner ist ohne Fehler,keiner ohne Last, keiner sich selbst genug, keiner hinreichend weise. Vielmehrmssen wir uns gegenseitig ertragen und trsten, ebenso uns sttzen, belehrenund ermahnen. Wie weit es aber jeder in der Tugend gebracht hat, zeigt sich amdeutlichsten bei Gelegenheit einer Anfechtung. Denn solche Anlsse machenden Menschen nicht erst schwach, sondern sie zeigen nur, wie es um ihn steht.

    KAPITEL 17Das monastische Leben

    1.Das Ordensleben ist nicht leicht.2.Der Schlssel zum wahren Ordensleben.3.Das Ziel im Kloster: Dienmut, Demut.

    1.Willst du mit anderen Frieden und Eintracht bewahren, so mut du lernen, dichselbst in vielen Dingen zu bezwingen. Es ist keine Kleinigkeit, in Klstern odereiner Ordensgemeinschaft zu wohnen und dort ohne Klage zu leben und treu biszum Tode auszuharren. Wohl dem, der daselbst gut gelebt hat und glcklichvollenden durfte!2.

    Willst du fest stehen und fortschreiten, wie es sich gehrt, so betrachte dich alseinen Pilger und Fremdling auf Erden. Du mut ein Tor werden um Christiwillen, wenn du ein Ordensleben fhren willst. Ordenskleid und Tonsurbedeuten wenig. Sittliche Neugeburt und vllige Erttung der Leidenschaftenmachen den wahren Ordensmann. Wer etwas anderes sucht als einzig Gott unddas Heil seiner Seele, findet nur Plage und Schmerz. Auch kann der Friededessen nur von kurzer Dauer sein, der nicht bestrebt ist, der Geringste zu seinund sich allen unterzuordnen.3.Zum Dienen bist du gekommen, nicht zum Herrschen. Zum geduldigen Arbeitenbist du berufen, nicht zu Miggang und Plauderei. Hier also werden dieMenschen erprobt, wie "das Gold im Feuerofen" (Weish 3, 6). Hier kann nur

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    aushalten, wer von ganzem Herzen gewillt ist, sich um Gottes willen zudemtigen.

    KAPITEL 18Schau auf das Vorbild der heiligen Vter

    1.Das Leben der heiligen Vter war: Dienen und Dulden, Kmpfen undKasteien, Fasten und Beten.2.Auf ihre Demut, Liebe und Geduld.,3.Auf die Ordensgrnder und die blhenden Tugenden der ersten Zeiten.

    1.Schau auf die lebendigen Vorbilder der heiligen Vter, in denen wahreVollendung und Religiositt aufstrahlt, und du wirst sehen, wie geringfgig, jawie nichtssagend ist, was wir tun. Ach, was ist es doch mit unserem Leben,wenn wir es mit dem ihrigen vergleichen! Die Heiligen und Freunde Christidienten dem Herrn in Hunger und Durst, in Klte und Ble, in Mhe undErschpfung, in Wachen und Fasten, in Gebet und heiliger Betrachtung, in

    vielerlei Verfolgung und Schmach. Wie viele und schwere Trbsale haben sieerduldet: die Apostel, die Mrtyrer, die Bekenner und Jungfrauen und diebrigen alle, die entschlossen waren, Christi Fustapfen zu folgen. Sie haben"ihre Seele in dieser Welt gehat, um sie fr das ewige Leben zu besitzen" (vgl.Joh 12, 25). Wie streng und entsagungsvoll war das Leben, das die heiligenVter in der Wste fhrten! Wie anhaltend und schwer waren die Versuchungen,die sie zu ertragen hatten, wie hufig die Qulereien, mit denen der Feind ihnenzusetzte! Wie viele glhende Gebete opferten sie dem Herrn auf, wie strengwaren die Fasten, die sie hielten, wie gro der Eifer und das feurige Verlangen,im geistlichen Leben Fortschritte zu machen! Wie tapfer kmpften sie, um dieLaster zu unterdrcken, und wie lauter und gerade zielte ihre Meinung auf Gott!Am Tage arbeiteten sie, und nachts lagen sie lange dem Gebete ob, obwohl sienicht aufhrten, auch bei der Arbeit ununterbrochen das innerliche Gebet zupflegen. Alles, was sie an Zeit erbrigten, wandten sie ntzlich an. Jede Stundeschien ihnen zu kurz fr den Umgang mit Gott, und ber der groen Sigkeitder Beschauung vergaen sie sogar, dem Leibe die notwendige Erholung zugewhren.2.Allen Reichtmern, Wrden, Ehren, Freunden und Verwandten entsagend,

    begehrten sie von der Welt nichts zu besitzen; kaum nahmen sie dasLebensnotwendige zu sich. Dem Leibe zu dienen empfanden sie selbst im

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    Notfalle als schmerzlich. Sie waren also arm an irdischen Dingen, aber berausreich an Gnade und Tugenden. uerlich darbten sie, innerlich kosteten sie dievon Gott kommende Erquickung der trstenden Gnade. Der Welt waren siefremd, Gott aber standen sie nahe wie vertraute Freunde. Sich selbst kamen sie

    wie nichts vor, und der Welt erschienen sie verchtlich, in den Augen Gottesaber waren sie wertvolle, liebe Menschen. Gegrndet in wahrer Demut, lebtensie in schlichtem Gehorsam. Ihr Wandel trug das Geprge der Liebe undGeduld; darum erstarkten sie tglich im Geiste und empfingen groe Gnadenvon Gott. Allen Ordensleuten als Beispiel gegeben, sollen sie uns mehr zumFortschritt im Guten anspornen als jene, die zu den Lauen zhlen, uns verleiten,im Eifer zu erlahmen.3.Wie stark war die Glut aller Ordensleute in den ersten Zeiten, als ihre heiligenGrndungen ins Leben traten! Welche Hingabe im Gebete, welcher Wetteifer imRingen um die Tugend! Wie hoch stand die Zucht! Wie blhten bei allen dieEhrfurcht und der Gehorsam gegen die Regel des Meisters! Zeugen dessen, dasie wirklich heilige, vollkommene Menschen waren, die in wackerem Streit dieWelt unter ihre Fe brachten, sind die noch vorhandenen Spuren. Heute abergilt schon als gro, wer die Gebote nicht bertritt und sein Los geduldig zuertragen versteht. O der Lauheit und Nachlssigkeit in unserem Stande, daunsere erste Glut so schnell erkaltet und wir vor Trgheit und Saumseligkeit desLebens mde werden! Mchte doch in dir das Verlangen nach Fortschritt in derTugend niemals einschlafen, nachdem du wiederholt so viele Beispiele

    gottinniger Menschen gesehen hast.

    KAPITEL 19Was gute Ordensleute tun

    1.Sie verbinden innere Tugend mit ernstem Wollen.

    2.Sie sind weiten und wachen Geistes, zieltreu und gesammelt.3.In der Aszese klug, schonen sie sich nicht und stellen die gemeinsamenbungen ber die privaten.4.Mit den bungen je nach den liturgischen Zeiten wechseln.

    1.Das Leben eines guten Ordensmannes mu alle Tugenden aufweisen, damit erinnerlich das sei, was er im ueren vor den Menschen zu sein scheint. Ja,eigentlich sollte in seinem Inneren mehr sein, als nach auen sichtbar wird; denn

    Gott sieht ins Herz: Gott, dem wir die hchste Ehrfurcht schulden, mgen wirsein, wo wir wollen, Gott, vor dessen Augen wir wie Engel wandeln sollen.

