TREUFLEISCH [RATLOS MIT FRUST]

8/20/2019 TREUFLEISCH [RATLOS MIT FRUST]

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Raoul Yannik und Amélie von Tharach

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[Ein autobiografischer Roman] ____________________

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Der Inhalt dieses Buches orientiert sich an tatsächlich

stattgefundenen Ereignissen, an Orten, die austauschbar

sind, und Ereignissen, die überall stattgefunden haben

können. Ich habe sorgfältig recherchiert, gewissenhaft

aufbereitet, psychologisch analysiert und nur das

aufgeschrieben, was auch geschehen ist.

Aus Gründen, die meine persönliche Sicherheit und meine

körperliche Unversehrtheit betreffen, sind die Namen, die

Ort und Ereignisse frei erfunden, oder so abgeändert, dass

eine Identifizierung der handelnden Personen nicht

möglich ist.

Raoul Yannik

Im Juli 2011

http://www.raoulyannik.de/


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Zweites Kapitel

Ratlos

„Man muss das ganz nüchtern betrachten. Verzweiflung ist nur eine

kleine Zwischenstation auf dem langen und gewundenen Pfad zur

Hoffnungslosigkeit. Der Weg dahin besteht aus einem unerträglichen

Missverhältnis zwischen dem was ist, und dem was soll. Und dann,

am Ende der Straße, wenn du auf eine kleine Belohnung hoffst,

für den ganzen Ärger den du hattest, und für die Mühen und Plagen,

stehst du vor dem Abgrund und niemand rettet dich.“

Dr. med. Dr. h.c. Friedemann Walter

Stuttgart Stadtmitte

Sonntag, 30. Oktober 2005

Wenige Minuten vor 9:00 Uhr

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Am Morgen des 30. Oktober 2005 musste Dr.

med. Dr. h.c. Friedemann Walter resigniert

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feststellen: „ Jetzt hat es dich auch erwischt.

Willkommen im glorreichen Club der sklerotischen

Titanier.“

Zögernd und wegen stechender Schmerzen in

seiner rechten Schulter nur mühsam einen

destruktiv wirkenden Reflex unterdrückend, senkte

er seinen bis zur Schulterhöhe emporgereckten

Arm. Wie sein großes Vorbild zackig, aber im Gelenk

etwas zitternd winkelte er seine Extremität an, um

mit einem beherzten Schluck das fein facettiert

geschliffene Kristallglas mit Goldrand zu leeren, das

er in seiner Hand hielt.

„ Alles schwule Tunten, die Schotten“,

nuschelte er mit eingefallener Oberlippe vor sich

hin. Vorsichtig und mit der linken Hand sein rechtes


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Handgelenk umklammernd, setzte er das Glas auf

der im feinen Staub noch mattglänzenden und mit

krustig eingetrockneten Kreisen verzierten Ablage

ab. Der Inhalt des anderen (des ganz links

stehenden) Glases grinste ihn provozierend an, als

ob es ihm sagen wollte: „Mein geliebter Führer. Sie

müssen sich keine Sorgen machen. Ihr Gebiss hält

und alles wird gut.“

„Nichts wird gut du Arsch, alles ist im Arsch …“

Das sagte er zu dem Gesicht im Spiegel, und

das rechts vom linken stehende Glas war leer. Auch

mit viel Optimismus, gewürzt mit

übermenschlichem Mut und mehr als einem

Quäntchen Verdrängung sah es nicht so aus, als ob

jetzt, heute am Morgen des 30. Oktober 2005, und



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in Zukunft alles wieder gut und so schön wie früher

werden würde.

Vorsichtig und mit der rechten Hand an der

Lende bückte er sich, um mit der anderen Hand

nach der Flasche Glenmorangie Signet Single Malt

Whisky zu greifen, die neben einer liegenden

Wodka- und drei ebenfalls leeren, aber stehenden

Weinflaschen vor seinem linken Fuß auf dem Boden

stand.

