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Traum und Wirklichkeit – Ndoto na ukweli · Dort bekommen wir einen neuen Flug nach Dar Es Salaam am nächsten Tag. Das heißt also, eine Nacht in Amsterdam verbringen! ... Mein

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Traum und Wirklichkeit – Ndoto na ukweli abseits der Touristenwege

Tagebuch meiner Reise nach Zanzibar und Pemba im August 2007

Niedergeschrieben von Heidrun Cichon

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Vorbemerkungen

Seit einem Jahr bereite ich mich auf dieses Ereignis vor, meine Reise nach Tanzania. Was habe ich nicht alles an Büchern gelesen, im Internet gestöbert und von anderen gehört! Sogar mit der Sprache, dem Kiswahili, habe ich mich beschäftigt und versucht, sie zu erlernen, was nicht immer einfach war. Nur um alles zu erfahren über dieses Land, das schon seit langem das Ziel meiner Sehnsucht ist. Tanzania! Die Heimat meines geliebten Mannes Muhammed, der Vater meines Sohnes Dirk. - Muhammed hatte in der ehemaligen DDR eine Ausbildung als Anaesthesie-Pfleger absolviert. und musste zurück in sein Land. Aus politischen Gründen hatten wir uns lange Jahre aus den Augen verloren. Nur durch eine glückliche Fügung des Schicksals und der energischen Hilfe einer Freundin kam eine Verbindung wieder zustande. Unser Sohn Dirk besuchte im Jahre 2003 gemeinsam mit seiner Frau seinen Vater in Tanza-nia. Es war das erste Zusammentreffen von Vater und Sohn. Bei seinem ersten Besuch 2006 in Deutschland spürten wir beide, Muhammed und ich, dass unsere Gefühle von damals noch immer in uns schlummerten und durch dieses Wiedersehen neu entflammten. Muhammed ist das zweite Mal wieder hier in Deutschland und wir haben ausgemacht, dass ich ihn diesmal auf seiner Rückreise begleite. Zusammen mit ihm möchte ich den Kontinent Afrika betreten, seine Heimat kennen lernen. Wir wollen zuerst gemeinsam nach Zanzibar und Pemba reisen, seine eigentliche Heimat. Dieser Wunsch schließt schon ein, dass ich das Land noch einmal besuchen möchte. Denn zu Hause ist Muhammed seit langen Jahren im Inneren von Tanzania, in Nkinga in der Provinz Tabora, wo er als Lehrer an der dortigen Missionsschule für Kran-kenpfleger arbeitet. Das soll das Ziel im nächsten Jahr werden. Das Land Tanzania liegt unmittelbar südlich des Äquators und umfasst eine Fläche, die fast dreimal so groß wie Deutschland ist. Das Land ist eine föderale Präsidialrepublik. Die Haupt-stadt ist Dodoma im Inneren des Landes, der Regierungs- und Verwaltungssitz ist aber Dar Es Salaam. Die Staatsflagge wird von einem schwarzen Diagonalstreifen geteilt, der die über-wiegend schwarze Bevölkerung der Bantu darstellt. Dieser Streifen wird auf beiden Seiten umrandet mit gelben Streifen, die den Mineralreichtum des Landes symbolisieren. Die obere grüne Ecke steht für das fruchtbare Land und die untere blaue Ecke für das Meer im Osten des Landes. Bis zur Unabhängigkeitserklärung im Jahre 1961 stand das Land unter britischem Protektorat. Tanzania entstand aus dem ehemaligen Tanganjika und dem Inselstaat Sansibar im Jahre 1964. In Tanzania leben etwa 37 Millionen Menschen, die 130 verschiedenen Volks-gruppen zugehören. Die meisten davon gehören der Bantu-Gruppe an. Dem ersten Präsiden-ten Julius Nyerere ist es zu verdanken, dass eine gemeinsame Sprache, das Kiswahili, diese Völker vereint. Im Gegensatz zu anderen afrikanischen Völkern ist es in Tanzania nie zu Stammesfehden zwischen rivalisierenden Volksgruppen gekommen. Das „Wir-Gefühl“ ist hier sehr stark ausgeprägt und die Menschen betrachten sich in erster Linie als Tanzanier. Die Wirtschaft beruht in der Hauptsache auf dem Agrarsektor. Tanzania gehört zu den ärmsten Ländern der Welt. Viele Menschen leben hier von der Hand in den Mund. Der Tourismus ist erst im Begriff, sich dieses Land zu erschließen.

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18.August 2007, Sonnabend

Heute ist Samstag, unser Abreisetag. Das Gepäck steht abrufbereit und ich bin aufgeregt. Aber Muhammeds Ruhe überträgt sich auf mich und ich werde gelassen. Es wird schon alles schief gehen, so mache ich mir selber Mut. Dirk und Amina bringen uns zum Flughafen von Hannover, wo wir noch sehr viel Zeit haben. Ich bleibe ruhig und freue mich, dass es endlich los geht. Dann der Check-in. Wir haben unsere Koffer getauscht, weil die vielen Geschenke, die wir mitnehmen für die Familie, nicht in den kleinen Koffer von Muhammed passten. Nach der EU-Richtlinie müssen wir auch die Flüssigkeiten und Tuben, die nicht mehr als je 100 ml fassen dürfen, in einen durchsichtigen Beutel tun. Bei der Kontrolle muss Muhammed seinen Gürtel abnehmen. Wir kommen ohne Schwierigkeiten durch die Kontrolle. Die Koffer sind also schon weg. Im Check-in-Room warten wir eine ganze Weile, um dann zu erfahren, dass unser Flugzeug, ein City-Hopper der Niederländischen Fluggesellschaft KLM, große Verspä-tung hat. Also alles wieder retour! Koffer vom Sammeldienst holen und zum Schalter der KLM gehen. Dort bekommen wir einen neuen Flug nach Dar Es Salaam am nächsten Tag. Das heißt also, eine Nacht in Amsterdam verbringen! Das fängt ja gut an! Ich will Dirk und Amina benachrichtigen, die ja schon nach Hause gefahren sind, habe aber kein Kleingeld zum Telefonieren. An einem Automaten erhalte ich eine Rolle mit 10 Cent-Stücken zu 4,- €. Damit gehe ich zum Telefon und benachrichtige Dirk über unsere Lage. Dirk hatte noch am Flugha-fen geunkt, dass wir wohl irgendwo unterwegs übernachten würden. Wie Recht er damit hat-te! Ich bitte ihn, eine SMS mit unserer neuen Ankunftszeit an Muniri in Dar-Es-Saalam zu schicken, der uns dort abholen will. Nach anderthalb Stunden ein neuer Check-in mit der glei-chen Prozedur (wir waren ja wieder draußen im Innenland!). Um 20 Uhr fliegen wir endlich in Richtung Amsterdam-Schiphol. Die kleine Fokker-Maschine ist nur mit 18 Personen be-setzt. Unter uns liegt das Land im hellen Sonnenlicht, später kommen Wolken auf, die die Sicht verhindern. Erst kurz vor Amsterdam lichten sich diese wieder und ich kann das Land erkennen. Die Niederlande sind sehr wasserreich, überall ziehen sich die Entwässerungsgrä-ben an den Feldern und Straßen entlang. Wir kommen von Norden nach Amsterdam herein und landen auf dem Flughafen Schiphol. Bei unserer Landung sehen wir unser Flugzeug, das uns nach Dar-Es-Saalam bringen sollte, abfahren. Schiphol ist ein riesengroßer Flugplatz und wir beginnen mit der Suche nach dem Schalter, der uns angegeben wurde, wo wir ein Hotel bekommen sollen. Mit uns irrt auch ein älteres amerikanisches Ehepaar umher und schließlich finden wir auch diesen Schalter, wo schon eine Menge anstehen. Es sind alles „Gestrandete“, wie wir bezeichnet werden. Es wird jedem von uns ein Care-Paket übergeben und ein Hotel angegeben. Die Fluggesellschaft KLM übernimmt alle Kosten. Muhammed ist sehr aufgeregt und müde von diesem Umherirren und der Ungewissheit. Mit dem Shuttle-Bus gelangen wir zum Hotel „Ibis“, etwa 5 km vom Flughafen entfernt. Bis zur Stadt Amsterdam sind es noch einmal 9 km, lese ich auf einem Hinweisschild. Eine breite Autobahn führt zum Hotel. Im Hotel bekommen wir noch ein Abendbrot, das wir uns am Büffet selbst aussuchen können. Hier sind nur „Gestrandete“, die ihr Abendbrot einnehmen. Auch einen Drink nach Wunsch bekommen wir, wir wählen einen burgundischen Weißwein und lassen ihn uns schmecken. Die zur Verfügung gestellte Telefonkarte, mit der wir kostenlos in alle Welt telefonieren kön-nen, nutzen wir nicht. Wen sollen wir um diese Zeit noch anrufen? Es ist bereits 23 Uhr. Im Care-Paket finden wir alle Dinge, die man für eine Übernachtung braucht: ein T-Shirt zum Schlafen, frische Socken, Seife, Duschgel, Rasierapparat, Zahnpaste und Zahnbürste, Kamm, Creme, Parfüm usw. Wir duschen, ich nehme die erste Tablette gegen Malaria als Vorbeu-gung und dann fallen wir nur noch müde in die Betten. Das Bett ist sehr breit und hat für uns nur eine große Zudecke. Für mich ungewohnt, aber ich sollte mich an diese Art zu Schlafen, unter einer einzigen Decke, in Zukunft schnell gewöhnen.

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Amsterdam: Gestrandet im Hotel „Ibis“ der KLM

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19. August 2007, Sonntag

Wir werden früh wach und beschließen aufzustehen und in Ruhe zu frühstücken. Am Büffet steht wieder alles für uns zur Auswahl bereit. Mit dem Shuttle-Bus, das noch zwei andere Hotels anfährt und alle gestrandeten Fernreisende aufsammelt, geht es zurück zum Flughafen. Ich denke bei mir, wenn so viele Hotelplätze benötigt werden, ist da dieses Zuspätkommen der Flugzeuge Normalität? – Am Flughafen geht wieder die Suche nach dem Schalter los, wo wir unsere Bordkarten bekommen. Nach einigem Hin und Her kommen wir zum elektroni-schen Check-In, wo wir selbst alles am Automaten erledigen müssen. Eine Stewardess hilft uns dabei. Mein Reisepass wird gelesen und ich bekomme die Bordkarte vom Automaten ausgespuckt. Aber den Reisepass von Muhammed kann der Automat nicht lesen (kein EU-Pass). Die Angestellte hilft uns zu einem anderen Schalter, wo wir seine Bordkarte bekom-men. Wir gelangen durch die Passkontrolle und kommen in den großen Bereich, wo die Tran-sitreisenden warten. Hier komme ich mir wie im Supermarkt vor, mit erlesenen Shops und Edelmarken. Das Geld wird den Reisenden schon hier abgeknöpft. Lange Wege führen durch das Gebäude, ehe wir zu unserem Gate E6 gelangen. Hinweisschilder zeigen an, wie lange man braucht, um von einem Gate zum anderen zu kommen. Das kann schon eine Stunde dau-ern. Am Gate E6 warten schon viele Menschen, hier sind es auch viele Schwarzafrikaner, die nach Tanzania und nach Ghana wollen, wie wir auf dem Hinweisschild lesen können. Bald wird zum nächsten Kontrollgang aufgerufen, für uns schon der vierte. Muhammed muss wie-der seinen Gürtel abnehmen, zusammen mit seiner Uhr und seiner Jacke kommt alles in eine kleine Plasteschale. Auch ich muss meine Jacke ausziehen. Handgepäck auf die Rollbahn und ab in die Durchleuchtung. Viele, die feste Schuhe anhaben, müssen diese ausziehen zur Kon-trolle. Viele werden auch abgetastet am Körper, auch Frauen. Uns bleibt diese Prozedur er-spart. Endlich haben wir diese letzte Kontrolle vor dem Flug hinter uns. Die wartende Gruppe ist sehr gemischt, viele sind als Touristen zu erkennen, aber auch Geschäftsleute sind darun-ter, wenige Afrikaner. Durch einen langen Gate-Tunnel gelangen wir direkt in die Maschine, eine Boeing 777 „Audrey Hepburn“. Weil es für uns eine Ersatzmaschine ist, haben wir ge-trennte Plätze erhalten und reden mit einem Engländer, ob er nicht mit uns tauschen würde. Er bleibt etwas stur, will uns wohl nicht verstehen. Ich bitte die Stewardess um Hilfe, die es auch schafft, den Mann zu bewegen, sich auf unseren anderen Platz zu setzen. Wir sind glücklich, endlich zusammen sitzen zu können. Unsere Plätze sind ziemlich hinten und in der Mitte. Pünktlich um 10.40 Uhr rollt die Maschine los. Es geht über den Flughafen Kilimanjaro nach Dar-Es-Saalam, wo wir 21.50 Uhr Ortszeit ankommen sollen. Ich sitze mit Muhammed im Flugzeug und fliege nach Afrika! Es ist mir alles noch so unwirklich und so unglaublich. Von dem Land unter uns sehen wir nichts, die Fenster sind so klein und außerdem sitzen wir in der Mitte. Bald werden Getränke und Essen verabreicht. Man kann immer wieder ein Getränk bekommen. Kopfhörer werden verteilt, damit kann man sich seine Musik aussuchen, die man an einer Schalttafel an seinem Sitz wählt. Die Fernsehmonitore zeigen Reklame und Comics, also nicht sehr interessant. Versuche etwas zu schlafen, was eher ein Duseln ist. Beim Gang zur Toilette kann man mal durchs kleine Bullauge schauen und ich erkenne eine wunderbare Küstenlandschaft (Kroatien). Das Flugzeug ist voll besetzt. Um 15 Uhr ist etwa die Hälfte der Strecke geschafft. Es gibt immer mal wieder etwas verabreicht, Snacks, Eis, Abendbrot. Im Rücken habe ich ein Kissen und zum Schlafen eine Decke. Manchmal laufe ich eine Runde, meine Beine sind o.k. Die Spritzen von Dagmar gegen die Thrombose haben wir nicht ge-nommen. Wir bewegen unsere Füße ab und an, strecken sie aus, da geht es schon. Gegen Abend, um 18 Uhr ist tiefste Nacht! Wir nähern uns ja dem Äquator, wo ein Tagesrhythmus von 12 Stunden Tag und 12 Stunden Nacht herrscht. Schon eine ganze Weile sind wir über Afrika. Kurz nach 19 Uhr Ortszeit, nach 8 Stunden Flugzeit, landen wir auf dem Kilimanjaro-Airport. Ich bin in Afrika! Vom Kilimanjaro, diesem berühmten Berg, ist natürlich nichts zu sehen, was ich sehr bedaure. Hier steigen viele Touristen aus und die leeren Plätze werden in Windeseile von afrikanischen Frauen in ihren bunten Kangas gesäubert. Draußen regnet es in Strömen! Die Frauen ziehen sich leere Plastetüten über den Kopf als sie nach ihrer getanen

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Arbeit wieder aussteigen. Muhammed nutzt die Gelegenheit und telefoniert mit Muniri, unse-rem Mittelsmann in Dar. Er hat die SMS von Dirk nicht erhalten! Aber es ist alles in Ordnung und er fährt jetzt zum Flughafen, um uns abzuholen. Wir wollen uns ans Fenster setzen, rech-nen aber nicht mit dem Schwarm Touristen, der jetzt herein kommt und die freien Plätze be-legt. Wir müssen auf unsere alten Plätze wieder zurück. Macht nichts, man kann sowieso nichts sehen bei dieser Dunkelheit. Das Flugzeug wird wieder fast voll. Bis Dar sind es noch 45 Minuten Flug und wir kommen dort gegen 22 Uhr Ortszeit an.. Nach 10 Stunden Flug sind wir endlich am Ziel. Die Passkontrolle in Dar Es Salaam geht schnell voran, bereits im Flug-zeug erhielten wir die Karten der Immigration Kommission, der Einwanderungsbehörde, mit der ich mich als Tourist für dieses Land anmelde. Auch der Zoll lässt uns in Ruhe, so dass wir schnell in die große Halle des Flughafens kommen. Von der hier wartenden Menschenmenge bin ich fast erschlagen, so viele stehen hier mit Schildern, die Hotels oder ihr Taxi anpreisen. Wir werden auch sofort angesprochen, wohin wir wollen. Muhammed wehrt alle ab und ich halte mich dicht an seiner Seite, ab jetzt übernimmt er die Führung für mich. Er sucht erst einmal seinen Cousin Muniri, den wir dann auch bald entdecken. Er ist in Begleitung einer Frau, einer nahen Verwandten, wie ich später erfahre. Er begrüßt mich in Deutsch! Das hatte ich nicht erwartet und ich bin ganz verlegen. Da wollte ich meine Kiswahili-Kenntnisse an-wenden und nun das! Mir fallen auch in der Schnelle keine passenden Kiswahili-Worte ein. Eine Begrüßung in Kiswahili ist immer ein Ritual und sehr wortreich. Man fragt stets, wie es dem anderen geht und antwortet immer positiv, auch wenn es einem im Moment nicht so gut geht. Dann wird nach dem Befinden der Familie, der Kinder gefragt, wie es mit der Arbeit läuft, wie die Gesundheit ist. Zum eigentlichen Kern der Sache kommt man erst nach diesem oft sehr umfangreichen Fragen. Höflichkeit ist hier oberstes Gebot. - Das Taxi wartet bereits auf uns. Ich erkenne auf dem Parkplatz, dass das Flughafengebäude, das den Namen des ers-ten Präsidenten Tanzanias Julius Nyerere trägt, eine sehr schöne Architektur hat. Das Dach ist dem afrikanischen Stil eines Hauses angepasst. Dar Es Salaam, was soviel wie „Hafen des Friedens“ bedeutet, auch kurz Dar genannt wird, ist die inoffizielle Hauptstadt Tanzanias und somit das Industrie-, Handels-, Bildungs- und Verwaltungszentrum des Landes. Der Großraum der Stadt zählt etwa 3,5 Millionen Men-schen. Die Stadt liegt direkt am Indischen Ozean, was auch das Klima hier prägt. Es ist immer heiß und schwül hier. Vom Flughafen geht es eine breite und schnurgerade Strasse zur Stadt. Hier draußen erkenne ich neue und moderne Gebäude, wohl das neue Geschäftsviertel. Je mehr wir zur Stadt gelan-gen, um so mehr verändert sich der Charakter der Straßen. Eine Nachtfahrt durch Dar-Es-Salaam! Afrika pur! Viele Menschen sind um diese Zeit unterwegs, viele Stände bieten noch ihre Ware an. Mir erscheint alles sehr ärmlich. Noch habe ich das europäische Leben und Denken in meinem Kopf. Ich werde später sehen, dass dies das normale Leben hier sein wird. Und ich lerne schnell, dieses europäische Denken und vor allem das Ziehen von Vergleichen mit unserem Leben zu vergessen. Wir kommen durch Viertel, wo mir doch etwas mulmig wird. Muniris Begleiterin steigt in einem Viertel aus, wo ich nie entlang gehen würde, so armselig ist es hier. Wir kommen bald zu unserem Hotel, dem „Hotel De Mag Ltd“, das sich mitten in einem Wohnviertel von klei-nen Häusern befindet. Wir bekommen ein Zimmer, stellen unser Gepäck ab. Wir fahren noch einmal durch die Stadt und kommen zu Muniris Haus. Es ist ein einstöckiges Haus, wie sie alle hier sind, mit Wellblech gedeckt. Vor dem Haus ein großer Sandhaufen, in den Ecken liegt Unrat. Durch eine schmale Tür kommen wir ins Haus und in einen schmalen Flur, wo wir unsere Schuhe am Eingang ausziehen. Man läuft im Haus nur barfuss, denn das Leben spielt sich in der Hauptsache auf dem Fußboden ab. Hier empfangen uns auch Muniris Frau und seine Kinder, indem jeder seinen Namen nennt. Ich kann mir diese alle gar nicht merken,

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Dar Es Salaam: Hotel De Mag Ltd. im Stadtteil Kinondoni

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einmal sind die Namen fremd in meinen Ohren und ich verstehe sie auch nicht richtig. Ich bin viel zu müde, um noch nachzufragen. Der Flur ist wohl gleichzeitig der Aufenthaltsraum der Familie, wo auch gekocht wird und sich das Leben der Familie hauptsächlich abspielt. Muniri hat vier Kinder, die älteste Tochter ist schon fast erwachsen, dann noch ein Junge und ein Mädchen. Ein kleines Kind, seine jüngste Tochter, etwa anderthalb Jahre alt, schläft in einem Kinderbett unter einer großen Fliegenhaube. Ein Essen erwartet uns in einem angrenzenden kleinen Raum. Nach islamischer Sitte ist das Essen auf dem Boden auf einer Matte angerich-tet. Muhammed stöhnt, denn das ist sogar für ihn ungewohnt und wir setzen uns neben die Matte auf die Erde. Mein Yoga hilft mir hier doch! Es ist nur ein kleiner Imbiss, der aber für uns reichlich ist. Vorher werden erst die Hände gewaschen, aus einem kleinen Krug wird das Wasser über die Hände in eine Schüssel gegossen. Man isst nur mit der rechten, der reinen Hand. Ich esse mit den beiden Männern, Muniri und Muhammed allein. Die älteste Tochter bringt Wasser und Saft zum Trinken noch herein. Es schmeckt uns ausgezeichnet, auch wenn die Sitzhaltung ein wenig anstrengend ist. Wir fahren zum Hotel zurück. Dort genießen wir die Dusche und fallen bald in das breite arabische Bett. Über uns sirrt leise der Ventilator, die Fenster sind dicht zu wegen der Mücken. Meine erste Nacht in Afrika! 20. August 2007, Montag

Ich habe schlecht geschlafen, es ist alles so ungewohnt. Nur eine gemeinsame Zudecke, die aus sehr dünnem Baumwollgewebe ist, aber riesengroß. Außerdem war es recht warm, dann gegen Morgen zu frisch durch den laufenden Ventilator und dazu meine innere Aufregung. Was werden mir die nächsten Tage und Wochen bringen? Wie haben wir schon in Hannover gesagt? Einmal und nie wieder oder immer wieder! Wir werden sehen! Ich ziehe einen langen Rock an, um mich der Mentalität der Menschen hier anzupassen. Das wird sich auch als sehr angenehm erweisen, ein Rock ist eben luftiger in dieser Wärme als eine Hose. Meine Hose habe ich nur während der Überfahrten angezogen und das auch nicht immer. Mit dem Klima komme ich recht gut zurecht. Es ist nicht sehr warm und der Himmel ziemlich mit Wolken bedeckt, die ab und an eine Husche Regen bringen. Dieser Regen löscht nur wenig den Staub von den Straßen, um gleich wieder zu verdunsten. Dazu weht vom Meer her immer etwas angenehmer Wind. Wir frühstücken unten im Restaurant des Hotels, bestellen Ingwer-Tee, der sehr scharf ge-würzt ist, dazu Brot und Marmelade. Das reicht mir am Morgen. Muhammed hat sich überre-den lassen zu einer kuku-supa (Hühnersuppe). Das dauert eine Weile, ehe diese fertig ist. Wir sind beide überrascht, was dann kommt, eine Schüssel mit klarer Brühe und einem Hühner-bein darin. Das am frühen Morgen! Muhammed löffelt aber tapfer seine Suppe und knabbert ein bisschen am Bein herum. Für die kommenden Tage bestellen wir dann zum Frühstück immer nur Brot und Marmelade und Tee, manchmal ein Rührei dazu. Auf dem großen Moni-tor des Fernsehens läuft ein Film ab, der für mich eine Zumutung ist. Es werden zwei Sport-mannschaften, afrikanische Frauen und Männer, gezeigt bei ihrer persönlichen Wäsche, An- und Entkleidung, Schlafen usw. Das erinnert mich fast an diese Pornofilme, die nachts in Deutschland gezeigt werden. So etwas ist in einem Frühstücksrestaurant wohl fehl am Platze. Aber anscheinend bin ich die einzige, die daran Anstoß nimmt. Die anderen Gäste nehmen es gelassen oder schauen gar nicht hin, wie mir Muhammed auf meine Bemerkung hin auch empfiehlt. Wieder eine neue Erfahrung! Muniri ist mit einem Taxi gekommen und wir fahren mit ihm in die Stadt. Zuerst hatte ich mich immer gefragt, woran man hier ein Taxi erkennt, denn solche Aufschriften auf dem Dach wie bei uns, gibt es nicht. Dafür sind auf der vorderen Windschutzscheibe große Auf-kleber mit der Genehmigung angebracht. – Die Stadt Dar Es Salaam ist von der Fläche her riesengroß. Auf den ersten Blick erscheint Dar eher wie eine Kleinstadt. Dieser Eindruck ent-steht von den überwiegend kleinen einstöckigen Häusern, die hier stehen. Je näher man dem Zentrum kommt, ändert sich dieser Charakter aber. Die Häuser werden höher und sind auch in

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einem besseren Zustand. Im Stadtzentrum sehe ich viele bekannte Firmen, die hier ihren Sitz haben. Hier sehe ich alte arabische Gebäude, gut erhaltene Bauten aus der deutschen und bri-tischen Kolonialzeit, moderne Geschäftsstraßen und Hochhäuser. Das alles spiegelt die schnelle Stadtentwicklung wider. Die Stadt gibt sich freundlich und multikulturell. Das drückt sich in der Vielfalt der Bevölkerung mit ihren unterschiedlichen Glaubensrichtungen aus. Da stehen Moscheen neben katholischen Kirchen, Pagoden neben indischen Tempeln einträchtig nebeneinander. - Muniri steigt an der deutschen Botschaft im Stadtzentrum aus, wo er Ver-handlungen für seine Tischlerei durchführen will. Die Innenstadt ist sehr eng und mit hohen Häusern bebaut. Ein Menschengewimmel empfängt uns hier und ein Verkehrschaos, wie mir scheint. Erst beim genaueren Hinsehen merkt man die geordneten Bahnen des Autoverkehrs. Es herrscht Linksverkehr, ein Rest der englischen Kolonialzeit. Dieser Linksverkehr lässt mein Autoherz in manchen Situationen schneller schlagen. Es dauert eine Weile, ehe ich mich daran gewöhnen werde. Bei der Fluggesellschaft Precision Air steigen wir aus und nach kur-zem Warten kaufe ich für Muhammed und Bariki Flugtickets nach Shinyanga. Dieser Ort ist näher zu Nkinga, wo sie wohnen und auf besseren Straßen zu erreichen. Für die Tickets be-zahle ich 171.- US $ (126 €). Ich bin beruhigt, denn ich will nicht, dass Muhammed diese lange und strapaziöse Busfahrt von Dar Es Salaam nach Hause machen muss. Am Hafen wollen wir noch die Tickets für die Fähre nach Zanzibar erwerben. Hier wird kon-trolliert, es darf nicht jeder ins Hafengelände hinein. Wir werden zum Ticketbüro geleitet, das in einer Baracke untergebracht ist. Zwei Frauen verkaufen hier in aller Seelenruhe die ge-wünschten Tickets. Ich werde innerlich richtig kribbelig wegen dieser ruhigen Gelassenheit beider Frauen. Noch bin ich nicht gewohnt, mich diesem Tempo anzupassen. Ich muss mei-nen Pass vorlegen und als Ausländer 35 US$ (26 €) bezahlen, für Muhammed und Bariki be-zahlen wir nur je 16 000 TSh (ca.9 €). Ausländer müssen hier fast immer das Dreifache des Preises mehr bezahlen als die Einheimischen. Mich ärgert das anfangs, aber wenn man diese Armut hier sieht, gibt man sein Geld bereitwilliger. Der tanzanische Staat hat kein Geld. Eine kleine Begebenheit nebenbei unterstreicht diese Misere. Muhammed hat mir erzählt, dass ein Lehrerkollege von ihm angerufen hat und ihm mitgeteilt hat, dass die Abschlussarbeiten sei-ner Studentinnen immer noch nicht korrigiert worden sind. Dies soll zentral in Dar erfolgen. Weil der Staat aber kein Geld hat, seine korrigierenden Lehrer zu bezahlen, bleiben diese Ar-beiten eben liegen. Erst am Ende unserer Reise erfahren wir, dass die Arbeiten doch noch korrigiert worden sind und die Studenten ihre Abschlußdiplome erhalten können. Dar-Es-Salaam ist eine Großstadt und auf dem ersten Blick sehr schmutzig. Es gibt aber teil-weise sehr schöne Gebäude, nicht nur in den Außenbezirken, sondern auch in der City, umge-ben von schönen Anlagen mit alten großen Bäumen und für mich exotischen Pflanzen. Die Hauptstraße führt zum Teil direkt am Meer entlang, das hier einen breiten weißen Sandstrei-fen als Ufer hat, an dem die Fischerboote liegen. Der Hafen ist sehr bevölkert. Es herrscht überhaupt überall ein Menschengewimmel. Dazwischen immer die Autos, die sich hupend ihren Weg bahnen und die Motorräder, die pikipiki. Auch viele Fahrräder, das allgemeine Transportmittel schlechthin, schlängeln sich durch die Menschenmenge. Vorbei am Askari-Denkmal, das zu Ehren der gefallenen afrikanischen Soldaten zur Zeit der deutschen Koloni-alzeit aufgestellt wurde, fahren wir zurück in den Stadtteil Kinondoni, wo unser Hotel und die Wohnung von Muniri liegen. Im Hotel angekommen, setze ich mich auf den kleinen Balkon unseres Zimmers und beobachte die Menschen auf der Straße. Alles ist mir ja neu und ich will viel sehen und kennen lernen. Es ist Schulschluss, was ich an den vielen Kindern sehe, die in ihrer blau-weißen Schuluniform nach Hause eilen. Hier erkenne ich bereits den Unterschied zwischen den Schulformen. Die staatlichen Schulen haben eine Uniform, die aus einer blauen Hose oder Rock bestehen mit einer weißen Bluse. Bei den islamisch orientierten Schulen tra-gen die Mädchen dazu noch einen weißen Schleier um ihren Kopf, der bis über die Schultern

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Dar Es Salaam: Das Hotel inmitten einer Wohnsiedlung

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Im Hof wird gekocht -

- Spielplatz in der Wohnsiedlung

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reicht. Ihre wenigen Schulsachen tragen die meisten Kinder in einer Plastetüte. Auffallend sind die Frauen und Mädchen in ihren bunten Kangas, die ich immer wieder bewundere. Kan-gas sind große Tücher, die um die Hüften und die Schultern geschlungen werden, wohl ge-merkt ohne Knöpfe oder Bänder. Dieses Verschlingen der Tücher ohne ein Verrutschen zu riskieren, ist eine Kunst, die schon die kleinen Mädchen erlernen. Die Kangas haben sehr schöne bunte Muster und tragen oft eine Inschrift darauf, die den Mitmenschen mitteilt, was die Frau sagen will. Mit den Kangas drücken die Frauen auch ihre Gefühle aus. Ich komme später noch einmal auf dieses Kleidungsstück zurück. Manche Frauen tragen kunstvolle Frisu-ren, aus vielen kleinen Zöpfen geflochten oder gedreht, mit Perlen versehen. Wie lange sie da wohl daran gearbeitet haben? Viele der Männer haben ihr Haupt glatt rasiert (wie Muhammed auch, als er in Deutschland ankam). Alle haben einen gelassenen Gang, der für europäische Verhältnisse mit seiner Hektik eher schlendrig wirkt. Ich begreife aber schnell, warum diese langsame Art zu Gehen sinnvoll ist, in dieser Hitze kann man nicht schnell laufen, auch so läuft einem der Schweiß genug hinunter. Der Kopf ist auch das beste Transportmittel! Es wird fast alles auf dem Kopf getragen. Dazu wird ein kleines kreisrundes Polster untergelegt und schon kann die Schüssel oder der Koffer oder eine Bananenstaude auf dem Kopf balanciert werden. Das sieht manchmal ganz schön gewagt aus und ich bewundere diese Frauen in ihrem stolzen aufrechten Gang, wie sie dieses Kunststück fertig bringen. Schon kleine Kinder tragen ihre Lasten so auf dem Kopf. Das andere wichtige Fortbewegungsmittel ist das Fahrrad (baiskeli), mit dem ganze Lasten transportiert werden oder als rollendes Ladengeschäft ge-nutzt werden. Frauen sitzen übrigens auf den Motorrädern und den Fahrrädern hinten auf dem Gepäckträger im Damensitz, also seitwärts. Ihre langen Kleider verbieten eine andere Sitzhal-tung. Es sieht schon manchmal komisch aus, der Sturzhelm und darunter ihr alles verhüllen-der Kanga. Mir fallen die vielen Krähen auf, eine etwas kleinere Art als die unsere, mit grauem Halsge-fieder. die durch ihr ständiges laute Gekrächze auf sich aufmerksam machen. Man kann diese Krähen als die Hygiene-Polizei bezeichnen. Denn sie vertilgen alles, was noch irgendwie fressbar in dem Unrat ist, der hier umherliegt. Im Unrat picken auch die mageren und hoch-beinigen Hühner umher. Wenn ich diese ruppigen Hühner sehe, vergeht mir der Appetit an kuku-Fleisch. Das Wetter hält sich bedeckt und es ist auch windig, was eine leichte Abkühlung bringt. Die Sonne zeigt sich wenig und es sind nur 25° C. Das ist für mich prima zum Akklimatisieren. Dazwischen gibt es immer mal wieder einen schnellen Regenguss, der ebenso schnell wieder auf der warmen und trockenen Erde verdampft Wir sind zum Essen bei Muniri einge-laden. Im Wohn-Flur ist wieder die ganze Familie versammelt, die Schwester von Muniris Frau hilft beim Kochen. Ich fotografiere diese für mich malerische Szene, wie sie alle auf dem Boden sitzen. Die jüngs-te Tochter wird von dem ältesten Mädchen liebevoll auf ihren Beinen gewiegt. Das kleine Mädchen ist ein bisschen weinerlich, es bekommt Zähne. Daher wehrt sie sich, als ich sie streicheln will. – Gekocht wird auf kleinen Metall- oder Keramiköfen, die auf der Erde stehen und mit Holzkohle beheizt werden. Muniris Frau hat aber auch einen elektrischen Herd in der Ecke stehen, wie ich sehe. Die Töpfe stehen direkt über der Glut. Es gibt aber auch diese gleichen

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Öfen mit Kerosin. Das Essen wird wieder im kleinen Raum eingenommen wie gestern A-bend. Diesmal isst auch seine Frau mit uns, alle wieder auf dem Boden sitzend. Das Essen ist reichlich in vielen Schüsseln angerichtet. Es gibt einen riesigen Berg an gewürzten Reis, dazu geräucherten Fisch und Rindfleisch (wie Gulasch zubereitet), gekochte Kartoffeln, gekochte Gemüsebananen (schmecken wie Salz-Kartoffeln und ich bin enttäuscht!), eine Art von Spi-nat mchicha als Gemüse, das im ganzen Blatt gekocht ist (wird bald zur Lieblingsspeise von mir), dazu verschiedene Soßen. Bananen und Melone als Nachtisch. Als Getränke gibt es Tee, Wasser (Sorte „Kilimanjaro“) und Avocadosaft. Wieder vorher das obligatorische Händewa-schen! Es schmeckt ausgezeichnet und wir lassen es uns munden, auch wenn die Sitzhaltung auf dem Boden anstrengend mit der Zeit wird. Auch muss man aufpassen, nichts vom Essen auf seinen Rock zu verschütten. Gar nicht so einfach! Ich beobachte aber, wie Muniri und seine Frau das machen und mache es ihnen nach, nehme eine etwas bequemere Haltung ein und stütze mich mit der „unreinen“ linken Hand auf dem Boden ab. So geht es viel besser.

