10
Ulf Pindur und E~~~ Akgiin Tri- und Tetra-aryl (bzw. -hetaryl)-methane als Pharmaka - Chemie, Struktur und Wirkungsprinzipien - 1. Einleitung Die Di-aryl (bzw. -hetaryl)methyl-Gruppe stellt als Haptophor fur zahlreiche Arznei- stoffe (I) variabler Wirkungsspektren eine essentielle lipophile Funktion fur eine ori- entierte Pharmakon-Rezeptor-Wechselwir- kung dar. Erschopfende Substitution der Methylgruppe durch Arene oder Hetarene fiihrt zur Strukturklasse der Triaryl(Het- ary1)- oder Tetraaryl(Hetary1)methane (11), deren pharmazeutisches Anwendungspoten- tial aus strukturellenGrunden deutlich einge- schrankt ist. Im Rahmen dieses Aufsatzes sol1 erstmals eine systematische Abhandlung dieser Methane (11) nach synthetischen, che- mischen, strukturellen, physikalisch-chemi- schen und pharmazeutischen Gesichtspunk- ten vorgenommen werden. R'\ ,R4 R', ,R4 C - C R2' XR3 RZ' 'R3 I R'R2 = Aryl, Hetaryl funktionelle Gruppen, spezifische Seitenketten R3R4 = H bzw. I1 R'R2R3 = Aryl, Hetaryl R4 = H bzw. Aryl, Hetaryl, neutrale und ionische Strukturen 2. Darstellungsprinzipien ausgewahlter Aryl (bzw. Hetary1)-methane (11) a) Tri-aryl (bzw. -hetaryl)-methane Das Triphenylmethan (Tritan I) reprasentiert das Grundskelett der ausgiebig untersuchten Triphenylmethan-Farbstoffe. Es wurde von E. und 0. Fischer [l] 1878 erstmals systema- tisch untersucht. Eine der ersten Darstel- lungsmethoden basiert auf einer Friedel- Crafts-Reaktion von Benzen rnit Chloro- form. In wesentlich besseren Ausbeuten mit weit weniger Nebenprodukten kann 1 durch Re- duktion von Triphenylcarbinol 2 mit Zink- staub oder durch Erhitzen rnit Ameisensaure erhalten werden. Das saureempfindliche Tri- phenylcarbinol2 la& sich in einer Grignard- Reaktion aus Benzoesaureester und Phenyl- magnesiumbromid synthetisieren. 3 0 + CHC13 - 3 HCI HCOOH 1 (Cf,H5)3C0H 2 Triphenylcarbinol 2 und das Chlorid 3 (dar- stellbar aus Benzen und Tetrachlorkohlen- stoff nach Friedel-Crafts) reprasentieren po- tente Edukte zur Bildung des Triphenyl- methylcarbenium-Ions 4. Das Triphenyl- chlormethan ahnelt in seiner Reaktivitat den Saurechloriden. Beim Auflosen in fliissigem Schwefeldioxid farbt sich die Losung gelb und leitet den Strom. Das Acceptorsohens begunstigt eine heterolytische Spaltung und fiihrt zu einer giinstigen Anionensolvatation. Im flussigen Schwefeldioxid liegt ein Gleich- gewichtsgemisch aus nicht ionisiertem 3, ei- nem Ionenpaar und freien solvatisierten Io- nen vor. Eine allgemeine Synthesemoglichkeit zu sub- stituierten Triarylmethanen 5, die auch fur Hetarylmethane giiltig ist, besteht in der klassischen zweifachen elektrophilen Substi- tution rnit einem Arylaldehyd (uber das Al- dehydium-Ion als Elektrophil) und dem ent- sprechenden Aren. H+(bzw Lewis- sauren) R' R' 5 R 2 0 + Q OAH Herrn Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Horst Bohme zum 75. Geburtstag mit den besten Wiinschen gewidmet. > Bisacodyl < Pharmazie in unserer Zeit II 12. Jahrg. 1983 I Nr. 5 0 Verlag Chemie GmbH, 0-6940 Weinheim, 1983 0048-3664/83/0509-0135 $ 02.5OIO 135

Tri- und Tetra-aryl (bzw.-hetaryl)-methane als Pharmaka — Chemie, Struktur und Wirkungsprinzipien —

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Tri- und Tetra-aryl (bzw.-hetaryl)-methane als Pharmaka — Chemie, Struktur und Wirkungsprinzipien —

Ulf Pindur und E~~~ Akgiin Tri- und Tetra-aryl (bzw. -hetaryl)-methane als Pharmaka - Chemie, Struktur und Wirkungsprinzipien - 1. Einleitung

Die Di-aryl (bzw. -hetaryl)methyl-Gruppe stellt als Haptophor fur zahlreiche Arznei- stoffe (I) variabler Wirkungsspektren eine essentielle lipophile Funktion fur eine ori- entierte Pharmakon-Rezeptor-Wechselwir- kung dar. Erschopfende Substitution der Methylgruppe durch Arene oder Hetarene fiihrt zur Strukturklasse der Triaryl(Het- ary1)- oder Tetraaryl(Hetary1)methane (11), deren pharmazeutisches Anwendungspoten- tial aus strukturellenGrunden deutlich einge- schrankt ist. Im Rahmen dieses Aufsatzes sol1 erstmals eine systematische Abhandlung dieser Methane (11) nach synthetischen, che- mischen, strukturellen, physikalisch-chemi- schen und pharmazeutischen Gesichtspunk- ten vorgenommen werden.

R'\ ,R4 R', ,R4 C - C

R2' X R 3 RZ' 'R3

I

R'R2 = Aryl , Hetary l

funktionelle Gruppen, spez i f i sche Sei tenket ten

R3R4 = H bzw.

I1

R'R2R3 = Aryl , Hetary l

R4 = H bzw. Aryl , Hetary l , neut ra le und ionische S t rukturen

2. Darstellungsprinzipien ausgewahlter Aryl (bzw. Hetary1)-methane (11)

a) Tri-aryl (bzw. -hetaryl)-methane

Das Triphenylmethan (Tritan I ) reprasentiert das Grundskelett der ausgiebig untersuchten Triphenylmethan-Farbstoffe. Es wurde von E. und 0. Fischer [l] 1878 erstmals systema- tisch untersucht. Eine der ersten Darstel- lungsmethoden basiert auf einer Friedel- Crafts-Reaktion von Benzen rnit Chloro- form.

