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TITANIC Zeitschrift des Titanic- Verein Schweiz POST Nr.65 September 2008

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TTIITTAANNIICCZeitschrift des Titanic-Verein Schweiz

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Nr.65September 2008

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2 TITANIC-Post Nr. 65, September 2008

«Ich muss auf dieses Schiff!» 38

TITANIC - frühe Boote, frühe Raketen! - Teil 1 43

Standards

Impressum 2

Hands across the sea 53

Auf dem Schreibtisch des Präsidenten 54

Vereinsverkäufe 55

Beiträge

Neues Seezechen in Hamburg 3

Die CALIFORNIAN und andere Geisterschiffe 5

Momentaufnahme: Die TITANIC-Kamera 14

Neues aus Belfast 15

Die Zuverlässige - Teil 3 18

Die Generalversammlung in Basel,4.-6. Juli 2008 28

NOMADIC, eine unendliche Geschichte? 34

Inhaltsverzeichnis

TVS-Adresse

TITANIC-Verein SchweizPostfach 3913CH-8021 Zürich

Internet

http://[email protected]

webspace sponsored bywww.rent-an-admin.ch

Die Redaktion behält sich das Recht vor, Beiträge in Ausnahmefällen zu kürzen, umzuformulieren, aufzuteilen und nach eigenemGutdünken zu plazieren. Die Meinung der Redaktion muss sich nicht mit der Meinung der Verfasser einzelner Artikel decken. Füreingesandte Manuskripte wird keine Haftung übernommen. Bitte die Beiträge mit Brigitte Saar oder Günter Bäbler absprechen.Wir möchten darauf hinweisen, dass sich kein Mitglied als Vertreter des TITANIC-Verein Schweiz ausgeben darf, wenn er nicht in diesemImpressum genannt wird. Stattdessen sollte die Bezeichnung «Mitglied des TITANIC-Verein Schweiz» gewählt werden.

Erscheinungsweise: vierteljährlich - ISSN 1424-8484 - Auflage: 250 Exemplare © by TITANIC-Verein Schweiz

Impressum

Titelbild: Die BRITANNIC-Orgel von Seewen:

Die akribischen Restaurationsarbeiten haben sich gelohnt.Die BRITANNIC-Orgel im Museum für Musikautomaten inSeewen klingt fantastisch - davon konnten sich die Teil-nehmer der diesjährigen Generalversammlung mit «eige-nen Ohren» überzeugen. (bs)

Rechts eine Werbepostkarte des Herstellers Welte: Sohätte die Orgel an Bord der BRITANNIC aussehen sollen.

(Sammlung Augustinermuseum Freiburg i. B.)

Redaktionsschluss für die TITANIC-Post Nr. 66:

5. Oktober 2008

TVS Vorstand

PräsidentGünter BäblerPostfach 3913CH-8021 Zürich

Vizepräsidentin/Layout TITANIC PostBrigitte SaarSpilhofstr. 25D-81927 München

Versand TITANIC PostLinda von Arx-MooserSchwenkelberg 71CH-8106 Adlikon

VereinsverkäufeStefan MuntwylerShopping Center 7 CH-8957Spreitenbach

KontaktstelleDeutschlandOliver SchwarzHelgolandstrasse 2D-26935 Stadland

Kassier/AdressverwaltungRolf HuwylerGässlistrasse 16CH-8856 Tuggen

Druck

Kaspar Schnelldruck AGBirkenweg 2CH-8304 Wallisellen

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Nach über vierjähriger emsiger Ar-beit wurde am 25. Juni 2008 dasInternationale Maritime Museumin Hamburg eröffnet. Ich hatteschon vor Jahren die Gelegenheit,die Tammsche (Privat)-Sammlungan seinem ursprünglichen Ort beiTeufelsbrück zu bewundern. Je-dem Besucher war klar, dass dieseExponate eine grosszügigere Um-gebung brauchten und für alle zu-gänglich sein sollten.

Aber wohin? Es gab in Hamburgnicht viele Möglichkeiten, die aus-reichend Raum bieten konnten -und ins «Ausland» schicken? Un-vorstellbar für den Hamburger Jun-gen Peter Tamm und so liess erseine hanseatischen Beziehungenspielen. Da traf es sich gut, dassdie Hafen-City vor einer grundle-genden Umgestaltung stand undein grosser, 1878/79 gebauter Spei-cher an der Magdeburger Strasseder Stadt zur Verfügung stand.

Architekten legten einen Umbau-plan vor, der unter Protest der Op-position vom Hamburger Senatabgesegnet und für 30 MillionenEuro realisiert wurde - Tamm konn-te 2007 in «seinen» Kaispeicher Beinziehen.

Wer je einen privaten Umzug mit-erlebt hat, weiss um die Probleme,und meist geht etwas zu Bruch.Das durfte bei einem Museums-umzug natürlich nicht passieren,und Profis machten sich ans Werk,schliesslich wollten 9 Decks (=Bö-den) beschickt werden, modernund museumspädagogisch aufbe-reitet. Auch der Deutsche Wetter-dienst hatte eine Aufgabe über-nommen, nämlich die Mitgestal-tung der Abteilung Wind (als An-triebskraft) auf Deck 1. Im See-wetteramt, vormals Seewarte, la-gern wichtige historische Beispie-le aus dem 18. und 19. Jahrhun-dert und es gab vielfältiges Mate-rial, welches für Präsentations-zwecke interessant erschien. Dalag die einzigartige Reisebeschrei-bung der Vollschiff SUSANNA vor,

Neues Seezeichen in Hamburg

TITANIC-Post Nr. 65, September 2008

von Rolf-Werner Baak

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Ein altes Speicherhaus ist die würdige Kulisse, in der die Tammsche Sammlungnun gezeigt wird - der «Kaiserspeicher B». (Baak)

Zur Sammlung gehören auch 36.000Miniaturmodelle... (Michael Zapf)

Grosse Eröffnung mit Ehrengästen: Darunter natürlich auch der Eigner der rie-sigen Sammlung, die die Grundlage für die Ausstellung bildet, der ehemaligeSpringer-Verlagchef Peter Tamm. Vor den Toren des Museums gab es währendder Eröffnung aber auch Proteste - der Ausstellung fehle eine kritische Kom-mentierung der militärischen Schifffahrt, der deutsche U-Boot-Krieg währendder Nazi-Zeit werde so indirekt verherrlicht, so der Vorwurf. (Baak)

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die 99 Tage brauchte, um KapHoorn von Ost nach West zu um-runden. In Zusammenarbeit mitden Museumsleuten wurden Kon-zepte entworfen und Originaleherausgesucht …

Nach den feierlichen Reden desStifters Tamm, des Herrn Bundes-präsidenten und des Herrn Bür-germeisters schritt man zur offizi-ellen Tat, indem ein Flaggensignalgeheisst (aufgezogen) wurde. Dassymbolische Signal hat die gleicheBedeutung wie der Name des Mu-seums. Nach der Privatführung derPolitiker war es den geladenenGästen, etwa 800 persönlich ver-lesene, gestattet, das Innere desKolosses zu betreten.

Die Gruppe der Wetterdienstlerkonnte sich nun von der Präsenta-tion ihrer Vorschläge überzeugen -und war grösstenteils enttäuscht.Wie in vielen anderen Bereichenauch waren die Arbeiten nochlange nicht abgeschlossen. DiePräsentation verdient kaum mehrals das Prädikat «lieblos undunvollständig», nur die grosse Kar-te von der Chaosfahrt der SUSANNA

überzeugte. Dass es auch bessergeht, zeigen Beispiele in den an-deren Decks, wo durchaus der

Wille erkennbar ist, etwas Beson-deres zu zeigen, eben «Gediege-nes», wie Hamburger es gern um-schreiben. Der Nachholbedarf für«Wind» wurde eingestanden undBesserung gelobt.

Ein weiterer Besuch wird zeigen,ob diese Zusicherung eingehalten

wird. Schon jetzt lohnt sich derEintritt allemal, denn es ist nunder Raum vorhanden, den dieSammlung verdient hat.

Das Museum ist im Internet ver-treten unter: ww.internationales-maritimes-museum.de

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Peter Tamm, der deutsche Präsident Horst Köhler und der HamburgerBürgermeister Ole von Beust hissen die Flagge des Museums. (Thomas Hampel)

So sah der Kaiserspeicher B um 1900 aus. (Sammlung Internationales Maritimes Museum Hamburg)

... und 36 Schiffe, die aus Knochengeschnitzt sind. (Michael Zapf)

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Die CALIFORNIAN und andere Geisterschiffe

TITANIC-Post Nr. 65, September 2008

von Susanne Störmer

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Von der sinkenden TITANIC aus wur-den Lichter eines anderen Schiffesgesehen, das nach SchätzungenÜberlebender zwischen drei undzehn Seemeilen entfernt war.Doch statt dem sinkenden Ozean-riesen zur Hilfe zu kommen, ver-schwand dieses andere Schiff imLaufe der Nacht. Bis heute ist dieIdentität dieses Schiffes, das auchals «Geisterschiff» bezeichnet wird,ungeklärt. Es gibt zahlreiche Ver-mutungen, Indizienbeweiskettenfür oder gegen bestimmte Namenund besonders im englischspra-chigen Raum mehrere Bücher, diesich ausschliesslich diesem Teilas-pekt der TITANIC-Katastrophe wid-men. Denn: Wäre das andere Schiffzur TITANIC gekommen, hätten be-deutend mehr Menschen, wennnicht sogar alle an Bord, gerettetwerden können als die 712, dieletztendlich durch die CARPATHIA

aufgenommen wurden.

Das Thema «Geisterschiff» ist sokomplex wie emotional besetzt.Erstmals in der über 15-jährigenGeschichte des TITANIC-VereinSchweiz soll nun in einer TiPo-Se-rie eine Darstellung dieses Themasin Form einer Serie erfolgen. DenAnfang macht die Hauptverdäch-tige des Jahres 1912: Die CALIFOR-NIAN der Leyland Line.

Die denkwürdige Reise der CALI-FORNIAN im April 1912

Die CALIFORNIAN war ein Fracht-schiff, das auch über einige Passa-gierkabinen verfügte. Im April1912 stand sie unter dem Kom-mando von Kapitän Stanley Lord,1877 in Bolton (England) geboren,Extra Master. Eine Anstellung bei

der White Star Line hatte er An-fang des 20. Jahrhunderts abge-lehnt, weil ihm nur ein Posten als3. oder 4. Offizier angeboten wur-de.1 Am 5. April 1912 verliess dieCALIFORNIAN London mit Kurs aufBoston, Massachusetts. Für Lord

war es die 28. Reise als Kapitänder Leyland Line und die sechsteals Kapitän der CALIFORNIAN.

Am Abend des 14. April 1912sichtete die CALIFORNIAN drei Eis-berge einige Meilen südlich vonihrem Kurs und warnte per Funkandere Schiffe vor dieser Gefahr.Diese Warnung wurde auch imFunkraum der TITANIC vom FunkerBride gehört2. Kapitän Lord bliebauf der Brücke, da auf der CALIFOR-NIAN angesichts der Eiswarnungenanderer Schiffe klar war, dass mansich auf ein Eisfeld zu bewegteund es irgendwann während derNacht erreichen würde. Als das Eisum 22:20 Uhr Schiffszeit CALIFOR-NIAN gesichtet wurde, liess KapitänLord das Ruder hart über legenund die Maschinen stoppen3. Um22:21 Uhr Schiffszeit CALIFORNIAN

war das Schiff gestoppt und bliebdas auch bis zum nächsten Mor-gen 6 Uhr Schiffszeit4. Die Stopp-Position des Schiffes wurde mit42° 05' Nord, 50° 07' West5 ermit-telt, wobei die 42° 05' Nord durcheine Sternenobservation von ChiefOfficer Stewart um 22:30 UhrSchiffszeit CALIFORNIAN bestätigtwurde6.

Gegen 23 Uhr Schiffszeit CALIFOR-NIAN sah Kapitän Lord das Licht ei-nes anderen Schiffes von Ostenher kommen. Auf Nachfrage beimFunker erklärte dieser, dass er nurdie TITANIC hören konnte. Lord warzwar der Meinung, dass das Lichtdes Schiffes, das von der CALIFOR-NIAN aus gesehen wurde, nicht dieTITANIC sein könne, dennoch liess erdie TITANIC durch seinen Funker da-von in Kenntnis setzen, dass dieCALIFORNIAN von Eis eingeschlossen

Kapitän Stanley Lord von der CALIFOR-NIAN. (Sammlung bä C904ad)

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und gestoppt sei. Diese Meldungdrang jedoch nie zur Schiffsfüh-rung der TITANIC durch. Später wur-de Lord vorgehalten, dass er, wenner die TITANIC schon so explizitwarnen liess, davon ausgegangensein muss, dass die Lichter, die ersehen konnte, die von der TITANIC

waren. Wenn allerdings die Stopp-Position der CALIFORNIAN korrektwar, konnte sie in den 40 Minutenseit dem Stoppen nicht so weitnach Süden verdriftet wordensein, um die TITANIC sehen zu kön-nen.

Der Funker Evans legte sich nachder missratenen Kommunikationmit der TITANIC schlafen.

Bis Mitternacht hatte der 3. Offi-zier Groves Wache. Er war der ein-zige unter den Nautikern, der dasandere Schiff mit eigenen Augengesehen und für ein Passagier-schiff gehalten hat. Sein Kapitänwidersprach ihm bereits auf derBrücke, konnte Groves aber offen-sichtlich nicht von dem Eindruckabbringen.

Groves sah, wie das andere Schiffum 23:40 Uhr Schiffszeit CALIFOR-NIAN stoppte und die Lichter aus-zuschalten schien. Auf Nachfra-gen des britischen Untersuchungs-ausschuss gab Groves zu, dass einVerlöschen der Lichter auch eineoptische Täuschung gewesen seinkönnte - wenn das andere Schiffnämlich so stark abgedreht hatte,dass es statt der Breitseite der CA-LIFORNIAN nun den Bug zuwandte.

Einige Minuten nach Mitternachtwurde Groves vom 2. OffizierStone und dem Anwärter Gibson

abgelöst. Stone war von Lord ein-geschärft worden, das andereSchiff genau zu beobachten. Wievor ihm schon Groves versuchteStone, mit der Morselampe Kon-takt mit dem anderen Schiff auf-zunehmen, erhielt jedoch keineAntwort. Dafür sah er allerdingserst einen Lichtblitz über dem an-deren Schiff, den er ab der zwei-ten Erscheinung dieser Art dannfür weisse Raketen hielt. Insge-samt wurden von CALIFORNIAN ausacht Raketen gesichtet - und die-se Raketen bereiteten Stone eini-ges Kopfzerbrechen. Denn zumeinen stiegen sie nicht so hoch aufwie Raketen es normalerweise ta-ten, so dass er die Vermutung heg-te, diese Raketen würden von ei-nem anderen Schiff hinter demHorizont abgefeuert; zum anderenjedoch verwirrte es Stone, dass dieRaketen ihre Peilung veränderten,wenn auch das andere Schiff seinePeilung änderte, so dass diese Ra-keten eigentlich doch von demDampfer abgefeuert worden seinmussten7. Denn laut Stone beganndie Peilung des anderen Schiffessich mit Beginn des Abfeuerns derRaketen zu verändern, was daraufhindeutete, dass das andere Schiffwieder Fahrt aufnahm. Auch hör-ten weder Stone noch Gibson dieExplosionsgeräusche von den Ra-keten. Beide beobachteten dasandere Schiff weiter, und Gibsonbemerkte, dass dieses irgendwieschräg im Wasser zu liegen schien,als wenn es Schlagseite nachsteuerbord zu haben schien - sosagte er zumindest vor dem briti-schen Untersuchungsausschuss8.So verlockend die Schlagseite nachsteuerbord auch zu sein scheint:An dieser Stelle muss betont wer-

den, dass die TITANIC nach Aussa-gen Überlebender Schlagseitenach backbord hatte!

Stone informierte Kapitän Lordper Sprachrohr über die abgefeu-erten Raketen und liess später denAnwärter den Kapitän noch per-sönlich informieren, dass das an-dere Schiff ausser Sicht war. Lordfragte bezüglich der Raketen jedesMal, ob es Reedereisignale wärenund ob sie irgendwelche Farbenhätten - Stone erklärte, dass ernicht wüsste, ob es Reedereisig-nale wären, und dass alle Raketenweiss waren.Mit dem Wissen, das seit dem 15.April 1912 verfügbar ist, liegt esnatürlich nahe, dass die CALIFORNI-AN die Notraketen der TITANIC ge-sichtet hat - allerdings gibt es ei-nen entscheidenden Punkt: Stonesah, wie das andere Schiff seinePeilung veränderte, woraus erschloss, dass dieses Schiff in Fahrtsei, und dementsprechend ant-wortete er vor dem britischen Un-tersuchungsausschuss, als er of-fenbar zu der Erklärung gebrachtwerden sollte, dass er die Seenotdes anderen Dampfers anhand derRaketen hätte erkennen müssen:«Ein Dampfer, der in Seenot ist,fährt nicht vor Ihnen weg, myLord.» 9

Nachdem der andere Dampfer ver-schwunden war, sah Gibson einigeZeit später erneut einen Lichtblitzam Horizont und kurz darauf nochmal zwei weitere, die in Interval-len abgefeuert wurden. DieseLeuchtsignale schienen aus nochgrösserer Entfernung als die ers-ten acht zu kommen.

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Um 4 Uhr morgens fand dannWachwechsel auf der Brücke derCALIFORNIAN statt. Der Chief Officererhielt von Stone einen ausführli-chen Bericht, warf einen Blickdurch das Fernglas, sah einenDampfer mit vier Masten im Sü-den liegen und meinte, dass mitdem Schiff ja alles in Ordnungsein müsse. Stone widersprach mitdem Hinweis, dass dieser Dampferein anderer als derjenige sei, dersie in den Nachtstunden beschäf-tigt hatte. Bei Tageslicht erkannteStewart, dass dieser Dampfer ei-nen gelben Schornstein hatte. DieIdentität dieses Dampfers ist bisheute unklar.

Um 4:30 Uhr Schiffszeit CALIFOR-NIAN wurde Kapitän Lord vom

Position. Um 6 Uhr morgens wardie CALIFORNIAN dann definitiv wie-der in Bewegung und auf demWeg zur Notrufposition der TITANIC.Sie musste durch das Eisfeld hin-durch nach Westen fahren, umden gefunkten Unglücksort zu er-reichen. Dort angekommen traf sieauf die MOUNT TEMPLE, aber sie fan-den nichts von der TITANIC. Dafürwar nun die CARPATHIA im Osten inSicht. Die CALIFORNIAN fuhr nun einweiteres Mal durch das Eisfeld,jetzt mit Ostkurs, und erreichte dieCARPATHIA, als diese die Rettungs-aktion abgeschlossen hatte.

Ein weiteres Schiff, das von derCALIFORNIAN bei den Fahrten durchdas Eis gesehen worden war, wardie ALMERIAN von der Leyland Line,

TITANIC-Post Nr. 65, September 2008 7

Chief Officer geweckt und kamauf die Brücke. Um 5 Uhr dannwurde Kapitän Lord bewusst, dassder Dampfer, der im Süden war,nachts Raketen abgefeuert hatte -hier hat der Chief Officer offen-sichtlich eine fehlerhafte Annah-me Lords nicht korrigiert, dennStewart wusste von Stone, dassder Dampfer im Süden ein andererwar als der, der die Raketen gefeu-ert hatte - und Lord liess den Fun-ker wecken. Der Funker fand he-raus, dass die TITANIC nachts SOSgesendet hatte. Nach einer offizi-ellen Bestätigung des Notrufsdurch die VIRGINIAN, deren Funkereine Nachricht seines Kapitäns anden Kapitän der CALIFORNIAN mitder Position der TITANIC übermittel-te, nahm Lord Kurs auf die SOS-

Einige Crewmitglieder der CALIFORNIAN während einer Pause beim britischen Untersuchungsausschuss. (Sammlung bä C904ac)

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ein Frachter ohne Funk, die vonder ganzen Tragödie nichts wussteund unbeirrt ihren Kurs fortsetzte.Auch von der MOUNT TEMPLE auswurde ein anderes - bis heute un-bekanntes Schiff - in dem Seege-biet gesehen - ein «ausländisches»Schiff mit schwarzem Schornsteinund weissem Wappen, das auchschon nachts zwischen 1 Uhr und1:30 Uhr Schiffszeit MOUNT TEMPLE

dort herumgegeistert sein soll; einSchiff auf Ostkurs. Ausserdemsprach die MOUNT TEMPLE von ei-nem Schoner, den sie nachts aufihrem Weg zur TITANIC gesehen ha-ben will - allerdings kann ein Se-gelschiff bei Windstille keineFahrt machen; fährt es unter Ein-satz von Hilfsmaschinen, gilt esals Maschinenschiff und mussdieses durch entsprechende Lich-terführung kenntlich machen. Voneinem Schoner in dem Eisfeld istauch in der ersten Erstausgabe derNew York Times vom 15. April1912 die Rede10, als noch niemandwusste, dass die TITANIC sank. Da-mit dürfte klar geworden sein,dass - sofern Moore von derMOUNT TEMPLE und Lord von derCALIFORNIAN nicht lauter fliegendeHolländer gesehen haben - meh-rere Schiffe zumindest im weite-ren Umkreis um den Unglücksortwaren und die Notsignale wedergehört (Funk!) noch gesehen (Ra-keten!) haben.

Die CALIFORNIAN suchte noch weiterin dem Seegebiet, in dem die CAR-PATHIA die Rettungsboote aufge-nommen hatte, entdeckte aberkeine Überlebenden mehr undnahm dann am Vormittag ihrenKurs auf Boston wieder auf.

Während der Suchaktion der CALI-FORNIAN müssen auch die FRANKFURT

und die BIRMA in dem Seegebieteingetroffen sein, doch auch siekonnten keine Überlebenden mehraufnehmen. Nach der ergebnis-losen Suche setzten alle dieseSchiffe ihre Reise fort.

