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Kapitel 11 Strömung von Flüssigkeitsfilmen Eine große Zahl technischer Problemstellungen beinhaltet den Wärme- und Stoffaus- tausch in Gas/Flüssigkeits-Systemen. In der Mehrzahl der technischen Anwendungen durchdringen sich Gas und Flüssigkeit, sodass eine zweiphasige Strömung entsteht. Die gegenseitige Beeinflussung beider Phasen ist in den sogenannten Rieselfilmen dagegen derart gering, dass die Strömung jeder Phase als weitgehend unabhängig von der jeweils anderen betrachtet werden kann. Rieselfilme sind Flüssigkeitsströmungen an ebenen oder gekrümmten Flächen, deren Bewegung durch die Schwerkraft ausgelöst wird. Flüssigkeitsfilme, deren Erzeugung und Stabilisierung durch mechanische Einrichtungen (z. B. Wischer) erfolgt, werden als Dünnschicht bezeichnet. In technischen Apparaten wird das Gas sowohl im Gleich- als auch im Gegen- strom zur Flüssigkeit geführt (s. Abb. 11.1). Hierbei können allerdings nennenswerte Auswirkungen der Gasströmung auf den Flüssigkeitsfilm auftreten, wenn die Schub- spannung an der Phasengrenzfläche infolge der Gasgeschwindigkeit ausreichend hoch ist. Flüssigkeitsfilme werden beispielsweise dann technisch eingesetzt, wenn stark endotherme oder exotherme chemische Reaktionen hohe Wärmestromdich- ten erforderlich machen. Eine weitere typische Anwendung findet sich bei der Verdampfung von temperaturempfindlichen Stoffen, da geringe treibende Tempe- raturdifferenzen benötigt werden und sehr kurze Verweilzeiten realisiert werden können. Das generelle technische Problem beim Einsatz von Rieselfilmapparaten besteht in der Erzeugung eines gleichmäßigen und über der Lauflänge stabilen Films. Ziel des Kapitels ist die quantitative Darstellung der oftmals verknüpften Energie-, Impuls- und Stofftransportvorgänge, die bei Anwendungen von Flüssigkeitsfilmen auftreten. Hierbei werden auch die in Rieselfilmreaktoren vorliegenden chemischen Reaktionen einbezogen. Zu Beginn wird die Fluiddynamik von Flüssigkeitsfilmen erläutert. Diese ist nicht allein für die im Folgenden erläuterten Energie- und Stoff- transportprozesse bedeutsam, sondern wird auch im Kap. 13 zur Charakterisierung der Fluiddynamik von Packungskolonnen weiter verwendet. Bei der Darstellung des Einflusses homogener chemischer Reaktionen werden neben der ansonsten ausschließlich betrachteten Reaktion 1. Ordnung auch Reaktionen 2. Ordnung be- rücksichtigt, um die veränderten Zusammenhänge exemplarisch auch für andere Anwendungen zu erklären. M. Kraume, Transportvorgänge in der Verfahrenstechnik, 357 DOI 10.1007/978-3-642-25149-8_11, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012

Transportvorgänge in der Verfahrenstechnik || Strömung von Flüssigkeitsfilmen

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Page 1: Transportvorgänge in der Verfahrenstechnik || Strömung von Flüssigkeitsfilmen

Kapitel 11Strömung von Flüssigkeitsfilmen

Eine große Zahl technischer Problemstellungen beinhaltet den Wärme- und Stoffaus-tausch in Gas/Flüssigkeits-Systemen. In der Mehrzahl der technischenAnwendungendurchdringen sich Gas und Flüssigkeit, sodass eine zweiphasige Strömung entsteht.Die gegenseitige Beeinflussung beider Phasen ist in den sogenannten Rieselfilmendagegen derart gering, dass die Strömung jeder Phase als weitgehend unabhängigvon der jeweils anderen betrachtet werden kann.

Rieselfilme sind Flüssigkeitsströmungen an ebenen oder gekrümmten Flächen,deren Bewegung durch die Schwerkraft ausgelöst wird. Flüssigkeitsfilme, derenErzeugung und Stabilisierung durch mechanische Einrichtungen (z. B. Wischer)erfolgt, werden als Dünnschicht bezeichnet.

In technischen Apparaten wird das Gas sowohl im Gleich- als auch im Gegen-strom zur Flüssigkeit geführt (s. Abb. 11.1). Hierbei können allerdings nennenswerteAuswirkungen der Gasströmung auf den Flüssigkeitsfilm auftreten, wenn die Schub-spannung an der Phasengrenzfläche infolge der Gasgeschwindigkeit ausreichendhoch ist. Flüssigkeitsfilme werden beispielsweise dann technisch eingesetzt, wennstark endotherme oder exotherme chemische Reaktionen hohe Wärmestromdich-ten erforderlich machen. Eine weitere typische Anwendung findet sich bei derVerdampfung von temperaturempfindlichen Stoffen, da geringe treibende Tempe-raturdifferenzen benötigt werden und sehr kurze Verweilzeiten realisiert werdenkönnen. Das generelle technische Problem beim Einsatz von Rieselfilmapparatenbesteht in der Erzeugung eines gleichmäßigen und über der Lauflänge stabilen Films.

Ziel des Kapitels ist die quantitative Darstellung der oftmals verknüpften Energie-,Impuls- und Stofftransportvorgänge, die bei Anwendungen von Flüssigkeitsfilmenauftreten. Hierbei werden auch die in Rieselfilmreaktoren vorliegenden chemischenReaktionen einbezogen. Zu Beginn wird die Fluiddynamik von Flüssigkeitsfilmenerläutert. Diese ist nicht allein für die im Folgenden erläuterten Energie- und Stoff-transportprozesse bedeutsam, sondern wird auch im Kap. 13 zur Charakterisierungder Fluiddynamik von Packungskolonnen weiter verwendet. Bei der Darstellungdes Einflusses homogener chemischer Reaktionen werden neben der ansonstenausschließlich betrachteten Reaktion 1. Ordnung auch Reaktionen 2. Ordnung be-rücksichtigt, um die veränderten Zusammenhänge exemplarisch auch für andereAnwendungen zu erklären.

M. Kraume, Transportvorgänge in der Verfahrenstechnik, 357DOI 10.1007/978-3-642-25149-8_11, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012

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358 11 Strömung von Flüssigkeitsfilmen

Abb. 11.1 SchematischeDarstellung einesFlüssigkeitsfilmapparats

11.1 Fluiddynamik von Rieselfilmen

Besonders einfache Strömungsverhältnisse liegen beim glatten laminaren Rieselfilmvor (Nußelt 1916). An ein Flüssigkeitselement gemäß Abb. 11.2 greifen allein dieSchwerkraft Fg und die Zähigkeitskraft Fη an. (Tatsächlich wirkt die Schubspannungnicht in Pfeilrichtung, sondern entgegengesetzt. Aus formal mathematischen Grün-den ist in der Abb. 11.2 zunächst ein positiver Wert von τ unterstellt worden, da dieVorzeichenumkehr dann aus dem Geschwindigkeitsgradienten resultiert.)

Abb. 11.2 Spannungen aneinem Flüssigkeitselement ineinem Rieselfilm beilaminarer Strömung

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11.1 Fluiddynamik von Rieselfilmen 359

Aus dem Kräftegleichgewicht folgt:

τdA =(

τ + dτ

dydy

)

dA + ρf gdA dy. (11.1)

Für Newtonsche Flüssigkeiten resultiert folgende Differenzialgleichung bei ortsun-abhängiger Viskosität:

ηfd2w(y)

dy2+ ρf g = 0. (11.2)

Die Lösung dieser DGL erfolgt unter Anwendung der nachstehenden Randbedin-gungen:

1. RB y = δ : w = 0 Haftbedingung an der Wand

2. RB y = 0 : τ(y = 0) = ηf

(

dw(y)

dy

)

y=0

= 0

Es wird vereinfachend angenommen, dass kein Impulsaustausch zwischen der Gas-und der Flüssigphase stattfindet. Über die Phasengrenzfläche werden demzufolgekeine Kräfte übertragen und die Schubspannung ist dort gleich null.