In wesentlich besseren Ausbeuten mit weit weniger Nebenprodukten kann 1 durch Re- duktion von Triphenylcarbinol 2 mit Zink- staub oder durch Erhitzen rnit Ameisensaure erhalten werden. Das saureempfindliche Tri- phenylcarbinol2 la& sich in einer Grignard- Reaktion aus Benzoesaureester und Phenyl- magnesiumbromid synthetisieren.

3 0 + CHC13 - 3 HCI

HCOOH 1 (Cf,H5)3C0H

2

Triphenylcarbinol 2 und das Chlorid 3 (dar- stellbar aus Benzen und Tetrachlorkohlen- stoff nach Friedel-Crafts) reprasentieren po- tente Edukte zur Bildung des Triphenyl- methylcarbenium-Ions 4. Das Triphenyl- chlormethan ahnelt in seiner Reaktivitat den Saurechloriden. Beim Auflosen in fliissigem Schwefeldioxid farbt sich die Losung gelb und leitet den Strom. Das Acceptorsohens begunstigt eine heterolytische Spaltung und fiihrt zu einer giinstigen Anionensolvatation. Im flussigen Schwefeldioxid liegt ein Gleich- gewichtsgemisch aus nicht ionisiertem 3, ei- nem Ionenpaar und freien solvatisierten Io- nen vor.

Eine allgemeine Synthesemoglichkeit zu sub- stituierten Triarylmethanen 5, die auch fur Hetarylmethane giiltig ist, besteht in der klassischen zweifachen elektrophilen Substi- tution rnit einem Arylaldehyd (uber das Al- dehydium-Ion als Elektrophil) und dem ent- sprechenden Aren.

H+(bzw Lewis-

sauren)

R' R'

5

R

2 0 + Q OAH

Herrn Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Horst Bohme zum 75. Geburtstag mit den besten Wiinschen gewidmet.

> Bisacodyl <

Pharmazie in unserer Zeit II 12. Jahrg. 1983 I Nr. 5 0 Verlag Chemie GmbH, 0-6940 Weinheim, 1983 0048-3664/83/0509-0135 $ 02.5OIO

135

Page 2: Tri- und Tetra-aryl (bzw.-hetaryl)-methane als Pharmaka — Chemie, Struktur und Wirkungsprinzipien —

Nach einem analogen Prinzip erfolgt die Darstellung der Vorstufe des Laxans ,,Bisa- codyl" (6) , das Bis(4-hydroxyphenyl)-(2-py- ridy1)-methan. Diese Reaktion wird infolge der Reaktionstragheit des Pyridin-2-carbal- dehyds mit reiner konzentrierter Schwefel- saure als Reaktionsmedium und Katalysator durchgefuhrt. Fur den therapeutischen Ein- satz erfolgt 0-Acylierung des Methans zu 6 PI .

HO gH7 AcO

b > Phenolphthalein < > Acetphenolisatin <

Nach einem analogen Reaktionsprinzip las- sen sich auch die Laxantien Phenolphthalein (7) und Acetphenolisation (Oxyphenisatin- acetat) (8) erhalten. 7 wird aus den Edukten Phthalsaureanhydrid und Phenol, 8 aus Isa- tin, Phenol und Acetanhydrid synthetisiert PI.

9

Eine weitere allgemeine Darstellungsmetho- de der Triaryl- bzw. Hetarylmethane besteht im Einsatz geeigneter metallierter Aromaten und Dihalogenmethyl-arene. Diese Synthese fuhrt auch noch beim Einsatz sterisch an- spruchvollerer Arene zum Ziel, da hier eine deutliche Reaktivitatssteigerung in den Edukten im Vergleich zur ,,Aromat-Alde- hyd-Saure"-Kondensationsmethode besteht. Als Synthesebeispiel soll die Darstellung von Trimesitylmethan nach K. Mislow [4] aufge- fuhrt werden. Zwei Mol Mesityllithium rea- gieren mit einem Mol Dichloromesitylme- than. Durch enorme sterische Wechselwir- kung der Reaktanden in den Ubergangszu- standen (Frontspannung) betragt in diesem Fall die Ausbeute nur ca. 2% d.Th.

Als fungicid und antibakteriell wirksame Stoffe werden einige Triarylcarbinole 10 aus der Heterocyclenreihe eingesetzt. Ihr An-

wendungspotential erstreckt sich heute aber bevorzugt auf den landwirtschaftlichen Be- reich. Die Heterocyclen werden bei diesen Praparaten stark variiert, wobei insbesondere die Pyrimidin-, Pyrazin-, Thienyl- und Fu- ryl-Gruppe im Vordergrund stehen. Als Bei- spiel soll eine allgemeine Darstellung substi- tuierter Pyrazincarbinole aufgefiihrt werden. Der lithiierte Heterocyclus reagiert mit den Aryl- bzw. Hertaryl-ketonen zum Carbinol 10 [5].

b) Tri-aryl(bzw. hetary1)-methyl-Kationen (Tri-phenyl(bzw. hetary1)-methan-Farbstof- fe)

Das Triarylmethyl-Kation (Trityl-Kation) 11 reprasentiert den Grundkorper der Triphe- nylmethan-Farbstoffe. 11 wurde erstmalig von A. Baeyer und V. Willinger sowie von M. Gomberg systematisch dargestellt und untersucht [6]. Es reprasentiert das erste ,,langlebige" Carbenium-Ion. Nach seiner Entdeckung wurde durch Variation der Sub- stituenten in den folgenden zwanzig Jahren die Diphenylmethan- und Triphenylmethan- Farbstoff-Chemie aufgebaut.

Eine hohe Stabilitat wird dem Trityl-Kation verliehen, wenn relativ schwach polarisierba- re Komplexanionen als Gegenionen einge- setzt werden. Als praparative Darstellungs- methode ist einmal die Reaktion von Triphe- nylcarbinol mit entsprechenden Sauren oder der Einsatz von Tritylchlorid mit Silber- perchlorat in Nitrobenzol geeignet. P. Wal- den und A. Hantzsch haben die ersten physi- kalisch-chemischen Beweise fur die Existenz des Tritylkations durch Leitfahigkeitsmes- sung, kryoskopische Methoden und durch die Elektronenspektroskopie erbracht.