Die CALIFORNIAN tauchte in denSchlagzeilen auf, als nach ihrerAnkunft in Boston die Gerüchteaufkamen, dass von der CALIFORNI-AN aus die Notraketen der TITANIC

gesehen wurden. Durch Erzählun-gen von Besatzungsmitgliedern

stand die CALIFORNIAN schnell imFokus bei der Identifizierung desGeisterschiffes.Besonders auffällig erscheint bisheute die scheinbar auffällige Pa-rallelität der von der CALIFORNIAN

beobachteten Aktionen des unbe-kannten Schiffes mit den Ereignis-sen auf der TITANIC. Allerdingsspielt uns hier die Zeit einenStreich, denn Schiffszeit CALIFORNI-AN war nicht identisch mit Schiffs-zeit TITANIC11. Dessen ungeachtethat der britische Untersuchungs-ausschuss im Jahr 1912 die Uhr-zeiten gleichgesetzt. Das führt da-zu, dass in dem im Abschluss-bericht abgedruckten Funklog alleUhrzeiten der TITANIC eine Zeitdif-ferenz von 1h 50 Minuten zurNew York Zeit aufweisen - mitAusnahme der Untergangszeit, beider basierend auf dem Funkspruchder CARPATHIA eine Zeitdifferenzvon 1h 33 Minuten zwischenSchiffszeit TITANIC und New YorkZeit festgelegt wird12. Und natür-lich führt das auch dazu, den Vor-wurf, die CALIFORNIAN sei das Geis-terschiff der TITANIC, zu untermau-ern, denn es erscheint doch aus-gesprochen unwahrscheinlich, dassein weiteres Schiff in dem Seege-biet sich quasi synchron zur TITANIC

verhalten hat. Und mehr noch: Dasowohl von der TITANIC als auchvon der CALIFORNIAN aus bei demihnen unbekannten Schiff das roteBackbordpositionslicht gesehenwurde, muss dieses Schiff entwe-der kein Steuerbord gehabt haben- oder es waren sogar zwei Schiffezwischen TITANIC und CALIFORNIAN …Auch wenn im Jahr 1912 die offi-ziellen Schuldzuweisungen ein-deutig waren: Angeklagt oder garverurteilt wegen unterlassener

8 TITANIC-Post Nr. 65, September 2008

Der Funker der CALIFORNIAN, CyrillEvans. (Sammlung bä)

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TITANIC-Post Nr. 65, September 2008 9

Hilfeleistung wurde niemand vonder CALIFORNIAN.

Im Laufe der Jahre hat es diverseUntersuchungen zum Thema «DieTITANIC und die CALIFORNIAN» gege-ben. Kapitän Lord selbst trat nachdem Film «A Night to Remember»an die Mercantile Marine ServiceAssociation heran, wo er mit LeslieHarrison einen treuen Streiter fürseine Sache fand. Lord starb 1962,Harrison kämpfte weiter, verfasstediverse Bücher und war auch en-gagiert dabei, eine neue offizielleUntersuchung der Rolle der CALI-FORNIAN zu erreichen. 1997 starbHarrison. Ein gegenwärtig sehrwortgewaltiger Verteidiger vonKapitän Lord ist der irische Jour-nalist Senan Molony, und auf des-sen Buch «TITANIC and the mysteryship» wird in dieser Serie für dieVerteidigung von Kapitän Lordzurückgegriffen.

Die Gegenseite wird vertretendurch die von dem britischen An-walt und Autor Leslie Reade (1904- 1989) in dem Buch «The Shipthat stood still» vorgebrachten Ar-gumente. Reade hat mit seinemBuch Massstäbe bezüglich der Re-cherchetiefe gesetzt, allerdingstappte auch er in die Zeitenfalle,indem er Schiffszeit CALIFORNIAN

mit Schiffszeit TITANIC gleich setz-te. Dadurch erreicht er zwar wiealle anderen auch eine erstaun-liche Parallelität der Ereignisse,aber die Schiffszeiten zwischen TI-TANIC und CALIFORNIAN waren un-terschiedlich!

Das Wichtigste vorweg: Eine neueoffizielle Untersuchung der Rolleder CALIFORNIAN fand 1992 statt, als

lich nur mit Fokus auf die zentra-len Punkte geführt werden. Wertiefer in das Thema einsteigenmöchte, dem seien die genanntenBücher empfohlen, und natürlichgibt auch das Internet genug her.

Pro und Contra CALIFORNIAN

Zur Verdammung der CALIFORNIAN

im Jahr 1912 führte, dass niemandsich vorstellen konnte, die Notruf-position der TITANIC sei falsch ge-wesen. Dementsprechend machtedie CALIFORNIAN sich schon dadurchverdächtig, dass ihre Wache dieRaketen im Südosten gesehen hat-ten - denn die Notrufposition derTITANIC war im Südwesten der Stopp-Position der CALIFORNIAN. Aus derSichtweise des Jahres 1912 stie-gen also die Raketen an der fal-schen Seite auf… Damit war auchdie Position der CALIFORNIAN in Zwei-fel gezogen worden, und ihreStopp-Position wurde nach Belie-ben verschoben13, so dass sie dasGeisterschiff gewesen sein muss-te.

durch die Entdeckung des Wracksder TITANIC sowie die Bekanntgabeder Koordinaten die Entfernungzwischen Stopp-Position der CALI-FORNIAN und der Fundstelle desWracks festgestellt werden konn-ten. Die Ergebnisse der Neuunter-suchung waren:1. Die CALIFORNIAN war zwischen 17und 20 Seemeilen von der TITANIC

entfernt, mit grosser Wahrschein-lichkeit waren es 18 Seemeilen.2. Es ist eher unwahrscheinlich,dass die TITANIC von der CALIFORNIAN

gesehen wurde.3. Die Notsignale der TITANIC wur-den gesehen, aber es wurde daraufnicht angemessen reagiert.4. Die Nachricht von Gibson drangnicht durch zu Kapitän Lord. Statt-dessen hat sich der 2. Offizier Sto-ne «schwer geirrt».

Da, wie schon festgestellt, ganzeBücher zum Thema CALIFORNIAN

und ihre Rolle beim Untergang derTITANIC geschrieben wurden, kannin dieser Serie die Argumentationpro und contra CALIFORNIAN wirk-

Die CALIFORNIAN von der CARPATHIA aus gesehen, am Morgen des 15. April 1912 .(Sammlung bä D705r)

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10 TITANIC-Post Nr. 65, September 2008

Wie wir durch die Entdeckung desWracks wissen, war die Notruf-position der TITANIC falsch. Mehrnoch: Die TITANIC befand sich süd-östlich von der Stopp-Position derCALIFORNIAN, sofern denn diese Po-sition korrekt war. Es gibt derzeitkeinen bekannten Beleg, der dieStopp-Position der CALIFORNIAN VORdem Untergang der TITANIC sozusa-gen öffentlich dokumentiert - daswäre ein Funkspruch mit Positi-onsangabe gewesen, wie zumBeispiel in der Eiswarnung vomfrühen Abend geschehen. Natür-lich gab es für die CALIFORNIAN aufihrem Weg nach Boston keine Ver-anlassung, zwischen 18 Uhr und22:20 Uhr nach Süden zu fahren,wenn sie nach Boston wollte, aberWind und Strömung könnenSchiffe versetzen. Der Wind konn-te damals wegen der zumindestnachts herrschenden totalenFlaute vermutlich vernachlässigtwerden, damit bleibt die Strö-mung die grosse Unbekannte - so-fern wir Stewarts Aussage vor denUntersuchungsausschüssen nichtin Frage stellen wollen, dass er am14. April 1912 um 22:30 Uhrabends die Breitenposition derCALIFORNIAN per Sternenobserva-tion ermittelt und 42° 05' Nordermittelt hat. Wenn diese Positionkorrekt war, dann befanden sichTITANIC und CALIFORNIAN zweifelsfreiausserhalb der für sie möglichenSichtweite und können einandernicht gesehen haben. Dement-sprechend muss es mindestens einweiteres Schiff zwischen TITANIC

und CALIFORNIAN in jener Nacht ge-geben haben.

Was laut Molony noch dagegenspricht, dass die TITANIC und die

CALIFORNIAN einander gesehen ha-ben: Während die CALIFORNIAN be-reits ab 23 Uhr ihrer Zeit die Lich-ter eines anderen Schiffes gese-hen hat, das noch rund 40 Minu-ten in Sichtweite fuhr, bis es ge-stoppt hat, hat die TITANIC erst nachder Kollision und ungefähr mitBeginn des Einbootens die Lichtereines anderen Schiffes entdeckt.Entweder waren sowohl der Aus-guck als auch die Offiziere auf derBrücke mit Blindheit geschlagen,dass sie die stationäre CALIFORNIAN

nicht bemerkt haben, oder allehatten eine Amnesie, so dass dieLichter des Schiffes mit Beginndes Einbootens quasi neu entdecktwurden - oder sie haben schlichtkein Schiff bemerkt, weil erst nochkein Schiff da war. Wenn das vonder TITANIC aus gesehene Schiffaber erst nach der Kollision inSichtweite kam, kann es nicht dieCALIFORNIAN gewesen sein, da dieCALIFORNIAN bereits seit 22:21 Uhrihrer Zeit und damit vielleicht um22:04 Uhr Schiffszeit TITANIC14 ge-stoppt hatte.

Natürlich ist es verlockend, dasum 23:40 Uhr gestoppte Schiff,das von der CALIFORNIAN aus gese-hen wurde, mit der TITANIC gleichzu setzen - allerdings spielt auchhier wieder die Zeitdifferenz zwi-schen den Schiffszeiten eine Rolle,denn die TITANIC kollidierte um23:57 Uhr Schiffszeit CALIFORNIAN

mit dem Eisberg und stoppte ersteinige Minuten danach endgültig15.Diese Zeitdiskrepanz lässt sichnicht wegdiskutieren - aber damitgewinnt plötzlich die Geschichtevom Maschinisten Ernest Gill vonder CALIFORNIAN wieder an Glaub-würdigkeit, dessen Zeitangaben

von 1912 und bei Gleichsetzungder Uhrzeiten zwischen CALIFOR-NIAN und TITANIC wie 1912 durchden britischen Untersuchungsaus-schuss geschehen, eben nicht zuden Zeiten der TITANIC-Ereignissezu passen scheinen. Dass ihm den-noch geglaubt wurde, ist wiede-rum eine andere Sache.

Gill will um 23:56 Uhr CALIFORNIAN-Zeit an Deck gegangen sein undein Passagierschiff in voller Fahrtetwa zehn Seemeilen entfernt imSüden gesehen haben - 23:56 UhrCALIFORNIAN-Zeit ist 23:39 UhrTITANIC-Zeit, und zu der Zeit fuhrdie TITANIC vermutlich noch mitvoller Fahrt voraus16. Als Gill einehalbe Stunde später wieder anDeck war, sah er das andere Schiffnicht mehr - dafür aber sah er Ra-keten aufsteigen, die er für Notra-keten hielt. Gill sah es nicht alsseine Aufgabe an, die Brücke zuinformieren und legte sich wiederschlafen. Erst als er am nächstenMorgen geweckt wurde und ervon der TITANIC hörte, wurde ihmklar, was er gesehen hatte. - Fürseine Geschichte bekam er lautFunker Evans $500 von einerZeitung bezahlt. Damit ist aberimmer noch nicht klar, wie belast-bar die Beobachtungen von Gillsind.

Nicht bestritten wird von Molony,dass Stone und Gibson von derCALIFORNIAN die Notraketen der TI-TANIC sahen. Molony weist daraufhin, dass die von der CALIFORNIAN

gesichteten Raketen so tief lagen,dass sie für Stone und Gibsonnicht als Notraketen, die eine gro-sse Höhe erreichten, erkennbarwaren. Molony vermutet, dass die

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Raketen von der TITANIC unterhalbdes sichtbaren Horizonts abgefeu-ert wurden und deswegen so aus-sahen, als würde das Schiff inSichtweite der CALIFORNIAN nur Ra-keten abfeuern, die vielleicht dieHöhe des Mastlichts erreichten. -Notraketen sollten Höhen von 180bis 240 Metern erreichen; so hochwaren die Masten des von der CA-LIFORNIAN gesichteten Schiffes de-finitiv nicht. Dementsprechendwussten Stone und Gibson mitdem Lichtsignalen nichts anzu-fangen, konnten sie nicht einord-nen - und Kapitän Lord hat sichnie auf die Brücke begeben, umdiese Lichtsignale selbst in Au-genschein zu nehmen. Er verliesssich blind auf seinen 2. Offizierund dessen Urteilsvermögen, wäh-rend Stone später sagte, dass ersich auf das Urteilsvermögen desKapitäns verliess.

Leslie Reade argumentiert mitVorschriften und Beschreibungender Reedereisignale der damaligenZeit und kommt zu dem Schluss,dass aufgrund der Farbgebung derRaketen - alle waren weiss - Kapi-tän Lord und/oder der 2. OffizierStone hätten erkennen müssen,dass es sich um Notraketen han-delte. Denn es gab keinerlei Ree-dereisignale im Jahr 1912, dieausschliesslich weisse Raketenbeinhalteten. Lord war sehr aufdie Reedereisignale fixiert, undStone hat immer wieder erklärt,dass die Raketen keinerlei Farbenhatten. Notraketen waren damalsweiss - und es waren auch dieeinzigen weissen Raketen, die aufhoher See abgeschossen wurdenlaut Reades Recherchen.

Steuerbordlicht der TITANIC hielten,aber sie haben sie gesehen. Dassnur die Antwortsignale der CARPA-THIA von der CALIFORNIAN ganz ent-fernt am Horizont wahr genom-men wurden, ist für Molony einweiteres Indiz, dass die Distanzzwischen CALIFORNIAN und TITANIC

grösser war als die Sichtweite unddamit mindestens ein weiteresSchiff zwischen den beiden Damp-fern lag. Und Molony findet auchIndizien dafür, dass von den Ret-tungsbooten aus noch das Lichtdes anderen Schiffes gesehen wird- der Dampfer selbst bei Tageslichtaber nicht mehr sichtbar war, alsodavongefahren sein muss, wäh-rend die CALIFORNIAN noch langenach Tagesanbruch gestoppt imEisfeld lag.

Molony weist noch auf ein ande-res Dilemma hin: Mal angenom-men, Stone oder Lord hätten rea-lisiert, dass dort Notraketen abge-feuert werden. Wenn jetzt einervon ihnen den Funker geweckthätte, hätten sie den Notruf derTITANIC gehört - und dann hättensie sich einem grossen Problemgegenüber gesehen: Die Raketenstiegen im Südosten auf, die Not-rufposition der TITANIC war aber imSüdwesten … Wohin also fahren?Zu dem Ort, an dem die Raketenaufstiegen und damit vermutlichder TITANIC keine Hilfe leisten?Oder der TITANIC Hilfe leisten undeinem anderen Schiff dieselbigeverweigern? Oder anders gefragt:Hätte irgendjemand auf der CALI-FORNIAN in der Nacht zum 15. April1912 merken können, dass dieNotrufposition der TITANIC falschwar? Ohne vorher zu der falschenPosition gefahren zu sein?

In diesem Zusammenhang ist esinteressant, dass weder Stonenoch Gibson die von Boxhall auseinem Rettungsboot abgeschosse-nen Leuchtsignale gesehen hat,die wiederum von der aus Süd-osten kommenden CARPATHIA ge-sichtet wurden - sehr tief liegendzwar, dass sie sie erst für das

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Anwärter James Gibson von derCALIFORNIAN. (Sammlung bä C904ab)

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12 TITANIC-Post Nr. 65, September 2008

Ein von Lord-Gegnern häufig vor-gebrachtes Argument gegen dieVerteidigung von Kapitän Lord ist,dass er auf die Raketen hätte rea-gieren müssen und wenigstensden Funker wecken lassen sollen.Und wenn Lord es schon nicht ge-macht hat, hätte vielleicht der 2.Offizier Stone etwas unternehmenund den Funker wecken müssen.Seit dem 15. April 1912 ist diesesArgument zweifellos richtig - undwenn Lord der gefunkten Positionmehr Vertrauen geschenkt hätteals den gesichteten Lichtsignalen,dann wäre er nachts durch dieEisbarriere gefahren und hätte wiedie anderen Schiffe, die die Not-rufposition erreichten, nichts ge-funden17 - während die TITANIC imSüdosten weiterhin untergegan-gen wäre. Aber Lord hätte es dannjedenfalls versucht gehabt.

Fussnoten1 Reade (1993), S. 15.2 Aussage Bride in den USA und Gross-britannien3 Molony (2006), S. 114 Molony (2006), S. 115 Molony (2006), S. 94 f.6 Molony (2006), S. 95 und britischer

Untersuchungsausschuss, 87067 Reade (1993), S. 738 7515 - 75239 803710 TiPo Nr. 4211 siehe erstellte Tabelle mit den Uhr-zeiten zu einigen markanten Ereignis-sen12 ohne Autor (1990), S. 65 ff.13 Molony (2006)14 siehe Störmer (2007), Kapitel «Wiespät war es» oder auch TiPo Nr. 6415 Molony (2006) anhand von Zeu-genaussagen, dass noch nach der Kol-lision Fahrt im Schiff war.16 Wenn man jedoch wie der britischeUntersuchungsausschuss die Schiffs-zeit CALIFORNIAN mit der Schiffszeit TI-TANIC gleich setzt, dann ist der ZeugeGill erledigt, weil er um 23:56 Uhr einSchiff in voller Fahrt gesehen habenwill, das zu der Zeit gestoppt gewesenist. 17 Die CARPATHIA ist auf die Rettungs-boote gestossen, weil sie sich südöst-lich der Notrufposition der TITANIC be-fand und ihr Kurs zu der berühmtenPosition 41° 46' Nord, 50° 14' Westzufällig den Ort streifte, an dem sichdie Rettungsboote der TITANIC befan-den. Wäre die CARPATHIA aus eineranderen Richtung gekommen, hätteauch sie zuerst an der falschen Stellegesucht. Und da die CARPATHIA die Ret-

tungsboote erreichte, ehe sie an derNotrufposition war, sich aber nie-mand vorstellen konnte, dass die letz-te Position der TITANIC falsch gewesenwar, stellte man zwar erstaunt fest,dass die CARPATHIA für die zu überwin-dende Distanz eine halbe Stunde we-niger als erwartet benötigt hatte -das aber schob man darauf, dass dasSchiff die eigene Höchstgeschwindig-keit deutlich übertroffen hatte. Rech-nen wir mit dem Wissen von heute,dann war die CARPATHIA nicht schnellerals ihre Höchstgeschwindigkeit; ihrezurückgelegte Strecke war lediglichkürzer.

Quellenangabe:- Die Untersuchungsausschüsse imInternet: www.titanicinquiry.org- Senan Molony (2006), TITANIC and themystery ship, Stroud: Tempus- ohne Autor (1990), Report in the Lossof the S.S. TITANIC. The official govern-ment inquiry, Gloucester: Alan SuttonPublishing Limited- Leslie Reade (1993), The ship thatstood still. The CALIFORNIAN and hermysterious role in the TITANIC disaster,Sparkford: Patrick Stephens Limited.- Susanne Störmer (2007), DampferTITANIC: Eisberg voraus. Die letztenStunden vor der Kollision neu unter-sucht, Norderstedt: Books on Demand.

Das Kartenmaterial, wie es vom US-Untersuchungsausschuss verwendet wurde. (Sammlung bä C312a)

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20:30 22:20 22:03 23:00 Eis gesichtet20:31 22:21 22:04 23:01 Schiff gestoppt21:10 23:00 22:43 23:30 anderes Schiff gesichtet21:50 23:40 23:23 00:10 Das andere Schiff stoppt

und schaltet die Lichter aus22:07 23:57 23:40 kollidiert

mit Eisberg23:20 01:10 00:53 Das andere Schiff feuert Raketen

und ist anscheinend wieder in Fahrt23:50 01:40 01:23 Stone sieht die letzte von 8 Raketen00:10 02:00 01:43 Kapitän Lord wird vom Anwärter

über die gesichteten acht Raketen und den davon fahrenden Dampfer informiert

00:15 02:05 01:48 Gibson sagt, das andere Schiff sei«verschwunden».

00:35 02:25 02:08 Stone beobachtet den davonfahren- den Dampfer weiterhin

00:47 02:37 02:20 TITANIC sinkt00:55 02:45 02:28 Das andere Schiff jetzt ausser Sicht.01:30 03:20 Erneut werden Raketen gesehen; sie

werden in noch grösserer Entfernung abgefeuert als die zuvor gesehenen

02:10 04:00 Wachwechsel auf der CALIFORNIAN. Der Chief Officer übernimmt und sieht ein Schiff im Süden, das weder Stone noch Gibson aufgefallen war.

Bei allen Zeitangaben von der CALIFORNIAN ist zu beachten, dass auf der äusseren Brücke keine Uhrwar und die Wachhabenden bei ihren Zeitangaben dementsprechend auf ihr Zeitgefühl angewiesenwaren, das als Orientierung das halbstündige Glasen hatte.

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14 TITANIC-Post Nr. 65, September 2008

Momentaufnahme: Die TITANIC-Kamera

Keith Beken hält hier die legendä-re Kamera in den Händen, mit dersein Vater Frank Beken am 10.April 1912 die TITANIC auf ihrerJungfernfahrt vor der Isle of Wightfür die Nachwelt verewigte.