Muniri und sein Geselle

Muniri ist Tischler und ein Künstler dazu. Er fertigt nach eigenen Entwürfen und Skizzen diese herrlichen Sansibar-Türen und Truhen an, die aus geschnitztem Holz entstehen. Auch Betten, Kamine, Schränke usw. entstehen unter seiner Anleitung mit Hilfe von drei Gesellen. Die Truhen haben manchmal Messingbeschläge. Draußen vor dem Hause ist unter einem Dach die Werkstatt. Hier arbeitet ein Geselle an einer Deckelplatte für eine Truhe. Ich erken-ne noch die Bleistiftzeichnung, von Muniri eigenhändig aufgebracht, nach der der junge Mann das Muster mit verschieden großen Beiteln herausarbeitet. Es wird wirklich ein schö-nes Stück werden. Muniri zeigt mir noch seine Abstellkammer, wo er halb fertige Dinge aufbewahrt. Mir gehen die Augen über. Diese herrlichen Schnitzerei-Arbeiten! Am liebsten würde ich mir etwas aus-suchen, wenn das alles nicht so groß für einen Transport wäre! Da sehe ich Schränke und Bettgestelle mit diesen wunderbaren Schnitzereien, auch einen fertigen Kamin, der nur noch gebeizt werden muss. Solche Kamine stellen sich reiche Leute in ihre Häuser, versehen mit einer elektrischen Imitation eines Feuers. Muniri arbeitet für die ausländischen Botschaften auf Bestellung und verdient dabei ganz gut. Daher auch heute diese Verhandlung in der deut-

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Arbeiten für eine Sansibar-Truhe

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schen Botschaft, wo noch andere Länder der Europäischen Union ihre Botschaften haben. Heute hat er mit Finnland verhandelt, wie er uns stolz mit einer Visitenkarte beweist. Im Schlafzimmer hat er noch eine besondere Überraschung parat. Wir setzen uns auf das große Bett, das fast den ganzen fensterlosen Raum einnimmt, und ich sehe an der ganzen Breitseite der Wand vor uns ein Bild in Ölfarben, das in seiner Aussagekraft einmalig ist. An diesem Bild hat er 12 Jahre gearbeitet. Umrahmt wird das ganze Bild von einem geschnitzten Holzrahmen. Muniri erzählt mir eindringlich die Geschichte des Bildes. Es stellt die Tier- und Pflanzenwelt Tanzanias dar. Er erzählt mir von jedem Tier eine Geschichte. Im Vordergrund steht eine Gruppe von Straußen, das sind die Wächter der Savanne, daneben ein Nashorn, mit seiner Weisheit der eigentliche Herrscher über die Tierwelt (nicht der Löwe, der nur frisst). In einem kleinen Weiher steht ein Regenpfeifer, mit seinem langen gebogenen Schnabel holt er aus einem Baumstumpf die Insekten und Maden, hält so die Natur gesund. Dahinter sieht man die Gazellen, die schnellen Läufer und die Zebras. Große Bäume geben Schatten über die Tiere. Über allem aber thront der Kilimanjaro, der Berg und Wahrzeichen von Tanzania, der Sitz von Mungu, der Gott, der über das Land und seine Bewohner wacht. Mir gefällt diese

Geschichte und ich bewundere diese Arbeit sehr. Auch den Rahmen hat er selbst geschnitzt. Um dieses große Gemälde zu fotografieren muss ich ganz zurück auf dem Bett rutschen. Vor dem Bild steht ein großer niedriger Tisch, ebenfalls mit Schnitzereien versehen. Das verwen-dete Holz ist meist aus Hartholz (Mninga). Welche Kostbarkeiten in dieser in unseren europä-ischen Augen armseligen Hütte! Schon aus diesem Grunde muss ich schnell lernen, meine europäischen Vorbehalte und Denkweise abzulegen. Wir fahren zurück ins Hotel und essen etwas zum Abendbrot. Hier geht bereits nach 18 Uhr die Sonne unter und es wird stockfinster. Es gibt keine Straßenbeleuchtung, obwohl Laternen

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da sind. Der Staat kann sich einfach diesen Luxus nicht leisten. Viele Häuser haben außen Leuchtstoffröhren, die den Weg zeigen. Abends wollen wir auch nicht mehr auf die Straße gehen, schon wegen der Mücken, die in der Dunkelheit kommen. Der Boiler wird angeheizt und wir duschen. An das Zähneputzen mit Mineralwasser muss ich mich auch erst gewöhnen. Aber das lernt man schnell und ich achte später darauf, immer eine Flasche mit Mineralwasser parat zu haben. Der Ventilator summt wieder und bringt uns leichte Abkühlung. Man muss hier früh zu Bett gehen! 21. August 2007, Dienstag

Ausgeschlafen setzen wir uns ans Frühstück, diesmal nur mit Brot und Butter, Jam und Tee. Auf dem Balkon warten wir dann auf unser Taxi mit Muniri. Heute wollen wir nach Zanzibar hinüber fahren. Einen Koffer haben wir gestern schon zu ihm gebracht, der alle Geschenke und manche persönlichen Sachen von Muhammed zum Inhalt hat. Den wollen wir nicht wei-ter mitnehmen auf unserer Reise. Zanzibar besteht aus den Inseln Unguja (Sansibar) und Pemba, gehört zur Vereinigten Repu-blik Tanzania, hat aber einen halbautonomen Status. Hauptstadt ist die Stadt Zanzibar. Die Einwohnerzahl beläuft sich auf etwas über 1 Millionen und besteht zu 75 % aus Bantu-Angehörigen, der Rest setzt sich aus arabischen und indischen Ursprung zusammen. 99 % der Bevölkerung sind moslemischen Glaubens, daraus ergibt sich ihre Lebensweise und Kultur, die sich mehr an das Arabische hält. Auf den ersten Blick scheint es, als sei die Zeit hier ste-hen geblieben. Zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang wartet man bis der Muezzin zum Gebet ruft und das fünfmal am Tag. Dazwischen wartet man und das ist hier ein beliebter Zeitvertreib. Zeit bedeutet kein Geld, sie ist hier umsonst. Man lebt mit den Gezeiten des Meeres. Pünktlichkeit und Genauigkeit spielen dabei keine Rolle. Hier funktioniert alles, nur eben anders als wir Europäer es gewohnt sind. Warum sollte man das ändern? Die Inseln von Zanzibar bestehen aus Korallenriffschollen mit sandigen und fruchtbaren leh-migen Böden und sind Teil eines dem Festland vor gelagertem Korallenriff, das als Tauchge-biet einen hervorragenden Ruf hat. Die Inseln liegen etwa 40 km vom Festland entfernt. Un-guja hat eine Länge von 86 km und die breiteste Stelle beträgt 39 km (1666 km²). Pemba er-innert an einen ausgefransten Halbmond und ist 68 km lang und 23 km breit (988 km²). Zum Vergleich: die Insel Rügen hat 926 km². Zu dem Archipel gehören noch weitere 50 kleinere Inseln. Die Nähe des Äquators bedingt, dass hier stets ein feuchtes und heißes Klima herrscht. Zanzibar spielte in der Geschichte der Seefahrt eine große Rolle. Die Araber entdeckten sehr früh diese Inseln für ihre Handelszwecke. Die phantastischen Geschichten von 1001 Nacht spielten sich hier ab, denn Sindbad der Seefahrer ging hier regelmäßig an Land. Die damali-gen Schiffe, die arabischen Daus, werden noch heute hier von den Fischern benutzt Zur Ver-ständigung zwischen den Händlern unterschiedlicher Länder entwickelte sich das Swahili als gemeinsame Sprache. Das heißt nichts anderes als „Küstenbewohner“. Später eroberten die Sultane aus dem Oman diese Insel und führten hier nicht nur ihre Handelsgeschäfte durch. Sie ließen die Wälder der Inseln roden, um darauf Nelkenplantagen anzulegen. Aus dieser Zeit stammt der Ruf der Inseln als Gewürzinseln. Zanzibar wurde von den Sultanen aber auch zum Umschlagplatz des Sklavenhandels genutzt und das in großem Stil. Zanzibar wurde zum größ-ten Umschlagplatz von Waren und Sklaven an der afrikanischen Ostküste. Erst 1873 wurde der Sklavenhandel verboten, aber heimlich weiter geführt. Einige Sklavenhöhlen künden noch heute von dieser Zeit. Auf dem Platz des Sklavenmarktes wurde eine anglikanische Kirche gebaut und der Altar steht an der Stelle, wo einst der Prügelbock stand. 1890 wurde Zanzibar zum britischen Protektorat erklärt. Die indische und arabische Bevölkerung wurde in dieser Zeit mit ihrem Handel sehr reich und bildete eine gewisse Oberschicht. 1957 fanden die ersten freien Wahlen statt. Im Dezember 1963 erhielt Zanzibar von den Briten die Unabhängigkeit. Im Januar 1964 eskalierte die angestaute Wut der schwarzen Bevölkerung in einem furchtba-

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ren Gemetzel an dieser Oberschicht. Am 14. Januar 1964 wurde die Volksrepublik Zanzibar ausgerufen mit Karume als erstem Präsidenten. Am 26. April 1964 erfolgte dann der Zusam-menschluss mit Tanganjika zu Tanzania. . Um mir die Zeit zu vertreiben, setze ich mich auf den Balkon und beobachte, wie eine Frau auf der Straße Unrat verbrennt. Dort scharren dann die Hühner und Krähen, daher gibt es so viele davon. Es kommt auch ein Auto, das den Müll vom Hotel und einigen anderen Häusern mitnimmt, die es sich leisten können. In offenen geflochtenen Körben wird der Unrat mit den Händen eingefüllt und zum Auto gebracht. Dort sortiert mit bloßen Händen ein Mann die Plaste aus und schüttet den Inhalt des Korbes auf den Haufen, der schon dort liegt. Mich schüttelt es innerlich, wenn ich das sehe. Afrika muss noch viel lernen, denke ich. Und ich auch!

Händler mit ihren Fahrrädern eilen vorbei. Es wird mit allen möglichen und Unmöglichen Dingen gehandelt. Alles, was nur irgendwie erübrigt werden kann, wird zum Kauf am Stra-ßenrand angeboten. Oft sind es Kinder, die die Ware feil halten. Ich beobachte, wie Frauen und Kinder Wasser holen (oft die Kanister oder Eimer auf dem Kopf!). Das Wasser wird an zentralen Zapfstellen geholt, wie es bei Muniri z. B. gleich an der Ecke ist, mit einem Becken als Brunnen und wird zum Waschen benutzt. Zum Trinken wird es abgekocht oder man nimmt das Mineralwasser aus den Flaschen. Auf den Dächern vieler Häuser stehen große schwarze Wassertanks, auch in der City, und das nur bei „besseren Leu-ten“, die mit Pumpen eine Wasserleitung im Hause ermöglichen. Zwischen den niedrigen Häusern stehen große Satellitenschüsseln für den Fernsehempfang. Die Technik hält eben auch hier ihren Einzug. Apropos Technik! Auffallend sind die vielen Handys, mit denen fast alle hier telefonieren. Das ist das eigentlich Verständigungsmittel untereinander und davon wird reichlich Gebrauch gemacht. Mir fällt wieder diese gelassene langsame Art des Gehens auf, mit denen alle hier entlang gehen. Es erinnert mich an meinen Enkel David, genauso lang und schlaksig. Daher auch die-ses langsame Gehen bei Muhammed, an das ich mich in Deutschland nur schwer gewöhnen konnte. Pole pole, langsam, langsam, das ist hier die Devise. Ich beginne, vieles zu begreifen und die afrikanische Mentalität zu verstehen und vor allem mich daran zu gewöhnen. Muniri holt uns mit einem Taxi ab und wir fahren zum Hafen, zur Anlegestelle der Fähren und Schnellboote. Wieder müssen wir durch die Absperrung durch, indem wir unsere Tickets zeigen. Muniri darf nur bis zur nächsten Absperrung mit. Er trägt meinen Koffer. An der Ab-sperrung, die unmittelbar zum Anlegesteg führt, wird eine Kontrolle wie am Flughafen durchgeführt. Das heißt, alles Handgepäck muss geöffnet werden und der Inhalt wird kurz befühlt. Die Männer und auch manche Frauen werden mit Detektoren abgetastet, auch ich muss mich dieser Prozedur unterziehen. Auch meinen Koffer muss ich öffnen, um eine kleine Handkontrolle durchzuführen. Dazu wird der Inhalt nur kurz befühlt. Es ist alles in Ordnung und ich kann meinen Koffer wieder schließen. Das kostet mich einige Mühe und dabei brau-che ich die Hilfe von Mohd, der den Reißverschluss zusammenhält und ich ziehe. Schließlich ist auch das bewerkstelligt und wir können uns in die Reihe der vielen Wartenden einreihen.

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Hier herrscht dichtes Gedränge und ein buntes Gemisch an Leuten kommt immer mehr dazu. Da sehen wir Einheimische, Araber, Inder und europäische Touristen. Viele junge Leute, Rucksackreisende wie man so sagt, sehe ich hier. Es werden so viele, dass ich denke, die kön-nen unmöglich alle in diesem Schiff Platz finden. Träger mit Gepäck laufen zwischen den Wartenden hindurch und bringen ihre Fracht schon an Deck. Dann können wir endlich an Bord gehen. Auf dem Ticket, das wie ein Flugticket aussieht, steht unsere Platznummer, die sind uns also sicher. Wir erhalten Plätze unter Deck am Fenster, wenigstens was. Unser Gepäck haben wir zwischen uns gestellt. Langsam füllt sich das Schiff. Neben uns nimmt eine indische Fami-lie Platz, zwei junge Mädchen und ihr Vater. Sie wer-den unruhig, weil sie ihre Mutter noch vermissen. Schließlich taucht auch diese dann auf, um wieder zu verschwinden. Sie geht aufs Oberdeck an die frische Luft. Ich nehme vorsichtshalber meinen Reisekaugummi, der gegen Reiseübelkeit helfen soll. Man kann ja nicht wissen, was einem auf See erwartet. Mir fällt ein älterer Mann auf, der be-waffnet mit einem Schreibblock Ausschau hält. Dann weiß ich, was er sucht. Als ein junger Mann eine Aufnahme seiner Partnerin macht, wird er verwarnt und muss Strafe zahlen. Die scheint nicht unerheblich zu sein, denn der junge Mann zieht ein verdrießliches Gesicht ehe er unwillig zahlt. Aber der Herr Beamte ist unerbittlich. Mit 20 Minuten Verspätung legt die „Sea Star II“, ein modernes Schnellboot, ab und läuft aus dem Hafen aus. Der Hafen von Dar Es Salaam liegt geschützt innerhalb einer Bucht. Das Meer, der Indische Ozean, ist ruhig und die tanzanische Küste noch in Sicht. Auf einem kleinen Monitor läuft ein James-Bond-Film in Englisch. Dank meines Reisekaugummis, mit dem ich die Schaukelei des Schiffes aushalten will, schlafe ich ein wenig. Die Küste verschwindet aus unserer Sichtweite und wir haben nur noch Meer und Himmel um uns. Nach 2 Stunden ist die Insel Unguja, die wir als Zanzibar bezeichnen, in Sicht. Ich bahne mir durch das Gepäck und die Menschen den Weg nach oben aufs Vorderdeck. Endlich frische Luft und eine kühlende Brise! Das Vorderdeck ist voller Gepäck, hierher wurde das alles also gebracht, und liegt wirr durcheinander. Dazwischen vie-le Packen mit Toastbrot, eingehüllt in blauer durchsichtiger Plaste.

Eine erste kleine Insel zieht vorbei, dicht mit Pal-men bewachsen und einem kleinen Leuchtturm. Weißer Sandstrand leuchtet dazwischen hervor. Idyllisch, denke ich. Dann erscheint die Silhouette von Stone Town, wie ich sie von Fotos her kenne. Das Schiff fährt entlang der Küste und die Stadt Zanzibar zieht an uns vorbei bis wir im Hafen anle-gen. Sofort herrscht wieder ein Gedränge auf dem Schiff. Jeder will so schnell wie möglich diesen schwankenden Boden verlassen. Ich bin froh, alles gut überstanden zu haben. Im Hafen wieder dieses bekannte Gedränge und dieses Gefeilsche um die

Ankommenden. Jeder bietet jedem seine Dienste an. Muhammed geht eine Seitenstraße im

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Zanzibar – Stone Town

Hafen zum Ausgang, quer durch die Lagerhallen des Hafens. Hier lungern etliche Hafenarbei-ter herum und mir wird wieder mulmig zu mute. Wo soll das hier hingehen? Schließlich kommen wir zum Hafenausgang, wo wir wieder durch eine Kontrolle müssen. Alle Ausländer müssen ihre Pässe zeigen und erhalten von der Emigration Kommission eine Karte zu Statis-tikzwecke für die Einreise. Für die Ausreise erhalte ich gleich eine dazu. Von Bariki und den ZECO-Leuten, die uns abholen sollten, keine Spur. Muhammed wird daher unruhig und tele-foniert und sucht die Menge ab. Dann gibt auch noch das Handy seinen Geist auf! Vergessen aufzuladen! Diese Aufdringlichkeit der Leute, die ihre Dienste anbieten, geht mir etwas auf die Nerven, auch Muhammed. Er lässt sich von einem älteren Taxifahrer überreden und wir steigen in sein Taxi ein. Ich bin froh, diesem Gedränge zu entkommen und vertraue auf diesen Taxifahrer. Schnell sind wir aus der Stadt heraus und auf einmal hält der Taxifahrer an, an-geblich weil er eine Pinkelpause machen will. Nach 20 Minuten, in denen sich nichts tut, wird es mir zu bunt und ich steige aus und Muhammed fragt die jungen Leute, die hier he-rumstehen, was los ist. Da erfahren wir den wahren Grund. Das Auto hat kein Benzin mehr! Der Fahrer ist also nach Diesel suchen gegangen. Dann erscheint schließlich der Fahrer mit einem kleinen Kanister, der höchstens zwei Liter fasst und füllt den Tank auf. Ich schaue auf den Tankomat und denke, das reicht wieder nur für wenige Kilometer! Weiter geht es und nach 5 Minuten sind wir im Stadtteil Bububu und der Siedlung von ZECO. Das ist die Elekt-rogesellschaft von Zanzibar, die hier für die Familien ihrer Mitarbeiter eine Siedlung mit klei-nen Häusern im Bungalowstil errichten ließ. Wir halten vor einem solchen Haus, das ver-schlossen ist. Muhammed sucht Leute, die uns Aufschluss geben können, wo Bariki stecken könnte. Denn irgendwo hier muss er schon eine Woche vor uns eingetroffen sein. Er sollte ja alles für unsere Ankunft vorbereiten. Ich stehe mit unserem Gepäck da wie verloren, wäh-renddessen Muhammed herumfragt und sucht. Kinder und Jugendliche beobachten mich neu-gierig. Schließlich gehen wir in ein Haus gegenüber, wo zwei Frauen gerade eine Schar klei-ner Kinder abfüttern. Die Kinder sitzen auf der Erde und essen mit bloßen Händen aus einer gemeinsamen Schüssel ihren Reis. Jeder hat eine kleine Schüssel mit Wasser und einen klei-

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nen Becher, mit denen sie sich nach dem Essen ihre Hände begießen und säubern. Ich schaue, wie geschickt sie das schon machen. Wir werden gebeten, auf einem Sofa Platz zu nehmen. Größere Mädchen geben mir die Hand, begrüßen mich mit jambo oder karibu, um sich dann vor mir auf die Erde zu setzen und mich staunend anzusehen. Ich danke ihnen mit asante und lächle ihnen zu, beschämt senken sie ihre Augen. Die kleineren Kinder bestaunen mich in respektvoller Entfernung. Jetzt weiß ich, wie es ist, Weißer unter Schwarzen zu sein. Eine Frau unterhält sich mit Muhammed und fragt ihn auch über mich aus, soviel verstehe ich aus ihrem Gerede doch. Endlich erscheint Bariki, noch sehr scheu begrüßt er uns beide. Muham-med ist ein wenig ungehalten, wir erfahren aber den Grund, warum er uns nicht gleich getrof-fen hatte. Es sind zu viele watotos (Kinder) hier im Hause und wir würden hier keine Ruhe haben. Daher hat er versucht, woanders eine Unterkunft zu finden. Wir lassen unser Gepäck erst einmal hier und wandern etwa eine Viertelstunde durch die Siedlung und angrenzende Äcker zu einem Hotel an der Hauptstraße von Bububu. Der Mann der Frau, die Muhammed so ausfragte, begleitet uns. Das Hotel hat eine große Auffahrt, die bewacht wird. Uns wird das Tor geöffnet, nachdem wir unser Begehr angegeben haben und wir dürfen hinein. Im „Mtoni Marine“-Hotel können wir zwischen drei Möglichkeiten wählen. Wir entscheiden uns für ei-nen Bungalow, der direkt am Strand liegt und können sofort einziehen. Das Hotel liegt mitten in einer herrlichen Anlage, die mir wie ein botanischer Garten vorkommt und direkt am Strand. Leider kennt Muhammed keine Namen der Pflanzen und Bäume, die hier wachsen und ich kann nur raten, was sie sind. Direkt vor dem Bungalow befindet sich der Swimming-pool des Hotels, der besonders von Kindern in Anspruch genommen wird. Der Bungalow ist für vier Personen, hat zwei große Zimmer, eine Veranda und ein Bad. In einem begehbaren Schrank können wir unser inzwischen gebrachtes Gepäck und unsere Sachen lassen. Sogar ein Kühlschrank ist vorhanden. Es scheint alles in Ordnung zu sein und vor allem es ist sauber! Ich bin froh, hier zu übernachten statt in dieser Siedlung. Wir stellen dann fest, dass die inne-ren Zwischentüren nicht schließen. Der „fundi“ macht das morgen!

Mtoni Marine Centre - Rezeption

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Wir schauen und ein wenig um und an der Rezeption, wo wir uns eintragen, kann ich auch kostenlos an den PC und ins Internet. Ich schicke eine E-Mail an Dirk ab. Die Tastatur ist englisch und daher ungewohnt (das Z und Y sind vertauscht) und der Computer auch ziemlich langsam. Aber wenigstens kann man hier seine Lieben zu Hause benachrichtigen. Wir bezahlen für drei Tage 180 US$ (135 €) mit Frühstück, für meine Begriffe recht viel. Weitere drei Tage wollen wir noch bleiben und sollen dann andere Zimmer bekommen. Da wir seit heute morgen 8 Uhr noch nichts gegessen haben und jetzt schon 17 Uhr ist, gehen wir in das Restaurant. Wir wählen alle drei wali na samaki (Reis mit Fisch). Das Restaurant ist nach allen Seiten hin offen, dunkle Holzstühle laden zum Sitzen ein. Hier ist auch das einzige Sushi-Restaurant der Insel. Der Blick geht hinaus aufs Meer und den Himmel, der beginnt, sich rötlich in der Abendsonne zu färben. Nach dem Essen machen wir noch einen Spazier-gang durch die herrliche Anlage und am Strand entlang. Morgen werde ich beginnen, hier zu fotografieren. Die Abendsonne färbt den Himmel immer weiter rot, ein herrliches Schauspiel. Von der Veranda aus kann ich das sehr gut bewundern. Später werde ich sehen, dass die Son-ne jeden Abend den Himmel so rot färbt und ich stehe immer wieder bewundernd vor diesem Naturschauspiel. Auf der Veranda kommen mit der schnell einsetzenden Dunkelheit die ers-ten Mücken. Daher schnell ins Haus und die Tür zu. Die Dunkelheit kommt in diesen Breiten schnell, bereits nach 18 Uhr färbt sich der Himmel rot, um dann gegen 19 Uhr stockdunkel zu sein. Gegen Morgen ist es umgekehrt, ab 6 Uhr wird es allmählich hell, gegen 7 Uhr brennt die Sonne bereits erbarmungslos. Um die Mittagszeit zieht man sich am besten ins schützende Haus zurück, denn dann brennt die Sonne am heißesten. Auf Zanzibar und Pemba hatten wir stets um die 30° C. Hier am Äquator steht die Sonne fast senkrecht und es gibt wenig Schat-ten. Nur die großen Bäume und eben die schützenden Dächer bieten den Menschen den er-sehnten Schatten. Gegen halb acht Uhr abends bekommen wir noch Besuch von Seif, einem Cousin von Mu-hammed, der ebenfall bei ZECO arbeitet und in dieser Siedlung wohnt. Er lädt uns ein, mit seinem Auto in die Stadt zu fahren. Ich creme mir schnell den Mückenschutz auf meine Ar-me, das Gesicht und den Hals und ziehe eine lange Hose an. wir fahren bis zum Forodhani-Garden im Zentrum der Stadt und direkt am Meer gelegen. Hier ist abends der Treffpunkt der Menschen, Einheimischer wie Touristen. Denn hier werden abends die vielen Grillstände auf-gebaut, an denen man die herrlichsten kulinarischen Genüsse bekommen kann. Und das vor allem sehr preiswert und reichlich. Besonders die fangfrischen Produkte des Meeres werden hier in Hülle und Fülle angeboten. Da gibt es die unterschiedlichsten Fische, an Grillstäben gespickt, Kalmare und Octupusse, Garnelen, chapati (Fladen), sambusa (gefüllte Fleischta-schen), mishkaki (gegrillte Fleischspieße) usw. Die Auswahl fällt schwer. Leider haben wir heute schon gegessen, so schauen wir nur das Angebot der Stände an und laufen durch die Menschenmenge hindurch. Erstaunlich, wie viele hier noch sitzen und schlemmen. Da wird aber noch viel mehr angeboten, wie gepressten Zuckerrohrsaft, vor dem wir aber gewarnt werden. Besonders für meinen europäischen Magen soll das nicht bekömmlich sein. Ich ver-spüre auch kein Verlangen nach diesem süßen Zeug. Aber Obst und Getränke jeder Art lo-cken heraus. Dazwischen bieten hoch gewachsene Maasai, die schon durch ihre schlanke und schmale Größe und eingehüllt in ihre roten Decken in der Menschenmenge auffallen, ihre Ware an, aus bunten Glasperlen kunstvoll zusammengesetzte Armbänder und –Reifen, Ge-schmeide, Ebenholschnitzereien, die wunderbar aussehen. Andere bieten diese bekannten Sansibartruhen, Rahmen und Holzschnitzereien an. Auch wunderbarer Silber-Schmuck oder aus schwarzen und weißen geschnitzten Perlen ist hier zu finden. Ich kann mich kaum satt sehen an diesen Arbeiten. Es ist ein überwältigendes Angebot, von denen besonders die Tou-risten rege Gebrauch machen und um die Ware feilschen. Meine Männer drängen aber weiter. An einem kleinen Stand essen wir einige Scheiben Wassermelone, die erfrischend und durst-löschend für alle sind. Auch hier gibt es keine Straßenbeleuchtung und wir bahnen uns den Weg durch das dunkle Gelände, das nur von den Holzfeuern der Grillstände und einigen

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Mtoni Marine Centre: Mcheza Sports Restaurant und Spielplatz

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Mtoni Marine Centre: Unser Bungalow, davor der Swimmingpool

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Mtoni Marine Centre – Restaurant und Strand

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Mtoni Marine Centre – wie ein botanischer Garten

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Petroleumlampen erleuchtet wird. In einer Nachtfahrt (warum ist immer die erste Fahrt nachts?) geht es vorbei am Sultanspalast, dem House of Wonders und der Festung in die Stadt zum Bwawani-Hotel. Dieses Hotel wurde 1972 als das allererste neu erbaute Hotel auf Zanzi-bar nach der Revolution eröffnet. Von diesem Glanz ist noch das große, heute leere Schwimmbecken erhalten. Auf der großen Dachterrasse finden alljährlich die Taarab-Festivals statt, ein Musikfestival mit typischer Musik aus Zanzibar. Unter Taarab versteht man eine Musik, die sich aus Elementen der arabischen, indischen und afrikanischen Musik zusammensetzt und somit diesen besonderen Sound ergeben. Daneben gibt es noch eine ande-re Musikrichtung, die Bongo Flava Szene mit Swahili Hiphop, Rap und traditionellen afrika-nischen Musikelementen. Diese ist besonders bei den Jugendlichen sehr aktuell. Ein Ange-stellter führt uns durch die Anlage und ich kann mir lebhaft hier die Begeisterung der Men-schen vorstellen, wenn diese Taarab-Musik erklingt. Das Hotel hat noch heute groß angelegte Nebengebäude, wie Sporthallen und einen Tennisplatz. Im Untergeschoss befindet sich eine Diskothek, in der strenge Vorschriften herrschen, wie ein Plakat am Eingang verkündet (Al-kohol- und Rauchverbot, angemessene Kleidung usw.) Wir fahren zurück zu unserem Hotel und können nur noch in die Betten fallen. Bariki schläft noch bei den ZECO-Leuten in der Siedlung, wo er sein Gepäck hat. Keine Tür schließt richtig, wenigstens die Außentür geht zu schließen. Aber es gibt warmes Wasser aus der Dusche! Welche Wohltat! Im Bad finde ich kleine Seifenstücke, die nach Nelken duften und in rotbraune Blätter eingehüllt sind. Diese Blätter stammen von einem Baum, der mir schon unterwegs öfter aufgefallen ist. Dieser Baum, mkungu oder Katappenbaum, wächst sehr in die Höhe und trägt als Laub grüne große Blätter, die sich später rot färben und dann abfallen. Der Baum hat also gleichzeitig grüne und rote Blätter und blüht ständig an einem der Enden seiner Äste. Dieses Rot leuchtet weithin, ähnlich unserem heimischem Weinlaub im Herbst. Diese rotbraunen Blätter sind sehr zäh und haltbar wie Leder und werden sehr gern als Verpackungsmaterial verwendet. Die kleinen braunen Seifenstücke sind noch mit einem Sisalhalm verschnürt. Ich finde das sehr hübsch anzusehen. Die Betten haben ein Gestell mit einem chandarua (Moskitonetze) über sich, das man unter die Matratze stopft, nachdem man drunter durch ins Bett gekrochen ist. Nach vier Tagen Anreise sind wir endlich in Zanzibar angekommen. Muhammed ist glücklich und ich bin froh. 22. August 2007, Mittwoch

Wir haben gut geschlafen. Das muss man sagen, die Matratzen der Betten sind hervorragend und passen sich angenehm dem Körper an. Hier habe ich nie Probleme mit meinem Rücken gehabt deswegen. Das Frühstücksbüffet wird im Restaurant gleich nebenan serviert. Das Restaurant, direkt am Strand, ist nach allen Seiten hin offen und wird von einem gewaltigen Dach aus Palmenwe-deln überdeckt. Das Mobiliar ist aus dunklem Teakholz im einheimischen Stil gehalten. Wir können unseren Platz selbst wählen und haben einen schönen Blick aufs Meer. Ich wähle für uns wieder nur Brot, Marmelade, Rührei und natürlich Tee. Später hole ich uns noch einen aromatischen Saft aus Maracuja und Apfelsine und etwas Obst. Muhammed warnt mich vor den papai (Papaya), die sich bei manchen Leuten durchschlagend auswirken sollen. Ich koste daher nur zaghaft von diesen Scheiben, schmeckt mir auch nicht so besonders. Da halte ich mich mehr an die Ananasscheiben und Bananen. Das Büffet bietet jedem Geschmack etwas und die meist europäischen Hotelgäste lassen es sich schmecken. Wir schlendern durch die Anlage, die mir wieder wie ein botanischer Garten vorkommt. Hier wachsen alle diese Bäume und Sträucher, die man nur aus Fotos oder eben aus botanischen Gärten kennt. Kokos-Palmen überragen alles. Viele tragen ihre Früchte, die hier einfach herunterfallen. Das Laub wird vom

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Rasen unter die Bäume oder Sträucher gefegt, um dort als Wasser-Schutz zu einem Wall an-gehäuft zu werden. Manche Sträucher tragen wunderbare Blüten, die wir jeden Tag in der Vase auf unserem Tisch wieder finden. Hibiskus-Sträucher sind hier riesengroß und übersät mit knallig roten Blüten. Bougainvillen wuchern an Ranken und schütten ihre roten, violetten oder weißen Blütendolden darüber aus. Viele unbekannte Pflanzen entdecke ich und möchte doch gern wissen, was das für Pflanzen sind. Botaniker müsste man sein oder zumindest ein botanisches Lexikon dabei haben. Die Anlage ist sehr gepflegt und wird ständig sauber gehal-ten. An machen Stellen entdecke ich riesengroße braune Schnecken an den Pflanzen, die aber niemanden zu stören zu scheinen. Später finde ich ein solches leeres Schneckengehäuse und nehme es mit nach Hause. Ich bitte die Frau, die bei uns gerade sauber macht, noch um ein zusätzliches Kopfkissen, was sie uns auch bald bringt. Beim Schlendern durch das Gelände des Hotels sehe ich die anderen Hotelgebäude, die alle mit ihrem Balkon zum Meer hin offen sind. Es gibt hier die unterschiedlichsten Angebote an Unterkünfte, von sehr teuer bis zu den einfachen, wie wir sie bezogen haben. Aber alles hat seinen Preis!

Gleich neben der Anlage befinden sich die Ruinen des Mtoni-Palastes der berühmten Prinzessin Salme von Zanzibar. Der Strand ist hier wie eine Bucht und in der Ferne zeigt mir Muhammed ein Gebäude mit einem leuchtend roten Dach. Es ist sein Internat, wo er als Schuljunge wohnte, als er die Secondar-school besuchte. Auf der anderen Seite sehen wir die Silhouette von Stone Town. Es ist gerade Flut, also geht das Wasser bis zum Ufer. Mangroven ste-

hen an der einer Seite im Wasser, daneben die Fischerboote und draußen auf dem Meer schippern die Daus mit ihren großen dreieckigen Segeln entlang, ein idyllisches Bild. Ein Wall aus Muschelkalksteinen, die aus-sehen wie Abbruchsteine, so weißrostig sind sie, schützt den Badestrand vor der starken Dünung des Meeres bei Flut. Am Strand stehen Liegen aus geflochte-nen Holzrahmen unter kleinen Palmdä-chern als Sonnenschutz. Nur wenige wagen sich ins Wasser des Meeres, erst bei Ebbe und am Abend sieht man Ba-dende.

Endlich ist auch Bariki eingetroffen und wir be-schließen, in die Stadt zu fahren. Leicht gesagt, denn alle Dalla Dallas, die hier entlang kommen, sind bis obenhin besetzt und beladen. Dalla Dallas sind klei-ne Busse, die zwar eine bestimmte Route abfahren, aber keinen Fahrplan haben. Mit ihnen wird alles, aber auch alles transportiert. Es ist das Transportmit-

tel schlechthin und zudem schnell und billig. Ich staune manchmal, was da alles auf dem Dach eines solchen Gefährts transportiert wird. Aber niemals habe ich einen Unfall gesehen, obwohl manchmal das Gefährt mit seiner Besatzung und seiner Last gewagt aussah. Wir lau-fen schließlich los, immer entlang der Hauptstraße, die direkt in die Stadt Zanzibar führt, so etwa 3 km werden es wohl sein. Ich bin bestimmt die einzige Weiße, die hier entlang läuft und werde dementsprechend bestaunt von den Radfahrern und von den pikipiki, den Motorrä-

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dern, die uns immer wieder überholen. Am Straßenrand stehen kleine Stände, an denen die Leute ihre Produkte anbieten, Früchte des Feldes wie Kassava, auch Maniok genannt, Kartof-feln, Kohl, Maiskolben, aber auch Reis oder Obst wie Mandarinen mabungo, die sehr hässlich

aussehen, aber hervorragenden Saft liefern. Diese Mandarinen werden in Büscheln zusammen gebunden angeboten. Dazwi-schen laufen die Kühe (ng´ombe), Ziegen (mbuzi) und Hühner (kuku) herum und suchen nach dem kargen Gras. Oft müs-sen wir solchen Kühen, eine sehr kleine Rasse, ausweichen, weil sie einfach unseren Weg kreuzen. Auf der Straße flutet der Verkehr mit Autos, voll bepackten Dalla Dallas, Motorrädern, oft mit Frauen als Beifahrer im Damen-sitz hinter dem Fahrer, Fahrrä-

dern, auf denen alles transportiert wird und zweirädrigen Eselskarren, die von ihren Lenkern laut angetrieben werden. Fußgänger bahnen sich ihren Weg durch all diesen Trubel. Es herrscht ein Gedränge, sehr ungewohnt für mich, je mehr wir der Stadt näher kommen. Hier draußen am Stadtrand von Zanzibar ist es wie in Dar sehr armselig und sehr schmutzig. Über-all liegt der Unrat herum, vor allem die bunte Plaste leuchtet aus diesem Wust hervor. Ich lerne hier schnell, über diesen Unrat hinwegzusehen und sogar durch diesen Unrat hindurch zu gehen. Man muss einfach keinen Blick dafür haben. Aber es bleibt für mich trotzdem er-schreckend. Viele Läden in den kleinen Häusern zur Straße hin sind offen und bieten die un-terschiedlichsten Waren an. Auch viele Werkstätten erkenne ich, alle zur Straße hin offen und meist wird die Arbeit auf der Straße unter einem schützendem Dach erledigt. Hier sehe ich, wie die schönen Sansibartruhen und –Türen hergestellt werden. An einer anderen Stelle hat ein Schmied oder eine Autowerkstatt seinen Platz. Schneider sitzen an ihren Nähmaschinen, Frauen probieren ihre neue Garde-robe an. Alles ist zur Straße hin offen, so kann jeder sehen, was in einem Laden angeboten wird. Zumeist ist auch die gesamte Wa-re außen an den Türen zur Schau ausgehängt, wo man sich die Sa-chen aussuchen kann, die man kaufen will. Dazwischen sehe ich eine Art Baumarkt, wo man Stei-ne, Holz, Brunnenteile oder auch Sanitärteile erwerben kann, alles wird auf der Wiese angeboten. Hier sehe ich eine Menge Stangen aufrecht gestapelt. Wie ich später erfahre, sind diese aus Mangro-venholz, das zum Bauen verwen-det wird. Ich komme später noch auf dieses Holz zurück.