„ Ahuuuuuu …“

Wie ein Stromschlag, ausstrahlend auf seine

derangierte Anuszone über sein Rückenmark bis in

sein Gehirn, durchfuhr ihn ein durchdringendes

Stechen. Die leeren Flaschen auf dem Boden fielen

mit einem klirrenden Geräusch um, aber sie


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zerbrachen nicht. Nackt und gebückt schrie Dr.

med. Dr. h.c. Friedemann Walter noch ein heißeres

„Heiaaaauul “ in den edel gefließten Raum. Sein

Schrei, der in einem schleimigen Hustenanfall

endete, klang nicht nach einem jubelnden Heilruf,

sondern wie das langgezogene Heulen eines

waidwund geschossenen Wolfs am tief

verschneiten Kursker Bogen. Eine

Spinalkanalstenose und das viel zu frühe Altern

vorgefallener Bandscheiben hatten sich wieder

foltermäßig bemerkbar gemacht.

Mühsam, aber mit der Flasche in der linken

Hand richtete sich Dr. med. Dr. h.c. Friedemann

Walter wieder auf. Der Schmerz war real, und das

was er sah und nicht vorhanden war auch.



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Kopfschüttelnd und ärgerlich stirnrunzelnd

betrachtete er seine drei Finger, die so hilflos

einsam aussahen und den Flaschenhals festhielten.

Nur mühsam unterdrückte Angstgefühle und die

schmerzhaften Stiche in seinem Herzen waren

wieder da. Mit einem weinerlichen Seufzer spürte

er in seinem kleinen, und auch im Ringfinger der

linken Hand wieder leichte Zuckung, an Stellen wo

nichts mehr war, nichts mehr sein konnte, und nie

wieder etwas sein würde.

Fast so lustig wie die Reste nach einer

Zwangsglansektomie bei einem aristokratischen

Päderastenpaar, bewegten sich zwei schlecht

verheilte Stummel, die wie abgehackte Äste an

einem knorrigen Baum, aus seiner Hand ragten.


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„Das bilde ich mir nur ein. Was weg ist, ist weg

und futsch ist futsch. Warum spür ich da noch was? “

Statt einer präzisen Antwort drang ein schrilles

„Mama mia, mama mia, mama mia …” aus seinen

luxuriösen Wohnräumen in den schwarzen Raum.

Als bekennendem Fan von Wagner, aber von

Beethoven eher nicht (der war ihm zu

„untheutsch“), bereiteten ihm die Geräusche

ästhetische Schmerzen. Mit genervter Mimik hielt

er die leere Flasche ans Deckenlicht, um dann ein

aus tiefstem Herzen kommendes „immer die Scheiß-

Engländer. Wo ist der scheißteure Schottenwhisky in

der Scheißflasche abgeblieben? Bestimmt hat die

blöde Polackenfotze wieder …“ zu brüllen.

Keine Antwort war auch eine Antwort auf die



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unausgesprochene Vermutung.

Der berühmte Schönheitschirurg Dr. med. Dr.

h.c. Friedemann Walter sah nur goldschwarz

getöntes Glas. Dann drehte er die Flasche mit dem

Hals nach unten, aber statt edlem Scotch, fiel ein

vertrockneter Zigarettenstummel mit deutlichen

Lippenstiftspuren aus der Öffnung.

Der fehlende edle Tropfen im leeren Gefäß

war nur ein unbedeutender Baustein in seinem sich

fragil türmenden Sorgengebäude.

Trotz abgängigem Verständnis für die

einfachsten technischen Geräte, und dazu dem

zweifelsfrei von ihr verursachten Chaos, war Paula -

die mutmaßlich russische und weitgehend

fähigkeitsfreie Au-pair-Putzhilfe - in dem nicht mehr


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sanft schleichenden, sondern galoppierenden

Verfall der ihn umgab, ein kleiner, wenn auch sehr

schwacher Lichtschein am Ende des metaphorisch

unbeleuchteten Tunnel seiner Frustrationen.

„Lutschen und meinen Schnaps wegsaufen

kann sie, aber putzen kann die blöde Putze nicht.