(Muntwyler)

von Stefan Muntwyler

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Der Bau des TITANIC Quartiers aufQueens Island hat auch Signalwir-kung auf die Bauarbeiten in ande-ren Stadteilen Belfasts. Am Victo-ria Square wurde durch den Baueines Shoppingcenters an den al-ten Häusern nicht einfach Kahl-schlag betrieben. Mit viel Auf-wand wurden alte Gebäude res-tauriert und in den Neubau inte-griert. Sogar ein kleiner vikoriani-scher Pavillion wurde aus seinemdunklen Zwischenlager hervorge-holt und wieder aufgebaut, zurFreude der Besucher. Auch vonHarland & Wolff gibt es wiederneues zu vermelden, unter ande-rem sogar einen Rekord!: Schon imvergangegen Jahr bekan die Werfteinen Auftrag zum Zusammenbauvon Windkraftgeneratoren und er-hielt nun auch dieses Jahr wiederden Zuschlag. Der Zwei-Millionen-Pfund-Auftrag beinhaltet den Zu-sammenbau und Verlad auf Schif-fe von 62 Stück für die Windfarm«Robin Rigg» im Solway Firth imSüden von Schottland. In das Ge-samtprojekt investiert EON fast200 Millionen Pfund; es soll nachder Fertigstellung Strom für über180.000 Häuser liefern. Schonkommenden September sollen dieWindräder bereit zum Ausschiffensein. Ein Rad ist fast 145 Meterhoch, das entspricht mehr als derdoppelten Höhe des Riesenradesbei der City Hall! «Die Werft derTITANIC baut den grössten Gezei-tengenerator!» Mit diesen Wortenwurde kürzlich der neue Rekordvon H & W verkündet. Gemeint istdie zweiwöchige Endmontage desgrössten Gezeitengenerators derWelt. Seine Dimensionen sind gi-gantisch. Fast 300 Tonnen wiegtallein der Generator; der nicht un-

wesentliche Rest von 700 Tonnenverteilt sich dann noch auf zweiPropeller, ein Standbein und einePlattform. Anders als bei Windge-neratoren werden hier die Gezei-ten zur Stromerzeugung genutzt.Den in Dublin ansässigen Energie-konzern ESB kostet dieser Genera-tor rund 12 Millionen Pfund. ImMoment laufen die Verankerungs-arbeiten am Meeresgrund imStrangford Lough vor County Down

unweit von Comber, dem Heimat-ort von Thomas Andrews. Verladenvon den beiden Riesenkränen Sam-son & Goliath erreichte der Gene-rator im Mai auf einer 80 Meterlangen norwegischen Kranbarkeseinen endgültigen Standort. Ersoll schon bald 1,2 MegawattStrom für 1.000 Häuser liefernund ist Vorreiter eines 8,6-Milliar-den(!)-Pfund-Projekts. ESB wählteden Standort Belfast und die

Neues aus Belfast

TITANIC-Post Nr. 65, September 2008

von Stefan Muntwyler

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Das neue Victoria Square Shoppingcenter fügt sich nahtlos an die alten Häuser.(Muntwyler)

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Werft H & W bewusst. Ein Pressesprechermeinte: «Symbolisch am Ort des TITANIC-Baus wollen wir auf eine neue Katastro-phe aufmerksam machen: Die globale Er-wärmung. Mit dem Bau dieser Unterwas-sergeneratoren wollen wir ein neues his-torisches Zeichen setzen!» Bei erfolgrei-chem Betrieb plant man, weitere solcherAnlagen vor der nordirischen Küste zuplatzieren. Anders als bei Windkraft-generatoren wird die schöne Küstenland-schaft nicht durch 145 Meter hohe Mas-ten verunstaltet, da 80% des Generatorssamt Propellern unter Wasser sind undnur die Unterhaltsplattform aus demMeer herausragt. Bleibt zu hoffen, dassdieses Projekt ein Erfolg wird und nichtnur dem Weiterbestand von H & W si-chert, sondern auch zum Erhalt der ein-maligen Küstenlandschaft Irlands bei-trägt.

16 TITANIC-Post Nr. 65, September 2008

Zeichnung des ersten Gezeitenkraftwerks, das vor der KüsteNordirlands in Betrieb geht.

(Belfast Telegraph/Sammlung Muntwyler)

Fotomontage des Grössenvergleichs zwischen einem Windgenerator undder City Hall. (Belfast Telegraph/Sammlung Muntwyler)

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Oft leben wir in unmittelbarerNähe berühmter Sehenswürdig-keiten und gehen doch nie hin.Wie viele New Yorker waren wohlkürzlich im Straus Park? Wie vieleLondoner im Greenwich MaritimeMuseum? Ich schäme mich zuzu-geben: Bei mir ist es auch so. Ichbin voller Begeisterung tausendeKilometer gereist an Orte mit TITA-NIC-Bezug, von Neuschottland, Ka-nada, bis in die Schweiz, von Ir-land bis New York, aber in Cher-bourg war ich noch nie - dabeibräuchte ich mit der Fähre dorthinnur eine Stunde

Es gibt noch einen weiteren Ort,wo ich seit meiner Kindheit nichtmehr war, obwohl er von Jersey innur 10 Flugminuten erreichbar ist.Doch dank dem Hinweis, dass dortwohl ein TITANIC-Denkmal ist, führ-te dazu, dass ich Pläne für eine«Expedition» nach Guernsey schmie-dete, die kleinere der Kanalinseln.

Auf der TITANIC waren 18 Guernsey-er, und nur sechs von ihnen habenüberlebt, darunter Madeleine As-

tors Zofe Rosalie Bidois. Vor einpaar Jahren hörte ich von einemTITANIC-Denkmal auf der Insel,konnte aber nichts konkretes her-ausfinden. Obwohl die beiden In-seln so dicht beisammen liegen,hatte ich keine Kontakte dorthin,niemand, der bei der Suche hättehelfen können. Letztes Jahr «wan-derte» dann ein enger Freund undehemaliger Arbeitskollege, aus be-ruflichen Gründen nach Guernsey«aus». Mark Whitley und ich wa-ren seit vielen Jahren Mitglied ei-nes informellen Dinner-Clubs, undals er Jersey verliess, schworen wir,ihn zu besuchen, damit er uns undunsere kleinen Feiern nicht allzusehr vermissen muss.

Während ich also die Reisear-rangements für die Gruppe traf,fragte mich Mark ganz beiläufig,ob es irgendetwas gäbe, was wirunbedingt machen wollten aufGuernsey. Natürlich schrillte inmir sofort der TITANIC-Alarm, undder arme Mark musste als Folgeunzählige Telefonate auf sich neh-men, um die mysteriöse TITANIC-

Gedenktafel für mich ausfindig zumachen!

So kam es, dass ich mich schliess-lich auf dem Damm zu einer Na-poleonischen Festung an der At-lantikküste Guernseys wiederfand.Dank Marks unermüdlichem Ein-satz ist das Rätsel gelöst. Die «Ge-denktafel» hängt im Museum fürSchiffswracks von Fort Grey undist nicht etwa von 1912, nein, eshandelt sich vielmehr um eineganz normale Informationstafeldes Museums, vermutlich aus den80er Jahren. Darauf werden alleTITANIC-Passagiere und -Crewmit-glieder von Guernsey aufgelistet,dazu ihre örtlichen Adressen, derBeruf, Informationen zu den Fami-lien und der Grund, warum sie aufder TITANIC waren. Es ist ein schlich-tes, aber berührendes «Denkmal»,in einem liebevoll geführten klei-nen Museum. Vielleicht gibt es ir-gendwo auf der Insel noch einealte Messingtafel - bislang bliebsie mir verborgen. Vielleicht findetsie Mark noch, ehe wir ihn imnächsten Jahr wieder besuchen!

Eine «internationale» TITANIC-Recherche

TITANIC-Post Nr. 65, September 2008

von Mandy Le BoutillierÜbersetzung: Brigitte Saar

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Im Museum auf der Festung Fort Grey (links) gibt es tatsächlich eine TITANIC-Tafel (rechts). (Le Boutillier)

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Zurück nach Belfast

Kapitän Smith hätte es wohl kaumgeglaubt, hätte man ihm gesagt,dass auch noch im 21. Jahrhun-dert Schiffe sinken oder gar spur-los verschwinden würden. 1907,gerade erstmals mit der brand-neuen ADRIATIC in New York einge-laufen, diktierte er Vertretern derschreibenden Zunft jene auchheute noch gerne zitierten Sätze:

«Ich sah niemals ein Schiffsun-glück. Ich bin nie verunglückt. Ichbin nie in eine Lage geraten, wel-che in einer Katastrophe hätte en-den können.»

Nichtsdestoweniger waren bis da-hin schon zwei Schiffe unter sei-nem Kommando auf Grund gelau-fen: 1889 die erste REPUBLIC beiSandy Hook, im Jahr darauf dieCOPTIC nahe Rio de Janeiro. Weitersagte der Kommodore:

«Ich kann mir keinen Umstand vor-stellen, der ein Schiff zum Sinkenbringen würde. Ich kann mir keinUnglück vorstellen, welches die-sem Fahrzeug zustossen könnte.Der moderne Schiffbau ist überdies hinausgekommen.»

Auch der Vorfall vom 20. Sep-tember 1911 war nicht dazu ange-tan, sein Vertrauen in jenen mo-dernen Schiffbau zu erschüttern.Nach dem Zusammenstoss stellteer heraus, dass die Verbände desgrossen Schiffes den Anprall sehrgut verkraftet hätte: «Da war kei-ne Panik. Viele Passagiere habennicht einmal mitbekommen, dasses eine Kollision gegeben hatte, soschwach war die Erschütterung im

Speisesaal zu spüren.» Anfang1912 sagte er während einer spä-teren Reise der OLYMPIC in einemGespräch, welches die HAWKE-Kol-lision zum Thema hatte: «Wieauch immer. Die OLYMPIC ist unsink-bar, und die TITANIC wird es ebensosein, wenn sie erst in Dienst ge-stellt ist. Jedes dieser beiden Fahr-zeuge könnte in zwei Teile ge-schnitten werden, und beide Hälf-ten würden beinahe unbegrenzteZeit schwimmend bleiben. Dasunsinkbare Schiff wurde in Gestaltdieser beiden wundervollen Fahr-zeuge verwirklicht.

Ich wage hinzuzufügen, dass selbst,wenn Maschinen und Kessel durchihre Böden fallen sollten, die Schif-fe schwimmfähig bleiben würden.»

Es ist kaum zu glauben, dass sol-che Sentenzen (nachzulesen beiGeorge Behe) von einem der er-fahrensten und mit allen Eventua-litäten auf See vertrauten «MasterMariner» der damaligen Zeit ge-äussert wurden, doch die grosseOLYMPIC schien tatsächlich denletzten Beweis für die Unzerstör-barkeit dieser neuen Generationvon Superlinern geliefert zu ha-ben: Ein gepanzertes Kriegsschiffhatte sie in die Seite getroffen,und zwar mit einem als «ultimaratio» gegen andere gepanzerteFahrzeuge gedachten Rammste-ven; schwer havariert aber zu kei-nem Zeitpunkt in Gefahr des Sin-kens hatte sie diese schwere Kolli-sion überstanden.

Dass an eine Fortsetzung der Reisenicht zu denken war, wurde indes-sen schon unmittelbar nach demEreignis klar. Auch eine Rückkehr

nach Southampton war vor demnächsten Tag wegen Niedrigwas-ser nicht möglich, so dass der Li-ner in der Osborne Bay an derNordküste der Isle of Wight vorAnker gehen musste. Kapitän Smithinformierte seine Passagiere überdiese Tatsache, riet ihnen aber,den Abend an Bord zu verbringen.Eine Anzahl Passagiere und Besat-zungsmitglieder verliessen dasSchiff per Schlepper mit ZielSouthampton; ein Teil von ihnen,darunter Mr. E.P. Sheldon, Präsi-dent der New Yorker United StatesTrust Company, reiste dann nachLiverpool weiter und ging dort anBord der ADRIATIC.

Eine weitere Gruppe von Fahrgäs-ten verliess die OLYMPIC an Bord ei-nes Tenders, darunter recht veri-table Persönlichkeiten wie Mr.Waldorf Astor oder Prinz JaisinhGaekwar. Insgesamt zwanzig Men-schen aus dieser Gruppe warenMillionäre und repräsentierten einVermögen von zusammen 100Millionen Britische Pfund oder500 Millionen Dollar. Überhaupthatte sich noch nie zuvor einederart grosse Anzahl Passagiereder Ersten Klasse an Bord einesAtlantikliners eingeschifft, wiespäter von einem Reporter festge-stellt wurde.

Am folgenden Morgen um 8.50Uhr ging das grosse Schiff dannankerauf und steuerte allein mitder Backbordmaschine und einemSchlepper als Manövrierhilfe denHeimathafen an. Zahlreich Schau-lustige waren zugegen, als der Ha-varist am Vormittag des 21. Sep-tember mit Unterstützung vonsechs Schleppern am Southamp-

Die Zuverlässige - Teil 3

18 TITANIC-Post Nr. 65, September 2008

von Armin Zeyher

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toner White Star Dock anlegte, wodie verbliebenen Passagiere anLand gingen und die Fracht ge-löscht wurde. Auf den ersten Blickschien der Schaden lediglich auseiner Reihe von langen, rostig

aussehenden Schleifspuren aufHöhe des Grossmastes zu beste-hen; von Nahem betrachtet zeigtesich jedoch in der Flanke ein zwölfMeter breites Loch in Form einesauf die Spitze gestellten Dreiecks,

das bis hinauf zum D-Deck mehrals vier Meter über der Wasserliniereichte. Die Aussenhautbeplat-tung war an dieser Stelle zweiein-halb Meter nach innen getriebenund auch einiges an Spantenwerkin Mitleidenschaft gezogen wor-den. Grosses Glück war es, dassdie Passagiere der Zweiten Klasse,welche in diesem Bereich ihre Ka-binen hatten, gerade beim Lunchgesessen hatten.

Unter der Wasserlinie hatte derRammsporn des Kreuzers ein zwei-tes, etwa birnenförmiges Leck ge-schlagen, welches den starkenWassereinbruch verursacht hatte.Nach einer raschen Inspektiondurch Taucher wurde festgestellt,dass zur Behebung der Schädender Aufenthalt in einem Trocken-dock unumgänglich war. Und dadas Alexandra Dock in Southamp-ton nicht vor 1913 fertig gestelltsein würde, blieb nichts anderesübrig, als Belfast anzusteuern.

Während der folgenden zehn Tagewurden die Lecks für die Überfahrtvon 570 Meilen provisorisch abge-dichtet. Stahlplatten deckten dasLeck unter der Wasserlinie ab, wäh-rend Schiffszimmerleute oberhalbeine Holzverschalung anbrachten.Und so begann das Schiff am 4.Oktober mit einer Minimalcrewdie Reise nach Belfast, welche miteigener Kraft und knapp 10 kn in-nerhalb von zwei Tagen absolviertwurde. Die Belfaster kamen damitunerwartet in den Genuss einesatemberaubenden Anblicks: Diebeiden grössten Schiffe der Weltin einem Hafen, und das innerhalbkurzer Zeit zum zweiten Mal, dochdiesmal höchst unplanmässig.

TITANIC-Post Nr. 65, September 2008 19

Werftarbeiter in Belfast entfernen die provisorische Holzverschalung (Sammlung bä A406a)

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Allerdings belegte die unfertige TI-TANIC zurzeit das Thompson Gra-ving Dock, wo gerade letzte Handan den zweiten OLYMPIC-Class-Li-ner gelegt wurde. Dieser musstenun natürlich auf dem schnellstenWeg das Dock räumen, damit dieReparatur des älteren Schwester-schiffs mit Hochdruck durchge-führt werden konnte.

Diese dauerte bis Ende Novemberund sollte die Summe von 103.000Pfund kosten; das Schiff fiel fürdrei komplette Rundreisen aus,was mit weiteren 750.000 Pfundzu veranschlagen war.

Insgesamt mussten elf zerstörteAussenhautplatten erneuert wer-den, ebenso die lädierte Steuer-bord-Schwanzwelle, einige Sekti-onen der Laufwelle und alle dreiFlügel des Steuerbordpropellers.Die Schäden an der Wellenleitungund dem Wellenbock waren ent-standen, als der Steven der HAWKE

nach dem Wegscheren am Heckder OLYMPIC vorbeischrammte. Auchdie durch die Berührung des lau-fenden Propellers mit dem Kreu-zerbug ausgelösten Erschütterun-gen hatten ihr Teil zu der Besche-rung beigetragen (Bronzefrag-mente des OLYMPIC-Propellers wur-den später im verstümmelten Bug

des Kriegsschiffes vorgefunden).Um die schnellstmögliche Instand-setzung zu ermöglichen, musstedie fast fertig gestellte TITANIC als«Organspender» für ihr beschädig-tes Schwesterschiff dienen, wes-halb für letztere der Termin für dieJungfernreise nicht eingehaltenwerden konnte - seitdem wird miteinigem Recht die Frage gestellt,ob es ohne dieses Ereignis jemalszu jenem epochalen Zusammen-stoss mit einem Eisberg gekom-men wäre.

«Es hätte nicht geschehen sollen,aber es ist geschehen»

Die Crew der OLYMPIC musterte amAbend des 22. September ab, er-hielt aber die Heuer für volle dreiSeetage ausbezahlt - obwohl die-se Reise Southampton - Cowes -Southampton mitsamt der Kollisi-on und der Zeit auf Reede dazwi-schen nur zwei Tage gedauert hat-te. Eine Reihe von Besatzungsmit-gliedern war jedoch der Meinung,dass ihnen die Heuer für die ge-samte Rundreise zustehe und be-rief sich dabei auf den MerchantShipping Act von 1894, Paragraph162. Darin hiess es:

«Wenn ein Seemann, welcher ei-nen Vertrag unterzeichnet hat, an-

derweitig als in Übereinstimmungmit dem vereinbarten Zeitraum vorAntritt der Reise abgemustert wirdohne sich eines Fehlverhaltensschuldig gemacht zu haben, wel-ches eine solche Abmusterungrechtfertigt, hat er ein Recht aufEmpfang der vollen Heuer... dazusteht ihm ein Ausgleich für dieSchäden zu, die ihm daraus ent-stehen, welcher aber nicht die Be-züge eines Monats übersteigensoll.»

Die White Star Line hielt dagegenund machte geltend, dass ihrSchiff zur Stunde aufgrund der er-heblichen strukturellen Schädenein «Wrack» sei und unfähig, dieFahrt fortzusetzen. Für diesen Fallstand nämlich im selben Regel-werk:

Wenn der Dienst eines Seemannesdurch Unfall oder Verlust des Schif-fes vor dem im Vertrag festgesetz-ten Zeitpunkt endet, stehen ihmBezüge bis zum Zeitpunkt desFahrtabbruches zu, doch nicht füreine längere Periode.

Am 29. September kam der Fallvor das Amtsgericht der Graf-schaft Southampton, doch ge-langte man hier zu keinem Urteil.Nächste Etappe war der Gerichts-

20 TITANIC-Post Nr. 65, September 2008

Nach der Kollision wurden Dutzende Tests durchgeführt. Dieses Diagramm zeigt die Anziehung zwischen der PRINCESS LOUISE (27mlang, 96 Tonnen) und einem Motorboot (9m, 2.6 Tonnen) bei der Geschwindigkeit von 5 Knoten. Die Grösse der Schiffe und dieGeschwindigkeit stimmen im Verhältnis mit der OLYMPIC und der HAWKE überein. (Sammlung bä D607a)

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noch etwa 30 Meter entfernt ge-wesen, und der Abstand zu demLiner hätte nicht einmal mehr 60Meter betragen, als sich das Un-glück zutrug. Seiner Meinung nachhätte die HAWKE als das steuer-

hof der Admiralität im März 1912,wo schliesslich zugunsten derReederei geurteilt wurde. RichterDeane urteilte am 1. April 1912,dass die OLYMPIC zur fraglichenZeit tatsächlich ein «Wrack» imSinne des Gesetzes gewesen sei:«Wenn ein Schiff auf See sänke,wäre es ein Verlust, kein Wrack...OLYMPIC war derart schwer beschä-digt, dass sie aufhörte, navigierbarzu sein und den Männern dahernicht mehr als die Bezüge für dreiTage zustanden.»

Die gerichtliche Aufarbeitung desUnglücks selbst wurde dagegenzwei Tage nach dem Ereignis inGestalt einer Untersuchung durchdie Royal Navy in Portsmouth er-öffnet. Gehört wurden der Kom-mandant der HAWKE, sein ErsterOffizier, der Navigationsoffiziersowie ein Signalgast und zweiMannschaftsdienstgrade, welchesich alle während der Kollision aufder Brücke aufgehalten hatten. Aufdie Ladung von Zeugen der OLYM-PIC oder Vertretern der OceanicSteam Navigation hatte man imübrigen verzichtet.

Als Letzter sagte FregattenkapitänBlunt aus. Er berichtete, wie dieOLYMPIC ihm durch ihren Schwenknach Osten ihre Breitseite zu-wandte und er ihr durch eine Kurs-änderung um einige Grad nachSüden mehr Platz einräumte. Ervertrat die Ansicht, dass die OLYM-PIC die Kollision verursachte, als siebeim Umsteuern der «Bramble»-Sandbank zu weit südlich gerietund der HAWKE zu nahe kam. Da-durch sei der Kreuzer infolge derBeschleunigung des White StarLiners und der entstehenden Sog-

wirkung in dessen Seite gezogenworden. Blunt schloss mit denWorten: «Mehr Raum konnte dieHAWKE nicht gewähren, da sie aufdie «Prince-Consort»-Untiefe zu-lief.» Von dieser sei man gerade

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Der Lotse George W. Bowyer hatte zum Zeitpunkt der Kollision als Pflichtlotse dieVerantwortung über die Manöver der OLYMPIC. (Sammlung bä 605a)

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bordseitige Schiff gemäss der gel-tenden «Rules of the Road» dasWegerecht vor dem Kollisions-gegner gehabt. Die Kommissionkam zu dem wenig überraschen-den Beschluss, dass die OLYMPIC diealleinige Schuld an dem Unglücktrug.

Die White Star Line sah dies an-ders und übersandte am 21. Sep-tember per Obersten Gerichtshofeine Verfügung an Fregattenkapi-tän Blunt (die Admiralität genossImmunität), in der sie Ersatz fürden Schaden an ihrem Flaggschiffforderte. Die Navy reagierte miteiner Gegenklage, weshalb der Fallschliesslich vor dem Obersten Ge-richtshof bzw. der Abteilung mit

den nicht ganz zueinander pas-senden Sachgebieten Testamente,Ehescheidungen und Admiralitätlandete. Dort wurden beide Fällewie einer behandelt, und so be-gann am 16. November 1911 anBord des Wachschiffes DUKE OF

WELLINGTON eine neuntägige An-hörung unter dem Vorsitz vonGeneralstaatsanwalt Sir SamuelAdams. Diesem standen die Her-ren Sir Rufus Isaacs sowie ButlerAspinall K.C. zur Seite, ersterer inVertretung der Admiralität. Der er-fahrene Jurist F. Laing vertrat dieWhite Star Line. Zum Gremiumgehörten ausserdem noch zwei An-gehörige der LotsenbrüderschaftTrinity House, bei der bekanntlichauch George Bowyer Mitglied war.