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Zanzibar: Lumumba Secondary School

Über einen Bauplatz, wo eine Brücke über einen kleinen Fluss gebaut wird, überqueren wir über einen schmalen Fußpfad diesen Bach, an dessen Ufer reichlich Unrat und Schmutz la-gert. Unweit davon steht die Lumumba-Secondar-School, wo Muhammed im Jahre 1958 sein Abitur gemacht hat. Als er dort lernte, noch vor der Revolution, hieß diese Schule „King Ge-org Secondary School“. Muhammed hat als guter Schüler ein Stipendium bekommen, um hier lernen zu können. Das dazugehörige Internat hat er mir ja schon gezeigt. Mit dem Schulbus sind sie damals hierher gefahren worden. Ein Lehrer, den wir auf der Straße vor dem Gebäude ansprechen, führt uns gern zum Principal, dem Direktor der Schule. Der kann es kaum glau-ben, dass ein ehemaliger Schüler dieser Schule, noch dazu in diesem Alter hier vorbei kommt, um seine alte Schule wieder zu sehen. Hoch erfreut zeigt er stolz seine Schule. Die Schule besteht aus zweistöckigen Gebäuden, die sich um zwei Innenhöfe gruppieren. Diese Innenhö-fe sind liebevoll mit Blumenrabatten bepflanzt, die eine Rasenfläche umrahmen. Hier stehen etliche Bänke als Sitzgelegenheiten. An einer Ecke sehe ich einen großen Schuppen, unter dessen Dach sich sehr viele Fahrräder befinden. Offensichtlich kommen die meisten Schüler und Schülerinnen hier mit dem Fahrrad zur Schule. Der Principal zeigt uns gern alle Unter-richtsräume, die gerade nicht benutzt werden. Es ist Unterrichtszeit und durch die offenen Fenster, nur mit einem Gitter versehen, kann man in die Klassenräume sehen. Die Schüler und Schülerinnen lassen sich nicht stören, nur wenige sehen kurz hoch, als wir vorbeigehen. Es herrscht hier wie in Deutschland das Kurssystem. Die Schulkleidung ist hier schwarzer Rock bei den Mädchen und schwarze Hose bei den Jungen, und eine weiße Bluse. Dazu die Mäd-chen mit den weißen Muslimtuch um den Kopf. Das sieht fast wie eine Nonne aus, denke ich. Wir sehen den Physikraum und den Chemieraum, wo überall die Geräte und Chemikalien an den Wänden in Regalen aufgereiht sind. Nicht anders als bei uns. Wir schauen kurz bei der Bibliothek vorbei, wo etliche Schüler beim Lesen und Studieren sitzen. Im kleinen Compu-terkabinett, wo 5 Computer stehen, schreiben einige ihre Arbeiten in den PC. Ich schaue ihnen

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Zanzibar: Lumumba Secondary School

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Zanzibar: Lumumba Secondary School

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etwas über die Schulter. Es wird auch hier das Windows XP-System verwendet. Ich finde keinen Unterschied zu unseren Schulen, nur das hier Schulkleidung vorherrscht. Die Lehrer und einige Lehrerinnen begrüßen uns ebenfalls und sind wie der Principal hoch erfreut, dass sich ein ehemaliger Schüler nach so vielen Jahren für seine ehemalige Schule interessiert. Im Direktorzimmer werden wir gebeten, in wuchtigen Sesseln, natürlich wieder im geschnitzten Sansibarstil, Platz zu nehmen. Der Raum ist vornehm gediegen ausgestattet. Die Möbel schei-nen wohl noch aus der Kolonialzeit zu stammen. Es wird eilends das Gästebuch hervorgeholt und Muhammed muss sich dort eintragen. Auch ich werde gebeten, meinen Namen einzutra-gen. Wir verabschieden uns von den gastfreundlichen Lehrern und verlassen diese Schule. Wir laufen weiter durch die Siedlung, nehmen dafür eine Abkürzung quer über das Gelände hinter der Schule. Der Weg führt wieder über diesen fürchterlich schmutzigen kleinen Bach durch all diesen Unrat hindurch. Ich darf nicht hinsehen und laufe tapfer hinter den Männern hinterher. Wir wollen zur Zentrale der Elektrogesellschaft von Zanzibar (ZECO), wo Seif

arbeitet. Im modernen Gebäude erfahren wir, dass Seif aber nicht da ist. Er hat einen auswärtigen Termin. Wir laufen weiter zu einer Geschäftsstraße, wo sich ein kleiner Laden an den anderen reiht, übervoll mit Warenangeboten. Es gibt praktisch alles hier zu kaufen, man muss nur wissen, wo und vor allem, man muss Geld haben. Ich sehe, dass der chinesische Markt hier vorherrscht mit seinen billigen Nach-ahmungsprodukten und damit alles über-schwemmt. Muhammed hatte mir bei seiner

Ankunft in Deutschland erzählt, dass er in Amsterdam, also bei der Einreise in die EU-Länder, bei der Kontrolle seine Zahnpasta abgeben musste, weil diese kein Original war. Solche Auswirkungen hat das! Ich glau-be, dass hier das Land und die Regierung von Tanzania aufpassen müssen. In einem klei-nen Imbissladen setzen wir uns und trinken maji (Wasser). Bariki ist hungrig und lässt sich chipsi (Pommes) bringen. Der Schatten hier drin in diesem Imbiss bringt uns die er-sehnte Kühlung, denn es ist heiß geworden mittlerweile. Wir verlassen diese lebhafte Einkaufsstraße und gehen vorbei am modernen Gebäude der Bank of Zanzibar, das im arabischen Stil erbaut wurde. Auch hier, wie an allen beson-deren öffentlichen Gebäuden, stehen bewaff-nete Wachen am Eingang, die jeden kontrol-lieren, der in das Gebäude will. Bank of Tanzania, Zanzibar Branche

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Wir sind dann am Rande von Stone Town, der Altstadt von Zanzibar, wo wir ein hoteli (Re-staurant) finden. Das „Passing Show Hotel“ sollte zu unserem bevorzugten Restaurant wer-den. Denn hier bekommt man sein Essen sehr schnell, schmackhaft, reichlich und vor allem sehr billig. Für uns drei bezahlen wir meist um die 9000 TSh für ein reichhaltiges Mahl, ein-schließlich Getränke, das sind etwa 5 € umge-rechnet. In einer Ecke des Restaurants läuft ständig ein Fernseher, meist wird der Sender

Im Passing Show Hotel Eurosport gezeigt, was die Männer besonders anlockt. Ein anderer Fernseher bringt einen eng-lischen Kanal. - Unsere Lieblingsspeise wird wali na samaki, das ist Gewürzreis (ein Berg!) mit Fisch, jedes mal in einer anderen Art zubereitet, ob gebraten, gegrillt, gekocht oder geräu-chert. Dazu gibt es eine Soße nach Wunsch und diesen Spinat, der mir so gut schmeckt. Auf einem großen Teller werden dann noch extra kleine Stücke Zitrone und rote Chilischoten ser-viert, von denen man sich nehmen kann, soviel man möchte. Ich probiere mal eine Chilischo-te, so mutig wie ich bin. Die beiden Männer amüsieren sich schon vorher über mich, denn ein Stück von dieser Schote verursacht mit seiner Schärfe einen richtigen Schluckauf, die Schärfe wird im Magen aktiv! Mit viel Reis und Wasser bekämpfe ich diesen Schluckauf und genieße dann meinen Reis mit Fisch. Hier esse ich jeden Tag Fisch mit Reis und es wird mir nicht über, so schmeckt es mir immer wieder. Dieses hoteli ist immer voll und manchmal hat man Mühe, einen Platz zu finden. Oft sind Tische schon vorbestellt, auch viele Touristen kehren hier ein. Sogar Straßenverkauf wird hier ange-boten und viele nutzen das, um ihr Mittagsmahl hier zu kaufen, das dann in Aluminiumschalen (wie bei uns) eingeschweißt nach Hause oder zur Arbeitsstelle getragen wird. Vom nahen Hafen kehren besonders viele Arbeiter ein. Die Bedienung besteht nur aus Männern, die emsig bemüht sind, sofort die Wünsche der Gäste zu erfüllen. Übrigens muss ich hier noch etwas erwähnen. Es kam manchmal vor, dass kein Wechselgeld vorhanden war und auch nicht gleich herausgegeben werden konnte. Entweder Mineralwasser aus Zanzibar

ist man sofort losgegangen in einen anderen Laden und wechselte dort oder man erhielt das Versprechen, morgen werden wir das Geld bekommen. Zuerst war ich da sehr skeptisch. Aber das hat immer geklappt, niemals wurden wir betrogen. Wir erhielten eben das Geld erst am anderen Tag. Pole pole! Langsam, lang-sam, das ist hier die Devise. Dieses Tempo war für mich oft sehr anstrengend und eine Ge-duldsprobe. Ich habe hier gelernt, das Leben geht auch ohne Hast und Eile weiter. Davon können wir von diesen Menschen hier noch viel lernen. Dieses Restaurant muss eine Gold-grube sein. Hier flutet alles vorbei, was zum Hafen oder in die Stadt will. Nebenan ist eine Polizeistation, gegenüber eine Disco. Zurück nehmen wir ein Taxi, das direkt vor dem Hause wartet. Uns hat der lange Marsch doch zugesetzt, besonders Mohd ist sehr müde. In unserem Bungalow fallen wir auf unsere Betten, die mit vielen weißen Blüten bestreut sind. Ich freue mich über diese kleine Aufmerk-samkeit. Hat man uns als Liebespaar erkannt? Wir halten erst einmal einen Mittagsschlaf. Das ist hier sowieso üblich. In der Mittagszeit, wo die Sonne senkrecht vom Himmel ihre sengen-den Strahlen auf die Erde sendet, läuft man nicht unbedingt draußen herum. Man sucht den kühlenden Schatten der Häuser auf, die nur wenige und kleine Fenster besitzen, die meist

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noch mit Fensterläden geschlossen sind. Die Hitze bleibt so draußen. Oder man legt sich unter das Blätterdach eines Baumes. An vielen Stellen sieht man zwischen den Häusern kleine luf-tige Hütten, aus Mangrovenpfählen erbaut und mit einem Palmwedeldach versehen. Darunter trifft man sich und unterhält sich. Von Dirk ist eine E-Mail da und wir freuen uns alle, dass diese Verständigung klappt. Ich

antworte gleich. Am Nachmittag, als die Sonne langsam sinkt, laufen wir über den Parkplatz des Hotels, der unter großen Bäumen und Palmen ange-legt ist und wo etliche Landrover stehen, die die Gäste abholen. Durch eine bewachte Pforte gelan-gen wir in den Mtoni Garden mit den Ruinen des Palastes des Sul-tans von Zanzibar. Ein junger Mann führt uns durch das Gelände und erklärt uns die Geschichte die-ser Ruinen. Der Palast ist das ältes-te osmanische Sultansgebäude in

Mtoni Palace Ruins - Garten Zanzibar. Sultan Said bin Sultan ließ diesen Palast im Jahre1828 erbauen. Die Gebäude müssen sehr pompös ausgestattet gewesen sein. Prinzessin Salme von Sansibar und Oman, deren Liebesgeschichte mit einem deutschen Kaufmann ja sehr bekannt ist, verbrachte hier ihre Kindheit und sie berichtet in ihren Memoiren ausführlich über diesen Palast. Man kann erahnen, welche Größe dieser Sultanspalast einmal gehabt haben muss. Die mächtigen Mauern strahlen noch heute eine gewisse Würde und Macht aus. Der Palast stand damals unmittelbar am Ufer des Meeres, so dass das Schiff des Sultans direkt bis zum riesi-gen Eingang des Palastes fahren konnte. Wir sehen die Reste der Empfangsräume, der Wohn-räume des Sultans und der Sultana. Jeder der Familie hatte hier seine eigene Toilette und sein eigenes Bad, deren Reste man noch erkennen kann. Die Ruinen werden sorgfältig instand gehalten, überall stehen Gerüste, um die Mauern aus Muschelkalksteinen zu restaurieren und zu sichern. Der Palast fiel einem Brand zum Opfer, was man an einigen Stelle noch heute am Gemäuer sieht. Gleich an den Gebäuden schließt sich ein Garten an, der noch einiges von der einstigen Pracht zu bieten hat. Besonders die sehr schön gewachsene graugrüne Bismarck-Palme beeindruckt in ihrer Einmaligkeit. Neben diesem Garten befindet sich eine kleine Gärt-nerei, in der die Pflanzen für die Hotelanlage und dem Palastgarten herangezogen werden. Ich kann nicht anders und schaue mich ein wenig um und komme mit den Männern dort ins Ge-spräch. Hier sehe ich Pflanzen, die bei uns nur als kleine Zimmerpflanzen verkauft werden, als große Hecken oder sogar als Bäume. Ich staune über manche, wie groß diese werden kön-nen. Viele Pflanzen kenne ich überhaupt nicht und wieder bedaure ich, kein botanisches Lexi-kon zu Hand zu haben. Mit einem älteren Arbeiter unterhalten wir uns noch eine ganze Weile. Er erkundigt sich ganz genau, woher wir kommen und was wir hier wollen. Als er erfährt, dass ich mich für diese Pflanzen sehr interessiere und aus Deutschland komme, meint er, wir könnten tauschen. Er fährt mal nach Deutschland, das wollte er schon immer mal sehen und ich könnte für ihn hier arbeiten. Im Scherz gehe ich auf dieses Angebot ein und wir lachen beide darüber. Aber wäre das nicht was für mich?

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Zanzibar: Mtoni Palace Ruins – Eingangsportal und unser Führer

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Zanzibar: Mtoni Palace Ruins – Empfangshalle und Bismarck-Palme

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Zum Abendessen fahren wir wieder mit dem Taxi in die Stadt zu unserem Restaurant. Bariki hat einen Freund mit eingeladen. Wird hier Muhammeds Großzügigkeit ausgenutzt oder ist es einfach nur Gastfreundschaft? Ich bin ein wenig verunsichert deswegen. Meine leichte Miss-stimmung wird noch schlechter, als ich bemerke, dass Bariki wieder nicht hier im Bungalow des Hotels schläft. Ich werde richtig ärgerlich, weil ich für drei Personen mit Frühstück be-zahlt habe und Bariki es nicht für nötig hält, mindestens hier auch zu frühstücken. Warum müssen wir auch immer mit dem Taxi fahren? Tut es ein Dalla Dalla nicht auch? Es ist der erste richtige Streit zwischen Muhammed und mir. Er ist ganz unglücklich darüber und ich auch. Deshalb suchen wir beide das Gespräch und reden über dieses Problem. Das tat wirklich gut und war nötig. Muhammed will morgen mit Bariki sprechen. Zwischen uns beiden jeden-

falls ist wieder alles in Ordnung. Gegen 8 Uhr Abends kommt Seif mit seiner Frau zu uns, beide fein herausgeputzt, die Frau in einem sehr schönen langen Kleid aus einem hellbraunen weichen Stoff, mit viel Spitze besetzt, dazu ein passender Schleier um den Kopf. Sie laden uns ein, noch irgendwohin zu fahren. Muhammed ist aber zu müde und lehnt daher das Angebot ab, was ohne weiteres ak-zeptiert wird. Wir zeigen den beiden die Fo-tomappe mit den Fotos, die wir in Deutschland gemacht haben und die viel Aufmerksamkeit erregen. Ich kann mal meine wenigen Eng-lischkenntnisse anwenden und die Fotos erklä-ren. Seif und seine Frau verabschieden sich bald: Bis morgen! Solch ein Versprechen muss man hier aber nicht so ernst nehmen. Morgen ist irgendwann, nur nicht morgen! Nachts ist Muhammed sehr unruhig, was auch mich nicht schlafen lässt. Außerdem tut mir mal mein linkes Bein wieder richtig weh. Der Ischias lässt grüßen! Ich schalte mitten in der Nacht den Ventilator aus, weil er zuviel Krach macht und es gegen Morgen richtig kühl wird.

23. August 2007, Donnerstag

Gegen 8 Uhr ruft Muhammed seinen Sohn an und ordnet an, zum Frühstück zu kommen. Das hat ihn die ganze Nacht beschäftigt, erklärt er mir und daher konnte er kaum schlafen. Unser kleiner Streit hat also Erfolg. Er redet mit ihm eindringlich und Bariki ist kleinlaut. Aber er schläft ab heute bei uns. Nach dem Frühstück, das wir wieder im Restaurant am Strand einnehmen, erfahren wir an der Rezeption, dass wir unseren Bungalow räumen müssen. Er ist bereits vorbestellt. Und ein anderes Zimmer gibt es angeblich auch nicht. Wir erhalten die Adresse eines Hotels in Stone Town. Mir ist es recht, denn bis zur Stadt ist es doch ein ganzes Stück Weg und nimmt viel Zeit und Geld in Anspruch. Wir fahren diesmal mit einem Dalla Dalla in die Stadt. Das ist ganz einfach. Man stellt sich an den Straßenrand und wartet, bis ein solcher Bus kommt. Wie immer, sind alle Dalla Dallas, die vorbei kommen, gerammelt voll. Mutlos wollen wir schon los laufen, wenigstens ein Stück des Weges. Wir sind kaum einige Schritte weit, hält kurz vor uns ein Dalla Dalla und wir können einsteigen. Er hat eben noch Platz gehabt. Ein solcher Kleinbus nimmt soviel Leute und ihr Gepäck wie möglich in sich auf. Ich habe einen ganzen

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Zanzibar: Dalla Dalla Station

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Umzug auf solch einem Bus gesehen. Einmal passierte es uns, dass an einer Haltestelle ein Mann eine große Matratze auf dem Dach des Dalla Dalla verstaute und mit seinem eigenen Auto vorneweg fuhr. Die Matratze passte eben nicht in sein Auto, da ist ein Dalla Dalla als Transportmittel gerade recht. Ich staune immer wieder über die Fahrweise, dem Linksverkehr und alles Durcheinander an Fahrzeugen und Fußgängern. Gibt es hier überhaupt Regeln für den Straßenverkehr? Muss doch wohl, denn es passiert nichts! Hupend bahnen sich die Autos ihren Weg durch diesen Wirrwarr. Auch auf den Landstraßen, wo viele Fußgänger unterwegs sind, wird ständig gehupt, schon als Warnung: Passt auf, hier kommt ein Auto angefahren! In der Stadt fragen wir uns nach dem an-gegebenen Hotel, dem „Safari Lodge“, durch. Wir treffen einen Stadtführer (mit Lizenz, wie wir an seinem Etikett, mit Namen, Foto und Unternehmen, am Hemd befestigt, erkennen), der uns ein anderes Hotel, was billiger ist, empfiehlt und uns auch gleich dorthin führt. Dieses „Kokonis-Hotel“ steht direkt am Stadt-rand von Town Stone, im Stadtteil Koko-ni, wie sein Name schon sagt, nicht weit von der Dalla Dalla Zentralstation und dem Darajani-Markt entfernt. Also sehr günstig gelegen. Wir können uns die Zimmer ansehen und eins aussuchen. Alle sind akzeptabel, d.h. sauber, mit Dusche und Toi-lette, mit Moskitonetz usw. Hier bezahlen wir für eine Nacht für zwei Doppelzimmer nur 40 US$ (30 €), dagegen im „Safari Lodge“ sollten es 75 US$ sein, schon ein Unterschied! Wir entscheiden uns für zwei Zimmer in der ersten Etage und melden uns gleich an. Nun geht es das erste Mal durch das Gassenlabyrinth von Stone Town, der Altstadt und dem Herz von Sansibar. Diese Altstadt ist einmalig in der Welt und steht seit 1988 in der Liste des

UNESCO-Weltkulturerbes. Allein hier wohnen 180 000 Sansibari. Der Zustand mancher Häuser ist erschreckend und beeindruckend zugleich. Die einstigen Paläste mit den kunstvoll ge-schnitzten Holztüren und Veranden verfallen. An manchen Ecken kann man solche Ruinen sehen. Man ist sich aber langsam bewusst des Wertes, den man hier hat. Wenn ein restaurier-tes oder renoviertes Haus in diesem Gewirr auf-taucht, fällt es sofort auf, schon wegen der au-ßergewöhnlichen Schönheit seiner Architektur. Aber auch bei vielen alten Gebäuden erkennt man noch, welchen Reichtum sie einmal beher-

bergt haben müssen und von welchem Glanz vergangener Tage sie noch heute künden. Hier müsste viel Geld hinein gesteckt werden, was aber niemand hat. Mir fällt auch die verhält-nismäßige Sauberkeit in den Gassen auf. Bei einem Spaziergang durch die handtuchschmalen verwinkelten Gassen im Schatten von eng aneinander gereihten alten Häusern aus Muschel-kalk oder Korallensteinen sieht man die Männer gelassen bei ihrem Kaffee oder Tee sitzen, Kinder spielen Ball, verschleierte Frauen huschen vorbei. Quer rüber ziehen sich gewagt die Stränge von Elektrokabeln von einem Haus zum anderen. An manchen Ecken sitzen Männer an Tischen, wo sie Domino spielen oder eine Art von Trick-Track-Spiel, wo Steine mit einer Geschwindigkeit hin und her geschoben werden, das man kaum verfolgen kann. Mir sind die-se Spielregeln rätselhaft geblieben. Das alles ist eine Einheit aus Schönheit und Verfall, viele Mauern bröckeln und die Farbe blättert. Man renoviert nur das Wichtigste. Die Gassen von Stone Town strahlen Ruhe und Gelassenheit aus und es scheint, als ob die Zeit hier stehen

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Zanzibar – Stone Town

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Zanzibar – Stone Town

Eingang zu einer Grundschule

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Zanzibar – Stone Town

Sansibar-Türen

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geblieben ist. Man muss sich hier treiben lassen, denn man verirrt sich hier sowieso ohne Führer. Schon der erste Spaziergang hier hindurch fasziniert mich und ich bin gefangen von dieser Aura des „geheimnisvol-len Orients“. Wir kommen an der Uferstraße heraus und gehen vorbei am Beit al Sahel dem Sultans-palast. Ich kann die beiden Männer überre-den, hier hinein zu gehen. Das Treppenhaus hat eine einzigartige Architektur und ist ge-waltig. Es nimmt den gesamten Innenhof ein. Der Eingang und die meisten Innentüren sind gewaltig groß und haben diese schöne Sansibar-Schnitzerei aufzuweisen. Diese beeindruckt und begeistert mich immer wieder.

Zanzibar: Sultan Palace Museum

Ein Zimmer ist hier für die Prinzessin Salme von Sansibar und Oman gewidmet, wo man Nachbildungen und Originalstücke aus ihrem Besitz zeigt. Hier kurz die Geschichte der Prin-zessin Salme: Prinzessin Salme von Sansibar und Oman wurde 1844 in Sansibar geboren und wuchs mit 35 Stiefgeschwistern im Mtoni-Palast auf. Ihr Vater Sultan Sayyid Said hatte ihre Mutter, eine tscherkessische Sklavin, schon als Kind gekauft. Im Palast wohnten neben dem Sultan seine 73 Nebenfrauen und 35 Kinder, sowie über 800 Bedienstete. Als Tochter des Sultans war sie frei und lebte als junge Frau auf ihrer eigenen Plantage in Bububu und später in einem Stadt-haus in Zanzibar. Hier verliebte sie sich über den Balkon hinweg in den deutschen Kaufmann Heinrich Ruete aus Hamburg, von dem sie bald darauf ein Kind erwartete. Das wurde zu ei-nem Skandal, ein Kind hätte man noch akzeptiert, aber der Auserwählte war ein Christ und

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eine solche Verbindung verbietet der Koran. In einer heimlichen Aktion floh Salme mit dem Schiff nach Aden. Hier wurde sie im christlichen Glauben unterrichtet und wurde auf den Namen Emily getauft und heiratete Heinrich Ruete. 1866 traf sie in Hamburg ein, wo sie freundlich empfangen wurde, während sie in der Heimat verstoßen wurde. Der Prinzessin fiel es schwer, sich in Deutschland einzuleben. 1866 erschienen ihre Memoiren „Leben im Sul-tanspalast“, das die Neugier der Menschen beflügelte. Sie blieb aber eine Fremde. Das Lie-besglück mit ihrem Manne endete tragisch. Heinrich Ruete wurde 1870 von einer Pferdetram-bahn überrollt und starb. Emily Ruete, wie sie jetzt hieß, war mit drei kleinen Kindern allein. Ihr väterliches Erbe wollte die Familie nicht auszahlen. Um sich mit ihrer Familie zu versöh-nen, reiste sie 1875 nach London und wollte sich dort mit ihrem Bruder Bargash, der jetzt Sultan von Zanzibar war, aussöhnen. Das misslang und sie kehrte enttäuscht und voller Sehn-sucht nach der Heimat zurück nach Deutschland. Sie hatte die Grenzen des Harems über-schritten und musste nun die Konsequenzen tragen. Auch spätere Versuche einer Versöhnung mit der Familie waren ohne Erfolg. Sie geriet in die politischen Machenschaften der Bis-marck-Regierung mit Sansibar, was weiter zu einem Bruch mit der Sultans-Familie führte. Sie betrat Sansibars Boden nur einmal 1888, wieder ohne Erfolg. Sie lebte fortan über 20 Jahre in Beirut und Jaffa und kehrte 1914 nach Deutschland zurück. Am 29. Februar 1924 starb sie in Jena. Erst ihrem Sohn Rudolph wurde 1932 der Titel eines „Sayyid“ ver-liehen, was die Aufnahme in die Al-Bu-Said-Dynastie bedeutete. Im Sultanspalast, der 1890 erbaut wurde, kann man noch die Original-Räume be-wundern, so wie der letzte Sultan bis 1964 hier lebte. Die Audienzräume sind prunk-voll eingerichtet mit wunderschönen ge-schnitzten Möbeln. In den Privatgemächern des Sultans und der Sultana im obersten Stock sieht man auch moderne Möbel ne-ben den schönen arabischen Möbelstücken, sogar die Bäder und Toiletten kann man besichtigen. Daneben werden in einer klei-nen Ausstellung die Familienstammbäume der Sultane, die Geschichte der Beziehun-gen zwischen Kaiser Franz Josef I, der mit den Sultanen Elfenbein- und Gewürzhandel trieb, gezeigt. Nach der Revolution von 1964 war in diesem Gebäude die Regierung von Zanzibar untergebracht, bis es 1994 zum Museum wurde. Von jedem Stock-werk geht ein Balkon von den Zimmern hinaus, der um das ganze Haus herum führt. Von hier hat man einen herrlichen Sultan Palace Museum: Treppenhaus

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Zanzibar: Sultan Palace Museum – Treppenhaus und Audienzzimmer

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Zanzibar: Sultan Palace Museum – Zimmer der Sultana

Blick aufs Meer, den nahen Hafen und den Forodhani-Garden, der jetzt in der Nachmittags-glut leer ist. Nur wenige Menschen sind zu sehen. Am Old Fort entlang geht es zum Waisenhaus, einem schmucklosen Haus, in dem früher der englische Club untergebracht war. Der erste Präsident Zanzibars Karume hat hier diese Hilfe geschaffen, die wir in Deutschland als „Babyklappe“ kennen. Für afrikanische Verhältnisse eine bemerkenswerte Einrichtung. Das Waisenhaus ist über eine breite seitliche Treppe zu erreichen, an dessen Geländer und an gespannten Leinen Kinderwäschestücke zum Trocknen hängen. Unter dem Waisenhaus führt ein Straßentunnel zum Stadtteil Shangani. Hier ist das Geschäftsviertel, eine „bessere“ Straße mit Banken, vornehmen Hotels, Souvenirgeschäften in Hülle und Fülle mit erlesenen Waren afrikanischer Kunst. Auch die verschiedensten Minis-terien kann man in dieser Straße finden. Wir gehen bis zum Obersten Gericht, wo Muhammed seinen Stiefbruder Nshibe treffen will, der hier als Richter arbeitet. Das Gerichtsgebäude ist ein älteres Haus im arabischen Stil mit einer sehr steilen breiten Treppe zu den Gerichtssälen. Oben können wir uns setzen und warten. Nach einigem Hin und Her erfahren wir von einem Angestellten, dass Nshibe nicht da ist. Er ist krank und nach Hause gefahren. Wir betreten wieder die Shangani Street, die sich wie ein Band um die Altstadt Stone Town windet. Unser Weg geht zurück durch Stone Town und seinen verwirrenden Gassen hindurch. Muhammed kennt sich hier gut aus und geht zielgerichtet, mal rechts rum, mal links rum. Er weiß, wie und wo es lang geht. Unterwegs sehe ich die unterschiedlichsten kleinen Läden und Geschäfte, die alle zur Straße hin offen sind. In diesem engen Gassengewirr ist es angenehm zu laufen, denn hier herrscht viel Schatten und die Sonne findet nur selten ihren Weg bis hinunter. In den Lä-den entdecke ich auch die Sansibar-Kultur, diese herrlich geschnitzten Truhen, Tische und Stühle, Bettgestelle und Regale, bunte Kangas und wunderbaren Silberschmuck. Wir suchen einen Laden, wo ich mir eine Nagelfeile kaufen kann. Meine ist zusammen mit der Nagel-schere in dem Koffer, der bei Muniri in Dar geblieben ist. Vor unserer Abreise musste das ja in den Koffer und durfte nicht im Handgepäck sein. Beim Umpacken habe ich sie schlicht vergessen. Und meine Fingernägel haben langsam mal eine Maniküre nötig. Nirgends gibt es so etwas. Wie kriegen hier die Frauen ihre Fingernägel kurz? - An einer Ecke kauft Muham-med junge Kokosnüsse, die geschickt mit einer Machete geöffnet werden. Die etwas trübe Kokosmilch, dafu genannt, schmeckt hervorragend erfrischend und ist gut gegen Durst. Auch enthält diese Kokosmilch viele Vitamine und Nährstoffe. Ich staune, wie viel in so einer Nuss drin ist. Als ich leer getrunken habe, gebe ich die Nuss zurück und sie wird weiter geöffnet, um das Fruchtfleisch auszuschaben, das mit einem Löffel, aus dem oberen Deckel der Nuss-schale geschnitten, ausgelöffelt wird. Das Fruchtfleisch der Kokosnuss ist weich und milchig. Nach mehreren Versuchen in den verschiedensten Läden finden wir schließlich eine kombi-nierte Reisenagelfeile, besser als gar nichts. (Meine Fingernägel kriege ich damit auch kurz.)

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Zanzibar: Am Hafen und Altes Fort mit Waisenhaus

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Zanzibar: Shangani Street

Durch das Gassengewirr gelangen wir schließlich zum hoteli, wo wir immer essen gehen und nehmen un-ser Mittagessen ein. An der Zentralstation suchen wir den Dalla Dalla, der in Richtung Bububu fährt. An den Schildern oben an den Bussen erkennt man, wohin sie fah-ren. Von den Begleitern der Dalla Dallas, die auch als Kassierer fungie-ren, werden die Menschen zusam-mengesucht und in die bestimmten Busse verfrachtet. Einen Fahrplan gibt es wohl auf dem Papier, aber in der Praxis ist es so, welches zuerst voll ist, fährt eben los. Unterwegs ein kleiner Aufruhr, ein Mann liegt auf der Straße und will überfahren werden. Lebensmüde oder verrückt? Aber ob das gelingt? Alle fahren vorsichtig um ihn herum, der von Menschen umringt ist, die auf ihn gestikulierend einreden.

Zanzibar: Oberstes Gericht

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Im Hotel angekommen, ruhen wir uns aus und halten unsere Mittagssiesta. Gegen halb fünf Uhr wage ich mich im Badeanzug und Kanga an den Strand. Ich will endlich in den Indischen Ozean eintauchen. An Schwimmen ist bei Ebbe nicht zu denken. Das Meer hat sich weit zu-rück gezogen, der Strand ist sehr flach hier. Vorn ist brackiges Wasser, in das man tief ein-taucht mit seinen Füßen. Ich laufe ein Stück hinein ins Wasser, aber mehr als bis zu den Knien reicht es nicht. Ich tauche so eben ein bisschen unter und kühle mich in dem angenehm warmen Wasser ein wenig ab. Ich habe Badeschuhe angezogen, weil ich dachte, hier sind einige unbekannte Tiere, die mich vielleicht stechen oder beißen können. Das erweist sich als völlig unbegründet. Die Schuhe sind voller Schlamm durch das brackige Wasser und ich zie-he sie bald aus. Einige kleine Schneckenhäuser mit Einsiedlerkrebsen und Muscheln sammle ich auf, weil sie mir so gut gefallen. Größere darf man ja nicht mitnehmen, von wegen Arten-schutz. Da versteht der Zoll keinen Spaß. Aber so ein paar kleine können es schon sein. Mu-hammed wartet indessen mit dem Fotoapparat auf einer geflochtenen Liege geduldig auf mich. Er fotografiert mich mit dem Kanga, den ich mir umknüpfe. Auch von den Mangroven, die diesmal bei Ebbe nicht im Wasser stehen, mache ich einige Aufnahmen. Mangroven sind die einzigen Bäume, die im salzhaltigen Wasser leben können. Mit ihren Stelzwurzeln halten sie sich im Boden fest. Ihr Holz wird gern als Brenn- oder Bauholz genutzt. - Ich fühle mich sehr wohl und laufe mit Barfußbeinen durch den feinen Sand. Zahlreichen Löcher im Sand verraten, dass hier Krebse leben. Ich beobachte, wie diese eifrig den Sand heraus schaufeln. Diese kleinen Sandhäufchen sind so zahlreich, wie muss das wimmeln, wenn Flut ist! Bariki hat inzwischen Abendbrot besorgt, kachori, kleine gekochte Kartoffelbällchen mit ro-ter Kokossoße, alles viel zu viel! Das schaffen wir nie im Leben! Dazu gibt es noch diese kleinen Bananen, die hier üblich sind. Diese Bananen esse ich früh, mittags und abends, so gut schmecken sie. Wir sitzen noch eine Weile herum und erzählen, um dann schlafen zu ge-hen.

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Zanzibar: Baden bei Ebbe

Zanzibar: Strand von Mtoni Marine Centre

- am Horizont Stone Town

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Schlafen unter Schlafen unter Schlafen unter Schlafen unter

MoskitonetzMoskitonetzMoskitonetzMoskitonetz

Im Mtoni Marine CentIm Mtoni Marine CentIm Mtoni Marine CentIm Mtoni Marine Centre re re re –––– abendliche Beschäftigung abendliche Beschäftigung abendliche Beschäftigung abendliche Beschäftigung

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Zanzibar: Mangroven bei EbbeZanzibar: Mangroven bei EbbeZanzibar: Mangroven bei EbbeZanzibar: Mangroven bei Ebbe

Zanzibar: Mtoni Marine Centre Zanzibar: Mtoni Marine Centre Zanzibar: Mtoni Marine Centre Zanzibar: Mtoni Marine Centre –––– Abendstimmung Abendstimmung Abendstimmung Abendstimmung

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24. August 2007, Freitag

Nach dem Frühstück packen wir die restlichen Sachen in unsere Koffer und Taschen, melden uns an der Rezeption ab. Ich gehe nochmals schnell ins Internet. Dirk hat mir nämlich in einer SMS über Barikis Handy mitgeteilt, dass zwei amtliche Schreiben da sind. Das eine ist ein Einschreiben und kann nicht von ihm abgeholt werden (sicher mein Scheidungsurteil, auf das ich schon so lange warte), das andere ist von der KVSA mit dem Bescheid über die zukünftig gekürzte Rente. Muss das ausgerechnet jetzt sein? Ich werde ein bisschen verstimmt deswe-gen. Daher antworte ich erst einmal mit einer E-Mail an Dirk. Er soll alles liegen lassen bis ich wieder zu Hause bin. So ein Internet ist schon eine feine Sache, aber ich will mir meine gute Stimmung hier nicht verderben lassen.