Fuhrt man in die p-Position der Benzenkerne des Tritylcarbinols oder Tritylchlorids min- destens zwei Amino- oder Hydroxylgruppen als Auxochrome ein, so gelangt man formal durch Heterolyse zu den eigentlichen Tri- phenylmethan-Farbstoffen, die im Vergleich

zum Tritylkation 11 eine hohere Stabilitat besitzen.

Einige Vertreter dieser Farbstoffe haben anti- septische und antimykotische Wirkungen und werden daher teilweise in der Human- medizin eingesetzt. Die in diesem Zusam- menhang interessanten Aminotriphenylme- than-Farbstoffe konnen 2.B. uber die ent- sprechenden Methanleukobasen (Synthese von Malachitgrun 12), uber eine direkte Oxi- dation aus p- und o-Toluidin und Anilin (Synthese von Fuchsin 13) oder aus einem Diarylketon und Dimethylanilin nach ,,Bischler Napiralski" iiber die Carbinolbase (Synthese von Kristallviolett 14) dargestellt werden.

Leukobase

Malachi tgrun 12

INH,

CH3 1

J Fuchs in 13

136 Pharmazie in unserer Zeit / 12. Jahrg. 1983 / Nr. 5

Page 3: Tri- und Tetra-aryl (bzw.-hetaryl)-methane als Pharmaka — Chemie, Struktur und Wirkungsprinzipien —

eingesetzt wird. Tritylimidazole der allge- meinen Struktur 18 lassen sich aus verschie-

Michlers Keton

denen Triphenylmethan-Vorstufen durch Kopplung mit Imidazol bzw. seinen aktivier- ten Derivaten herstellen. Eine elegante Me- thode, die auf H. Staab und K. Wendel zu- riickgeht [7], besteht in der Umsetzung von Triphenylcarbinolen mit Thionylbisimidazo-

+ HCI

- HzO - len als reaktiven Imidazol-Donatoren.

Carbinolbase

K ristallviolett

c 10 & 17 > Clot r imazol <

14 Zur Darstellung saurelabiler Tritylimidazole eignet sich die Reaktion von Tritylchloriden -

Heteroanaloge Triphenylmethan-Farbstoffe rnit N-Trimethylsilylimidazol [8].

Reaktion von Trityliumsalzen mit schwer polarisierbaren Anionen (BF4-, ClO,-) und der Imidazol-Base vorgenonimen.

3. Strukturelie, chemische und physikalisch-chemische Eigenschaften der Aryl (bzw. Hetary1)-methane

a) Stereochemie

Biphenyl 19 und Diphenylmethan 20 neh- men in Losung, in der Gasphase und im Kri- stall durch die Abstoi3ung der orthostandigen Wasserstoffatome eine verdrillte (helicale) Gleichgewichtskonformation ein [9].

Lediglich im Kristallgitter sind beim Biphe- nyl 19 die Benzenringe durch die zusatzliche Wirkung der Gitterkrafte coplanar angeord- net.

wie 2.B. aus der Indolreihe (15) lassen sich durch direkte Oxidation der Leukobasen mit dem Hydridacceptor Tritylkation bzw. mit elektronenacceptierenden Schwermetallkat- ionen darstellen. Eine weitere elegantere Synthesemoglichkeit besteht in der Umset- zung von Hetaryl-Ketonen mit lithiierten Heterocyclen zum Carbinol, dessen Saure- spaltung zu 15 fuhrt. 18

R'

+ N D , r N Q - R30e R3

19 20

11 1

c) Tetra-aryl(bzw. hetary1)--methane R1

Der beute 16, ist Grundkorper, lafit schwierig sich 16 darstellbar. durch das eine Tetraphenylmethan In Grignard-Reak- geringer Aus- jqCl + q 2.22. - Si(CH3i3CI R3Q++j R3

6+Si(CH3)3 R2 tion aus Tritylchlorid und Phenylmagne- siumbromid erhalten.

(C6€T5)3CCl + CsH5MgBr -+ 18 (C,H&N / - HBF4

3

R' (C,H,),C + MgBrCl 16 Der Ersatz eines Wasserstoffatoms in der

CH2-Gruppe in 20 durch einen Arylkern fiihrt aus sterischen Grunden zu einer Bevor- Von pharmazeutischem Interesse sind insbe-

sondere die Triaryl-(1-imidazolyl)methane, H zugung der helicalen Propellerkonformation von denen u.a. das Clotrimazol 17 als poten- sowohl bei den tetraedrisch konfigurierten tes Breitbandantimykotikum in der Therapie Im technischen Magstab wird bevorzugt die Triarylmethanen (1) als auch bei den zentral

+ ",Y R3

Pharmazie in unserer Zeit / 12. Jahrg. 1983 1 Nr. 5 137

Page 4: Tri- und Tetra-aryl (bzw.-hetaryl)-methane als Pharmaka — Chemie, Struktur und Wirkungsprinzipien —

eingeebneten Tritylkationen (1 1). Bei den Tritylkationen wird die stereochemische Ge- stalt infolge der n-Konjugation im vollen Sy- stem durch einen Kompromid zwischen zwei entgegengesetzt wirkenden Kraften be- stimmt. So zielt insbesondere bei donorsub- stituierten Kationen das Bestreben nach einer nahezu vollstandigen Konjugation auf eine coplanare Anordnung der Benzenringe. Die- ser Tendenz wirken aber die abstodenden van der Waals-Wechselwirkungen der ortho-

138

standigen Wasserstoffatome (oder Gruppen) entgegen. Die Resultierende dieser beiden Krafte bestimmt den Torsionswinkel der Gleichgewichtskonformation.Bei den Trityl- kationen (analoges gilt auch fur die Hetaryl- methyl-Kationen) stellt der molekulare Drei- blatt-Propeller einen Kompromii3 zwischen der geringsten sterischen Abstodung und ei- nem Maximum an Resonanzstabilisierung dar. So lehren die Rontgenstrukturanalysen des Tritylkations (11) (Abbildung 1 ) und des

symmetrischen Tri(p-aminopheny1)methyl- carbenium-Ions (21) (Abbildung 2), dad eine synchrone Verdrillung der Arylkerne um die zentrale sp2-Ebene im Festkorper vorliegt [lo, 111. DNMR-spektroskopische Studien an fluorierten Tritylkationen und orthosub- stituierten Triaryl- bzw. Hetaryl-methyl- Kationen [12, 131 demonstrieren, dai3 auch in Losung eine verdrillte Vorzugskonformation mit C3-Propellergeometrie (vgl. das Um- schlagbild dieses Heftes) existiert.