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    Jeden Tag mssen wir unseren Vorsatz erneuern und unseren Eifer entfachen,als htten wir uns heute erst bekehrt, und beten: "Herr, Gott, hilf mir in meinemguten Vorhaben und in deinem heiligen Dienste. Gib, da ich heute vollkommenbeginne; denn alles, was ich bisher getan habe, ist nichts."!! Wie unser Vorsatz,

    so unser Fortschritt. Wer gut vorankommen will, bedarf grten Eifers. Wennschon der starke Wille oft versagt, was wird geschehen, wenn sich einer nurselten und mit halbem Willen etwas vornimmt! Auf mannigfache Weise werdenwir unserem Vorsatz untreu, und schon eine leichte Lssigkeit in den bungengeht kaum ohne schdliche Wirkung vorber. Was sich die Gerechtenvornehmen, grndet mehr in der Gnade Gottes als in eigener Weisheit. Auf Gottvertrauen sie auch stets, mgen sie unternehmen, was sie wollen. Denn "derMensch denkt, Gott aber lenkt" (Spr 16,9), und des Menschen Weg liegt nicht inseiner Hand.2.Wenn man zuweilen in frommer Absicht oder um dem Bruder zu helfen, einegewohnte bung unterlt, so kann man sie leicht nachholen. Unterlt man sieaber aus berdru oder Saumseligkeit, so ist das sehr gefehlt; die nachteiligenWirkungen wird man zu spren bekommen. Versuchen wir, was wir knnen;wir werden noch leicht in vielen Dingen fehlen. Doch immer sollten wir unsetwas Bestimmtes vornehmen, besonders gegen jene Schwchen, die uns ammeisten behindern. Unser Inneres wie auch ueres werden wir in gleicherWeise prfen und ordnen, denn beides frdert den Fortschritt. Kannst du dichnicht dauernd sammeln, so versuche es wenigstens bisweilen oder einmal im

    Tage, etwa morgens oder abends. Morgens setze dir ein Ziel, abends berdenkedeinen Wandel: Wie waren deine Worte, deine Werke, deine Gedanken?Vielleicht hast du darin fter Gott und den Nchsten beleidigt.3.Umgrte dich wie ein Mann gegen die Hinterlist des Teufels. Zgle dieGaumenlust, und du wirst jede fleischliche Regung um so leichter berwinden.Sei nie ganz mig, sondern lies oder schreib, bete, betrachte oder arbeite etwaszum Nutzen der Gemeinschaft. Krperliche Aszese ist nur mit Vorsichtanzuwenden; sieeignet sich nicht in gleichem Mae fr alle. Was keine

    gemeinsame bung ist, soll man nicht so offen zeigen. Private Aszese bt mansicherer im Verborgenen. Hte dich aber, die gemeinsamen bungen trge unddie privaten eifrig anzuwenden. Erflle zuerst treu und gewissenhaft deinePflicht und Schuldigkeit. Wenn du dann noch Zeit erbrigst, widme dich dirselbst, wie dich deine Hingabe treibt.4.Jede bung eignet sich nicht fr jeden. Dem einen ist diese angemessener, demanderen jene. Es empfiehlt sich auch, je nach dem Charakter der Zeit mit denbungen zu wechseln. Einige eignen sich mehr fr Festtage, andere mehr fr

    Werktage. Diese tun uns Not zur Zeit der Versuchung, jene in Stunden desFriedens und der Ruhe. Manches berdenken wir gern, wenn wir traurig sind,anderes, wenn wir uns freuen in Gott. Vor den Hauptfesttagen soll man die

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    bewhrten bungen erneuern und die Frbitte der Heiligen mit mehr Inbrunstanrufen. Von einem Fest zum andern sollten wir Vorstze fassen, als wenn wirdann von dieser Welt scheiden wrden, um in den ewigen Feiertag einzugehen.Darum werden wir uns in den geweihten Tagen sorgsam vorbereiten, mit

    grerer Hingabe leben und allen Pflichten gewissenhaft nachkommen, so treu,als wrden wir in Krze von Gott den Lohn fr unsere Mhe empfangen.. Hat esaber bis dahin noch gute Weile, so lat uns glauben, da wir nicht gengenddafr vorbereitet und darum einer so groen "Herrlichkeit, die zurvorbestimmten Zeit an uns offenbar werden soll" (Rm 8, 18), unwrdig waren.Seien wir also bemht, uns besser auf den Heimgang einzustellen. "Selig", heites beim Evangelisten Lukas, "wen der Herr bei seiner Ankunft wachend findet!Wahrlich, ich sage euch, ber alle seine Gter wird er ihn setzen" (12, 37-44).

    KAPITEL 20Liebe zu Einsamkeit und Schweigen

    1.Minuten der Stille schaffen besinnliche Menschen mit sicherem Auftreten.2.Den Freunden der Stille erwchst eine noch grere Sicherheit, wenn siedemtig und geduldig sind.3.In der Stille begegnen dir: Reue, Trost, Licht und gttliche Nhe.4.Die Stille bewahrt dein Herz vor unntiger Zerstreuung.

    5.Nicht die laute Welt, die Einsamkeit ist dein Himmel auf Erden.

    1.Suche dir eine passende Zeit, um fr dich zu sein, und gedenke oft derWohltaten Gottes. La von der Neugier! Lies Bcher, die mehr derZerknirschung als der Unterhaltung dienen. Wenn du dich des bermigenSchwtzens und des migen Umherlaufens enthltst und dein Ohr denNeuigkeiten und Gerchten verschlieest, wirst du gengende und passende Zeit

    zu guter Betrachtung finden. Die grten Heiligen mieden den Umgang mitMenschen, wo sie nur konnten, und zogen es vor, Gott im verborgenen zudienen. Es hat jemand gesagt: "Sooft ich unter Menschen weilte, war ich beimHeimgehen weniger Mensch." Das erfahren wir fter, wenn wir uns langeunterhalten. Es ist leichter, nichts zu reden, als reden und nicht fehlen. Es istleichter, im Hause zurckgezogen zu leben, als drauen gengend ber sich zuwachen. Wer also ein innerlicher, ein geistlicher Mensch werden mchte, mumit Jesus der Menge ausweichen. Keiner tritt sicher an die ffentlichkeit, dernicht gern im Verborgenen bleibt. Keiner tritt im Reden mit Sicherheit auf, dernicht gern schweigt. Keiner kann andern sicher vorstehen, der nicht gernuntertan ist. Keiner kann sicher befehlen, der nicht gut gelernt hat zu gehorchen.Keiner wird sich wahrhaft freuen, wenn er nicht das Zeugnis des guten

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    Gewissens in sich trgt.2.Doch war die Sicherheit der Heiligen stets mit groer Gottesfurcht gepaart. Sielebten, gerade weil sie durch groe Tugend und Gnade glnzten, nur um so

    wachsamer und demtiger. Die Sicherheit der Bsen aber entspringt dem Stolzund der Anmaung und schlgt schlielich in Selbsttuschung um. Versprich dirniemals Sicherheit in diesem Leben, mag man dich auch fr einen gutenOrdensmann oder einen frommen Einsiedler halten. Die sich im Lebenbesonderer Hochschtzung der Menschen erfreuten, sind oft in die grteGefahr geraten, weil sie zuviel auf sich selbst vertrauten. Daher ist es fr vielebesser, da sie von Versuchungen nicht gnzlich frei bleiben, sondern ftersangefochten werden, damit sie sich nicht allzu sicher fhlen, den Kopf nicht zuhoch tragen und nicht zgellos zu ueren Trstungen abschweifen.3.Wer niemals vergngliche Freude suchte und mit der Welt nichts zu tun habenmchte, ein wie gutes Gewissen wrde der sich bewahren! Wer alle eitle Sorgeablegte, nur noch an heilsame und gttliche Dinge dchte und seine ganzeHoffnung auf Gott setzte, welch tiefen Frieden, welche Ruhe wrde er kosten!Keiner ist der Trstungen des Himmels wrdig, der sich nicht eifrig in heiligerZerknirschung gebt hat. Willst du bis auf den Grund des Herzens zerknirschtwerden, geh in deine Kammer und verschliee dich dem Lrm der Welt, wiegeschrieben steht: "Auf eurem Lager erwecket Reue" (Ps 4, 5). In der Zelle wirstdu finden, was du drauen so oft verlierst. Stetig bewohnt, wird sie dir lieb,

    schlecht gehtet, erzeugt sie Ekel. Wenn du sie zu Beginn deines Ordenslebenstreu bewohnst und htest, wird sie spter deine vertraute Freundin und einhchst willkommener Trost. Im Schweigen und in der Ruhe schreitet diehingegebene Seele voran und dringt sie in die Tiefe der Schriften ein. Dortfindet sie die Trnenbche, worin sie sich allnchtlich wscht und reinigt, umihrem Schpfer um so nher zu kommen, je weiter sie sich von allem Treibender Welt fern hlt. Wer sich also von Bekannten und Freunden zurckzieht, demnaht sich Gott mit seinen heiligen Engeln.4.

    Besser ist es, verborgen zu bleiben und fr sein Heil zu sorgen, als sich selbst zuvernachlssigen und Wunder zu tun. Zum Lobe gereicht es dem Ordensmann,wenn er selten ausgeht, sich nicht gern zeigt und keinen Menschen sehen will.Warum willst du sehen, was du doch nicht haben darfst? "Die Welt vergeht samtihrer Lust" (1 Joh 2, 17). Die Gelste der Sinne bestimmen dich, spazieren zugehen, ist aber die Stunde vorber, was anderes bringst du heim als einbeschwertes Gewissen und ein zerstreutes Herz! Ein frhlicher Ausgang erzeugtoft einen traurigen Heimgang, ein lustiger Abend gebiert einen traurigenMorgen. So ist es mit jeder sinnlichen Freude: sie schmeichelt sich ein, und

    dann beit und ttet sie.