Dreh- und Angelpunkt währenddes ganzen Vorgangs war dieFrage, ob OLYMPIC und HAWKE nunkreuzende oder einander überho-lende Schiffe waren:

«Das Hauptargument für dieOLYMPIC war, dass die HAWKE wäh-rend aller in Frage kommendenZeitabschnitte das überholendeFahrzeug war und dass ihr als die-sem die Pflicht oblag, sich aus demWeg der OLYMPIC als überholtesFahrzeug zu halten, unter demArtikel der Königlichen Regularien,welche übereinstimmen mit Ar-tikel 24 der Regeln zur Vermeidungvon Kollisionen auf See, und dasssie eine Verletzung dieser Pflichtverübt hat.»

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Taucher untersuchen in Southampton die Lecks der OLYMPIC. (Sammlung bä)

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Es spielte auch eine gewichtigeRolle, ob sich beide Schiffe zurZeit der Kollision auf Parallelkursbefanden, wie Kapitän Smith gel-tend machte, oder ob sich beideauf konvergierenden Kursen einan-der annäherten. In diesem letzte-ren Fall wäre es die Pflicht derOLYMPIC gewesen, sich aus demWeg des Kreuzers zu halten,während bei einem Parallelkursder White Star Liner das Wege-recht gehabt hätte. Das Gremiumkonstatierte folgendermassen:

«...nachdem beide Fahrzeuge ihreSchwenks beendet hatten, betru-gen ihre Kurse Süd 59° Ost (OLYM-PIC, d.A.) beziehungsweise Süd 74°Ost. Sie konvergierten daher ineinem Winkel von 15 Grad, undwenn sie diese Kurse beibehielten,würde ein Kollisionsrisiko beste-hen.»

In «Übersetzung» der damaligenenglischen Kursangaben steuertedie OLYMPIC einen Kompasskursvon 121° und die HAWKE 106°, so-mit kommt man auf die Konver-genz von 15 Grad. Diese Feststel-lung der Kommission schwächtedie Position der White Star Line.Während der Verhandlung solltedazu immer wieder auffallen, dassdie Zeugen von der HAWKE gegen-über denen der OLYMPIC häufigweit verlässlichere Aussagen mach-ten, welche sich beispielsweise beiEntfernungs- oder Richtungsan-gaben auf Landmarken stützten -so wurde auch betreffend desSchauplatzes des Unglücks ver-merkt: «HAWKEs Standort ist es, wodie Kollision anzunehmenderweisegeschehen ist.» Die militärischeAusbildung der Marineleute - für

die es von essentiellem Wert war,Abstand und Peilung eines poten-ziellen Gegners zuverlässig schät-zen zu können - erwies sich hierals klarer Vorteil für die Seite derAdmiralität.

Wenn nun ein versuchter Über-holvorgang der Ramming voran-gegangen war, blieb die Frage, wer

nun wen überholt hatte. Wirerinnern uns, dass anfänglich dieHAWKE mehr Fahrt hatte und sichzunächst an der OLYMPIC vor-beischob, ehe diese ihrerseits starkbeschleunigte. Es wurde als sicherangesehen, dass der Kreuzer zu-letzt 15¼ kn gelaufen war, dochdie Ermittlung der bei der OLYMPIC

anliegenden Fahrt gestaltete sich

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Der Bug der HAWKE zeugt von der Intensität der Kollision. (Sammlung bä)

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als schwierig. Professor John Bilesvon den Teddington National Phy-sical Laboratories welcher im Auf-trag der Admiralität konsultiertwurde, legte der Kommission seineKalkulationen dar, welche er an-hand der ihm zur Verfügung ste-henden Daten erstellt hatte: «Esist sehr schwierig, zu einer Schluss-

folgerung zu gelangen, welcheFahrt um 12.43 Uhr anliegt.» Gingeman von 12 kn in dieser Minuteaus, dann wären es bei der Kollisi-on, welche sich gemäss OLYMPIC-Logbuch ja drei Minuten späterzutrug, 17 gewesen. Gäbe man ei-ne Minute zu, käme man dagegenauf 18 kn. «Wenn man 18 Knotenam Ort der Kollision annimmt und12 Knoten um 12.43 Uhr, kommen

wir zu einer Durchschnittsgeschwin-digkeit von 15», erklärte Biles. Sei-ne Berechnungen deckten sich mitKapitän Smiths grober Schätzung,doch wollten die Angaben derMaschinenraumcrew betreffs derwährend der entscheidenden Mi-nuten anliegenden Umdrehungen- ein wichtiger Indikator für die

Geschwindigkeit eines Schiffes,auch wenn Wind und Strom zuberücksichtigen sind - nicht insBild passen. Insbesondere der diens-tältere Zweite Ingenieur John Her-bert Therle wurde von seinem Be-frager in die Zange genommen,welcher ihm unterstellte, die Fahrtdes Schiffes absichtlich als zuniedrig anzugeben. Es bedurftelanger und geduldiger Erklärungen

des Ingenieurs, um den Vorwurf zuentkräften.

Es wurde auch erörtert, was dieunmittelbare Ursache für den Zu-sammenstoss war. Zur Debattestand zum einen falsches Ruderle-gen des Rudergasten der HAWKE,was auch Blunts Ausruf beim un-

erwarteten Schwenk seines Kreu-zers «What are you doing?» impli-zierte und zum zweiten der Sogef-fekt durch das von der OLYMPIC

verdrängte Wasser. Die anwesen-den Nautiker Kapitän Smith, Kapi-tän Pritchard von der MAURETANIA

sowie der Liverpooler Lotse R. Le-wis bekundeten kategorisch, nochnie mit diesem Phänomen kon-frontiert worden zu sein; Lewis

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Nur drei Jahre nach der Kollision gibt es wieder Postkarten mit der HAWKE - sie wurde am 15. Oktober 1914 von einem deutschenU-Boot versenkt. Sie sank innerhalb weniger Minuten, mit ihr starben hunderte Seeleute. (Sammlung bä)

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sagte aus, einmal von der 20.000BRT grossen CARONIA von Cunard ingerade 30 Meter Abstand passiertworden zu sein, ohne dass es da-bei Probleme gegeben habe. Den-noch erklärte die Kommissionnach den Erläuterungen durchProf. Biles schliesslich den Sog alsursächlich für die Herbeiführungder Kollision. Der plötzliche Ru-derversager bei der HAWKE - der imübrigen dadurch zustande gekom-men war, dass deren Rudergastangesichts der plötzlichen Back-borddrehung zu heftig an seinemRad gerissen und sich dadurch inder Ruderleitung zu viel Gegen-druck aufgebaut hatte - war nachMeinung des Gremiums ohne Aus-wirkung auf das Geschehen. Auchmit einem funktionsfähigen Ruderhätte die Brückencrew des Kreu-zers keine Chance gehabt, das Un-glück abzuwenden.

Worin besteht nun diese über-wältigende Kraft, die den immer-hin 7.300 ts verdrängenden «Man-Of-War» wie ein Papierschiffchen(Blunt später: «Die HAWKE drehtesich wie ein Kreisel») in die Seiteder OLYMPIC gerissen hat?

Die Bewegung eines Schiffes durchsein Element wird durch wech-selnde Druckverhältnisse beglei-tet. Im Bereich des Vorschiffesentsteht eine Zone mit erhöhtenDruck, der sogenannte Bugstau.Weiter nach achtern, etwa vomMittschiffbereich zum Heck hin,trifft man dann auf ein Unter-druckgebiet, das an den Bordwän-den und vor den Propellern ent-steht. Dies resultiert daraus, dassWasser im gleichen Masse nach-strömt, wie es von den Propellern

nach achtern gedrückt wird. DerEffekt verstärkt sich in flachenGewässern und/oder in einem Ka-nal. Professor Biles hatte imSchlepptank seines Instituts Ver-suche angestellt und erklärteabschliessend:

«Angenommen, die Fahrzeugewären parallel, glaube ich nicht,dass die HAWKE durch die Gefah-renzone und Brücke an Brücke beieinem seitlichen Abstand von ein-hundert Yards gelangen könnte.Sie würde eindrehen.»

Die Aussagen der Schiffsführer

Kapitän Smith gab an, dass seinSchiff mit der reduzierten Höchst-geschwindigkeit für Küstengewäs-ser von 20 kn gelaufen sei, welchenach Passieren des NAB FEUERSCHIF-FES und Erreichen des Spithead auf22 ½ kn erhöht werden sollte. Alser über den Hergang des Unglücksbefragt wurde, sagte er aus, dassbeide Schiffe praktisch parallelliefen und ihm die Bewegung derHAWKE auf sein Schiff zu als einVersuch derselben erschienen war,unter dem Heck der OLYMPIC zukreuzen: «Es erschien unbegreif-lich, ein Manöver, das ich nichtverstehen konnte.» «Kam es Ihnen,Kapitän Smith, in irgendeiner Wei-se so vor, dass das Schiff ausserKontrolle geraten sein könnte, dieHAWKE meine ich?». Darauf derBefragte: «Nein.» - «Oder dass ihrRudergeschirr ausgefallen war?» -«Nein, das erschien mir nicht so.»

Fregattenkapitän Blunt beschrieb,dass er sich angesichts der Annä-herung des Liners mehr «auf mei-ner Seite des Kanals» gehalten

hätte. Er hatte eine Kursänderungauf 74 Grad Ost (missweisend) an-geordnet, während sein Kurs ohneAnwesenheit der OLYMPIC 85 GradOst (95° auf der Kompassrose, alsofast genau Ostkurs) gewesen wä-re. Blunt erzählte, wie er unmit-telbar vor der Kollision nach demRuderklemmer der Maschine noch«Volle Kraft achteraus» befohlenhatte, doch ohne Ergebnis:«Schrauben ohne Ruder oder Ruderohne Schrauben konnten sie nichtstoppen.» Die OLYMPIC hätte zumZeitpunkt der Kollision seiner Ein-schätzung nach 19-20 kn Fahrt ge-habt; seine Maschinen seien imMoment des Zusammenstossesrückwärts gelaufen - er habe dieVibration gespürt - und hätten dieFahrt seines Schiffes noch spürbarverzögert.

Uneinigkeit herrschte unter denmassgeblich Beteiligten, wo sichder Unfall genau abgespielt hatte.Wir haben schon gehört, dass dasGremium das grössere Vertrauenin die Aussagen der Navy-Leutesetzte und meinte, dass die vonder HAWKE angegebene Positiontatsächlich Ort des Geschehenssei. Es war nicht gerade vonVorteil für die zivile Partei, dassnicht einmal die beiden höchstenOffiziere auf der Brücke des WhiteStar Liners sich diesbezüglich ei-nig waren: Smith schätzte die Po-sition 400 Yards (ca.360 m) weiternordwestlich als von der Kommis-sion akzeptiert, während LotseBowyer meinte, dass dieselbe 500Yards (ca. 450 Meter) weiter nord-nordwestlich gelegen habe. Dochgerade die genaue Lage des Un-glücksorts war von grosser Wich-tigkeit für eine eventuelle Schuld-

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zuweisung, denn wenn Blunt seinePosition als zu weit nördlich ange-nommen hätte, wäre es ihm imUmkehrschluss möglich gewesen,der OLYMPIC mehr Manövrierraumzu gewähren.

Die OLYMPIC ist schuld und dochnicht schuld

Die Kommission kam nach langemHin und Her zu einer Entschei-dung, die sich schon abgezeichnethatte, und zwar zuungunsten derWhite Star Line. «Die Beweisauf-nahme hat ergeben, dass beide

Fahrzeuge überhaupt nicht aufparallele Kurse gebracht wurden.»Wären einige der von Zeugen derOLYMPIC abgegebenen Schätzun-gen zutreffend gewesen, hätte dieHAWKE im fraglichen Moment 26kn laufen müssen, wo sie dochwährend ihrer besten Zeiten gera-de neunzehneinhalb schaffte. «DieHAWKE war kein überholendes

Fahrzeug im Sinne des Gesetzes.Wenn es eines der Schiffe war, wares die OLYMPIC, welche die HAWKE

überholte.» Weiter: «Die OLYMPIC

hatte ausreichend Raum im Kanalnach Norden zu. Sie geriet zu nahean den Kreuzer an der Südseite desKanals. Sie unternahm nicht dieangemessenen Schritte, sich ausdem Wege zu halten. Sie hätte dieKollision abwenden können, wennsie das Ruder hart steuerbordgenommen hätte. Sogar als derLotse die HAWKE auf sein Schiff zu-kommen sah, verzögerte er die Re-aktion; und selbst, als er reagierte,

orderte er das Ruder hart back-bord, was ein sehr zweifelhaftesManöver war.»

Somit wurde die OLYMPIC zum allei-nigen Verursacher des Unglückserklärt, doch Kapitän und Offizieredes Schiffes traf trotzdem keineSchuld, da es zur fraglichen Stun-de unter Lotsenzwang stand. So-

mit trug Kapitän Bowyer bis NAB

FEUERSCHIFF die alleinige Verant-wortung für die Schiffsführung,während Smith allenfalls in bera-tende Funktion treten konnte. DerSchlussbericht der Kommissionkonstatierte also:

«Die Kollision ist allein auf diefehlerhafte Navigation des Lotsenzurückzuführen, und es gibt nichtden Hauch einer Grundlage, anzu-nehmen, dass die Nachlässigkeitirgendeines der Reedereiangestell-ten sie auch nur teilweise bewirkthätte. Die Verteidigung der Eigner

aufgrund des Lotsenzwangs warerfolgreich.»

Leider würde die erwiesene Un-schuld beider beteiligten Schiffeden geschädigten Besitzern der-selben zu keinem Schadenersatzverhelfen, denn die damaligen Be-dingungen für die Lotsennahmeschlossen jede Verantwortung selbst

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Beuteschema: Nach dieser Silhouette sollten die deutschen Kriegsschiffe ab 1914 Ausschau halten. (Sammlung bä C527a)

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bei Fehlleistung des Lotsen aus.Der entsprechende Text im Mer-chant Shipping Act, Paragraph633, lautete wörtlich:

«Ein Eigentümer oder Besitzer ei-nes Schiffes kann von niemandem,für welchen Verlust oder Schadenauch immer, ob durch Fehlverhal-ten oder durch Unwissenheit voneinem qualifizierten Lotsen verur-sacht, zur Verantwortungen gezo-gen werden, wenn der Lotse imAuftrag der Reederei in Gewässerntätig ist, in denen per Gesetz Lot-sen vorgeschrieben sind.»Sir Samuel Evans fand dieses Ge-setz revisionsbedürftig, und diesefaktische Immunität des Lotsenwurde 1918 aufgehoben - zu spätfür die White Star Line, welche aufden enormen Reparaturkostenund den Kosten durch den Ausfallihres Schiffes letzten Endes sitzenbleiben sollte - ein grosser Teildavon war nämlich nicht durchVersicherungen abgedeckt.

Die Gesellschaft wollte die Sachenicht auf sich beruhen lassen undging in Revision. So wurde am sel-ben Gerichtshof unter dem Vorsitzder Lordrichter Williams, Kennedyund Parker am 5. April 1913 -nicht ganz ein Jahr, nachdem diebis dahin wenig beachtete zweiteEinheit der OLYMPIC-Klasse in denUntergang gefahren war - die zwei-te Runde im Fall «OLYMPIC vs. HAW-KE» eröffnet. Die White Star Linesah sich nun in einer besseren Po-sition als 1912, war doch der ab-gebrochene Rammsporn des Kreu-zers gefunden worden; seine Posi-tion legte nahe, dass die HAWKE

tatsächlich mehr Raum nach Sü-den zu gehabt hätte. Das Gericht

wollte dies jedoch nicht als Be-weis anerkennen, denn der Spornhätte durchaus erst zu einem spä-teren Zeitpunkt herausfallen kön-nen. Insofern wurden die Erkennt-nisse der ersten Untersuchung desUnglücks weitestgehend bestätigt.Immerhin gestand man zu, dassCommander Blunt durchaus einwenig mehr Engagement an denTag hätte legen können, um dieKollision zu verhüten. Der schluss-endliche Spruch jedoch wies aber-mals dem Lotsen Bowyer dieHauptverantwortung zu:

«Zuallererst scheint der Lotse dieSituation falsch eingeschätzt zuhaben. Er wusste um die Anwesen-heit der HAWKE im Kanal, und erscheint überzeugt gewesen zusein, dass die OLYMPIC weit genugvor ihr in den Kanal gelangenwürde. Hierin verschätzte er sichvollständig betreffs der relativenGeschwindigkeiten beider Schiffeoder ihre Abstände voneinander.Sein erster Irrtum trug ohne Zwei-fel zum zweiten Fehler bei. Als dieOLYMPIC auf ihren Kurs einschwenk-te, schätzte er die Peilung derHAWKE völlig falsch ein. Er dachte,sie befände sich weit genug ach-terlich von querab und zollte ihrvon daher sehr wenig Beachtungin der Annahme, es wäre derenSache, sich aus dem Weg zuhalten. Auch täuschte er sich überseine eigene Position im Kanal,welche sich in der Tat viel weitersüdlich befand, als er annahm.Weiterhin irrte er betreffend desKurses der HAWKE, welchen er alsparallel annahm, wohingegen essich um einen konvergierendenKurs handelte. Somit realisierte ernicht, dass es seine Pflicht war,

sich aus dem Wege zu halten.Selbst als die HAWKE ihre plötzlicheDrehung schon begonnen hatte,verzögerte er die Reaktion, bis eszu spät war.»

Die White Star Line wollte sichnoch immer nicht dareinfindenund zog schliesslich bis vor dasOberhaus, doch wurde ihre Beru-fung auch dort abgewiesen unddie bisherigen Beschlüsse bestä-tigt. Damit erlosch jede Hoffnungseitens der OSNC, sich doch nochdie Reparatur- sowie die enormenProzesskosten von der Marine ho-len zu können. Man schrieb inzwi-schen den November 1914, Kapi-tän Smith und einige seiner da-maligen Offiziere waren lange totund die OLYMPIC aufgelegt. Auchdie HAWKE lag als Opfer des mitt-lerweile ausgebrochenen Kriegesseit dem 15. Oktober auf demMeeresgrund, versenkt mit fastder gesamten Crew vom ersten«U-Boot-As» der Geschichte, Kapi-tänleutnant Otto Weddigen. Fre-gattenkapitän Blunt hatte nichtlange nach dem Zusammenstossseine Beförderung zum Kapitänzur See (Captain R.N.) sowie dasKommando über den alten KreuzerH.M.S. CRESSY erhalten. Ironischer-weise wurde auch dieses Schiffein Opfer von Weddigens U-9,zusammen mit den KreuzernHOGUE und ABOUKIR; für diesen Pau-kenschlag war er in der Heimat alserster Kriegsheld bejubelt worden.

Doch noch liegen in unserer Er-zählung zwei Friedensjahre vorder OLYMPIC, die alles andere als er-eignislos waren. Mehr dazu in dernächsten TiPo.

Fortsetzung folgt.

TITANIC-Post Nr. 65, September 2008 27

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Kaum zu glauben, dass schon wie-der ein Jahr vergangen ist, seit wirim Museum für Kommunikation inFrankfurt standen, umgeben vonSchafen aus alten Telefonappara-ten. Aber es stimmt, die Zeit warreif, um wieder alte Freunde zutreffen und diese einmalige Ver-bundenheit zu spüren, dieses Band,das die TITANIC um uns aus all denLändern gelegt hat. Dieses Jahrtrafen wir uns im Hotel Schwei-zerhof in Basel, das Treffen wurdeangeführt vom Präsidenten Gün-ter Bäbler und von Sandro Dazio -sie teilen sich den eindrücklichenRekord, an jeder der 16 Generalver-sammlungen dabei gewesen zu sein.

Wie immer begann das Wochen-ende ohne grosse Formalitäten,die Teilnehmer kamen per Flug-zeug, Zug oder Auto im Laufe desFreitagabends nach Basel, vielestiessen mit einem Bier ihre An-kunft an und nahmen ihr Namens-schild in Empfang, das auch diesesJahr wieder liebevoll von OliverSchwarz gestaltet wurde. Mit 44Teilnehmern war dieses eines dergrösseren Treffen des TVS der letz-ten Jahre, neben den Schweizernfanden sich TITANICer ein ausDeutschland, Österreich, Kroatien,Schweden und von den Kanalin-seln.

Da das Wetter fürs Wochenendemit Verschlechterung drohte, mach-ten sich einige Gruppen auf denWeg in die Stadt. Hungrig ging esdann zum Abendessen ins benach-

barte Hotel Victoria. Das HotelSchweizerhof erwies sich als ex-zellente Wahl für den Anlass.Zentral gelegen, direkt beim Haupt-bahnhof, mit moderner Einrich-tung und äusserst freundlichenAngestellten. Die TVS-ler nutzten

die abgegeben Fahrkarten für Busund Tram und alle lösten gerneden Gutschein für das Eis ein.

Traditionell ist der Samstag deram meisten verplante Tag desTreffens. Der 5. Juli begann mit

Generalversammlung in Basel, 4.-6. Juli 2008

28 TITANIC-Post Nr. 65, September 2008

von Mandy Le BoutillierÜbersetzung: Günter Bäbler

Am Freitag begrüsste schönstes Wetter die GV-Teilnehmer in Basel. Zeit für eineStadterkundung, hier das Rathaus aus dem 16. Jahrhundert. (bs)

Stell Dir vor, du gehst an einem Samstagnachmittag im Juli über eine Wiese. Auf der Wiese sitzen über40 Menschen auf Abfallsäcken und lauschen verschiedenen Nationalhymnen. Wenn Du glaubst, Du seistsoeben in eine Episode von Akte-X spaziert: Falsch! Du solltest wissen, dass es Zeit ist für die Jahresver-sammlung des TITANIC-Verein Schweiz!