Mit dem Hoteltaxis werden wir zum an-deren Hotel, dem „Kokonis Hotel“ ge-bracht. Irgendwie schafft es der Fahrer, das Auto bis zum Hotel zu bringen. Denn das Hotel ist in Stone Town und nur von kleinen Straßen umgeben. Ich wundere mich immer, wie in diesen en-gen Gassen noch die Fahrräder und Mo-torräder und das mit einem Affenzahn fahren können. Wir nehmen unsere bei-den Zimmer und bezahlen für zwei Tage 80 US$ (60 €). Die Zimmer sind klein und nur mit dem Nötigsten ausgestattet. Aber sie sind sauber und warmes Wasser gibt es auch. Das Haus ist im typisch arabischen Stil gebaut, mit einem Trep-penhaus in der Mitte, um das die Zimmer abgehen. Diese sind sehr hoch, bestimmt an die vier Meter. Die Decke ist mit Mangrovenholz gebaut, das dunkel sich vom hellen Untergrund abhebt. Dieses Holz wird gern zum Hausbau verwendet, denn es ist sehr fest und beständig gegen Wasser und Ungeziefer. Die Stangen sind meist 2,50 bis 4 m lang und werden beim Bau eines Hauses als erstes in den Boden als Rahmen für die später einzu-

setzenden Steine gerammt. Diese Stangen werden überall in Bündeln angeboten. - Den meis-ten Raum nimmt das breite Bett ein, sicher zwei mal zwei Meter, über das ein Gestell ange-bracht ist mit einem chandarua, dem Moskitonetz. Darüber läuft ein Ventilator, der ziemliche Geräusche von sich gibt und nachts recht störend deswegen ist. Die Fenster sind vergittert und ohne Scheiben, mit Fensterläden geschlossen, so dass es ziemlich dunkel hier drin ist. Wir schlagen einen halben Fensterladen zurück, damit es wenig heller wird und schauen auf eine Wand des gegenüberliegenden Hauses mit ebensolch vergitterten Fenstern wie die unseren, auch mit Fensterläden geschlossen. Der Fensterladen klappert im Wind hin und her und ich stecke ein Stück Papier dazwischen, damit er ruhig wird. Zwischen den Fenstern sind Regale eingebaut, die so hoch sind, dass ich mich frage, wie die Leute da hin gelangen. Nur ein Regal ist erreichbar, wo wir unsere Sachen ablegen können. So richtig den Koffer auspacken konnte ich in keinem Hotel, das wir bewohnten. Es gab keine Schränke, allenfalls einige Haken. Aber das ging alles auch so. Dann stellten wir fest, dass der Fernseher nicht zu gebrauchen war, der Stecker war defekt. In Barikis Zimmer ging der Fernseher, was er dann auch sehr ausnutzte. Die Steckdosen sind hier englisches Fabrikat, die man mit einem Trick überlisten kann und

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seinen deutschen Stecker hineinbekommt. Alle Steckdosen haben einen extra Schalter aus Sicherheitsgründen. An den Steckdosen kann man übrigens erkennen, wer das Haus erbaut hat. Deshalb ist es unerlässlich einen Weltadapter dabei zu haben.

Zanzibar – Old Dispensairy

Durch die Altstadt hindurch kommen wir diesmal an einem sehr schönen Gebäude heraus, das neu restauriert ist und durch seine frischen Farben und seiner ornamentalen Architektur auf-fällt. Es ist das Old Dispensary, das alte Krankenhaus. Das Gebäude vereint alle Stilrichtun-gen der ethnischen Gruppen auf Zanzibar und befindet sich gegenüber den Lagerhallen des Hafens, gleich zu Anfang der Mizingani Road, der Uferstraße, die vom Hafen in die Stadt führt. Die gelungene Restaurierung soll andere Hausbesitzer anspornen, ihre Häuser nach al-tem Vorbild vor dem Verfall zu retten. Heute wird dieses Haus als Kulturzentrum genutzt, die ismailitische Aga-Khan-Stiftung hat hier ihren Sitz, die sich um die Erhaltung der nationalen Kultur der Sansibari bemüht und auch große Erfolge auf dem Gebiet der Gesundheitsfürsorge und der Hygieneaufklärung aufweist. Die Stiftung lässt auf den entlegensten Dörfern Brunnen bohren und gibt ihre Projekte in die Selbstverwaltung der Dorfbewohner weiter. Wir suchen eine Bank, wo ich mit meiner Sparcard Geld am Automaten abheben kann. Schon zu Hause habe ich mir aus dem Internet ausgedruckt, welche Banken solche Automaten ha-ben, die mit dem Zeichen von Visa-Plus versehen sind. Trotzdem ist es nicht so einfach, die richtige Bank zu finden. Muhammed ist da keine Hilfe, er kennt sich mit solchen Dingen nicht aus. Schließlich finden wir nach einigem Hin und Her die FBME-Bank in der Shangani Street und den Automaten, der allerdings nur in Englisch spricht. Muhammed muss mir helfen und übersetzen, welche Tasten ich drücken muss. Schließlich bekomme ich einen Zettel für 600.000 TSh. Damit gehe ich zum Schalter und denke, dort bekomme ich das Geld. Aber ich erhalte die Auskunft, dass ich nur 300.000 TSh (ca. 172 €) ausgezahlt bekommen kann. Also wieder zum Automaten, diesmal kenne ich mich schon aus. Und das Wunder geschieht! Der Automat spuckt Geld aus! Wie einfach es doch ist.

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Zanzibar – Shangani Street

Wir laufen die Shangani Street weiter. Die Straße ist anfangs sehr schmal und da sie eine Hauptverkehrsader der Stadt ist, zwängt sich hier viel Verkehr hindurch. Durch die vielen Geschäfte mit ihrem Angebot besonders für Touristen und den Hotels, Banken, Reisebüros, Wechselstuben usw. herrscht hier ein immenser Verkehr. Man muss sehr aufpassen, nicht von einem Auto angefahren oder von einem Motorrad gerempelt zu werden. Es wird sowieso stän-dig gehupt und so aufmerksam auf die nahende Gefahr gemacht. Man drückt sich eben mal kurz an die Hauswand und schon geht es weiter. Erst als die Gebäude der Regierung und der Ministerien auftauchen, weitet sich die Straße zu einer wirklich prachtvollen Avenue und geht in die Kaunda Street über. Hier gibt es sogar Bürgersteige, wo man nicht vom Verkehr behel-ligt wird. Vor den Ministerien und dem Regierungssitz stehen wieder die bewaffneten Wa-chen. Ein Auto wird mit Sirenengeheul herausgelotst, sicher irgend so ein hoher Beamter, der hier gefahren wird. Nicht anders als bei uns, denke ich. Diese Regierungsgebäude sind helle und schöne Gebäude im arabischen Stil, einige haben schöne gepflegte Grünanlagen vor dem Eingang. Im Anschluss an diese Regierungsgebäude befindet sich das Mnazi Mmoja Hospi-tal, wo Muhammed seine Krankenpflegerausbildung absolvierte. Es ist ein großes Gelände mit mehreren Gebäudekomplexen. Wir können ohne weiteres hineingehen und schauen uns um. Muhammed erklärt mir die Gebäude und erinnert sich, was zu seiner Zeit damals in die-sen gewesen ist. Manche Gebäude sind renoviert, neben dem Eingang ist ein großer Neubau im Entstehen, das die anderen zweistöckigen Gebäude überragen wird. Es soll ein Bettentrakt werden. Mir fällt auf, dass hier die Aufnahme der Patienten getrennt nach Geschlechtern er-folgt. Auf der einen Seite des Hauses können die Männer, auf der anderen Seite nur die Frau-en hinein gehen. Islamische Sitten! Ich fotografiere noch Muhammed vor dem Gebäude als Erinnerung für ihn. Vor dem Hospital befindet sich der Victoria-Garden, eine kleine hübsche Grünanlage mit Ra-batten und alten Bäumen, die viel Schatten spenden. Hier sitzen viele junge Leute, offensicht-lich Studenten der nahen Universität. Im Anschluss an dieser Parkanlage befinden sich zwei Gedenkstätten, einmal das Peace Memorial Museum, das der Geschichte der Revolution ge-widmet ist, und das Natural History Museum. In dieses Gebäude gehen wir hinein. Hier wird

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Zanzibar: Mnazi Mmoja Hospital

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die Flora und Fauna der Inseln Unguja (Sansibar) und Pemba gezeigt. Es ist nur ein kleiner Raum, aber reichlich mit Beispielen bestückt. Da kann man die unterschiedlichsten ausge-stopften Vögel, bunte Muscheln und Schnecken, exotische Fische, Korallenriffe usw. bewun-dern. Viele der hier gezeigten Tiere sind inzwischen schon ausgestorben. Besonders die Vitri-ne mit einem ausgestopften Sansibar-Leoparden, der sehr selten ist, hat es mir angetan. Das muss im Foto festgehalten werden und ich stelle mich mit Bariki davor. Ich bewundere, wie viele Arten und Formen es an Seeschnecken und Muscheln gibt. Auch die bunte Fischvielfalt fasziniert. Auf den Inseln gibt es noch Tiere, die nur noch hier zu finden sind, wie die Cele-bus-Affen, die Fliegenden Füchse, den Sansibar-Leoparden und eine Eulenart. Eine Tafel ist auch dem Afrikaforscher Livingston gewidmet, der von Sansibar aus seine Tour quer durch den Kontinent zum Viktoriasee startete. Vor dem Gebäude ist die Nachbildung eines kleinen Elefanten zur Schau gestellt. Die Museumsangestellte führt uns noch zu einem ziemlich ver-wahrlosten großen Käfig, der einmal für Vögel gebaut wurde. Jetzt leben hier zwei Schildkrö-ten, die am Strand gefunden wurden und hier ihr Gnadenbrot finden. Die eine Schildkröte hat vorn nur ein Bein, sie ist so geboren worden und hätte bestimmt ein schnelles Ende gefunden, wäre sie nicht hier aufgenommen worden. Ich kann die beiden Schildkröten anfassen, was ihnen aber nicht behagt, denn sie ziehen schnell ihre Köpfe ein, um ebenso schnell wieder hervor zu lugen und weiter zu wandern. Ein grünes Salatblatt lockt sie dann doch und sie knabbern daran. Ich finde es als eine rührende Geste, trotz der etwas trostlosen Umgebung

diese Tiere so zu umhegen. Der Stadtbezirk Kibokoni, das Re-gierungsviertel, ist sehr schön. Alles ist gepflegt, es ist richtig sauber hier gegenüber den anderen Stadtteilen. Hier ist auch die Universität von Zanzibar und etliche Schulen, wie die Haile Selassie-Schule. Auch ei-nige Botschaften haben sich sehr schöne Villen hierher gebaut. Schöne Grünanlagen, der Jamhuri Garden, mit alten großen Bäumen, Blumen-rabatten und Hecken unterstreichen diesen Eindruck. Heute ist Freitag, der Feiertag der Muslime, daher

Zanzibar – Kibokoni: Jamhuri Garten schlendern viele Familien in ihrem schönsten Sonntagsstaat durch die Anlagen. Wir gelangen wieder zur Creek Road, die die Altstadt von der anderen Seite her begrenzt. Diese Straße ist ebenfalls eine Geschäftsstraße, aber eher für die einheimische Be-völkerung, denn hier ist einmal die Zentralstation der Dalla Dallas, und unzählige Geschäfte mit Waren des täglichen Bedarfs. Außerdem grenzt hier der Darajani soko, der Basar, an. Wie immer herrscht ein geschäftiges Treiben und wir bahnen uns unseren Weg bis zum hoteli, zu unserem Mittagessen. Diesmal nehme ich mir nur ein chapati (Fladen) und ein Mix aus Bananen, Mango und Papaya. Ich hoffe, dass ich das vertrage, es sieht lecker aus und schmeckt auch so! Auf dem Weg zum Hotel findet Bariki dann einen duka la simu, einen Te-lefonladen, hier gibt es Original-Handys! Wir hatten uns überlegt, für Muhammed ein neues Handy zu kaufen, denn das, was er benutzt, ist ziemlich alt. Ich will erst einmal sehen, wie viel sie kosten. Der Händler zeigt uns die verschiedensten Modelle und wir entscheiden uns für einen Samsung, genauso eins wie ich es zu Hause auch habe. Ich schaue nach und sehe, dass es wirklich ein Original ist. Also gibt es das hier auch, man muss nur wissen wo! Und die Preise sind annehmbar. Der Händler bestückt das neue Handy gleich mit der SIM-Karte, schaltet es frei und wir kaufen gleich noch eine Prepaidkarte dazu. Nun bin ich von meinem eben abgehobenen Geld schon 95.000 TSh wieder los. Das sind ca. 54.- €, also so etwa wie

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Zanzibar – Peace Memorial Museum

und Stadtteil Ng´ombe

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Zanzibar: Naturkundemuseum

mit Sansibar-Leoparden

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bei uns. Aber das ist mir die Sache schon wert. Die Kommunikation zwischen Muhammed und mir soll ja in Zukunft besser werden. Mit dem Konto aufladen ist das hier ganz einfach. Es gibt Karten, die man sich überall kaufen kann, zu unterschiedlichen Preisen. Meist werden Karten zu 1000 oder 2000 TSh (ca. 0,57 – 1,15 €) gekauft. Auf den Karten muss eine Num-mer frei gerubbelt werden, man ruft seine Gesellschaft an und gibt diese Nummer an, schon hat man sein Konto wieder aufgefüllt. Mit diesen hohen Zahlen beim Verrechnen habe ich so meine Schwierigkeiten. Aber ich habe mir schon zu Hause eine Liste ausgedruckt, auf der die Umrechnung in Euro steht. So brauche ich nur darauf zu schauen und schon weiß ich, wie viel das kostet. Nur so erkenne ich, ob etwas zu teuer ist. – Ich muss hier noch etwas bemerken. Aus Sicherheitsgründen lassen wir unsere Wertsachen wie Geld und Pässe nicht im Hotel liegen, sondern ich trage alles in einer Tasche bei mir. Wir haben aber niemals bemerkt, dass in unseren Sachen im Hotel etwa herumgestöbert wurde. Auch die Tasche, die ich immer über der linken Schulter getragen habe, war nie in Gefahr. Einen Brustbeutel oder eine Bauchta-sche hatte ich zwar mit, aber nie benutzt. Ich hatte nie das Gefühl gehabt, irgendwie belästigt oder belauert zu werden. Dafür haben meine beiden Männer, besonders Bariki, zu sehr aufge-passt. Im Gegenteil, ich fühlte mich immer ziemlich sicher und geborgen. Nach diesem Einkauf gehen wir zurück ins Hotel. Wir gehen durch den Darajani soko, dem Basar. Hier gibt es alles, was zum täglichen Leben gebraucht wird. Die Stände und die Gassen sind sehr eng hier und voller Menschen, die sich ihre Ware aussuchen. Auch ich schaue nach allen Seiten, um viel zu sehen. Manchmal bleibe ich stehen und frage, was das für eine Frucht ist. Es gibt hier Gemüse wie wir es auch kennen, Tomaten, Paprika, Auberginen, Kartoffeln, Kohl, Zucchini, Gurken, Zwiebeln usw. Früchte, wie Mandarinen, Zitronen, Bananen (große und kleine), Melonen jeder Art, Papaya, Sternfrucht, Kassava und Süßkartoffeln, dann Reis, Bohnen in den buntesten Farben, Linsen, Hirse, Mais. Es ist die bunteste Vielfalt, die man sich denken kann. Dazwischen Stände mit Gewürzen, an denen es verführerisch duftet. Ein solcher Basar mit seinen bunten Farben, lautem Treiben und exotischen Gerüchen vermittelt unvergessliche Sinneseindrücke. Ich kann mich kaum satt sehen und meine beiden Männer sind viel zu schnell hier durch gegangen. Hier muss ich noch einmal her! Im Hotel stellen wir den Ventilator ein und schlafen ein bisschen. Muhammed wird immer so schnell müde. Das Laufen strengt ihn doch an. Am Nachmittag gehen wir zu dem Viertel Ng´ambo, was soviel wie die andere Seite bedeu-tet, das damals die DDR erbauen ließ. Die DDR war nach der Revolution eines der ersten Länder, die hier ihre Beziehungen aufbauten, sicher auch aus wirtschaftlichen Gründen. Die Häuser sind mehrstöckig und haben viele Geschäfte im Unter-geschoß. Diese Läden quellen über mit Waren, die meist aus China stammen. Im angrenzenden Wohnviertel mit einfachen einstöckigen Häusern fällt mir die Sauberkeit auf. Hier ist es wirklich viel sauberer als in den Vierteln, die ich bisher gesehen habe. An zentralen Plätzen zwischen Zanzibar – Stadtviertel Ng´ambo

den Häusern sind Gestelle mit Eisenplatten aufge- baut, in denen in regelmäßigen Abständen der Unrat und Müll verbrannt wird. Neben diesen „Öfen“ steht immer ein Wasserbassin zum Löschen der Flammen und des Rauches. Die Be-wohner dieses Viertels haben sich selbst geholfen! Zentrale Zapfstellen für Wasser findet man hier auch. Zwischen den Häusern oft einige Bäume oder Sträucher oder einfach nur Blumen-pflanzen in ausrangierten Blechkanistern. Vor den Häusern sitzen Kinder oder alte Leute, die mich skeptisch ansehen. Durch dieses Viertel geht sonst bestimmt kein Weißer! In diesem Wohnviertel zeigt mir Muhammed das Haus, wo er als Krankenpfleger-Student bei einer Fa-milie ein Zimmer bewohnte. Von dort ist er mit dem Fahrrad zum Krankenhaus gefahren. Ich fotografiere das Haus für Muhammed. Auch sehe ich hier oft diese schönen alten Sansibartü-

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Zanzibar: am Darajani Soko und Zeitungslektüre

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Zanzibar: Darajani Soko – Gemüse und Gewürze

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ren an den Häusern. Einige Häuser sind sogar renoviert oder man ist gerade dabei, es zu tun. Dieses Wohnviertel grenzt direkt an den Mlandege-Basar, durch den wir zurück gehen. Hier gibt es alles an „Hardware“ jeder Art zu kaufen: Stoffe, Kleider, Radios, Moskitonetze, Töp-fe, Schüsseln Matratzen, Taschen und was man sonst alles so braucht. Die kleinen Läden quellen über mit ihrem Angebot. Ich habe selten richtige Reklameschilder gesehen. Wozu

Zanzibar: Mlandege Soko

auch? Die bunte Vielfalt des Warenangebots an den Türen des duka (Laden) spricht für sich genug. Dazwischen gibt es auch Läden mit Lebensmittel, die in offenen Körben oder Säcken trockene Bohnen, Mais, Mehl, Hirse anbieten, alles in mehreren Sorten. Muhammed weiß wieder nicht, wie das alles heißt, wenn ich danach frage. Hier gibt es alles in Hülle und Fülle, man muss nur das nötige Geld zum Kaufen haben. In dieser engen Straße halte ich mich noch mehr zwischen meine beiden Männer, denn es herrscht ein unbeschreibliches Gewimmel an Menschen und wie immer bahnen sich hier Fahrräder und sogar Motorräder ihren Weg durch die Menge. Man muss sehr aufpassen, nicht nur auf die Fahrzeuge, sondern auch auf die Wa-ren, die bis auf die Straße ausgelegt sind. Einmal müssen wir sogar einem zweirädrigen E-selskarren ausweichen, der nur mühsam vorwärts kommt. In meinen Augen bilden diese kleinen Läden mit ihrem überquellenden Warenangebot ein einziges Chaos. Aber es ist auch ein malerisches Bild und ich stelle immer wieder fest, so ist das Leben hier. Überall sind diese kleinen Läden voll gestopft mit Waren und bieten diese bis auf die Straße an. Das Leben hier spielt sich vorrangig auf der Straße ab. Als wir auf der Creek Road angekommen sind, atme ich doch auf. Durch den gegenüberliegenden Darajani Basar geht es zurück zum Hotel, wo wir ein bisschen ruhen. Gegen Abend laufen wir zum Forodhani Garden, wo wir Abendessen wollen. Der Weg geht durch Stone Town hindurch und ich versuche, mir Anhaltspunkte ein-zuprägen, wenn wir wieder zurück gehen. Irgendwie muss man sich doch hier zurecht finden. Heraus kommen wir an der Uferpromenade, wo ein riesengroßer Baum steht, der mir nicht nur wegen seiner Größe, sondern auch wegen seines mit Lianen verschlungenen Stammes auffällt. Die Lianen hängen auch an den weit ausladenden Ästen herunter. Ich muss diesen Baum erst einmal fotografieren, so gefällt er mir. Unter ihm haben sich ein kleiner Imbiss

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stand und mehrere andere Händler mit Früchten niedergelassen. Der Baum spendet wahrlich seinen Schatten! Im Forodhani-Garden herrscht wie immer um diese Abendzeit ein reges Treiben und viele Menschen suchen sich ihr Abendbrot an den Ständen aus. Wir nehme uns sambusa, dreieckige Teigtaschen, die mit einer Mischung aus Fisch und Gemüse gefüllt sind und auf dem Grill gebacken werden. Während unsere Bestellung auf dem Grill brutzelt, set-zen wir uns auf eine Bank an einem schmalen Tisch, wo schon mehrere Touristen Platz ge-nommen haben. Ich probiere erst eine von den sambusa aus, aber sie schmeckt mir so gut, dass ich gleich noch eine bestelle. Da wir auch etwas trinken wollen, holt uns der Mann von diesem Stand von einem anderen Stand unser gewünschtes Getränk. Ich bedaure, nicht mei-nen Fotoapparat mit zu haben. Solch einen Stand mit dem Angebot der verschiedensten Le-ckereien, die das Meer zu bieten hat, sieht zu malerisch aus. Und das noch bei dieser Beleuch-tung durch eine Petroleumlampe und dem Grill-feuer. Unter den Leuten herrscht eine frohe Stim-mung, Touristen sitzen mit Einheimischen an ei-nem Tisch und unterhalten sich. Auch auf der Wiese sitzen die Menschen, es gibt zu wenig Sitzgelegenheiten hier. Wir bahnen uns durch diese Menschenmenge und durch die Dunkelheit unseren Weg zurück. Ein Glück, ich habe meine Taschenlampe dabei, so dass wir wenigstens et-was von dem Weg erkennen können. Es geht wie-der durch das enge Gassengewirr von Stone Town. Diesmal führt Bariki, um zu zeigen, wie er sich hier auskennt. In Gedanken führe ich auch Zanzibar – Forodhani Garden

und ich freue mich jedes Mal, wenn ich die richtige Richtung gefunden habe. Man findet sich doch besser hier in diesem Gassenlabyrinth zurecht als man denkt. Im Hotel riecht unser Zimmer nach Insektenspray, man hat das Zimmer damit eingesprüht. Ich öffne daher kurz das Fenster, um etwas von dem Geruch herauszulassen. Dann entdecken

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wir, dass unsere Dusche defekt ist, der Brausekopf ist völlig zu von Kalk. So nehmen wir ihn einfach ab und es kommt wenigstens warmes Wasser als Strahl heraus. Auch die Toilette hat keine Sitzbrille, durchaus üblich in islamischen Ländern, und ich wende hier das erste Mal die desinfizierenden Hygienetücher an. Eine Besonderheit muss ich noch erwähnen. Neben den Toiletten gibt es einen gesonderten Wasserhahn mit einem Schlauch daran. Nach islamischer Sitte wird das als Ersatz für Toilettenpapier benutzt. Toilettenpapier gab es aber trotzdem! Ich benutze diesen Schlauch immer, um die Füße sauber zu bekommen, denn hier läuft man nur barfuss in den Zimmern. - Wir duschen und fallen müde ins Bett. Das chandarua, das Moski-tonetz wird heruntergelassen, ringsum sorgfältig unter die Matratze gesteckt und dann können wir endlich schlafen. 25. August 2007, Samstag

Ich habe schlecht geschlafen, mir geht unsere finanzielle Lage nicht aus dem Kopf. Muham-med hat alles Geld, was wir haben zur Verwahrung gegeben. Auch das, was er selbst mitge-bracht hat. Das ist Frauensache, meint er und das glaube ich ihm auch. Er ist zu großzügig, handelt nicht, wenn wir etwas bezahlen wollen. Ich muss ihn immer daran erinnern, auch den Preis einer Ware herunter zu handeln, wie es eben hier üblich ist. Vom Automaten bekomme ich nur Tanzanische Schillinge ausgezahlt, keine Dollar. Meine mitgebrachten Dollar sind fast aufgebraucht. Von den Touristen werden meist Dollar verlangt, besonders bei Transportmit-teln und im Hotel. Die 300 Euro, die ich noch habe, will ich für Flugtickets von Pemba nach Dar verwenden, wenn sie überhaupt reichen. Wir müssen also heute zu einer Fluggesellschaft und zum Hafen, um Tickets zu kaufen. Es regnet in Strömen und unser Frühstück auf dem Dach des Hotels fällt heute etwas karg aus. Wegen des Regens bleiben wir in unserem ungemütlichen Zimmer, in dem ziemlich alles de-fekt ist. Auch unsere Zimmertür, übrigens im Stil der Sansibartüren, geht nicht zu verschlie-ßen, dafür ist innen ein Riegel oben angebracht, den man nur auf Zehenspitzen erreichen kann (das muss Muhammed machen) und in der Mitte ist noch ein Riegel. Von außen verschließen wir die Tür mit einem gewaltigen Riegel mit einem Vorhängeschloss davor. Auch das ist Frauensache, das Verschließen des Hauses. Neben der Tür ist ein kleiner Frisiertisch mit Spiegel, davor ein Hocker als einzige Sitzgelegenheit. Bariki richtet das neue Handy ein. Wie wird das frei geschaltet und ich verfluche meine schlechten Englischkenntnisse. Das Kiswahili wende ich auch nicht an, weil Muhammed nur in Deutsch mit mir reden will. Es soll keiner verstehen, was wir miteinander reden. Mir ist das gar nicht so recht. Warum habe ich mich sonst mit dieser Sprache beschäftigt? Trotzdem mer-ke ich, dass ich den Gesprächen in Kiswahili recht gut folgen kann und zumindest weiß, um welches Thema es geht. Das frustriert mich ein wenig. Das Übertragen der Telefonliste aus dem alten Handy dauert und dauert, die Liste ist ellenlang. Braucht Muhammed diese Num-mern alle noch? Als ich ihn darauf anspreche, werden doch einige gelöscht. Es bleiben aber immer noch genug übrig. Es hat aufgehört zu regnen und es ist sehr schwül draußen geworden. Am Hafen suchen wir nach der Fluggesellschaft Zanair und finden sie schließlich nach Hinweisen und Fragen in einer Seitenstraße. Wenn es wenigstens Hinweisschilder gäbe! Es ist sehr voll hier und wir warten ziemlich lange, um dann zu erfahren, dass für unseren gewünschten Tag keine Plätze mehr frei sind. Nun gehen wir zu Precisions Air/Kenian Airways in der Kenyatta Road. Die fliegen Pemba nicht an! Muhammed ist schon niedergeschlagen, weil Pemba dann für uns ausfallen müsste. Das würde auch ich sehr bedauern. Weiter geht es zu Coastel Air, in der Shangani Street. Es gibt wieder kein Hinweisschild, die auf diese Fluggesellschaft hinweist. Aber die freundliche Frau hat drei Tickets für uns! Wir buchen gleich den Flug von Pemba nach Dar Es Salaam und ich kann in Euro bezahlen. In einer Stunde können wir die Tickets abholen. Ich lasse mir eine Quittung für die Euros geben. Die Angestellte lächelt nur darüber. Es wäre unnötig. Das glaube ich ihr sogar, aber ich bin nun mal vorsichtig in Gelddingen. Gegenüber ist ein Restaurant und wir beschließen, dort zu Mittag zu essen. Wir setzen uns an

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Zanzibar: Stone Town

Sansibar-Tür

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Zanzibar – Stone Town

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Zanzibar – Stone Town: alte Tür

und Laden für tanzanische Volkskunst

alte und moderne Zeit St. Josephs-Kathedrale

Zanzibar – Stone Town

Kangas

Ladenstraße der Juweliere

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Zanzibar: Beit al Ajaib – House of Wonders / Haus der Wunder

kleine Holztische und wählen aus dem Menü wieder Fisch mit Reis, den wir uns munden las-sen. Das Restaurant wird gut besucht, denn es ist mit seinen Preisen erschwinglich und das Essen schmackhaft und reichlich. Die Tickets sind dann ein bisschen teurer als angegeben, aber für unsere drei Tickets bezahle ich 169 Euro und bekomme das Wechselgeld in Schilling heraus. Das geht doch. Muhammed ist erleichtert und ich bin froh, denn Pemba möchte ich schon sehen. Wir laufen in Richtung Hafen zurück. Am Beit al Ajaib, dem House of Wonders, wie es auch genannt wird, ist ein Volkskunst-Festival. Wir sahen schon vorhin im Vorbeigehen einige Tänzer und Trommler mit ihrer Darbietung. Es sind auch Stände mit Erzeugnissen der Volks-kunst zum Verkauf aufgestellt, die ich mir anschaue. Da sind schöne Flechtarbeiten, Schnitze-reien, aber auch Öle und Kosmetika aus heimischen Pflanzen zu sehen, dann diese schönen Kanga-Stoffe. Wir gehen in das Gebäude hinein und ein gewaltiges Treppenhaus im arabi-schen Stil empfängt uns im Inneren. Das House of Wonders wurde 1883 im Auftrag des Sul-tans Bargash, einem Bruder der Prinzessin Salme, erbaut und zählt wohl zu den schönsten und eindruckvollsten Gebäuden der Stadt. Es erhielt seinen Namen, weil es das erste Haus in Af-rika überhaupt war, das mit den neuesten technischen Einrichtungen der damaligen Zeit ein-gerichtet wurde: elektrisches Licht, fließendes Wasser, Toilette mit mechanischer Wasserspü-lung und einem elektrischen Fahrstuhl. Das Gebäude vereint Elemente der arabischen und viktorianischen Baukunst. Der Uhrenturm ist viktorianisch, während die gewaltigen Türen arabische Holzschnitzereien aufweisen. Ab 1911 wurde das Gebäude von der britischen Pro-tektoratsverwaltung genutzt. Nach der Revolution von 1964 war es Sitz der Regierungspartei. Im Jahre 2000 wurde das Gebäude zum Weltkulturerbe erklärt und ist heute das Wahrzeichen von Zanzibar-Stadt. Heute ist es Museum und zeigt in einer Ausstellung ausführlich die Ge-schichte und die Kultur von Zanzibar. - Im Treppenhaus steht eine Original-Dau, das typische Schiff der Sansibarischen Fischer. Die Bevölkerung von Zanzibar setzt sich aus verschiede

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nen Kulturen zusammen und bildet so das typisch Sansibarische Kulturgemisch, woraus sich auch die Lebensweise erklä-ren lässt. So sind neben den einheimi-schen Bantuvölkern auch starke arabische und indische Einflüsse. Dadurch ist hier das Swahili, die „Küstensprache“, am reinsten. Die meisten Sansibari sind isla-mischen Glaubens, nur wenige Hindus und Christen gibt es hier. Aber Zanzibar ist für seine religiöse Toleranz bekannt. In Stone Town stehen 48 Moscheen, vier Hindutempel, zwei katholische Kirchen und je ein Tempel für Buddhisten und für Anhänger des Zoroastrischen Glaubens einträchtig nebeneinander. Der Islam hier gibt sich aber sehr liberal und kosmopoli-tisch. Die Lebensweise der Bevölkerung von Zanzibar wird anschaulich in mehre-ren Räumen anhand von Nachbildungen des täglichen Lebens dargestellt Ausführ-liche Beschreibungen ergänzen die realen Anschauungsstücke. Ein ganzer Raum ist wieder der Prinzessin Salme gewidmet. Sie ist hier fast bekannter und berühmter als der Sultan selbst. In einem großen Saal werden die bunten kanga ausgestellt. Hier sehe ich den Kanga wieder, den mir

House of Wonders: Treppenhaus Muhammed damals zurück gelassen mit Original-Dau hatte und ich freue mich darüber. Die Be- kleidung der Menschen hier unterscheidet sich doch von denjenigen des Festlandes. Der Islam schreibt den moslemischen Frauen den schwarzen, bodenlangen bui bui vor, über den Kopf und die Schultern wird ein meist weißes feines Tuch mit Stickereien versehen oder ein Kangatuch getragen. Das wird so kunstvoll um den Kopf herum gesteckt, dass es auch ohne Nadeln hält. Ich habe es mehrmals probiert, solch ein Tuch mir um den Kopf zu wickeln, aber das Ergebnis war mehr als dürftig und hielt nie. Die Frauen verstehen es, diese Tücher anmutig und manchmal sogar kokett um ihren Kopf zu wickeln. Ich habe das oft bewundern können. Der kanga ist ein Stück Stoff, das wie ein Wickelkleid getragen wird. Es ist das wichtigste Kleidungsstück überhaupt. Schon die Babys werden in diesen Tüchern mit herum getragen. Und die Toten werden in einen solchen Kanga eingehüllt. Das Stück Stoff begleitet die Frauen von der Geburt bis zum Tod. Manch-mal werden sie auch als Tragetasche zusammengeknotet oder so um die Hüften geschlungen, dass man darin sein Geld verstauen kann. Die Kangas haben heute eine sehr kommunikative Bedeutung. Mit ihnen kann die Frau der Umwelt mitteilen, wie sie sich gerade fühlt. Die Stof-fe von etwa 1,75 x 1,25 m haben vier wichtige Aspekte: einmal den Rand des Stoffes, wo Sprüche, Leitmotive, Aphorismen oder einfach Wünsche aufgedruckt sind, mit denen sich ihre Trägerin mitteilen will. Das Leitmotiv drückt ebenfalls das Mitteilungsbedürfnis aus. Dann spielt die Farbe eine große Rolle, sowie das Muster.

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Verschenkt man ein solches Tuch, muss man sehr auf die aufgedruckten Sprüche achten. So-gar politische Werbeslogans finden sich auf den Kangas. Man kann dieses Kleidungsstück eigentlich mit den westlichen T-Shirts vergleichen, auf denen ja auch vieles zu lesen ist. Die Kangas werden immer als Paar verkauft. Als Wickelkleid wird ein einzelner Kanga über der Brust verknotet oder um die Hüfte geschlungen. Die Aufschrift muss aber immer gut lesbar sein. Bei zwei Kangas wird jeder auf der Schulter verknotet und in der Hüfte mit einem Gürtel oder mit einem dritten Kanga festgehalten. Meist wird ein Kanga um die Hüfte getragen, dazu ein T-Shirt und um den Kopf einen passenden Kanga dazu geschlungen. Die Farbenpracht und die unterschiedlichsten, einfallsreichen Muster dieser Kangas hat mich immer wieder begeistert. Von der Empore aus, die ringsum das Gebäude läuft, hat man einen herrlichen Blick auf die Mizin-gani Road, die Uferstraße, den nahen Hafen und den Forodhani-Garden. Auf der anderen Seite kann man in das Alte Fort hineinschauen, wo sich ein Restaurant um ein altes Amphitheater herum befin-det und wo manchmal Musikveranstaltungen statt-finden. Über die Dächer von Stone Town hinweg erkennt man einige Hotels und den Turm der katho-lische St. Josephs-Kathedrale. Weit geht der Blick übers Meer, den Indischen Ozean, wo große und kleine Schiffe auf Reede ankern. Ein malerisches Bild! Dieses Museum im Beit al Ajaib, dem House of Wonders, ist sehenswert! Draußen vor dem Gebäude schaue ich mir noch einmal die Stände mit der Volkskunst an und kaufe einen pembani-Krug für 500 TSh Tür im House of Wonders

(ca. 30 Cent). Dieser kleine Krug dient als Weihrauchgefäß. Ich werde ihn als Teelicht benutzen.

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Zanzibar: Amphitheater mit Restaurant

Am Hafen erfahren wir am Schalter für die Fähre nach Pemba, dass wir erst morgen, also einen Tag vor der eigentlichen Abfahrt, Tickets kaufen können. Also müssen wir morgen noch einmal hierher. Wir laufen zurück ins Hotel, unsere Beine tun uns allen weh. Wir duschen uns den Schweiß von der Seele und ich wasche mir die Haare mit kaltem Wasser. Das geht auch so mal! Dann wasche ich ein Hemd von Muhammed und eine Bluse von mir, hänge das aufs Gestell des Moskitonetzes. Der Ventilator trocknet es schnell. Dann versuche ich, eine SMS an Dirk nach Deutschland mit dem neuen Handy zu senden und warte auf Antwort. Es klappt wieder nicht! Später, zu Hause erfahre ich, dass die tanzanische Telefongesellschaft CELTEL keinen Ver-trag mit einer deutschen Telefongesellschaft hat und daher die SMS nicht weiterleiten kann. Als ich mich ausruhen will, merke ich, dass ich ein wenig Durchfall habe und weiß auch gleich woher. Mittags gab es bei meinem Essen einen Hamburger mit Majonäse dazu. Und Majonäse vertrage ich auch zu Hause überhaupt nicht. Mein Fehler und nicht dran gedacht! Ich hoffe, es ist gleich vorbei, wie immer und nehme mir vor, nur Brot und Tee zu mir zu nehmen. Am Nachmittag kamen Selme und ihr Mann kurz im Hotel vorbei und wollten uns begrüßen. Selme ist eine Schwester von Muniri und arbeitet in einer Bank in Zanzibar. Auch hier war die Begrüßung herzlich und Selme umarmte mich gleich ohne weiteres. In unserem hoteli essen wir zu Abend. Ich nehme aus Vorsicht nur Tee und dazu keki, einen kleinen Rührkuchen. Zuerst bekomme ich einen sehr stark gesüßten Tee, wie er hier üblich ist und Milch dazu. Ich möchte aber meinen chai ya rangi bila sukari, also Tee von Farbe, ohne Zucker und Milch. Das ruft ungläubiges Kopfschütteln bei den servierenden Männern hervor, wie kann man Tee ungesüßt trinken? Das schmeckt doch gar nicht! Aber ich bekomme mei- nen Tee, so wie ich ihn haben möchte. Bariki taut ein bisschen auf und versucht, mir Kiswahi-li-Wörter beizubringen. Ich freue mich darüber. Er erinnert mich immer an meinen Enkel Da-vid mit seiner ruhigen, schlaksigen Art. Im Hotel wieder angekommen, ruft Muhammed seine

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Tochter Bahati an und bestellt ein Auto nach Shinyanga, wo sie mit dem Flugzeug ankommen werden. Bahati will auch mit mir sprechen: karibu – asante, habari gani? – nzuri! Dann hört es bei mir auch schon auf. Schade! Ich freue mich aber trotzdem sehr über diese kleine Be-grüßung. Muhammed ruft auch seine Cousine Rahila in Chake Chake auf Pemba an wegen eines Hotelzimmers. Es wird besorgt und alles ist in Ordnung. Die Leute helfen sich hier ge-genseitig. 26. August 2007, Sonntag

Ich habe wieder nicht gut geschlafen. Diese vielen neuen unbekannten Eindrücke beschäfti-gen mich sehr.