    5.

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    Was kannst du anderswo sehen, was du hier nicht schon shest? Schaue zumHimmel, schau auf die Erde, betrachte alle Elemente! Aus diesen ist allesgemacht. Kannst du anderswo etwas sehen, was von Dauer ist unter der Sonne?Vielleicht glaubst du dein Genge zu finden, aber du wirst es nicht erreichen

    knnen. Wenn du auch alles gegenwrtig shest, was wre es anders als leererSchein? Erhebe deine Augen zu Gott in der Hhe und bete wegen deiner Sndenund Versumnisse. berla das Eitle den Eitlen, du aber achte auf das, was Gottdir befohlen hat. Schliee hinter dir deine Tr und lade Jesus, der dir so lieb ist,zu dir ein. Bleibe mit ihm in der Zelle; denn anderswo wirst du einen so tiefenFrieden nicht finden. Wrst du nicht ausgegangen und httest nichts von denweltlichen Redereien gehrt, du wrst leichter im rechten Frieden geblieben.Seitdem es dich reizt, zuweilen Neuigkeiten zu hren, mut du damit rechnen,da du in deinem Herzen von Unruhe geqult wirst.

    KAPITEL 21Das reuevolle Herz

    1.Der Reueschmerz entspricht der verbannten, gefhrdeten, sndigen Seele.2.Die Reue setzt die Loslsung voraus.3. Ohne Reue keine gttliche Trstung.4. Zur Reue fhrt der Gedanke an: Leid, Snde, Tod, Hlle, Fegfeuer.

    1.Willst du vorwrts schreiten, so erhalte dich in der Furcht Gottes. Sei nicht garzu frei, sondern halte alle deine Sinne im Zaume und berla dich nicht einerungehrigen Freude. Erwecke von Herzen Reue, und du wirst Hingabe finden.Die Reue ist der Schlssel zu vielen Gtern, die Ausgegossenheit bedeutetgewhnlich deren schnellen Verlust. Es ist zum Staunen, da sich der Mensch indiesem Leben jemals freuen kann, wenn er an seine Verbannung denkt und an

    die vielen Gefahren, die seiner Seele drohen. In unserer Leichtfertigkeit undGewissenlosigkeit gegenber unseren Fehlern haben wir das Gefhl fr denelenden Zustand unserer Seele verloren. Wir lachen oft ohne Anla, wo wir zuRecht weinen sollten. Es gibt keine wahre Freiheit und keine edle Freude auerin der Gottesfurcht und im guten Gewissen.2.Glcklich, wer alles, was ihn hindert und zerstreut, abwerfen, sich zumEinswerden heiliger Zerknirschung sammeln kann. Glcklich, wer sich vonallem loslst, was sein Gewissen beflecken oder belasten kann. Streitemnnlich! Gewohnheit wird durch Gewohnheit berwunden. Wenn du esverstehst, die Menschen in Ruhe zu lassen, so werden sie auch dich in deinemTun nicht stren. Mische dich nicht in fremde Dinge, und kmmere dich nicht

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    um die Hndel der Groen. Achte immer zuerst auf dich und ermahne vor allemdich selbst, mehr als alle, die dir lieb sind.3.Wenn du die Gunst der Menschen entbehrst, werde nicht traurig, das aber nimm

    dir zu Herzen, wenn du nicht immer so gut und so vorsichtig wandelst, wie essich fr einen Diener Gottes und einen frommen Ordensmann geziemt. Es istdem Menschen oft dienlicher und sicherer, da er in diesem Leben nicht vieleTrstungen empfngt,19besonders dem Fleische nach. Doch da wir den gttlichen Trost gar nicht odernur selten empfinden, ist unsere eigene Schuld. Wir bemhen uns nicht um dieZerknirschung des Herzens und geben den Trost der ueren Dinge, der doch sovergnglich ist, nicht auf. Wisse: Du bist des gttlichen Trostes unwrdig, aberTrbsal in Menge hast du um so mehr verdient.4. Ist ein Mensch vllig zerknirscht, dann ist ihm die ganze Welt lstig undbitter. Der gute Mensch findet Grund genug zu trauern und zu weinen. Ob er ansich selbst denkt oder an den Mitmenschen, er wei, da keiner hier ohneTrbsal lebt. Und je genauer er sich betrachtet, um so grer wird sein Leid.Unsere Snden und Fehler bieten Anla genug zu begrndeter Trauer und zurinneren Zerknirschung. Wir sind derartig in sie verstrickt, da wir uns nur seltenimstande fhlen, die himmlischen Dinge zu betrachten. Dchtest du fter andein Sterben als an ein langes Leben, du wrdest weit eifriger an deinerBesserung arbeiten. Wenn du berdies die zuknftigen Qualen der Hlle und des

    Fegfeuers mit Herz und Gemt erwgen wolltest, ich glaube, du nhmst gernMhen und Leiden auf dich und schrecktest vor keiner Strenge zurck. Weil unsaber diese Gedanken nicht zu Herzen gehen und unsere Liebe jenen Dingen gilt,die uns schmeicheln und locken, bleiben wir kalt und malos trge. Oft ist esMangel an Geist, da sich der elende Leib so leicht beklagt. Bete darum demtigzum Herrn, er mge dir den Geist der Zerknirschung verleihen, und sprich mitdem Propheten: "Speise mich, Herr, mit dem Brote der Trnen und trnke michmit dem Tranke der Trnen in reichem Mae" (Ps 80, 6).

    KAPITEL 22Der Blick in das menschliche Elend

    1.Das Menschenleben ist Elend in vielfacher Gestalt.2.Viele hngen trotz allem an der Welt, andere erheben sich ber sie.3.Werde nicht mde am Leben; ringe dich tapfer und geduldig durch.4.Dein Elend vor Augen, demtige dich und beginne von neuem.

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    1. Elend bist du, wo immer du weilst und wohin du dich auch wendest, wenndeine Richtung nicht auf Gott zielt. Was wirst du so unruhig, wenn es dir nichtnach Wunsch und Willen geht? Wer ist der Mensch, der alles hat, was er sich

    wnscht? Ich nicht und du nicht und kein Mensch auf Erden. Keinem in derWelt bleiben irgendwie Plage und Trbsal erspart, mag er Knig sein oderPapst. Und wer hat es besser? Ohne Zweifel der, der fr Gott zu leiden vermag.Da uern die Kranken und Schwachen: Sieh da, was hat der aber fr ein gutesLeben! Wie reich ist der, wie gro, wie mchtig und hochstehend! Du aberblicke auf die himmlischen Gter, und du wirst sehen, da all das Irdischenichtig und gnzlich unsicher ist, ja mehr eine Last bedeutet, da man es nie ohneSorge und Furcht besitzen kann. Das macht die Seligkeit des Menschen nichtaus, Zeitliches bis zum berflu zu besitzen. Ein Mittelma gengt. Es istwahrhaftig ein Elend, auf Erden zu leben. Je geistiger ein Mensch leben mchte,desto bitterer wird ihm das gegenwrtige Dasein; denn er durchlebt tiefer unddurchschaut klarer die Gebrechen der menschlichen Verderbtheit. Denn demEssen, Trinken, Wachen, Schlafen, Ruhen, Arbeiten und dem brigen Bedrfender menschlichen Natur unterworfen sein, ist wirklich ein groes Elend und Leidfr den frommen Menschen. Er mchte ja so gern davon befreit und aller Sndeledig sein. Denn der innerliche Mensch fhlt sich durch das Bedrfen des Leibesdoch sehr bedrngt in dieser Welt. Darum bittet der Prophet instndig, da erdavon frei sein mchte, und ruft: "Befreie mich, O Herr, aus meinen Nten" (Ps25, 17).