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dem Frühstücksbuffet, gefolgt vonGünters militärischen Verteilungder Teilnehmer auf die Autos. Injedem Auto sollte jemand die Rou-te nach Seewen kennen. Auch aufdie Sprachen wurde Rücksichtgenommen. Im «English speakingcar» gab es einen Schweden, zweiSchweizer, eine Kanalinselerin so-wie einen Australier in Form vonDavid Rumsey. David ist Musikpro-fessor und spielte 25 Jahre langdie Orgel für das Symphonieor-chester Sydney. Jetzt lebt er in Ba-sel und ist Berater des Museumfür Musikautomaten und betreuteauch die Restauration der BRITAN-NIC-Orgel. Er erklärte sich freund-licherweise bereit, uns die Orgelvorzustellen, ihre Geschichte nä-herzubringen und natürlich auch,die Orgel für uns zu spielen.

Das Museum für Musikautomatenin Seewen ist das eindrückliche Er-gebnis der lebenslangen Sammel-leidenschaft von Heinrich Weiss(*1920) . Bevor das Museum für dieÖffentlichkeit die Türen aufmach-te, durften wir exklusiv die Orgelbewundern, die für die TITANIC-Schwester BRITANNIC gebaut wurde.Der Krieg machte der White StarLine einen Strich durch die Rech-nung, aufgrund des Umbaus zumLazarettschiff kam die Orgel niean Bord. Gespannt folgten wirdem Vortrag von David Rumsey,sowohl auf Deutsch wie Englisch,und dann wurden wir erfüllt vomwunderbaren Klang, als David füruns ein paar bekannte Stückespielte, danach liess er die Orgelautomatisiert selbst spielen. Lei-der sind die Papierrollen so fragil,dass sie nicht mehr konventionellgelesen werden können. Die Auf-

TITANIC-Post Nr. 65, September 2008 29

GV-Kulisse: Die Grossbasler Skyline am Rhein. (bs)

Bis heute möglich: Rheinüberquerung in einer der alten Strömungsfähren. (bs)

Einige Basler erfrischten sich in der Affenhitze durch einen Sprung in den Rhein. (bs)

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gabe übernimmt jetzt ein «Bord-computer», der die Information dereingescannten Rollen exakt an dieOrgel weitergibt. Nach der Prä-sentation konnten wir die Orgelselber von allen Seiten inspizierenund uns auch ein Bild vom komp-lexen Innenleben der BRITANNIC-Orgel machen. Dann stellten wiruns für ein erstes Gruppenfoto vordie Orgel und für ein zweitesdraussen vor das Museum (sieheRückumschlag.

Nach einem kurzen Lunch teiltenwir uns in zwei Gruppen auf. Wirwurden durch das restliche Muse-um geführt und liessen uns ver-zaubern von der eindrücklichenSammlung von Automaten undMusikboxen. Die moderne Aus-stellung überzeugt durch clevereIdeen, wie Minikameras die dasInnenleben der Automaten ver-ständlich machen.

Dem obligaten Halt im Souvenir-laden des Museums folgte derebenso obligate «formelle Teil», die

30 TITANIC-Post Nr. 65, September 2008

David Rumsey spielt für die TVSler auf der BRITANNIC-Orgel. (bs)

Begeisterter Applaus für die BRITANNIC-Orgel und ihren Organisten. (bs)

Diverse Register und Original-Signet des Herstellers auf dem Orgel-Spieltisch. (bs)

Ein Computer steuert die Orgel, wennsie nicht vom Organisten gespielt wird- die alten Papierrollen sind inzwi-schen zu brüchig. (bs)

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eigentliche Generalversammlung.Wie gesagt, «formell» ist nicht dasrichtige Wort für ein TVS-Treffen,statt einem Sitzungszimmer such-te unser Präsident diesmal einenriesigen, schattenspenden Baumauf einem Feld oberhalb des Mu-seums aus für die «Sitzung».

Dort setzten wir die letztes Jahrbegonnene Tradition fort und hör-ten die Nationalhymnen aller teil-nehmender Nationen. Ein Momentder Stille, um uns ins Bewusstseinzu rufen, dass wir uns wegen einerTragödie versammeln. Erst derUntergang der TITANIC hat diesesgrenzübergreifende Band derFreundschaft um uns gelegt. Dannmachten wir uns auf den Wegzurück nach Basel. Auf dem Pro-gramm stand die Sammlerbörse,leider diesmal ohne die ver-lockende Sammlung maritimerPostkarten von Steve und JanBooth aus Southampton. Wir ver-missten sowohl die Beiden wieauch Steves Koffer. Doch auch dieanderen Mitglieder wickelten somanches Kauf- und Tauschge-schäft ab, Claes-Göran Wetter-

holm war wieder mal frustriert,weil er mal wieder weniger Dingeloswerden konnte, als er einge-kauft hat…

Auch das Dinner am Samstag-abend fand im Hotel Victioriastatt, das Essen einmal mehr her-vorragend. David Rumsey stiesswieder zu uns und unterhielt unsnun ohne Orgel, dafür mit Ukulele.Das Lied «The Wreck of the NancyLee» erzählt die unglaublich komi-sche Geschichte eines Kapitäns,der beim Untergang seines Schif-fes die Ukulele spielt. Das einstvon George Formby vorgetrageneLied gipfelte in dem Vers:

«The Captain's wife was on boardship,And he was very glad of it.But she could swim and she mightnot drown,so he tied her to the anchor as theship went down.»

Nach dem Dinner bot sich unserenMitgliedern wieder die Möglich-keit ihrem Präsidenten eine Fit-nesslektion zu erteilen. Er rannte

TITANIC-Post Nr. 65, September 2008 31

Ein Blick auf das Innenleben der BRI-TANNIC-Orgel. (bs)

Präsidenten-Triumvirat auf der GV:Günter Bäbler (TVS, links), Claes-Gö-ran Wetterholm (Scandinavian TITANIC

Society, rechts) und Bobo Novkovic(Croatian TITANIC Society, vorne). (bs)

Flötenwirrwarr im Inneren der BRITANNIC-Orgel. (bs)

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durch den Raum, um im Rahmender obligatorischen Amerikani-schen Versteigerung Geld zu sam-meln, und so fanden die von denTeilnehmern gespendeten Wareneinen neuen Besitzer. Einige lies-sen den Abend in verschiedenenBars ausklingen, andere führten aufder Veranda bis in die frühen Mor-genstunden «TITANIC-Gespräche».

Am Sonntag gab es kein fixes Pro-gramm, da einige schon nach demFrühstück ihre Rückreise antretenmussten. Dies ist der wohl meist-gehasste Teil des Treffens. Tschüsssagen für ein Jahr, und die grosseGruppe von Freunden schrumpftmit jedem, der zum Bahnhof oderFlughafen muss.

Leider erreichten die angekündig-ten Regenschauer Basel am Sonn-tagmorgen. Dies hielt jedoch einDutzend verbliebener TITANICer nichtdavon ab, einer anderen typischenTITANIC-Aktivität zu frönen - einemFriedhofbesuch. Als wir den gröss-ten Gottesacker der Schweiz er-reichten, regnete es in Strömen,und die zwölf TITANICer drängtenunter die gerade mal drei mitge-führten Schirme. Wir musstendurch den ganzen Friedhof gehen,um zum Grab des TITANIC-Überle-benden Max Staehelin-Maeglin zugelangen. Wir waren völlig durch-nässt, aber jeder von uns wirdgerne bestätigen, dass es für einenTITANICer völlig normal ist, auf ob-skuren Friedhöfen bei starkem Re-gen nach bestimmten Grabsteinenzu suchen.

Doch auch diese «Grabesgruppe»schrumpfte weiter, einer nachdem anderen verabschiedete sich,

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Der offizielle Teil der GV fand im Grünen statt, Mülltüten (vorne rechts) sorgten fürein trockenes Gesäss im feuchten Gras. (bs)

David Rumsey (Mitte) gibt mit seiner Ukulele ein Untergangslied zum Besten, Claes(links) holt sich derweil von unserem Kassier Rolf Huwyler (links) Münzgeld für dieanschliessende Versteigerung. (bs)

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TVSler besteigen eine der verrückten Maschinen von Jean Tinguely. (bs)

Die Kunstmaschinenn von Jean Tinguely sind teilweise Haushoch. (bs)

Der regennasse Grabstein. (bs)

Besuch am Grab von Max Staehelin-Maeglin - bei strömendem Regen. (bs)

um seinen Zug zu erwischen. DieVerbliebenen stoppten am Stadt-rand, um das Tinguely-Museum zubesuchen und die bizarren Arbei-ten von Jean Tinguely und Niki deSaint Phalle zu geniessen. Inzwi-schen hatte sich auch der Regenverabschiedet, und unsere Kleidertrockneten langsam. Jemand gabzu bedenken, dass man besser zu-erst das Museum während des Re-gens und dann den Friedhof beiSonnenschein hätte besuchen sol-len. Aber Hand aufs Herz: Hättedas nicht den eigentlichen Spassverdorben?

Zurück beim Hotel gab es nocheinen letzten gemeinsamen Kaf-fee, und dann trennten sich auchdie Wege der letzten in der Grup-pe verbliebenen. Viel zu schnellwar die TVS-Generalversammlungvorbei. Aber schon heute könnenwir uns aufs nächste Jahr freuen -wir sehen uns 2009!

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lm Herbst 2007 entschloss ichmich, eine Woche während meinerFerien an den Restaurationsarbei-ten auf der NOMADIC mitzuhelfen.Nach meiner Ankunft in Belfastkonnte ich es kaum erwarten, dieLeute der NOMADIC PreservationSociety kennen zu lernen. Am Tagdarauf war es dann soweit: RoySnowden empfing mich aufs herz-lichste am Barnett Dock und führ-te mich zur NOMADIC. Sicher ver-täut unter den wachsamen Augender Belfast Harbour Police lag dasletzte White-Star-Line-Schiff inder Morgensonne vor uns. Schonbald kamen nach und nach weite-re feiwillige Helfer, sogenannte«Volunteers», aus verschiedenenTeilen lrlands, um bei den anfal-lenden Arbeiten zu helfen.

Nach einem ausführlichen Rund-gang auf dem Schiff wurden wir

über die bevorstehenden Arbeiteninformiert und von Mervin Prit-chard verschieden Gruppen zuge-teilt. Da ich durch meine Zeit inder Hauptwerkstätte der Schwei-zerischen Bundesbahn in Zürichvon Arbeiten an historischen Fahr-zeugen einiges wusste, wurde ichmit der Aufarbeitung der Holztä-felung auf dem Deck der ErstenKlasse vertraut gemacht. Dochbevor es damit losging, schloss ichmich dem Abbruchteam an. Diesesbegann tief im Inneren des Schif-fes, von Bug in Richtung Heck dasMobiliar und die Wandverkleidun-gen aus dem Restaurant-Dasein inParis abzubrechen. Das war dieGelegenheit, um überschüssigeEnergie abzubauen und mit Vor-schlaghammer und Brecheisenrichtig loszulegen! Um die Ver-gangenheit freizulegen, musstenzuerst diverse Räumlichkeiten ein-

gerissen werden, bevor es dannmit vereinten Kräften ans Zusam-menschlagen der Bordwandver-schalung ging. Diese bestand ausca. 15 cm dickem Hartgipsmateri-al, das zu lsolierungszwecken auf-getragen wurde. Dieses Materialerwies sich als dauerhafter als an-genommen und konnte nur unterEinsatz von grossen Hämmern ab-gebrochen werden. Zum Glückwurde kein Asbest verwendet, dasEnde wäre sonst vorprogrammiertgewesen. Wenn sich der entstan-dene Staub der laufenden Arbei-ten etwas verzog, kam Erstaunli-ches zum Vorschein. Die alten ver-nieteten Stahlpatten des Schiffs-rumpfes sind praktisch unversehrt.Nur eine leichte Rostschicht über-zog an jenen Stellen das Eisen, wo- bewusst oder unbewusst - keine

NOMADIC, eine unendliche Geschichte?

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von Stefan Muntwyler

Rupert Keyzar beim Entfernen der ver-faulten Deckplanken. (Muntwyler)

Die Gruppe der Volunteers am Bug der NOMADIC. (Sammlung Muntwyler)

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Korrosionsschutzfarbe verwendetwurde. Hie und da kamen Schrift-züge, Notizen der H&W-Werftar-beiter aus der Zeit des Baues derNOMADIC, zum Vorschein. Ein Hö-hepunkt war wohl das Bullaugesamt Deckel mit dem White-Star-Emblem! Ein Tiefpunkt war dasFreilegen des Fäkalientanks, der,noch halbvoll, einen bestialischenGestank verbreitete; merci bienParis! Den wenigen Frauen, diemithalfen, war das dann doch et-was zuviel, und man beschloss,mit den Arbeiten an dieser Stellezu warten, bis der Tank leer ge-pumpt war. Die Arbeiten gestalte-ten sich ohnehin schwierig genug;musste doch alles abgebrocheneMaterial von Hand ein Deck nachoben gebracht werden und dannüber Bord in Mulden geschmissenwerden. Die Mittagspause an Bordhatten sich schliesslich alle mehrals verdient! Am Nachmittag undden folgenden Tagen darauf warich dann mit meiner eigentlich zu-geteilten Arbeit beschäftigt. DasRestaurieren der Holzpanele umdie Fenster in der Ersten Klasseforderte uns einiges ab. Ausspach-

teln, Schleifen, Malen - volles Pro-gramm war angesagt. Gerade umdie Fenster haben die Holzverklei-dungen im Laufe der Jahre arg ge-litten, und entstandene Schädenwaren mit den mir zur Verfügungstehenden Mitteln nicht behebbar.Nach einer kurzen Absprache wur-de entschieden, grössere Mängelauszulassen (!) und die Bruchstel-len bestenfalls zu streichen. Zu ei-nem späteren Zeitpunkt könne

dann gründlich restauriert wer-den. Hier war ich dann zum erstenMal stutzig. Wieso aufschiebenauf später? Schadhaftes oder garabgebrochenes Holz entdeckte ichan immer mehr Stellen, hier muss,ein professioneller Schreiner ran,sonst wird das nichts. Man erklär-te mir, dass aus finanziellen Grün-den der Zuzug von Fachkräftennoch nicht möglich sei. lch fanddas sehr schade. Die Restaurierungder NOMADIC liegt vielen sehr amHerzen, und um für die Nachweltetwas dauerhaftes zu erhalten,müssten solche Probleme andersgelöst werden. Klar, man kannnicht alles, was war, aus der leerenLuft wiederherzaubern. lch meinejedoch, dass man Schäden an derohnehin nur noch wenig erhalte-nen originalen Baustruktur ein-wandfrei beheben sollte, um nichtzuletzt zu verhindern, dass amSchluss ein Flickwerk entsteht.Nun, es wurde entschieden, wiebisher fortzufahren. An dieserStelle möchte ich betonen, dass

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Nach dem Entfernen der in Paris darübergelegten Holzplatten kommt die originaleDeckbeplankung zum Vorschein; leider hoffnungslos verfault. (Muntwyler)

Verdiente Mittagspause unter Deck. (Muntwyler)

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alle Beteiligten ihr Möglichstesgeben. Was sie hier leisten ist be-eindruckend. Vor allem Mervin Prit-chard und Rupert Keyzar verdie-nen Respekt; wären noch 100 Leu-te wie sie beteiligt, würde aus derNOMADIC ein echtes Juwel! Leidersteht es um die Finanzen noch im-mer nicht besser, erhoffte Zu-schüsse in Millionenhöhe bliebenaus, und leider kommen noch per-

sonelle Veränderungen im Vor-stand dazu. Wenn man bedenkt,dass wir nun bereits Jahresmitte2008 haben und das Schiff bis2011, spätestens aber 2012, fertiggestellt sein soll, im Moment abernoch nicht mal 50% der Restaura-tionsarbeiten ausgeführt sind,habe ich so meine Zweifel. Ohnejetzt Schwarzmalerei zu betrei-ben; aber ein so ehrgeiziges Pro-

jekt kann nicht allein mit Gruppenvon Volunteers zu einem gutenEnde gebracht werden. Die Hoff-nung stirbt zuletzt, heisst es ja soschön, ich wünschte mir allerdingsfür dieses Unterfangen eine soli-dere Grundlage. So sollte es dochwirklich möglich sein, einen Zeit-plan vorzulegen, aus dem ersicht-lich wird, in welchen Etappen werwas wann macht. Längst gehörtdie NOMADIC ins Trockendock, da-mit die Aussenarbeiten beginnenkönnen. Stattdessen muss dasSchiff immer wieder für Ausstel-lungen herhalten, die sich zum Teilüber Monate hinziehen. Währenddieser Zeit kann am Schiff garnicht oder nur reduziert gearbeitetwerden, und wieder vergeht wert-volle Zeit. Nun aber wieder zurückzu meiner Arbeit. Auch hier tauch-en langsam Probleme auf. So stell-te sich die Frage, ob ich die ver-zierten Holzpanele von der bis zuvier Schichten dicken alten Farbebefreien soll; es wurde entschie-den, auf das Ablaugen zu verzich-ten und nur anzuschleifen und zuübermalen. Ganz nebenbei be-merkte ich, dass die benötigteneue Farbe an Bord aus zwei ver-schiedenen Kübeln zusammenge-mischt wird. Auf meine Frage, obdies denn dem original Farbtonentspricht und der mit dieser eherundefinierbaren Formel überhauptzu treffen ist, bliebt man mir eineAntwort schuldig. Ebenso könntees möglich sein, dass das Holz erstbei einem späteren Refitting über-strichen wurde, auch hier keineAntwort. lch zog es dann vor, kei-ne weiteren Fragen mehr zu stel-len, um die Anwesenden nicht un-nötig zu demotivieren. Währendfür mich die Farbe gemischt wur-

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Eine unermüdliche Helferin beim Reinigen der Fenster. (Muntwyler)

Mein Arbeitsplatz, die Holztäfelung der Ersten Klasse. (Muntwyler)

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de, ging ich kurz zum Heck, woRupert Keyzar das Holzdeck bear-beitete. In mühseliger Kleinarbeit«schälte» er die Holzplatten ab, dieeinst in Paris über das alte Deck-holz gelegt wurden. Was er frei-legte, war deprimierend; nahezu80% des alten Deckholzes sindverfault. Auch das muss entferntwerden; die zum Vorschein kom-menden Stahlplatten ähneln stel-lenweise einem Schweizer Käse.Teilweise beträgt ihre Dicke kaumnoch 5 Millimeter! Bald bemerk-ten wir, dass wir langsam an derGrenze des Machbaren angelangtwaren. Während ich, wieder zurückan meinem Arbeitsplatz, die Holz-panelen überstrich, beschloss derRest der Gruppe, für eine Teepausevom Schiff zu gehen. lch be-schloss, alleine unter Deck zu blei-ben und in Ruhe mein Käsebrot(ohne Löcher) zu essen. Die Sonneschien tief auf das Wasser desLagan, und die sanften Wellen re-flektierten das Licht auf die Deckeim Schiff. Stille überkam alleDecks, und ein sanftes Wiegen warzu spüren, sobald ein anderes Schiffaus dem Hafen auslaufend vorbei-fuhr. Langsam schlich sich auch

die Kälte an Bord und erinnerte ei-nen an die nahende Nacht. Wegender Brandgefahr gibt es keineHeizkörper unter Deck, und so be-schlossen wir, bald den Heimwegunter die Füsse zu nehmen. Dererste Tag auf der NOMADIC gingdem Ende entgegen. In den nochfolgenden Tagen erlebte ich vieleweitere einzigartige Sachen. Sowar die Freilegung der Dritten Klas-se ein absolutes Highlight, wo aufeinmal die Halterungen der Tischesowie die dunkel verfärbte alteFarbe zu Vorschein kam. Auch derBlick in den Schacht, wo dieSchraubenwelle in zähflüssigem

Rostwasser lag, und die sauberverarbeiteten Nieten an den Stahl-platten prägten sich mir ein. Un-vergesslich auch der Moment, alsdie NOMADIC einen ausgiebigen iri-schen Regenschauer abbekam.Das Wasser lief durch die Rostlö-cher in Strömen in die unterenDecks, und irgendjemand meinte:«Ich glaube, wir sinken!» Am Endemeiner «Ferien auf der NOMADIC»nahm ich nicht nur die Gedankenan einen möglichen «Untergang»mit nach Hause, sondern auch dieHoffnung, dass es eine rechtzeiti-ge Kehrtwendung für dieses im-mer noch wunderschöne Schiffgibt, und dass sich am Schlussnoch viele Generationen in Belfastam letzten noch verbliebenen No-maden der White Star Line erfreu-en können; All das gepaart mit einbisschen Stolz, selbst Hand ange-legt zu haben an einem einmali-gen Zeitzeugen. Der Weg bis dahinwird allerdings noch steinig, undbedenkt man, dass sämtlicheAufbauten wie Kommandobrücke,Schornstein und Maschinenanlageneu aufgebaut werden müssen,wird klar, wie weit wir noch vomZiel entfernt sind.

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In Einzelteile zerlegt wird die Einrichtung aus der Zeit als Restaurantschiff in Parisüber Bord in einen Müllcontainer geworfen. (Muntwyler)

Die NOMADIC vertäut im Barnett Dock. (Muntwyler)

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«Ich muss auf dieses Schiff!»

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Oliver Schwarz & Peter Voß

«TITANIC - Das Musical» von PeterStone & Maury Yeston» - Da fälltjedem die Neue Flora in Hamburgein. Vielleicht noch New York,Amsterdam oder sogar Belfast. Aberder Domplatz in Magdeburg ?

Eher zufällig bekam ich die Gele-genheit, am Freitag, den 27. Juni2008, die Premiere in Magdeburg zubesuchen. Ein guter Freund, PeterVoss, hat die Karten, ohne das ichdavon wusste, Ende 2007 besorgtund mir somit eine grosse Überra-schung bereitet. Voller Erwartungenfieberte ich dem Tag entgegen. Vielspäter hätte er die Karten auchnicht besorgen dürfen, denn inner-halb von nur neun Wochen konntedas Theater Magdeburg bereitsüber 10.000 Karten für das Musi-cal-Event verkaufen. Aufgrund desgrossen Ansturms auf die Ticketsnahm das Theater acht zusätzlicheVorstellungen ins Programm. Dochauch dafür waren die Karten schnellvergriffen und so alle Aufführungenvom 27. Juni bis 20. Juli 2008 rest-los ausverkauft.