Unser Frühstück nehmen wir wieder oben auf dem Dach des Hotels ein, das über das Treppenhaus zu erreichen ist. Es ist im 5. Stockwerk, also müssen wir jeden Morgen ganz schön klettern, ehe wir oben sind. Aber heute lohnt es sich wirklich, denn dies-mal scheint die Sonne und die Dächer von Stone Town liegen ringsum uns. Man kann von hier oben ziemlich weit über die Stadt hinweg schauen. Die meisten Häuser haben eine Dachterrasse, wie ich das erkenne. Fast alle Häuser sind mit Wellblech

gedeckt, die zum Teil schon angerostet sind. Ich fotografiere von hier oben die Altstadt, aber auch das Viertel Ng´ombe. Ein großer mukungu-Baum, solch einer mit den roten Lederblät-tern, steht vor dem Haus und reicht mit seiner Krone bis hier herauf. An seinen äußersten Zweigenden blüht er in dünnen hellen Ris-pen. Die Dachterrasse unseres Hotels nimmt die ganze Fläche des Hauses ein. An der Sei-te stehen etliche Blechkübel mit Blumen-pflanzen und Kakteen. Einige Tische stehen hier für die Gäste. Hinter einem Wandschirm ist die „Küche“, wenn man das so bezeichnen darf. Auf einem kleinen Kerosinkocher und einem Holzkohlenofen werden das Wasser für den Tee und die anderen Speisen, wie Omelett, hergerichtet. Ein Kühlschrank steht in der Ecke. Ein kleines Waschbecken zum Abwaschen und daneben zwei große Wassertanks, wie sie auf allen Häusern stehen, vervoll-ständigen das Ganze. Es ist primitiv, aber für uns wird stets ein gutes Frühstück bereit gehal-ten. Heute nehme ich nur Brot und Ingwer-Tee und die kleinen Bananen, lehne den Fruchtsaft ab, weil Eiswürfel darin sind. Mein Bauch hat sich zwar beruhigt, aber ich traue dem Frieden noch nicht. Daher nehme ich vorsichtshalber noch zwei Imodium-Tabletten und hoffe, dass es wirkt. Nach dem Frühstück gehen wir zum Hafen, um die Tickets für die Fähre nach Pemba zu kau-fen. Hier wollen uns viele Leute behilflich sein und weisen uns zum Schalter, wo man die Tickets nach Dar Es Salaam erwerben kann. Sie schauen verdutzt, weil wir nach Pemba wol-len, also zu einem anderen Schalter müssen. Am Schalter muss ich meinen Pass abgeben, da-mit der Mann hinter der Glasscheibe meinen Namen richtig schreiben kann. Die Tickets sehen wie Flugtickets aus und werden auf den Namen des Passagiers ausgestellt. Für die Tickets bezahle ich für mich 35 US$ (26 €) und für die beiden Männer zusammen nur 31.000 TSh (ca. 18 €). Ich finde das wieder als Abzocke bei den Touristen, aber was soll man da machen? Wenn ich an die Armut des Landes denke, gebe ich es gern. Jedenfalls sind wir froh, dass der Transport nach und von Pemba klar ist. Als wir in Richtung Shangani laufen, rennt hinter uns ein junger Mann her und gestikuliert heftig. Ich habe meinen Pass am Schalter vergessen!

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Und nun bringt mir dieser Mann meinen Pass hinter her! Das hätte ja was gegeben! Ich bin sehr erleichtert über so viel Ehrlichkeit. Der Hafen ist das eigentliche Herzstück, die Seele von Zanzibar. Hier befinden sich die Bu-chungsstellen der Fähren, die Hafenpolizei, der Zoll und die Einwanderungsbehörde. Mit al-len hatte ich ja schon meine Bekanntschaft gemacht. Hier kommt alles an, was auf die Insel will und daher herrscht immer ein geschäftiges Treiben. Man wird ständig gefragt, ob man behilflich sein kann. Besonders Ausländer können sich kaum retten und ich finde es fast als eine Belästigung, ständig angesprochen zu werden. Mit einem höflichen siyo (nein) oder a-

sante (danke) kommt man aber unbehelligt weiter. In der Mizingani Road, der Uferpro-menade, in der Nähe des großen Baumes ist eine Internetstelle, wo ich Dirks Nachrichten lese und ihm mit-teile, was wir vorhaben. Hier kosten 30 Minuten nur 500 TSh (ca. 30 Cent). Neben diesem Internet werden Bilder ausgestellt, die ich schon die Tage vorher mir angesehen habe. Sie sind im Stil der naiven Sansibar-Malerei gehalten, die man Tingatin-

ga nennt. Es sind Bilder voll Farben-pracht und zeigen Motive aus dem Leben, wie Tiere der Savanne, Vö-

Tingatingamalerei im Treppenhaus gel, aber auch Menschen. Vögel sind das Hauptmotiv und jedes Tier hat seine Bedeutung. Der Löwe steht für Stärke, der Fisch für das Leben und der Vogel für Har-monie. Ich hatte schon in den Gassen von Stone Town gesehen, wie diese Bilder entstehen. Die Leinwand, immer quadratisch in der Größe von 2 x 2 Fuß, durchläuft zuerst einen be-stimmten Präparationsprozess, damit das Bild beim Rollen später nicht zerbricht, erst dann wird die Ölfarbe aufgetragen. Mir gefallen diese Bilder sehr und ich hatte mir schon einige Tage vorher ein bestimmtes Motiv mit Vögeln ausgesucht. Das Bild ist nur auf der Leinwand aufgemalt, also ohne Rahmen und kann zusammengerollt werden. Das erleichtert den Trans-port ungemein. Ich nehme mir vor, noch so einen Rahmen dazu zu kaufen, die wie eine San-sibartür geschnitzt sind. Ob diese teuer sind? In der Shangani Street suchen wir eine Wechselstube auf, und ich tausche meine restlichen Euros in Schillinge um. Ich behalte mir nur etwas Kleingeld. Gegenüber ist die Bank mit dem Automaten und ich hole mir noch einmal 30.000 TSh. Ob das nun reicht für Pemba? Durch die Altstadt geht es wieder zurück zum Hotel. Unterwegs entdecke ich immer wieder diese schönen Türen, für die ja Stone Town bekannt ist. Ich muss sie alle fotografieren, so schön sind die Schnitzereien. Diese traditionell kunstvoll geschnitzten Türen findet man an ungefähr 500 Häusern noch, mehr oder wenig erhalten oder schon verkommen. Diese Türen drückten die soziale Stellung und den Wohlstands des Besitzers aus. Sie zeigen kunstvolle Schnitzerei-en mit Motiven aus der Tier- und Pflanzenwelt, verziert mit schwungvollen Arabesken. Fi-sche und wellenförmige Verzierungen symbolisieren den Frieden und das Leben am Meer. Die Lotusblüte gilt als Zeichen der Fruchtbarkeit und die Dattelpalme spiegelt den Reichtum eines Plantagenbesitzers wider. In der arabischen Version haben die Türen einen bogenförmi-gen Türsturz oben und sind mit Inschriften aus dem Koran verziert. In der indischen Version sind die Türen mehr rechteckig und erkennbar vor allem an den spitzen Messingdornen an der Türfläche. Viertürige Türen finden sich noch an wenigen Geschäftshäusern oder Warenhallen. Ursprünglich wurden die Türen aus Teak- oder Jackfruchtholz hergestellt. Sie bestehen aus zwei Flügeln, wobei der linke über den rechten schließt, das hat seine Symbolik. Der rechte Flügel wird mlango mke, die männliche Tür genannt, der linke Flügel dagegen mlango dume,

die weibliche Tür. Eine Kommission wacht über diese Besonderheit von Stone Town und

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nicht zuletzt haben diese wunderbaren Türen der Altstadt 1988 zum Titel Weltkulturerbe mit verholfen. Nachbildungen kann man in bestimmten Läden erwerben. Es gibt eine Schule, wo diese Schnitzereien gelehrt werden. Muniri fertigt ja auch diese Schnitzereien an für seine Kunden im Ausland. Ich jedenfalls bin immer wieder begeistert, wenn ich eine dieser schönen Türen sehe. Eine andere Besonderheit sind die Sansibar-Truhen, die „Seesäcke“ der Araber. Diese Truhen wurden als Transportmittel auf den Daus verwendet. Oft hatten sie mehrere Fächer, heraus-nehmbare Schachteln, doppelte Böden und Geheimfächer aufzuweisen. Mit Messing beschla-gen waren sie besonders haltbar. An der Größe der Truhe, diesen Messingbeschlägen und an den Schnitzereien, die oft mit Edelsteinen versehen wurden, konnte man den Reichtum seines Besitzers ermessen. Es gibt nur noch wenige Originale. Heute werden sie für Hotels und als Souvenir in allen Größen hergestellt.

Tingatinga-Malerei im Treppenhaus des Hotels

Wir kommen wieder beim Darajani soko heraus, wo unser Hotel sich befindet. Auch unser Hotel weist solche schönen Türen auf, an den Wänden des Treppenhauses hängen einige der Bilder in der naiven Maltechnik. Im Hotel angekommen, bezahlen wir noch eine Nacht. Wir versuchen es noch einmal mit dem Handy vom Bariki. Das klappt einwandfrei. Irgendetwas stimmt also nicht mit dem neuen Handy. Das Mittagessen nehmen wir in unserem hoteli ein, wo ich wieder nur Brot und Tee nehme, bin eben noch vorsichtig. Aber die Tabletten wirken offensichtlich. Im Hotel angekommen, wasche ich wieder einige Sachen von uns, wringe sie mit einem Handtuch aus und hänge sie über das Gestell des Moskitonetzes. Der Ventilator wird es schon trocknen. Ich stelle bei mir so fest, wenn man die Vorstellungen und Maßstäbe der europäischen Kultur völlig beiseite legt, kann man das Leben hier akzeptieren. Ich lerne und begreife allmählich die Mentalität der Menschen hier immer besser. Und damit meine ich auch besonders meinen Muhammed. Er ist ein guter Familienvater, zu seinen Kindern hat er ein gutes Verhältnis. Das spüre ich an den Telefongesprächen, die er mit ihnen führt. Er wird oft angerufen von seinen

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Kindern zu Hause. Wenn ich nachts nicht schlafen kann, weil mein Bein weh tut, wacht er auch auf und tröstet mich wie ein kleines Kind. Wie wohl das tut! Unsere Beziehung wird immer inniger, je länger wir zusammen sind und wir verstehen uns oft auch ohne Worte. Es gibt so viel Gemeinsamkeiten zwischen uns. Ich darf nicht an die letzten Tage denken! Auch sein Verhältnis und das Verstehen von Tereza ist schwer zu begreifen. Immer wieder versucht Muhammed mir das zu erklären. Da kommt keine Eifersucht auf, eher ruhige Gewissheit sei-ner Liebe zu mir. Die ist mir wirklich sicher! Wie kann man nur in unserem Alter noch solche Gefühle entwickeln? Liebe kennt eben keine Grenzen und kein Alter! Das erfahre ich jetzt und hier. Nie im Leben hätte ich mir träumen lassen! Ich genieße dieses stille Glück, das nach so vielen Jahren des Wartens und Hoffen mir beschert wird. Nach unserer mittäglichen Siesta, die wir stets im kühlen Hotelzimmer verbringen, laufen wir wieder quer durch Stone Town und dieses Pflastertreten strengt an. Wir kommen an einem Laden vorbei, wo es diese schönen geschnitzten Holzrahmen gibt. Ich möchte gern solch ei-nen für mein Bild haben. Hier kosten sie 25.000 TSh. Muhammed ist das zu teuer und auch ein Handeln bringt nichts. Deshalb gehen wir zu einem anderen Laden, der ebenfalls diese Rahmen anbietet. Hier kostet er nur 15.000 TSh und Muhammed kann ihn auf 12000 TSh (das sind nicht mal 7 €) herunterhandeln und ich habe ihn. Ich suche mir einen aus, der mir gut gefällt mit einem geschwungenen Muster. Ich freue mich über diesen Kauf, das wird eine schöne Erinnerung an Zanzibar werden. Wir kommen durch mehrere Gassen, wo Händler ihre Waren anbieten. Jede Gasse ist auf ein bestimmtes Produkt spezialisiert. Man muss nur wis-sen, wo diese sind und dann suchen und finden. Hier sehe ich wieder diese herrlichen Kangas und Tücher. Wir kommen auch durch eine Gasse, wo meist indische Händler ihre Juwelen anbieten. Hier sind die kostbaren Gold- und Silberwaren nicht auf der Straße ausgelegt, son-dern hinter vergitterten Vitrinen ausgestellt. Verständlich bei solch üppigem Goldangebot. Das lockt schon die Damenwelt und die Touristen. – Bariki trägt geduldig meinen Rahmen, er ist nicht ausgeschlafen und ein bisschen ungeduldig. Ihm ist bestimmt langweilig in unserer Begleitung. – Wir kommen aus der Altstadt heraus am äußersten Ende der Shangani Street, der Vuga Road, wo das Diplomatenviertel ist. Hier stehen herrliche Villen, alle im arabischen Stil mit schönen gepflegten Gärten, viele mit hohen Mauern umgeben. Wir gehen bis zur Creek Road, vorbei an Plattenbauten, die damals von der DDR erbaut wurden und heute sehr

herunter gekommen aus-sehen. Die Straße hat ih-ren Namen von einer La-gune, die hier einmal lag. Diese Lagune ist aber tro-cken gelegt worden und durch die lange und ker-zengerade Creek Road ersetzt worden. Heute wird die ehemalige Lagu-ne von der Jugend als Fußballplatz genutzt. Nur einige Tümpel sind noch zu sehen. Dazwischen spielen Kinder Volleyball und Kühe grasen im Schatten der Bäume. Auf

der anderen Seite der Straße ist bereits der Ozean zu sehen. Das will ich sehen, das Meer. Wenn ich schon auf einer Insel bin, muss ich auch das Meer sehen. Mit Muhammed laufe ich den Hang hinauf, vorbei an Fischern, die ih-ren frischen Fang an Fischen anbieten. Der Strand ist hier hauptsächlich für die Fischer ge-dacht, denn auf der Düne liegen ihre Netze zum Trocknen aus und am Strand liegen ihre klei-nen Boote. Es ist wieder gerade Ebbe, so dass die meisten Boote im Trockenen stehen. Die

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Fischer haben hier windschiefe Behausungen aus Schilf und Wellblech gebaut, in denen sie sich von der Arbeit des Fangs ausruhen. Auf einigen Ästen der umstehenden Bäume hängen ihre Kleidungsstücke zum Trocknen. Es ist sehr schmutzig hier. Am Strand entdecke ich Kak-teen, die im Sand wachsen wie Unkraut. Ich fotografiere das Meer mit den Fischerbooten, die ein malerisches Bild abgeben. Beim Zurückgehen sehen wir unter dem Blätterdach eines gro-ßen Baumes eine Versammlung von jungen Männern, einer redet stehend und gestikulierend auf die anderen ein. Wir laufen am Krankenhaus vorbei und an der Secondary School, wo Muhammed von der 7. – 10. Klasse gelernt hat, ehe er in die King-George-School kam. Dann biegen wir wieder in die Altstadt ein. Hier sehe ich immer wieder schöne alte restaurierte Häuser, meist sind es Hotels, die ihren Preis haben. Eigentlich hatten wir heute vor, im Fo-rodhani-Garden zu Abend essen, wo ich noch einige Fotos machen wollte. Unsere Beine sind aber müde und irgendwie bin ich auch geschafft. Deshalb gehen wir zu unserem Hotel und ruhen uns eine Stunde aus, um dann zu unserem bewährten Restaurant zu gehen. Heute habe ich richtig Hunger nach dieser Tee und Brot-Diät. Wir essen alle wali na samaki (Reis mit Fisch), dazu chai ya rangi bila sukari (Tee von Farbe ohne Zucker). Zwei Flaschen maji (Wasser, hier die Sorte „Drop“) nehmen wir mit ins Hotel. Dort packen wir unsere Sachen, duschen und fallen ins Bett. Morgen geht es nach Pemba!

Zanzibar: Ben Bella Secondary School

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27. August 2007, Montag

Heute habe ich besser geschlafen, mein Bein hat nicht wehgetan (ob der Ischiasnerv sich be-ruhigt hat?). Nach dem Frühstück packen wir unsere restlichen Sachen ein und gehen mit un-serem Gepäck zum Hafen. Diesmal ist keine Kontrolle für mich, wir bleiben ja im Lande. Aber am Tor werden nur Personen durchgelassen, die ein Ticket für ein Schiff vorweisen können oder einen Ausweis fürs Hafengelände haben. Der Hafen ist ein neuralgischer Punkt der Stadt und hier herrschen besonders strenge Vorschriften. Auch am Pier direkt noch einmal eine Kontrolle, die von einer Frau durchgeführt wird, sogar mit einem Detektor! Wir werden zum Warteplatz eingelassen, wo wir uns auf eine Bank setzen. Da wir mit Kontrollen gerech-net hatten, haben wir nun viel Zeit und warten, bis unser Schiff aus Dar ankommt zur Weiter-fahrt nach Pemba. Bariki nutzt die Zeit und verschwindet im Hafengelände. Er hat hier überall Bekannte, mit denen er noch schwatzen will. Sicher ist ihm bei uns Alten langweilig. Zuerst scheint mir, ich bin die einzige mzungu (Weiße) hier, aber später gesellen sich noch mehr Ausländer dazu. Langsam füllt sich der Warteplatz, der unter einem leichten Dach liegt und uns so vor der Sonne schützt. Ich schaue mich immer wieder mal interessiert um und sehe, dass hier im Hafen, direkt hinter uns, gebaut wird. Angeleitet werden die Arbeiter von einem Europäer, der alles kontrolliert und in ein Buch einschreibt. Neben mir sitzt ein freundlicher junger Mann in einem tadellosen schwarzen Anzug, der eine gewisse Persönlichkeit darstellen muss, denn er wird ständig von anderen Leuten ehrfürchtig begrüßt. Es herrscht ein sehr leb-haftes Treiben hier und es kommen immer mehr Leute zur Sammelstelle. Muhammed sucht Bariki, der bald darauf auftaucht, denn nun heißt es anstellen. Unser Schiff ist in Sicht und wird bald ankommen. Angestellt wird aber getrennt, Männer auf die eine Seite und Frauen mit den Kindern auf die andere. Auch ich muss mich bei den Frauen einreihen. Ob das gut geht? Die Sonne brennt erbarmungslos auf unsere Köpfe und ich bin eingekeilt zwischen den Frauen, die alle in ihren schwarzen bui bui eingehüllt sind, ein mtoto (Kind) auf dem Arm oder neben sich und lebhaft miteinander schwatzen. Endlich kommt das Schiff an, es steigen viele Leute aus, manche bleiben auch gleich an Bord. Dann geht das Gedränge los, das von zwei Männern des Schiffes gelenkt wird, die auch die Tickets kontrollieren. Nacheinander dürfen alle aufs Schiff, wo sich jeder einen Platz sucht. Ich schlage vor, nach dem Oberdeck

zu gehen. Dort hat man frische Luft und ich kann etwas sehen. Unser Schiff, die „Sepideh“ ist ein modernes Schnellboot, unterhalten von einer britischen Firma, auch der Kapitän ist offensichtlich ein Brite. Nur die übrige Besatzung sind Ein-heimische. Auf dem Oberdeck finden wir Plätze in der Mitte in Fahrtrichtung, hier ist frische Luft und ein leichter Fahrtwind, der uns abkühlt, denn wir sitzen in der prallen Sonne. Ich denke, wo ist mein Stoffhut, den könnte ich jetzt gebrauchen, aber wie immer nicht daran gedacht. Spä-

ter merke ich, die Sonne hat mir nur etwas anhaben können, eine leichte Röte auf der Nase, mehr nicht. Ich sorge ja immer mit Sonnencreme vor. Die Abfahrt erfolgt pünktlich nach Fahrplan um 9.45 Uhr. An Bord erfolgt noch einmal eine Ticketkontrolle und es werden Spucktüten verteilt an jeden. Auch wir nehmen jeder eine. Ich nehme vorsichtshalber diesen Reisekaugummi, der vor See-krankheit schützen soll, denn es geht ja aufs offene Meer hinaus. Ich hoffe, es hilft. Muham-med und Bariki wollen keinen Kaugummi als ich ihnen anbiete. Aber ein Nachbar, der das sieht, bittet um einen Kaugummi und ich gebe ihm einen ab. Die Insel Unguja, wie Sansibar eigentlich heißt, ist lang gestreckt und das Schiff fährt eine ganze Weile daran entlang. Wir erkennen den Strand, wo unser erstes Hotel in Bububu steht.

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Die Insel ist grün von Bäumen, Palmen und viele kleine Buchten mit weißem Sandstrand rei-hen sich aneinander. Nach anderthalb Stunden Fahrt lassen wir Unguja hinter uns und steuern aufs offene Meer hinaus. Jetzt sehen wir nur noch Wasser und Himmel und die Sonne. Noch eine Stunde bis Pemba. – Das Schiff fängt an zu schaukeln und man muss diesem Rhythmus nachgeben, um nicht schwindlig zu werden. Bei mir klappt das auch ganz gut, ich fühle mich wohl und schreibe in meinem kleinen Notizbuch. Muhammed unterhält sich mit seinem Nachbarn, einem jungen Mann und fragt ihn nach Pemba aus. Er war lange nicht mehr dort und will alles Neue erfahren. Da wird es Bariki schlecht und er muss die Spucktüte nehmen! Er braucht bald noch eine und ich gebe ihm meine. Er wollte wohl ein starker Held sein, als er meinen Kaugummi verschmähte! Er beugt sich weit vor, um keinen zu behelligen und stützt sich bei mir ab. Ich versuche ihm zu helfen und gebe ihm Erfrischungstücher, um seine schweißnasse Stirn und das Gesicht abzuwischen. Dankbar nimmt er meine Hilfe an. Er tut mir ja leid, aber Strafe muss wohl sein. Pemba ist die kleine Schwesterinsel von Unguja und lange nicht so erschlossen wie diese. Die Weltgeschichte spielte sich auf der Insel Zanzibar ab. Hier sind die Veränderungen der Ge-schichte fast spurlos vorüber gegangen und man hat sich die Ursprünglichkeit bewahren kön-nen. Ich werde es selbst erfahren, dass die Menschen hier freundlich und mit ruhiger Gelas-senheit jedem entgegen kommen. Man nennt die Insel auch die „Grüne“, denn hier wachsen unzählige Nelkenbäume, die Pemba immer noch als Hauptlieferant in der Welt gelten lassen. Die Küste der Insel ist sehr zerklüftet und vielerorts von Mangrovenwäldern zugewachsen. Es gibt daher nur zwei Häfen, die von größeren Schiffen angefahren werden können, in Mkoani und in Wete. So gibt es auch nur wenige richtige Sandstrände, aber diese sind traumhaft schön.

Ankunft in Mkoani auf Pemba

– Nach zwei Stunden Fahrt ist die Insel Pemba in Sicht. Die Menschen, die meistens vor sich hindösten oder sogar lang ausgestreckt auf den Planken schliefen, regen sich langsam und richten sich auf die Ankunft ein. Ich stelle mich hinter unsere Bank, um besser sehen zu kön-nen. Denn die Insel Pemba ist das Ziel meiner Sehnsucht. Hier ist Muhammeds Heimat und

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die will ich kennen lernen. Die kleine Stadt Mkoani ist der größte Hafen der Insel und ihr Ein-fahrtstor. Vor dem Hafen sehe ich viele kleine Inseln liegen, malerisches Bild. Die Stadt Mkoani liegt auf einem Hügel und unten ist der lang gestreckte Pier des Hafens, wo schon eine Unmenge von Menschen auf die Ankunft des Schiffes warten. Viele Taxen und Jeeps der Hotels warten auf die Ankommenden. Ein unbeschreibliches Gedränge! Das Aussteigen geht ziemlich schnell voran und auch hier wird man angesprochen, um seine Dienste anzubieten. Wir finden auch sofort eine Taxe, wo wir einsteigen und die uns nach Chake Chake bringen soll. Das Taxi teilen wir uns mit einem anderen Fahrgast, dadurch wird der Fahrpreis billiger für uns (für 35 km nur 15.000 TSh, ca. 8,60 €). Das Taxi bahnt sich hu-pend seinen Weg durch das Chaos auf dem breiten Pier. Ich wundere mich, wie der Fahrer es schafft, hier durchzukommen durch das Gewirr von Menschen mit Gepäck, Eselskarren, Au-tos, Fahrrädern und Motorrädern. Irgendwie sind wir aber bald auf der Asphaltstraße, die als

Mit dem Taxi nach Chake Chake auf Pemba

Hauptverkehrsader von Süd nach Nord quer durch die Insel führt. Pemba ist bergig! Das hätte ich nicht erwartet. Die Straße führt hier in Windungen und Kurven, mal hoch, dann wieder hinunter, durch das Land. Viele steile Berghänge und tiefe Täler prägen das Landschaftsbild. Ich denke an unseren Harz, genauso ist das hier, nur dass statt der Tannen hier Palmen und Bananenstauden stehen. Dazwischen die Nelkenbäume, die Pemba so berühmt gemacht ha-ben. Das ist richtiger Wald, wie ich sehe. Die Bananenstauden sind oft so hoch wie große Häuser und stehen so dicht nebeneinander, dass man kaum hindurch kommt. Eigentlich ist die Banane ja wie Unkraut, denn eine Staude trägt nur einmal ihre Frucht und stirbt dann ab. Sie bildet aber eine Unmenge von Ausläufern, aus denen neue Pflanzen heranwachsen. Die abge-storbene Pflanze wird abgeschnitten und das Laub wird getrocknet und verwendet auf die verschiedenste Art und Weise, z.B. als Einstreu für das Vieh, zum Anfeuern der kleinen Öfen. Bananen ernten kann man das ganze Jahr und sie bildet eine der Hauptnahrungsmittel der Bevölkerung. Es gibt unzählige Sorten, die kleinen sind die häufigste und ich habe diese jeden Tag in Mengen gegessen. Zwischen diesem üppigen Grün liegen die Dörfer, die auffallend

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sauber sind, mit einfachen Lehm- oder Steinhäusern, die mit Wellblech oder auch mit Palm-wedeln bedeckt sind. Die Häuser sind unterschiedlich, man kann den Wohlstand seiner Besit-zer daran erkennen. Es gibt ganz einfache armselige Lehmhütten, aber auch richtige Steinbau-ten mit Verzierungen am Mauerwerk. Sehr oft sieht man unterwegs unfertige Bauten, es wird eben weiter gebaut, wenn wieder Geld vorhanden ist. Und das kann mitunter Jahre dauern. Es ist Schulschluss, die Kinder laufen auf der Straße nach Hause in ihrer schwarz-weißen Schul-uniform, einen kleinen Plastebeutel in der Hand mit ihren wenigen Schulsachen darin. Der Taxifahrer hupt jedes Mal, wenn er Menschen auf der Straße sieht, um auf sich und die na-hende Gefahr aufmerksam zu machen. Ich schaue interessiert aus dem offenen Fenster auf all dieses Neue. Bisher habe ich nur die Städte Dar und Zanzibar gesehen, jetzt sind wir aber auf dem Lande und ich kann die Landschaft und die Dörfer bewundern. Unterwegs hält das Taxi, weil der andere Fahrgast zwei Säcke mit Holzkohle aufs Dach laden lässt, die er an der Straße von einem Händler kauft. So einfach ist das hier! Nach 35 km erreichen wir Chake Chake, die Hauptstadt der Insel. Diese Stadt wirkt sofort ernüchternd auf mich, denn sie ist wie alle Städte sehr schmutzig, und die glatte Asphaltstraße mündet in eine mit Schlaglöchern übersäte Straße. Der Kontrast zwischen den sauberen Dör-fern und der Stadt ist auffallend. Das Taxi lädt uns mit unserem Gepäck in einer ungepflaster-ten Nebenstraße ab. Es kommt hier nicht mehr weiter und wir müssen zu Fuß gehen. Ich bin ziemlich ratlos, was sollen wir hier, wo wollen wir hin? Es geht eine steile Treppe hinauf auf den Berg. Die Treppe führt durch eine Wohnsiedlung von kleinen Lehmhäusern, Hier soll unser Hotel sein? Wir kommen an einer Koranschule vorbei, wo der monotone Singsang der Schüler zu hören ist. Endlich kommen wir an einem kleinen alten Haus an und betreten das Haus durch eine schmale Tür, gelangen in einen engen Innenhof mit Kochstelle, eine alte Waschmaschine steht in der Ecke. Hier werden wir von einer freundlichen Frau und deren Mann begrüßt. Es sind die Eltern von Muniri. Wir werden gebeten, Platz zu nehmen und ein Redeschwall ergießt sich über uns. Sie sprechen ein sehr schnelles Kiswahili, dass selbst Mu-

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hammed Mühe hat, es zu verstehen. Ich fühle mich nicht so richtig wohl bei dieser Unterhal-tung, weil ich nichts verstehe und auch nicht weiß, wohin das noch führen soll. Wir werden dann bald in das gegenüberliegende Haus gebeten, das sehr viel besser und sauberer aussieht. Hier ist wieder eine schöne Sansibartür als Eingang und geschnitzte Fensterläden. Auch innen sind die Möbel mit Schnitzereien versehen. Ich werde ins Schlafzimmer gebeten und soll mich ausruhen, was ich aber ablehne. Ich will erst wissen, wo wir wohnen sollen. Im Schlaf-zimmer sehe ich einen wunderschönen Schrank, ganz mit Schnitzereien versehen, auch das Bettgestell und die Frisierkommoder sind mit diesen Schnitzereien versehen, wunderschön. Es ist das Haus von Rahila, der jüngsten Schwester von Muniri, die als Oberschwester im Krankenhaus von Chake Chake arbeitet, aber zur Zeit noch in Dar ist. Wir warten eine Weile und ich denke, wir werden hier übernachten. Aber Muhammed kommt und sagt, nur die Ta-sche mit unseren Papieren und das Geld mitnehmen, um ein Hotel zu suchen. Rahila hat zwar schon vorgefragt, aber entscheiden müssen wir selber. Ich bin doch erleichtert über diese Mit-teilung. Eine schmale Treppe führt direkt am Hause hinunter ins Tal, wo ein kleiner Bach hindurch läuft, der übervoll mit Unrat ist. Offensichtlich führen diese Bäche während der Re-genzeit allen Unrat von unterwegs mit sich, der sich dann an seinen Ufern ablagert. Es geht durch die Wohnsiedlung hindurch, die aus den einstöckigen Lehmhäusern besteht, mit Well-blech bedeckt, dazwischen immer mal Bananenstauden oder Papaya-Bäume. Kinder rufen mir mzungu und jambo hinterher und ich antworte ihnen, worüber sie sich freuen. Hier bin ich der Exot! Das spüre ich an den Blicken der Leute immer wieder. Aber solange meine Männer in der Nähe sind, bin ich ruhig. Auf der anderen Seite des Baches geht es eine steile Treppe wie-der hinauf, wo wir im Zentrum und der Hauptstraße von Chake Chake ankommen. Im ersten

Hotel ist kein Zimmer frei. Gleich daneben steht das „Evergreen Hotel“, das hat noch mehrere Zimmer im Angebot, die wir uns anschauen. Wir wählen zwei im ersten Stock aus und bezahlen gleich für drei Tage 108.000 TSh (ca. 60 €). Muhammed gibt mich hier als seine Frau aus, sonst hätte ich hier wieder mehr bezahlen müssen. Ich fülle daher den Anmeldeschein mit seinem Namen und seiner Adresse aus, wo ich nicht mit Namen erscheine, sondern nur als dazuge-hörige Person. Das wäre also geklärt. Bariki und Se-lim, der Sohn von Rahila, wollen unser Gepäck von Mama Muniri holen. Da sie nicht wieder kommen, ruft Muhammed an und erfährt, dass wir zum Essen kommen sollen. Wir steigen also diese steilen Trep-pen hinunter und auf der anderen Seite wieder hinauf zum alten Haus. Das Essen wird in einem kleinen schmalen Raum serviert, das wohl als Wohnzimmer dient, Auch hier wieder diese geschnitzten Möbel. Das Mahl besteht aus wali na samaki (Reis mit Fisch). Muhammed tut sich gütlich, aber ich habe nur

Durst und esse wenig. Bariki und Selim haben inzwi-Pemba - Chake Chake: schen unser Gepäck zum Hotel gebracht, wohin wir Hotel „Evergreen“ nach dem Essen dann gehen, um uns einzurichten. Das Hotel ist noch neu und wird von jungen Männern unterhalten und bewirtschaftet, nur die Zimmer werden von zwei jungen Frauen sauber gehal-ten. Das Hotel hat 5 Stockwerke, oben ist wieder das Restaurant. Unsere Zimmer sind in der ersten Etage, wo zuerst ein großer Gemeinschaftsraum mit einer Sesselgruppe und einem Fernseher steht. Die Zimmer sind einfach, aber sauber und hell, trotz der zugezogenen Vor-hänge an den Fenstern. Geflieste Böden überall, ein großes Bad. Das Bett wieder riesengroß mit einem Ventilator an der Decke, aber ohne Moskitonetz. Dafür sind die Fenster mit schiebbaren Fliegenfenstern ausgestattet, also erübrigt sich ein Netz. Ein kleiner Tisch und

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zwei Hocker vervollständigen die Einrichtung. Kein Regal, dafür einige Haken an der Tür. Ich bin hundemüde und werfe mich aufs Bett, wo ich sofort eindöse. Ich merke kaum, dass Muhammed wegen irgendwelcher Dinge verhandelt. Die Sonne auf dem Schiff, dazu der Wind haben mir zugesetzt. Ich habe Farbe bekommen und das erste Mal die Sonnenbrille aufgesetzt. Nach einer kleinen Ruhepause bin ich wieder fit und wir beschließen, einen klei-nen Spaziergang zu machen. Zuerst wollen wir zum Internetcafé, das wir bereits entdeckt ha-ben, aber es ist schon halb fünf am Nachmittag und alle Läden sind bereits zu. Hier ist alles anders als in Zanzibar. Hier geht alles viel ruhiger und noch gelassener zu. Wir laufen durch die Stadt, die mir sehr verwahrlost erscheint, zum Krankenhaus, das wir uns nur von außen betrachten. Hier hat Muhammed nach seinem Studium in der DDR gearbeitet. Es geht dann hinunter am Fischmarkt vorbei, wo einige Fischer ihren kleinen Fang anbieten. In der Nähe stehen Mangrovenstämme aufgereiht zum Trocknen. Eine dichte Bananenplantage steht direkt am Wege und ich lasse mich neben einer dicken Fruchtstaude fotografieren. Zwischen den Bananen stehen etliche Papaya-Bäume, die aussehen wie kleine Palmen. Dann führt die Straße wieder hoch zur Stadt, wo wir in das benachbarte Restaurant gehen, um dort un-ser Abendessen einzunehmen. Das Restau-rant hat noch wali na samaki (Reis mit Fisch), eine Riesenportion, die wir alle nicht schaffen. Die Sonne geht glutrot unter und unser Blick geht über die Bucht der Stadt, wo weit draußen ein Leuchtturm und ein Feuerschiff mit ihrem Licht den Weg wei-sen. Beim Verlassen des Restaurants geht das Licht aus, Stromsperre! In unserem Hotel werden schon Kerzen verteilt. Nun kommt meine Taschenlampe doch noch zu ihrem Einsatz. Für die Kerze bastle ich einen Halter aus einer leeren Wasserflasche, denn einfach so anzukleben auf den Tisch hält nicht. Das ist auch Afrika, denke ich. Man muss improvisieren können. Nach einer halben Stunde geht das Licht wieder an, um bald wieder für kurze Zeit aus zu gehen. Hier muss man ja früh ins Bett gehen! Der Muezzin ruft über Lautsprecher sei-ne Leute zusammen, und das fünfmal am Tag. Das ist über die ganze Stadt zu hören. Früh am Morgen, gegen 5 Uhr nervt mich das manchmal, wenn man so aus dem Schlaf gerissen wird. 28. August 2007, Dienstag

Der Strom bleibt die ganze Nacht weg und damit ist auch der Ventilator nicht zu gebrauchen. Gegen Morgen wird es kühl und ich lege noch einen Kanga über das dünne Laken, das uns als Zudecke dient. Durch das Gazefenster über der Tür fällt die ganze Nacht Licht und unser Zimmer ist dadurch sehr hell, das ist ungewohnt. Trotzdem schlafen wir recht gut. Das Bad ist sehr groß und mit allem ausgestattet, was man braucht. Hier ist auch alles in Ordnung, nur Toilettenpapier müssen wir uns einmahnen, was auch prompt gebracht wird. Das Frühstück wird im 6. Stock oben auf dem Dach eingenommen. Von hier oben hat man eine herrliche Sicht über die Stadt und die Bucht. Der Raum ist schlicht eingerichtet, eine Reihe von kleinen runden Gartentischen steht in der Mitte. An einem Büffet kann man sich nehmen, was man möchte. Wir wählen Brot, Butter, Marmelade und Rührei, dazu Tee und Fruchtsaft. Bananen, von dieser kleinen und sehr süßen Sorte, können wir uns nehmen, soviel wir wollen. Neben uns sitzt noch ein mzungu-Pärchen. Ein Angestellter des Hotels sitzt immer dabei und passt auf die Bedürfnisse der Gäste auf, um diese zu erfüllen. An einer Tafel lese ich eine Auswahl an Angeboten für Ausflüge und frage nach einer Spice-Tour (Gewürz-Tour). Das kostet nur 50.000 TSh für das Auto, das auch gleich nebenan in der Touristen-Information bestellt wird. Gleich nach dem Frühstück geht es dann auch los in Richtung Wete, einer weiteren größeren Stadt. Der Leiter der Informationsstelle, ein junger Mann, mit Namen Nassor, fährt mit uns.