    2.Wehe aber denen, die ihr Elend nicht erkennen, und noch mehr wehe denen, diedieses elende, verderbte Leben lieben! Denn manche hngen so fest an diesemLeben obschon sie es kaum durch Handarbeit oder Betteln notdrftig erhaltenknnen -, da sie sich um das Reich Gottes nicht kmmern wrden, wenn sienur ewig hier bleiben knnten. Diese unseligen, unglubigen Menschen, die sotief im Irdischen versinken, da sie nur noch am Leiblichen Geschmack finden!Am Ende jedoch werden die Elenden es noch schwer zu fhlen bekommen, wiewertlos und nichtig der Gegenstand ihrer Liebe war. Die Heiligen Gottes aber

    und alle vertrauten Freunde Christi achteten nicht auf das, was dem Leibe gefielund was damals in Blte stand, sondern ihr ganzes Hoffen und Trachten gingnach oben zu den ewigen Gtern. Ihre ganze Sehnsucht schwang sich zu demBleibenden und Unsichtbaren empor, aus Furcht, die Liebe zum Sichtbarenknnte sie in die Tiefe ziehen.3.Bruder, verliere nicht das Vertrauen auf den geistlichen Fortschritt. Noch hastdu Zeit und Weile. Warum willst du deinen Vorsatz aufschieben? Auf! Fangeaugenblicklich an und sprich: Jetzt ist es Zeit zu handeln, die Stunde des

    Kampfes hat geschlagen, der geeignete Augenblick zur Besserung istgekommen. Wenn du zu leiden hast und dich in Not befindest, dann hat dieStunde geschlagen, Verdienste zu erwerben. Durch Feuer und Wasser mut du

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    hindurch (vgl. Ps 66, 12), bevor du zur Erquickung gelangst. Tust du dir keineGewalt an, wirst du die bse Neigung nicht bezwingen. Solange wir diesengebrechlichen Krper tragen, knnen wir nicht ohne Snde sein noch demLebensberdru und Leid entgehen. Gern htten wir Ruhe von all dem Elend,

    aber da wir die Unschuld durch die Snde verloren haben, haben wir auch diewahre Seligkeit eingebt. So mssen wir uns denn mit Geduld wappnen undauf Gottes Barmherzigkeit warten, bis das " Verderben vorberzieht" (Ps 57, 2)und "die Sterblichkeit vom Leben verschlungen wird" (2 Kor 5, 4).4.Wie gro ist doch die Gebrechlichkeit des Menschen, die stets zum Bsen neigt!Heute beichtest du deine Snden, und morgen tust du schon wieder, was dugebeichtet hast. Jetzt nimmst du dir vor, auf der Hut zu sein, und kaum ist eineStunde vorber, da handelst du, als httest du dir nichts vorgenommen. So habenwir also Ursache genug, uns zu verdemtigen und niemals gro von uns zudenken, da wir so gebrechlich und unbestndig sind. Schnell kann man durchNachlssigkeit verlieren, was man mit vieler Mhe und Hilfe der Gnade kaumeben erworben hat. Was wird am Ende noch aus uns werden, da wir schon amMorgen so erschlaffen? Wehe uns, wenn wir uns zur Ruhe setzen wollten, alswre schon Friede und Sicherheit, wo noch nicht eine Spur von wirklicherHeiligkeit in unserem Wandel zu sehen ist. Es tte uns wirklich Not, da wirnoch einmal wie rechte Novizen zu einem tugendhaften Leben angeleitetwrden. Vielleicht bestnde dann die Aussicht auf knftige Besserung und einengreren Fortschritt im geistlichen Leben.

    KAPITEL 23Betrachtung des Todes

    1.Der Tod kommt schnell. Bereite dich. Das Leben eilt.2.Er kommt sicher und fr viele unerwartet.3.Er bringt dir eine bittere oder selige Sterbestunde; es hngt von dir ab.

    4.Er mahnt: Wirke jetzt dein Heil, solange es noch Zeit ist.5.Er kommt bei vielen Gelegenheiten.6.Er weist ber das Grab hinaus zur ewigen Heimat.

    1.Gar schnell wird es hier mit dir geschehen sein. Sieh nur, wie es um dich steht.Heute lebt der Mensch noch, morgen ist er nicht mehr. Ist er aber einmal denAugen entschwunden, so ist er auch schnell aus dem Sinn. Wie ist doch dasMenschenherz so trge und abgestumpft, da es nur an die Gegenwart denkt undsich um die Zukunft so wenig sorgt! Du solltest dich in all deinem Tun undDenken so verhalten, als wrdest du heute sterben. Httest du ein gutes

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    Gewissen, wrdest du den Tod nicht sonderlich frchten. Besser wre es, dieSnden zu meiden, als den Tod zu fliehen. Bist du heute nicht bereit, wie willstdu es morgen sein? Das Morgen" ist ein ungewisser Tag. Weit du brigens, ob

    du das "Morgen" noch erleben wirst? Was ntzt es, lange zu leben, wenn wir

    uns so wenig bessern? Ja, ein langes Leben bessert nicht immer; oft mehrt es nurdie Schuld. Htten wir doch einen Tag in dieser Welt gut gelebt! Viele zhlendie Jahre ihrer Hinkehr zu Gott, aber die Frucht der Lebensbesserung ist oftgering. Ist es schrecklich zu sterben, so ist es vielleicht noch gefhrlicher, lngerzu leben. Glcklich, wer die Stunde seines Hinscheidens immer vor Augen hatund sich tglich auf das Sterben vorbereitet!2.Hast du je einmal einen Menschen sterben sehen, so bedenke, da auch dudenselben Weg gehen wirst. Wenn es Morgen geworden ist, stelle dir vor, duwerdest den Abend nicht mehr erreichen. Ist es Abend geworden, wage nicht,dir den Morgen zu versprechen. Sei also immer bereit und lebe so, da der Toddich nie unvorbereitet finde. Viele sterben pltzlich und unversehens; denn "derMenschensohn kommt zu einer Stunde, da man es nicht vermutet" (Lk 12, 40).3.Ist jene letzte Stunde gekommen, dann wirst du dein ganzes vergangenes Lebenin einem vllig anderen Lichte sehen und tief bedauern, da du so nachlssigund lau gewesen bist. Wie glcklich und klug ist der, der sich bemht, jetzt sozu leben, wie er im Tode befunden werden mchte. Groe Zuversicht auf eineglckliche Sterbestunde wird haben drfen, wer die Welt vollkommen gering

    wertet, ein glhendes Verlangen nach Fortschritt in der Tugend hegt, die Zuchtliebt und das Opfer der Bue nicht scheut, wer willigen Gehorsam leistet, sichselbst verleugnet und alles Widrige aus Liebe zu Christus ertrgt.

    4.Viel Gutes kannst du wirken, solange du gesund bist. Was du aber in krankenTagen zustande bringst, das wei ich nicht. Wenige werden durch Krankheitgebessert, sowie auch jene selten heilig werden, die viel wallfahren. Verla dichnicht auf Freunde und Verwandte und verschieb dein Heil nicht auf die Zukunft;

    denn rascher, als du meinst, werden dich die Menschen vergessen. Besser ist es,dich beizeiten vorzusehen und ein gutes Werk vorauszuschicken, als auf andererLeute Hilfe zu hoffen. Trgst du heute keine Sorge um dich selbst, wer wirdknftig fr dich sorgen? Jetzt ist die Zeit sehr kostbar, "jetzt sind die Tage desHeiles, jetzt ist die Zeit der Gnade" (2 Kor 6, 2). Aber wie traurig, da du dieseZeit nicht nutzbringender verwendest! Du kannst doch Verdienste sammeln undewig davon leben. Kommen wird der Augenblick, da du sehnlichst verlangst,auch nur einen Tag oder eine einzige Stunde zu haben, um dich zu bessern, undich wei nicht, ob du sie erhalten wirst. Sieh doch, teurer Freund, aus welcher

    groen Gefahr du dich befreien, welcher drckenden Furcht du dich entziehenkannst, wenn du jetzt immer gottesfrchtig lebst und des Todes gewrtig bist.Suche jetzt so zu leben, da die Todesstunde eher Freude als Furcht in dir weckt.

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    Lerne jetzt der Welt abzusterben, um dann ein "Leben mit Christus" (Gal 2,20)zu beginnen. Lerne jetzt alles von dir zu werfen, um dann unbeschwert zuChristus zu eilen. Zchtige jetzt deinen Leib durch Bue, um dann in sichererZuversicht leben zu knnen.