Die Integration von Gl. (11.2) führt unter Berücksichtigung der Randbedingungenzu dem Geschwindigkeitsprofil eines laminaren Rieselfilms:

w(y) = gδ2

2νf

(

1 −(y

δ

)2)

. (11.3)

Ein für technische Rieselfilmapparate wichtiger Wert ist die sogenannte Umfangs-belastung Vf/B, also der auf die berieselte Breite B bezogene Flüssigkeitsvolu-menstrom. In technischen Apparaten muss ein Minimalwert der Umfangbelastungeingehalten werden, um eine vollständige Benetzung der gesamten Oberfläche zuerreichen. Je nach Apparat und Stoffsystem bewegt sich Vf/B in der Größenord-nung 0,5–1,5 m3/(m × h). Die Umfangsbelastung ergibt sich aus der Integration derGeschwindigkeit w(y) über die Rieselfilmdicke δ:

Vf

B=

δ∫

0

w(y)dy = gδ2

2 νf

δ∫

0

(

1 −(y

δ

)2)

dy

= gδ2

2νf

(

y − δ

3

(y

δ

)3)y=δ

y=0

= gδ3

3νf. (11.4)

Die Reynoldszahl der Filmströmung wird mit der mittleren Filmgeschwindigkeit wdefiniert:

Re ≡ wδ

νf=Vf

Bδδ

νf= Vf /B

νf= Mf /B

ηf. (11.5)

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360 11 Strömung von Flüssigkeitsfilmen

Abb. 11.3 Vertikale Flüssigkeitsfilme an der Außenseite eines 28 mm Rohrs (links) (nach Millerund Keyhani 2001); zeitlicher Filmdickenverlauf eines Rieselfilms bei Re = 61 (rechts) (Maun undAuracher 2002)

Die Filmdicke δ des glatten laminaren Films lässt sich nach Gl. (11.4) durch folgendeBeziehung beschreiben:

(11.6)

Falls die Wand nicht senkrecht, sondern um den Winkel α gegen dieVertikale geneigtist, wirkt in Richtung der Senkrechten nur die Komponente der Schwerkraft Fg ·cos α,sodass in den Gln. (11.1) bis (11.6) anstelle g das Produkt g·cos α tritt. Die abgeleiteteBeziehung (11.6) gilt streng nur für den glatten, laminaren Film. Ab Reynoldszahlenin der Größenordnung von 3 bis 6 treten Wellen auf. Experimentelle Untersuchungenzeigen, dass bei Wasser bis Re = 400 die mittlere Filmdicke trotz der auftreten-den Wellen noch recht genau durch Gl. (11.6) dargestellt wird (Brauer 1956). Manspricht daher bis Re = 400 von einem pseudolaminaren Film. Bei Reynoldszahlengrößer 400 zeigt der Film zunehmend fluiddynamische Instabilitäten, die sich u. a.in einem sprunghaften Anstieg der Schwankungen der Wandschubspannungen wi-derspiegeln (Alekseenko et al. 1994) Dieser Strömungszustand wird als turbulentbezeichnet. Die Filmstruktur lässt sich z. T. mithilfe folgender Beziehung für diejeweilige charakteristische Reynoldszahl (s. Gl. 11.5) vorhersagen:

Re = Ci

(

ρf σ3

η4f g

)1/10

= CiKf1/10 . (11.7)

Kf ist die sogenannte Flüssigkeitskennzahl, die lediglich Stoffeigenschaften und dieErdbeschleunigung enthält. Von (Ishigai et al. 1972) stammt folgende Bestimmungvon fünf Strömungsbereichen (s. Abb. 11.3 links):

a. rein laminar Re ≤ 0,47 K1/10f

b. erster Übergangsbereich 0,47 K1/10f ≤ Re ≤ 2,2 K1/10

f

c. stabile Wellen 2,2 K1/10f ≤ Re ≤ 75

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11.2 Wärmeübertragung zwischen Wand und Flüssigkeit 361

d. zweiter Übergangsbereich 75 ≤ Re ≤ 400e. voll turbulent Re ≥ 400

Einen Eindruck von der Struktur des Films im Bereich der stabilen Wellenströmungvermittelt Abb. 11.3 rechts. Die zugrunde liegenden Messungen wurden bei einerReynoldszahl von 61 durchgeführt.

Im pseudolaminaren Bereich sind zwar angenähert die fluiddynamischen Ge-setzmäßigkeiten des laminaren Films gültig, doch die Wellen bewegen sich mit eineranderen als der mittleren Filmgeschwindigkeit. Detailliertere Messungen bzw. nume-rische Ergebnisse finden sich z. B. bei (Adomeit und Renz 2000) bzw. (Miyara 2000).

Auf der Basis einer Reihe von experimentellen Untersuchungen wurden folgendeGleichungen für die Filmdicke δ und die mittlere Flüssigkeitsgeschwindigkeit weines turbulent strömenden Films (Ref > 400) ermittelt (Brauer 1956):

δ = 0,302

(

3ν2f

g

)1/3

Re8/15 (11.8)

w = 3,31

(

gνf

3

)1/3

Re7/15 . (11.9)

Das Auftreten der Viskosität in Gl. (11.8) bedeutet, dass noch keine vollständig tur-bulente Strömung vorliegt. Vollständig turbulente Strömungen sind stets dadurchgekennzeichnet, dass Zähigkeitskräfte gegenüber den durch die Schwankungs-geschwindigkeiten hervorgerufenen Trägheitskräften zu vernachlässigen sind unddamit auch kein Einfluss der Reynoldszahl auftritt.

Für den Stoffaustausch zwischen Gas und Flüssigkeit ist das experimentelle Er-gebnis bedeutsam, dass die Phasengrenzfläche lediglich wenige Prozent durch dieAuswirkung der Oberflächenwellen vergrößert wird. Daher sind die beobachtetenhohen Stoffaustauschraten allein auf eine Vergrößerung des Stoffübergangskoef-fizienten zurückzuführen. Dies ist eine unmittelbare Folge des durch die WellenbedingtenQueraustausches innerhalb des Films.

11.2 Wärmeübertragung zwischen Wand und Flüssigkeit

Der Wärmeübergang an nichtsiedende Rieselfilme ist für innen und außen berieselteRohre vielfach untersucht worden. Bereits im Jahr 1916 wurde von (Nußelt 1916)eine einfache Theorie zur Berechnung des Wärmeübergangskoeffizienten bei derlaminaren Filmkondensation an Rohren und senkrechten bzw. geneigten Wändenentwickelt, die als Nußeltsche Wasserhauttheorie bezeichnet wird. Es zeigt sich,dass die für den unbeheizten Film abgeleiteten Gesetze der Fluiddynamik auch fürbeheizte bzw. gekühlte Flächen Gültigkeit besitzen.

In Abb. 11.4 werden die Temperaturfelder in fluiddynamisch ausgebildeten Rie-selfilmen bei konstanter Wandtemperatur Tw qualitativ dargestellt. Erläutert wird diestetige Änderung der Temperatur T(x, y) in dem Rieselfilm von der Eintrittstempe-ratur TE auf die Ablauftemperatur TA. Bei kleinen Lauflängen x ist der Kern der

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362 11 Strömung von Flüssigkeitsfilmen

Abb. 11.4 Temperaturprofile im laminaren (links) bzw. turbulenten (rechts), nichtsiedendenRieselfilm

Flüssigkeit noch nicht von der Temperaturänderung erfasst. Man bezeichnet diesals thermischen Anlauf. Das Temperaturprofil hat zunächst Grenzschichtcharakter.Stromabwärts – am Ende der thermischen Einlauflänge – verläuft es parabolisch.Für x → ∞ nimmt die gesamte Flüssigkeit die Temperatur der Wand T = Tw an.Wenn an der freien Oberfläche keine Wärme abgeführt wird, wie dies annähernd beinichtsiedenden Rieselfilmen der Fall ist, da der konvektive Wärmeübergang an dieLuft relativ gering ist, weist das Temperaturprofil an dieser Stelle eine horizontaleTangente auf. Aus den Temperatur- und Geschwindigkeitsprofilen folgt, dass derHauptwärmedurchgangswiderstand in einer wandnahen Flüssigkeitsschicht liegt.

Zur Berechnung des bei konstanter Wandtemperatur längs einer Strecke Lübertragenen Wärmestromes Q wird der mittlere Wärmeübergangskoeffizient α als

α ≡ Q

AΔTlog= mcp

δ

LlnTw − TE

Tw − T A. (11.10)

definiert. Umgekehrt dient Gl. (11.10) zur Ermittlung der erforderlichen RohrlängeL, wenn Tw und α bekannt sind.