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Die Straße führt wieder durch saubere, recht einfache Dörfer, deren Häuser zum Teil nur mit Palmenwedeln bedeckt sind, ähnlich den Reethäusern im Norddeutschen. Frauen gehen ihrer Hausarbeit nach. Unter leichten Behausungen, die mit Palmwedeln bedeckt sind, halten sich die Leute auf und unterhalten sich. Auf den Feldern sehen wir oft Männer oder Frauen bei der Arbeit mit Hacken und jäten. Die Dörfer sind umgeben von Feldern mit Kassava, Reis, Mais und natürlich Bananen. Dazwischen immer wieder Kokospalmen und die unzähligen Nelken-bäume. Wir fahren zur Agricultural Research Station bei Matanga Twani. Die Straße ist wie-

der sehr gebirgig und kurvenreich, manchmal gähnt an einer Seite ein Abgrund. Zum Dorf führt eine unbefestigte Piste mit zahlreichen Schlaglöchern. Hier emp-fängt uns ein junger Mann, der uns die Ge-würzplantage zeigen will. Vor dem Hause liegen Matten, auf denen Kaneelrinde und Reis zum Trocknen ausliegen. Endlich sehe ich „Natur pur“. In der Plantage wächst alles, was man an exotischen Gewürzen kennt. Viele sind auch mir unbekannt. Zu jedem Baum und jedem Strauch erzählt der junge Mann seine Bedeutung und Verwendung.

Die meisten Gewürze dienen gleichzeitig als Heilmittel. Muhammed hat Mühe, mir alles zu übersetzen und Bariki muss mir die Namen der Bäume und Pflanzen in Kiswahili und Eng-lisch aufschreiben, damit ich sie zu Hause nachschlagen kann. Manches verstehe ich auch so oder errate es an den Namen der Pflanzen. Anhand der Fotos, die ich hier mache, will ich dann sehen, ob ich alles wieder zusammen bekomme. Was ich hier alles zu sehen bekomme, mein Gärtnerherz hüpft vor Freude! Ein riesenhafter alter Mangobaum (Mbembe) überragt fast alle Gewächse hier, er soll über 250 Jahre alt sein. Sein Stamm ist von Lianen umgeben. Die Mangobäume sind mir schon unterwegs immer aufgefallen. Sie sind meist sehr groß und ausladend breit, ihr Laub ist immergrün. Die Blätter erinnern an Kastanienblätter, so gefiedert sind sie auch, nur viel größer und viel dunkelgrüner und glänzend. Zur Zeit gibt es aber keine Mangos, die Reife ist noch nicht soweit. Da sehe ich einen Kakaobaum (Kokoa) mit einer

grünen Frucht, den Kaneelbaum, aus dessen Rinde der Zimt gewonnen wird. Die Rinde sieht unbearbeitet, wenn sie getrocknet wird, noch hässlich grau aus. Das daraus solch ein herrliches Gewürz wird! Daneben gibt es auch den Zimtbaum (Mdalasini). Die Jack-frucht (fenesi) findet man oft bei den Häu-sern in den Dörfern. Die Blüten und dann die Früchte wachsen aus der Rinde heraus, was eigenartig aussieht. Aus den Früchten wird Mus oder Saft gewonnen. Die Kaktus-feige erkennt man an ihren stachligen Früchten. Vanille ist eine rankende Orchi-

Kaneelrinde und Reis zum Trocknen dee, die eine Stütze dafür braucht. An der Pflanze hängt gleich ein Büschel von grünen langen Schoten. Ich erzähle, dass wir diese getrockneten Schoten früher in Zucker legten, um Vanillezucker herzustellen. Auch der schwarze Pfeffer (pilipili manya) braucht eine Unterlage zum Klettern. An dem Strauch hängen kleine grüne Perlen, der spätere schwarze Pfeffer. Eine unscheinbare Pflanze ist das Lemongras mit seinen langen schmalen Blättern, die nach Zitro-ne duften und auch so verwendet werden. Daneben wachsen karoti, ähnlich der Mohrrübe, daher auch ihr Name, hat aber verdickte Knollen und das Laub ist viel größer und breiter. Kassava-Knollen, auch Maniok (mukogo) genannt, werden wie Kartoffeln behandelt und bil-

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Jackfrucht

Pemba – Spice-Tour in der Agricultural Research Station:

Kaktusfeige

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Kardamom

Pemba – Agricultural Research Station:

Aloe

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den eine der Grundnahrungsmittel für die Bevölkerung. Die Aloe ist bekannt für die Wirkung ihres Saftes aus den dickfleischigen spitzen Blättern. Erstaunt bin ich über die Kardamom-Pflanze. Ihre Samenstände liegen flach auf dem Boden auf wie eine lange Rispe mit vielen kleinen Kügelchen daran. Die Jodpflanze (Mburiki) dient besonders zur Wundheilung, der Saft wird aus den Stängeln der Blätter herausgepresst oder die Blätter einfach auf die Wunde gelegt. Ingwer sieht ähnlich aus wie die karoti, hat genauso solche Knollen, die wir getrocknet kennen. Lustig sieht der Gurkenbaum (bilimbi)aus. An seiner Rinde hängen unzählige kleine grüne Früchte, die sauer schmecken, auch als Carambola oder Sternfrucht bekannt. Sie wer-den als Gewürz für Suppen und Soßen verwendet. An einer Sisalpflanze pflückt er ein Blatt ab, zerteilt es in zwei Hälften, diese dann noch einmal geteilt und beginnt daraus zu flechten. Ich soll es auch versuchen und es gelingt mir nur schwer. Aus diesen Sisalblättern stel-len die Frauen hier die schönsten Flechtarbeiten her, die ich schon oft bewundern konnte. Er zeigt uns etliche Bäume, deren Holz verwendet wird. So Mpapindi, (Chrisalidocarpus pem-banus) eine Palmenart, deren dunkles Holz für Möbel genutzt wird. Dann Mvule (Milicia spp), der Teakbaum, der für Möbel, aber besonders zum Bau der Daus verwendet wird. Ich bekomme soviel an unterschiedlichen Bäumen und Sträu-chern zu sehen, das mir der Kopf schwirrt. Hier nur einige Namen: Curry (Binzari), Litschibaum (Mshokishoki), Ölfruchtbaum (Mtondoo), Vackva-Oil-Strauch (Muudindi). Dazwischen immer wieder Papaya (papai), Kokosnusspalmen (Mnazi) und Nel-kenbäume, deren Blütenknospen sich zur Zeit erst bilden. Diese Knospen zu ernten, ist eine sehr schwere Aufgabe, denn die Bäume sind sehr hoch und nur mit einer Leiter zu besteigen. Diese tausende von Knospen zu pflücken ist eine zeitaufwendige Kleinarbeit, an der die ganze Bevölkerung Anteil nimmt. Die Insel duftet dann nach Nelken. Auch ein großer Mkungu, ein indischer Mandelbaum oder Katappenbaum, dessen Blätter sich so schön rot färben, steht hier. Ich bin begeistert und frage den jungen Mann aus. Der führt uns zu einer Lichtung, wo ein hübscher Sitzplatz an einem alten Mangobaum einladet. Es gibt Bananen zur Stärkung. Gleich daneben steht ein Lippenstiftbaum, dessen knallig rote Früchte zum Make-up der hie-sigen Frauen dient, daher auch der Name! Durch die Plantage hindurch geht es durch eine angrenzende Nelkenplantage und zu einem Ziehbrunnen. Dieser hier ist etwa 25 m tief und muss alljährlich gesäubert werden. Er wird von Grundwasser gespeist. Hier hat jedes Dorf seinen zentralen Wasseranschluss aus der Leitung, ein Verdienst der ehemaligen DDR, die dieses Wassernetz herstellte. Außerdem hat fast jedes Dorf solch einen Ziehbrunnen, dessen

Wasser mehr zum Waschen benutzt wird. Uns folgt ein ganzer Tross an Jungen, der Fahrer und unsere Begleitung, die uns bis zum Haus begleiten, wo der Kaneel und der Reis zum Trocknen ausliegen. Dort ist im Eingang ein kleiner Verkaufsraum ein-gerichtet und ich kaufe mir dieses Ge-würzblatt und Lemongras für den Tee. Es geht wieder zurück nach Chake Chake. Kurz vor der Stadt ist ein Stadion und ein Elektrizitätswerk. Wir wollen zum Inter-net, das hat zwar offen, aber es ist kein Strom da. Daher gehen wir zum Hotel, wo

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unsere Zimmer noch sauber gemacht werden. Die beiden Frauen versorgen jeden Tag uns mit frischer Bettwäsche und neuen Badetüchern, wobei sie sehr erfinderisch vorgehen. Die Bade-tücher und das große Laken zum Zudecken werden jeden Tag zu einem anderen Muster auf das große Bett drapiert, mal als Herz, dann als Schmetterling oder als eine Blüte. Das sieht immer sehr hübsch aus und gefällt uns. Bei den beiden Boys in der Hotelküche bestellen wir uns eine vegetarische Suppe zum Mittagessen und etwas Brot dazu. Nach diesen reichlichen Reisportionen der vergangenen Tage wollen wir mal weniger essen. Dann versuche ich, eine SMS an Dirk abzusenden, aber das Handy hat auch keinen Strom mehr! Es ist zum Verzwei-feln! Afrika! Der Strom bleibt weg. Bariki geht zur Familie, um unser Fotoalbum wieder zu holen, das wir gestern dort gelassen haben. Ich bin entsetzt, wie dreckig das wieder ankommt,

lauter Schmutzfinger darauf. Auch Muhammed gefällt das nicht und meint, das gebe ich nicht mehr aus der Hand. Aber alle Fotos sind we-nigstens noch drin. Wir wollen ein bisschen ruhen in der Mittagshitze. Nach zwei Stunden der Erholung gehen wir mit Selim als Führer in die Stadt, diesmal in die andere Richtung. Das Zentrum ist belebt, aber die Läden bereits schon geschlossen. Nur kleine Imbissstände zeigen noch ihr Angebot an chipsi (Pommes), chalwa

(Süßigkeit), samaki (gegrillten Fisch am Spieß). Die sind auch nachts noch offen, so dass man immer etwas zu essen bekommen kann. Andere

bieten Früchte wie Papayas, Bananen und mabungo, eine Art von Mandarinen (Saba como-rensis), aber äußerlich sehr hässlich, zusammen gebunden an ihren langen Stielen. Daraus wird ein herrlich erfrischender und wohlschmeckender Saft gewonnen. Wir haben diesen je-den Tag getrunken. Vorbei geht es an der Dalla Dalla Zentralstation neben einer Tankstelle gelegen. Vorbei auch an Geschäftshäusern, die aber ebenfalls alle schon geschlossen haben.

Vor der Bank steht wie gewohnt eine Wa-che. Wir kommen am Kino vorbei, das bei die-sen häufigen Stromsperren wohl seinen Zweck verliert. Wir kommen zur Schule, wo Selim lernt und wo seine Großmutter als Lehrerin gearbeitet hatte. Gegenüber ist das Postamt, ein Kindergarten und das Kontor, wo die Nelkenernte verkauft wird. Am Sportplatz spielen Volleyballmann-schaften im Schatten von großen Bäumen um ihren Sieg. Wir gelangen durch eine

Siedlung, hier ist es sehr ärmlich. Aber alle sind freundlich und grüßen uns, auch wenn man sich nicht kennt. Ich werde, wie immer in solchen Wohnsiedlungen von allen bestaunt. Ich fotografiere eine blühende Bananenstaude und entdecke dann einen Tausendfüßler, der be-stimmt 20 cm lang ist, dick und schwarz. Den kenne ich schon von Fotos her. Wir gehen zu-rück zum Hotel, wo sich Selim verabschiedet. Bariki holt uns vom benachbarten Imbissstand unser Abendbrot und Wasser. Die chipsi na mayai sind nicht anderes als eine Art von Bauern-frühstück. Ich habe diese „Küche“, die nur von Männern bearbeitet wird, schon vom Hotel aus beobachtet. Das Essen schmeckt hervorragend. Vom Balkon unserer Etage beobachte ich das Treiben auf der Straße. In der Nähe sehe ich einige unfertige Bauten, die wohl einmal als Hotel vorgesehen waren. Es gibt in dieser Stadt überhaupt viele solcher Investruinen. Offen-sichtlich ist hier das Geld ausgegangen. Ich kann mir auch kaum vorstellen, dass hier noch mehr Hotels existieren können. Auf der Straße sieht man kaum Eselskarren, sondern diese zweirädrigen Karren werden von kleinen buckligen Zeburindern gezogen. Diese sind genauso

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Kino

Chake Chake:

Postamt

Grundschule

Stadion

Bank

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Chake Chake: Hauptstraße

Investruine und Ochsenkarren

Straße in Chake Chake

geduldig wie die Esel. - Wieder werden Kerzen verteilt, diesmal auf Tellern geklebt. Der Strom bleibt weg. Ich möchte eine SMS an Dirk absenden und Bariki meint, ich sollte doch direkt mit ihm sprechen. Ist das nicht zu teuer, frage ich. Nein, siyo! Also wähle ich und es klappt! Ich sehe Dirks Gesicht direkt vor mir, wie verdutzt er ist, mich zu hören. Er versteht mich gut, aber ich habe Schwierigkeiten, ihn zu verstehen. Seine Stimme kommt nur verzerrt und in Zeitverzögerung an. Aber welch eine Freude auf beiden Seiten! Bariki holt Telefonkar-ten und lädt Geld auf die Handys. – Unsere Zimmer werden gegen Mücken eingesprayt. Eine Weile reden wir daher noch bei Kerzenlicht miteinander. Das wird wohl eine dunkle Nacht werden. Und läuft das Wasser überhaupt? Es läuft nicht, weil das Pumpenaggregat nicht ge-nug Kraft hat. Daher greifen wir zu einer Notlösung und waschen uns dürftig mit dem Mine-

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ralwasser aus der Flasche. Es geht alles! – In der Nacht gegen halb 12 Uhr kommt der Strom für einige Stunden. Ich stehe auf und hänge das Ladegerät des Handy ans Netz.

Über den Dächern von Chake Chake / Pemba

29. August 2007, Mittwoch

Früh morgens ist noch kein Strom da und auch kein Wasser! Wir sind die einzigen Gäste heu-te im Hotel und werden dementsprechend auch bedient. Wir bekommen jeder einen Eimer mit Wasser. Nach der gestrigen Katzenwäsche eine richtige Wohltat. Das Waschbecken hat kei-nen Stöpsel als Verschluss, so knülle ich eine Plastetüte zusammen und stopfe die in den Ausguss. Das geht! Den Rest des Wasser kippen wir uns über den Kopf. Die Zähne putze ich immer mit Trinkwasser aus der Flasche, obwohl das Wasser auf den Inseln sehr gut sein soll, aber ich bin eher vorsichtig damit. Dieses ständige Improvisieren hier auf Pemba erinnert mich an meine Kindheit in den Nachkriegsjahren. Hatten wir da nicht auch oft erfinderisch sein müssen? Nach dem Frühstück warten wir auf den Mann, der uns mitnehmen will nach dem Süden der Insel in Richtung Mkoani. Wir wollen heute zum Dorf, wo Muhammeds Schwester wohnt und wo er geboren wurde. Dieser Mann ist der Sohn eines Bekannten von Muhammed, der ebenfalls Pfleger war und mit ihm zusammen gearbeitet hat. Dieser Pfleger wurde dann sogar Gesundheitsminister! Wir haben noch Zeit bis 4 Uhr, das heißt aber bis 10 Uhr. Die Uhrzeit auf Zanzibar ist anders als gewohnt. Es wird nach der Sonne gezählt, also von Sonnenauf-gang, der Stunde eins, bis Sonnenuntergang, der Stunde 12. Man muss also entweder 6 Stun-den abziehen oder 6 Stunden dazu zählen, dann kommt man auf die normale Uhrzeit. Hier ist es außerdem eine Stunde früher als die Mitteleuropäische Zeit. Wir gehen inzwischen zum Internetcafé, denn der Strom ist mal wieder da. Ich bekomme auch gleich einen Platz an ei-nem der fünf Computer. Von Ulla ist eine Mail da, worüber ich mich sehr freue. Es ist doch schön, Grüße aus der Heimat zu bekommen. An Ulla und an Dirk schreibe ich je eine Mail. Hier kostet eine halbe Stunde am PC 1000 TSh (0,57 €). Hier gibt es auch alles, was man für einen PC braucht, auch Memory-Sticks. Es hat aber alles seinen Preis. Der Chef ist hier ein

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Pemba – Chake Chake: Internetcafé

Zweigstelle der Universität von Zanzibar

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Mann, aber die Bedienung der Computer wird von Frauen erledigt. An den anderen Compu-tern sitzen Frauen oder Männer, die ihre Berichte schreiben. Manchmal sitzen aber auch ne-ben mir andere Europäer, die wie ich eine Mail los schicken wollen. Als ich kein passendes Geld parat habe, nimmt die Frau meinen Schein, legt sich den schwarzen Schleier um, der ihr Gesicht verhüllt und geht auf die Straße zu einem anderen Laden, um dort zu wechseln. Hier im Laden trägt sie keinen Schleier und wird doch auch von fremden Männern angesehen. Für mich ist das ein unverständlicher Widerspruch. Aber die Sitten sind nun mal so hier. Tradition und Moderne liegen so dicht nebeneinan-der. – Im Hotel warten wir auf das Auto, das uns abholen soll. Komme bald, heißt hier etwa eine Stunde oder noch mehr. So ist es dann auch. Geduld ist nicht meine Stärke, aber hier lerne ich das. Nach anderthalb Stunden ist er dann endlich da. Aber nicht er, sondern ein Fahrer seines Unterneh-mens wird uns fahren und das bis zum Dorf, so dass wir nicht laufen müssen, wie wir schon befürchtet hatten. Wir fahren in Richtung Mkoani, dem Hafenort, bis zum Dorf Mtambile. Hier biegen wir von der schönen Asphaltstraße ab auf eine sehr steinige und zerklüftete Piste durch mehrere kleine Dörfer. Der Fahrer leistet wahre Wunderwerke, um alle

diese Schlaglöcher zu umgehen. Auch hier sind die Dörfer sehr sauber und umgeben von Palmen und unzähligen Bananenstauden. Kas-savafelder, Reisfelder, Zuckerrohfelder wech-seln sich ab. Wir erreichen das Dorf Mjimbini, Muhammeds Heimatdorf. Wir halten vor ei-nem Haus mit einem kleinen Laden und eine Frau spricht Muhammed sofort an. Sie hat ihn erkannt und freut sich sehr, ihn zu sehen. Es ist die Frau von Muhammeds Cousin. Nach der üblichen wortreichen Begrüßung weist sie uns den Weg hinter ihr Haus, wo wir zum

Haus von Muhammeds jüngerer Schwester Mwache kommen. Sie hat schon durch die Kinder von uns gehört und empfängt uns vor ihrem Haus sehr herzlich. Sie bittet uns ins Haus und breitet eine geflochtene Matte auf dem Boden aus, auf der wir uns niederlassen. Ich bin über-rascht, wie sauber es hier drinnen ist. Wir sind nicht angemeldet und daher fühle ich mich sofort zu dieser Frau hingezogen. Es folgt die übliche lange Begrüßung und viele Fragen schwirren hin und her. Mwache ist ohne Scheu, so als ob wir uns schon lange kennen. Ein Schwarm Kinder begleitet uns und wie ein Lauffeuer muss sich unsere Ankunft herum ge-sprochen haben. Einige Mädchen setzen sich vor uns hin und ich werde wie immer gebührend bestaunt. Als ich sie fotografiere, rennt eine schreiend davon. Was hat man ihr beigebracht über diese mzungu? Als ich den Kindern das Abbild auf dem Monitor des Fotoapparates zei-ge, sind sie hellauf begeistert und erkennen sich wieder. Wie kann man diese Leute glücklich machen damit. Nun wollen die anderen natürlich auch fotografiert werden und ich mache ei-nige Aufnahmen und zeige sie jedes Mal den Kindern, die völlig begeistert sind, wenn sie sich erkennen. Als ich Mwache fotografieren will, wehrt sie erst ab, sie muss sich erst hübsch ma-chen, rückt ihren Kanga zurecht und ihr Kopftuch, erst dann kann ich fotografieren. Sie zieht mich dann in den Innenhof, wo gekocht wird und sich das Leben im Hause vorwiegend ab-spielt. Auch hier ist es auffallend sauber, der gestampfte Lehmboden gefegt. Hier spricht sie mit ihrem schnellen Kiswahili auf mich ein. Nachdem ich sie bitte, seme pole pole, sprich langsamer, verstehe ich wenigsten einen Teil davon. Sie weiß von mir und Dirk schon von

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Pemba: das Dorf Mjimbini

- das Heimatdorf von Muhammed

- das Haus der Cousine mit dem Laden

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Anfang an. Sie und Muhammed haben ein enges vertrautes Verhältnis und er hat sich ihr da-mals anvertraut. Das weiß ich schon von Muhammed selbst. Sie sagt, dass Muhammed mich immer geliebt hat und ob ich ihn auch liebe. Das fragt sie ein paar Mal und ich muss das im-mer wieder beteuern. Dann fragt sie mich, warum ich nicht hierher gekommen bin und für Muhammed gekocht und Tee bereitet habe. Wie soll ich ihr das erklären? Und ich werde ganz verlegen. Aber das ist für mich wie eine Offenbarung. Diese alte Frau, die in meinem Alter sein muss, ist mir zugetan und das Bindeglied zur Familie von Muhammed. Das macht mich richtig froh und glücklich. – Muhammed drängt, wir wollen weiter und verabschieden uns vorerst von seiner Schwester. Unterwegs zeigt mir Muhammed die Stelle, wo er mit dem Fahrrad so schwer stürzte, dass die Narben noch heute am linken Bein fürchterlich aussehen. Diese Stelle ist aber auch halsbrecherisch steinig und steil und das Auto fährt nur im Schne-ckentempo darüber hinweg. Wir fahren in das nächste größere Dorf Kangani. Hier halten wir vor der Secon-dary School, in der Muhammed von der 1. bis zur 6. Klasse lernte. Heute ist es eine kombinierte Grund- und Sekundar-schule. In Tanzania herrscht zwar Schul-pflicht vom 7. bis zum 14 Lebensjahr, aber seit 1993 das Schulgeld eingeführt wurde, können nicht mehr alle Kinder die Schule besuchen. Manche Eltern können einfach dieses Geld nicht auf-bringen. Die Schuluniform stellt eine große Ehre dar. - Der Schulleiter sitzt Kangani: Secondary School

unter einem großen Mkungu-Baum und kommt uns, zu empfangen. Es ist ein junger Mann, der sich sehr freut, uns sein kleines Reich zu zeigen. Seine Kollegen sind ebenfalls alle sehr jung und wie mir scheint, sehr engagiert. Auch hier wieder dieses freudige Erstaunen über den Besuch eines ehemaligen Schülers. Da Unterricht ist, können wir die Klassenräume nicht sehen. Vier einstöckige Gebäude umrah-men einen Innenhof, der mit Rasen und Blumenrabatten angelegt ist. Die Klassenräume haben

wegen der ständigen Wärme offene vergitterte Fenster und meist keine Türen. Große Ferien sind im Dezember, wo es am heißesten ist. Der Principal führt uns in sein schlichtes Di-rektorzimmer, das nur notdürftig ausgestattet ist. In einer Ecke stapeln sich Bücher auf dem Boden. An der Wand hängen Stundenpläne der Schüler und die Einsatzpläne der Lehrer. Ich sehe daraus, dass hier neben Swahili und Englisch auch die Arabische Sprache gelehrt wird. Auch hier muss sich Muhammed in das Gästebuch eintragen. Er sitzt vor dem Pult des

Beim Direktor der Secondary School Direktors wie ein Prüfling. Meine Eintragung erfolgt in Deutsch, was der Direktor ausdrück-lich so wollte. Ich schreibe in das Buch folgendes: “Ich freue mich, die Heimat meines Man-nes kennen zu lernen.“ Im Anschluss unserer Unterhaltung bittet er uns, eine Partnerschule in Deutschland zu vermitteln. Er setzt dazu ein Schreiben auf, was ich in Verwahrung nehme. Ich lasse ihm durch Muhammed sagen, dass ich das versuchen will. Ich bewundere seine kur-ze Entschlossenheit, eine solche Gelegenheit kommt ihm bestimmt nicht so schnell wieder. Ich frage später, wo die Kinder lernen, die nicht dem islamischen Glauben angehören. Diese müssen in eine staatliche oder in eine der Missionsschulen gehen, was immer mit einem In-ternatsaufenthalt verbunden ist.

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Wir fahren weiter, die Piste wird immer schmaler. Es geht durch ein Wasserloch, über eine sumpfige Wiese, um einem Schlagloch auszuweichen. Endlich sind wir an der Küste ange-langt, wo wieder Ebbe herrscht. Das Meer ist ganz weit draußen, bestimmt fast zwei Kilome-ter entfernt, man kann die weiße Brandung nur ahnen. Immer ist Ebbe, wenn ich ans Meer komme. So weit das Auge reicht, nur weißer Sand, der in der Sonne blendet und so fein ist, man könnte ihn in eine Eieruhr füllen. Der Sand ist so fest, dass man ungehindert darauf lau-fen und Fahrrad fahren kann ohne einzusinken. Ein Stück laufen wir hinaus und ich finde ei-nige Schneckengehäuse, auch einen weißen Korallenstock, den traue ich mich doch nicht mit-zunehmen, Hoffentlich kriege ich die anderen Schneckengehäuse durch den Zoll. Dieser Strand hier nennt sich Kukuu und ist die Badestelle seiner Kindheit. Einige Frauen und Kin-der sind unterwegs, sie tragen Körbe mit Seegras auf ihren Köpfen, einige haben auch diese Oktupussi darin, die dann getrocknet werden. Das Seegras wird am Strand auf Matten zum Trocknen gelegt, um ihn dann weiter zu verkaufen. In China wird daraus Medizin hergestellt. Bei Ebbe können diese Seegrasgärten von den Frauen geerntet werden.

Pemba – Kukuu: Mama Mdogo

Muhammed hat in Auftrag gegeben, seine mama mdogo, seine kleine Mama, also eine Tante (Schwester der Mutter) zu holen, um sie zu begrüßen. Sie wohnt hier in diesem Dorf Kukuu. Ein Verwandter hat sie auch geholt und nun ist sie da. Sie ist eine bemerkenswerte Frau, denn sie muss um die 90 Jahre alt sein. Sie begrüßt zunächst Muhammed sehr herzlich und Bariki setzt sich gleich neben sie. Auch ihn begrüßt sie herzlich. Man spürt die Ehrfurcht beider Männer vor dieser alten Frau. Erst als Muhammed mich vorstellt, begrüßt sie auch mich eben-so herzlich. Wieder sind eine Menge Kinder dabei. Auch sie ist eitel und will erst ihren Kanga zurecht rücken, ehe ich sie fotografiere. Aus ihren Augen sprüht noch eine Lebendigkeit und ihr Reden ist schnell und voll wacher Neugier. Auch hier wieder dieses Staunen über das pi-

cha (Foto) und das freudige Erkennen, wenn sie sich entdecken. Da macht selbst mama mdo-

go keine Ausnahme. Ich beschließe bei mir, allen einige Fotos zu schicken, was sicher eine Riesenfreude auslösen wird. Zu Hause sehe ich auf einem Foto, wie die Kinder mich anstar-

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Pemba: Strand von Kukuu

ren und bestaunen. Ob sie je schon einen Weißen so aus der Nähe gesehen haben? Als ich mich neben mama mdogo setze und ein kleines Mädchen zu mir ziehen will, rennt diese voll Angst weg. Wieder muss ich denken, was man diesen Kindern über uns erzählt. Wird hier genauso Angst verbreitet wie bei uns mit dem Schwarzen Mann nur umgekehrt? - Muhammed steckt seiner Tante etwas Geld zu, das sie schnell in ihrem Kanga verschwinden lässt und dann verabschieden wir uns. Zurück geht es auf dieser halsbrecherischen Piste. In der sumpfi-gen Wiese bleibt das Auto stecken. Ich denke schon, jetzt müssen wir schieben, aber irgend-wie schafft es der Fahrer, aus dem Sumpf heraus zu kommen. Er macht alle Fenster zu und hoch spritzt der Schlamm. Das ganze Auto ist voll damit bedeckt. Im Heimatdorf angekom-men sitzen wir noch eine Weile bei der Cou-sine. Ihr Mann, Muhammeds Cousin, ist sehr krank und sitzt auf der Erde vor einer Liege-statt, er hat schweres Asthma und spuckt auch einige Male in einen Napf seinen Schleim aus. Aber er beteiligt sich am Ge-spräch, will alles wissen. (Zwei Tage später erfahren wir, dass er gestorben ist. So schnell geht das mitunter!) In diesem Raum steht eine Couch und zwei Sessel, einen kleinen Tisch mit einem Kassettenradio dazwischen. An der einen Wand steht aufrecht eine große Matratze, die offensichtlich in der Nacht auf den Boden gelegt wird. An der Deckenlampe Mjimbini: kleine Dorfschönheiten

hängt dazu das chandarua, das Moskitonetz. Der Schwiegersohn sitzt im Laden und ich darf ihn auch in seinem Reich hinterm Ladentisch fotografieren. Es kommt immer mal einer herein und will Muhammed begrüßen, auch ich

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Pemba – Mjimbini: bei der Cousine

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werde jedes Mal begrüßt. Immer erkundigt man sich, wie es einem geht. Das gebietet die Sitte hier so. Wir zeigen die Fotos aus dem Album, das interessiert, aber schnell durchgeblättert wird, ich komme gar nicht zum Erklären. Alle wollen fotografiert werden, auch der kranke Cousin, die Kinder, der mongoloide Sohn, die Nachbarn und ich tue ihnen den Gefallen. Draußen vor dem Hause sind eine Menge neugieriger Kinder, die durch die Fensterhindurch schauen, um nichts zu verpassen.

Pemba – Mjimbini: mit Mwache vor ihrem Haus

– Zum Essen werden wir in das Haus von Mwache geführt. Wieder fällt mir auf, wie sauber gefegt der Hof ist, obwohl hier Hühner herum picken, auch im Haus, das zwar sehr einfach ist, aber alles ist sehr sauber. In einem kleinen Raum, das keine Decke hat, also nur vom Dach direkt bedeckt wird, werden wir auf die geflochtene Matte gebeten und wir lassen uns darauf nieder. Auch unser Fahrer wird dazu gebeten, das gebietet die Gastfreundschaft. Auf den De-ckenbalken liegen Säcke und Körbe mit Vorrä-ten, an der Wand hängen einige Hausgeräte. Zu-erst muss das Ritual des Händewaschens vor dem Essen absolviert werden, dann wird aufge-tischt, was Mwache inzwischen für uns gekocht hat, auf einem runden Tablett, das mit einem geflochtenen Deckel bedeckt ist, dem kawa.

Diese Deckel habe ich schon mehrmals gesehen und zuerst gedacht, es sind Hüte. Aber hier hän-gen auch an der Wand einige in bunter Flecht-weise. Diese Deckel werden zum Abdecken der Speisen benutzt, um Fliegen fernzuhalten. Damit im Haus von Mwache

wird auch gewedelt zum Abkühlen der Speisen. Eigentlich eine prima und vor allem praktische Erfindung. Unter diesem Deckel befindet sich eine große Schüssel mit Reis, daneben eine kleinere Schüssel mit Spinat und eine kleine Scha-

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le mit Fischsoße. Wir nehmen uns jeder ei-nen Löffel in die Hand und bedienen uns aus der Schüssel, nachdem wir von dem Gemüse und der Soße etwas über den Reis getan ha-ben. Alle essen aus dieser einen Schüssel. Die Soße schmeckt nach Fisch, aber ich sehe keine darin. Was ist das? frage ich und er-fahre, es sind dagaa (Anchovis), die so klein sind, dass man eine Lupe nehmen müsste, um sie zu sehen. Aber das schmeckt! Mu-hammed stöhnt über das ebenerdige Sitzen,

es strengt ihn an. Auch für mich ist das ungewohnt, aber es geht. Das Essen schmeckt hervor-ragend und ich tue mich gütlich an diesem Mahl. Ich bedanke mich sehr für dieses ausge-zeichnete Essen.