    5.Du Tor! Wie kannst du denken, du wrdest lange leben, wo dir kein Tag sicherist. Wie viele schon sahen sich betrogen und pltzlich dem Leib entrissen! Wieoft hast du sagen hren: Dieser fiel im Kampf, jener ertrank, der eine fiel aus derHhe und brach den Hals, der andere starb beim Essen, wieder ein anderer fandden Tod beim Spiel. Einen ttete das Feuer, den anderen das Schwert, einendritten die Seuche, einen vierten ermordeten Ruber. So ist das Ende aller derTod, und flchtig wie ein Schatten eilt des Menschen Leben dahin.6.Wer denkt noch an dich, wenn du gestorben bist, wer betet fr dich? MeinTeuerster, tue jetzt, was du nur tun kannst; denn du weit nicht, wann deineStunde schlgt, und ebenso wenig, was dir nach dem Tode bevorsteht. Sammledir unvergngliche Schtze, solange du noch Zeit hast. Dein einziger Gedankesei dein Heil, deine einzige Sorge sei das, was Gottes ist. Mach dir jetzt dieHeiligen zu Freunden, indem du sie verehrst und ihren Wandel nachahmst,damit sie dich, wenn du aus diesem Leben scheidest, in die ewigen Wohnungenaufnehmen (Lk 16,9). Betrachte dich als einen Fremdling und Gast auf Erden,den die Hndel der Welt nichts angehen. Halte dir dein Herz frei und richte esempor zu Gott; denn du hast hier keine bleibende Sttte (Hebr 13, 14). Dorthin

    sende tglich unter Trnen dein Bitten und Flehen, damit dein Geist verdiene,glcklich heimzufinden zum Herrn, wenn du gestorben bist. Amen!

    KAPITEL 24Gericht und Strafe fr die Snden

    1.Der strenge Richter aller Snden wird kommen.

    2.Bereite dich vor durch Demut, Reue und Bue.3.Die in der Ungnade Gestorbenen werden schwerste Pein erdulden.4.Die in der Gnade Heimgegangenen werden frohlocken.5.Der Gedanke an die letzten Dinge schtzt und hlt dich.

    1.In allem bedenke das Ende und wie du vor dem strengen Richter bestehen wirst.Vor ihm ist nichts verborgen, und keine Geschenke bestechen ihn. Er lt keineAusflchte gelten, sondern wird nach Gerechtigkeit richten (Jes 11,4). Du armerund trichter Snder, was willst du Gott antworten, der all deine Snden wei?Erschrickst du doch bisweilen schon vor dem Antlitz eines erzrnten Menschen!

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    Warum siehst du dich nicht vor fr den Tag des Gerichtes? Niemand kann sichda durch einen anderen entschuldigen oder verteidigen lassen. Jeder wird anseiner eigenen Last genug zu tragen haben. Jetzt bringt dein Arbeiten nochFrchte, jetzt finden deine Trnen noch Gnade und deine Seufzer Erhrung, jetzt

    hat dein Schmerz noch die Kraft der Shne und Reinigung.2.Eine groe und heilsame Luterung erleidet der geduldige Mensch, der beiKrnkungen mehr die Bosheit des anderen als das eigene ihm zugefgte Unrechtbedauert, der gern fr seine Widersacher betet und von Herzen die Schuldvergibt, der nicht zgert, andere um Verzeihung zu bitten, der leichter Mitleidbt als in Zorn ausbricht, der sich selbst hufig Gewalt antut und den Leib vlligunter die Herrschaft des Geistes zu bringen sucht. Es ist besser, sich jetzt vonSnden zu reinigen und die Laster auszurotten, als die Reinigung auf spter zuverschieben. Wir tuschen uns wahrhaftig selbst, indem wir den Leib soungeordnet lieben. Was anderes wird jenes Feuer verschlingen als deineSnden? Je mehr du deiner selbst im Augenblick schonst und dem leiblichenBegehren folgst, um so hrter wirst du spter ben, und um so mehr Nahrungfr das Feuer sparst du dir auf.3.Worin der Mensch gesndigt hat, darin wird er um so schwerer bestraft werden.Dort werden die Trgen mit glhenden Stacheln geqult und die Schlemmer vonungeheurem Durst und Hunger geqult. Dort werden die Geilen und Lsternenmit siedendem Pech und stinkendem Schwefel bergossen, und die Neidischen

    vor Schmerzen heulen gleich tollen Hunden. Kein Laster wird es geben, dasnicht seine eigene Peinigung erlitte. Dort werden die Stolzen von aller nurmglichen Verwirrung befallen und die Geizigen von der bittersten Armutgeqult werden. Dort wird eine einzige Stunde der Strafe schwerer empfundenwerden als hier hundert Jahre in hrtester Bue. Dort gibt es fr dieVerdammten keine Ruhe und keinen Trost; hier ruht man noch zuweilen vonseinen Mhen aus und geniet den Trost der Freunde.4.Lebe jetzt in Sorge um deine Snden und beweine sie, dann wirst du am Tage

    des Gerichtes sicher zu den Seligen gehren. Dann werden nmlich dieGerechten mit groer Zuversicht denen entgegentreten, die sie einstens"bedrngt und unterdrckt haben" (Weish 5, 1). Dann wird als Richter auftreten,der sich jetzt demtig unter das Urteil der Menschen beugt. Dann wird, wer hierarmen und niedrigen Standes war, voll groen Vertrauens sein, der Stolze aberwird vllig verzagen. Dann wird man feststellen, da der in dieser Welt weisegewesen ist, der gelernt hat, um Christi willen ein einfltiger, ja verachteterMensch zu sein. Dann findet die Trbsal, die man geduldig ertrug,Anerkennung, und "alle Bosheit wird schweigen" (Ps 107,42). Da wird jeder

    Fromme jubeln und jeder Gottlose trauern. Dann wird dem, der seinen Leibkasteite, mehr Freude zuteil als dem, der ihn immer nur pflegte und verzrtelte.Dann wird vom schlichten Kleide ein Leuchten ausgehen und das kostbare

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    Gewand seinen Glanz verlieren. Die arme, kleine Htte wird mehr gepriesenwerden als der in Gold schimmernde Palast. Die standhafte Geduld wird unsdann mehr ntzen als alle Macht der Welt. Der einfltige Gehorsam wird mehrAnerkennung finden als aller weltlicher Vorwitz. Dann erntet das reine, gute

    Gewissen mehr Freude als der tiefschrfende Geist, und die Verachtung desReichtums wird schwerer wiegen als der Besitz aller Schtze der Welt. Da wirdein andchtiges Gebet dich mehr trsten als ein kstliches Mahl, und dasSchweigen, das du treu gehalten, bringt dir eine grere Freude als eine langeUnterhaltung. Dann werden die heiligen Werke mehr gelten als viele schneWorte, und die in strenger Bue verlebten Tage dich glcklicher machen als alleirdischen Freuden.5.Lerne jetzt in kleinen Dingen Geduld zu ben, um dich dort vor Schwererem zubewahren. Hier erprobe zuerst, was du spter vermagst. Wenn du jetzt so wenigaushalten kannst, wie magst du die ewigen Qualen ertragen? Wenn dir jetztschon bei deinem kleinen Ungemach der Faden der Geduld reit, was wird danndie Hlle tun? Sieh, du kannst wirklich nicht beide Freuden haben, hier in derWelt dich ergtzen und spter mit Christus herrschen. Wenn du bis zumheutigen Tage immer in Ehren und Genssen gelebt httest, was wrde dir dasalles gentzt haben, wenn du in diesem Augenblicke sterben mtest? Nein,"alles ist Eitelkeit auer Gott lieben und ihm allein dienen" (Koh 1,2; Dtn 6, 13;Mt 4,10; Lk 4,8). Wer nmlich Gott aus ganzem Herzen liebt, frchtet wederTod noch Strafe, weder Gericht noch Hlle, weil die vollkommene Liebe ihn

    sicher zu Gott fhrt. Wer aber immer noch Freude an der Snde hat, keinWunder, da der den Tod und das Gericht frchtet. Gleichwohl ist es gut, da,wenn dich die Liebe noch nicht vom Bsen zurckhlt, dich wenigstens dieFurcht vor der Hlle in Schranken hlt. Wer die Gottesfurcht geringschtzigabtut, wird nicht lange im Guten verharren knnen, sondern nur um so schnellerin die Schlingen des Teufels fallen.

    KAPITEL 25

    Besserung des Lebens von Grund auf

    1.Arbeite an deiner Vervollkommnung, aber mit dem Blick auf den ewigenLohn.2.berla dich dabei dem Willen Gottes und vertraue.3.Frchte dich nicht vor Schwierigkeiten; sie fhren zu grerem Fortschritt.4.Merke dir zwei Lebensregeln: Entsagen! Nachahmen!5.Das heilige Kreuz sei dein Lehrbuch der Vollkommenheit.6.Denk an den Segen, der auf einem Leben liegt, das sich beharrlich um dasGute bemht.7.Nutze die Zeit! Sie kehrt nicht wieder. Tu dir Gewalt an!