Für die Erhitzung oder Abkühlung werden die mittleren Wärmeübergangskoeffi-zienten α aus den Gleichungen für die Nußeltzahl Nu

Nu ≡ α

�f

(

ν2f

g

)1/3

(11.11)

errechnet. Diese lauten über L gemittelt für die verschiedenen Bedingungen(Schnabel und Schlünder 1980):

• bei laminarer, fluiddynamisch und thermisch ausgebildeter Strömung

Nu = C∞Re−1/3 (11.12)

mit C∞ = 1,30 für eine konst. Wandtemperatur Tw und C∞ = 1,43 für eine konst.Wärmestromdichte q,

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11.2 Wärmeübertragung zwischen Wand und Flüssigkeit 363

Abb. 11.5 Mittlere Nußeltzahl in Abhängigkeit von Re und den Parametern Pr und Pr (ν2/g)1/3/Lbei nichtsiedenden Rieselfilmen. (Nach Schnabel und Palen 2006)

• im Bereich der thermischen Einlauflänge

Nu = C03

Re1/3 Pr

(

ν2f

g

)1/3

/L (11.13)

mit C0 = 0,912 für Tw = konst und C0 = 1,10 für q = konst.,• im Übergangsbereich zur turbulenten Strömung

Nu = 0,0425 Re1/5 Pr0,344, (11.14)

• bei turbulenter Strömung

Nu = 0,0136 Re2/5Pr0,344. (11.15)

Zur Berechnung des mittleren Wärmeübergangskoeffizienten α verwendet man ausden Gln. (11.12) bis (11.15) den größten Wert von Nu. Insbesondere Gl. (11.12) fürdie laminare Strömung ist nur für sehr geringe Reynoldszahlen genau, sodass dieBeziehung für den Übergang zur turbulenten Strömung (Gl. 11.14) zuverlässigereWerte wiedergibt.

Um den Einfluss einer stark temperaturabhängigen Viskosität auf den Wärme-übergang zu erfassen, sind die rechten Seiten der Gln. (11.12) bis (11.15) mit demKorrekturfaktor (η/ηw)0,25 zu multiplizieren. Dabei ist η die dynamische Visko-sität bei der mittleren Filmtemperatur T und ηw die bei der Wandtemperatur. DerKorrekturfaktor gilt für die Erwärmung ebenso wie für die Abkühlung.

In Abb. 11.5 sind mittlere Nußeltzahlen Nu über der Reynoldszahl Re des Rie-selfilmes für die Randbedingung einer konstanten Wandtemperatur (Tw = konst.)

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364 11 Strömung von Flüssigkeitsfilmen

aufgetragen. Parameter sind die Prandtlzahl Pr und die Größe Pr (ν2/g)1/3/L für denBereich des thermischen Anlaufs, der indessen nur bei sehr zähen Stoffen bedeutsamwird. In diesen Fällen kommen jedoch hohe Reynoldszahlen praktisch kaum vor.

Deshalb sind die Linien, die den Bereich des thermischen Anlaufs kennzeichnen,für Re > 10 gestrichelt und nicht über Re = 100 hinaus gezeichnet. Abzulesen istin Abb. 11.5 wiederum der jeweils höhere Wert.

Angaben zu siedenden Rieselfilmen finden sich z. B. bei (Schnabel und Palen2006).

11.3 Stoffübertragung zwischen Rieselfilm und Gas

Wegen der relativ hohen volumenbezogenen Übertragungsfläche und den kurzenGas- und Flüssigkeitsverweilzeiten werden Rieselfilmapparate als Reaktoren fürschnelle bzw. spontane chemische Reaktionen eingesetzt. Der Hauptanteil derReaktion findet dabei unmittelbar im Bereich der Phasengrenzfläche statt. In die-sem speziellen Fall sind Konzentrationen der aus der Gasphase übergehendenKomponente im Kern des Films vernachlässigbar gering. In einer Reihe weitererAnwendungsfälle dringt die diffundierende Komponente jedoch in den Film ein, so-dass bei der mathematischen Modellierung dies auch entsprechend berücksichtigtwerden muss.

Das Auftreten der Wellen, das im pseudolaminaren Film ohne nennenswerteAuswirkung auf die mittlere Filmdicke ist, führt aufgrund der hierdurch initiier-ten Queraustauschvorgänge zu einer deutlichen Verbesserung des Stoffübergangs.Weitere Einflussparameter des Stofftransports sind die Flüssigkeitsaufgabe zur Er-zeugung des Films sowie die Lauflänge. Bei der technischen Realisierung muss starkdarauf geachtet werden, dass der Film nicht aufreißt, da dies die Stoffaustauschflächenachhaltig reduzieren kann (Schnabel und Palen 2006).

Einen umfassenden Überblick über den aktuellen Stand des Wissens geben(Killion und Garimella 2001).

11.3.1 Laminare Rieselfilme

Die Ermittlung des flüssigkeitsseitigen Stoffübergangskoeffizienten sei hier an demBeispiel des laminar strömenden Rieselfilms erläutert (s. Abb. 11.6). Aus dem an-grenzenden Gas wird die Komponente A in den Film hinein übertragen. Es wirdvereinfachend angenommen, dass Stoff A nur gering in der Flüssigkeit löslich seiund stationäre Bedingungen vorliegen. Weiterhin wird unterstellt, dass an der Stellex = 0 ein vollständig ausgebildetes Geschwindigkeitsprofil vorliegt, das durch dieDiffusion nicht verändert wird. Der Stoff A wird dann durch zwei Mechanismentransportiert. Quer zur Strömungsrichtung erfolgt die Diffusion von A in den Film.DieserVorgang wird durch den FickschenAnsatz beschrieben, daA nur wenig löslich

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11.3 Stoffübertragung zwischen Rieselfilm und Gas 365

Abb. 11.6 Stoffübergang aneinem Flüssigkeitselement ineinem Rieselfilm der Breite B

ist:

nAy = −DAB∂cA

∂y. (11.16)

In Strömungsrichtung wird Stoff A konvektiv mit dem Film transportiert:

nAx = cA · w(y). (11.17)

Hierbei wird angenommen, dass der Diffusionsterm in x-Richtung (Strömungs-richtung) sowie der Konvektionsstrom in y-Richtung (quer zur Strömungsrichtung)vernachlässigt werden können (keine Stefan-Diffusion). Eine Stoffbilanz der Kom-ponente A über ein infinitesimales Flüssigkeitselement (Volumen dV = dx dy B)liefert:

Bdy∂nAx

∂xdx + Bdx

∂nAy

∂ydy = ∂nAx

∂x+ ∂nAy

∂y= 0 (11.18)

Somit erhält man folgende partielle Differenzialgleichung zur Beschreibung desStofftransports im Rieselfilm:

w(y)∂cA

∂x= DAB

∂2cA

∂y2. (11.19)

Die Lösung dieser Differenzialgleichung ist nach zwei Betrachtungsweisen unter-schiedlichen Vereinfachungsgrads möglich.

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366 11 Strömung von Flüssigkeitsfilmen

Geringe Eindringtiefe der diffundierenden Komponenten Bei der Lösung von Gl.(11.19) kann unter bestimmten Umständen vereinfachend angenommen werden, dassdie Filmdicke sehr groß im Vergleich zur Eindringtiefe des Stoffes A ist (analogzur Penetrationstheorie). Dies trifft zum Beispiel für kurze Lauflängen eines Flüs-sigkeitsfilms zu. Im Innern des Films tritt dementsprechend keine Änderung derKonzentration an A auf. Damit kann auch angenommen werden, dass innerhalbder Eindringtiefe überall die maximale Geschwindigkeit wmax = 1,5w herrscht. Esgelten somit folgende Randbedingungen bei der Lösung der Differenzialgleichung(11.19):

1. RB x = 0 y > 0: cA = 02. RB x ≥ 0 y = 0: cA = cA0 = konst. (es findet keine Abreicherung

von der Gasphase statt)3. RB x ≥ 0 y → ∞: cA = 0 Dies ist die mathematische

Formulierung der Tatsache, dassdie Eindringtiefe δc δ ist(s. auch Abschn. 2.2.1).