Abb. 1. Rontgenstruktur des Tritylkations 11 niit C3-Syinmetrie (Angabe von Bin- duiigslangen (A) und Bindungswinkeln).

Abb. 2. Rontgenstruktur des Tri-(p-ami- nopheny1)-carbeniumions 2 1 mit C,-Syrn- metrie (Angaben von Bindungslangen (A) und Bindungswinkeln).

Pbarmazie in unserer Zeit / 12. Jabrg. 1983 / Nr. 5

Page 5: Tri- und Tetra-aryl (bzw.-hetaryl)-methane als Pharmaka — Chemie, Struktur und Wirkungsprinzipien —

Auch in der Tri-phenyl(bzw. hetary1)-me- than-Reihe mit zentrder sp '-Geometrie stellt der Dreiblatt-Propeller die Vorzugskon- formation des Grundzustandes dar. Diese Information wurde aus der Rontgenstruk- turanalyse des Dimesityl(.l,4,6-trimethoxy- pheny1)-methans [14 I und aus einer Elektro- nenbeugungs-Messung in der Gasphase am Triphenylmethan 1 [15] erhalten. Intensive DNMR-spektroskopische Studien in der Tri- phenyl- und Biindolylaryl-methan-Reihe [16, 17, 181 sprechen uberzeugend fur das Vorliegen einer Cj-Propeller-Vorzugskon- formation auch in Losung. So 1ai3t sich 2.B. aus dem 'H-NMR-Experiment ableiten, dai3 beim Trimesitylmethan 22 durch die Raum- erfullung der ortho-Substituenten im Grundzustand eine Propeller-Konformation dominiert. Es existieren von 22 daher zwei enantiomere Formen, die sich lediglich durch den Drehsinn der Helizitat (P oder M) unter- scheiden.

92.1 kllrnol

190T

P-Helix 1: M-Helix

3 22 0

,, two- ring-fhp" Ube rgangs zu !stand

Bei 37°C zeigt das 'H-NMR-Spektrum im Bereich des langsamen Austausches zwei Re- sonanzen fur die diastereotopen ortho-stan- digen Methylgruppen (Abbildung 3). Insge- samt beobachtet man in der Methylregion drei Signale, wobei das zu tieferem Feld ver- schobene Signal den isochronen para-Me- thyl-Protonen zuzuordnen ist. Bei Tempera- turerhohung erfolgt Koaleszenz der ortho- Methylgruppen bei ca. 19OoC, da nun im Zeitmittel der NMR-Skala eine schnelle En- antiomerisierung der beiden molekularen Propeller eintritt. Die signifikanten Verschie- bungsdifferenzen der ortho-Methylgruppen im Bereich des langsamen Austausches kon- nen auf die intramolekularen Anisotropieef- fekte der diatropen Nachbar-Arene zuruck- gefuhrt werden.

Uberzeugende Studien von K. Mislow [16] legen dar, dai3 der bevorzugte Enantiomeri- sierungsweg bei Triaryl-carbenium-Ionen und Methanen uber einen "two-ringflip"- Prozei3 verlauft [16, 19, 201. In diesem Fall rotieren zwei Arylgruppen senkrecht durch die sogenannte ,,Referem-Ebene" (s. Schema I), wahrend der dritte Arylkern durch die ,,Referem-Ebene" rotiert. In der Obergangs- zustands-Konformation stehen also zwei Aryle senkrecht und das dritte stellt sich zu diesen nahezu orthogonal ein.

H I

Abb. 3. Temperaturabhangiges 60-MHz 'H-NMR-Spektrum der Methylregion von Trimesitylmethan 22 (6-Skala).

Die Chiralitat eines ,,statkchen" Molekuls kann entsprechend der dreidimensionalen Natur des Raumes in zentrale, axiale und planare Chiralitat untergliedert werden. Bei 4-Punkt-(oder 5-Punkt)-figuren mit tripodal chiraler Geometrie (Chiralitatszentrum) wird zur Beschreibung des Chiralitatssinns die RS-Spezifikation angewendet, bei helical chi- ralen Figuren (axiale, planare Chiralitat) wird die ,,Handigkeit" durch die P- bzw. M-Heli- zitat ausgedriickt. Strukturen, die sich in tri- podalen Anordnungen der Atome unter- scheiden, haben verschiedene Konfiguration, Strukturen mit unterschiedlicher helicaler Anordnung der Atome (oder Gruppen) ha- ben verschiedene Konformationen [21]. Nach diesen allgemeinen Definitionen kann die Stereochemie molekularer Propeller ab- geleitet werden. Sind 2.B. bei einem Triphe- nyl-carbenium-Ion die ortho-Substituenten A, B und C ungleich, so lassen sich bei sta- tisch stereochemischer Analyse maximal 4 dl- Paare diskutieren, wenn man lediglich das Chiralitatselement ,,planare Chiralitat" be- rucksichtigt. Die drei Aryl-Kerne stehen senkrecht zur sog. ,Referem-Ebene" und zeigen eine D3-Skelett-Symmetrie (Schema 1). Durch synchrone Twist-Operation der drei Aryl-Kerne erhalt das Molekiil das Chi- ralitatselement ,,axiale Chiralitat". Es sind dann maximal beim Kation 8 dl-Paare, also insgesamt 16 Propeller-Stereoisomere denk- bar (C3-Skelett-Symmetrie). Wird nun ein Substituent mit konischer Symmetrie, z.B. ein Hydrid-Anion ins Zentrum eingebaut, so besitzt dieses neue Molekiil das Chiralitats- element ,,zentrale Chiralitat", die in diesem Falle die Summe der planaren und axialen Chiralitat darstellt. Es sind nun maximal 32 Propeller-Isomere mit C3-Skelett-Symmetrie denkbar.

b) Chemische Eigenschaften

Triphenylmethan 1 (pK, = 31) bildet als CH- Saure rnit starken Basen wie z.B. Natrium- amid ein stabilisiertes Anion 23. Andererseits ist 1 befahigt, mit Chrom (V1)-Salzen oder anderen hoherwertigen Metall-Kationen for- mal unter Hydridabspaltung (Oxidation) das Trityl-Kation 11 zu bilden. Dieses Kation kann nun selbst bei anderen Hydrid-Ober- tragungsreaktionen als oxidierendes Agens wirken, wenn dabei ein noch stabileres Car- benium-Ion gebildet wird. So reagiert z.B. das Cycloheptatrien mit 11 glatt zum aroma- tischen Tropylium-Kation 24. Ein weiteres Beispiel fur den praparativen Einsatz von 11 stellt die Aromatisierung des Dihydroanthra- cens 25 zu 25a dar.

