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Dossier Kaufhof Karstadt DIE WARENHAUS-FUSION

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Dossier

Kaufhof KarstadtDie Warenhaus-Fusion

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28 Nr. 29 _ 2018

BUSINESS Zukunft Warenhaus

Wird aus den beiden Ks amWarenhausmarkt ein

gemeinsamerKarstadt­Kaufhof­Konzern?Viele Lieferanten sehen

den Schritt alsunvermeidbar an.

28 Nr. 29 _ 2018

BUSINESS Zukunft Warenhaus

Wird aus den beiden Ks amWarenhausmarkt ein

gemeinsamerKarstadt­Kaufhof­Konzern?Viele Lieferanten sehen

den Schritt alsunvermeidbar an.

2 TW Kaufhof Karstadt _ September 2018

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Die Eigentümer von Karstadt und Kaufhof – Signa und HBC – verhandeln überden großen Zusammenschluss der Warenhäuser. Das versetzt viele

Geschäftspartner in Unruhe. Wie stellen sie sich darauf ein? Was haben dieaktuellen Sortimente von Karstadt und Kaufhof zu bieten?

tungsspreizung der Standorte hin, wasReaktionen erforderlichmache:„Letztendlichsind es nur 20% der Häuser, die für 80% Um­sätze stehen.“Er glaubt zwar an eine stärkere Clusterungmit differenzierter Ausrichtung unterschied­licherStandorteeines fusioniertenUnterneh­mens, nicht aber an eine reine Zwei­Marken­Strategie, bei der die Kaufhof­Häuser höherpositioniertwürden.„DennKarstadthatauchtolleHäuser,wennman sich zumBeispiel dasHaus an der Mönckebergstraße in Hamburganschaut.“Ein weiterer TW­Gesprächspartner hingegensieht die Warenhäuser, an die er liefert, als„Dinosaurier­Vertriebsform. Der Zug gehtweiter in Richtung online.“In einer anderen HAKA­Chefetage findetman die Fusion gut, denn „zwei Kaufhäusermit ähnlich ausgerichteten Sortimenten sindzu viel imMarkt.Ausnahme sind große Städ­te wie München oder Dortmund, die beideKonzepte vertragen.“ Ob das Kartellamt eineFusion in Städten wie München oder Berlindurchwinken wird, in denen beide Partnermit mehreren Häusern vertreten sind, be­zweifeln indes einige.Ein Top­Manager sieht nach einemkurzfristi­gen „Dämpfer“ für die Umsätze „mittelfristigChancen,vor allem,wenn dieHäuser sich up­graden.“ Dafür seien aber Investitionen insPersonal erforderlich. Denn der Ist­Zustandsei: „Sie zwingen einen fast, eigenes Personalauf der Fläche zu haben, weil die Personal­decke so dünn ist.“Eine längere To­do­Liste für „Kaufstadt“ oder„GaleriaKarstadt“kommtauseinemanderen

Bei einigenLieferantengibtesdiesestreng geheimen Listen. Aufge­stellt aufgrund eigener Daten,

Marktbeobachtung und vielleicht auchein wenig Bauchgefühl: Wie vieleStandorte und welche wird es wohltreffen, wenn es zur Fusion von Kar­stadt und Kaufhof kommt? „Wir gehendavon aus, dass etwa 10% der Häuserschließen werden“, heißt es bei einemgroßen Mainstream­Hersteller, der inbeiden Warenhäusern gut vertreten ist.10%, das wären 18 Standorte der beiden K­Ketten,dieverschwindenwürden–vielmehrals die drei bis fünf Häuser, die aus Verhand­lungskreisen kolportiert werden. Andere Ge­schäftspartner erwarten über die Jahre nochweitmehrSchließungen,dieZahl50gar ist zuhören:WennMietverträgeschlecht laufenderHäuser enden, dürfte der vereinigte Waren­hausbetreiber mittelfristig an den jeweiligenStandorten aussteigen, heißt es. Aber nie­mand weiß es derzeit genau.Gerade deshalb ist es eines der wesentlichenaktuellen Themen der Branche: die lange er­wartete, jetzt zunehmend wahrscheinlicherwerdende Fusion von Karstadt und Kaufhofzum großen deutschen Warenhauskonzern.Die TW hat sich umgehört, was man in denChefetagen von einemZusammenschluss er­wartet. Und ob die Lieferanten besser mitKaufhof oder Karstadt zusammenarbeiten.Einen aktuellen Überblick über wesentlicheSortimente von Karstadt/Kaufhof im Kon­kurrenzvergleich finden Sie auf den Seiten 32und 33.

„Ich würde den Schritt einer Fusionvon Karstadt und Kaufhof befürworten,weildie Wahrscheinlichkeit, dass es so langfristigmehr wirtschaftlich erfolgreiche Standortegibt, deutlich größer ist“, drückt es der Chefeines bedeutenden HAKA­Lieferanten stell­vertretend fürviele aus.„Dass es zukurzfristi­gen Umsatzeinbrüchen durch Schließungenvon einzelnen Standorten kommen kann, istuns klar.“ Er weist auch auf die große Leis­

Haus: „Digitalisierung, Modernisierung,Verstärkung des Service und Abgren­zung gegenüber dem Online­Handelsind nur einige der Herausforderungen,die auch ein fusioniertes Unternehmenvoll in Anspruch nehmen.“Diemeisten Industrievertreter erwartenalso einen vereinigten Warenhauskon­zern,der sie zwar etwasUmsatzundPro­fit kostet, aber auf Dauer sicherer steht.Und einen Platz in der zunehmend digi­

taler werdenden Handelslandschaft habenkann, wenn an Sortiment, Auftritt und Ser­vice gearbeitet wird.

Große Unterschiede sehen viele Liefe­ranten bei der Qualität der Zusammenarbeitmit dem Einkauf beider Kunden. Bei vielenHerstellern ist zu hören, dass Karstadt in die­ser Disziplin seit der Übernahme durch Signa2012 – und im Operativen maßgeblich ver­körpert durch Warenhauschef Stephan Fan­derl – sehr viel professioneller geworden sei.Während bei Galeria Kaufhof seit dem HBC­Einstieg 2015 oft Verunsicherung und Unfle­xibilität herrschten. Die Verhältnisse habensich offenbar komplett umgedreht.Denn lan­ge Zeit galt Karstadt als der Problemkunde.Dass das Arbeiten mit der deutschen HBC­Tochter schwieriger geworden ist, liegt wohlauch an den zahlreichen Personalwechseln,die immer wieder beklagt werden. Viele Mit­arbeiter aus der Zeit, als Kaufhof zu Metrogehörte, sind weg. O­Ton des Geschäftsfüh­rers eines Schuhanbieters: „Man hat keinenzuverlässigenAnsprechpartner,dieMitarbei­ter schieben sich gegenseitig die Verantwor­tung zu.“Die Kritik an der Beschaffungskultur gehtnoch weiter: „Bei Kaufhof ist durch die zen­trale Planung kaum Bewegungsspielraum.WennsiedenEindruckhaben,das Lager ist zuhoch, dann wird der Hahn einfach zuge­dreht.“ Oder auch: Lieferanten könnten sicheines Auftrages bisweilen in den ersten Ta­gen nach dem Abschluss nicht sicher sein,weilmöglicherweise noch dasVeto gegendie

Projekt Warenhausfusion

Foto: dpa

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BUSINESS Zukunft Warenhaus

Wird aus den beiden Ks amWarenhausmarkt ein

gemeinsamerKarstadt­Kaufhof­Konzern?Viele Lieferanten sehen

den Schritt alsunvermeidbar an. TW Kaufhof Karstadt _ September 2018 3

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Order vom Chefeinkäufer aus der Köl­nerZentralekomme.„BeiKaufhofwirddie Budgetplanung von der oberstenFührungsebene festgelegt“, bestätigtein anderer Geschäftsführer.Nennenswerte Budgets für das Nach­ordern im Laufe der Saison gebe es beiKaufhofnicht.„Paralysiert“ seienman­che im Kaufhof­Einkauf, „die entschei­den nichts selbst“, sagt ein Großliefe­rant. „Das gibt es erst, seit HBC beiKaufhof das Sagenhat“,stellt ein ande­rer Vorstand klar.Harsche Kritik hagelt es auch am Tem­po,mit demKaufhof angelieferteWareauf die Fläche bringt: „Die Durchlaufzeit vomEintreffen neuerWare bis zu ihrer Präsentati­on am POS dauert teilweise sechs Wochenund mehr.“Ein Accessoires­Lieferant dagegen vergibtmehrPunktenachKöln:„DieWarenpräsenta­tion ist ganz klarmoderner und internationa­ler als bei Karstadt. Die dortigen Flächen sindinsgesamt unmoderner und weniger aufge­räumt.Allerdingshabenwir beiKarstadt eineniedrigere Abschriftenquote.“ Zu diesemPunkt hört man aus der Branche aber auchdes Gegenteil: Viele Brands berichten vondeutlich höheren Abschriften bei Karstadt.Insgesamt gibt es bei der nicht repräsentati­ven TW­Umfrage aber viel Lob für die Esse­ner: „Karstadt ist, was den Einkauf betrifft,wesentlich agiler“, findet der Manager einesTaschenanbieters. Das unterstützt der Chefeines anderen Unternehmens: „Bei Karstadtspüren wir viel mehr Dynamik. Die Kommu­nikation im Unternehmen ist sehr vielschneller geworden und es gibt weniger In­formationsverlust.“NeueStringenzstatt alterUnberechenbarkeit– das freut auch andere Karstadt­Partner:„Die Einkäuferwissen genau,was sie fürwel­cheHäuser habenwollen undwas nicht. Undsie können in Maßen auch selbst entschei­den.“ Wobei allerdings die Karstädter auchsehr gerne genau das schrieben, was ihnendie Hersteller vorschlügen.