Aus der analytischen Lösung der Differenzialgleichung (s. z. B. (Mersmann 1986)lässt sich die örtliche Stoffstromdichte nAy(x) in y-Richtung bei der Lauflänge xbestimmen:

nAy(x) = −DAB

(

∂cA

∂y

)

y=0

= cA0

3DABw

2πx. (11.20)

Integriert man diese Stoffstromdichte über die gesamte Lauflänge L, so folgt diemittlere Stoffstromdichte:

¯nAy = 1

L

L∫

0

nAy(x)dx = cA0

6DABw

πL. (11.21)

Für den Stoffübergangskoeffizienten β(x) gilt unter der Annahme, dass cA = 0 füry → ∞:

nAy = β(x)(cA0 − cAy→∞) = β(x)cA0. (11.22)

Daraus folgt mit Gl. (11.20) für den lokalen Stoffübergangskoeffizienten:

β(x) =√

3

DABw

x(11.23)

und analog für den über die Lauflänge L gemittelten Stoffübergangskoeffizienten:

β =√

6

π

DABw

L. (11.24)

In dimensionsloser Form gilt für die über die Lauflänge L gemittelte SherwoodzahlShL

ShL = 1,38PeL1/2 (11.25)

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11.3 Stoffübertragung zwischen Rieselfilm und Gas 367

mit:

ShL ≡ βL

DABund PeL ≡ wL

DAB= wL

ν

ν

DAB= ReL Sc. (11.26)

Führt man die Dicke δ des laminaren Films gemäß Gl. (11.6) als charakteristischeLänge in den Kennzahlen Sh und Pe ein, so erhält man

(11.27)

mit:

Shδ ≡ βδ

DABund Peδ ≡ wδ

DAB= Re Sc.

Gl. (11.27) gilt entsprechend den Randbedingungen nur bei geringer Löslichkeitder übergehenden Komponente sowie für kurze Lauflängen L. Weiterhin stellen dieangegebenen Sherwoodzahlen ShL und Shδ über die gesamte Lauflänge des Filmsgemittelte Werte dar.

Stofftransport in den gesamten Rieselfilm Kompliziertere Verhältnisse treten ein,wenn A in den gesamten Flüssigkeitsfilm diffundiert und zusätzlich noch eineAbreicherung von A in der Gasphase mit zunehmender Lauflänge auftritt, wiedies schematisch in Abb. 11.7 dargestellt ist. (Genauere Angaben zur Lösung die-ses Problems (s. Brauer 1971a) Unter diesen Voraussetzungen gelten folgendeRandbedingungen zur Lösung von Gl. (11.19):

1. RB x = 0, y > 0 : cA = cAf ein

2. RB x ≥ 0, y = δ :∂cA

∂y= 0

3. RB x > 0, y = 0 : cA0f = cA0f (x)

Zur Funktion cA0f (x) existiert eine Reihe von Vorschlägen, die hier nicht weiterbetrachtet werden sollen, Näheres s. (Brauer 1971a). cA0f (x) steht im thermodyna-mischen Gleichgewicht zu cA0g(x), das im einfachsten Fall durch das HenryscheGesetz (s. Abschn. 3.2) beschrieben wird:

yA = HxA/p. (3.28)

Statt des Henry-Koeffizienten H wird im Weiteren die Henryzahl H*

H ∗ ≡ cAg

cAf= H

˜MA

ρfRT(11.28)

verwendet. cA0g(x) hängt i. Allg. aufgrund der Abreicherung von A in der Gasphasevon der Lauflänge ab.

Der schematische Geschwindigkeits- und Konzentrationsverlauf im Film und imGasstrom für unterschiedliche Lauflängen x wird in Abb. 11.7 dargestellt. Unter Ver-nachlässigung der Abreicherung von A in der Gasphase führt die numerische Lösung

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368 11 Strömung von Flüssigkeitsfilmen

Abb. 11.7 SchematischeDarstellung derGeschwindigkeits- undKonzentrationsprofile in Gas-und Flüssigphase beiGleichstrom im Rieselfilm(Vereinfachende Annahme:Das Gas strömt im gesamtenQuerschnitt mit derGeschwindigkeit, wie sie ander Filmoberfläche herrscht.)

von Gl. (11.19) zu Konzentrationsverläufen im Film, die inAbb. 11.8 dargestellt sind.Als Kurvenparameter wird die Einlaufkennzahl

x∗ ≡ 1

Peδ

x

δ=(

DAB

)−1x

δ(11.29)

verwendet. Mit steigender Lauflänge sättigt sich der Flüssigkeitsfilm immer stär-ker mit der Übergangskomponente ab. Die mit diesem Ergebnis korrespondierendenmittleren Sherwoodzahlen werden in Abb. 11.9 dargestellt. Bei Zunahme der Ein-laufkennzahl x∗ nimmt die mittlere Sherwoodzahl zunächst bei kurzen Lauflängenab. Dieser Rückgang ist eine unmittelbare Folge des sinkenden treibenden Konzen-trationsgradienten an der Phasengrenze mit steigender Lauflänge. Die Beschreibungder mittleren Sherwoodzahl bei niedrigen Lauflängen x∗ liefert die oben durchge-führte Betrachtung für geringe Eindringtiefen (s. Gl. 11.27). Bei großen Lauflängennähert sich dann die Sherwoodzahl asymptotisch einem Endwert von 3,41 (analogesVerhalten zur Rohrströmung). Hier nehmen die treibende Konzentrationsdifferenz

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11.3 Stoffübertragung zwischen Rieselfilm und Gas 369

Abb. 11.8 Konzentrationsverlauf in einem laminaren Rieselfilm für verschiedene Einlaufkennzah-len x∗ unter der Annahme, dass cA0f �= f(x∗)

Abb. 11.9 Mittlere Sherwoodzahl in Abhängigkeit von der Einlaufkennzahl x∗

und der Konzentrationsgradient an der Phasengrenzfläche gleichmäßig ab und ge-hen beide ebenso wie der lokale Stofffluss gegen null. Daher ergibt sich eine andereAbhängigkeit der Sherwoodzahl von der Lauflänge als gemäß Gl. (11.27) für kurzeLauflängen.

Für den gesamten Bereich der Einlaufkennzahl x* gilt folgende Beziehung, dieauch die beiden genannten Grenzfälle mit einschließt (Brauer 1971a):

Shδ = 3,41 + 0,276 x∗−1,2

1 + 0,20 x∗−0,7 . (11.30)

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370 11 Strömung von Flüssigkeitsfilmen

Abb. 11.10 Mittlerebezogene Konzentration voncAf in Abhängigkeit von derEinlaufkennzahl x∗

Für die mittlere Konzentrationsdifferenz �cAf zur Berechnung der mittleren über-gehenden Stoffstromdichte

nA = βΔcAf .

ist die logarithmische Konzentrationsdifferenz einzusetzen:

ΔcAf = (cA0f − cAf )ein

− (cA0f − cAf )aus

ln(cA0f − cAf )

ein

(cA0f − cAf )aus

. (11.31)

Die unter den vorgenannten Bedingungen resultierende Abhängigkeit der mittlerenKonzentrationen cAf von der Länge des Films zeigt Abb. 11.10.

11.3.2 Filme mit welliger Oberfläche

In technischenAnwendungen treten üblicherweise Filme mit welliger Oberfläche auf.Die Quervermischung durch die auftretenden Wellen führt dabei zu einer deutlichenIntensivierung des Stofftransports. Obwohl viele experimentelle und theoretischeUntersuchungen für ein besseres Verständnis der auftretenden Phänomene durchge-führt wurden, konnte eine befriedigende theoretische Beschreibung der ablaufendenTransportvorgänge in welligen Rieselfilmen bislang nicht aufgestellt werden.