Bei der Ankunft in Magdeburg amTag der ersten Aufführung sprach

zu suchen. Überall sahen wir dabeidie Plakate für die Vorstellung. Ichwar gespannt, was wir am Spielortvorfinden würden.

Wie zu erwarten, lag kein grosserDampfer auf dem Domplatz. Auchkein Nachbau diverser Sektionender TITANIC. Trotzdem haben es NicoRabenald (Regie) und Heike Scheele(Bühne) geschafft, einen optischenEindruck von Grösse zu vermitteln.Noch waren wir Zaungäste, aberwas da hinter der Bretterwandstand, war wirklich riesig. Das«Schiff» dahinter 25 Meter lang und14 Meter hoch, das Krähennestnicht mitgerechnet. Dieses befandsich nämlich in 15 Meter Höhe.Jetzt verstanden wir, warum gesagtwurde, dass dies hier das grössteBühnebild ist, das die MagdeburgerTheaterwerkstätten jemals gebauthaben. Wurde ähnliches nicht schonmal 1912 gesagt ? Die Bühne selberist 28 Meter breit und mit den be-gehbaren Räumen des Bühnen-bildes 10,5 Meter tief. Davor befandsich natürlich die Zuschauertribünemit 735 Sitzplätzen. Diese sind soangelegt, das der höchste Platz et-wa in Mitte der Kulisse liegt. Da-durch wird eine Art Froschperspek-tive erzeugt, die den Blick des Pub-likums nach oben auf eine hochaufstrebende Schiffsfront lenkt.Während wir noch um den «Liege-platz» schlichen, hörten Peter undich wie die letzten Proben durchge-führt wurden. Der grosse Abendkonnte kommen.

Kurz vor Beginn der Stücks warenwir endlich innerhalb der Absper-rung. Ich war richtig aufgeregt. Waswürde mich erwarten? Schnellwaren unsere Plätze gefunden, und

alles für gutes Wetter. Das war sehrwichtig, den das Theater Magde-burg hat nicht nur die Auffüh-rungsrechte für die erste Inszenie-rung an einem deutschen Stadtthe-ater bekommen, sondern das Mu-sical wird Open Air aufgeführt. Dasgab es vorher so noch nie.

Bis zur Vorstellung am Abend warnoch viel Zeit und so beschlossenwir, einen Rundgang durch dieStadt zu machen und den Domplatz

Das Magdeburger Werbe-Plakat. (Theater Magdeburg)

Die gigantische Open Air-Bühne ragt in den Himmel. (Hans-Ludwig Böhme)

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der Ton einer Schiffsdampfpfeife in-formierte die Zuschauer mehrmals,dass es nicht mehr lange dauernsollte und die Plätze einzunehmenwaren. Gegen 21 Uhr kam dann dasletzte Signal. Die «TITANIC» war be-reit zur Jungfernfahrt.

Doch was war das? Was sollte dieBesuchergruppe auf der Bühne?Wurden da etwa noch Gäste derPremiere über die Bühne informiert?Nein, es sah eher nach einer Muse-umsführung aus! In der Mitte aufder Bühne stand ein grosses «TITA-NIC» Modell in einer Vitrine, jeweilslinks und rechts daneben zwei Arte-fakte in Schaukästen. Schnell wur-de klar, dass diese Besucher zumStück gehörten, und ehe sie sichversahen, waren sie in einer ArtZeitreise zurück im Jahre 1912. Dasgrosse, klassische Sinfonieorchester(verstärkt durch zwei Synthesizer)mit seinen 49 Personen legte los.Auch hier kam die Genauigkeit derPlanung zum Ausdruck. Die Tonlagewurde speziell auf das Open-Air-Er-eignis ausgerichtet. Die Besonder-heit ist dabei der seitliche Natur-schall vom Orchester, der zeitgleichund ohne Verzögerung auf denhintersten Zuschauerplätzen an-kommt. Das gilt natürlich auch fürdie Darsteller auf und hinter derBühne. Eine weitere Schwierigkeitist der seitlich sitzende Dirigent, dermittels Fernsehmonitore auf dergesamten Bühne sichtbar ist. AberVolker M. Plangg (MusikalischeLeitung) verstand sein Werk.

Nico Rabenald und Arthur Büscher(Choreografie) haben all das be-rücksichtigt, und während sich dieBühne vor der mit schwarzem Stoffbezogene und dem Seitenriss der

TITANIC bedruckten Schiffswandfüllte, die Gangway erobert, demSchiff also Leben verliehen wurde,sah man schon hier einen Teil derArbeit, die Karin Alberti (Kostüme)in die ca. 280 Bekleidungen derdamaligen Zeit gesteckt hat, diejeden Abend zum Einsatz kommen.Überhaupt war es ein ziemliches

Treiben. So stehen mehr als 130Mitwirkende bei jeder Vorstellungauf der Bühne. Eingeschlossen derHauschor, die Singakademie, dasBallett, die Statisten sowie ein Ex-traballett. Schon jetzt wurde eslangsam voll auf der Bühne. Dabeiwaren es «nur» etwa 60 Darsteller,die am Pier von Southampton lang-

Die TITANIC legt «in Magdeburg ab» - die Passagiere Winken zum Abschied.(Hans-Ludwig Böhme)

Eine Szene aus dem Funkraum. (Hans-Ludwig Böhme)

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sam aber sicher ihre Quartiere anBord einnahmen. Erst stellten sichdie Mannschaften mit den Offizie-ren vor, dann die Passagiere derDritten und Zweiten Klasse, sowiedie der Ersten Klasse. Damit wurdeder Zuschauer an die Geschichtender Hauptdarsteller heran geführt.Beladen mit den Träumen undHoffnungen ihrer Passagiere legtedie «TITANIC» schliesslich zu ihrer ers-ten Überfahrt ab. Überall standenwinkende Menschen an Bord. EinZuschauer neben mir sagte «Damöchte man am liebsten zurückwinken!». Es war ein unglaublicherAnblick. Dann wurden alle Türender Bühne geschlossen, eine grosseSchiffswand blieb zurück. Ebensoein Passagier, der nicht pünktlichzur Stelle war und mit den Worten«Ihr stürzt mich ins Unglück» zurückblieb. Geknickt zieht er ab. Viele imPublikum hatten Mitleid...

Das Stück war jetzt im vollen Gan-ge. In grossen Melodien erzählt es

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von Kapitän Smith (Roland Fenes),dem seine Routine zum Verhängniswird, und vom Konstrukteur An-drews (Kevin Tarte), der später denUntergang seiner Träume miterle-ben muss. Es wird aber auch dieGeschichte des ehrgeizigen Reeders(Manfred Wulfert) erzählt sowie diedes jungen Heizers Frederick Bar-rett (Tomas Tomke), der seiner Ver-lobten versprochen hat, in zweiWochen wieder bei ihr zu sein, undder ahnt, dass das Schiff wohl zuschnell unterwegs ist. Dann wäreda noch der Funker Harold Bride(Michael Ernst), bei dem sich dieEiswarnungen stapeln, ohne dassjemand ihnen Beachtung schenktund der später verzweifelt versucht,ein anderes Schiff zur Rettung zurufen. Und nicht zuletzt der Mannim Krähennest, Frederick Fleet(Yong Hoon Cho), der den verhäng-nisvollen Eisberg zu spät entdeckt.Ebenso erzählt wird die Geschichtevon drei jungen Irinnen (ArianeErnesti, Ulrike Mayer, EvmorfiaMetaxaki), die auf ein besseres Le-ben in Amerika hoffen, und die vonAlice Beane (Bettina Meske), Passa-gierin der Zweiten Klasse, die hinund weg ist von all den Prominen-ten an Bord und am liebsten in derErsten Klassen tanzen würde. Aberauch einige der reichsten Men-schen von 1912 sind dabei, wie zumBeispiel Ida (Undine Dreissig) undIsidor Straus (Wolfgang Klose), Ma-deleine (Meike Funken) und JohnJacob Astor (Frank Heinrich), Benja-min Guggenheim (Lothar Heise),sowie George Widener (JürgenJakobs), um nur einige zu nennen,die die Fahrt der «TITANIC» in derLuxusklasse erleben wollen. Wäh-renddessen bemühen sich die Ste-wards wie etwa Andrew Latimer

(Michael Mohr) oder BandleaderWallace Hartley (Iago Ramos) umdas Wohl aller.

Kurz vor der Pause bemerkte derAusguck im Krähennest den Eis-berg. Für alle in der hereinbrechen-den Dunkelheit unsichtbar. Dannwurde er aber schlagartig fühlbar.Ein gewaltiges Donnern direkt un-ter der Zuschauertribüne machtejedem bewusst, was damals in die-ser Aprilnacht geschah. Ganz Mag-deburg war jetzt wohl wiederwach...

Schnell leerten sich in der kurzenUnterbrechung die Sitzreihen. Peterund ich aber blieben. Der Zufallwollte es, dass wir von einem der«Museumsführer» angesprochenwurden und so die Gelegenheit be-kamen, auf die Schiffsplanken der«TITANIC» zu gelangen. Hier konnte

Künstlerische Freiheit: Die Brücke be-findet sich nicht auf dem höchstenDeck... (Hans-Ludwig Böhme)

In der Dritten Klasse wird getanzt undgefeiert. (Hans-Ludwig Böhme)

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Jetzt wurde es an Bord sehr drama-tisch. Schnell war die rauschendeParty in der Dritten Klasse verges-sen, bei der das Publikum fast vonden Stühlen gerissen wurde, ummitzutanzen. Der Ragtime an Deckwar ebenso verklungen. Niemandenwar mehr zum Tanzen zu bewegen.Stattdessen rissen echte Raketendie Betrachter dieses Schauspielsaus ihren Träumen und liessen sieerschrocken zusammen zucken. DiePassagiere auf dem Schiff wurdenunsanft aus dem Schlaf gerissen.Nun standen sie verärgert im gros-sen Saal herum, bis der Teewagenlangsam mit klirrendem Geschirrdurch den Raum rollte und Klarheitüber das Schicksal des Schiffes ver-schaffte. Währenddessen suchtendie Passagiere der Dritte Klasse ei-nen Weg nach oben. Der Ansturmauf die Boote begann, Familien undLiebespaare wurden auseinandergerissen, der Funker versuchteverzweifelt, Hilfe zu holen. Dannwaren alle Rettungsboote von Bord,

man nun ein paar Details genauersehen, die dem Zuschauer sonstverborgen bleiben. So zum Beispieldie Vorrichtung für den Teewagen,der später den Passagieren im Spei-sesaal der Ersten Klasse eindeutiganzeigt, dass irgendetwas nicht inOrdnung ist. «All das ist schon sehrGeheimnisvoll!» Ebenso wurde unsdie als «Chinesische Präzisionsuhr»vorgestellte Wanduhr erklärt, diejeder von uns aus dem grossenTreppenhaus kennt. Hier hatte dieUhr nicht nur die Aufgabe, die ge-naue Bordzeit anzuzeigen, sondernauch durch künstlerische Freiheitals Kalender zu dienen So wusstedas Publikum immer, welcher Taggerade an Bord war. Ob der Mann,der sie die ganze Zeit von Handbediente und sogar in der Pausehinter der Uhr stand, wirklich ausdem asiatischen Raum kam, konnteich leider nicht sehen.

Die schon bekannte Dampfpfeifegab wieder mehrmals das Signal,und das Drama ging weiter. Jetzt,wo der Ozeanriese an mehrerenStellen unter der Wasseroberflächeaufgerissen war und zu sinkendrohte, kam wieder die Technik insSpiel. Wie in Hamburg war einebewegliche Reling eingebaut wor-den, die sich aus ihrer vertikalenAchsel mit Hilfe von Motoren kip-pen lässt. Dadurch wurde der Ein-druck erweckt, dass das Schiff mitzunehmender Schlagseite nun lang-sam seinem Ende entgegen ging.Und noch was ist mit aufgefallen.Das Rauschen des Flusses Elbe, derunweit vom Schauplatz vorbeiführt, liess nun wirklich den Ein-druck von hereinbrechendem Was-ser erahnen. Aber ob das so geplantwar?

aber mehr als zwei Drittel derPassagiere konnten nicht mit ihnenvom sinkendem Schiff. Jetzt wurdeAllen klar: Der Untergang der TITANIC

setzte nicht nur einem technischenTraum, sondern auch dem Leben,der Liebe, und den Hoffnungenvieler Menschen an Bord ein tragi-sches Ende. Und so sehen sich dieGeretteten in Gedanken mit denToten vereint am Pier von South-ampton wieder und denken betrof-fen an ihre grossen Träume zurück,die so katastrophal gescheitert sind.Manchem Schauspieler stehen da-bei Tränen in den Augen.

Mit donnerndem Applaus wurdediese Premiere bedacht. Ebenso mitStanding Ovations. Und das zuRecht! Am Ende standen ALLE Mit-wirkenden auf der Bühne undkonnten Stolz auf ihr Werk sein.Alles hat perfekt geklappt. Trotz derschnellen Szenenwechsel im Stückhat jeder sein Handwerk verstan-den. Es gab teilweise bis zu sechs

Noch hat die TITANIC kaum Schlagseite - doch die Rettungsweste kündigt dieKatastrophe schon an. (Hans-Ludwig Böhme)

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Schauplätze gleichzeitig. Bühnen-bildnerin Heike Scheele hat sich da-her richtig für einen Schiebetür-Mechanismus entschieden, um dieunterschiedlichen Spielebenen zuöffnen oder zu schliessen. Diese Lö-sung hat sich bewährt. Man kannsich das wie einen Adventskalendervorstellen, wo auch einzelne Türengeöffnet werden können. So kannder Zuschauer die TITANIC im Seiten-riss vom Kesselraum, über die Pro-menade Erster und Zweiter Klasse,die Promenade Dritter Klasse, denFunkraum und die Brücke bis hochhinauf ins Krähennest erleben.Manche Räume gleichzeitig. Über-haupt wurde mit viel Liebe zumDetail gearbeitet. Manches Bühnen-bild hat sehr viel Ähnlichkeit mitseinem Vorbild. Ebenso wurden dieLieder an die neuesten Erkenntnisseangepasst. Selbst an einem Ver-kaufswagen, der vor, in der Pauseoder nach der Vorstellung Eis anbot,war vorhanden. Also bekam dasPremierenpublikum am Ende dochnoch echtes Eis zu sehen...

Am nächsten Tag waren wir wiederin der Stadt. Sightseeing stand an.Auf dem Weg zur Elbe ging es er-neut über den Domplatz. Dabei tra-fen wir Michael Ernst alias FunkerHarold Bride, der nun offenbarLandgang hatte. Der gebürtige Bre-mer liess sich bis 2007 an der «Joopvan der Ende Academy» zum Musi-caldarsteller ausbilden. Währendseiner Ausbildung wurde er für dieProduktion «Don Quixote» aufKampnagel Hamburg und für dieVorabentwicklung des Udo-Jür-gens-Musicals von Stage Entertain-ment engagiert. Zur Zeit ist er bei«Dirty Dancing» im Theater NeueFlora als Gesangssolist unter Ver-

so auch noch einen Einblick «hinterdie Kulissen».

Leider erscheint vom Theater Mag-deburg keine CD zum Musical, undso bleibt zu hoffen, das es irgend-wann wieder eine Spielzeit gibt, wodas Stück erneut aufgeführt wird.Bis dahin: Gute Fahrt, bis zur Wie-derkehr!

P.S.: Noch etwas zum TheaterMagdeburg. Weitere Premieren sindim Vorbereitung. Etwa «My FairLady» am 24. Januar 2009, sowie«Jekyll & Hyde» am 18. April 2009.Ein Wiedersehen mit den Stars aus«TITANIC - Das Musical» gibt es am20. September 2008 im Opernhausin der Musicalgala «This Is TheMoment - Musical in Concert». AlleAufführungen sicher eine Reisewert.

P.P.S.: Am Ende möchte ich nochKathrin Singer für Ihre Unterstüt-ung danken und Hans-Ludwig Böh-me für die Fotos!

trag. Wer weiss, vielleicht ist die«TITANIC» für ihn, wie für andereauch, ein Sprungbrett.

Am Samstagabend waren wir er-neut auf dem Domplatz. Peter woll-te sich die Overtüre des Stückesnoch einmal auf der Zunge zerge-hen lassen. Mein Versuch, noch anKarten zu kommen scheiterte. «Rest-los ausverkauft. Bleiben sie hart-näckig» bekam ich auf meine An-frage an der Abendkasse zu hören.Zu Recht waren alle 19 Vorstellun-gen für die 2 Stunden 40 Minutendauernden Aufführungen ausver-kauft und mit einem Preis zwischen18,- und 29,- € auf keinem Fall zuteuer! Im Gegenteil: Selbst bei Ebaywurde es schwierig, Karten zu be-kommen, und wenn doch ein paarwenige auftauchten, wechseltendiese für gut 100 € je Ticket denBesitzer. Aber selbst als Zaungastwar das Stück noch imposant. Die-ser Meinung waren auch die an-deren Gruppen von Zuhören, die beiuns standen. Nebenbei bekam man

Tomas Tomke als der Heizer Frederick Barrett. (Hans-Ludwig Böhme)

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Das Drama spielte sich - da sind sichdie meisten Zeugen einig - zwi-schen 23.40h und 2.20h ab. DerVorsitzende der US-Untersuchung,Senator Smith, sagte, die Kollisionereignete sich «um 23.40h und essieht aus, als ob sich da alle einigsind.» (US, Seite 905)

Nach dem Zusammenstoss brauch-te es etwas Zeit, um die Situationzu analysieren, und um zu erken-nen, wie es um das Schiff stand.Um Mitternacht, zwanzig Minutennach der Kollision, wusste KapitänSmith (durch eigene Inspektion,Rapporte und Empfehlungen),dass sein Schiff sinken würde. DerBarbier Gus Weikman trug eineArmbanduhr. «Ich sass in meinemBarbiershop [...] als sich um 23.40hdie Kollision ereignete. Ich gingnach vorne [...] auf dem G-Deck[...]. Wasser strömte in den Ge-päckraum, ein Deck tiefer. [...] Ichging nach oben und traf Mr. An-drews, den Erbauer.» Ebenfalls trafer: «Kapitän Smith, der mit Mr.Andrews vom G-Deck zurückkehr-te.»

Auch die Stewardess Annie Robin-son sah den Kapitän: «Mr. McElroyund der Kapitän gingen in Rich-tung Postraum.» (GB 13282)Bootsmann Albert Haines war beider Kollision bereits angezogen. Erhörte das Pfeifen der verdrängtenLuft, rannte zum Vorpiek und trafMatrose Samuel Hemming undChefoffizier Wilde.

Haines: «Der Chefoffizier ging zumRapportieren auf die Brücke.»Senator Smith: «Wann war das?»Haines: «Die richtige Zeit. Ohne dieUhr zurückzustellen war es zwan-zig vor zwölf.»Senator Smith: «Was geschahdann?»Haines: «Ich ging in den Laderaum1 [...], dann ging ich auf die Brücke,um dem Chefoffizier Bericht zu er-statten... Er gab mir dann den Be-fehl, die Männer zu wecken unddie Boote bereitzumachen.» (USS.656/7)

Samuel Hemming sagte sowohl inAmerika wie in England aus, dasser innerhalb von 10 bis 15 Minu-ten nach der Kollision alarmiertwurde:17739. «(Der Bootsmann) sagteuns, wir sollen aufstehen, dasSchiff habe laut Mr. Andrews noch30 bis 60 Minuten.»17741. «Wann war das? Wie vielnach der Erschütterung?» - «Etwazehn Minuten, würde ich sagen.»In Amerika sagte Hemming: «DerBootsmann kam und sagte, ‹Auf-stehen Jungs, Ihr habt keine halbeStunde mehr zu Leben. Das kommtvon Mr. Andrews, behaltet es fürEuch und erzählt es keinem.›» (USS.664)

John Hardy, Steward der ZweitenKlasse, sagte aus, dass er sich un-ter die Leute mischte und schrie«Alle sofort an Deck mit angeleg-ten Rettungswesten. Aber das warfrüh, es war viertel vor zwölf, wür-

TITANIC - Frühe Boote, frühe Raketen! (Teil 1)

de ich sagen.» (US S.593)Senator Fletcher: «Sie haben inErinnerung, dass Sie die Order hat-ten, Alarm zu schlagen, […] unmit-telbar nach dem Zusammenstoss?»Hardy: «Ja, Sir, innerhalb von fünfMinuten nach der Kollision.»Smith: «Wie kam die Order?»Hardy: «Von Zahlmeister Barker…»Smith: «Wie wurde sie übermit-telt? Kam sie vom Kapitän?»Hardy: «Ja, Sir, an die beiden Zahl-meister. Ich denke, sie haben siedirekt von der Brücke erhalten.»(US S.594)

Der Matrose George Moore unter-mauert die Aussage seines Kolle-gen Hemming, dass die Matrosenzuerst an Deck beordert wurden,und zwar extrem früh:«Um etwa zehn vor zwölf kam derBootsmann und pfiff uns alle aufdas Bootsdeck. Wir machten dieBoote bereit… Soweit ich weiss,wurden alle Matrosen vom Vor-schiff hinauf geordert um die Boo-te bereitzumachen und die Persen-ning zu entfernen.» (US S.559)

Ausguck George Symons sagte:11356. «Wann war das?» - «Esmuss bei einem Glasenschlag ge-wesen sein, viertel vor zwölf.»11359. «Ich kam auf (C-)Deck. Vondort konnte ich hören, wie Wasserin Laderaum 1 drang. Kaum hatteich hinunter geguckt, kam schonder Befehl ‹Alle Mann aufs Boots-deck.›»11418. «Wann haben Sie diesesWasser bemerkt?» - «Ich denke, das

von Senan MolonyÜbersetzung: Günter Bäbler

Um welche Uhrzeit legte das erste Rettungsboot von der TITANIC ab? Die Bücher sagen: «0.45h». Das hörtsich verdammt spät an. In diesem Artikel wird die Abfierzeit des ersten Bootes (im Allgemeinen wird vonBoot 1 ausgegangen) diskutiert. Die geläufige Zeit steht auf wackligen Beinen. Das erste Boot legte ver-mutlich viel früher ab, und daraus ergeben sich zwingend weitere Korrekturen.