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    1.Sei wachsam und eifrig im Dienste Gottes! Denke oft: Wozu bin ichgekommen? Warum habe ich die Welt verlassen? Doch wohl, um fr Gott zu

    leben und ein geistlicher Mensch zu werden? So arbeite denn mit Feuereifer andeinem Fortschritt. Den Lohn fr deine Mhen wirst du bald empfangen, undweder Furcht noch Schmerz werden dich weiterhin qulen. Wenn du jetzt nochein wenig arbeitest, wirst du groe Ruhe, ja ewige Freude finden. Bleibst du treuund eifrig in deinem Tun, dann wird ohne Zweifel auch Gott sich treu erweisenund dir mit reichlichem Lohn vergelten. Lebe immer in der festen Hoffnung, diePalme zu erringen, la dich aber nicht in falsche Sicherheit einwiegen, sonsterliegst du der Trgheit oder dem Stolze.2.Als sich einmal ein Mensch, der oftmals zwischen Furcht und Hoffnungschwebte, von Kummer ganz erschpft, in der Kirche vor einem Altar betendniederwarf, ging er mit sich zu Rate und sprach: "Wenn ich doch wte, ob ichbeharrlich bleibe !" Sogleich vernahm er in seinem Innern die Antwort Gottes:"Was wrdest du tun, wenn du es wtest? Tu jetzt, was du dann ttest, und duwirst deiner Sache sicher sein." Und sogleich fhlte er sich getrstet undgestrkt, berlie sich dem gttlichen Willen und wute nichts mehr von einemngstlichen Schwanken. Er wollte auch nicht mehr vorwitzig ber seine Zukunftnachgrbeln, vielmehr suchte er zu erkennen, worin der "wohlgefllige undvollkommene Wille Gottes" (Rm 12, 2) bestehe, um jegliches gute Werk zu

    beginnen und zu vollenden. "Vertraue auf den Herrn und tue das Gute", sagt derProphet, "und bewohne das Land und erfreue dich an seinen Reichtmern" (Ps37,3).3.Eines hlt viele vom Fortschritt und der ernstlichen Besserung zurck: dieFurcht vor Schwierigkeiten und die Mhsal des Kampfes. Gleichwohl schreitengerade die am meisten in der Tugend voran, die, den greren Schwierigkeitenund Widerstnden trotzend, sich mit Mannesmut durchzusetzen suchen. Denn jemehr sich der Mensch berwindet und im Geiste abttet, desto grer sein

    Fortschritt, desto reicher das Ma der Gnaden. Aber nicht alle haben gleichvielzu berwinden und abzutten. Wer sich jedoch tapfer einsetzt, wird, wenn erauch leidenschaftlicher veranlagt ist, doch grere Fortschritte machen als einanderer, der bei glcklicher Veranlagung weniger Tugendeifer entwickelt.4.Zwei Dinge sind es vornehmlich, die zu einer grndlichen Besserung beitragen:sich mit Gewalt das versagen, wozu die Natur ungeordnet neigt, und mitglhendem Eifer dem Guten nachstreben, dessen man besonders bedarf. Auchdarauf richte dein Auge, das zu meiden und zu berwinden, was dir an anderen

    mifllt. berall sei auf deinen Fortschritt bedacht. Liest oder hrst du guteBeispiele, dann la dich begeistern und ahme sie nach! Nimmst du aber etwasTadelnswertes wahr, so hte dich, ein Gleiches zu tun. Hast du es aber einmal

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    selbst getan, dann nimm das zum Anla, dich schleunigst zu bessern. So wiedein Auge die anderen sieht, so sehen die anderen auch dich. Wie wohltuendund erhebend ist es, Brder zu sehen, die, in heiliger Zucht und Ordnung lebend,von Eifer und Andacht entbrennen! Wie traurig hingegen und wie bedrckend

    der Anblick jener, die keinen geordneten Wandel kennen und das, wozu sieberufen sind, ungetan lassen. Wie verderblich ist es, der Aufgaben seinesBerufes zu vergessen und sich an Arbeiten zu machen, die uns gar nichtbertragen sind!

    5.Denk an den einmal gefaten Entschlu und stell dir das Bild des Gekreuzigtenvor. Beim Anblick des Lebens Jesu Christi hast du Grund genug, dich wirklichzu schmen, weil du es nicht der Mhe wert hieltest, dich ihm mehr und mehrnachzubilden, obwohl du schon solange Gottes Wege lufst. Ein Ordensmann,der sich gesammelt und hingegeben mit dem hochheiligen Leben und Leidendes Herrn beschftigt, wird alles, was ihm ntzt und frommt, reichlich darinfinden, und er hat nicht ntig, auer Jesus etwas Besseres zu suchen. Wenn dergekreuzigte Jesus in unser Herz kme, wie schnell und ausreichend wren wirbelehrt!6.Ein sich mhender Ordensangehriger trgt alles gern und nimmt auch gern aufsich, was ihm befohlen wird, ein nachlssiger und lauer hingegen leidet Trbsalund fhlt sich von allen Seiten beengt, weil es ihm an innerem Trost gebricht

    und er den ueren nicht suchen darf. Ein Ordensmann, der auer der Zucht lebt,steht vor schwerem Fall. Wer ein laues, leichtes Leben sucht, lebt immer inNten, weil ihm bald dieses, bald jenes nicht recht gefllt. Wie machen es dennso viele andere Ordensleute, die sich streng an die klsterliche Ordnung halten?Sie gehen selten aus, leben zurckgezogen, essen sehr einfach, tragen ein rauhesGewand, arbeiten viel, sprechen wenig, wachen lange, stehen frh auf, liegenlange dem Gebete ob, lesen gern und halten sich in strenger Zucht. Siehe, dieKartuser, Zisterzienser, die Mnche und Nonnen verschiedener Orden erhebensich jede Nacht, um das Lob des Herrn zu singen. Deshalb wre es schndlich,

    wolltest du in einem so heiligen Werk trge sein, wo so sehr viele Ordensleutesich zum Gottesjubel anschicken. Htten wir doch nichts anderes zu tun, alsunsern Herrn und Gott aus ganzer Seele mit Herz und Mund zu loben! Httenwir doch niemals ntig, zu essen, zu trinken und zu schlafen! Knnten wir Gottdoch immerdar loben und nur dem geistlichen Studium obliegen! Du wrestweit glcklicher als jetzt, da du notgedrungen dem Leibe zu Willen bist. Da esdoch dieses Bedrfen gar nicht gbe, sondern einzig die geistlichen Gensse derSeele, die wir leider so selten verkosten. Hat der Mensch es so weit gebracht,da er in keiner Kreatur seinen Trost sucht, dann beginnt er erst, Gott

    vollkommen zu verkosten, dann wird er mit allem, was kommen mag, gernzufrieden sein. Dann wird ihn nichts Groes erfreuen und nichts Kleinesniederschlagen, vielmehr gibt er sich mit ganzer Zuversicht in Gottes Hand, der

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    ihm alles in allem ist, dem nichts zugrunde geht, nichts stirbt, dem "alles lebt"und alles dient, auf einen Wink hin, unverzglich.7.Bleib stets des Endes eingedenk und da die verlorene Zeit nicht wiederkehrt!

    Ohne Eifer und Flei wirst du es niemals zur Tugend bringen. Sobald duanfngst, lau zu werden, beginnst du auch, unglcklich zu werden. Gehst duaber mit Eifer ans Werk, wirst du groen Frieden finden und die Brde nicht soschwer empfinden, weil Gott dir die Gnade dazu gibt und die Liebe zur Tugend.Der Mensch, der vor Eifer glht, ist zu allem bereit. Die Fehler undLeidenschaften zu bezwingen macht mehr Mhe, als im Schweie desAngesichts krperlichen Arbeiten obliegen. Wer die kleinen Fehler nicht meidet,fllt nach und nach in grere. Du wirst immer froh sein am Abend, wenn duden Tag mit Nutzen verbracht hast. Wache ber dich selbst, wecke dich,ermahne dich. Mag es um andere stehen wie immer, sorge du fr dich. Soweitkommst du voran, als du dir selbst Gewalt antust. Amen.

    Zweites BuchWege zum inneren Leben

    KAPITEL 1

    Der innere Wandel

    1.Das innerliche Leben ist: Christus in dir.2.Auf diesen Christus baue, nicht auf Welt und Menschen.3.In ihm allein findest du Ruhe.4.Im Andenken an sein Leiden bist du geborgen und geschtzt.5.Ihm hingegeben, verlierst du dich nicht an die Welt.