In Abb. 11.11 wird die mittlere Sherwoodzahl geteilt durch die Wurzel derSchmidtzahl in Abhängigkeit der Reynoldszahl des Films dargestellt (Brauer 1985).Die Geradenstücke stellen Ausgleichsgeraden von Messergebnissen verschiedenerAutoren dar. Gemäß den Aussagen der Penetrationstheorie (s. Abschn. 3.1.3) ist Shδstets proportional zu Sc0,5. Die angegebenen Werte für Shδ stellen den Minimalwertfür große Lauflängen (L → ∞) dar. Die Korrelationen weisen stets dieselbe Formauf:

Shδ = βδ

DAB= CReaSc

0,5f . (11.32)

Page 15: Transportvorgänge in der Verfahrenstechnik || Strömung von Flüssigkeitsfilmen

11.3 Stoffübertragung zwischen Rieselfilm und Gas 371

Abb. 11.11 MittlereSherwoodzahl für den reinphysikalischen Stofftransportin einem welligen Film alsFunktion der Reynoldszahlnach experimentellenErgebnissen verschiedenerAutoren. (Nach Brauer 1985)

Tab. 11.1 Koeffizient undExponent aus Gl. (11.32).(Brauer 1985; Yih und Chen1982)

Bereich Re C a

12–70 0,0224 0,870–400 0,08 0,5>400 8,9 × 10−4 1,25

Für die verschiedenen flüssigkeitsseitigen Reynoldszahlen Re ergeben sich die inTab. 11.1 aufgeführten Werte für den Koeffizienten C und den Exponenten a.

Die in Abb. 11.11 dargestellten Zusammenhänge verdeutlichen die Abhängigkeitdes Stofftransportes von der Deformationsturbulenz: Mit steigender Reynoldszahlnimmt die Deformationsturbulenz zu und somit steigt die Sherwoodzahl. DieserEinfluss wird allerdings erst ab bestimmten Einlaufkennzahlen deutlich. Für x∗ → 0verliert die Deformationsturbulenz ihren Einfluss, und es ist keine Verbesserung desStofftransportes im welligen Film gegenüber dem Stofftransport im laminaren Filmerkennbar. Ähnlich wie beim laminaren Film unterschreitet die Sherwoodzahl denWert von 3,41 nicht.

11.3.3 Gasseitiger Stoffübergang

Die Nutzung von Rieselfilmapparaten als Reaktoren für sehr schnelle Gas/Flüssigkeits-Reaktionen hat zur Folge, dass häufig der geschwindigkeitsbestimmendeSchritt der Transport in der Gasphase ist. Die Abb. 11.12 skizziert den zugehöri-gen Konzentrationsverlauf an der Innenwand eines Rohres. Zur Berechnung diesesStoffübergangs liegen nur empirische Gleichungen vor, die auf den Resultaten expe-rimenteller Arbeiten basieren. Die umfangreichsten Untersuchungen, die von (Braunund Hiby 1970) an Rieselfilmen in Rohren ausgeführt wurden, führten zu folgendenBeziehungen für die mittlere Sherwoodzahl:

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372 11 Strömung von Flüssigkeitsfilmen

Abb. 11.12 Konzentrations-profile in einemDünnfilmreaktor beischnellen chemischenReaktionen

Gleichstrom

Sh = 0,18Re0,4g Re

0,16f Sc0,44

g

[

1 + 6,4(L/d)−0,75]

(11.33)

Gegenstrom

Sh = 0,015Re0,75g Re

0,16f Sc0,44

g

[

1 + 5,2(L/d)−0,75]

(11.34)

Die Kennzahlen sind folgendermaßen definiert:

Sh ≡ βgd

Dg

Ref ≡ Vf

dπνf

Reg ≡ 4Vgdπνg

Scg ≡ νg

Dg

Dg: Diffusionskoeffizient für A; Index g: gasseitigDer Unterschied in der Phasenführung bedingt beim Gegenstrom deutlich höhere

Relativgeschwindigkeiten zwischen den Phasen als beim Gleichstrom. Daher ist derExponent von Reg bei Gleichstrom niedriger als bei Gegenstrom.

Die Berechnung des zwischen x = 0 und x = L über die Filmoberfläche Atransportierten Stoffstroms NA erfolgt nach der Beziehung:

NA = βgA �cAg. (11.35)

Mit�cAg wird die im Gasstrom auftretende mittlere logarithmische Konzentrations-differenz bezeichnet.

�cAg = (cA0g − cAg)x=L − (cA0g − cAg)

x=0

ln(cA0g − cAg)

x=L(cA0g − cAg)

x=0

(11.36)

Page 17: Transportvorgänge in der Verfahrenstechnik || Strömung von Flüssigkeitsfilmen

11.4 Stofftransport mit homogener chemischer Reaktion 373

11.4 Stofftransport mit homogener chemischer Reaktion

Der in den Flüssigkeitsfilm eindringende Stoffstrom ist direkt proportional zu deman der Phasengrenzfläche auftretenden Konzentrationsgradienten. Im Gegensatz zumrein physikalischen Transport kann ein Gradient auch für sehr große Werte von x∗erhalten bleiben, wenn durch eine chemische oder biologische Stoffumwandlungdie diffundierende Komponente beständig verbraucht wird. Daher ist der Stoffüber-gangskoeffizient bei Vorliegen einer chemischen oder biologischen Reaktion größerals derjenige für den rein physikalischen Stofftransport (s. Abschn. 3.3).

Beispielhaft werde eine homogene, irreversible Reaktion angenommen, bei derdie absorbierte Komponente A mit der im Flüssigkeitsfilm befindlichen Kompo-nente B zu Reaktionsprodukt C umgesetzt wird:

νAA+ νBB → νCC.

Für die zeitliche Änderung der jeweiligen Konzentrationen im Film ergibt sichhieraus das Verhältnis:

∂cA

∂t= νA

νB

∂cB

∂t= νA

νC

∂cC

∂t. (11.37)

Im hier betrachteten Fall wird eine bimolekulare Reaktion 2. Ordnung (die Konzen-trationen beider Edukte tragen zur Reaktionsgeschwindigkeit bei) zugrunde gelegt,für deren volumenspezifische Reaktionsstromdichte bezüglich der Komponente Agilt:

1

νA

∂cA

∂t= r = k2cAcB (Index 2: Reaktion 2. Ordnung).

Falls die Komponente B in hohem Überschuss vorliegt und sich cB damit nurvernachlässigbar ändert, ergibt sich eine Reaktion 1. Ordnung:

r = −rA /νA = −k1cA/νA.

Reale Kinetiken von chemischen und biologischen Stoffumwandlungen können sehrkomplex sein, sodass auch andere Reaktionsordnungen ohne Weiteres auftretenkönnen.

Die Konzentrationsfelder der Reaktanden A und B lassen sich über eine Stoffbi-lanz über ein differenzielles Volumenelement bestimmen. Hierzu muss Gl. (11.19)lediglich um den Reaktionsterm erweitert werden. Es ergibt sich das folgendegekoppelte System zweier partieller Differenzialgleichungen:

w(y)∂cA

∂x= DAB

∂2cA

∂y2− kA2cAcB ; kA2 = k2 · νA. (11.38)

w(y)∂cB

∂x= DBA

∂2cB

∂y2− kB2cAcB ; kA2 = kB2

νA

νB. (11.39)

Page 18: Transportvorgänge in der Verfahrenstechnik || Strömung von Flüssigkeitsfilmen

374 11 Strömung von Flüssigkeitsfilmen

Abb. 11.13 Schematische Darstellung der Konzentrationsprofile in Gas- und Flüssigphase bei einerReaktion 1. Ordnung (links) und einer Reaktion 2. Ordnung (rechts)

Die zugehörigen Randbedingungen lauten:

1. RB x = 0, y = 0 : cA = cA0f , cB = cB,α2. RB x = 0, y > 0 : cA = 0, cB = cB,α3. RB x > 0, y = 0 : cA = cA0f , ∂cB/∂y = 0

4. RB x > 0, y = δ :∂cA

∂y= 0

∂cB

∂y= 0

Alternativ:

4. RB x > 0, y → ∞: cA = 0, cB = cB,α

Hierbei wird angenommen, dass die diffundierende Komponente A analog zurPenetrationstheorie nur in eine geringe Filmtiefe vordringt.

Das Gleichungssystem kann numerisch gelöst werden. In qualitativer Form dar-gestellte Konzentrationsprofile zeigt Abb. 11.13 (rechts), wobei die Bildung derKomponente C unberücksichtigt bleibt und eine konstante Konzentration von A in

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11.4 Stofftransport mit homogener chemischer Reaktion 375

der Gasphase unterstellt wird. Mit zunehmender Lauflänge x wird die Komponente Bkontinuierlich abgebaut.