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war, grob geschätzt, etwa fünf vorzwölf…»

Diese Aussagen sowie weitere hiernicht wiedergegebene belegen,dass eindeutig vor Mitternachternsthafte Schritte unternommenwurden, um die Boote bereit zumachen. Die Befehle um die totaleEvakuation vorzubereiten warengegeben.

Bruce Ismay sagte, er ging auf dieBrücke, innerhalb von zehn Minu-ten nach der Kollision, und trafdort auf Kapitän Smith. Der Kapi-tän war besorgt, dass der Zwi-schenfall ernst war. Das bedeute-te, alle notwendigen Vorbereitun-gen zu treffen.

Offizier Joseph Boxhall wurdegefragt:

15610. «Haben Sie gehört, dass derKapitän zu jemandem sagte, dassdas Schiff verloren sei?» - «Der Ka-pitän äusserte sich mir gegenüberin die Richtung am frühen Abend,nachdem der Befehl erteilt wurde,die Boote bereit zu machen. Ichstiess auf ihn, als ich ihm etwasrapportierte. Ich sagte: ‹Ist es wirk-lich ernst?› Er sagte: ‹Mr. Andrewsgibt ihr noch 60 bis 90 Minuten.›Offensichtlich war Mr. Andrewsauch unten gewesen.»15611. «Können Sie uns sagen, wielange nach der Kollision der Kapi-tän Ihnen das gesagt hat?» - «Nein,ich habe nicht die geringste Vor-stellung.»15612. «Haben sie nicht tatsäch-lich in Amerika ausgesagt, dass esetwa zwanzig Minuten nach derKollision war?» - «Nein, ich glaubenicht.»

15613. «Sie können sich nicht aufeine Zeit festlegen?» - «Leider nein,ich habe es versucht, aber ich kannes nicht.»

Gehen wir davon aus, dass dieseUnterhaltung um Mitternacht statt-gefunden hat; das erscheint rea-listisch im Licht von HemmingsAussage der frühen Warnung vonAndrews sowie den Begegnungenvon Weikman und Robinson mitdem Kapitän. Um Mitternacht er-fährt Smith also, dass ihm noch60-90 Minuten verbleiben. Somitweiss Smith, dass ihm noch etwaeine Stunde bleibt, um die Booteins Wasser zu bringen. Er kannnicht wissen, dass seine TITANIC

beim Untergang noch «herumtrö-deln» wird. Smith konnte auchnicht wissen, ob vielleicht dieSchätzung von Andrews gar zuoptimistisch war, und in Wahrheitweniger als eine Stunde bleibt.

Gehen wir davon aus, dass mander TITANIC noch eine Stunde gab,dann muss Kapitän Smiths höch-ste Priorität gewesen sein, in derZeit möglichst rasch möglichstviele Boote zu Wasser zu lassen,egal wie gut oder schlecht gefüllt.

Es handelt sich um eine Notsitu-ation; das erste Boot erst um0.45h im Wasser, scheint viel zuspät, nämlich 65 Minuten nachder Kollision. Smith konnte nichtwissen, dass sich sein Schiff län-ger halten würde. Warum aberakzeptieren wir dann 0.45h alsUhrzeit für das erste Boot?

Wir dürfen nicht vergessen, dassin keinem Zeitungsbericht und beikeiner Untersuchung sich je je-

Stewardess Annie Robinson spricht bei der Rückkehr in Portsmouth mit StewardJames Witter. (Sammlung bä C904aa)

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mand beschwert hat, dass daserste Boot so spät gefiert wurde.Zum Beispiel im Stile dieser fik-tiven Aussage:

«Das Ganze war eine Blamage. DasSchiff kollidierte um zwanzig vorzwölf. Es dauerte über eine Stundebis das erste Boot gefiert wurde.Unglaublich! Nennt man dasprompte Evakuation? Die solltensich alle schämen.»

Kein Mensch sagte so etwas.Stattdessen zitierte die Times inLondon am 20. April 1912 JohnKuhl, einen Passagier der CARPA-THIA, der sagte, die Passagiere hät-ten ihm berichtet, dass das ersteBoot nach einer halben Stunde zuWasser gelassen wurde. Einer vonihnen könnte C.E.H. Stengel gewe-sen sein, der gegenüber den Ne-wark Evening News (19. April1912) aussagte: «Eine halbe Stun-de nach der Stoss wurden die Boo-te gefiert.» Was also sagt uns dasAusbleiben jeglicher Kritik, überdie rein rechnerisch viel zu langeReaktionszeit?

Offizier Pitman, den Boxhall (um0h-0.10h) holte, wurde gefragt:14949. «Wie viel Zeit, glauben Sie,verstrich zwischen der Kollisionund dem Wecken durch Mr. Box-hall…?» - «Ich denke das müssenetwa zwanzig Minuten gewesensein.»14992. «Wie viel Zeit verging vonder Kollision mit dem Eisberg bisSie zum Boot 5 gelangten? Glau-ben Sie, es verging eine Stunde?» -«Nein, ich denke das war um0.20h.»14993. «Sie sagen die Persenningwar noch darüber. Wurde sie abge-

deckt, als Sie ankamen?» - «Siewurde dann abgedeckt, ja.»14994. «Sahen Sie Mr. Ismay in derNähe des Bootes?» - «Habe ich, ja.»14995. «Hat er … etwas gemacht?»- «Er sagte zu mir, als wir das Bootabdeckten: «Wir dürfen keine Zeitverlieren.»

Keine Zeit verlieren, lange Zeitwurde spekuliert, ob Ismay diePrognose von Andrews kannte.Wir können mutmassen, dass nachdem Bekanntwerden der Krise eineKonferenz auf der Brücke statt-fand. Sicherlich wurden Notbe-fehle gegeben, aber bei den Brie-fings waren weder Lightoller nochPitman dabei, die erst später vonBoxhall herbefohlen wurden. Diebeiden waren sich der Prognose

Andrews nicht bewusst. Sie wuss-ten zwar um die Löcher im Rumpf,aber auf sie machte das Schiffeinen stabilen Eindruck. Sie konn-ten also davon ausgehen, dass einlokales Problem durch die Quer-schotten im Griff gehalten werdenkonnte. Andere wussten mehr.

Pitman sagte in Amerika, dass «eskurz vor meiner Wache (Mitter-nacht - die Uhr sollte noch um 23Minuten zurückgestellt werden)war, also habe ich mich angezo-gen. Mr. Boxhall kam herein undsagte… ‹Wir haben einen Eisberggestreift.› Also zog ich einen Man-tel an und ging an Deck. Dort sahich, wie Männer die Boote abdeck-ten und ausschwangen.»

Die zeitliche Lücke zwischen Box-halls Weckruf und dem Eintreffenbei Boot 5 (um 0.20h) verbrachtePitman wie folgt: Er ging auf demBootsdeck nach hinten und trafOffizier Moody. Er hörte vom Eisauf dem vorderen Welldeck: «Ummeine Neugier zu stillen ging ichdorthin.» Dann ging er weiter zumEnde des Vorschiffs um zu sehenob er eine Beschädigung sehenkönne. Er sah, wie die Heizer nachoben strömten, da Wasser in ihreKojen drang. «Ich sagte: ‹das istlustig.› Ich schaute durch die Lade-luke 1 und sah das Wasser.»

Dann ging Pitman sofort auf dasBootsdeck, um bei den Booten zuhelfen. Er stand bei Boot 5. «Alswir das Boot ausschwangen, sagteein Mann sehr leise zu mir: ‹Wirdürfen keine Zeit verlieren.› Ichdachte, der weiss überhaupt nichts.Wir machten einfach mit unsererArbeit weiter.» (US S.276/7)

Ausguck George Symons: «Um fünfvor zwölf mussten alle Mann aufsBootsdeck.» (Sammlung bä C904af)

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verlassen, weil ich dachte, dass ichan Bord eher gebraucht werdenkönnte.» Offensichtlich kanntePitman im Gegensatz zu Murdochnicht alle Fakten: «Ich dachte, dasswir zum Schiff zurückkehren wür-den, vielleicht bei Tageslicht», sag-te Pitman, aber Murdoch schüttel-te ihm seltsamerweise die Handund sagte: «Leben Sie wohl undviel Glück.»

terstrichen von weiteren Berich-ten über Menschen, die vom Deckin Pitmans Boot sprangen.

Kurz vor dem Abfieren klettertePitman wieder aus dem Boot anDeck, doch Murdoch sagte zu ihm:«Sie übernehmen das Kommandoin diesem Boot.» Pitman: «Ichkonnte mich nicht mit der Ideeanfreunden, das Schiff schon zu

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Wie voll war das Bootsdeck beim Beladen der ersten Boote? (Sammlung bä D323a)

Auch wenn Pitmans 0.20h etwasspät anmutet in Anbetracht seinerAktivitäten, so müssen wir die Zeitakzeptieren. Doch dann ging allesrasch: «Ich hatte etwa fünf odersechs Männer, und das Boot war inetwa zwei Minuten ausgeschwun-gen.» (US S.277) und: «Das Bootwar nach zwei bis drei Minutendraussen...»

Das bringt uns auf 0.23h. «Ichkonnte das Boot problemlos aus-schwingen und es bis zum Deckherablassen... Dann sagte dieserMann im Morgenmantel, wir sol-len das Boot besser mit Frauen undKinder beladen. [...] Langsam däm-merte es mir, dass es Mr. Ismay seinkönnte... also ging ich auf dieBrücke und sah dort KapitänSmith, dem ich es erzählte... Da-rauf sagte er: ‹Machen Sie weiter.›»

Pitmans Ruhe steht im Kontrastzur Eile von Ismay, doch der Kapi-tän ist mit Ismay einig. Möglicher-weise vergingen nochmals zweiMinuten, bis Pitman zurück ist,sich ins Boot 5 stellt und sagt:«Meine Damen, darf ich Sie bit-ten.» Pitman betont, dass es keineVerzögerungen gab beim Beladendes Bootes. «Ich konnte mein Bootproblemlos beladen» (US S.277).Dieser wichtige Punkt wird vonanderen Aussagen untermauert.Mrs. F. M. Warren wurde im Boot5 gerettet und wird von ArchibaldGracie (S.246, Originalausgabe)zitiert: «Die Menschen strömten sorasch aus der Dunkelheit, dass esunmöglich war, sie zu erkennen.»Beim Boot 5 gab es laut Aussagenviele, die bereit waren einzustei-gen. Dass die Bereitschaft da war,das Schiff zu verlassen, wird un-

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Senator Smith: «Haben Sie erwar-tet, ihn wieder zu sehen?»Pitman: «Selbstverständlich»Smith: «Denken Sie, aufgrund sei-nes Verhaltens, dass er glaubte, Siewieder zu sehen?»Pitman: «Offensichtlich nicht. Icherwartete, wieder auf das Schiffzurückzukehren, nach zwei oderdrei Stunden.» (US S.282)

Murdoch, der die ganze Nacht fre-netisch arbeitete, muss von An-drews Einschätzung Kenntnis ge-habt haben. Er hatte zu diesemZeitpunkt sogar schon ein Bootabgefiert, das erste überhaupt, dieNummer 7.Senator Smith: «Wurde diesesgleichzeitig mit Ihrem gefiert?»Pitman: «Etwa zwei bis drei Minu-ten früher.» (US S.289)

Wir haben gesehen, dass es etwa0.25h war, als Pitman zurück beiBoot 5 war. Da es offensichtlichnicht an Menschen fehlte, die be-reit waren, das Boot zu besteigen,nahm das Beladen des Bootes -wie er schätzt - lediglich zwei Mi-nuten in Anspruch. Die Uhr stehtnun also etwa bei 0.27h.Senator Fletcher: «Wie lange dau-erte es, das Boot zu fieren, als esbeladen war?»Pitman: «Es kann eine Minute ge-wesen sein, oder vielleicht zweiMinuten.» (US S.304/5)

Demnach ist jetzt ca. 0.29h

Laut Pitman war das Boot 7 «zweioder drei Minuten zuvor» gefiertworden. Somit kann das Boot 7schon um 0.26h auf dem Wasseraufgesetzt haben - also zwanzigMinuten vor der Zeit, die im Eng-

lischen Untersuchungsbericht an-gegeben wird. Dabei war Pitmanin England noch deutlicher als inAmerika:15036. «Wieviel Zeit verstrich IhrerAnsicht nach zwischen dem Zu-sammenstoss mit dem Eisberg, bisIhr Boot das Wasser erreichte?»Pitman: «Nun, ich denke, es waretwa 0.30h, als Boot 5 das Wassererreichte.»

Ausserdem:15041/2. «Haben Sie ein anderesBoot in Ihrer Nähe im Wassergesehen, als Ihr Boot das Wassererreicht hat?» - «Ja, Nummer 7 warrecht nahe bei mir.»15043. «War Boot 7 [...] vor odernach Ihrem im Wasser?» - «Num-mer 7 war vorher. Es war das erstegefierte Boot auf der Steuerbord-seite.»

Wenn Boot 7 «zwei oder drei Mi-nuten zuvor» gefiert wurde undBoot 5 um 0.30 im Wasser war,

dann legte Boot 7 um 0.27h oderspätestens 0.28h ab. Pitman trug -wir erinnern uns - eine Armban-duhr:15096. «In Amerika sagten Siefolgendes aus, und ich möchtewissen, ob das stimmt. Sie wurdengefragt: ‹Können Sie den genauenZeitpunkt nennen, zu dem die TI-TANIC verschwand?› - ‹Genau umZwei Uhr Zwanzig, Schiffszeit. Ichnahm meine Uhr hervor als siesank und sagte: Es ist 2.20h, unddie Passagiere in meiner Nähehörten dies.›»

Zahlreiche moderne TITANIC-For-scher haben so etwas wie einenUhren-Fetisch. Sie stellen sich vor,dass die Offiziere die Uhren umMitternacht zurückstellten, umdie geplante Zeitanpassung vomfolgenden Tag vorwegzunehmen.

Senator Smith: «Ich habe es ver-säumt Sie zu fragen, ob es sich beider Zeit, die Sie mir als Zeitpunktdes Verschwindens der TITANIC

nannten, um die Schiffszeit han-delte?» - «Ja, in Schiffszeit»Smith: «Sie hatten die genaueSchiffszeit?» - «Ja.»Smith: «Wann wurden die Uhrendes Schiffes umgestellt?» - «Siewurden immer um Mitternachtverstellt.»Smith: «Und wurden Sie auch amSonntag um Mitternacht ver-stellt?» - «Nein, wir mussten anandere Dinge denken.»Smith: «Richtig. Also hatten Sie dieSchiffszeit vom Samstag, um Mit-ternacht?» - «Ja.»Smith: «Und Ihre Uhr...?» - «...warkorrekt.»Smith: «Sie war korrekt?» - «Ja.»(US S.294)

Bruce Ismay: «Wir dürfen keine Zeitverlieren.» (Sammlung bä)

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Pitman bestätigte, dass seine Uhrdie Zeit von Mitternacht am Sams-tag zeigte. Er sagte, dass seine Uhr«korrekt» war, und nicht «korri-giert» auf Sonntag.

Erinnern wir uns an Ismays Aufre-gung an Boot 5 und die Verzweif-lung in Murdochs Worten «LebenSie wohl und viel Glück». Und dannwar da die Berechnung von An-drews, die der Kapitän an Boxhallweitergab, von der aber Pitmannichts wusste. Wir sehen in Pit-mans Aussagen sorgfältige Schät-zungen und präzise Angaben überdie Wasserung von Boot 5. Pitmansagt, sein Boot war um 0.30h imWasser und das erste Boot (Nr. 7)war zwei oder drei Minuten frü-her.

Was aber ist eigentlich die Basisfür das angebliche Fieren von Boot7 um 0.45h? Nur ein einziger Pas-sagier der TITANIC, der AmerikanerDickinson H. Bishop sagte vor demamerikanischen Ausschuss: «Ichkann es nicht genau sagen. Ichdenke, das Boot 7 könnte um Vier-tel vor Eins hinabgelassen wordensein.» (US S.1003) Unmittelbar da-nach:Senator Smith: «... Rettungsboot 7,in welchem Sie und Ihre Frau dieTITANIC verliessen, war das ersteBoot, das auf Steuerbord zu Was-ser gelassen wurde?» - «Ja. Wirstanden auf dem Bootsdeck, so umdie zehn Minuten herum undschauten zu, wie sie die Boote be-reit machten. Zu dem Zeitpunktgab es sehr wenige Menschen anDeck...» Zehn Minuten! Fast keineMenschen an Deck!

Die Aussagen von seiner Frau He-

len W. Bishop ergeben ein anderesBild. Sie machte in ihrem erstenBericht präzise Abgaben über dieZeitabläufe, darüber wie sie umMitternacht geweckt wurden, undüber das frühe Erscheinen anDeck: «Wir gingen hinauf auf dieSteuerbordseite des Bootsdecks.Wir haben uns umgeschaut, wirwaren fast alleine an Deck ... meinGatte und ich gingen nach Back-bord um zu sehen, ob dort jemandist. Es gab nur zwei Menschen dort[...] und sie folgten uns nach Steu-erbord. Inzwischen kam ein alterMann nach oben und traf auf Mr.und Mrs. Harder, [...] er sagte uns,[...] er würde sofort zurückkom-men. Wir haben ihn nicht mehrwiedergesehen. Rund fünf Minu-ten später wurden die Boote ge-fiert und wir wurden in eines ge-

schoben. Als unser Boot zu Wassergelassen wurde hatte ich keineAhnung, dass es Zeit war zu ge-hen.»

Wie lässt sich diese Aussage mitder ihres Mannes vereinbaren?Beide wurden im gleichen Bootgerettet. Einer der Beiden musssich täuschen. Mrs. Bishop berich-tete in der Lokalzeitung ihrer Hei-matstadt, der Dowagiac DailyNews vom 20. April 1912: «Wirtrieben im Rettungsboot etwa ab0.30h in der Nacht auf Montag...»Ihr Mann hingegen räumte ein,dass er zum Zeitpunkt «nichts ge-nau sagen könne» und dass er«denkt», das Boot könnte um0.45h gefiert worden sein.

Mrs. Thomas Potter schrieb in ei-

Laut Archibald Gracie wurde das erste Boot um 0.25h gefiert. Dieses Foto ent-stand kurz vor seinem Tod im Dezember 1912. (Sammlung bä SR01c)

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nem Brief an Archibald Gracie,dass auch sie im Boot 7 gerettetwurde, und vom Rettungsboot auswährend zwei Stunden das lang-same Sinken des Schiffes beob-achtete (Gracie, S.233). ZweiStunden lang. Die TITANIC sank um2.20 Uhr. Gracie selbst schrieb(Gracie, S.25): «Ich komme, wieandere auch, zum Schluss, dasszwischen der Kollision und demBefehl von Kapitän Smith die Boo-te zu Wasser zu lassen rund 45 Mi-nuten verstrichen...» (23.40h +45min = 0.25h)

Der Ausguck Archie Jewell sprachvon der Eile, um Boot 7 zu Wasserzu lassen:323. «Können Sie sagen, wie vielZeit die Vorbereitung und das Hin-ablassen des Bootes beanspruch-te?» - «Höchstens eine halbe Stun-de, würde ich sagen.»324. «Höchstens eine halbe Stun-de?» - «Ja, wir haben uns sehrbeeilt, ich kann die Zeit nur schwerabschätzen.»Jewell wusste, dass die Nummer 7sein Boot war. Er wurde wie an-dere vom Bootsmann herzitiert.«Ich half beim Ausschwingen vonBoot 7. Wir bereiteten die Fla-schenzüge vor und der erste Offi-zier Murdoch sagte uns, wir sollendie Boote bis auf Decklevel hinab-lassen.» (Br.89)93. «Wie lauteten dann die Befeh-le?» - «Frauen und Kinder in dieBoote.»

Jewell blieb an Boot 7 und halfnicht mit bei den anderen Booten.Seine halbe Stunde, wenn auchnur grob geschätzt, lässt sichnicht mit 0.45h in Einklang brin-gen. Der Steward Henry Etches

sagte, dass er Thomas Andrewszum letzten Mal auf dem Boots-deck gesehen hat, «um etwa0.20h, als sie gerade dabei waren,das Boot 7 zu beladen.» (US S.812)

Der Steward Andrew Cunninghamging um 0.30h auf das C-Deck, umfünf Kabinen zu schliessen. Als erwieder an Deck kam, war das ihmzugeteilte Boot schon weg.Senator Smith: «Nummer 7 warweg?» - «Nummer 7 war weg.» (USS.797; 792/3)

Alle diese Aussagen decken sichmit derjenigen von Pitman, abernicht mit der von Dickinson Bi-shop.

Ein Intermezzo mit LawrenceBeesley

Lawrence Beesleys Aktionsradiuswar auf das Bootsdeck der Zwei-ten Klasse begrenzt. Er hatte kei-nen Zugang zu jenem Viertel desDecks, von dem Boot 7 gefiertwurde. Aber er hatte ein Auge fürDetails und seine Beobachtungs-gabe wird immer wieder geprie-sen. Er schreibt im Kapitel 3 seinesBuches:

«Ich war nun auf dem Bootsdeckauf der Steuerbordseite, die Zeitetwa 0.20 Uhr. Wir schauten derBesatzung zu, wie sie an den Ret-tungsbooten der Nummern 9, 11,13 und 15 arbeiteten. ... Währendwir so zusahen, wurden die Ausle-ger gedreht und die Davits ausge-schwungen, so dass die Boote ein-wandfrei auf der Höhe des Deckshingen. [...] Wenn es noch welchegab, die nicht bemerkt hatten, dassdas Schiff sich in Gefahr befand, sowurde jeder Zweifel in diesemPunkt in einer dramatischen Artund Weise ausgeräumt. Plötzlicherschien ein Licht vom vorderenDeck, ein ansteigendes Gebrüll, dasuns alle vom Anblick der Booteherumfahren liess, und eine Raketestieg aufwärts, dort wo die Sternezu uns herabblinkten. [...] Unddann eine zweite und eine dritte.[...] Die Besatzungen befanden sichnun in den Booten, die Seeleutestanden an den Falltauen, um siedurch die Blöcke ruckweise zu lö-sen, die Boote folgten hinab bis

Lawrence Beesley: «Gegen 0.40hsahen wir viele Boote im Wasser.»