Pharmazie in unserer Zeit f 12. Jahrg. 1983 / Nr. I 139

Page 6: Tri- und Tetra-aryl (bzw.-hetaryl)-methane als Pharmaka — Chemie, Struktur und Wirkungsprinzipien —

k h e i i u 1 : Chiralitiitsbetrachtungen 311

1 I iplien) linethan-Derivaten nach h. Mi\- lo\\ [ 161.

24

25

-& - H+

H

25 a

Das Tritylkation als vielseitiges Reagenz kann auch zur Alkoholoxidation verwendet werden. Dabei erfolgt Abspaltung eines a- standigen Wasserstoffs am Alkohol als Hy- drid, wobei primar ein 0x0-carbenium-Ion (protoniertes Keton) entsteht. Durch Einsatz deuterierter Alkohole ist dieser Reaktions- weg bewiesen [22].

k ? H Ph3C' + D+OH -+ Ph3C-D +

Acceptorsubstituenten in den ortho- oder para-Positionen erhohen die CH-Aciditat der Triphenylmethane, so dafl in einigen Fal- len wie z.B. bei Nitrosubstitution mit der Hydroxid-Base stabilisierte ambidente Tri- arylmethyl-Anionen 26 glatt gebildet wer- den.

Donorsubstituenten im Triphenylmethan fuhren zur leichteren Oxidierbarkeit, was z.B. bei der Synthese von Malachitgriin 12

pK, = 15 ,9

ausgenutzt wird. Beide Produkte (26 und 12) reprasentieren Triphenylmethan-Farbstoffe mit umgepolter Reaktivitat. Die Ladungsde- lokalisierung der Trityl-Anionen und Katio- nen 1a13t sich aus der chemischen Verschie- bung der Ringprotonen im 'H-NMR-Spek- trum ableiten, d.h. ein Teil der negativen bzw. positiven Ladung wandert vom zentra- len C-Atom in die Kerne ab.

Das Reaktionsverhalten der Hetaryl-metha- ne stimmt mit dem der Triphenylmethan- Derivate weitgehend uberein.

H+ H O Ph+Ph 5 PhsC' - Hf Ph,C-OH

P h 11

H 18

Die Tetra-aryl(bzw. hetary1)-methane sind

140 Pharmazie in unserer Zeit I 12. Jahrg. 1983 / Nr. 5

Page 7: Tri- und Tetra-aryl (bzw.-hetaryl)-methane als Pharmaka — Chemie, Struktur und Wirkungsprinzipien —

im allgemeinen reaktionstrige Verbindungen und vom chemischen Standpunkt aus weitge- hend uninteressant. Die Tritylimidazole 18 dagegen konnen als potence Vorstufen des Trityl-Kations 11 angesehen werden. Beim Erwarmen in waflrigen Sauren erfolgt rasche Hydrolyse zu Imidazol und zum Triarylcar- binol. Tritylimidazole zeigen schwach basi- schen Charakter und bilden mit anorgani- schen und organischen Sauren stabile Salze. Gegeniiber Alkalien sind sie stabil.

P h p-(H,C)ZN-Ph

P-CFS-Ph

c) Physikalisch-chemische Betrachtungen iiber die Beziehungen von Struktur, Elektro- nenstruktur und Farbigkeit der Triphenyl- methan-Farbstoffe

6 2 3 590 645

Die Triphenylmethan-Farbstoffe zahlen zu den altesten synthetisch dargestellten Farb- stoffen. Die gelb, rot, violett, blau oder griin gefarbten Verbindungen zeichnen sich durch hohe Brillanz und durch si:arke Farbtiefe aus. In der Textilindustrie finden sie keine An- wendung, da sie nur eine geringe Licht- und Waschechtheit besitzen. Vereinzelt werden sie jedoch zum Farben von synthetischen Fa- sern, Papier, Leder und bei der Tintenher- stellung sowie in der Analytik als Indikato- ren eingesetzt. Pharmazeiitisch sind die Tri- phenylmethan-Farbstoffe wegen ihre anti- septischen und antimykotischen Wirkung von Bedeutung, jedoch sind sie heute vom Markt durch farblose Wirkstoffe weitgehend verdrangt.

Als alteste stabilisierte Carbenium-Ionen er- regten die Triphenylmethan-Farbstoffe seit der Entdeckung im vorigen Jahrhundert das theoretisch orientierte Iriteresse der Chemi- ker iiber das Phanomen ,,Farbigkeit". Nach einer ca. hundert Jahre langen Entwicklung der ,,Farbtheorie" iiber die Stationen der Chromophortheorie, der Mesomerielehre und der Resonanz- bzw. VB-Theorie gelang es erst mit der MO-Methode, die einer steti- gen Verfeinerung unterworfen war (MO- FE-, HMO-, PIT-Verfahren), ein klares

R 27a

R = Aryl

nylmethan-Farbstoffen weit mehr an Bedeu- tung zu. Diese leiten sich von den Biphenyl- methyl-Kationen ab. deren chromophores System durch eine Arylgruppe (R) in der Methenbriicke ,,gestort" wird. Der Ersatz von H-Atomen in den p-Positionen der Benzen-Ringe im Triphenylmethyl-Kation (h,,, = 429 nm) durch Heteroatom-Grup- pen mit Donoreigenschaft fiihrt zu einer Rotverschiebung der langstwelligen Absorp- tionsbande, wobei in der Sequenz H < OMe < NMe2 eine sukzessive Zunahme der Ver- schiebung nach langeren Wellen beobachtet wird. Die langstwellige Absorptionsbande entspricht nach dem MO-Model1 der Ener- giedifferenz zwischen dem hochsten besetz- ten M O (NBMO, HOMO) und dem nied- rigsten, unbesetzten M O (LUMO, antibin- dendes MO).