Wenn B vollständig verbraucht ist, kommt die Reaktion vollständig zum Erliegen.Der Film hat sich mit A bis zur Gleichgewichtskonzentration cA0 angereichert.

11.4.1 Reaktion 1. Ordnung

Etwas weniger komplexe Verhältnisse bestehen, wenn B in so hohem Überschussvorliegt, dass die Reaktionsgeschwindigkeit allein von der Konzentration der Kom-ponente A abhängt, z. B. in Form einer Reaktion 1. Ordnung (s. Abb. 11.13 links):

w(y)∂cA

∂x= DAB

∂2cA

∂y2− k1cA. (11.40)

Diese Gleichung ähnelt der im Zusammenhang mit dem rein physikalischen Stoff-transport abgeleiteten Gl. (11.19), wobei hier auf der rechten Gleichungsseitelediglich ein zusätzlicher Reaktionsterm hinzukommt.

Es gelten folgende Randbedingungen:

1. RB x ≥ 0 y = 0 : cA = cA0f

2. RB x = 0 y > 0 : cA = 0

3. RB x ≥ 0 y = δ :∂cA∂y

= 0

Im Fall der Randbedingung 3 findet ein Transport der KomponenteA in den gesamtenFilm statt. Grundsätzlich muss daher bei der Lösung der obigen Differenzialglei-chung geprüft werden, wie tief die diffundierende Komponente in den Rieselfilmeindringt. So ist es eventuell alternativ möglich, die bereits mehrfach genutzteRandbedingung einer geringen Penetrationstiefe (y → ∞; cA = 0) als dritte Rand-bedingung einzusetzen. Diese Problematik wurde bereits bei der Diskussion derStoffübergangshypothesen Filmtheorie bzw. Penetrationstheorie (s. Abschn. 3.1)sowie der Lösung des Gleichungssystems der Gln. (11.38) und (11.39) angesprochen.

Gleichung (11.40) lässt sich unter Einbeziehung der Randbedingungen durchAnwendung numerischer Methoden lösen. Aus dem Ergebnis cA(x, y) lässt sich un-mittelbar eine mittlere Konzentration über der Filmdicke als Funktion der Lauflängex bestimmen:

cA(x) = 1

δ∫

0

cA(x, y) w (y) dy. (11.41)

Mit dieser Größe lässt sich dann der lokale Stoffübergangskoeffizient ermitteln:

β(x) = nA(x)

cA0 − cA(x). (11.42)

Page 20: Transportvorgänge in der Verfahrenstechnik || Strömung von Flüssigkeitsfilmen

376 11 Strömung von Flüssigkeitsfilmen

Die lokale Stoffstromdichte ergibt sich aus dem diffusiven Stofftransport an derPhasengrenzfläche

nA(x) = −DAB

(

∂cA

∂y

)

y=0,x (11.43)

und damit der lokale Stoffübergangskoeffizient β (x),

β(x) = − DAB

cA0 − cA(x)

(

∂cA

∂y

)

y=0,x

(11.44)

bzw. die lokale Sherwoodzahl:

Shf = β(x)δ

DAB= − δ

cA0 − cA(x)

(

∂cA

∂y

)

y=0,x

. (11.45)

Die Wirkung einer biologischen bzw. chemischen Reaktion auf den Stoffübergangbesteht darin, dass durch die Abbaureaktion der Konzentrationsgradient der diffun-dierenden Komponente zunimmt und damit der Stofftransport intensiviert wird. Jehöher die Reaktionsgeschwindigkeit bzw. die Damköhlerzahl ist, umso stärker wirktsich die Reaktion aus.

Dies wird deutlich durch den Beschleunigungsfaktor (s. Abschn. 2.1.2)

E = βf Reaktion

βf physikalisch, (11.46)

in dem der Stoffübergangskoeffizient mit homogener Reaktion auf den Stoffüber-gangskoeffizienten ohne Reaktion bezogen wird.

Im Fall der homogenen Reaktion 1. Ordnung lassen sich der Stoffübergangskoef-fizient βf Reaktion und damit der Beschleunigungsfaktor E wie erwähnt berechnen. Dasentsprechende Ergebnis ist in Abb. 11.14 als Funktion der Einlaufkennzahl aufgetra-gen. Für kleine Werte der Einlaufkennzahl ist kein Einfluss der Reaktion erkennbar,der Beschleunigungsfaktor ist etwa gleich eins. Die Reaktion trägt nicht zur Ver-größerung des Stofftransportes bei. Das treibende Gefälle des rein physikalischenTransports ist dann so groß, dass eine parallele Reaktion keinen zusätzlichen Ef-fekt ausübt. Im Bereich sehr großer Werte von x∗ nimmt E einen konstanten Wertan. Die Größe dieses Wertes hängt von dem Verhältnis der Reaktions- zur Diffusi-onsgeschwindigkeit, also der Damköhlerzahl ab, die für den Film folgendermaßendefiniert ist:

Da ≡ knδ2

DABcn−1A0f α. (11.47)

Der hiermit korrespondierende Konzentrationsverlauf der Komponente A über derLauflänge ist in der Abb. 11.15 qualitativ dargestellt. Bei konstanter Damköhlerzahlnimmt die Konzentration an A mit der Lauflänge zu (Fall a), bis ein Endkonzentrati-onsprofil erreicht wird, das wiederum von der Damköhlerzahl abhängig ist, wie Fall bveranschaulicht. An der festen Wand ergibt sich stets ein Konzentrationsgradient vonnull, da dort kein Stofftransport in die Wand stattfindet.

Page 21: Transportvorgänge in der Verfahrenstechnik || Strömung von Flüssigkeitsfilmen

11.4 Stofftransport mit homogener chemischer Reaktion 377

Abb. 11.14 Beschleunigungsfaktor E für eine Reaktion 1. Ordnung in Abhängigkeit von derEinlaufkennzahl x∗. (Nach Brauer 1985)

Abb. 11.15 Konzentrationsprofile bei einer homogenen chemischen Reaktion 1. Ordnung

11.4.2 Reaktion 2. Ordnung

Zum Verständnis des Stofftransports müssen in diesem Fall die Konzentrationen derKomponenten A und B in Abhängigkeit von den Geometrieparametern x und y sowievon den Stoff- und Reaktionsgrößen bestimmt werden. Das zugehörige Differenzial-gleichungssystem (Gln. 11.38 und 11.39) sowie die Rand- und Anfangsbedingungen

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378 11 Strömung von Flüssigkeitsfilmen

Abb. 11.16 LokaleKonzentrationen derKomponenten A und B fürden Stofftransport mitbimolekularer Reaktion 2.Ordnung in einem glattenFilm bei Da = 1000 undverschiedenenEinlaufkennzahlen x∗. (NachBrauer 1985)

sind bereits in Abschn. 11.4 aufgeführt. Die resultierenden Lösungen für die Kon-zentrationsverläufe werden im Weiteren unter Nutzung folgender dimensionsloserKennzahlen dargestellt:

c∗A ≡ cA

cA0f, c∗

B ≡ cB

cB,α

x∗ ≡ x/δ

ReSc, y∗ ≡ y

δ

Da ≡ k2cB,einδ2

DAf, D∗ ≡ DB,f

DA,f, ν∗ ≡ νB

νA

cA0f

cB,ein.

In Abb. 11.16 werden berechnete Konzentrationsverläufe für die ParameterDa = 1000, D∗ = 1 und ν∗ = 1 für einen glatten Film exemplarisch dargestellt.Aus dem Kurvenverlauf ist zu erkennen, dass der Hauptteil der chemischen Re-aktion nahe der Phasengrenzfläche stattfindet. Wenn die Konzentration an A denWert 0 annimmt, ist keine chemische Reaktion mehr möglich. Mit zunehmenderDamköhlerzahl nimmt die Eindringtiefe von A in den Film ab.