Erfahrungen eines Schuh­Lieferanten: „Signageht sehr strategisch vor, arbeitet die einzel­nen Themen professionell in kleinen Schrit­ten ab.Bei KaufhofwerdenProjekte auchmalangefangen und nicht fortgeführt. Karstadtist auch in SachenDigitalisierung vielweiter,hat mehr Know­how bei Dingen wie Markt­plätzen und Restantenvermarktung.“Bei vielen Antworten klingt durch, dass mansich im Falle einer Fusion eher Karstadt­Ma­nager in der Verantwortung für stark operati­ve Bereiche wie Einkauf und Sortimentwünscht.Doch längst nicht alle Lieferanten sehen zwi­schen Essen und Köln so große Unterschiedein den Abläufen. Lob für beide kommt vorallemvondenWäscheherstellern,für dieKar­stadtundKaufhof traditionell sehrbedeuten­de Absatzkanäle sind. „Die Zusammenarbeitmit den Einkaufsteams ist seit vielen Jahr­zehnten hervorragend“, sagt Arne Fensky,derHead of Sales bei Triumph Europe.Matthias Mey, Managing Partner der MeyUnternehmensgruppe, sieht es ähnlich: „Wirsindmit der Zusammenarbeit sehr zufriedenund verzeichnen in den letzten Jahren mitbeiden Unternehmen eine positive Umsatz­entwicklung.“ Aber auch er äußert – freund­lich verpackte – Forderungen:Die guten Zah­len „erfolgreich weiterzuentwickeln gelingtvor allem dann,wenn in die Attraktivität derFlächen und Immobilien investiert wird und

in das dortige Verkaufspersonal.“ Alspositives Beispiel für die Zukunftnennt Mey die Wäschefläche desKaufhof an der Düsseldorfer Kö.Das große Flächenangebot derWaren­häuser siehtergrundsätzlichalsChan­ce, sein Sortiment in aller Breite undTiefe präsentieren zu können.

Bei den Konditionen existierenoffenbar keine allzu großen Abwei­chungen zwischen K und K. „Unterdem Strich nimmt sich das kaum et­was“, sagt ein Geschäftsführer, „nurauf demWeg dorthin gibt es mal klei­

nere Unterschiede.“ Hier sei mal ein Marke­ting­Element Teil des Deals, dort vielleichtPersonalunterstützung.Auf „maximal0,5%“ taxiert einanderer Liefe­ranten­Chef die Konditionenunterschiede,über die er sich nach Bekanntwerden der Fu­sionsgespräche sofort in seinem Hauseschlau gemacht hat. Auch bei Camel activehatmansich schonauf einemöglicheWaren­hausfusioneingestellt.„Beispielsweisehabenwir unsere Konditionen für Karstadt undKaufhof angeglichen“, sagt GeschäftsführerVolker Weschenfelder.Ein anderer zeigt sich offen für jede Art derZusammenarbeit mit den beiden Waren­hausketten, stellt aber vorsichtshalber klar,dass er über Konditionen zur Firmenhochzeitnicht verhandeln werde: „Hochzeitsgeschen­ke haben noch nie eine Ehe gerettet!“Derzeit sieht es also nicht nachdemganz gro­ßen Konditionen­Krieg aus. Der allerdingskönntenochkommen.Beimindestens einemgroßen Mainstream­Lieferanten nämlichliegt schoneinSchlachtplan fürdenFall inderSchublade, dass KuK Teile des eigenen Sorti­mentes auslisten will: „Dannwerden wir da­rum kämpfen, dass andere rausfliegen. Etwa,indem wir mit den Konditionen nach untengehen“, kündigt ein Vorstandsmitglied an.

HAGEN SEIDELMITARBEIT: AL, DE, JK, PA, SZ, WS,UB

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BUSINESS Zukunft Warenhaus

„Wir sind mit der Zusammenarbeit sehr

zufrieden und verzeichnen

in den letzten Jahren mit beiden

Unternehmen eine positive

Umsatzentwicklung.“

Matthias Mey, Mey UnternehmensgruppeKonzept fürs Einrichten haben: 70m2 Woh­nen im Fashion­Haus, etwas flotter als Ikea,mitunserenMitarbeitern.Bei systematischerMarktforschung entdecktman Potenziale fürdas Warenhaus. Wir sehen die Chance, Kun­den in der Stadt zu halten, die bisher ins Cen­tro Oberhausen, nach Düsseldorf oder Essenfahren.

Sollte das nicht normales Vorgehen sein,wenn man an einen neuen Standort geht?Genauso ist es.DemKundenaufsMaul schau­en – mehr ist es eigentlich nicht.

Was ist mit den Mäulern der Mitarbeiter?Martina Wittenberg: Das ist sicherlich einerder Punkte,bei denenwir uns vonKonzernenunterscheiden. Unsere Mitarbeiter sind beiMessen und bei Einkäufergesprächen ebensobei der Auswahl von Sortimenten und Mar­ken dabei. Wir sprechen mit ihnen über dieAusgestaltung der Läden. Auch Auszubilden­de nehmen an Einkäufergesprächen teil, diebringen neue Frische und unerwartete Ideenrein.

Könnten das Karstadt und Kaufhof auchtun, um wieder sexy zu werden?Einfach auf die Mitarbeiter zu hören und ih­nen zu vertrauen, kann eigentlich nie falschsein. Karstadt und Kaufhof haben auch nochguteMitarbeiter.Wenn die Unternehmen ih­nen das Gefühl geben, dass ihreMeinung ge­fragt ist, dann können sie auch wieder nachvorne kommen.

Während allerorts von Warenhaus­schließungen gesprochen wird,übernehmenMartina undNorbert

Wittenberg mit ihrer Moses Sauer­Gruppeimmer wieder kleinere Häuser und revitali­sieren sie mit Erfolg. Zum Portfolio an achtStandorten gehören ehemalige Häuser vonJoh,Hertie undKarstadt.Die Gruppe beschäf­tigt fast 800 Mitarbeiter.

TW:Wenn es um eine mögliche Fusion vonKarstadt und Kaufhof geht, wird oft überKosten gesprochen. Was aber macht IhrerMeinung nach ein gutes Warenhaus heuteaus?Norbert Wittenberg: Ich will nicht über Kar­stadt oder Kaufhof urteilen. Wir jedenfallskönnen viel individueller auf jeden Standorteingehen, als Konzernen das vielleicht mög­lich ist. Wir machen uns sehr viel Mühe mitder Marktforschung für ein neues Haus. Wirschauen uns genau an, welche Sortimenteund Marken am jeweiligen Ort vertretensind, fragen auch Kunden und Mitarbeiter.

Wie sieht das bei IhremHaus in Bottrop aus,dasKarstadtgeschlossenhatundSie imSep­tember wieder öffnen?Dahabenwir festgestellt, dass es in Bottrop –außer in Möbelhäusern – praktisch keineBettwäsche mehr zu kaufen gibt. Also ma­chen wir 700 m2 mit Bettwaren und Bettwä­sche.WirwerdenaucheineLederwarenabtei­lung haben, die fehlt am Ort ebenfalls. Wirholen zudem Butlers ins Haus, die ein neues

Was machen Sie zur Kundenbindung, wasdie großen Warenhausketten nicht ma­chen?Norbert Wittenberg: Wir machen viel, dazunur ein kleines Beispiel:Vor unseremHaus inGotha hat ein Eis­Stand nicht funktioniert.Jetzt hat die Stadt uns den Stand übergeben.Wir werden dort im Sommer die Eismanu­fakturGothahineinnehmen.BeiEinkäufen inder Kinderabteilung gibt es dann ab einer be­stimmten Bon­Höhe Eis gratis. Und im Win­ter verkaufen wir dort Glühwein. Aber nichtden billigen, den man von Weihnachtsmärk­ten kennt, sondern richtig guten Winzer­Glühwein. Qualität ist auch bei kleinen Din­genextremwichtig.DerKundespürt,dasswirglaubwürdig sind und ihm nicht einfach ir­gendetwas vorsetzen.

WielangewirdesWarenhäusernochgeben?Warenhäuserwird es immer geben.Der Kun­dewill nicht nur online einkaufen. Er brauchtdie Nähe, braucht den Kontakt zu anderenMenschen. Man muss die Kunden nur ernstnehmen.WirhabenkeineZukunftsängste alsWarenhausbetreiber.

Läuft dennbei derMoses Sauer­Gruppe allesgut?Mit ein oder zwei Ausnahmen sindwir über­all imPlus.Manmerktes sofortpositivandenZahlen,wennmandasUnternehmenständigweiterentwickelt.

DAS GESPRÄCH FÜHRTE HAGEN SEIDEL

„Einfach auf dieMitarbeiterhören“Martina und Norbert Wittenberg setzen amehemaligen Karstadt­Standort Bottrop jetztIhre Vorstellung vomWarenhaus um.

Haben Erfolg mitkleinerenWarenhäusern:Martina und NorbertWittenberg von derMoses Sauer­Gruppe.