Der Diphenylmethan-Farbstoff Michlers Hydrolblau 28 zeigt im VIS-Bereich des Elektronenspektrums eine Bande bei h = 603 nm (Abbildung 4). Dieser langstwellige Ubergang wird nur durch Licht ausgelost, dessen elektrischer Feldvektor in der opti- schen Hauptachse des Molekuls schwingt (X-Richtung). Das Konjugationssystem ist praktisch eindimensional, und die Polarisa- tionsrichtung der im Sichtbaren gelegenen Absorption fallt mit der grogten Achse des chromophoren Systems zusammen. Ein ganz anderes Polarisationsverhalten ist aber zu er- warten, wenn man Verbindungen wie die Triphenylmethan-Farbstoffe in ihrer Bezie- hung zwischen Struktur und Farbe analy- siert, da sich deren chromophores System noch in einer zweiten Dimension betracht-

Amax: 6 2 3 nm u. 420 nm Malachi tgrun

12

geringeren Ausdehnung des Konjugationssy- stems bei kiirzeren Wellen (Abbildung 4, h,,, = 420 nm).

Eine substitutionsbedingte Farbverschiebung von Triphenylmethan-Farbstoffen mit ,,Michlers-Hydro1blau"-Chromophor kann generell als Storung dieses Grundchromo- phors aufgefaBt werden. Eine Methode, die auf das Kuhnsche Modell des linearen Elek- tronengases zuriickgefuhrt wird, erlaubt durch Vergleich der Ladungsverteilung im Grundzustand und im ersten angeregten Zu- stand eine Voraussage fur die relative Lage der Absorptionsbande dieser Cyanine. Im Nonamethincyanin Michlers Hydrolblau 28 verteilt sich die Elektronenladung symme- trisch iiber die gesamte Methinkette. In der Mitte der Methinkette herrscht eine G+-Par- tialladung. Im angeregten Zustand ist die La- dung in der Methinkette umverteilt, am starksten bei den drei mittleren Methingrup- pen.

R

Bild iiber die Quantenefiekte im Zusammen- lich ausdehnen kann [23]. R h , [ n m l hang mit der elektronischen Struktur zu er- H I 6 0 3 halten.

Die Elektronendelokalisierung der Triphe- nylmethanfarbstoffe kann durch die Formeln 27a, b zum Ausdruck gebracht werden.

Diese Farbstoffklasse besitzt kationische oder anionische Polymethinchromophore, die durch Ringschlug niodifiziert sind. Den Kationen kommt als den eigentlichen Triphe-

So ist z. B. beim Triphenylmethan-Farbstoff Malachitgriin 12 (analoges gilt fur die Be- trachtung Diphenylmethyl- und Triphenyl- methyl-Kation) neben der langerwelligen X- Bande, die im Absorptionsbereich mit 28 na- hezu im Einklang steht, eine senkrecht dazu polarisierte Y-Bande anzutreffen, die aus ei- nem Ladungstransfer vom Phenylring in den Methen-Chromophor resultiert [24]. Diese Bande erscheint wegen der in der Y-Richtung

Pharmazie in unsertnr Zeit i 12. Jahrg. 1983 / Nr. li 141

Page 8: Tri- und Tetra-aryl (bzw.-hetaryl)-methane als Pharmaka — Chemie, Struktur und Wirkungsprinzipien —

mit Donorcharakter stabilisieren den Grund- zustand des Nonamethins und fiihren zur hypsochromen Verschiebung der langstwelli- gen Bande (R = p-Dimethylaminophenyl, Kristallviolett, A,, = 590 nm). Acceptorsub- stituenten in para-Stellung am Phenylkern in der Briicke des Nonamethins stabilisieren den ersten angeregten Zustand, folglich be- obachtet man eine bathochrome Verschie- bung fur die Yangstwellige Absorption (2.B. R = p-Trifluormethylphenyl, L,,, = 645 nm).

Die VIS-Absorptionen der Triphenylme- than-Farbstoffe geben im VIS-Spektrum ein charakteristisches Bild (Abbildung 4). Beim Malachitgriin (12) werden zwei Absorptio- nen im VIS-Bereich beobachtet (X- und Y- Bande). Die intensive ,,blaugrune" X-Bande und die ,,gelbe" Y-Bande sind beide fur die dominierende Grunfarbung von 12 verant- wortlich. Das MO-Bild der Grenzorbitale von Malachitgriin (12) (Abbildung 5) [24] veranschaulicht die beiden Einelektronen- Transferprozesse fur die X- und Y-Absorp- tionen. In Anbetracht der Existenz einer Knotenebene im NBMO (nicht-bindendes MO, x-HOMO)-Zentrum erfolgt in diesem Orbital keine Wechselwirkung mit dem Do- nororbital-Fragment an der Brucke. Substi- tuenten am Briicken-Phenylkern beeinflus- sen kaum diese HOMO-Energie und man findet daher bei analogen Triphenylmethan- Farbstoffen nahezu gleiche X-Absorptionen. Das MO-Schaubild verdeutlicht weiter, dai3

der Einflut3 einer Phenylkern-Substitution sich nur auf das M O 2 (Abbildung 5) aus- wirkt, da hier hohe Koeffizienten in den or- tho- und para-Positionen zu finden sind. Folglich wird die Y-Absorption durch Do- nor- bzw. Acceptor-Substituenten an diesen Phenylkernpositionen stark beeinfluflt. Eine 4-dimethy laminosubstitution (Kristallviolett (14)) fuhrt zu einer Superposition der X- und Y-Bande (Abbildung 4). Die MO's 1 und 2 sind entartet. 14 ist im Vergleich zu 12 nach dem klassischen Mesomeriemodell im Grundzustand starker ,stabilisiert" und in einer C3-Propellerkonformation hoch sym- metrisiert. Beide Modelle (MO, Mesomerie) sagen voraus, dai3 in 14 die langstwellige Bande im Vergleich zu 12 etwa hypsochrom verschoben sein sollte.