Mit Da → ∞ (augenblickliche Reaktion) ergeben sich Konzentrationsprofilewie in Abb. 11.17 aufgetragen. Wegen der extrem hohen Reaktionsgeschwindigkeitwerden cA

∗ und cB∗ in derselben Entfernung yGr

∗ von der Phasengrenzfläche zu null.Das heißt, die Reaktion findet ausschließlich an der Stelle yGr

∗ statt. Im Bereichunterhalb dieses Wertes von yGr

∗ liegt kein B mehr vor, sodass dort A auftretenkann. Der Stofftransport von A erfolgt hier allein aufgrund der Diffusion und derKonvektion. Oberhalb des Wertes von yGr

∗ existiert lediglich B und wird ebenfalls

Page 23: Transportvorgänge in der Verfahrenstechnik || Strömung von Flüssigkeitsfilmen

11.4 Stofftransport mit homogener chemischer Reaktion 379

Abb. 11.17 Lokale Konzentrationen der Komponenten A und B für den Stofftransport mit einerReaktion 2. Ordnung in einem glatten Film bei Da → ∞ sowie verschiedenen Einlaufkennzahlenx∗. (Nach Brauer 1985)

Abb. 11.18 Mittlere Sherwoodzahl für den Stofftransport mit bimolekularer Reaktion 2. Ordnungin einem glatten Film als Funktion der Einlaufkennzahl x∗ für verschiedene Damköhlerzahlen.(Nach Brauer 1985)

diffusiv und konvektiv an den Ort yGr∗ transportiert, an dem die Konzentrationen

beider Komponenten infolge der hohen Reaktionsgeschwindigkeit verschwinden.Die mittlere Sherwoodzahl für eine Reaktion 2. Ordnung ist in Abb. 11.18 als

Funktion der Einlaufkennzahl x∗ für verschiedene Damköhlerzahlen aufgetragen.Grundsätzlich finden sich stets zwei Grenzkurven für diese Darstellungen, Da = 0sowie Da → ∞, zwischen die sich alle anderen Kurvenverläufe einfügen. Außerdemlaufen sämtliche Sherwoodzahlen für Da < ∞ mit x∗ → ∞ in die Kurve für Da = 0

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380 11 Strömung von Flüssigkeitsfilmen

ein, deren asymptotischer Grenzwert 3,41 beträgt. Die untere Grenzkurve Da = 0stellt den Fall rein physikalischen Transports in einem glatten Film dar, sie wirdweder durch D∗ noch ν∗ beeinflusst. Die obere Grenzkurve Da → ∞ hängt dagegenvon beiden Parametern ab. Mit zunehmender Einlaufkennzahl x∗ fällt die mittlereKonzentration von B stetig ab, bis sie schließlich zu null wird.

Die zugehörigen Beschleunigungsfaktoren E zeigen, dass eine substanzielle Ver-besserung des Stofftransports lediglich bei hohen Damköhlerzahlen sowie einemeingeschränkten Bereich der Einlaufkennzahl (x∗ < 1) auftritt.

Für Da → ∞ ergibt sich eine maximale Beschleunigung, E erreicht als Ma-ximalwert zwei. Wenn die Komponente B bei einer bestimmten Einlaufkenn-zahl verbraucht ist, findet lediglich noch der rein physikalische unbeschleunigteStofftransport von A in den Film hinein statt, sodass E → 1 gilt.

11.5 Technische Anwendungen von Rieselfilmapparaten

Rieselfilmapparate werden im Wesentlichen als Verdampfer oder als Chemiereak-toren eingesetzt. Im Fall der Verdampfung handelt es sich in den meisten Fällenum sehr temperaturempfindliche Stoffe, die nur eine möglichst kurze Zeit höherenTemperaturen ausgesetzt werden dürfen, da sie sich ansonsten zersetzen, polyme-risieren o. ä. (z. B. Konzentrierung von Fruchtsäften). Rieselfilmapparate bietenhierbei zwei Vorteile. Zum einen ist die Verweilzeit der Flüssigkeit im Apparat ver-gleichsweise niedrig. Zum anderen wird aufgrund der hohen volumenspezifischenOberfläche nur eine relativ geringe treibende Temperaturdifferenz benötigt. Damitwird die thermische Belastung der Flüssigkeit insbesondere im Wandbereich geringgehalten.

Rieselfilme in Chemiereaktoren werden insbesondere für stark exo- bzw. endo-therme Reaktionen eingesetzt, die isotherm geführt werden sollen. Die hierzunotwendigen hohen Wärmeströme können in Rieselfilmreaktoren transportiert wer-den. Dadurch lassen sich Selektivitätseinbußen durch Neben- bzw. Folgereaktionenminimieren. Haupteinsatzgebiet sind Sulfonierungen organischer Stoffe mittelsSO3. Die Reaktionsenthalpien dieser Reaktionen liegen typischerweise bei ca.−150 kJ/mol (Gutsche et al. 2002). Die organischen Komponenten sind sehr tem-peraturempfindlich, sodass die freiwerdende Reaktionsenthalpie effizient abgeführtwerden muss. Ein Beispiel für die konstruktive Gestaltung eines solchen Reak-tors ist in schematischer Form in Abb. 11.19 wiedergegeben. In dem dargestelltenRohrbündelapparat werden Gas und Flüssigkeit im Gleichstrom geführt. Wesentlichfür den effektiven Betrieb eines solchen Apparates ist die gleichmäßige Verteilungdes Flüssigkeitsfilms über den gesamten Rohrumfang. Viskositätsanstiege, die ausder Stoffumwandlung resultieren, können zu Problemen führen, da hierdurch dieStabilität des Films abnimmt, sodass dieser schließlich aufreißen kann.

Für höher viskose Produkte werden sogenannte Dünnschichtapparate eingesetzt.In diesen wird durch rotierende Einbauten (Wischerblätter, Bürsten o.ä.) mechanischein gleichmäßiger Film an der Apparatewand aufrechterhalten (s. Abb. 11.20).

Page 25: Transportvorgänge in der Verfahrenstechnik || Strömung von Flüssigkeitsfilmen

11.5 Technische Anwendungen von Rieselfilmapparaten 381

Abb. 11.19 SchematischeDarstellung einesFallfilmreaktors für eineSulfonierungsreaktion. (NachGutsche et al. 2002)

Detaillierte mathematische Modelle wurden für eine Reihe von Reaktionen imFallfilm entwickelt. Eine sehr präzise Modellierung wird in der Arbeit von (Davieset al. 1979) vorgestellt. Speziell haben sich die Autoren mit dem Temperatur-anstieg im unmittelbaren Bereich der Phasengrenzfläche beschäftigt. DerartigeTemperaturspitzen können durch Verringerung der Konzentration der übergehendenKomponente, beispielsweise durch Zugabe eines Inertgases, herabgesetzt werden.

Abb. 11.20 (a) Schematische Darstellung eines Dünnschichtreaktors für Gegenstrombetrieb,(b) Rotor. (Nach Sattler 1995)

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382 11 Strömung von Flüssigkeitsfilmen

11.6 Verständnisfragen

1. Bei welchen technischenAnwendungsfällen werden Flüssigkeitsfilme eingesetztund warum?

2. Was versteht man unter einem pseudolaminaren Film, bis wann liegt er vorund welche Änderungen bezüglich Filmdicke und Stofftransport ergeben sichgegenüber dem laminaren Film?

3. Wie groß ist die Filmdicke δ im laminaren und im turbulenten Strömungszu-stand?

4. Wodurch kommt die Erhöhung der Stoffaustauschraten mit steigender Reynolds-zahl zustande?

5. Erläutern Sie den Temperaturverlauf in einem laminaren und einem turbulentenRieselfilm bei Beheizung über die Wand.

6. Durch welche Mechanismen wird Stoff im laminaren Rieselfilm transportiert?Wie lautet die Differenzialgleichung zur Beschreibung des Stofftransports?

7. Mit welchen zwei unterschiedlichen Modellvorstellungen kann die Differenzi-algleichung für den Stofftransport im laminaren Rieselfilm gelöst werden?

8. Wie lautet der Zusammenhang zwischen der mittleren Sherwoodzahl deslaminaren Films bei niedrigen und bei hohen Werten der Einlaufkennzahl?

9. Mit welcher Konzentrationsdifferenz wird der Stoffübergangskoeffizient übli-cherweise definiert?

10. Unter welchen Bedingungen ist der Stoffübergang in der Gasphase der geschwin-digkeitsbestimmende Schritt für den Stofftransport in einem Rieselfilm?

11. Wie ist der lokale Stoffübergangskoeffizient definiert?12. Wie wirkt sich eine homogene chemische Reaktion in der Flüssigphase auf den

Stoffübergang am Rieselfilm aus?13. Wie hängt der Beschleunigungsfaktor von der Lauflänge und der Damköhlerzahl

ab? Wie ist die Damköhlerzahl definiert?