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Order vom Chefeinkäufer aus der Köl­nerZentralekomme.„BeiKaufhofwirddie Budgetplanung von der oberstenFührungsebene festgelegt“, bestätigtein anderer Geschäftsführer.Nennenswerte Budgets für das Nach­ordern im Laufe der Saison gebe es beiKaufhofnicht.„Paralysiert“ seienman­che im Kaufhof­Einkauf, „die entschei­den nichts selbst“, sagt ein Großliefe­rant. „Das gibt es erst, seit HBC beiKaufhof das Sagenhat“,stellt ein ande­rer Vorstand klar.Harsche Kritik hagelt es auch am Tem­po,mit demKaufhof angelieferteWareauf die Fläche bringt: „Die Durchlaufzeit vomEintreffen neuerWare bis zu ihrer Präsentati­on am POS dauert teilweise sechs Wochenund mehr.“Ein Accessoires­Lieferant dagegen vergibtmehrPunktenachKöln:„DieWarenpräsenta­tion ist ganz klarmoderner und internationa­ler als bei Karstadt. Die dortigen Flächen sindinsgesamt unmoderner und weniger aufge­räumt.Allerdingshabenwir beiKarstadt eineniedrigere Abschriftenquote.“ Zu diesemPunkt hört man aus der Branche aber auchdes Gegenteil: Viele Brands berichten vondeutlich höheren Abschriften bei Karstadt.Insgesamt gibt es bei der nicht repräsentati­ven TW­Umfrage aber viel Lob für die Esse­ner: „Karstadt ist, was den Einkauf betrifft,wesentlich agiler“, findet der Manager einesTaschenanbieters. Das unterstützt der Chefeines anderen Unternehmens: „Bei Karstadtspüren wir viel mehr Dynamik. Die Kommu­nikation im Unternehmen ist sehr vielschneller geworden und es gibt weniger In­formationsverlust.“NeueStringenzstatt alterUnberechenbarkeit– das freut auch andere Karstadt­Partner:„Die Einkäuferwissen genau,was sie fürwel­cheHäuser habenwollen undwas nicht. Undsie können in Maßen auch selbst entschei­den.“ Wobei allerdings die Karstädter auchsehr gerne genau das schrieben, was ihnendie Hersteller vorschlügen.

Erfahrungen eines Schuh­Lieferanten: „Signageht sehr strategisch vor, arbeitet die einzel­nen Themen professionell in kleinen Schrit­ten ab.Bei KaufhofwerdenProjekte auchmalangefangen und nicht fortgeführt. Karstadtist auch in SachenDigitalisierung vielweiter,hat mehr Know­how bei Dingen wie Markt­plätzen und Restantenvermarktung.“Bei vielen Antworten klingt durch, dass mansich im Falle einer Fusion eher Karstadt­Ma­nager in der Verantwortung für stark operati­ve Bereiche wie Einkauf und Sortimentwünscht.Doch längst nicht alle Lieferanten sehen zwi­schen Essen und Köln so große Unterschiedein den Abläufen. Lob für beide kommt vorallemvondenWäscheherstellern,für dieKar­stadtundKaufhof traditionell sehrbedeuten­de Absatzkanäle sind. „Die Zusammenarbeitmit den Einkaufsteams ist seit vielen Jahr­zehnten hervorragend“, sagt Arne Fensky,derHead of Sales bei Triumph Europe.Matthias Mey, Managing Partner der MeyUnternehmensgruppe, sieht es ähnlich: „Wirsindmit der Zusammenarbeit sehr zufriedenund verzeichnen in den letzten Jahren mitbeiden Unternehmen eine positive Umsatz­entwicklung.“ Aber auch er äußert – freund­lich verpackte – Forderungen:Die guten Zah­len „erfolgreich weiterzuentwickeln gelingtvor allem dann,wenn in die Attraktivität derFlächen und Immobilien investiert wird und

in das dortige Verkaufspersonal.“ Alspositives Beispiel für die Zukunftnennt Mey die Wäschefläche desKaufhof an der Düsseldorfer Kö.Das große Flächenangebot derWaren­häuser siehtergrundsätzlichalsChan­ce, sein Sortiment in aller Breite undTiefe präsentieren zu können.

Bei den Konditionen existierenoffenbar keine allzu großen Abwei­chungen zwischen K und K. „Unterdem Strich nimmt sich das kaum et­was“, sagt ein Geschäftsführer, „nurauf demWeg dorthin gibt es mal klei­

nere Unterschiede.“ Hier sei mal ein Marke­ting­Element Teil des Deals, dort vielleichtPersonalunterstützung.Auf „maximal0,5%“ taxiert einanderer Liefe­ranten­Chef die Konditionenunterschiede,über die er sich nach Bekanntwerden der Fu­sionsgespräche sofort in seinem Hauseschlau gemacht hat. Auch bei Camel activehatmansich schonauf einemöglicheWaren­hausfusioneingestellt.„Beispielsweisehabenwir unsere Konditionen für Karstadt undKaufhof angeglichen“, sagt GeschäftsführerVolker Weschenfelder.Ein anderer zeigt sich offen für jede Art derZusammenarbeit mit den beiden Waren­hausketten, stellt aber vorsichtshalber klar,dass er über Konditionen zur Firmenhochzeitnicht verhandeln werde: „Hochzeitsgeschen­ke haben noch nie eine Ehe gerettet!“Derzeit sieht es also nicht nachdemganz gro­ßen Konditionen­Krieg aus. Der allerdingskönntenochkommen.Beimindestens einemgroßen Mainstream­Lieferanten nämlichliegt schoneinSchlachtplan fürdenFall inderSchublade, dass KuK Teile des eigenen Sorti­mentes auslisten will: „Dannwerden wir da­rum kämpfen, dass andere rausfliegen. Etwa,indem wir mit den Konditionen nach untengehen“, kündigt ein Vorstandsmitglied an.

HAGEN SEIDELMITARBEIT: AL, DE, JK, PA, SZ, WS,UB

30 Nr. 29 _ 2018

BUSINESS Zukunft Warenhaus

„Wir sind mit der Zusammenarbeit sehr

zufrieden und verzeichnen

in den letzten Jahren mit beiden

Unternehmen eine positive

Umsatzentwicklung.“

Matthias Mey, Mey UnternehmensgruppeKonzept fürs Einrichten haben: 70m2 Woh­nen im Fashion­Haus, etwas flotter als Ikea,mitunserenMitarbeitern.Bei systematischerMarktforschung entdecktman Potenziale fürdas Warenhaus. Wir sehen die Chance, Kun­den in der Stadt zu halten, die bisher ins Cen­tro Oberhausen, nach Düsseldorf oder Essenfahren.

Sollte das nicht normales Vorgehen sein,wenn man an einen neuen Standort geht?Genauso ist es.DemKundenaufsMaul schau­en – mehr ist es eigentlich nicht.

Was ist mit den Mäulern der Mitarbeiter?Martina Wittenberg: Das ist sicherlich einerder Punkte,bei denenwir uns vonKonzernenunterscheiden. Unsere Mitarbeiter sind beiMessen und bei Einkäufergesprächen ebensobei der Auswahl von Sortimenten und Mar­ken dabei. Wir sprechen mit ihnen über dieAusgestaltung der Läden. Auch Auszubilden­de nehmen an Einkäufergesprächen teil, diebringen neue Frische und unerwartete Ideenrein.

Könnten das Karstadt und Kaufhof auchtun, um wieder sexy zu werden?Einfach auf die Mitarbeiter zu hören und ih­nen zu vertrauen, kann eigentlich nie falschsein. Karstadt und Kaufhof haben auch nochguteMitarbeiter.Wenn die Unternehmen ih­nen das Gefühl geben, dass ihreMeinung ge­fragt ist, dann können sie auch wieder nachvorne kommen.

Während allerorts von Warenhaus­schließungen gesprochen wird,übernehmenMartina undNorbert

Wittenberg mit ihrer Moses Sauer­Gruppeimmer wieder kleinere Häuser und revitali­sieren sie mit Erfolg. Zum Portfolio an achtStandorten gehören ehemalige Häuser vonJoh,Hertie undKarstadt.Die Gruppe beschäf­tigt fast 800 Mitarbeiter.

TW:Wenn es um eine mögliche Fusion vonKarstadt und Kaufhof geht, wird oft überKosten gesprochen. Was aber macht IhrerMeinung nach ein gutes Warenhaus heuteaus?Norbert Wittenberg: Ich will nicht über Kar­stadt oder Kaufhof urteilen. Wir jedenfallskönnen viel individueller auf jeden Standorteingehen, als Konzernen das vielleicht mög­lich ist. Wir machen uns sehr viel Mühe mitder Marktforschung für ein neues Haus. Wirschauen uns genau an, welche Sortimenteund Marken am jeweiligen Ort vertretensind, fragen auch Kunden und Mitarbeiter.

Wie sieht das bei IhremHaus in Bottrop aus,dasKarstadtgeschlossenhatundSie imSep­tember wieder öffnen?Dahabenwir festgestellt, dass es in Bottrop –außer in Möbelhäusern – praktisch keineBettwäsche mehr zu kaufen gibt. Also ma­chen wir 700 m2 mit Bettwaren und Bettwä­sche.WirwerdenaucheineLederwarenabtei­lung haben, die fehlt am Ort ebenfalls. Wirholen zudem Butlers ins Haus, die ein neues

Was machen Sie zur Kundenbindung, wasdie großen Warenhausketten nicht ma­chen?Norbert Wittenberg: Wir machen viel, dazunur ein kleines Beispiel:Vor unseremHaus inGotha hat ein Eis­Stand nicht funktioniert.Jetzt hat die Stadt uns den Stand übergeben.Wir werden dort im Sommer die Eismanu­fakturGothahineinnehmen.BeiEinkäufen inder Kinderabteilung gibt es dann ab einer be­stimmten Bon­Höhe Eis gratis. Und im Win­ter verkaufen wir dort Glühwein. Aber nichtden billigen, den man von Weihnachtsmärk­ten kennt, sondern richtig guten Winzer­Glühwein. Qualität ist auch bei kleinen Din­genextremwichtig.DerKundespürt,dasswirglaubwürdig sind und ihm nicht einfach ir­gendetwas vorsetzen.