Abbildung 6 verdeutlicht noch einmal die l'angstwelligen Ubergange am Beispiel von drei Triphenylmethan-Farbstoffen durch ein schematisches MO-Modell. Malachitgriin zeigt zwei VIS-Banden im Elektronen- spektrum, welche als getrennte X- und Y- polarisierte Ubergange diskutiert werden. Die HOMO-(NBM0)-LUMO-Energiedif- ferenz ist fur die Lage der langstwelligen Bande verantwortlich. Beim entarteten Kri- stahiolett ist die H O M O (NBM0)-Energie im Vergleich zum Malachitgriin etwas er- niedrigt, zusatzlich sind die X- und Y-Anre- gungen aus Syrnmetrie-Griinden energetisch nahezu gleich. Austausch einer Dimethyl- aminogruppe im Kristallviolett durch eine

Methoxygruppe hebt die C3-Symmetrie auf und fiihrt zur Anhebung der H O M O (NBM0)-Energie. Man beobachtet daher in Analogie zum Malachitgriin zwei getrennte X- und Y-Banden, wobei die X-Bande zur entsprechenden des Malachitgriins etwas hypsochrom verschoben ist.

4. Wirkprinzipien der Triaryl- bzw. Tri-ar yl(hetar y1)-methane

Die synthetischen Praparate Bisacodyl (6), Phenolphthalein (7) und Acetphenolisatin (8) werden therapeutisch als Laxantien einge- setzt. Bisacodyl und Acetphenolisatin, die in einer Dosierung von ca. 10 mg appliziert werden, wirken erst nach Hydrolyse der Phenolester auf den Dickdarrn. Bisacodyl kann auch rektal verabreicht werden. Diese sogenannten ,,Kontaktlaxantien" unterliegen

> Bisacodyl < > Phenolphthalein

> Acetphenol isat in <

Abb. 4. Absorptionsspektren von Michlers Hydrolblau, Malachitgriin und Kristall- violett.

Rech ts : Ahb. 5. Energetisch tiefste elektronische Uhergange von Malachitgriin 12 und Koef- fizienten der Grenzorbitale nach [24] (xi = Energieeigenwerte).

Abb. 6. Schematisiertes MO-Modell mit Angabe der Elektronenspektren fur die langstwelligen Ubergange charakteristi- scher Triphenylmethan-Farbstoffe.

142 Pharmazie in unserer Zeit / 12. Jahrg. 1983 / Nr. li

Page 9: Tri- und Tetra-aryl (bzw.-hetaryl)-methane als Pharmaka — Chemie, Struktur und Wirkungsprinzipien —

praktisch keiner Resorption und ihre Wir- kung beruht auf einer Erleichterung der Flus- sigkeitspassage aus dem Gewebe in den Darm, indem sie die Membranporen beein- flussen [25].

Die Bemuhungen, zwischen chemischer Konstitution und pharmakologischer Wir- kung Beziehungen aufzustellen, haben erste Anhaltspunkte ergeben. Nach heutiger Auf- fassung kommt insbesondere folgenden zwei Komponenten eine gewisse Bedeutung fur die laxative Wirkung zu, der Bis(hydroxy- pheny1)-methan-Gruppe - allein oder in Ver- bindung mit weiteren wirkungsverstarken- den aromatischen Substituenten am zentralen Kohlenstoffatom - und der Gruppierung C-C-N in Verbindung mit einem oder zwei Hydroxyphenyl-Resl en. Die erste Kompo- nente ist in allen drei Verbindungen anzutref- fen, das zweite Strukturelement ist im Bisa- codyl und im Acetphenolisatin enthalten. Die Lactongruppierung in den Phenolphtha- lein-Laxantien sol1 die Effektivitat des laxativ wirksamen Strukturelements signifikant ver- starken [26].

Nach einer Arbeitshypothese wird angenom- men, dai3 Verbindungen, die eine Carbe- nium-Struktur besitzen oder in vivo eine Carbo-Kationen-Bildungstendenz zeigen, moglicherweise in den Proteinstoffwechsel empfindlicher Mikroorganismen als Elektro- phi1 eingreifen. Zu diesen Verbindungen zah- len z. B. die Triphenylmethan-Farbstoffe, die

Tab. 1 . In der Therapie eingesetzte Triphenylmethan-Farhstoffe.

R' R2 Name

CH3 H Malachitgrun C2H5 H Brillantgrun H NHz Pararosanilinchlorid (Parafuchsin) CH3 N(CH3);! Kristallviolett (Methylrosanilinchlorid) CH3 N(CH3)z + NHCH, Gentianaviolett

aufgrund ihrer antiseptischen und antimyko- tischen Wirkung therapeutisch eingesetzt werden. In der Praxis werden bevorzugt die stabilen Dimethylamino- oder Diethylami- no-Derivate verwendet (Tabelle 1). Die am N-Atom Alkylgruppen tragenden Kationen sind starker basisch als die desalkylierten Vertreter; dies bedingt bei der Anwendung starkere Dissoziation, starkere Hydratation und bessere Wasserloslichkeit im neutralen Milieu. Nach der oben diskutierten Hypo- these eines Wirkprinzips sollen die substitu- ierten Trityl-Kationen bei der Anwendung am Patienten u. a. mit den nucleophilen Ami- no-Gruppen der Mikroorganismen-Proteine

reagieren, worauf sich die antiseptische und antimykotische Wirkung grundet.

Die Triphenylmethan-Farbstoffe sind jedoch heute weitgehend vom Arzneimittelmarkt verdrangt und durch ,farblose" Synthetika aus der Tritylimidazol-Reihe ersetzt worden. Die Tritylimidazole besitzen gegenuber Nu- cleophilen unter Eliminierung des Imidazol- ringes erhohte Reaktivitat. In dieser Verbin- dungsklasse hat sich Clotrimazol (17) als Breitbandantimykotikum in der Therapie von Haut- und Schleimhautmykosen be- wahrt. Das Wirkungsspektrum umfai3t nahe- zu alle Erreger aui3erer und innerer Myko-

Pharmazie in unserer Zeit f 12. Jahrg. 1983 f Nr. I 143

Page 10: Tri- und Tetra-aryl (bzw.-hetaryl)-methane als Pharmaka — Chemie, Struktur und Wirkungsprinzipien —

RuR [4] K. Mislow, P. Finocchiario, D. Gust, J. Am. Chem. SOC. 96, 2165 (1974).