(Sammlung bä)

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aufs B-Deck (sic); Frauen und Kin-der stiegen über die Reling in dieBoote und füllten den Raum. Wennsie voll besetzt waren, wurden sieganz herabgelassen, beginnendmit Nummer 9, das erste auf demDeck der Zweiten Klasse, und fort-fahrend bis Nummer 15. Alles daskonnten wir sehen, wenn wir überdie Kante des Bootsdecks sahen,welches nun offen vor uns lag; dievier Boote, die eine natürliche Ab-grenzung gebildet hatten, warenvom Deck herabgelassen wordenund liessen es leer zurück. ... Dannmachte eine Meldung unter denMännern, die auf dem Bootsdeckan Steuerbord standen, die Runde:Männer auf der Backbordseitewürden in die Boote gelassen. [...]Egal wie das Gerücht entstand, dieMänner der Steuerbordseite rea-gierten darauf und drängten sofortnach Backbord, um die Vorberei-tungen des Herablassens zu beob-achten, und entvölkerten damit dieSteuerbordseite. [...] Bald nachdemdie Männer die Steuerbordseiteverlassen hatten, sah ich ein Mit-glied der Musikkapelle, den Cellis-ten, um die Ecke der Veranda ausdem Treppenhaus kommen undüber das nun leere Steuerbord-Deck laufen, sein Cello hinter sichherziehend, der Sporn kratzte überden Boden. Das muss so gegen0.40h gewesen sein. [...] Nach vornund unten sehend, konnten wirnun viele Boote auf dem Wassererkennen, die sich langsam Stückfür Stück entlang der Bordwandbewegten, ohne Hektik oder Lärmund die sich fortstahlen in die sieverschlingende Dunkelheit...» (Bees-ley/Baak, Tragödie der TITANIC, Koeh-lers 1995, S.44-47)

Soweit die Chronologie von Bees-ley. Die Aussage ist klar. Bereitsum 0.40h waren einige Boote imWasser und auch Raketen wurdenzu dem Zeitpunkt schon abgefeu-ert. Schauen wir, was Beesley zuBeginn des Kapitel 4 schreibt, woer die Zeit 0.45h nennt, jedochnicht wie Dickinson Bishop im Zu-sammenhang mit Boot 7, sondernmit seinem eigenen Boot 13:

[...] «Vergleiche diese Bedingungenmit denen am Montagmorgen um0.45h, und es ist nicht möglich,nicht zu betonen, dass sie ihrePflicht in einer Art getan haben,die die grösste Effizienz zeigte;egal ob die Mannschaft nun geübtwar oder nicht, egal ob sie seit derEinschiffung eingewiesen warenoder nicht. Ich kann mich des Ge-fühls der tiefsten Dankbarkeit fürdie beiden Seeleute nicht erweh-ren, die an den Seilen über unsstanden und uns hinabliessen zumMeer; ich glaube nicht, dass sie ge-rettet wurden.» (Beesley/Baak,Tragödie der TITANIC, Koehlers1995, S.51-52)

Beesley wiederholt noch einmaldie Uhrzeit 0.45h als die, zu dersein Boot zu Wasser gelassen wur-de, als er im Kapitel 4 schreibt:«Um etwa 2.15h waren wir zwi-schen einer und zwei Meilen ent-fernt. Für eine Landratte ist esschwer, Distanzen auf See zuschätzen, wir trieben schon 90 Mi-nuten...» (2.15h minus 90 Minu-ten ergibt wiederum 0.45h). Bees-ley nannte schon fünf Tage nachdem Untergang die frühe Abfier-zeit. Die London Times druckteseinen berühmten Brief ab. Erschrieb, dass das Boot um 1 Uhr

Nach dem Untergang wird zu Test-zwecken das Boot 9 von der OLYMPIC

gefiert. (Sammlung bä C207b)

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bereits auf dem Wasser war, under zurück zur enormen TITANIC

blickte. Der Britische Untersu-chungsbericht legte später dieZeit für Boot 13 auf 1.35h fest.

Beesley wird allgemein als gewis-senhafter Beobachter und Chro-nist der Ereignisse geschätzt. EinNaturwissenschaftslehrer, der sel-ber jene Disziplin hatte, die er vonseinen Schülern erwartete. SeinBuch ist übersät mit Belegen vonbedachten und akribischen Beob-achtungen. In seinem Boot gab eseine Armbanduhr. Im Kapitel 5schreibt er: «Alle Berichte stimmenüberein, dass die TITANIC um etwa2.20h sank, eine Uhr in unseremBoot zeigte mit 2.30h eine leichtspätere Uhrzeit.»

Warum bloss ignorieren wir Bees-leys und Pitmans exakte Zeitanga-ben und ziehen Dickinson Bishopsschwammiges «Ich denke...» heran,um den Zeitpunkt des ersten Ret-tungsbootes zeitlich festzulegen?

Wenn wir von der sehr fragwürdi-gen Schätzung der Abfierzeit vonDickinson Bishop absehen, dannhaben wir niemanden im Boot 7,der eine Aussage zum Zeitpunktmachte. Also müssen wir uns überdas nächste Boot, über Boot 5 andie Zeit herantasten. Wir habengesehen, dass Pitman sagte, dassBoot 5 um 0.30 Uhr gefiert wurde.Sehen wir also nach, wer PitmansAussagen stützrn könnte.

Heizer Alfred Shiers sah, wie Boot7 gefiert wurde. Er war bei seinemBoot 3, als ihn ein Offizier (nichtPitman) ins Boot 5 beorderte.Shiers wurde gefragt:

4709. «Können Sie mir sagen, wieviel Zeit verstrich von der Kollisionbis Sie beim Boot 5 waren?» -«Mehr als eine halbe Stunde.»(23.40h plus 30min ergibt 0.10h.)4710. «Sie gingen eine halbeStunde nach der Kollision in IhrRettungsboot?» - «Ich denke eswar eine dreiviertel Stunde.» (Also0.25h ins Boot 5.)4711. «Sie sagen also, dass Sie einedreiviertel Stunde nach der Kolli-sion ins Boot stiegen?» - «Ja.»

Gemeint ist hier also Boot 5.Shiers weiter Aussage:4613. «Halfen Sie auch bei Boot 7?»- «Ich half, die Taue vorzubereiten.»4616. «Haben sie gesehen, wie dasBoot gefiert wurde?» - «Ja.»4617. «Wohin sind Sie dann ge-gangen?» - «Ich ging an Deck zumeinem Boot.»

Shiers wurde dann ins Boot 5 be-ordert, vermutlich von OffizierMurdoch. Damit stützt er völligunabhängig die Aussage von Offi-zier Pitman, dass Boot 7 vor Boot5 gefiert wurde. Noch wichtigeraber ist, dass sie in der Zeit über-einstimmen. Shiers Boot, daszweite, das gefiert wurde, beludman um etwa 0.25h. Wenig spätersetzte es auf dem Wasser auf, lan-ge vor 0.45h.

Wir dürfen bezüglich Boot 5 aberauch eine widersprechende Aus-sage nicht unerwähnt lassen, undzwar die von Alfred Olliver:Senator Burton: «Wann erreichteIhr Boot das Wasser?» - «Ich kennedie genaue Zeit nicht. Ich kann diegenaue Zeit nicht nennen.»Burton: «Wann ungefähr war es,was denken Sie?» - «Ich würde sa-

gen, dass es gegen ein Uhr war.»(US S.536)

Wir dürfen allerdings nicht ver-gessen, dass Olliver nach derKollision vier dringende Aufträgezu erfüllen hatte. Olliver mussteim Auftrag des Kapitäns den Zim-merer beauftragen, den Tiefgangzu bestimmen, doch der war be-reits im Begriff, das zu erledigen.Zurück auf der Brücke erhielt erdie Order, dem Chefingenieur eineNachricht überbringen und dannmit der Antwort zurück zu kom-men. Dann sollte er dem Boots-mann (noch vor Mitternacht) mit-teilen, er solle die Boote abdeckenund bereitmachen. Als nächstesmusste er im Auftrag der 6.Offiziers die Bootsliste herbei-schaffen. Er brachte sie, und erst«dann ging ich zu meinem Boot(Nr. 5) um die Leute zu versam-meln.»

Im Licht der Aussage des zuvorzitierten Bootsmanns scheint dieSchätzung der Uhrzeit von Olliverwenig realistisch. Sein Boot sollerst eine Stunde und zwanzig Mi-nuten nach der Kollision gefiertworden sein. Das steht im Wider-spruch zu seinen eigenen Aussa-gen über die rasche Folge von Bo-tengängen.

Auch der Steward F. Dent Ray er-schüttert mit seinen Aussagen dieMöglichkeit, dass Boot 7 erst um0.45h ablegte. Ray erhielt «etwaum Mitternacht» die Order, zu denBooten zu gehen. Er zog sich an,schnürte sich die Rettungswesteauf den Leib und ging mit etwazwanzig Männern über eine Crew-treppe auf das C-Deck. «Ich sah

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Mr. Dodd, der mich nach einerSchwimmweste fragte. Ich gingdurch fünf Kabinen, in der fünftenfand ich eine und brachte sie zuihm, dann ging ich weiter nachoben zum Bootsdeck, zum Boot 9,dem ich zugeteilt war.» Das Bootwar zu diesem Zeitpunkt bereitsabgedeckt und wurde «geradeausgeschwenkt». Ein Offizier undacht bis zehn Männer standen da,sowie ein oder zwei Passagiere.«Dann ging ich zur Reling, blicktenach unten und sah, dass das ersteBoot auf der Steuerbordseite ab-legte.» (US. S.802/803)

Doch wann war das? Konnte dasTreppensteigen und die Suchenach einer Rettungsweste in fünfKabinen wirklich 45 Minuten ge-dauert haben?

Von ähnlich raschen Abläufen anBord sprechen auch Paul Maugé

vom A-la-carte-Restaurant undEdward Brown. Immer wieder dieAussage, dass das erste Boot sehrviel schneller im Wasser war. Beieiner Kollision um 23.40h ist daserste Boot nach über einer Stundeschlicht zu spät.

Auch der viel geschmähte Sir CosmoDuff Gordon sagte in England aus:12450/1. «Meine Frau wecktemich (‹etwa um viertel vor zwölf?›- ‹Ich denke ja›).12453. «Sind Sie aufgestanden?» -«Nicht sofort.»12454-74. «Sobald ich aufgestan-den war, ging ich an Deck. [...] Ichsah, wie einige Männer die Ret-tungsboote abdeckten. […] Dannging ich wieder nach unten […]und begann mich anzuziehen. MissFrancatelli kam zu diesem Zeit-punkt in unsere Kabine. Wir gingengemeinsam nach oben. NachSteuerbord.»

12475. «Haben Sie gesehen, wieBoote hinabgelassen wurden?» -«Ja, als wir nach oben kamen wur-de eines beladen oder gefiert - dashinterste von den dreien.» (zeigtaufs Modell).12476. «Das ist Boot Nummer 7?» -«Ja, ich glaube schon.»12479. «Sie sahen, wie es hinabge-lassen wurde?» - «Ich denke, es warzuvor beladen worden und wurdeumgehend gefiert.»

Es fällt auf, dass die Zeugen aufder Steuerbordseite von praktischnichts anderem reden als von denvorderen Booten, an denen emsiggearbeitet wurde. Ihre Aufmerk-samkeit lag bei den Booten. Esscheint, als ob es fast niemand aufdas Bootsdeck schaffte, bevor anden Booten gearbeitet wurde.

Fortsetzung folgt.

52 TITANIC-Post Nr. 65, September 2008

Sir Cosmo Duff Gordon sagt vor dem britischen Untersuchungsauschuss aus. (Sammlung bä C904ae)

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TITANIC-Post Nr. 65, September 2008 53

Hands across the seaOur «Hands across the sea» feature is designed to assist our non-German speaking TVS members. It is made up of condensed Englishversions of some of our major articles. Those articles originallywritten in English, and translated for TiPo, can be obtained in fullby contacting us at the usual address. (by Mandy Le Boutillier)

THE CALIFORNIAN and other ghostships (page 5)In German language literature, thehistory of the CALIFORNIAN and thepart it played in the TITANIC story isnot well known. So far, only onebook on this specific subject hasbeen translated. This article is thefirst of a series about the ghostship and focuses on some of thedifficulties in discovering wherethe CALIFORNIAN was in relation tothe TITANIC on the night of the sin-king. Which of the witnesses canbe considered reliable and if not,why not? Why is there so muchevidence that points to CALIFORNIAN

being close by, but an equalamount that suggests she couldnot have been? This articleprovides a rare insight for Germanreaders into a subject that has longfascinated people in Great Britain.

The Old Reliable (part 3, page 18)When the OLYMPIC collided with theHawke it was the beginning of along legal battle between theWhite Star Line and the British Na-vy, as no one would accept re-sponsibility for the accident. Thisthird installment of Armin Zeyher'shistory of the OLYMPIC focuses onthe details of the collision and theinvestigation from the perspectiveof both parties. It also explainshow the incident led to changes inlegislation for pilot boats.

The never-ending NOMADIC story(page 34)Stefan Muntwyler spent a weekworking as a volunteer on the res-toration of the NOMADIC in Belfastand provides an insight on how thework is progressing and the poorcondition that the ship is really in.

He also explains the difficultiesfacing the NOMADIC PreservationSociety with differing opinions andinterests in play, causing problemswith the level of accuracy beingachieved in the restoration. WhileStefan has not yet given up on thelittle ship, he feels we need to berealistic about her future.

«I must board that ship!» (page 38)The TITANIC musical reached itslargest stage so far recently and itsfirst open air performance the cityof Magdeburg, Germany. OliverSchwarz attended the premiere andwas deeply impressed by this hugeevent on the Domplatz. He descri-bes the clever stage design andhighlights the advantages of anopen air show for this particularpiece, with the sounds of the riverElbe as well as the use of realrockets making it feel very authen-tic. During the interval, Oli took theopportunity to «go aboard» whengiven the chance to tour the stageset. He was clearly not alone in hisimpression of the show, as the re-mainder of its run was completelysold out.

Generalversammlung - Basel 4 -6 July 2008 (page 28)In early July, TVS members gathe-red for the Society's annual generalmeeting at the Hotel Schweizerhofin Basel. Mandy Le Boutillier des-cribes the very successful weekend,which was attended by over 40friends, both old and new. This yearthe group visited the Museum fürMusikautomaten in Seewen whichis home to the recently restoredpipe organ which was built for, butnever installed on, TITANIC's sistership BRITANNIC. Members were trea-

ted to a talk by David Rumsey, anAustralian who acts as consultantfor the Museum and oversaw therestoration of the organ, and thenhis recital on the magnificent in-strument itself. There was also atour around the rest of the muse-um which houses musical boxes andautomatons that represent a lifeti-me of collecting by Heinrich Weiss.The General meeting itself took pla-ce in the open air, under a shady treeon the hillside above the Museum.

Saturday's gala dinner again raised aconsiderable sum for the Society'sfunds as a result of the traditionalauction, which saw our Presidentrunning the length of the room col-lecting bids from eager gamblers.

Although Sunday has no formalprogramme, a group of membersbraved the heavy rain to travelacross the city and visit the graveof TITANIC survivor Max Staehelin-Maeglin before it was time to saygood bye for another year. A greatweekend of TITANIC fun and fel-lowship was had by all and we arealready looking forward to 2009.

Early Boats, Early Rockets! - Part1 (page 43)At the British TITANIC Society Con-vention in Liverpool in April, SenanMolony delivered a fascinating lec-ture exploding the commonly ac-cepted wisdom about the departuretimes of the lifeboats from TITANIC. Inthis two part article, Senan ex-plains his case. He has reviewedand collated all the relevant wit-ness statements and sets them outhere to back his theories. Senan'sarticle is available in English bycontacting us at the usual address.

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Auf dem Schreibtisch des Präsidenten: Was sonst noch untergegangen wäre…

sie sich etwas erholt und kannauch wieder vereinzelt Besucheempfangen. An dieser Stellemöchte ich Millvina im Namendes Vereins von Herzen gute Bes-serung wünschen.

Die Firma Premier Exhibitions,die weltweit Ausstellungen mit denvom Wrack geborgenen TITANIC-Artefakten organisiert, hat einenneuen Werbepartner und ein da-zugehörendes Ausstellungskon-zept entwickelt. Unter der Über-schrift «TITANIC - Treasures fromthe Deep» wird es eine neue, et-was kleinere Wanderausstellunggeben, die kostenlos jeweils fürnur eine Woche oder kürzer in«gut frequentierten Örtlichkeiten»(sprich: Shopping Malls u.ä.) inStadtrandlage der Metropolen undin kleineren Gemeinden zu sehensein soll (im Gespräch sind derzeitChicago, Denver und Portland, an-dere Orte sollen folgen) und diezudem gratis ist. Der «Sponsor»der Ausstellung ist der amerikani-sche Finanzdienstleister «CountryFinancial». Oder um es kritischerzu formulieren: Die Firma «Country»mietet sich quasi eine als kosten-lose Ausstellung getarnte Werbe-kulisse, um Versicherungspolicenan den Mann zu bringen. In einerPressemittelung von Premier Exhi-bitions sagt der «Country»-Marke-tingchef Doyle Williams: «Die Ge-schichte der TITANIC steht für eineKernaussage, die ‹Country› und sei-ne Agenten vertreten: Die Wichtig-keit, das Unerwartete bei seinenZukunftsplänen zu berücksichti-gen. [...] Die neue Ausstellung hilftuns, in Dialog zu treten mit neuenund bereits existierenden Kundenbezüglich der Wichtigkeit finanzi-eller Voraussicht und Planung.»

Die Generalversammlung 2008in Basel ist Geschichte. Sie wirdmir in schöner Erinnerung bleiben.Ich möchte allen die dabei warenfür diese tollen Tage herzlichdanken, all diese titanischen undprivaten Gespräche geben unse-rem Verein eine Seele und vor al-lem seine Daseinsberechtigung.Vielen Dank! Damit reiht sich Ba-sel ein in der Liste mit Orten wieFrankfurt, Brissago, Montreux,Schaffhausen, Bremerhaven u.v.m.Und wenn wir schon bei der Gene-ralversammlung sind - die nächstefindet vom 26. - 28. Juni 2009 imRaum Bodensee statt, vermutlichin Konstanz. Nähere Infos folgenin der nächsten TiPo sowie aufunserer Webseite www.TITANIC

verein.ch

Ein weiteres TVS-Treffen stehtam 1. November 2008 auf demProgramm. Die TITANIC-Ausstel-lung, die durch Spanien tourt,gastiert ab 3. Oktober 2008 für einhalbes Jahr in Berlin der Kinder-city im Alexa Einkaufszentrum amAlexanderplatz (Grunerstrasse 20).Es handelt sich um die bedeu-tendste Sammlung von TITANIC-Ar-tefakten (aus dem Privatbesitz vonSammlern und Familien), die je inEuropa gezeigt wurde. Unter denHunderten Ausstellungsstückenbefinden sich Dokumente, Briefe,Einrichtungsgegenstände derOLYMPIC sowie viele weitere Erin-nerungsstücke. Wir werden zu-sammen diese einmalige Samm-lung ansehen und uns anschlies-send Zeit nehmen, ein paar schöneStunden in Berlin zu verbringen.Auch der TIC lädt zu diesem Tref-fen ein und wir können hoffen, ei-ne grosse Zahl TITANICer an diesemTag zu vereinen. Anreise und

Übernachtung muss von jedemselber organisiert werden. WeitereInfos (wie Uhrzeit, Eintrittspreiseetc.) standen beim Redaktions-schluss noch nicht fest, werdenaber bald auf www.TITANICverein.ch unter «Andere Anlässe» publi-ziert.

Und gleich noch ein Termin:Mitte Oktober 2009 führt der TVSeine Reise nach Kroatien durch.Wir begeben und mit den Kollegenvom kroatischen TITANIC-Verein aufdie Suche nach den Spuren derCARPATHIA und TITANIC, weitere Infosfolgen.

Eine kleine Korrektur zum obe-ren Bild auf Seite 6 der letzten Ti-Po (Die für 17 Passagiere auf derTITANIC zuständige Agentur ImObersteg am Aeschengraben inBasel), das Bild ist spätestens1924 entstanden und nicht erst1930.

Nach dem Grosserfolg desTITANIC-Musicals in Magdeburg indiesem Sommer (vgl. Seite 38)wird das Spektakel im Sommer2009 wiederholt. Möglicherweiseversucht der TVS einen gemeinsa-men Musicalbesuch zu organisie-ren.

Der Gesundheitszustand vonMillvina Dean war im Sommer Be-sorgnis erregend. Der Arzt diag-nostizierte beim 96-jährigen TVS-Ehrenmitglied eine Pleuritis (Brust-fellentzündung), die vermutlichchronisch ist, da sie schon seitlangen Schmerzen auf der Lungehat. Neben Atembeschwerdenkonnte Millvina zeitweise kaumsprechen wegen der massivenSchmerzen. Bis Anfang August hat

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TITANIC-Post Nr. 65, September 2008 55

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Experience - Our Dive tothe TITANIC»

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Zu «Generalversammlung in Basel» (Seite 28): Gruppenbild mit BRITANNIC-Orgel bei einer exklusiven Vorführung des kostbarenInstruments für die Mitglieder des TVS anlässlich der GV 2008, in der Mitte der Organist David Rumsey. (Sammlung bs)

Zu «Generalversammlung in Basel» (Seite 28): Gruppenbild - Teil 2, diesmal unter freiem Himmel. Das Museum für Musik-automaten in Seewen beherbergt die BRITANNIC-Orgel, sie ist dort eins der zentralen Ausstellungsstücke. (bs)