WielangewirdesWarenhäusernochgeben?Warenhäuserwird es immer geben.Der Kun­dewill nicht nur online einkaufen. Er brauchtdie Nähe, braucht den Kontakt zu anderenMenschen. Man muss die Kunden nur ernstnehmen.WirhabenkeineZukunftsängste alsWarenhausbetreiber.

Läuft dennbei derMoses Sauer­Gruppe allesgut?Mit ein oder zwei Ausnahmen sindwir über­all imPlus.Manmerktes sofortpositivandenZahlen,wennmandasUnternehmenständigweiterentwickelt.

DAS GESPRÄCH FÜHRTE HAGEN SEIDEL

„Einfach auf dieMitarbeiterhören“Martina und Norbert Wittenberg setzen amehemaligen Karstadt­Standort Bottrop jetztIhre Vorstellung vomWarenhaus um.

Haben Erfolg mitkleinerenWarenhäusern:Martina und NorbertWittenberg von derMoses Sauer­Gruppe.

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6 TW Kaufhof Karstadt _ September 2018

Die Chancen stehen besser denn je, dass Karstadtund Kaufhof zu einem Konzern mit über 4 Mrd. Euro Außen­umsatz fusionieren. Damit käme die seit Jahrzehnten laufen­de Konzentration im deutschen Warenhausmarkt zu ihremüberfälligen Höhepunkt. Einem vorläufigen, zumindest.Es winken Einsparungen etwa bei Einkauf und Verwaltung,bei IT­ und Omnichannel­Ausgaben. Doch stellen sich darüberhinaus zahllose Fragen. Vor allem zur Strategie von Kaufstadt,Karhof oder Galeria Karstadt.Allein die schlichte Frageliste zeigt, wie anspruchsvoll dasProjekt werden dürfte. Die Antworten entscheiden wesent­lich darüber, ob der Schritt unter der Rubrik „Dauerlösung“oder „wieder mal nur Zeit erkauft“ abgespeichert werdenwird. Fragen wie diese:

Wie lange und wie intensiv, zum Beispiel, würdendie Kartellbehörden prüfen? Wie genau? Auf Standort­ odergar Abteilungsbasis? Könnten sich die Partner eine langePrüfzeit finanziell leisten? Welche Auflagen könnte es geben?Was hieße das, mit Blick auf die Fashion­Sortimente, etwa fürdie stark vertretenen Wäschelabels?Welche Wirkung entfalten die Synergien als Treiber einesJoint Venture? Wie schnell schlagen Einsparungen tatsächlichdurch? Und, im Unterschied dazu, wie schnell – wenn über­haupt – konkretisiert sich die Vision, auf dem Warenhaus­markt tatsächlich etwas Neues schaffen zu wollen?Wie viele Häuser wird man schließen? Sollen wirklich, wiekolportiert, nur drei bis fünf der 180 Standorte dichtmachen?Kann man das glauben? Was kosten die Schließungen? Undwas ist an weiteren Alternativnutzungen durch Büros, Hotelsoder Untervermietung an Aldi, dm oder Rossmann in derPipeline? Welche Hauptverwaltung wird abgewickelt, nachwelchem Prozedere?Wird ein Banner – mutmaßlich auf Kaufhof basierend –upgegradet und entwickelt sich stärker Richtung Lifestyle­Haus, während ein von Karstadt dominiertes, niedrigpreisigesCluster stärker Nahversorgeraufgaben übernimmt? Würdedas die Top­Kette attraktiv machen für gehobene Marken, diebisher weder bei dem einen noch bei dem anderen verkaufen

wollen? Was bleibt von den teuer aufgebauten Eigenmarken?Sind Lebensmittelabteilungen in der Stadtmitte nach wie vorFrequenzbringer? Was wird aus dem offenkundig enttäu­schenden Offprice­Format Saks Off 5th?Wie wird bei einer Zwei­Marken­Strategie die Beschaffungorganisiert, im besten Falle synchronisiert? Bleiben die bishe­rigen Einkaufsverantwortungen? Kann man mit einer Ein­kaufsorganisation zwei Markenstrategien fahren? Erinnertsich im Karstadt­Lager noch jemand an die schlechten Er­fahrungen der einstigen Konzernschwestern Quelle undNeckermann mit eben diesem Versuch?Ganz wichtig: Was macht die neue Größe, konkret das er­weiterte Einkaufsvolumen mit dem Verhältnis zu den Liefe­ranten? Auf wessen Kosten werden Konditionen­Unterschie­de ausgeglichen? Und wie geht es mit den verschiedenenKooperationsmodellen zwischen Herstellern und Händlernweiter? Welche setzen sich durch? Ist das neue Warenhausnoch Händler oder Flächenvermieter? Plant man eine Immo­bilien­ und Retail­Kette oder ein Immobilienunternehmen,das auch Retail betreibt? Stichwort Digitalisierung: Wie willman die dringend nötige Omnichannel­Kompetenz finanzie­ren? Und was ist parallel an Investitionen für die Häuserdrin? Beides bei zuletzt zähen bis rückläufigen Umsätzen?

Und wie wird Verdi reagieren? Kaufhof zahlt – noch –nach Tarif, bei Karstadt gilt ein Haustarif. Wie kommt manda zusammen und wie will man mit zwei Betriebsräten imgemeinsamen Unternehmen klarkommen?Gibt es genügend Warenhausexperten, die Visionen habenund die Fähigkeit, sie umzusetzen? Haben die Eigentümergenügend Durchhaltewillen und finanzielle Mittel? Will HBCdauerhaft bleiben oder das Joint Venture nur für einenschrittweisen Ausstieg nutzen? Wie bringt man die Kulturenvon Unternehmen zusammen, die jahrzehntelang Konkur­renten waren?Letztlich mündet alles in einer Frage: Wie will sich einWarenhauskonzern so sexy und unverzichtbar machen, dassKunden wiederkommen, die schon lange nicht kommen?Das ist sie, die Vier­Milliarden­Euro­Frage.

Die Vier­Milliarden­Euro­Frage

Eine Fusion von Karstadt undKaufhof könnte die Antwortauf die Warenhauskrise sein.Doch damit würdedie Arbeit erst beginnen.Hagen Seidel

16 Nr. 28 _ 2018

DIESE WOCHE Kommentar

24 Nr. 30 _ 2018

BUSINESS Handel

in einem wie auch immer vereinigten Waren-hauskonzern Karstadt/Kaufhof haben.Food und Fashion – diese Kombination funk-tioniert auch im Warenhaus. „Wir beobach-ten, dass durchschnittlich jeder vierte bisfünfte Warenhauskunde auch Kunde unsererGastronomiebetriebe ist“, heißt es bei Kauf-hof. Von Karstadt ist dazu nichts zu hören.Im Umsatzranking des TW-Schwesterblattesfoodservice (dfv Mediengruppe) kam Kar-stadts Le Buffet Restaurant & Café GmbH2017 mit 83 Betrieben auf einen Nettoumsatzvon geschätzt 97 Mio. Euro(Vorjahr 100 Mio.).Und damit auf Platz 32 im Ranking der 100umsatzstärksten Gastronomie-Player inDeutschland, knapp hinter „Hans im Glück“und Käfer, aber vor Kamps und Yorma’s. Kauf-hofs Dinea Gastronomie GmbH landet mit 79Mio. Euro (Vorjahr 80 Mio.) und 59 Betriebenauf Rang 46.Zum Umsatz der Warenhäuser tragen die Res-taurants weniger als 5 % bei. „Für die Kunden-bindung und die Verbesserung von Aufent-haltsdauer und -qualität werden sie auch inZukunft unerlässlich sein. Natürlich, sie müs-sen sich verjüngen, wie das Warenhausseg-ment sich grundsätzlich verjüngen muss,“ sofoodservice-Herausgeberin Gretel Weiß.„Man kann in der Warenhaus-Gastronomie

Dieses Angebot kann auch dem ver-wöhnten Fashion-Kunden Lust aufKaufhof machen: Kaviar im Unterge-

schoss. Etwa der Manderin Imperial Caviar„Golden Queen“ in der edlen Metalldose für220 Euro pro 100 Gramm. Oder das „CaviarTwin-Set 5-teilig im Geschenkkarton“, beidem es neben den edlen Fischeiern, zwei pas-senden Perlmuttlöffeln nebst einer Perlmutt-schale auch ein Fläschchen „Veuve Clicquot“gibt – für 280 Euro. Wenn‘s ums Essen geht,können die Warenhäuser neben Dauer-Saleund Mainstream-Fashion manchmal auchedel. Food – exklusiv wie mainstreamig – istwichtig für die Kaufhäuser. Neben ganz viel Mode, Schuhen, Accessoires,neben Haushaltswaren und Sportartikelnsind riesige Flächen der möglichen PartnerKaufhof und Karstadt mit Lebensmitteln be-legt. Denn Food zieht Kundschaft oder hält sie.In den Untergeschossen der Häuser findensich oft die Lebensmittel, ganz oben die Gas-tro-Angebote wie Dinea bei Kaufhof und Le-Buffet bei Karstadt. Sie gelten – obwohl bisweilen mit einem et-was angestaubten Image – zum Teil als Fre-quenzbringer, auf jedem Fall aber als ein In-strument, Aufenthaltsdauer- und Qualität zusteigern. Und diese Funktion dürften sie auch

keine Sterneküche anbieten, wenn etwa inder Modeabteilung Mainstream angesagtist“, sagt Weiß, „deshalb ist das aktuelle Ni-veau dort durchaus angemessen. Das lässtsich nicht direkt mit einem Top-Haus wieEngelhorn in Mannheim vergleichen“. Braucht es Lebensmittelabteilungen in Wa-renhäusern? „Dass Lebensmittelabteilungengrundsätzlich Frequenzbringer sind, istQuatsch“, sagt ein LEH-Experte. Die Abteilun-gen seien von der Attraktivität des gesamtenWarenhauses abhängig: „Wenn die Frequenzoben nicht stimmt, stimmt sie unten auchnicht“. Also Food raus und Platz gewinnen für andereSortimente? Kaufhof hat es in Düsseldorf ander Kö versucht, und im Untergeschoss statt-dessen eine exzellent aussehende Schuh- undWäscheabteilung inszeniert. Gemunkelt wirdvon dramatisch sinkenden Frequenz- undUmsatzzahlen.Aldi hält ein Warenhaus offenbar für ein ge-winnbringendes Umfeld: Bei Karstadt inHamburg-Eimsbüttel ist der Discounter be-reits eingezogen, als nächstes folgt die Filialeam Wehrhahn in Düsseldorf. Gegenüber vonKaufhof. �

HAGEN SEIDEL

Auch nach einer Fusion: Im Warenhaus wird gegessenKarstadt und Kaufhof setzen fast 180 Mio. Euro mit Gastronomie um

Foto

: Gal

eria

Kau

fhof

Fashion and Food: Lebensmittel wie hier bei Kaufhof erhöhen die Aufenthaltsqualität im Warenhaus.

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TW Kaufhof Karstadt _ September 2018 724 Nr. 30 _ 2018

BUSINESS Handel

in einem wie auch immer vereinigten Waren-hauskonzern Karstadt/Kaufhof haben.Food und Fashion – diese Kombination funk-tioniert auch im Warenhaus. „Wir beobach-ten, dass durchschnittlich jeder vierte bisfünfte Warenhauskunde auch Kunde unsererGastronomiebetriebe ist“, heißt es bei Kauf-hof. Von Karstadt ist dazu nichts zu hören.Im Umsatzranking des TW-Schwesterblattesfoodservice (dfv Mediengruppe) kam Kar-stadts Le Buffet Restaurant & Café GmbH2017 mit 83 Betrieben auf einen Nettoumsatzvon geschätzt 97 Mio. Euro(Vorjahr 100 Mio.).Und damit auf Platz 32 im Ranking der 100umsatzstärksten Gastronomie-Player inDeutschland, knapp hinter „Hans im Glück“und Käfer, aber vor Kamps und Yorma’s. Kauf-hofs Dinea Gastronomie GmbH landet mit 79Mio. Euro (Vorjahr 80 Mio.) und 59 Betriebenauf Rang 46.Zum Umsatz der Warenhäuser tragen die Res-taurants weniger als 5 % bei. „Für die Kunden-bindung und die Verbesserung von Aufent-haltsdauer und -qualität werden sie auch inZukunft unerlässlich sein. Natürlich, sie müs-sen sich verjüngen, wie das Warenhausseg-ment sich grundsätzlich verjüngen muss,“ sofoodservice-Herausgeberin Gretel Weiß.„Man kann in der Warenhaus-Gastronomie

Dieses Angebot kann auch dem ver-wöhnten Fashion-Kunden Lust aufKaufhof machen: Kaviar im Unterge-

schoss. Etwa der Manderin Imperial Caviar„Golden Queen“ in der edlen Metalldose für220 Euro pro 100 Gramm. Oder das „CaviarTwin-Set 5-teilig im Geschenkkarton“, beidem es neben den edlen Fischeiern, zwei pas-senden Perlmuttlöffeln nebst einer Perlmutt-schale auch ein Fläschchen „Veuve Clicquot“gibt – für 280 Euro. Wenn‘s ums Essen geht,können die Warenhäuser neben Dauer-Saleund Mainstream-Fashion manchmal auchedel. Food – exklusiv wie mainstreamig – istwichtig für die Kaufhäuser. Neben ganz viel Mode, Schuhen, Accessoires,neben Haushaltswaren und Sportartikelnsind riesige Flächen der möglichen PartnerKaufhof und Karstadt mit Lebensmitteln be-legt. Denn Food zieht Kundschaft oder hält sie.In den Untergeschossen der Häuser findensich oft die Lebensmittel, ganz oben die Gas-tro-Angebote wie Dinea bei Kaufhof und Le-Buffet bei Karstadt. Sie gelten – obwohl bisweilen mit einem et-was angestaubten Image – zum Teil als Fre-quenzbringer, auf jedem Fall aber als ein In-strument, Aufenthaltsdauer- und Qualität zusteigern. Und diese Funktion dürften sie auch

keine Sterneküche anbieten, wenn etwa inder Modeabteilung Mainstream angesagtist“, sagt Weiß, „deshalb ist das aktuelle Ni-veau dort durchaus angemessen. Das lässtsich nicht direkt mit einem Top-Haus wieEngelhorn in Mannheim vergleichen“. Braucht es Lebensmittelabteilungen in Wa-renhäusern? „Dass Lebensmittelabteilungengrundsätzlich Frequenzbringer sind, istQuatsch“, sagt ein LEH-Experte. Die Abteilun-gen seien von der Attraktivität des gesamtenWarenhauses abhängig: „Wenn die Frequenzoben nicht stimmt, stimmt sie unten auchnicht“. Also Food raus und Platz gewinnen für andereSortimente? Kaufhof hat es in Düsseldorf ander Kö versucht, und im Untergeschoss statt-dessen eine exzellent aussehende Schuh- undWäscheabteilung inszeniert. Gemunkelt wirdvon dramatisch sinkenden Frequenz- undUmsatzzahlen.Aldi hält ein Warenhaus offenbar für ein ge-winnbringendes Umfeld: Bei Karstadt inHamburg-Eimsbüttel ist der Discounter be-reits eingezogen, als nächstes folgt die Filialeam Wehrhahn in Düsseldorf. Gegenüber vonKaufhof. �

HAGEN SEIDEL

Auch nach einer Fusion: Im Warenhaus wird gegessenKarstadt und Kaufhof setzen fast 180 Mio. Euro mit Gastronomie um

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Fashion and Food: Lebensmittel wie hier bei Kaufhof erhöhen die Aufenthaltsqualität im Warenhaus.

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8 TW Kaufhof Karstadt _ September 201818 Nr. 31 _ 2018

BUSINESS Warenhaus-Fusion

Nr. 31 _ 2018 19

Frontmann FanderlWenn es zur Warenhaus-Fusion kommt, dürfte Stephan Fanderl die Nummereins werden. Als Karstadt-Chef hat er bereits gute Sanierungsarbeit geleistet.

Foto

: Kar

stad

t Alles deutet auf baldigen weißen Rauchhin: Die Verhandlungen zwischen denEigentümern von Karstadt (Signa) und

Galeria Kaufhof (HBC) zur großen Waren-haus-Ehe laufen offenbar gut, Optimisten er-warten schon Mitte August das Signal zumZusammenschluss. Dann dürfte die ganz gro-ße Stunde von Stephan Fanderl (54) schlagen,Chef von Karstadt und Signa Retail.Denn der Spross einer Ingolstädter Edeka-Fa-milie, der schon Karstadt in den Griff bekom-men hat, soll das Joint Venture operativ füh-ren. „Dass er Handel kann, merken Mitarbei-ter beim ersten Besuch in der Filiale“, heißt esaus seinem Umfeld. „Der bleibt beim erstenWarenträger stehen und sagt dem Mitarbei-ter, wo der Fehler ist“.Was er auch gut kann: zwischen sehr char-mant und knallhart wechseln, je nach Bedarf.So – vor allem mit der zweitgenannten Waffe– schaffte er, woran bei Karstadt bisher nochjeder Chef gescheitert ist: Kosten zu drücken,Strukturen zu sprengen, den unvermeidli-chen Widerstand vor allem von Verdi aus-zuhalten – und damit tatsächlich das Geld-verbrennen zu stoppen. Eine kaum für mög-lich gehaltene Leistung.350 Einzelprojekte zog er dafür durch, „ohneexternen Strategieberater“, wie er sagt. 2000Jobs strich er allein in der Zentrale, pulveri-sierte gleich mehrere Hierarchieebenen. DieFührungskräfte trieb er aus ihren Einzelbürosin den Großraum, der Kommunikation we-gen. Auch der Chef selber zog „in den Maschi-nenraum“, wie er sagt. „Wir arbeiten schnel-ler und pragmatischer“, sagt ein Karstädter.