11.7 Aufgaben

1. Für den laminaren Rieselfilm sind zu bestimmen:

a. die Schubspannung an der ebenen Wand undb. der resultierendeWiderstandsbeiwert ζ inAbhängigkeit von der Reynoldszahl.

2. Für einen Lack (Bingham-Flüssigkeit) wurde in einem Rotationsviskosimeter fol-gender Zusammenhang zwischen der Schubspannung τ und der Scherrate dw/dxvermessen:

τ (N/m2) dw/dx (s−1)

15 618 1221 18

Page 27: Transportvorgänge in der Verfahrenstechnik || Strömung von Flüssigkeitsfilmen

11.7 Aufgaben 383

Mit welcher Dicke kann dieser Lack auf eine vertikale Wand aufgetragenwerden, ohne dass „Lacknasen“ auftreten, d. h. ohne dass die Flüssigkeit(ρLack = 1200 kg/m3) zu fließen beginnt?

3. Für den laminaren Rieselfilm soll die Verweilzeitsummenverteilung F(t) berech-net werden.

4. In einem senkrechten Edelstahlrohr (di = 23 mm) laufen M = 58,8 kg/h eineswasserhaltigen Stoffes (z. B. Fruchtsaft, ρ = 1054 kg/m3, ν = 1,66 × 10−6 m2/s)herab, der zum Zweck der Sterilisation bei Überdruck kurzzeitig von TE = 25 ◦Cauf TA = 125 ◦C erhitzt werden soll1. Die Wandtemperatur beträgt TW = 130 ◦C.Wie groß ist die erforderliche Rohrlänge L?

5. Eine wässrige Polymerlösung besitzt die 500 fache kinematische Zähigkeit vonWasser bei 50 ◦C. Die übrigen Stoffwerte entsprechen denjenigen von Wasser bei50 ◦C. Die Lösung fließt mit einer Umfangsbelastung von m = 0,544 kg/(m× s)an einem 1 m langen Rohr herab.Wie groß ist die mittlere Nußeltzahl?

6. NH3 wird an einem Flüssigkeitsfilm (Wasser) bei 20 ◦C und 1 bar, wie in derAbbildung dargestellt, aus der Luft absorbiert (DNH3/H2O = 1,76 × 10−9 m2/s).

Der auf die Breite der Platte bezogene Volumenstrom des Wassers beträgt:

Vf

B= 5 · 10−4 m2/s

a. Es soll eine Kräftebilanz für ein Fluidelement in diesem System durchge-führt werden sowie unter der Annahme, dass keine Schubspannung überdie Gas/Flüssigkeits-Phasengrenzfläche übertragen wird, das Geschwindig-keitsprofil bestimmt werden.

b. Wie groß ist die Filmdicke δ?c. Der Stoffübergangskoeffizient β soll unter der Annahme bestimmt werden,

dass die berechnete Filmdicke im stationären Fall der Konzentrationsgrenz-schicht der Filmtheorie entspricht.

1 nach (Schnabel und Palen 2006).

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384 11 Strömung von Flüssigkeitsfilmen

7. Rieselfilmapparate werden auch zur Abgasreinigung eingesetzt. Zu diesemZweck soll der Stofftransport in einem 2 m langen Rohr (di = 50 mm), in dem einVolumenstrom von 0,2 m3/h reinen Wassers bei 34 ◦C (ρf = 993,5 kg/m3, νf =10−6 m2/s) als laminarer Film herabrieselt und dabei reines CO2 konstant bei10 bar absorbiert (DCO2/H2O = 1,75 × 10−9 m2/s; ρCO2

= 17,5 kg/m3 =konst.), berechnet werden. Der Stofftransportwiderstand der Gasphase kannvernachlässigt werden.

a. Bestimmen Sie den Massenstrom der im Wasser absorbierten Komponentemithilfe des Stoffübergangskoeffizienten.

b. Berechnen Sie den Massenstrom unter derAnnahme, dass der Rieselfilm nachder halben Rohrlänge (1 m) wieder vollständig vermischt wird und danachweiter fließt.

c. Berechnen Sie den Massenstrom unter der Annahme, dass der Volumenstromdes Wassers geteilt und parallel über zwei 1 m lange Rieselfilmapparate dergleichen Bauart (di = 5 cm) geführt wird.

d. Wie sind die Unterschiede zu erklären?

8. In einem Laborrieselfilmapparat wird reines CO2 (DCO2/H2O = 1,5 × 10−9 m2/s)in Wasser bei 20 ◦C absorbiert. Der übergehende Stoffstrom soll unter Verwen-dung der Penetrationstheorie bestimmt werden. Dieser Beschreibungsansatz giltallerdings nur solange, bis die Konzentration der Übergangskomponente 1 % derGleichgewichtskonzentration an der Phasengrenzfläche dort im Film erreichthat, wo die Geschwindigkeit 95 % der Oberflächengeschwindigkeit beträgt.Bis zu welcher maximalen Filmlänge kann die Penetrationstheorie angewendetwerden, wenn die Umfangsbelastung 1,1 m3/(m × h) beträgt?

9. Ein Volumenstrom trockener Luft von 24,8 m3/h soll bei 20 ◦C zu 99 % mitWasserdampf(DH2O/Luft = 2,5 × 10−5m2/s) gesättigt werden. Dazu wird die Luft durch einmit Wasser auf der Innenseite berieseltes Rohr (d = 0,05 m) geführt.Für die Berechnung des Stoffübergangskoeffizienten kann folgende Beziehungnach Gilliland und Sherwood benutzt werden:

Sh = 0,023 Re0,83 × Sc0,44 (2 × 103 < Re < 3,5 × 104)

(0,6 < Sc < 2,5)

a. Welche Rohrlänge wird benötigt?b. Welche Rohrlänge ergibt sich, wenn ein Teilstrom der austretenden Luft, der

genauso groß wie der Zuluftstrom ist, wieder zurückgeführt wird?

10. Ein Rieselfilm soll als Gaswäscher für SO2 (Komponente A) ausgelegt werden.Der Widerstand liegt in der Flüssigphase. Es ist zu untersuchen, ob eine Absorp-tion gekoppelt mit einer Reaktion zweiter Ordnung, also A + B → C (NaOH alsReaktant B), besser oder schlechter ist als die rein physikalische Absorption vonSO2 im Rieselfilm. Dem Wäscher wird kontinuierlich SO2-freies Wasser für denBetrieb des Reaktors zugeführt.

Page 29: Transportvorgänge in der Verfahrenstechnik || Strömung von Flüssigkeitsfilmen

Literatur 385

DatenρH2O = 1000 kg/m3 ρSO2,g = 0,4 mg/m3 = const. ˜MSO2 = 64 kg/kmolδ = 0,5 mm DSO2/H2O = 1,6 × 10−9 m2/s H∗ = 0,126νH2O = 1 × 10−6 m2/s Da = 1000B = 50 m h = 40 m

a. Wie groß ist die Konzentration von SO2 in der Phasengrenzfläche auf derFlüssigkeitsseite (ρSO2f0) für beide Systeme?

b. Wie groß ist die mittlere Konzentration von SO2 am Ende des Films mitReaktion und ohne Reaktion?

c. Wie viel SO2 kann der Luft stündlich entnommen werden? Vergleichen unddiskutieren Sie beide Systeme.

d. Bestimmen Sie den Verbrauch der Komponente B.

Literatur

Allgemein

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AarauBrauer H (1985) Transport Processes in Liquid Films. In: Rehm HJ, Reed G (Hrsg) Biotechnology,

Bd 2. VCH, WeinheimKillion JD, Garimella S (2001) A critical review of models of coupled heat and mass transfer in

falling-film absorption. Int J of Refrigeration 24:755–797

Speziell

Adomeit P, Renz U (2000) Hydrodynamics of three-dimensional waves in laminar falling films. IntJ Multiphase Flow 26:1183–1208

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Brauer H (1956) Strömung undWärmeübergang bei Rieselfilmen, VDI Forsch Heft 457. VDIVerlag,Düsseldorf

Braun D, Hiby JW (1970) Der gasseitige Stoffübergangskoeffizient am Rieselfilm. Chem Ing Tech42(6):345–349

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