    1."Das Reich Gottes ist in euch", spricht der Herr (Lk 17,21). Kehre dich ausganzem Herzen zum Herrn! La diese elende Welt, und deine Seele wird zurRuhe kommen. Lerne, was uerlich ist, verschmhen, und gib dich deinemInnern hin, und du wirst sehen, da das Reich Gottes in dich einzieht. Denn dasGottesreich ist Friede und Freude im Heiligen Geiste (vgl. Rm 14, 17), einGeschenk, das den Gottlosen nicht gegeben wird. Christus wird zu dir kommenund dir zeigen, was es um seine Trstung ist, wenn du ihm nur eine wrdigeWohnung in dir bereitest. Seine ganze Gre und Herrlichkeit strahlt aus dem

    Innern. Dort gefllt es ihm. Bei einem innerlichen Menschen kehrt er hufig ein.Lieb, angenehm und trstlich wei er dann zu plaudern, in einer von tiefem

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    Frieden getragenen, staunenswrdigen Vertraulichkeit.2.Wohlan, du getreue Seele, bereite diesem Brutigam dein Herz, damit er sichherablasse, zu dir zu kommen und in dir zu wohnen. Denn er spricht: "Wenn

    einer mich liebt, wird er mein Wort halten, und wir werden zu ihm kommen undWohnung bei ihm nehmen" (Joh 14, 23). Schaffe also Platz fr Christus, undallem anderen wehre den Eintritt. Ist Christus dein eigen, dann bist du reich undhast genug. Er wird fr dich sorgen und in allen Dingen dein treuer Sachwaltersein, so da du nicht ntig hast, auf Menschen deine Hoffnung zu setzen.Menschen sind wankelmtig und siechen auch schnell dahin, "Christus aberbleibt in Ewigkeit" (Joh 12, 34) und steht dir bis zum Ende unerschtterlich zurSeite. Auf einen gebrechlichen und sterblichen Menschen aber setze kein groesVertrauen, mag er dir auch lieb und ntzlich sein. Sei auch nicht gleich sotraurig, wenn er zuweilen gegen dich ist und dir widerspricht.Die heute zu dir stehen, knnen morgen schon gegen dich sein. Die Menschenschlagen oft um wie der Wind.3.Setz dein ganzes Vertrauen auf Gott; er sei deine Furcht und deine Liebe. Erwird deine Sache fhren und alles recht machen, wie es am besten ist. "Du hasthier keine bleibende Sttte" (Hebr 13, 14). Wo immer du dich aufhltst, bist duein "Fremdling und Pilger" (vgl. Ps 39, 13). Nirgends winkt dir die Ruhe auerin der innigen Vereinigung mit Christus. Was schaust du dich hier um? Hier istnicht der Ort deiner Ruhe. Deine Wohnung mu im Himmel sein, und nur wie

    im Vorbergehen sollst du all das Irdische betrachten. Alle Dinge vergehen,auch du mit ihnen. Sieh zu, da du nicht darin hngen bleibst, sonst wirst dugefangen und gehst zugrunde. Beim Allerhchsten sei dein Denken, und deinBitten und Flehen steige immerfort zu Christus empor.4.Wenn es dir nicht gegeben ist, hohe und himmlische Dinge zu betrachten, dannruhe aus im Leiden Christi und verweile gern in seinen heiligen Wunden.Nimmst du nmlich andchtig deine Zuflucht zu den Wunden und kostbarenMalen Jesu, so wirst du in deiner Not eine erhebliche Strkung erfahren, dich

    nicht viel um die Verachtung seitens der Menschen kmmern undverleumderische Reden leicht hinnehmen. Auch Christus wurde in seinenErdentagen von den Menschen geringgeschtzt, und in seiner uersten Not vonseinen Jngern und Freunden schmhlich im Stich gelassen. Christus wollteleiden und geschmht werden, und du wagst es, dich ber etwas zu beklagen?Christus hatte Gegner und Widersacher, und du willst jeden zum Freund undWohltter haben? Wie soll denn deine Geduld gekrnt werden, wenn dir nichtsWidriges begegnet? Wie willst du ein Freund Christi sein, wenn du nichtsUnangenehmes ertragen willst? Dulde mit Christus und fr Christus, wenn du

    mit Christus herrschen willst. Wrest du einmal tief in das Innere Jesueingedrungen und httest du nur ein wenig von der Glut seiner Liebe gesprt, duwrdest dich um den eigenen Vorteil oder Nachteil nicht kmmern, sondern

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    dich eher einer etwa erlittenen Schmach freuen; denn die Liebe zu Jesus fhrtden Menschen dazu, sich selbst zu verachten.5.Wer Jesus und die Wahrheit liebt, wer wirklich innerlich ist und frei von

    ungeordneten Neigungen, kann sich frei zu Gott kehren, sich im Geiste ber sichselbst erheben und die Ruhe genieen. Wer alles so sieht, wie es ist, nicht, wieman es nennt oder schtzt, der ist wahrhaft weise und hat sein Wissen mehr vonGott als von den Menschen. Wer es versteht, innerlich zu wandeln und aufuere Dinge wenig Gewicht legt, der sucht nicht lange nach Orten und Zeiten,um frommenbungen obzuliegen. Der innere Mensch sammelt sich schnell, erverliert sich niemals ganz an die Auenwelt. Keine uere Arbeit steht ihm imWege, keine fr den Augenblick notwendige Arbeit, sondern wie die Dingekommen, so pat er sich ihnen an. Ist einer innerlich in guter Verfassung, sokmmert ihn das wunderliche und verkehrte Gehabe der Menschen nicht. Nurinsoweit wird der Mensch behindert und abgelenkt, wie er die Dinge an sichzieht. Stnde es gut mit dir und wrest du lauter genug, so wrde dir alles zumGuten und zum Fortschritt dienen. Deshalb rgert und verwirrt dich so vieles,weil du dir selbst noch nicht vollkommen abgestorben, noch nicht von allemIrdischen losgeschlt bist. Nichts befleckt und umgarnt das Menschenherz sosehr wie die unlautere Liebe zu den Geschpfen. Verschmhe den uerenTrost, und du kannst Himmlisches betrachten und hufig in deinem Innerenfrohlocken.

    KAPITEL 2Sich in Demut unterordnen

    1.Gerade dann, wenn manche gegen dich sind.2.Wenn man deine Fehler kennt und rgt.

    3.Der Demtige erhlt von Gott Segen ber Segen.

    1.Leg kein groes Gewicht darauf, wer fr oder gegen dich ist, sondern sorgeeinzig und allein dafr, da Gott bei allem, was du tust, mit dir sei. Bewahre direin gutes Gewissen, und Gott wird dich getreu beschirmen. Wem Gott helfenwill, dem wird keines Menschen Bosheit schaden knnen. Wenn du zuschweigen und zu dulden verstehst, "wirst du ohne Zweifel die Hilfe des Herrngewahr werden" (2 Chr 25, 8). Er kennt Zeit und Weise, dich zu retten, und

    deshalb mut du dich ihm ganz berlassen. Gottes Sache ist es, dich zu rettenund aus aller Not zu befreien.

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    2.Oft ist es zur Vertiefung und Erhaltung unserer Demut sehr ntzlich, da andereunsere Fehler kennen und rgen. Wenn sich der Mensch wegen seiner Fehlerdemtigt, besnftigt er leicht die anderen und beruhigt, die ihm zrnen.

    3.Den Demtigen beschtzt und befreit Gott, den Demtigen hat er lieb undtrstet er. Zum Demtigen neigt er sich herab, dem Demtigen gibt er vieleGnaden. Er erhebt ihn aus seiner Erniedrigung zur Herrlichkeit. Dem Demtigenoffenbart er seine Geheimnisse und zieht ihn sanft und freundlich an sich. DerDemtige ist auch in der Anfechtung friedvoll und wohl geborgen. Sein Halt istGott und nicht die Welt. Glaube nicht, da du etwas fortgeschritten bist, wenndu dich nicht fr geringer hltst als alle.

    KAPITEL 3Der gtige, friedensbereite Mensch

    1.Bild und Bedeutung des friedfertigen Menschen.2.Bin ich vielleicht ein Zerrbild des Friedfertigen?3.Zwei Menschentypen; zu welchem gehre ich?

    1.