Aufgekrempelte Ärmel, ehrgeizige An-forderungen an Mitarbeiter und enge Zeit-vorgaben – für so etwas steht der Mann. Nichtjedoch für Lametta und Palaver. Nur wenigeWochen etwa gab er dem Team, das in derDüsseldorfer Filiale im „Experience Store“ –weitgehend mit Bordmitteln und Industrie-Unterstützung – die Zukunft digitaler Ele-mente im Warenhaus demonstrieren sollte.Mit digitalem Spiegel, Social Media-Tools unddigitalen Etiketten, zum Beispiel. Längst nichtalles klappte so kurzfristig, das digitale Schau-fenster etwa wurde erst Wochen nach derEröffnung ans Laufen gebracht. Auch wenn nachhaltige Erkenntnisse für denDurchschnitts-Karstadt bisher unklar blie-ben: Es gab viel gute Presse, „Karstadt“ und„Digital“ werden jetzt in einem Atemzug ge-nannt. Und die Aktion, mit der das provoziertwurde, kostete vergleichsweise wenig. Ty-pisch Fanderl. Der Mann ist ein Down-to-earth-Manager. Il-lusiorische Upgrading-Fantasien sind – an-ders als bei den Vorgängern – nicht seine, erorientiert sich an Kundengruppen, bei denenKarstadt tatsächlich noch eine Chance hat.Und die Kollegen, die nicht nah genug amTagesgeschäft und seinen Zahlen dran waren,

holte er – vor allem am Anfang – mit ein paarDetailfragen und unmissverständlichenKommentaren auf den Boden des schnödenWarenhausgeschäftes zurück. „Die treten beiKarstadt unter Fanderl jetzt wirklich als Teamauf“, lobt ein Lieferant. Projekte würdendurchgezogen, ihr Erfolg kontrolliert – andersals früher, als vor allem angekündigt wurde.Fanderls Einkauf wird in der Branche für sei-ne Kompetenz und Klarheit gelobt, auch imVergleich zu Kaufhof.„Schnelle Pferde schneller machen“ ist seinCredo bei den Sortimenten. DOB, Wäsche undStrick dürften davon profitieren. Segmenteoder Marken, die der Kunde bei Karstadt nichtwill, werden dagegen aussortiert. Das schafftPlatz: 10 % der 1,1 Millionen m2 Verkaufsflächehat Fanderl vermietet, an Aldi, Edeka, dm undApollo Optik. „Go Asia“, ein asiatischer Food-Markt, folgt bald in Düsseldorf. Es könntennoch mehr werden, schließlich ziehen dieseNamen auch Frequenz. Partnerschaften mit Pure Playern sollen hel-

fen, Omnichannel-Fähigkeiten zu demons-trieren. In einer Berliner Filiale etwa präsen-tiert sich der Große Größen-Onliner SugarShape. Curated Shopping-Anbieter Kisura ge-hört inzwischen auch zum Konzern. Aus 5 %Erlösanteil im Netz sollen 10 % werden.Bei Verdi weiß man, mit wem man es zu tunbekommt: Fanderl zog die von seinem Vor-gänger Andrew Jennings 2013 aufgelegte „Ta-rifpause“ durch, die Lohn- und Gehaltssteige-rungen ausschloss. Das drückte die Personal-kosten, die Verdi-Proteste waren Fanderlherzlich egal. Karstadts Sonderweg führte da-zu, dass Kaufhof jetzt von Verdi etwas Ähn-liches verlangt. Wegen der Fusionsverhand-lungen ruhen diese Tarifgespräche derzeit.Dass der Bayer seine Karstadt-Konditionenauch im Doppelkonzern durchdrücken will,dürfte außer Frage stehen.Sein bisheriger Gegenpart im Warenhaus-Wettbewerb – Kaufhof-Chef Roland Neuwald– könnte dabei grotesker Weise sein wichtigs-ter Mitarbeiter werden: Neuwald hat schonWal-Mart Deutschland und Extra mit Realvereint und aus Zwei eine Belegschaft ge-macht. Derlei Erfahrung dürfte wichtig wer-den. Verdi verhält sich bisher auffallend ru-hig: Wird man bei der Gewerkschaft in derAuseinandersetzung mit Fanderl letztlich aufKompromissbereitschaft setzen, um den Flä-chentarifvertrag im Einzelhandel zu retten?

Das Tarifthema ist nur eines des ganzenPakets, das nicht zuletzt Frontmann Fanderlmöglichst schnell klären muss, wenn auszwei ewigen Konkurrenten ein Gemein-schaftsunternehmen werden soll: Moderati-on bis Mediation zwischen zwei Eigentü-mern, die bisher nicht gerade durch gegen-seitigen Liebreiz geglänzt haben. Die Kulturim Hause, die Standortfrage, die Sortimente,die Konditionen, Marketing und Werbung –und nicht zuletzt das Kartellamt, dass der Wa-renhaus-Ehe den Segen geben muss.Selbst wenn all diese Punkte geklärt sind: EinZusammenschluss der beide K-Ketten löstnicht die Kernfrage: Wie will Fanderl den Fre-quenz-, Attraktivitäts- und Umsatzverlust desWarenhauses stoppen und den Vertriebska-nal wieder sexy machen? Bisher hat er vorallem auf Effizienz-Pushen, Kostendrückenund gedankliches Schlachten der Heiligen-Kühe gesetzt. Das war erforderlich, eine echteVorwärtsstrategie jedoch ist das nicht.Aber wahrscheinlich steht auf Fanderls To-Do-Liste ganz oben auch gar nicht: „Erfindedas Warenhaus neu!“ Sondern womöglich –schließlich kommt sein Arbeitgeber Signa ausder Immobiliensparte – so etwas: „Schaffe einGebilde, mit dem der Wert unserer Immobi-lien steigt!“ Schließungen von Häusern oderBespielung mit Konzepten jenseits des Wa-renhauses nicht ausgeschlossen. �

HAGEN SEIDEL

Der Weg schien vorgezeichnet: Als

Sohn eines Edeka-Händlers in Ingol-

stadt lernte Stephan Fanderl Einzel-

handelskaufmann und studierte Be-

triebswirtschaft.

Er stieg bei Metro ein, wurde 1998

Geschäftsführer von Real in Polen.

Nach einer Beraterstation bei Kienbaum

kam 2001 der Vorstandsposten der

Rewe-Tochter Eurobilla. 2006 schaffte

er es in den Rewe-Vorstand, schied

aber wenige Monate später nach Mei-

nungsverschiedenheiten wieder aus.

Wal-Mart berief ihn 2008 zum President

Emerging Markets East, es folgte eine

Beratertätigkeit beim Schweizer Dis-

counter Denner.

Eigentümer Nicolas Berggruen machte

Fanderl im Oktober 2013 zum Aufsichts-

ratschef der Karstadt Warenhaus GmbH.

Ein Jahr später wechselte er auf Pos-

ten des CEO.

Daneben arbeitet er zusammen mit dem

früheren Rewe-Chef Dieter Berninghaus

und Wolfram Keil – gleichzeitig Auf-

sichtsratschef von Karstadt – als Chef

der Signa Retail an der Konzernstrate-

gie des Karstadt-Eigentümers.

Wenn Fanderl Zeit hat, läuft er

Marathon. �

Stephan Fanderl

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TW Kaufhof Karstadt _ September 2018 918 Nr. 31 _ 2018

BUSINESS Warenhaus-Fusion

Nr. 31 _ 2018 19

Frontmann FanderlWenn es zur Warenhaus-Fusion kommt, dürfte Stephan Fanderl die Nummereins werden. Als Karstadt-Chef hat er bereits gute Sanierungsarbeit geleistet.

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t Alles deutet auf baldigen weißen Rauchhin: Die Verhandlungen zwischen denEigentümern von Karstadt (Signa) und

Galeria Kaufhof (HBC) zur großen Waren-haus-Ehe laufen offenbar gut, Optimisten er-warten schon Mitte August das Signal zumZusammenschluss. Dann dürfte die ganz gro-ße Stunde von Stephan Fanderl (54) schlagen,Chef von Karstadt und Signa Retail.Denn der Spross einer Ingolstädter Edeka-Fa-milie, der schon Karstadt in den Griff bekom-men hat, soll das Joint Venture operativ füh-ren. „Dass er Handel kann, merken Mitarbei-ter beim ersten Besuch in der Filiale“, heißt esaus seinem Umfeld. „Der bleibt beim erstenWarenträger stehen und sagt dem Mitarbei-ter, wo der Fehler ist“.Was er auch gut kann: zwischen sehr char-mant und knallhart wechseln, je nach Bedarf.So – vor allem mit der zweitgenannten Waffe– schaffte er, woran bei Karstadt bisher nochjeder Chef gescheitert ist: Kosten zu drücken,Strukturen zu sprengen, den unvermeidli-chen Widerstand vor allem von Verdi aus-zuhalten – und damit tatsächlich das Geld-verbrennen zu stoppen. Eine kaum für mög-lich gehaltene Leistung.350 Einzelprojekte zog er dafür durch, „ohneexternen Strategieberater“, wie er sagt. 2000Jobs strich er allein in der Zentrale, pulveri-sierte gleich mehrere Hierarchieebenen. DieFührungskräfte trieb er aus ihren Einzelbürosin den Großraum, der Kommunikation we-gen. Auch der Chef selber zog „in den Maschi-nenraum“, wie er sagt. „Wir arbeiten schnel-ler und pragmatischer“, sagt ein Karstädter.