Hoffentlich kommt sie noch rechtzeitig, damit er

steht bevor sie kommt ...“

Mit solchen und auch anderen Überlegungen,

und durch eine erwartungsvolle Vorfreude etwas

versöhnlicher gestimmt, verzog er sein Gesicht zu

einer Grimasse, die ein generös verzeihendes

Lächeln andeuten sollte.

Dann schloss er die Augen um ein

„ Aooooouuuhm“ zu summen, und sich mental auf



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das Kommende vorzubereiten. Für einen Moment

dachte er auch an sein tibetanisches

Kopfstandschemelchen, aber wegen seiner kleinen

Gleichgewichtsstörungen und dem bereits

erwähnten Unwohlsein unterließ er die von seinem

Therapeuten empfohlene Übung.

„Nur die mentale Konzentration auf das

Wesentliche kann eingestürzte Neubauten wieder

aufrichten …“ war der Rat von Professor Raoul

Yannik, seines spirituellen Führers, dem er vertraute

und der ihm in vielen Lebenslagen ein wertvoller

Freund geworden war. Auf Empfehlung dieses

Herrn und zu dem vorstehend beschriebenen Zweck

bekam Paula regelmäßig eine kleine

Leistungszulage.


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„Ein talentiertes Fluff-Girl im Haus hat seine

Vorteile. Den Luxus gönn´ ich mir, aber gib einer

Russ´ keinen Kuss …“

Dr. med. Dr. h.c. Friedemann Walters

Gedankenströme versuchten sich auf Paulas kleinen

Po zu bündeln, um sich mental auf Frau Sina

Sidonius einzustimmen. Aber es gelang ihm nicht,

weil er lästige Gedanken an Karin von Stahl

verdrängen musste, was ihm auch nicht gelingen

wollte, denn Karin von Stahl war seit vielen Jahren

ein wesentlicher Bestandteil seines stramm

geschnürten Sorgenbündels.

Mit einem gestöhnten „Paula, du kleine geile

Drecksau …“ versuchte er sich autosuggestiv zu

motivieren, und den übermenschlichen



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Leistungsdruck der auf ihm lastete, abzubauen, aber

Karin von Stahl drängte sich mit der ganzen Macht

ihres voluminösen Körpers in seine Gedanken. Zu

allem Überfluss gab sein Telefon penetrierende

Signale von sich. Mit einer Hand am Hörer und der

anderen am schlaffen Glied, sprach er kurz mit ihr.

Es gab nicht viel zu besprechen, denn das was

geschehen würde, war bekannt. Das letzte

Geräusch das er zu hören bekam, war ein leises

Keuchen, wie von einer gehetzten Kreatur mit

Todesängsten, und ein „Bussi.“

Seine leise Stimme war kaum verständlich,

und zwischen einem kleinen Schleim-Hustenanfall

brabbelte er die hagere Gestalt im

goldgeschnörgelten Spiegel an: „Du bist doch sonst


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so schlau. Gib mir sofort einen verdammt guten

Tipp, was ich tun soll? Der Scheiß-Iwan will mich

ficken …“

Viele Fragen über das Wie, Wann, Wo und wie

oft lasteten auf seiner empfindsamen Seele, aber

das gelbgoldgebräunte Gesicht im mannshohen

Spiegel gab ihm keine zufriedenstellende Antwort.

Alles was er lautstark zu hören bekam, war der

Refrain: „Mama mia, mama mia, mama mia let me

go …“, angestimmt und im Falsett vorgesungen von

einem schwulen, toten Sänger.

„Kleine Schwuchtel, du hast dir rechtzeitig

einen guten Abgang verschafft “, war sein

verächtlich klingender Kommentar, um dann ein

ärgerliches „die hat wieder an den Geräten



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rumgespielt. Die Russenkuh ist doch zu doof ...“

hinzuzufügen.