Pemba – Mjimbini: Essen bei Mwache

– Mwache nimmt Muhammed und mich noch einmal beiseite und zieht uns in ihre Schlaf-kammer. Sie redet uns zu, noch hier zu bleiben und hier zu übernachten. Dafür bietet sie uns ihr eigenes breites Bett an! Aber wir wollen doch lieber wieder zurück und verabschieden uns sehr herzlich von ihr. Es geht alles so, als ob wir uns schon lange kennen und wir umarmen uns beide. Ich habe eine neue Familie, die meines Mannes kennen gelernt. Muhammed stellt mich immer als seine Frau, die Mutter seines Sohnes Dirk vor. Das ruft sofort Verständnis bei allen hervor und man ist mir gegenüber offener, nicht mehr als die fremde Mzungu. Das macht mich immer sehr froh. Bei der Begrüßung durch Männer lerne ich Unterschiede kennen. Darauf hatte mich Muhammed schon vorher aufmerksam gemacht. Die meisten begrüßen mich wie bei Muhammed mit Handschlag, aber einige nicken mir nur zu, was keine Missbilligung bedeutet. Aber alle begrüßen mich und erkundigen sich nach meinem

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Wohlergehen. Das gebietet die Höflichkeit nach islamischen Brauch so. Daran erkenne ich, wie tief derjenige mit seinem Glauben verwurzelt ist. Unser Fahrer hat inzwischen einen Eimer Wasser besorgt und seinen Jeep vom Schlamm be-freit. Das Auto strahlt wieder und wir fahren zurück nach Chake Chake. Unterwegs sehe ich in manchen Dörfern Tischler-Werkstätten, die auf der Straße ihre Ware ausgestellt haben. Da stehen diese wunderschönen geschnitzten Möbel, breite Bettgestelle, Schränke, Truhen Tische und Stühle, aus dunklem Teakholz und warten auf ihre Käufer. Am liebsten würde ich einen Container damit beladen. Manchmal sehe ich einen Baum mit einer wunderlichen Frucht, die so groß wie ein Kürbis ist, aber mit einer stachligen gelben Schale. Es ist ein Durian-Baum, dessen Frucht auch Stinkfrucht genannt wird, aber dessen Fruchtfleisch eine sehr beliebte Delikatesse ist. Vor dem Hotel wartet Eddy, der Bruder von Muniri, das sieht man gleich, so ähnlich sehen sich die beiden. Auch er begrüßt mich in Deutsch, was mich doch sehr überrascht und freut. Wir verabreden uns für einen anderen Tag. Der Strom ist mal wieder weg, aber das Wasser läuft und so duscht Muhammed und schläft ein wenig. Ich sitze neben ihm auf dem Bett und schreibe in mein Notizbuch. Nichts will ich vergessen. Hoffentlich kann ich heute Abend duschen. Wenn der Strom weg ist, haben nur einige modernere Hotels Licht durch ein Notstromaggregat. Auch die Bank hier gegenüber ist immer beleuchtet. Wir verbummeln den Rest des Tages bis zum Abend. Bei Sonnenuntergang werden wieder Kerzen verteilt, aber der Strom kommt so plötzlich wieder wie er abgeschaltet wird, noch rechtzeitig vor der Dunkelheit. Das ist ein ständiges Rätselraten, haben wir Strom oder nicht. Wir schauen ein bisschen fern, es gibt einen Bollywood-Kanal, einen Sender mit Bongo-Beat, einen muslimischen Sender, sowie den staatlichen TVT-Kanal, der fast nur Nachrichten bringt. Bariki holt uns zum Abendbrot wieder chipsi na mayai, das Bauernfrüh-stück, dazu große Flaschen mit maji (Wasser). Nach dem Duschen entdecke ich in unserem Zimmer zwei Mücken und gehe auf Jagd. Eine erwische ich sofort, aber die andere treibt mit mir ihre Scherze. Dazwischen versuche ich, die Einsiedlerkrebse aus den Schneckengehäusen heraus zu bekommen, einer ist ziemlich groß. Aber sie reagieren so schnell auf jede Bewe-gung von mir, dass ich sie nicht fassen kann. Eine Pinzette müsste ich haben, aber die ist ja auch im Koffer bei der Nagelschere. Muhammed amüsiert sich über meine erfolglose Jagd nach der Mücke und mein noch erfolgloseres Bemühen um die Krebse. Die muss ich wohl aushungern und vertrocknen lassen. (Zu Hause stellt sich raus, dass der große Einsiedlerkrebs alle Gefahren des Austrocknen und des langen Fluges noch lebend überstanden hat! Eines Tages war er aus seinem schützenden Schneckenhaus heraus und über meinen Teppich bis vor die Tür gekrochen, wo ich ihn schließlich fand. Ein Überlebenskünstler!) Schließlich erwische ich doch noch die letzte Mücke. Vorsichtshalber hatte ich mich schon mit „Autan“ einge-schmiert, was sich ja nun als unnütz erweist. Bisher habe ich noch nirgends irgendwelches Ungeziefer gesehen, was mich bei dieser Unsauberkeit der Straßen doch verwundert. Ich lö-sche die eine Lampe auf dem Flur, damit unser Zimmer nicht so hell ist und wir besser schla-fen können. Am Abend sind noch mehr Gäste angekommen, die den Fernseher sehr laut an-stellen, die aber am anderen Morgen schon wieder weg sind. 30. August 2007, Donnerstag

Heute Morgen, halb fünf Uhr weckt uns der Ruf des Muezzin und gegen 7 Uhr dröhnt der Fernseher und keiner schaut zu. Ich stelle ihn aus und gehe noch mal ins Bett. Nach dem Frühstück auf der Dachterrasse bezahlen wir weitere drei Nächte, die letzten hier. Einige Sachen geben wir den Frauen zum Waschen, auch Bariki hat keine frische Wäsche mehr. Dann gehen wir zum Internet, wo ich von Dirk und Ulla E-Mails vorfinde, die ich gleich beantworte. Zuerst geht der Computer nicht so richtig, weil der Strom zu schwach ist, dann nach einer kleinen Weile klappt es doch. Im Internetcafé finden auch Erwachsenenkurse statt, wie ein Schild am Eingang verkündet. Vor der Benutzung wird die Zeit eingestellt, die man daran verbringt, um genau abrechnen zu können. Es stehen neben den 5 Computern, ein

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Kopierer und ein Drucker zur Verfügung. Dieser Laden muss gehen! (Wenn Strom da ist!) – Wir gehen durch die Geschäftstraße und am Basar vorbei. Wieder dieses Überangebot an chi-nesischen Waren. - Am Krankenhaus dürfen wir nicht fotografieren. Gleich am Eingang ist eine Wache, die alles kontrolliert. Wir sagen unser Begehr und dürfen durch. Unter einem Dach sitzt ein älterer Mann und notiert die Patienten und weist ihnen den Weg, also die Pati-entenaufnahme. Wir gehen zum OP-Trakt, wo Muhammed zuletzt als Anästhesie-Pfleger ge-arbeitet hat, bis er nach Nkinga, seinem jetzigen Wohn- und Arbeitsort, gegangen ist. Hier und in Wete hat er nach seinem Studium in der DDR gearbeitet, aber durch die Gegenrevolu-tion sehr viel Schwierigkeiten bekommen, so dass er von hier weg musste. Mit Hilfe von Verwandten konnte er nach dem Festland, ins Innere von Tanzania gehen. Er wurde als Leh-rer für Krankenpfleger gebraucht. Diesen Beruf übt er heute noch aus.

Pemba: Krankenhaus von Chake Chake

Hier im Krankenhaus ist alles spartanisch einfach. Das müsste meine Schwester Dagmar se-hen als Vergleich zu ihrem Arbeitsplatz, einem modernen Krankenhaus. Was wird bei uns nicht alles weg geworfen, was hier noch gebraucht werden könnte. Wir wussten schon vorher, wo Engpässe sind und ich habe im Rahmen der beschränkten Möglichkeiten durch den Zoll für die jüngste Tochter von Muhammed, die als Krankenschwester in einem staatlichen Kran-kenhaus arbeitet, ein Paket mit Einmalhandschuhen mitgenommen. - Eine Schwester holt den Cousin von Muhammed, der hier noch als OP-Pfleger arbeitet. Er bittet uns in ein Schwes-ternzimmer, wo wir auf einer Pritsche Platz nehmen. Er ist sehr erfreut über den Besuch von Muhammed und beide fragen sich gegenseitig aus. Muhammed hätte gern mehr hier gesehen, wo er einmal gearbeitet hat. Aber im OP-Trakt wird gerade operiert, so können wir ihn nicht sehen. Wir verabschieden uns daher bald. Direkt neben dem Krankenhaus befinden sich die Reste eines alten Fort, das heute ein Museum beherbergt. Teile des Forts werden aber auch vom Krankenhaus genutzt. Wir beschließen, uns das Museum anzusehen. Der Eintritt ist für mich 2 US$, für die beiden Männer 2500 TSh. Eine junge Frau führt uns herum. Das Museum zeigt die Geschichte und Kultur der Insel. Angefangen von den Sultanen, die hier herrschten,

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Pemba: Old Fort in Chake Chake

von denen nur noch die Ruinen ihrer Paläste vor-handen sind. Dann die deutsche und britische Be-setzung mit ihren Auswirkungen. Ein Raum zeigt das ehemalige Gefängnis des Forts, mit lebens-großen Puppen als besseres Anschauungsmittel. Hier hatte auch die Polizeistation lange ihren Sitz. Besonders interessant für mich ist die Abteilung, wo die Lebensweise der Sansibari dargestellt wird. Naturgetreu werden die Häuslichkeiten mit allen Einrichtungsgegenständen gezeigt. Hier fin-de ich die Bezeichnung mancher Gegenstände und Pflanzen, die ich mir gleich notiere. Im Hof steht Küche im Museum

ein Bilimbi-Baum, ein Gurkenbaum mit reichlich Früchten an seinem Stamm. Unter dem Dach des Hofes sortiert ein älterer Mann Schriftstücke in englischer und arabischer Sprache. Am liebsten würde ich da mitmachen, war doch ein Ar-chiv meine letzte Arbeitsstelle. Wir steigen noch die Treppe hinauf aufs Dach, vorbei an einem kleinen Stu-dienraum mit einer Bibliothek. Hier oben sehen wir aber nur die anderen Dächer der umliegenden Häuser und des Krankenhauses. Daher verab-schieden wir uns von unserer Führerin

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Katamaran bei Ebbe

Pemba: Hafen von Chake Chake Mangrovenholz zum Bauen

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und laufen hinunter zur Bucht und dem kleinen Hafen von Chake Chake. Es ist wieder Ebbe und die Boote liegen im Schlamm fest. Ein Katamaran wird mit einem Holzfeuer bearbeitet, das gegen Ungeziefer schützen soll. An der Straße zur Stadt hinauf stehen einige neue Hotels oder sind im Bau. Ich möchte gern etwas für David zum Geburtstag kaufen, auch einige An-sichtskarten, die ich noch schreiben wollte, suche ich. Hier gibt es davon nichts. Ich hätte das alles schon in Zanzibar kaufen sollen. Aber ich habe auf Muhammed gehört, der gemeint hat, hier gäbe es auch alles, was sich aber Trugschluss heraus stellt. Im Hotel bestellen wir zum Mittagessen eine Gemüsesuppe mit Brot. Der Angestellte bringt uns zwei geflochtene Körb-chen mit verschiedenen Gewürzen. Da hat Muhammed wohl geplaudert und bestellt? Denn ich wollte schon in Zanzibar solche geflochtenen Behälter mit Gewürzen als Geschenke mit-nehmen. An Gewürzen sind Nelken, Kardamom, Anis, Kaneel, Pfeffer und gemahlener Zimt darin. Diese Körbchen gefallen mir und ich bestelle noch zwei davon. Für morgen machen wir eine Tour zum Ngezi Forest aus. Darauf freue ich mich besonders, denn dieses Natur-schutzgebiet ist der letzte Rest von Urwald auf dieser Insel. - Muhammed schlägt vor, noch einmal zu den Läden zu gehen, um ein Geschenk für David zu finden. Vorher gehen wir noch zur gegenüberliegenden Bank, wo ich erst den Automaten suche, dabei steht er gleich vorn am Eingang draußen. Es klappt auch gleich, denn jetzt kenne ich mich schon aus damit. Dann gehen wir weiter zu den maduka, den Läden. Der Basar von Chake Chake beschränkt sich auf wenige Gassen zwischen alten ein-stöckigen Häusern mit Wellblechdä-chern. Die nach allen Seiten offene Markthalle bildet dabei das Herzstück. Neben ihr ist auch die Dalla Dalla Zentralstation.- Mir schwebt da so etwas vor und wir suchen den Laden, wo es Geräte des sansibarischen Haushal-tes gibt. Hier kaufe ich zwei kleine Messer mit einem Holzgriff in Brandmalerei, denn David schnitzt so gern. Ich kaufe auch einen kleinen Holzmörser, wie ihn die Frauen benutzen zum Stampfen der Kassavaknollen, nur viel größer. Unterwegs habe ich beobachten können, wie

Frauen damit umgingen oder Kin-der angeleitet wurden. Mit einem großen Holzstab wird im gleich-mäßigen Takt der Inhalt zer-stampft. Nun habe ich alles, was ich wollte. – Zurück sehe ich eini-ge der wenigen erhaltenen arabi-schen Geschäftshäuser, die zwei-stöckig sind und noch ihre einstige Pracht ahnen lassen. Besonders schön ist das alte Gericht, mit einer dekorativen Sansibar-Tür und ei-nem Uhrenturm. Unterwegs zeigt mir Muhammed das kleine Haus, in dem er wohnte, als er hier im Krankenhaus gearbeitet hatte. Ich

muss daran denken, wie das gewesen wäre, wenn ich damals mit ihm gehen durfte. Ich glau-be, ich hätte einen Kulturschock bekommen. Hätte ich das Leben hier aushalten können? So bin ich doch froh darüber, wie das Schicksal es mit uns gewollt hat. - Zurück im Hotel ruhen wir ein bisschen, Muhammed schläft und ich schreibe in meinem Notizbuch.

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Kokosnüsse

Pemba – Chake Chake: Basar

Kofia / Hüte

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Körbe mit Spinat

Pemba – Chake Chake: Basar

Fischverkäufer

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Dann erfahren wir, dass Rahila, die jüngste Schwester von Mu-niri, angekommen ist und vor dem Hotel wartet. Wir bitten sie herauf und sie umarmt mich gleich zur Begrüßung. Es gibt wieder das übliche Gespräch nach dem woher und wohin und der Erkundigung nach dem Wohlergehen. Sie fragt mich, ob ich Henna-Malerei auf die Hände haben möchte. Mu-hammed wehrt gleich ab, aber warum nicht? Diese Körperma-lerei ist ein richtiges Ritual und

Auf den Dalla Dallas hat alles Platz tief in der Swahili-Kultur ver- wurzelt. Zu besonderen Anläs-sen werden kunstvolle Ornamente auf Hände oder Füße aufgebracht. Dazu wird der Saft der Henna-Pflanze, vermischt mit etwas Zitronensaft (damit die rote Farbe hervorkommt) mit einem kleinen Holzstift auf die Haut aufgetragen. Das hält ungefähr vier Wochen. Es gibt unzählige Varianten an Ornamenten und alle haben ihre bestimmte Bedeutung. Ein bisschen könnte man doch damit angeben zu Hause! Das wäre mal was anderes! Aber Muhammed ist dagegen, warum erklärt er mir nicht, und so wird nichts daraus. Er meint, das ist nichts für mich. Für Sonnabend sind wir bei ihr eingeladen zum Essen. – Danach sehen wir ein wenig fern, zuerst Bongo Star, ein Musiksender und dann die neuesten Nachrichten aus Zanzibar. Dort fand heute ein Festival gegen AIDS statt, ein großes Problem hier im Land. Auch in Chake Chake war an diesem Tag eine Veranstaltung wie Plakate verkünden. – Vor dem Hotel stehen auf einmal der Cousin vom Krankenhaus mit einem anderen Mann und begrüßen Muhammed, der hinunter gegangen ist. Ich stehe derweil ganz oben auf dem Balkon des Hotelrestaurants und beobachte die Leute auf der Straße. Das ist immer interessant für mich. Besonders die Dalla Dal-las, die hier vor dem Hotel halt ma-chen, sind immer sehenswert mit ihrer Fracht. Gleich neben unserem Hotel befindet sich eine gemauerte Sammelstelle für Müll. Wenigstens die Hauptstraße soll sauberer sein. Bucht von Chake Chake

Heute wird dieser mal abgefahren. Auch hier wie in Dar wird der Müll in offenen Körben auf eine Lastwagen gekippt. - Auf einmal geht wieder der Strom aus. Schluss mit Fernsehen! Dann bemerke ich die kleinen Fledermäuse, die hier oben unter dem Dach ihren Unterschlupf haben und in der Dunkelheit eifrig und sehr schnell nach Mücken haschen. Das ist ein emsiges Hin- und Herfliegen. Sie lassen sich durch meine nahe Anwesenheit nicht an ihrem eifrigen Treiben stören. - Unser Abendbrot ist bereits bestellt, es gibt Reis mit Fisch. Die beiden jungen Männer in der Küche geben sich wirklich Mühe, denn es schmeckt hervorragend. Leider hat der Fisch diesmal viele Gräten, man muss so viel pulen. Das Essen wird bei Kerzenlicht eingenommen und da sieht man die Gräten nicht gleich. Aber irgendwie schaffen wir das auch. Dazu gibt es eine Un-menge an Reis. Ich esse alles auf und bin dicke satt, nimeshiba! Ich erhalte auch noch die

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zwei bestellten Gewürzkörbchen. Die Jungen hier geben sich wirklich alle Mühe. Wir be-kommen den Bescheid, morgen früh geht es um halb neun Uhr los zur großen Tour. Wir duschen, denn Wasser ist noch da, weil die Jungen jetzt aufpassen auf den Generator, der die Wasserpumpe antreibt. Um halb neun Uhr sind wir im Bett, die Zeit geht hier anders! Um 21 Uhr ist der Strom wieder weg, das merken wir am Licht vom Flur und am Ventilator, der nicht mehr läuft. Er bleibt bis 2 Uhr Nachts weg, um für drei Stunden wieder da zu sein. Schnell wieder die Handys laden und den Rasierapparat, ehe er wieder weg ist. Das ist wie ein Wettlauf mit dem Strom. Bis halb 7 Uhr früh ist der Strom dann wieder weg. 31. August 2007, Freitag

Beim Frühstück heute ist die Terrasse voll mit Gästen, alles Einheimische. Wir haben auf Empfehlung des jungen Mannes, der hier das Hotel leitet, ein Auto gemietet zu einer Tagestour, die uns in den Norden der Insel führen soll. Der gleiche Angestellte des be-nachbarten Touristenbüros, Nassor, begleitet uns. Mit uns fährt ein junges holländisches Pär-chen. Für diese Tagestour einschließlich Imbiss bezahlen wir für uns drei 70.000 TSh (40 €). Einige Kilometer hinter Chake Chake machen wir in einem Dorf Halt. Unser Begleiter will den Imbisskorb holen, stellt aber fest, dass er den Schlüssel zum Haus vergessen hat. Er ver-sucht es bei einem Bekannten, aber ohne Erfolg. Wir müssen also noch einmal zurück nach Chake Chake. Dort im Touris-tenbüro holt er schnell seinen Schlüssel, entschuldigt sich verlegen und wortreich bei uns und die Fahrt kann wieder be-ginnen. Im gleichen Dorf holt er schnell den Imbisskorb und weiter geht die Fahrt auf der Hauptstraße nach Norden in Richtung Wete. Kurz vor die-ser kleinen Stadt biegen wir ab und es geht weiter durch Dör-fer, die hier ärmlicher ausse-hen und nicht so sauber wie im Süden sind. Wir biegen auf eine Piste ab, die auf einem klei-nen Fußballfeld endet. Ein alter Mann in einem zerschlissenen Hemd begrüßt uns. Hier befin-det sich eine Population von „Fliegenden Füchsen“, den Pemba Flying Fox oder popo wa

Pemba genannt. Das sind Fledermäuse, die es nur noch hier gibt und unter strengem Schutz stehen. Wir laufen durch ein abgeerntetes Reisfeld und sehen schon von weitem eine Unmen-ge von Fledermäusen an den hohen Bäumen hängen. Durch einen kleinen Urwald, wo Lianen an den Bäumen uns den Weg versperren, gelangen wir direkt unter diese Bäume. Dabei kom-men wir an einem frischen Kindergrab vorbei. Warum gerade an dieser Stelle, frage ich, wo doch kein Friedhof ist.

Das wäre eine gute Stelle für ein Kindergrab, meint der alte Mann. Welche Weisheit spricht aus diesen Worten! Das Grab ist von vier Stöcken an den Ecken begrenzt und mit einer ge-flochtenen ovalen Matte bedeckt. - Wir sind unter den hohen Bäumen angelangt und ein Klat-

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Pemba Flying Fox – Fliegende Füchse - Fledermäuse

schen mit den Händen scheucht die Fledermäuse auf, die aufgeregt in die Luft schwirren. Es sind sehr große Tiere. Gegen das Sonnenlicht kann man nur die Umrisse ihrer weit aufge-spannten Flügel sehen. Es sind eine Unmenge, die da in den Bäumen hängen. So viele habe ich noch nie gesehen. Wir gehen durch das Reisfeld wieder zurück zu einer verfallenen Holz-hütte, daneben arbeiten drei junge Männer an einem festen Haus, das einmal ein Informati-onszentrum für die Flying Fox werden soll. Mit dem Auto geht es wieder zurück auf die Straße und wir fahren weiter gen Norden bis zur Ortschaft Konde. Jetzt verlassen wir die Asphaltstraße und bie-gen auf eine Piste ein, bis wir vor dem Eingang des Ngezi Forest stehen. Autos dürfen hier nur mit Genehmigung weiter fahren. Unser Auto hält an und wir sol-len Eintritt bezahlen. Da protestiert aber Nassor vom Touristenbüro, denn wir haben schon bei ihm alles bezahlt. Schnell ist dieses Missverständnis Unser Fledermausführer und Nassor vom

geklärt. Ein junger Mann führt uns in Touristenbüro

den Urwald hinein. Der Ngezi Forest ist der letzte Rest von Urwald, wie ihn einst die ganze Insel bedeckte. Durch Rodung für die Nelken-Plantagen wurde er weitgehend vernichtet. Deshalb steht dieses Stück Wald unter strengem Naturschutz, das 14 km² umfasst. Ein schmaler Weg führt uns in den Urwald hinein. Hier wächst alles ohne das Eingreifen des Menschen. Den leichten Regen merken wir kaum unter dem dichten Dach des Laubes der Bäume. Hier stehen wahre Riesen an Bäumen, so hoch, dass man kaum die Wipfel erkennen kann. Viele Lianen schlingen sich um die Stämme und bilden ein dichtes Gewirr, durch das der schmale Fußpfad hindurch führt. Der Führer erklärt uns die verschiedenen Arten von Bäumen, die hier wachsen. Hervor zu heben sind da besonders. Mvule (Milicia spp oder Chlorophora excelsa), afrikanische Eiche, Mpapindi

(Chrysalidocarpus pembanus), eine Palmenart, die nur noch auf Pemba vorkommt und daher

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Eingang mit Forsthaus

Pemba – Ngezi Forest Im Urwald

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auf der Roten Liste der gefährdeten Pflanzen steht. Ihr Holz wird zur Herstellung von Möbeln verwendet. Mkungu (Terminalia catappa), indischer Mandelbaum oder Katappenbaum. Das ist der mit den sich rot färbenden Blättern. Mgulele (Antiarius toxicaria), ein bis zu 45m ho-her Baum, dessen Saft als Pfeilgift verwendet wird, daher auch Giftbaum genannt. Mvavi (E-rythropholeum fordii), auch Gottesgericht genannt. Das Kauen der Blätter ruft Durchfall und Erbrechen hervor, was bei den Eingeborenen als Prüfung für Verbrechen benutzt wird. Mton-

doo (Alexandrian laurel) – Ölfrucht oder Ballnut, aus der Öl für pharmazeutische Zwecke gewonnen wird. Mtomondo (Barringtonia racemosa), indische Eiche oder Flaschenputzerei-che, weil die Blütenstände so büschelig aussehen. Die Früchte werden wie Seife verwendet und ein Extrakt aus der Wurzel hilft gegen Malaria. Wegen des hohen Tannin-Gehaltes des Holzes wird dieses zum Bau von Daus verwendet. Mjoho (Odyendea zimmermanni oder Quassia undulata), ein 35 m hoher Baum, der antibakterielle Wirkung, besonders bei Malaria zeigt. Hier leben aber auch seltene Tiere, die nur hier zu finden sind. An einer Stelle ruft der Führer und es erscheinen einige Affen, scheu uns aus der Höhe betrachtend. Es sind die Red Colobus Monkey, Kima Punju, die nur hier heimisch sind. Mir gelingt es, eins der Tiere zu fotografieren. An einem kleinen Weiher sehen wir eine seltene Art von Enten mit braunem Gefieder und ganz in der Ferne eine der seltenen Zwergohr-Eulen, die es ebenfalls nur noch hier gibt. Mitten im Wald kommen wir zu einem Denkmal der besonderen Art. Hier hatte ein Engländer eine Sägemühle betrieben, deren Reste kümmerlich vor sich hinrosten. Unweit davon sind noch die verfallenen Ruinen seines ofisi (Büro) zu sehen, in dem er auch hauste. Diese Sägemühle wurde noch bis zur Revolution 1964 betrieben, um dann von der neuen Re-gierung als Denkmal erhalten zu lassen. Der Führer zeigt uns auch kleine Besonderheiten, wie Spinnen an den Zweigen, Ameisen auf dem Wege, die von den Monkeys angeknabberten Früchte oder Pilze, die auf abgestorbenen Ästen wachsen. Auch zwei schwarze große Tau-sendfüßler, die zusammen geringelt nebeneinander liegen, finden wir auf dem Wege. Dass sie harmlos sind, zeigt er uns, indem er sie in die Hand nimmt. Mir sind sie eher eklig anzusehen. Es ist alles sehr interessant für mich hier und ich bedaure, nicht länger hier bleiben zu können. Auf dem Rückweg entdecken wir noch einige schwarz-weiß gefiederte Nashornvögel im Ge-äst der Bäume. Es sollen hier etwa 10 verschiedene seltene Vogelarten geben, die alle unter Schutz stehen. Auch einige Monkeys schwingen sich von einem Ast zum anderen und beäu-gen uns aus respektvoller Entfernung. Wir gehen zum Eingang zurück, wo am Forsthaus un-ser Jeep wartet. Mit ihm fahren wir durch den Urwald hindurch. Der Weg wird immer schma-ler und ich frage mich, wie das wird, wenn ein Auto uns entgegen kommen sollte. Fahrräder weichen uns aus, indem sie sich in den Wald hinein drücken. Das geht etliche Kilometer so. Oft müssen wir durch morastige Stellen hindurch. Der Weg wird so schmal, man könnte die Bäume anfassen. Nach einigen Kilometern kommen wir aus dem Wald heraus und fahren durch sehr armselige Dörfer, die aber von gro-ßen und gepflegten Feldern umgeben sind. Von der Piste biegen wir ab und nun geht es einen Pfad entlang, der nur noch die Radspuren auf-weist. Auf einem Schild lese ich Manta Reef Lodge. Das ist unser Ziel. Aus dem Internet und aus Büchern habe ich schon von diesem Hotel gehört und ich freue mich, das kennen zu ler-nen. Das Lodge ist bald erreicht. Am Eingang steht groß der Name und wir fahren in das Ge-lände hinein. Hier sind wir wieder in einer ande-ren Welt. Das Hotel liegt direkt am Ozean, ganz Kassava-Feld im Norden der Insel. Dieses Lodge bietet seinen Gästen eine perfekte Tauchstation an. Eine schöne Gartenanlage mit gepflegten Rabatten und gepflasterten Wegen umgibt das Hauptgebäude. Wir gehen durch das großzügige Gebäude hindurch hinunter zum Strand. Hier sind einige Schirme aus Palmblättern geflochten aufge-stellt, die als Sonnenschutz dienen. Unter diesen Dächern setzen wir uns auf Stühle und war

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ten auf unseren Imbiss. Unser Begleiter zaubert aus seinem Korb allerlei Sachen und bringt ein kleines Menü zustande. Es gibt Chapatis mit geräuchertem Fisch, dazu einen Salat aus Tomaten, Gurken und Paprika, garniert mit Zwiebelringen. Diesen bereitet er vor unseren Augen zu. Als Nachtisch bietet er diese süße Lecke-rei an, Chalwa, und die kleinen süßen Bananen. Es fängt leicht an zu regnen und wir rücken mehr unter diese kleinen Schirme und lassen es uns schmecken. Es ist wieder Ebbe, aber das Wasser

Picknick am Strand kommt allmählich zurück, das kann man schon sehen. Der Sand ist strahlend weiß und sehr sauber. Ich suche wieder nach Muscheln und Schneckenhäusern, achte aber darauf, keine Einsiedlerkrebse mehr darin zu finden. Davon habe ich genug. Flinke weiße Krabben, die man auf diesem weißen Sand kaum erkennt, flitzen rasend schnell seitwärts über den Sand, sobald man sich ihnen nähert. Es beginnt stärker zu regnen und wir flüchten ins Lodge. Hier finden wir bald Eddy, der zurzeit im Lodge arbeitet. Er baut genau solche Sansibartüren wie sein Bruder Muniri, ist also auch solch ein großes Talent. Er zeigt uns, was er gerade macht. Wir gehen durch die schöne Anlage, wo an beiden Seiten des Weges kleine Häuschen oder Bungalows stehen. Die meisten im arabischen Stil gehalten und mit großen Veranden zum Meer hin. Er zeigt uns den Bungalow, den er und noch zwei Arbeiter gerade einrichten. Die schöne Sansibartür ist schon mit dem Rahmen montiert, die Fensterläden bereits fertig eingebaut. Innen sind das Bad und die Toilette gefliest und mit den sanitären Einrichtungen fertig. Die Veranda muss noch einen Fußbo-den bekommen. Ich kann mir vorstellen, wie schön das einmal werden wird. Mit dem Blick aufs Meer! Ich fotografiere Eddy im Rahmen der Sansibartür. Im Vestibül des Hotels sitzen wir noch eine Weile und ich entdecke an einer Wand diese Bilder mit ei-nem geschnitzten Rahmen. Ich zeige Eddy diese und erzähle, dass ich mir solch einen Rahmen gekauft habe. Sofort bietet er mir an, noch solche für mich anzufertigen. Dafür fehlt uns aber leider die Zeit, denn unser Aufenthalt auf Pemba geht schon dem Ende zu, was ich sehr bedaure. Das wären noch schöne Mitbringsel gewesen. Hier besteht auch die Möglichkeit ins Internet zu gehen. Aber als ich den Preis dafür sehe, verzichte ich doch, denn 5 US$ sind mir einfach zu viel für eine halbe Stunde. Inzwischen wartet das Auto auf uns und wir verabschieden uns von Eddy. Es geht die schmale Piste wieder zurück. Eddy und seine Sansibar-Tür

Diesmal fahren wir eine andere Richtung.

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Pemba – Manta Reef Lodge

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Wir kommen durch eine Kautschuk-plantage, erkennbar an den eingeritz-ten Rillen an den Stämmen, an man-chen Bäumen sind sogar noch die Auffangbehälter angebracht. Jetzt ist keine Zeit zum Sammeln des Kau-tschukblutes. Diese Piste führt uns bald zu einem herrlichen weißen Strand und unser Jeep fährt direkt bis zum Wasser und parkt auf die-sem festen weißen Sand. Bald kommt uns ein anderes Auto entge-gen, das ebenfalls die Abkürzung auf dem Strand nimmt, so fest ist der

feine Sand. Hier hat das Wasser nur wenig Tidenhub, ist also immer da und ich bedaure, kei-nen Badeanzug mit zu haben. Aber mit den Beinen gehe ich doch hinein und mein langer Rock wird nass von einer Welle. Am Strand stehen hohe große Bäume mit dichtem Laub aus großen Blättern. Ich weiß nicht, was das für Bäume sind. Sie blühen mit roten Büscheln und tragen gleichzeitig Früchte, die aussehen wie eine Kokosnuss, nur eckiger. Dieser herrliche weiße Strand liegt in einer Bucht, die Tandooni Beach genannt wird. Der Strand ist men-schenleer, nur ein Paar Kinder spielen im Wasser neben einigen Fischerbooten. Einige Frauen kommen mit Körben auf ihren Köpfen vorbei, in denen sie wieder diese Oktupussi gesammelt haben. Hier ist man allein mit sich und der Welt! Eine paradiesische Bucht, wie man sie auf Kitschpostkarten sieht. Aber die Wirklichkeit ist noch viel schöner und atemberaubender. Welch ein schönes Fleckchen Erde!

Pemba: Strand von Tondooni

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Wir müssen aber bald Abschied nehmen von diesem kleinen Paradies. Unsere Fahrt geht wie-der durch den Ngezi Forest zurück auf diesem schmalen Pistenweg. Hier im Norden wachsen mehr Kokospalmen als im Süden. Das sind richtige Wälder an Palmen. Auch die Felder sind hier viel größer, die besonders mit Kassava, Süßkartoffeln und Reis bestellt sind. Mein nasser Rock wird im Fahrtwind des Autos schnell trocken und bald sind wir wieder in Chake Chake an unserem Hotel angelangt. Wir sind rechtschaffen müde und bis zum Abendbrot ruhen wir uns aus. Wir haben uns dies-mal eine Karottencremesuppe bestellt. Der junge Mann, der hier uns immer bedient und uns die Touren vermittelte, erscheint in einem weißen Burnus über seiner europäischen Kleidung, auf dem Kopf den weißen bestickten kofia, eine flache runde Kappe, das Zeichen der mosle-mischen Männer. Heute ist Freitag, der islamische Feiertag. Er will nachher noch in die Mo-schee. - Der Strom war mal wieder für eine Stunde weg. 1. September 2007, Sonnabend

Früh am Morgen regnet es, was aber schnell wieder trocknet. Ich hatte eine schlechte Nacht, weil zweimal das Licht weg war, um dann wieder zu kommen. Davon wachen wir jedes Mal auf. Außerdem ließ mich Muhammed nicht aus seiner Umarmung los. Uns wird langsam der Abschied bewusst.