Aufgekrempelte Ärmel, ehrgeizige An-forderungen an Mitarbeiter und enge Zeit-vorgaben – für so etwas steht der Mann. Nichtjedoch für Lametta und Palaver. Nur wenigeWochen etwa gab er dem Team, das in derDüsseldorfer Filiale im „Experience Store“ –weitgehend mit Bordmitteln und Industrie-Unterstützung – die Zukunft digitaler Ele-mente im Warenhaus demonstrieren sollte.Mit digitalem Spiegel, Social Media-Tools unddigitalen Etiketten, zum Beispiel. Längst nichtalles klappte so kurzfristig, das digitale Schau-fenster etwa wurde erst Wochen nach derEröffnung ans Laufen gebracht. Auch wenn nachhaltige Erkenntnisse für denDurchschnitts-Karstadt bisher unklar blie-ben: Es gab viel gute Presse, „Karstadt“ und„Digital“ werden jetzt in einem Atemzug ge-nannt. Und die Aktion, mit der das provoziertwurde, kostete vergleichsweise wenig. Ty-pisch Fanderl. Der Mann ist ein Down-to-earth-Manager. Il-lusiorische Upgrading-Fantasien sind – an-ders als bei den Vorgängern – nicht seine, erorientiert sich an Kundengruppen, bei denenKarstadt tatsächlich noch eine Chance hat.Und die Kollegen, die nicht nah genug amTagesgeschäft und seinen Zahlen dran waren,

holte er – vor allem am Anfang – mit ein paarDetailfragen und unmissverständlichenKommentaren auf den Boden des schnödenWarenhausgeschäftes zurück. „Die treten beiKarstadt unter Fanderl jetzt wirklich als Teamauf“, lobt ein Lieferant. Projekte würdendurchgezogen, ihr Erfolg kontrolliert – andersals früher, als vor allem angekündigt wurde.Fanderls Einkauf wird in der Branche für sei-ne Kompetenz und Klarheit gelobt, auch imVergleich zu Kaufhof.„Schnelle Pferde schneller machen“ ist seinCredo bei den Sortimenten. DOB, Wäsche undStrick dürften davon profitieren. Segmenteoder Marken, die der Kunde bei Karstadt nichtwill, werden dagegen aussortiert. Das schafftPlatz: 10 % der 1,1 Millionen m2 Verkaufsflächehat Fanderl vermietet, an Aldi, Edeka, dm undApollo Optik. „Go Asia“, ein asiatischer Food-Markt, folgt bald in Düsseldorf. Es könntennoch mehr werden, schließlich ziehen dieseNamen auch Frequenz. Partnerschaften mit Pure Playern sollen hel-

fen, Omnichannel-Fähigkeiten zu demons-trieren. In einer Berliner Filiale etwa präsen-tiert sich der Große Größen-Onliner SugarShape. Curated Shopping-Anbieter Kisura ge-hört inzwischen auch zum Konzern. Aus 5 %Erlösanteil im Netz sollen 10 % werden.Bei Verdi weiß man, mit wem man es zu tunbekommt: Fanderl zog die von seinem Vor-gänger Andrew Jennings 2013 aufgelegte „Ta-rifpause“ durch, die Lohn- und Gehaltssteige-rungen ausschloss. Das drückte die Personal-kosten, die Verdi-Proteste waren Fanderlherzlich egal. Karstadts Sonderweg führte da-zu, dass Kaufhof jetzt von Verdi etwas Ähn-liches verlangt. Wegen der Fusionsverhand-lungen ruhen diese Tarifgespräche derzeit.Dass der Bayer seine Karstadt-Konditionenauch im Doppelkonzern durchdrücken will,dürfte außer Frage stehen.Sein bisheriger Gegenpart im Warenhaus-Wettbewerb – Kaufhof-Chef Roland Neuwald– könnte dabei grotesker Weise sein wichtigs-ter Mitarbeiter werden: Neuwald hat schonWal-Mart Deutschland und Extra mit Realvereint und aus Zwei eine Belegschaft ge-macht. Derlei Erfahrung dürfte wichtig wer-den. Verdi verhält sich bisher auffallend ru-hig: Wird man bei der Gewerkschaft in derAuseinandersetzung mit Fanderl letztlich aufKompromissbereitschaft setzen, um den Flä-chentarifvertrag im Einzelhandel zu retten?

Das Tarifthema ist nur eines des ganzenPakets, das nicht zuletzt Frontmann Fanderlmöglichst schnell klären muss, wenn auszwei ewigen Konkurrenten ein Gemein-schaftsunternehmen werden soll: Moderati-on bis Mediation zwischen zwei Eigentü-mern, die bisher nicht gerade durch gegen-seitigen Liebreiz geglänzt haben. Die Kulturim Hause, die Standortfrage, die Sortimente,die Konditionen, Marketing und Werbung –und nicht zuletzt das Kartellamt, dass der Wa-renhaus-Ehe den Segen geben muss.Selbst wenn all diese Punkte geklärt sind: EinZusammenschluss der beide K-Ketten löstnicht die Kernfrage: Wie will Fanderl den Fre-quenz-, Attraktivitäts- und Umsatzverlust desWarenhauses stoppen und den Vertriebska-nal wieder sexy machen? Bisher hat er vorallem auf Effizienz-Pushen, Kostendrückenund gedankliches Schlachten der Heiligen-Kühe gesetzt. Das war erforderlich, eine echteVorwärtsstrategie jedoch ist das nicht.Aber wahrscheinlich steht auf Fanderls To-Do-Liste ganz oben auch gar nicht: „Erfindedas Warenhaus neu!“ Sondern womöglich –schließlich kommt sein Arbeitgeber Signa ausder Immobiliensparte – so etwas: „Schaffe einGebilde, mit dem der Wert unserer Immobi-lien steigt!“ Schließungen von Häusern oderBespielung mit Konzepten jenseits des Wa-renhauses nicht ausgeschlossen. �

HAGEN SEIDEL

Der Weg schien vorgezeichnet: Als

Sohn eines Edeka-Händlers in Ingol-

stadt lernte Stephan Fanderl Einzel-

handelskaufmann und studierte Be-

triebswirtschaft.

Er stieg bei Metro ein, wurde 1998

Geschäftsführer von Real in Polen.

Nach einer Beraterstation bei Kienbaum

kam 2001 der Vorstandsposten der

Rewe-Tochter Eurobilla. 2006 schaffte

er es in den Rewe-Vorstand, schied

aber wenige Monate später nach Mei-

nungsverschiedenheiten wieder aus.

Wal-Mart berief ihn 2008 zum President

Emerging Markets East, es folgte eine

Beratertätigkeit beim Schweizer Dis-

counter Denner.

Eigentümer Nicolas Berggruen machte

Fanderl im Oktober 2013 zum Aufsichts-

ratschef der Karstadt Warenhaus GmbH.

Ein Jahr später wechselte er auf Pos-

ten des CEO.

Daneben arbeitet er zusammen mit dem

früheren Rewe-Chef Dieter Berninghaus

und Wolfram Keil – gleichzeitig Auf-

sichtsratschef von Karstadt – als Chef

der Signa Retail an der Konzernstrate-

gie des Karstadt-Eigentümers.

Wenn Fanderl Zeit hat, läuft er

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Stephan Fanderl

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10 TW Kaufhof Karstadt _ September 201822 Nr. 32 _ 2018

THEMEN Warenhaus-Fusion

Die TransformatorinSeit Helena Foulkes im Februar CEO von HBC wurde, scheint beim kriselndenKaufhof-Eigentümer einiges möglich. Sogar die Fusion mit dem Erzrivalen Karstadt.

Foto

: Get

ty Im

ages

Nr. 32 _ 2018 23

beschäftige sich weniger mit der Vergangen-heit als mit der Gegenwart und Zukunft desUnternehmens. Neuanfang. Tatsächlich aberdürfte der immens größer werdende wirt-schaftliche Druck – Kaufhof soll im vergange-nen Geschäftsjahr Verluste von mehr als 100Mio. Euro gemacht haben, eine Wende istnicht in Sicht – der Grund dafür sein, demnicht erlahmenden Drängen Benkos jetztnachzugeben. Und zügig zu verhandeln. Der Zeitpunkt könnte geeigneter kaum sein,zu versuchen, per Fusion Einsparungen beiden Einkaufskonditionen, bei IT- und Omni-channel-Investitionen sowie durch die Schlie-ßung einer Konzernzentrale zu erzielen. Undden Erzkonkurrenten plötzlich im eigenenTeam zu wissen. Denn auch wenn Karstadt-Chef Stephan Fanderl zuletzt erstmals seitvielen Jahren einen kleinen Gewinn einfah-ren konnte: Auch seine Kette litt zuletzt unterdem schwierigen Markt. Unabhängig vom finalen Verlauf der Fusions-Gespräche setzt Foulkes ihr transkontinenta-les Steinumdreh-Programm fort. Welche Be-deutung das Europa-Problem – HBC hatte imOktober 2015 Kaufhof, der damals Gewinne

Vor fünf Monaten steckten HBC und diedeutsche Tochter Galeria Kaufhofschon in der Krise. Die Geschäfte liefen

beiderseits des Atlantiks schlecht. Ganz be-sonders Kaufhof verlor stetig Umsatz undverbrannte Geld. Jeder wusste, dass sich beidem Immobilien- und Warenhauskonzernmit kanadischen Fellhändler-Wurzeln drin-gend einiges verändern musste. Das war imFebruar so, daran hat sich bis August nichtsGrundlegendes geändert. Aber etwas ist anders im Hause HBC: Helenaist seit Februar da. Helena Foulkes, nach 25Jahren beim amerikanischen Drogerie-Retai-ler CVS zur CEO von HBC berufen, soll dieinsbesondere von HBC-Oberboss Richard Ba-ker wieder und wieder beschwörten Chancenund Potenziale des Konzerns endlich nutzenund in der Bilanz sichtbar machen. Noch ist die Neue davon weit entfernt. Unddoch passieren in Bakers Reich inzwischenDinge, die unter Foulkes‘ Vorgänger JerryStorch kaum denkbar waren: In ihrer nochkurzen Amtszeit hat die 54-Jährige den defizi-tären Online-Offprice-Laden Gilt verkauft, dieAbschaffung der Hierarchiestufe „Europa-Chef“ beschlossen und durchgesetzt, denKomplett-Auszug der WarenhausketteLord & Taylor aus seinem – bereits verkauften– Flagship-Store in Manhattan verkündet.