Die geografischen Kenntnisse von Dr. med. Dr.

h.c. (auf die korrekte Erwähnung seines Titels legte

er besonderen Wert) Friedemann Walter waren

begrenzt, und dem inneren Drang, den intim

beleuchteten Raum zu verlassen um nach der

Fernbedienung zu suchen, nur um die zunehmend

als disharmonisch empfundenen Geräusche etwas

erträglicher zu temperieren, wollte er wegen

permanenter Kopfschmerzen in Verbindung mit

einer kleinen Übelkeit bis zum Magen-

Enddarmbereich, sicherheitshalber nicht folgen.

Aus Gesundheitsgründen und aus keinem

anderen Grund unterließ er es auch, das schwere


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Kristallglas mit durch Spülmaschinenbehandlung arg

verblichenem Goldrand, verstärkt mit der

Legitimation seiner übergroßen, aber nicht

thematisch geordneten Enttäuschungen gegen die

mit wertvollem schwarzem Granit verkleideten

Wände seines Bath- and Wellness-Rooms zu

schleudern.

Mit der rechten Hand fing er an, lustlos an

seinem Glied das Hin- und Her- und Vor- und

Zurückwedel-Spiel zu spielen, doch dann klang „we

are the champions, no time for losers …“ an sein

Ohr, und auf das Stichwort musste er wieder an

(„Süßer, ich bin doch deine allerbeste Freundin“)

Karin von Stahls mächtige Schenkel denken.



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Eine fette Nacktschnecke zertreten erzeugt

beim konservativ veranlagten, mitteleuropäischen

Menschen größeren Widerwillen, weil das Gewürm

lebend nicht gut, und im zerquetschen Zustand

nicht viel appetitlicher aussieht. Beim Gedanken an

seine Gönnerin und Vertraute fielen Dr. med. Dr.

h.c. Friedemann Walters quellende

Schneckeninnereien unter einem sich genüsslich

drehenden Schuhabsatz ein. Sein Magen begann

wieder zu rebellieren, und an der Mimik hätte auch

ein unbedarfter Beobachter, unschwer den Ekel des

älteren, nackten Herrn im Bad erkennen können.


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Nachsätze

Verehrte Leserin, lieber Freund. Was ich hier,

auf diesen wenigen Seiten geschrieben habe,

stammt aus meiner privaten Schreib-Werkstatt. Ich

habe es mir in langen, einsamen Nächten, im Schein

einer Glühlampe, oft frierend, hungrig und durstig,

ausgedacht.

Vielleicht denkst du: „Das ist doch alles

dummes Zeug. Das stimmt doch nicht. Das kann

doch niemals so geschehen sein, was der da

geschrieben hat ...“

Ich muss dir zustimmen. Es stimmt nicht und

es kann nicht stimmen. Obwohl, manches ist

tatsächlich so geschehen. Darum schüttle nicht



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gleich mit dem Kopf, wenn es bei dir anders ist. Oft

ist das ist nur eine Laune des Zufalls. Wenn du aber

sagst: „Das ist es. Das muss ich Werner (oder wem

auch immer) schicken, dem Blödmann!“ dann fühle

ich mich reichlich belohnt...

Übrigens: Falls du es noch nicht bemerkt hast, das Zitat ist frei

nach Kurt Tucholksky, und falls du in diesem Buch Fehler findest,

fühle ich mich geehrt, denn du hast das Buch gelesen

Du möchtest mehr lesen?

Dann besuche meine Website

www.raoulyannik.de


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Geboren im Oktober 1950 in der ehemals beschaulichen,

schwäbischen Kleinstadt Sindelfingen. Nach Abitur und Ausbildung

schloss sich ein längeres, aus heutiger Sicht ziemlich nutzloses

Studium in Berlin an. Heute, nach einer kurzen Ehe und anderen

Missgeschicken lebe ich aus Lebens- und Liebesgründen in Essen. Ich

schreibe für mich über die Abgründe der Seele, über das was sein

könnte und was ist, wenn wir es sehen können.

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Meine Schutz- und Nutzungsrechte

Ich bitte meine Leserinnen und Leser um Verständnis für die folgenden

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