    Zuerst halte dich selbst im Frieden, dann kannst du auch andere zum Friedenfhren. Ein friedfertiger Mensch stiftet mehr Nutzen als ein Gelehrter. Derleidenschaftliche Mensch kehrt selbst das Gute ins Bse; er glaubt das Bseleicht. Der gute, friedliebende Mensch wendet alles zum Guten. Wer in vollemFrieden lebt, denkt von keinem Arges. Der Unzufriedene hingegen und derErregte wird bald von diesem, bald von jenem Verdacht geqult. Er hat selbstkeine Ruhe und gnnt sie auch anderen nicht. Er sagt oft, was er nicht sagendarf, und versumt seine eigene Pflicht. Was andere zu tun verpflichtet sind,darber macht er sich Gedanken, seine eigene Pflicht aber vernachlssigt er.

    2.Ereifere dich also zunchst ber dich selbst, und dann magst du dich auch umdeinen Nchsten sorgen. Du verstehst es meisterhaft, dein Tun zu entschuldigenund zu beschnigen, anderer Leute Entschuldigung aber willst du nichtannehmen. Richtiger wre es, du klagtest dich selbst an und entschuldigtestdeinen Bruder. Willst du ertragen sein, so ertrage auch andere. Sieh nur, wieweit du noch von jener wahren Liebe und Demut entfernt bist, die keinem zrntund grollt als nur sich selbst. Es ist nichts Groes, mit guten, ruhigenCharakteren umzugehen; denn das ist uns allen von Natur angenehm. Ein jederhat eben gern Frieden und bevorzugt die Gleichgesinnten. Mit schroffen Naturenaber, mit verkehrten, ungezgelten, von Widerspruchsgeist erfllten Menschenfriedlich leben knnen, das ist eine groe Gnade und eine hchst lobenswerte,

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    mannhafte Tat.3.Es gibt Menschen, die sich selbst im Frieden halten und auch mit anderen imFrieden leben. Es gibt aber auch Menschen, die selbst keinen Frieden haben und

    auch andere nicht in Frieden lassen. Sie fallen anderen zur Last, sich selbst aberam meisten. Andere wiederum erhalten sich in Frieden und bemhen sich,andere zum Frieden zurckzufhren. Doch aller Friede, der uns in diesem armenLeben beschieden ist, grndet mehr im demtigen Ertragen als imNichtempfinden der Widerwrtigkeiten. Wer am besten zu leiden versteht, wirdden tieferen Frieden besitzen. Der ist der Sieger ber sich selbst und der Herrder Welt, der Freund Christi und der Erbe des Himmels.

    KAPITEL 4Lauterer Sinn und einfltige Absicht

    1.Einfalt und Reinheit sind Schwingen deiner Seele.2.Von der Einfalt und Reinheit der Absicht erzhlen alle Geschpfe.3.Einfalt und Reinheit erfreuen den Menschen und wandeln ihn um.

    1.

    Zwei Flgel tragen den Menschen ber das Irdische hinauf: Einfalt undLauterkeit. Einfalt soll unseren Willen erfllen, Lauterkeit unser Empfinden. DieEinfalt will nur Gott, die Lauterkeit ergreift und verkostet ihn.2.Kein gutes Werk wird dir schwerfallen, wenn du innerlich frei bist vonungeordneter Neigung. Suchst du nichts anderes als Gottes Wohlgefallen unddes Nchsten Nutzen, wirst du innere Freiheit genieen. Wre dein Herz inOrdnung,dann wrde jedes Geschpf ein Spiegel des Lebens und ein Buchheiliger Lehre fr dich sein. Kein Geschpf ist so klein und nichtig, da es die

    Gte Gottes nicht spiegelte. Wrest du innerlich gut und rein, du wrdest allesohne Schwierigkeiten sehen und gut begreifen. Ein reines Herz durchdringtHimmel und Hlle.3. Wie einer innerlich ist, so beurteilt er seine Umgebung. Gibt es eine Freude inder Welt, dann geniet sie der Mensch des lauteren Herzens. Und wenn esirgendwo Trbsal und Angst gibt, so wei ein schlechtes Gewissen am bestendavon zu erzhlen. Wie das Eisen im Feuer den Rost verliert und ganz glhendwird, so verliert der Mensch, der sich restlos zu Gott wendet, seine Lauheit. Erwird in einen neuen Menschen verwandelt. Wenn der Mensch anfngt, lau zuwerden, dann frchtet er auch die geringe Mhe und nimmt gern den uerenTrost entgegen. Beginnt er aber, sich selbst ernstlich zu berwinden und

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    mannhaft den Weg Gottes zu wandeln, dann hlt er fr gering, was ihn frherschwer dnkte.

    KAPITEL 5Achten auf sich selbst

    1.Bist du blind fr dich selbst?2.Lerne dich selbst kennen, ber andere schweige.3.Gott allein sei der groe Gedanke deines Lebens.

    1.

    Wir drfen uns selbst nicht viel trauen, da es uns oft an der Gnade gebricht undan der rechten Einsicht. Nur ein mattes Licht brennt in uns, und dieses winzigeLicht bringen wir noch durch unsere Nachlssigkeit schnell zum Erlschen. Oftnehmen wir es gar nicht einmal wahr, da wir innerlich so blind sind. Ofthandeln wir schlecht, und, was noch schlimmer, wir entschuldigen uns.Zuweilen treibt uns die Leidenschaft, und wir halten es fr Eifer. Wir tadelngeringe Fehler an andern, und ber unsere greren Fehler gehen wir hinweg.Sehr schnell empfinden wir, was andere uns zu ertragen geben, und legen es aufdie Waage; was aber andere von uns hinzunehmen haben, das beachten wir

    nicht. Wer sein eigenes Verhalten recht und gut abwgt, hat keine Ursache, berandere hart zu urteilen.2.Der innerliche Mensch stellt die Sorge um sich selbst allen anderen Sorgen vor.Wer sorgsam auf sich selbst achtet, schweigt gern von anderen. Niemals wirstdu innerlich und fromm sein, wenn du nicht ber die anderen schweigst und einbesonderes Augenmerk auf dich selbst richtest. Siehst du nur auf dich und aufGott, wird dich die Auenwelt wenig bewegen. Wo bist du, wenn du nicht beidir selbst bist? Und bist du berall gewesen, was hast du bei Vernachlssigung

    deiner selbst gewonnen? Sollst du Frieden und wahre Eintracht haben, mut dualles hintansetzen und dich allein vor Augen haben. Du wirst sehr gutvoranschreiten, wenn du dich von aller zeitlichen Sorge trennst. Und viel wirstdu verlieren, wenn du den Erdendingen zuviel Wert beilegst.3.Nichts sei dir gro, nichts erhaben, nichts angenehm und willkommen als Gottallein und was von Gott kommt. Erachte alles fr eitel, was ein Geschpf dir anTrost bietet. Eine Seele, die Gott liebt, verschmht alles, was weniger ist alsGott. Gott allein, der Ewige, Unermeliche, der alles erfllt, ist der Seele Trostund des Herzens wahre Freude.

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    KAPITEL 6

    Die Freude eines guten Gewissens

    1.Das gute und das schlechte Gewissen.2.Dein gutes Gewissen: dein wahrer, innerer Wert.3.Das gute Gewissen grndet uns in Gott.

    1."Der Ruhm eines guten Menschen ist das Zeugnis eines guten Gewissens" (2Kor 1, 12). Sorge fr ein gutes Gewissen, und du wirst immer Freude haben. Eingutes Gewissen kann sehr viel ertragen und ist mitten im Ungemach voller

    Freude. Ein bses Gewissen ist immer furchtsam und unruhig. Sanft wirst duruhen, wenn "dein Herz dir keine Vorwrfe macht" (vgl. 1 Joh 3,21). Freue dichnur dann, wenn du Gutes getan hast. Die Bsen verkosten niemals wahreFreude, sie kennen keinen inneren Frieden; denn, so spricht der Herr: "Es gibtkeinen Frieden fr die Frevler" (Jes 48,22; 57,21). Und wenn sie sagen: "Wirhaben Frieden (vgl. 1 Thess 5, 3), es wird kein Unglck ber uns kommen" -(Mi 3,11), und: Wer will es wagen, uns zu schaden? glaub es ihnen nicht. Dennpltzlich wird der Zorn Gottes hereinbrechen, ihre Taten werden zu nichts, und"ihre Gedanken werden vergehen" (Ps 146,4).

    2.In der Trbsal sich rhmen fllt dem, der die Liebe hat, nicht schwer; denn dasist nichts anderes als ein "sich Rhmen im Kreuze des Herrn" (vgl. Gal 6, 14).Kurz whrt der Ruhm, den Menschen geben und empfangen. Dem Ruhm derWelt ist stets die Trauer als Begleiterin gegeben. Die Ehre der Gute