Chem. 94, 614 (1982).

[22] N. S. Isaacs, Reaktionszwischenstufen der Organischen Chemie, Verlag Chemie, Weinheim, 1980.

+ H,N-Pro te in -+

R

[5] J. D. Davenport, R. E. Hackler, H. M. Taylor (Eli Lilly & Co) ref. C. A. 75, P 151 826 y (1971).

[23] H. A. Staab, Einfiihrung in die theoreti- sche organische Chemie, Verlag Chemie, Weinheim, 1966.

[6] A. Baeyer, V. Willinger, Chem. Ber. 35, 1189 (1902); M. Gomberg, L. H. Cone, Chem. Ber. 37, 3538 (1904).

p r o t e i n 1 "WR [24] J. Fabian, H. Hartmann, Light Absorp-

tion of Organic Colorants, Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg, New York, 1980.

[7] H. A. Staab, K. Wendel, Liebigs Ann. Chem. 694, 86 (1966). Q

R [8] K. H. Biichel, W. Draber, E. Regel, M. Plempel, Arzneim.-Forsch. 22, 1260 (1972); Farbenfabriken Bayer AG.

[25] E. Schroder, C . Rufer, R. Schmiechen, Pharmazeutische Chemie, Arbeitstechniken der Pharm. Industrie, Bd. 4, Thieme Verlag, Stuttgart, 1982.

17

Nu

[9] J. Janssen, W. Luttke, Chem. Ber. 115, 1234 (1982). [26] G. Ehrhart, H. Ruschig, Arzneimittel

Bd. 1, Verlag Chemie, Weinheim, 1968. [lo] A. H. Gomes de Mesquita, C. H. Mac Gillavry, K. Erics, Acta Cryst. 18, 437 (1965). sen, in hohen Dosen auch Trichomonaden.

Der Wirkungsmechanismus scheint auf Ver- anderungen der Plasmamembran der niede- ren Pilze zu beruhen. So sol1 Clotrimazol die Synthese von Pilzmembran-spezifischen Ste- rinen auf der Stufe der Bildung von Ergoste- rin aus Lanosterin hemmen [25]. Anderer- seits wird vermutet, dafl die Tritylimidazole durch Freisetzung der Imidazolbase die Histidinsynthese durch SubstratiiberschuB in den Fungi blockieren.

Prof. Dr. Ulf Pindur (geb. 18. 1. 1943) er- hielt seine Ausbildung als Apotheker und Le- bensmittelchemiker an der Universitat Mar- burg. Die Promotion erfolgte 1974 (Prof. Unterhalt) und die Habilitation 1980 an der Universitat Marburg im Fach Pharmazeuti- sche Chemie. 1980 wurde er Privatdozent in Marburg und Ende des gleichen Jahres folgte er einem Ruf auf eine Professur fur Pharma- zeutische Chemie an der Universitat Wiirz- burg. Arbeitsgebiete: Strukturaufklarung in der Arzneimittelanalytik, synthetische und strukturanalytische Studien. Reaktionen elektronenreicher Heterocyclen mit Elektro- philen. Arzneimittelanalytik: Spurenanalyse von toxischen Schwermetallen in Arzneimit- teln mittels Atomabsorptionsspektroskopie.

[ll] G. A. Olah, P. v. R. Schleyer "Carbo- nium Ions", Vol. V, Wiley-Interscience, New York 1976.

[12] I. I. Schuster, A. K. Colter, R. J. Kur- land, J. Am. Chem. SOC. 90, 4679 (1968).

[13] R. Naef, Dyes and Pigments 2, 57 (1981).

[14] M. J. Sabacky, S. M. Johnson, J. C. Martin, I. C. Paul, J. Am. Chem. SOC. 91, 7542 (1969).

[15] P. Andersen, Acta Chem. Scand. 19, 622 (1965).

Dr. rer. nat. Eyup Akgiin (geb. 3. 1. 1950 in Erzincan, Tiirkei) erhielt eine Ausbildung als Diplomchemiker an der Universitat Mar- burg. 1980 erfolgte die Promotion im Fach Pharmazeutische Chemie an der Universitat Marburg (Prof. Hartke). Von 1980-1981 ab- solvierte er ein post-doc-Studium an der Universitat Ottawa (Kanada, Prof. T. Durst). Seit 1981 ist er im Arbeitskreis U. Pindur als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut fur Pharmazie und Lebensmittelche- mie der Univ. Wiirzburg tatig.

[16] K. Mislow, D. Gust, P. Finocchiario, R. J. Boettcher, Top. Curr. Chem. 47, 2 ( 1 974).

[17] H. Kessler, A. Moosmayer, A. Rieker, Tetrahedron 25, 287 (1969).

In diese Betrachtung reiht sich auch die Ver- bindungsklasse der Diaryl-(hetary1)-carbino- le ein. Diese als Fungicide, Bactericide und Herbicide einsatzfahigen Verbindungen [5] basieren auf der elektrophilen Reaktivitat am Molekiilzentrum.

[18] U. Pindur, Arch. Pharm. (Weinheim) 313, 790 (1980). Literatur

[19] J. P. Hummel, D. Gust, K. Mislow, J. Am. Chem. SOC. 96, 3679 (1974).

[I] E. und 0. Fischer, Justus Liebigs Ann. Chem. 194, 251 (1878).

Anschrift: [20] G. Binsch, H. Kessler, Angew. Chem. 92, 445 (1980).

[2] K. Thomae GmbH (1956), ref. C. A. 50, 6515 f (1956); DBP 951987 (1952). Prof. Dr. Ulf Pindur, Inst. f . Pharmazie und

Lebensmittelchemie der Universitat, Am Hubland, 8700 Wiirzburg. [3] Hoffmann-La Roche DRP 40621 (1923). [21] V. Prelog, G. Helmchen, Angew.

144 Pharmazie in unserer Zeit / 12. lahrg. 1983 / Nr. I