Pemba – Geschäftsstraße in Chake Chake

Nach dem Frühstück, das wir diesmal als einzige Gäste einnehmen, gehen wir in die Stadt, um eine Geburtstagskarte für David zu finden. Muhammed will einen Gruß an ihn schreiben und mir mitgeben. Zuerst gehen wir zum Internetcafé, da drängt Muhammed immer. Diesmal sind keine Mails da, aber ich schreibe noch eine an Dirk, die letzte wird das sein. Endlich fin-den wir einen Laden, der nur kleine Geburtstagskarten hat und diese sind auch nur für Mäd-chen gedacht. Ich suche daraus eine passende aus und sehe auch noch einige Ansichtskarten von Stone Town und von den Sansibartüren, von denen ich einige nehme. Es gibt sie also

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Warenhaus

Pemba – Chake Chake: neues Hotel

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doch, nur wo muss man wissen. Ich werde diese Karten aber erst in Hannover an Frauke und Margit abschicken, denen ich ja versprochen habe, zu schreiben. Von hier dauert es zu lange, ehe sie ankommen. Wir sind noch auf der Suche nach getrockneten Oktupussi, die Muhammed für seine Tochter Miriam mitbringen soll. Sie hat extra deswegen angerufen. Für sie und auch Muhammed sind diese Tintenfische eine Delikatesse. Wir suchen alle möglichen Läden und den Basar ab, aber man sagt uns, um diese Zeit gibt es keine, erst an anderen Tagen, wenn Fischmarkt ist. Das müsste man eben vorher wissen. So geben wir unsere Suche auf. - Bariki möchte gern Sport-schuhe haben. Wir gehen durch die Ladenstraße, wo wie immer zur Basarzeit ein dichtes Ge-dränge herrscht und stehen vor einem Laden, der Schuhe anbietet. Aber Bariki hat sich schon welche ausgesucht an einem Stand nahe unseres Hotels. Ich bin erst skeptisch, weil das ein sehr kleiner Stand ist, aber akzeptiere schließlich diesen Wunsch, nachdem ich mir die Sport-schuhe angesehen habe. Sie sind auch nicht sehr teuer (17.000 TSh, ca. 9 €). Neben unserem Hotel ist die Touristeninformation, in die ich hineingehe. Meist haben solche Informations-stellen besonderes Material. Ich sehe auch an der Wand eine Landkarte von Pemba und frage danach. Und ich bekomme eine, worüber ich mich sehr freue. Unser alter Führer Nassor, der uns schon so oft begleitet hat, arbeitet hier. Die Karte hat auf der Rückseite Erklärungen aller Orte, die wir gesehen haben. Nun habe ich wohl alles, was ich wollte! Da unser Zimmer noch sauber gemacht wird, setzen wir uns in den Fernsehraum und ich ver-suche Muhammed das neue Handy zu erlernen, was nicht ganz einfach ist. Da müssen wohl zu Hause seine Söhne ran und helfen. Wir warten auf den Start zum Besuch bei Rahila, wo wir heute zum Mittagessen eingeladen sind. Gegen 13 Uhr laufen wir zum Haus von Muniris Mama, wobei es wieder erst das Tal hinunter und über den schmutzigen Bach hinweg, die Treppe auf der anderen Seite steil wieder hoch geht. Das ist ganz schön anstrengend und oben verschnaufen wir erst einmal. Wir betreten das Haus diesmal von der Hauptseite aus, wo uns

Pemba – Chake Chake: Haus von Muniris Eltern

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am Eingang Muniris Baba (Vater) empfängt. Er trägt einen kitenge, das traditionelle bunte Hüfttuch der Männer, ähnlich dem Kanga der Frauen. Arabische Männer tragen dagegen ein weißes Tuch mit oft buntem Rand, der kikoi. Wir setzen uns in den kleinen Wohnraum, wo ein großes Sofa und zwei Sessel mit geschnitzten Lehnen stehen, in der Ecke steht eine kleine mit Messing beschlagene Sansibartruhe. Bücher liegen herum, an den Wänden hängen Foto-grafien, die ihn und seine Frau als Lehrer zeigen mit Schulklassen. Neben diesem Raum ist eine kleine Werkstatt, offensichtlich eine Tischlerei, die zur Straße hin mit einer großen Tür verschlossen ist. Hier sieht man, woher Muniri und Eddy ihr Talent haben. Zwischen den Männern beginnt eine Unterhaltung, der ich nicht folgen kann und mich nicht so interessiert. Daher gehe ich in den Innenhof, wo Mama Muniri das Essen in Töpfe und Schüsseln gibt und

einem Jungen aus der Nachbarschaft aufträgt, diese in Rahilas Haus zu bringen. Rahila ist bereits in ihrem Haus und bittet uns, hinüber zu kommen. In einem kleinen Neben-raum setzen wir uns an einen großen Tisch, auf dem bereits etliche Schüs-seln stehen, alle in doppelwandigen bunten Plaste-Behältern zum Warm-halten und mit Deckeln geschlossen. Rahila lüftet die Deckel und ein Mahl erwartet uns. Es gibt wali na

nyama ya ng´ombe (Reis mit Rind-fleisch). Die Fleischstücke schwim-

Mama Muniri men in einer Tomatensoße. Dazu gibt es diesen beliebten Spinat, Frucht-saft, Melonen. Vorher erfolgt natürlich das obligatorische Händewaschen, Rahila gießt das Wasser aus einer Kanne über unsere Hände in eine Schüssel. Rahila und Muhammed essen nach islamischer Sitte mit ihrer rechten Hand, wobei sie den Reis mit der Soße und dem Ge-müse mischen, ein wenig zusammen kneten zu einem mundgerechten kleinen Ball und diesen dann in den Mund schieben. Bariki und ich nehmen lieber eine Gabel. Es ist das erste Mal, dass wir Fleisch essen und es schmeckt mir etwas zäh. In einer Ecke des Raumes steht eine Tiefkühltruhe, deren Deckel sie nur schnell lüftet, um etwas hinein zu tun. Die Stromsperre wirkt sich eben aus. Rahila hat ein langes buntes Hauskleid an und einen Kanga um den Kopf. Nach dem Essen, das wie immer sehr reichlich und schmackhaft ist, werden wir in ihr Wohnzimmer gebeten, wo wir auf den Sesseln und den Sofas mit den ge-schnitzten Lehnen Platz nehmen. Der Fernseher in der Ecke ist mit einer ge-stickten Decke abgedeckt. Es ist ja kein Strom da. Was nützen die modernsten Geräte, wenn sie nicht funktionieren kön-nen? Ich bitte sie, ihren schönen Schrank im Schlafzimmer fotografieren zu dürfen und sie führt mich sofort dorthin. Es ist auch ein zu schönes Stück. Ihre Mutter erscheint und nimmt neben ihr Platz und Rahila es beginnt eine Unterhaltung, wo ich fast nichts mehr verstehe. Mama Muniri spricht so schnell, selbst Muhammed stöhnt und fragt öfter noch einmal, um richtig zu verstehen. Das erinnert mich an meine Großmutter in der Altmark, die nur plattdeutsch und das ebenfalls sehr schnell gesprochen hat und die ich immer zweimal fragen musste, was sie wollte. Es ist der typische Pemba-Dialekt. Ich möchte gern

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wissen, wie diese Kanga-Tücher um den Kopf gewunden werden. Mama Muniri macht es mir mit einer Geschwindigkeit vor, es scheint so einfach, aber ich kann kaum folgen. Das muss eben von Kindesbeinen an erlernt werden. Da verschwindet Rahila auf einmal und kommt mit einer Geschenktüte wieder, die sie mir über-reicht. Sie zieht aus der Tüte ein weißes Tuch mit Stickerei an den Rändern hervor und wickelt es mir um den Kopf. Ich versuche selbst zwei-mal, das Tuch um den Kopf zu wickeln, aber so richtig gelingen will es mir nicht. Ob ich in Hannover noch weiß, wie man das macht? Wir lachen über meine erfolglosen Versuche. Als mir Muhammed und Rahila erklären, das es ein so genanntes Hochzeitstuch ist, das nur zu be-sonderen Anlässen getragen wird, bin ich ganz gerührt und verlegen gleichzeitig. Was soll ich davon halten? Auch Muhammed ist verlegen. Beide Frauen erklären uns, dass diese Reise für uns wie eine verspätete Hochzeitsreise sei und daher wird von der Familie dieses Tuch an mich überreicht. Es zeigt mir wieder diese unkompli-

Rahilas wunderschöner Schrank zierte und herzliche Auffassung unserer Bezie- hung in der Familie. Ich bin hier willkommen und das rührt mich doch sehr. In Pemba habe ich stets das Gefühl ge-habt, hier willkommen und zu Hause zu sein. In der Tüte sind noch zwei Kangas, die auseinander geschnitten werden. Bariki soll sie zum Schneider bringen zum Säumen. Da protestiere ich, das kann ich zu Hause selbst machen. Auf den Kangas steht. sitaki maneno, was soviel bedeutet wie: ich wünsche keine Diskussion. Das passt zu mir, finde ich und alle lachen. Einige Cashewkerne kommen noch hinzu. Ich freue mich über dieses Geschenk Beim Probieren eines Kangas

sehr, denn ich hatte mit solchen Tüchern und den bunten Stoffen schon geliebäugelt. Alle meine Wünsche sind erfüllt! Rahila ist eine sehr selbstbewusste junge Frau, die sich von ihrem Mann getrennt hat und mit ihrem Sohn hier allein im Hause wohnt. Für islamische Verhältnisse ein entschlossener Schritt. Als Oberschwester des Krankenhauses in Chake Chake hat sie ihr Auskommen. Auch hier fühle ich mich wohl und wie in meiner Familie. Muhammed ist müde und wir verabschieden uns. Kaum in Hotel angekommen, erscheint ein Mann, der uns Nelkenöl aus der staatlichen Nelkenöl-Destillery von Pemba bringt. Auch das hat Muhammed heimlich für mich organisiert. Es sind je zwei Flaschen mit dem „Clove Stem Oil“ (mafuta ya makonyo ya karafuu) aus den Blütenstengeln und dem „Clove Bud Oil“ (ma-

futa ya karafu) aus den Blütenknospen der Nelken. Das ganze Zimmer duftet gleich nach Nelken, denn zwei Flaschen sind undicht verschlossen. Bariki versucht sie mit Klebeband

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dicht zu bekommen, damit ich sie im Koffer heil transportieren kann. (Was auch bis Hanno-ver gelingt.) Jetzt habe ich wirklich alles, was Pemba bieten kann! Ich suche die Medizin zusammen, die ich mitgenommen habe und die ich nicht mehr brauche und packe sie in eine Tüte. Diese kann Rahila bekommen, sie hat bestimmt Verwendung da-für. Bariki bringt das Päckchen zu ihr. Ich stecke eine kleine Visitenkarte von mir mit hinein und hoffe, von ihr mal Post zu bekommen. Muhammed und ich erzählen eine Weile und besprechen, wie wir in Zukunft miteinander kommunizieren wollen und wie wir im nächsten Jahr unser Treffen organisieren wollen. Es steht schon fest, dass ich nächstes Mal nach Nkinga reisen werde. Das wird wieder eine neue Erfahrung für mich werden. Das Abendessen muss ausfallen, denn die Hotelküche hat keinen Strom und die Boys können nicht kochen. In der Thermoskanne ist noch etwas Tee vom Morgen da, der aber nur für zwei Tassen reicht. Es gibt aber Wasser zum Trinken. Rahila hat uns die restlichen Chapatis einge-packt, auf die ich Marmelade schmiere, das schmeckt wenigstens. Und es reicht auch so. Nach diesem kargen Mahl spreche ich noch mit Bariki und bedanke mich bei ihm für seine Geduld und Aufmerksamkeit. Ich versuche mit meinem schlechten Englisch zu erklären, wa-rum ich nicht mit ihm sprechen kann. Muhammed spricht ja nur deutsch mit mir, obwohl ich immer wieder möchte, dass er in Kiswahili mit mir reden soll. Aber es ist unsere Geheimspra-che zwischen uns, meint er. Ich verstehe nicht alles, was Bariki zu mir sagt. Mit Hilfe des Wörterbuchs geht es aber. Auch er sagt, dass ich zur Familie gehöre und ich seine mama bin und ladet mich im Namen der Familie ein, nach Nkinga zu kommen. Das ist wie Balsam auf meiner Seele. Unglaublich, wie die Menschen hier denken! Alles ist so einfach unkompliziert. Ich fühle mich nicht fremd hier, sondern wie in der Familie geborgen. Das Gespräch mit Ba-riki macht mich froh und ich denke, es war auch nötig. Wir vereinbaren, Muhammed schreibt in Kiswahili, ich antworte in Deutsch, Bariki und ich wollen Englisch schreiben. Ob er das auch machen wird? Es würde mir besonders helfen, in beiden Sprachen besser zu werden. Ich erzähle auch, dass Dirk gern mehr Kontakt mit seinen Geschwistern haben möchte. – Ich und Muhammed hoffen sehr, dass die Kinder mehr zusammen finden. Das ist unser Lebensziel. In den Kindern sehen wir unsere Zukunft. In der Nacht lässt mich Muhammed schlafen, in dem er weit von mir abrückt. Aber er ist im-mer mal voll Zärtlichkeit, wenn er oder ich aufwache. Das macht mich sehr glücklich. In mir ist keine Traurigkeit wegen des Abschieds morgen, eher ein Glücksgefühl. Ich danke sehr für dieses große Glück! 2. September 2007, Sonntag

Der Tag der Abreise! In der Nacht kommt der Strom gegen 23.30 Uhr wieder und ich lade alles auf, was nur zu laden ist, die Handys und den Rasierapparat. Nach dem Frühstück, das wir diesmal zusammen mit einem indischen Ehepaar einnehmen, packen wir unsere Sachen. Zuerst wird getrennt, meine – deine. Mein Koffer ist proppevoll. Der Holzrahmen muss wieder heraus, sonst be-komme ich den Koffer nicht zu. Ich stecke ihn in einen Beutel. Bariki bekommt Sachen von Muhammed, die er in seinen Rucksack stecken muss. Wir haben Mühe, alles zu trenne und unterzubringen. Das Hotel kommt uns entgegen und wir können das Zimmer bis 14 Uhr be-halten. Die beiden Frauen kommen dann auch erst um diese Zeit zum Saubermachen, so kön-nen wir vor der eigentlichen Abreise noch einmal duschen und uns frisch machen. Wir gehen noch einmal zum Krankenhaus, Rahila arbeitet heute. Aber als wir dort nachfra-gen, ist sie schon weg. Obwohl Sonntag ist, herrscht ein dichtes Treiben. Es gibt keinen Un-terschied zwischen Werktag und Feiertag. Die Läden und der Basar sind immer offen. Ich fotografier noch viel von diesem Treiben. Bariki kauft einen Gürtel. Ich sehe eine aus Sisal geflochtene Tasche, wie die meisten hier tragen und möchte eine haben als Transportmittel für den Rahmen. Aber Muhammed meint, sie sind zu teuer. Wir laufen noch bis zur Moschee

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Pemba – Chake Chake: Isticama-Moschee

im Tal, die ich gern fotografieren möchte, aber mich bisher nicht so traute. Da ist der Islam heikel. Ich stelle mich ein bisschen hinter Muhammed und mache den Schnappschuss. Die Isticama-Moschee ist das schönste und modernste Gebäude hier in der Stadt. Überhaupt sind die Moscheen immer die besten und schönsten Gebäude in den Ortschaften. Unterwegs tref-fen wir den jungen Mann vom Hotel und erzählen ihm von unserer erfolglosen Suche nach den Oktupussen. Er will uns welche besorgen! Wir kaufen noch drei kleine Flaschen mit Wasser, für jeden eine für unterwegs und gehen zum Hotel zurück. Unser Mittagessen hatten wir schon am Morgen bestellt, nur eine Möhren-suppe mit Brot. Während des Mittagessens bekommen wir auch wirklich die Oktupussi, gleich fünf Stück! Mich schüttelt es, als ich sie sehe! Aber sie sollen ein Leckerbissen sein. Nicht für mich! Unser Taxi haben wir für 14,30 Uhr bestellt und auch gleich bezahlt, damit es auch wirklich kommt. Wir haben also noch etwas Zeit, uns frisch zu ma-chen. Wir duschen und packen die restlichen Sachen zusam-men. Dann warten wir mit un-serem Gepäck vor dem Hotel auf unser Taxi. Nassor und der Hotelleiter kümmern sich wie-der, dass auch das Taxi wirk-lich pünktlich kommt. Bald! –aber wann? Muhammed wird richtig ungeduldig. Das Taxis kommt schließlich und wir Octupussi zum Trocknen auf der Leine

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verabschieden uns von den jungen Männern des Hotels und des Touristenbüros, die uns so verwöhnten. Die Fahrt geht aus Chake Chake hinaus und in Richtung Osten zum Flughafen. Der Fahrer hat das Radio angestellt und es ertönt die passende Taarab-Musik dazu. Mir wird richtig wehmütig. Der Abschied von dieser schönen Insel mit seinen liebenswerten Menschen fällt mir schwer. Am Karume-Airport, dem einzigen Flughafen der Insel, der ungefähr 6 km von Chake Chake entfernt ist, sind nur wenige Leute. Aber das soll sich bald ändern, denn immer wieder kommt ein Auto an und es steigen Menschen aus, die hier mit einem Flugzeug weg wollen. An einer Ecke werden frische Kokosnüsse angeboten und ich lasse mir eine zu-recht schneiden, um die erfrischende Kokosmilch zu trinken. Dann löffle ich noch das weiße Fruchtfleisch aus. Einige magere junge Hühner suchen immer wieder im Flughafengebäude nach Futter, und werden von den Angestellten ständig erfolglos verscheucht. Auf einer Ge-denktafel im Gebäude steht, dass der Flugplatz am 6. Januar 1974, also zum 10. Jahrestag der Revolution, von dem damaligen Regierungsvorsitzenden von Zanzibar eingeweiht wurde. Muhammed erklärt mir, dass dieser Mann einmal sein Lehrer gewesen ist. Wen kennt er noch alles?

Pemba - Flughafen von Chake Chake

Der Flughafen ist zwar klein, aber für afrikanische Verhältnisse wirkt er sehr modern. Umge-ben ist er von schönen Anlagen mit Rabatten und Hecken aus roten Drachenbäumen, die bei uns als Zimmerpflanzen gezogen werden. Hier habe ich diese sehr oft als hohe Hecken um den Häusern gesehen. Einige mit rosa Blüten übersäte Bäume stehen vor dem Gebäude. Auch auf dem Rollfeld sind solche Blumenrabatten und alles wirkt gepflegt und sauber. Es kommen immer mehr Fluggäste und bald können wir unser Gepäck abgeben und bekommen unsere Bordkarten, nachdem wir die Flughafensteuer bezahlt haben. Es geht zur Kontrolle des Hand-gepäcks, wo wir unsere Taschen öffnen müssen. Mit einem Detektor werden wir abgetastet von oben nach unten. Sicherheit ist eben überall oberstes Gebot. Im Check-in-Raum, der nach vorn hin offen ist, warten wir und er füllt sich schnell. Hier ist sogar eine kleine Bar, an der sich einige Passagiere noch einen letzten Drink leisten. Nach einer Weile kommen zwei Ma-

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schinen kurz hintereinander an, aus denen die Passagiere klettern. Es ist eine Maschine der Tropical Air, mit der wir nach Dar Es Salaam fliegen wollen und eine Maschine der Coastal Air, die nach Tanga weiter fliegt. Das Gepäck wird umgeladen und wir werden aufgefordert zur Maschine der Tropical Air zu gehen. Es ist ein kleines Flugzeug, das Platz für zwölf Per-sonen und zwei Mann Besatzung bietet. Wir müssen die Köpfe einziehen und gebückt zu un-seren Plätzen gehen. Ich sitze am Fenster und kann alles sehr gut sehen. Wir starten! Ich habe auch Bariki diesmal einen Reisekaugummi gegeben, den er bereitwillig genommen hat. Wer weiß, wie das kleine Flugzeug schaukelt? Und dann erlebe ich die Insel Pemba von oben! Die vertraute Landschaft mit den verstreuten Dörfern im Grün der Palmen, Bananen und Nelken-bäumen. Die Wege schlängeln sich von einem Dorf zum anderen. Die Küste taucht auf. Es ist gerade Ebbe, was man an der Dünung erkennt. Der weiße Sand der Küste leuchtet grell in der Sonne. Das Meer ist an den flachen Stellen grün, um dann in ein tiefblau überzugehen. Him-mel und Wasser berühren sich und unter uns ziehen einige weiße Wolken vorbei. Das Flug-zeug liegt ruhig in der Luft. Kleine Inseln ziehen unter uns vorüber, ein Riff taucht auf, das aussieht wie ein grünes Herz, umgeben von weißem Sand und der weißen Gischt, ein herrli-cher Anblick, wie man ihn auf Kitschpostkarten kennt. Die Wirklichkeit ist noch viel schöner! Es ist ein atemberaubender Anblick! Wir überfliegen eine größere Insel, es ist Unguja (Sansi-bar), die von hier oben ebenso grün aussieht wie Pemba. Von hier oben kann ich sogar die Delphine erkennen, die in riesigen Scharen durch das Wasser ziehen, indem sie ständig aus dem Wasser heraus springen, um gleich darauf wieder einzutauchen. Erst dachte ich, es sind Boote, erkannte aber schnell die Delphine an ihren gleichmäßigen Sprüngen. Bald darauf se-hen wir das Festland, an dem wir ein Stück entlang fliegen. Das Flugzeug sinkt und ich sehe die Häuser und Straßen mit den Autos immer genauer. Die Stadt Dar zieht sich sehr lang an der Küste entlang. Endlich, nach einer knappen Stunde Flug, landen wir auf dem Inlandflug-hafen von Dar. Muhammed ist erstaunt, dass wir hier landen, diesen Flughafen kennt er nicht. Ich frage ihn, ob er morgen früh mit Bariki hier auch abfliegt. Er wirkt etwas hilflos, weil er das nicht weiß. Wir warten noch auf unser Gepäck und fragen nach einem Taxi, das uns zum Internationalen Flughafen von Dar bringen soll. Vor dem Gebäude stehen etliche Taxen, in eine steigen wir ein. Bariki gibt aber dem Taxifahrer als Ziel Muniris Adresse an. Das merke ich zu spät, als wir schon in die Innenstadt von Dar einbiegen. Ich hatte mich schon gewun-dert, dass der Internationale Flughafen so weit weg sein soll. Ich hatte doch schon beim Aus-steigen die Towertürme gesehen. Es gibt eine kleine, aber heftige Diskussion. Ich will unbe-dingt zum Internationalen Airport, weil ich wissen will, ob mein Ticket bestätigt ist. Dort will ich auch die restliche Zeit bis zu meinem Flug abwarten, so hatten wir es doch vereinbart. Aber Muhammed hat sich voll auf Bariki verlassen und nicht mehr daran gedacht. Ich bin etwas ärgerlich. Also eine Kehrtwende an einem Verkehrskreisel und die ganze Strecke wie-der zurück. Der Fahrer nimmt es gelassen und bringt uns zum Internationalen Flughafen. Es kommt ein wenig Missstimmung auf, was mich bedrückt. Auf dem Flughafen suche ich mit Muhammed den KLM-Schalter. Bariki passt inzwischen auf unser Gepäck auf. An der Aus-kunft bekommen wir den Hinweis, am Tor 3 durchzulaufen zum Geschäftsgebäude des Flug-hafens. Ich muss meinen Pass als Pfand da lassen und wir bekommen jeder einen Ausweis, der uns berechtigt zum Einlass. An der Pforte zum Tor 3 wird genauso eine Kontrolle durch-geführt mit Taschen durchleuchten, Gürtel ab machen, Uhren und Jacken ausziehen und durch eine Schleuse gehen. Im ersten Stock ist das Büro von KLM, wo die Angestellte mein Tickets bestätigt und mir auch meine Platznummer angibt. Ich bin erleichtert, das ist wenigstens in Ordnung. Wir gehen wieder durch die Schleuse zurück ins Flughafengebäudes und holen meinen Pass ab. In der „Flamingo-Bar“ im ersten Stock, das über eine sehr breite und lange Treppe zu erreichen ist, nehmen wir ein Abendessen zu uns. Bariki hat angeblich keinen Hunger, er trinkt nur. Ich denke eher, er ist wegen unserer Unstimmigkeit etwas beleidigt und trotzt. Er wirkt auch müde, wie wir alle es sind. Ich werde langsam ruhig und still. Der Ab-schied rückt immer näher. Wir gehen in die große Halle hinunter und setzen uns auf eine Bank und warten. Ich gehe noch einmal auf die Toilette und kaufe eine deutsche Zeitung, den „Focus“ als Lektüre für unterwegs. Wir warten bis 20 Uhr, dann erst kann ich durch die Kon-

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Pemba und seine Inseln vom Flugzeug aus gesehen

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trollen. Wir reden wenig miteinander, jeder ist mit seinen Gedanken allein. Die beiden Män-ner wollen noch zu Muniri, um einige Stunden bis zu ihrem Abflug am Morgen zu schlafen. Der Abschied ist dann kurz. Muhammed umarmt mich noch einmal, was mich doch erstaunt, denn solche Gesten der Zärtlichkeit oder Berührung zwischen zwei Personen sind hier in der Öffentlichkeit nicht üblich. Das hatte ich nicht erwartet und daher rührt mich das irgendwie sehr. Ich will keine Traurigkeit aufkommen lassen. – Ich gehe mit meinem Gepäck zur Kon-trolle, wo alles durchleuchtet wird. Muhammed wartet noch, bis ich dort durch bin. Aber dann sieht er mich nicht mehr und geht dann auch. Ich bin allein! Weiter geht es zur Passkontrolle, wo ein Stempel in meinen Pass gedrückt wird. Nun bin ich aus dem Land Tanzania entlassen! Weiter geht es zum Ticketschalter und erhalte meine Bordkarte. Den Gang zum KLM-Büro hätte ich mir sparen können! Dafür hätten wir doch noch zu Muniri fahren können. Hätte, hätte! Nun ist es zu spät für solche Überlegungen. Mein Koffer ist nun schon weg und ich sehe ihn erst in Hannover wieder. Ich gehe in die große Wartehalle der Transitreisenden. Hier ist alles sehr modern und ich fühle mich wie in einem Warenhaus. Es gibt hier alles zu kaufen, was ein Duty Free Shop so anzubieten hat. Ich schlendre durch die Läden und schaue mich um. Im Laden, wo die Volkskunst ausgestellt ist, dem „Tanzania Treasures“, kaufe ich mir für meine restlichen Dollar noch eine Kette aus schwarz-weißen Stein-Perlen und habe so noch eine schöne Erinnerung an dieses Land. Im Buchladen entdecke ich viel Bekanntes und Inte-ressantes. Ich habe aber kein Geld mehr, um etwas zu kaufen. Ich merke mir aber einige Titel für zu Hause. Ich nehme auf einer Bank Platz und schreibe meine letzten Aufzeichnungen nieder, um die Wartezeit zu verkürzen. Um 22 Uhr gehe ich durch die letzte Kontrolle. Wie-der werden die Taschen durchleuchtet, die Bordkarte zeigen und Abriss. Dann Warten im letzten Raum, um an Bord zu gehen. Die Bordkarten haben verschiedenfarbige Sticker, nach denen die Passagiere aufgerufen werden, an Bord zu gehen. Die ganz hinten sitzen, kommen zuerst an die Reihe. Mein Platz ist in der 17. Reihe und daher gehe ich so ziemlich mit den letzten an Bord. Mein Platz ist am Gang an der Fensterseite, was mir ganz recht ist. In der Nacht sieht man sowieso nichts und ich habe mehr Beinfreiheit. Neben mir sitzen zwei junge Mädchen, Araberinnen, die eine hat ihr Kopftuch noch um, das sie erst kurz vor Amsterdam ablegt, ebenso den schwarzen Umhang, unter denen beide ganz modern mit Jeans bekleidet sind. Die Passagiere setzen sich aus den unterschiedlichsten Leuten zusammen. Viele Klein-kinder sind dabei. Kurz vor mir sitzt ein junges Paar, er ist Afrikaner und sie ist Weiße, mit einem kleinen Mädchen, um das sich besonders der Vater sehr kümmert. Ich denke bei mir, so wäre das auch bei uns gewesen. - Der Start erfolgt pünktlich um 22.55 Uhr und um 23.05 Uhr sind wir in der Luft. Ade, Afrika! – An Bord erfolgt in regelmäßigen Abständen auf dem Bildschirm eine Information über die Route. Unser Flugzeug ist eine Boeing, die „Anna Pav-lova“, wie ich beim Einsteigen gesehen habe. Es wird angegeben: Entfernung bis Amsterdam: 7350 km, Flughöhe ist zwischen 9400 bis 11000 m, die Außentemperatur schwankt zwischen -35 und -51° C und die Geschwindigkeit beträgt durchschnittlich 940 km in der Stunde. Dazu wird eine Landkarte angezeigt, wo wir uns gerade befinden. Wir bekommen gleich nach dem Start um Mitternacht ein Abendessen. Das Licht ist abgedunkelt und es ist ruhig. Die meisten versuchen zu schlafen, was auch vielen gelingt. Ich nehme mir das kleine Kissen in den Rü-cken und decke mich mit der Decke zu, die jeder bekommen hat. Die Kopfhörer lehne ich ab, dafür habe ich jetzt keinen Nerv. Ich will meine Ruhe haben. Ich bin recht müde und dusele mehr, als das ich schlafe. Dann ziehe ich auch meine Strickjacke an, denn es wird mir kühl durch den Luftzug vom Ventilator. Zwischen Filmen und Dokumentationen wird immer wie-der die Route angezeigt. Wir fliegen von Dar am Kilimanjaro vorbei über Nairobi, den Sudan und an Kairo vorbei, über Griechenland und Kroatien nach Österreich hinein, überqueren den Süden von Deutschland und nördlich von Köln fliegen wir dann nach Amsterdam. Ein Frühs-tück gibt es um 5 Uhr Morgens. Irgendwann habe ich meine Uhr wieder auf Mitteleuropäi-sche Zeit eine Stunde zurück gestellt. Pünktlich um 6.45 Uhr landen wir auf dem Flughafen Amsterdam-Schiphol. Schon im Flugzeug werden die Gates angezeigt und Hinweise gegeben für die nächsten Anschlussflüge. Mein Anschluss ist noch nicht dabei, daher informiere ich mich nach dem Verlassen des Flugzeuges zuerst, wo mein Gates ist: B 24 um 8.55 Uhr. Also

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habe ich noch genügend Zeit. Ich gehe zuerst auf die Toilette, wozu ich im Flugzeug nicht mehr gekommen bin und gehe dann zur Passkontrolle, wo lange Schlangen stehen. Schiphol ist ein riesiger Flughafen und verwirrend groß. An den Anzeigetafeln steht auch immer, wie viel Zeit man benötigt, von einem Gates zum anderen zu kommen. An der Passkontrolle er-folgt wieder eine Durchleuchtung des Handgepäcks und alle Passagiere müssen in eine Kabi-ne mit erhobenen Händen, wo auch wir durchleuchtet werden. Manche müssen ihre vollen Flaschen in den Müll werfen! Das ist Vorschrift in der EU, keine Flüssigkeiten über 100 ml an Bord mitzunehmen. Bei mir ist alles o.k. und ich schlendere langsam zum Gates B 24. Hier muss ich noch eine kleine Weile warten, ehe ich in das Flugzeug nach Hannover, eine Fokker, einsteigen kann. Die letzte Etappe! Erst im Cityhopper, der mich nach Hannover bringt, wird mir so richtig bewusst, ich bin wieder allein.

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Resümee

In einem Reisehandbuch über Tanzania habe ich folgende Worte gelesen: „Africa is magic- and Tanzania is the magician - Afrika ist verzaubert und Tanzania ist der Zauberer“. Diese Worte kann ich nur bestätigen. Schon bei meiner Ankunft in Hannover empfand ich diese Fremdheit, die mich hier in Deutschland empfing. Ich hatte einige Tage gebraucht, um mich wieder zurecht zu finden in dieser Welt. Ja, es ist eine andere Welt gewesen, ein völlig ande-res Denken und Fühlen dort in Zanzibar und vor allem in Pemba. Schwer kann ich mich von diesen Eindrücken lösen, die ich in den vergangenen zwei Wochen hatte. Afrika hat mich verzaubert und für immer in seinen Bann gezogen. Diese intensiven fünf Wochen mit Mu-hammed haben mich geprägt und diese Zeit mit meinem geliebten Mann werde ich nicht ver-gessen. Muhammed fehlt mir, wir waren zuletzt so innig miteinander verbunden und trotz mancher Missverständnisse, die meist durch Sprachprobleme entstanden, fanden wir immer wieder zusammen und hat uns noch näher in unserem Sein und Fühlen gebracht. Ich will posi-tiv denken, so wie ich es Muhammed immer beigebracht habe. Ich will nicht mit meinem Schicksal hadern, sondern als ein großes Geschenk, als ein reiches Glück betrachten, dass wir nach so langer Zeit unsere Liebe bewahrt haben und so vertraut miteinander geworden sind. Wir haben uns wieder gefunden, das allein zählt. Diese Reise mit ihm nach Zanzibar und Pemba zu den Stätten seiner Jugend und zu seiner Familie war für uns beide sehr wichtig. Muhammed hat mir alles gezeigt, was ihm wichtig erschien und auch er hat es genossen, mit mir zusammen in seiner Heimat zu sein. Ich habe mich bei ihm für dieses große Geschenk bedankt und auch er hat sich bei mir bedankt, das alles erst möglich zu machen. Welches Glück kann größer und schöner sein? Pemba mit seinen liebenswerten Menschen wird auch für mich mein Zuhause bleiben.

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Kiswahili-Worte und Begriffe im Text

asante danke baba Vater baiskeli Fahrrad bila sugari ohne Zucker bilimbi Gurkenbaum binzari Curry bui bui schwarzer Umhang der moslemischen Frauen chai ya rangi Tee (von Farbe) ohne Milch chalwa Süßigkeit aus Honig und Nüssen chandarua Moskitonetz chapati Fladenbrot chipsi Pommes chipsi na mayai Bauernfrühstück dafu Kokosmilch dagaa Anchovis duka Laden, Geschäft fenesi Jackfrucht fundi Handwerker, Fachmann habari gani? Wie geht es dir? hoteli Restaurant jambo sei gegrüßt! kachori gekochte gewürzte Kartoffelbällchen kanga Wickeltuch für Frauen karibu Willkommen karoti Möhren kawa geflochtener Deckel zum Abdecken für Speisen keki Kuchen kikoi Hüfttuch für islamische Männer kitenge Hüfttuch für Männer kima punju Red Colobus Affen kofia Kappe, Hut kokoa Kakao kuku Huhn kuku supa Hühnersuppe mabungo Mandarinenart (Saba comorensis) mafuta ya karafuu Nelkenöl aus den Blütenknospen mafuta ya makongyo ya karafuu Nelkenöl aus den Blütenstängeln maji Wasser mama mdogo Tante (kleine Mama), Schwester der Mutter maneno (Pl.) Worte Mbembe Mangobaum Mburiki Jodpflanze mbuzi Ziege mchicha Spinat Mdalasini Zimtbaum Mgulele Giftbaum (Antiarius toxicaria) Mjoho Baumart ((Quassia undulata) mishkaki gegrillte Fleischspieße Mkungu indischer Strandmandelbaum, Katappenbaum (Terminalia catappa) Mnazi Kokospalme

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Mninga Baum mit Hartholz für Möbel Mpapindi Palmenart (Chrysulidocarpus pembanus) Mshokishoki Litschibaum Mtomondo indische Eiche, Flaschenputzereiche (Barringtonia racemosa Mtondoo Ölfruchtbaum (Calophyllum iniphyllum) mtoto (Pl. watoto) Kind mukogo Maniok, Kassava Mungu Gott, Ahnherr Muudindi Wackwa-Ölbaum Mvavi Gottesgericht-Baum (Erythrophleum fordii) Mvule Afrikanische Eiche (Chlorophora excelsa) mzungu Weißer, Fremder ng´ombe Kuh nimeshiba ich bin satt nyama Fleisch nzuri gut, schön ofisi Büro papai Papaya pembani Weihrauchgefäß picha Foto, Bild pikipiki Motorrad pili pili manya schwarzer Pfeffer pole pole langsam, langsam popo wa Pemba Fliegende Füchse, Fledermausart samaki Fisch sambusa Teigtaschen, gefüllt mit Gemüse oder Hackfleisch seme sprich simu Telefon sitaki ich will nicht siyo nein soko Markt, Basar supu Suppe Tingatinga naive Malerei auf Zanzibar Unguja die Insel Zanzibar wali gekochter Reis

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Literatur und Filme

Reiseführer: Frey, Elke ; David Kyungu: Tansania, Sansibar. - München: Nelles, 2006.- (Nelles Guide) Gabriel, Jörg: Tansania, Sansibar, Kilimanjaro.- 4. kompl. akt. u. erw. Aufl. – Bielefeld: Reise-Know How Verl., 2007. – (Reise Know How) Heilig, Sabine u. Christina Gottschall: Sansibar. - Singen: Unterwegs Verl., 2007.

Sachbücher: Grzimek, Bernhard: Serengeti darf nicht sterben. – Berlin: Ullstein, 1962. Hanby, Jeanette ; David Bygott: Kangas 101 uses. – 1985. Hanzelka, Jiři ; Miroslav Zikmund: Afrika. – Bd 1 – 3. – Berlin: Volk u. Welt, 1953 - 1959 Rau, Uwe: Doors of Zanzibar. - 2000. Schomburgk, Hans: Meine Freunde im Busch. Eine Filmfahrt durch Afrika. – Berlin: Verl. d. Nation, 1954.

DVD: Die letzten Paradiese: Afrika I. Kilimandscharo. Kenia, Tansania.- 60 min. Die Welt auf DVD: Tanzania. – Tittmoning: Bavarian Video-Verl.. – 75 min. ZDF-Reiselust. Sansibar. – Grünwald: Komplett Media. – 43 min.

Romane: Blixen, Tania: Afrika – dunkel lockende Welt. – Zürich: Manesse, 1986. Dirie, Waris: Nomadentochter. – Blanvalet, 2003. Dirie, Waris: Schmerzenskinder. – München: Ullstein, 2005. Dirie, Waris: Wüstenblume. – München: Ullstein, 2003. Gercke, Stefanie: Ein Land, das Himmel heißt. – München: Droemer, 2006. Gercke, Stefanie: Ich kehre zurück nach Afrika. – München: Droemer, 1999. Gercke, Stefanie: Ins dunkle Herz Afrikas. – München: Droemer, 2001. Gurnah, Abdulrazak: Donnernde Stille. – München, Wien: ed. Kappa, 2000. Gurnah, Abdulrazak: Schwarz auf Weiß. – München: A1 Verl., 2004. Hofmann, Corinne: Die weiße Massai. – München: Droemer, 2000. Hofmann, Corinne: Zurück aus Afrika. –München, Droemer, 2003. Hofmann, Corinne: Wiedersehen in Barsaloi. – München, Droemer, 2005. Hilliges, Ilona Maria: Die weiße Hexe. – München: Ullstein, 2000.

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Hilliges, Ilona Maria: Mit den Augen der Leopardin. – München: Ullstein, 2003. Keitetsi, China: Sie nahmen mir die Mutter und gaben mir ein Gewehr. – Mein Leben als Kindersoldatin. - Mün-chen: Ullstein, 2003. Kitereza, Aniceti: Die Kinder der Regenmacher. – Bd 1 u. 2. – Zürich: Unionsverl., 2001. Luard, Nicholas: Das Tal der Elefanten. – 2. Aufl. – Bergisch Gladbach: Bastei, 1997. Ruete, Emily: Leben im Sultanspalast. – Memoiren. – Philo Verl.ges., 1998. Ruete, Emily: Briefe nach der Heimat. – Philo Verl.ges., 1999. Scholes, Katherine: Die Regenkönigin. – München: Droemer, 2003. Zweig, Stefanie: Nirgendwo in Afrika. – Gütersloh: Bertelsmann, 2000. Zweig, Stefanie: Karibu heißt Willkommen. – Gütersloh: Bertelsmann, 2000. Zweig, Stefanie: … doch die Träume blieben in Afrika. – Gütersloh: Bertelsmann, 1998. Zweig, Stefanie: Die Spur des Löwen. – Gütersloh: Bertelsmann, 1999. und viele andere…

Internetadressen

www. - afrikaaktuell.de bagamoyo. com bariez. com bwanasimba.online.fr bushlink.co.tz daressalam.diplo.de felix-safaris.com habari.co.tz jambotanzania.net pemba.net pembaisland.com swahili.de tantours.de tanza.com tanzania.adventure.com tanzania.gov.de tanzania.gov.tz tanzania-network.de tanzania-reisebuero.de zanzibar.net

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