„Ich mag radikales Denken“ , hatteFoulkes unmittelbar nach ihrer Berufung zurChefin von 66.000 HBC-Mitarbeitern gegen-über dem Magazin Fortune erklärt. Und dasmeint auch wohl: radikales Umdenken. In ih-ren ersten Telefonkonferenzen setzte sienoch eins drauf: „Wir werden jeden Stein um-drehen“, es werde „keine heiligen Kühe ge-ben“. Die Organisation wisse, dass sie einenTurnaround brauche. Dieser Ankündigungließ sie eine wirklich bedeutende Tat folgen:Sie spricht mit Karstadt-Eigentümer Signa.Über Kaufhof.Dreimal hatten die Österreicher versucht,auch Galeria Kaufhof zu übernehmen. Zuletztkam das barsche „No“ von Richard Baker, dererklären ließ, mit Signa-Chef René Benko kei-ne Geschäfte machen zu wollen. Eiszeit! Dochjetzt das radikale Umdenken. Baker holteFoulkes und lässt sie genau darüber verhan-deln, mit jenem Benko sogar ein Gemein-schaftsgeschäft zu machen: Karstadt undKaufhof zusammen, offiziell auf Augenhöhe,tatsächlich aber wohl in einem Joint Venture,in dem Signa die knappe Mehrheit und damitdas Sagen haben wird. Noch ist nichts in tro-ckenen Tüchern, doch erwarten BeobachterMitte bis Ende August eine Einigung.„Wir tun, was für alle das Beste ist“, ist einedieser Standardantworten aus Foulkes‘ Um-feld auf die Frage, was diese strategischeKehrtwende ihres Lagers ausgelöst hat. Sie

erzielte, von der Metro gekauft – für den Kon-zern hat, zeigt allein die Tatsache, dass sie proMonat etwa eine Woche in Deutschland ist.Die Streichung des Posten des Europa-Chefsund die Trennung von Amtsinhaber Wolf-gang Link – einem engen Vertrauten desebenfalls ehemaligen CEO Storch – hatte siegenau damit begründet, sich direkter ins Ge-schäft einschalten zu können. Seither ist sie auch in den Häusern von Kauf-hof und der bis heute nicht wirklich funk-tionierenden Offprice-Kette Saks Off 5th inDeutschland oder der ebenfalls nicht wirklichaus den Startblöcken gekommenen Waren-hauskette Hudson’s Bay in Holland unter-wegs. Sie redet mit Angestellten, fordert Ide-en der Mitarbeiter auf der Fläche ein – was dieinsbesondere nach den ersten drei Jahren un-ter dem HBC-Dach überhaupt nicht gewöhntsind. Foulkes will auch Initiativen von unten,nicht nur Anweisungen von oben, eine neueArt der Zusammenarbeit. Sagt sie jedenfalls.Und sie sieht „sehr viele Möglichkeiten“, dasEinkaufserlebnis für den Kunden besser zumachen und die Potenziale des Konzerns bes-ser zu nutzen – aber davon hat ihr Vorgängerauch immer geschwärmt. Es blieb aber weit-gehend bei Ankündigungen. Foulkes soll die Frau der schnellen Entschei-dungen mit prompter Umsetzung sein. BeiCVS etwa stand sie für den Aufsehen erregen-den Beschluss, Tabakwaren komplett ausdem Sortiment zu werfen. Das passe nicht zueinem Unternehmen, das sich mit Gesund-heit beschäftige, hatte sie begründet.

Eine Transformatorin sei sie, heißt esauch, ein „Change Agent“. Bei CVS pushte siedas Online-Geschäft aus kleinen Anfängenzum großen Umsatzträger. Das steht selbst-verständlich auch auf ihrem Kaufhof-Plan.Aber vor einem großen „Change“ muss dieSache mit den vielen Steinchen, den Grund-lagen des Warenhausgeschäftes, kommen:Dazu gehört auch, dass sie neue Reporting-Systeme zur Erfolgskontrolle einführt. ZumBeispiel. Sie legt Wert auf eine klare Strategie,günstige Kostenstrukturen und schnellesUmsetzen. Basisarbeit statt Rocket Science.Das erinnert an ihren Noch-Widersacher undmöglicherweise Bald-Partner Stephan Fan-derl, der mit ähnlichen Schritten und nie da-gewesenen Veränderungen den jahrelangenAbsturz Karstadts abfangen konnte (TW 31).So gesehen könnten beide gut zusammenpassen, beide sind Macher-Typen. Doch sollteFanderl – wie kolportiert – die Nummer einswerden, stellt sich die Frage: Gehen die Fähig-keiten von Alpha-Frau Foulkes zum Umden-ken so weit, dass sie auch die Junior-Partneringeben könnte? �

HAGEN SEIDEL

Nach einer 25 Jahre währenden Karrierebeim amerikanischen Drogerie- undRetail-Konzern CVS wechselte HelenaFoulkes im Februar 2018 auf den Postendes CEO von Kaufhof-Mutter Hudson‘sBay Company (HBC). Die Position warunbesetzt, seit Vorgänger Jerry Storchdas Unternehmen im November 2017hatte verlassen müssen.CVS betreibt 9700 Läden und 20 Dis-tributionszentren und ist eher Retailerals Drogeriekette. Foulkes war im Kon-zern in verschiedenen Positionen tätig –zuletzt als President of CVS Pharmacy,und Executive Vice President of CVSHealth Corporation. Die 54jährige hateinen MBA der Harvards BusinessSchool.Das Magazin Fortune setzte sie 2017auf Rang 12 der „most powerful wo-men“.Seit ihrem Amtsantritt bei HBC versuchtsie, pro Monat etwa eine Woche inEuropa zu verbringen, um sich umGaleria Kaufhof sowie die hiesigenOrganisationen und Läden des Offprice-Anbieters Saks Off 5th und Hudson’sBay in Holland zu kümmern. Foulkes ist verheiratet und hat vierKinder.

Helena Foulkes

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TW Kaufhof Karstadt _ September 2018 1122 Nr. 32 _ 2018

THEMEN Warenhaus-Fusion

Die TransformatorinSeit Helena Foulkes im Februar CEO von HBC wurde, scheint beim kriselndenKaufhof-Eigentümer einiges möglich. Sogar die Fusion mit dem Erzrivalen Karstadt.

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beschäftige sich weniger mit der Vergangen-heit als mit der Gegenwart und Zukunft desUnternehmens. Neuanfang. Tatsächlich aberdürfte der immens größer werdende wirt-schaftliche Druck – Kaufhof soll im vergange-nen Geschäftsjahr Verluste von mehr als 100Mio. Euro gemacht haben, eine Wende istnicht in Sicht – der Grund dafür sein, demnicht erlahmenden Drängen Benkos jetztnachzugeben. Und zügig zu verhandeln. Der Zeitpunkt könnte geeigneter kaum sein,zu versuchen, per Fusion Einsparungen beiden Einkaufskonditionen, bei IT- und Omni-channel-Investitionen sowie durch die Schlie-ßung einer Konzernzentrale zu erzielen. Undden Erzkonkurrenten plötzlich im eigenenTeam zu wissen. Denn auch wenn Karstadt-Chef Stephan Fanderl zuletzt erstmals seitvielen Jahren einen kleinen Gewinn einfah-ren konnte: Auch seine Kette litt zuletzt unterdem schwierigen Markt. Unabhängig vom finalen Verlauf der Fusions-Gespräche setzt Foulkes ihr transkontinenta-les Steinumdreh-Programm fort. Welche Be-deutung das Europa-Problem – HBC hatte imOktober 2015 Kaufhof, der damals Gewinne

Vor fünf Monaten steckten HBC und diedeutsche Tochter Galeria Kaufhofschon in der Krise. Die Geschäfte liefen

beiderseits des Atlantiks schlecht. Ganz be-sonders Kaufhof verlor stetig Umsatz undverbrannte Geld. Jeder wusste, dass sich beidem Immobilien- und Warenhauskonzernmit kanadischen Fellhändler-Wurzeln drin-gend einiges verändern musste. Das war imFebruar so, daran hat sich bis August nichtsGrundlegendes geändert. Aber etwas ist anders im Hause HBC: Helenaist seit Februar da. Helena Foulkes, nach 25Jahren beim amerikanischen Drogerie-Retai-ler CVS zur CEO von HBC berufen, soll dieinsbesondere von HBC-Oberboss Richard Ba-ker wieder und wieder beschwörten Chancenund Potenziale des Konzerns endlich nutzenund in der Bilanz sichtbar machen. Noch ist die Neue davon weit entfernt. Unddoch passieren in Bakers Reich inzwischenDinge, die unter Foulkes‘ Vorgänger JerryStorch kaum denkbar waren: In ihrer nochkurzen Amtszeit hat die 54-Jährige den defizi-tären Online-Offprice-Laden Gilt verkauft, dieAbschaffung der Hierarchiestufe „Europa-Chef“ beschlossen und durchgesetzt, denKomplett-Auszug der WarenhausketteLord & Taylor aus seinem – bereits verkauften– Flagship-Store in Manhattan verkündet.

„Ich mag radikales Denken“ , hatteFoulkes unmittelbar nach ihrer Berufung zurChefin von 66.000 HBC-Mitarbeitern gegen-über dem Magazin Fortune erklärt. Und dasmeint auch wohl: radikales Umdenken. In ih-ren ersten Telefonkonferenzen setzte sienoch eins drauf: „Wir werden jeden Stein um-drehen“, es werde „keine heiligen Kühe ge-ben“. Die Organisation wisse, dass sie einenTurnaround brauche. Dieser Ankündigungließ sie eine wirklich bedeutende Tat folgen:Sie spricht mit Karstadt-Eigentümer Signa.Über Kaufhof.Dreimal hatten die Österreicher versucht,auch Galeria Kaufhof zu übernehmen. Zuletztkam das barsche „No“ von Richard Baker, dererklären ließ, mit Signa-Chef René Benko kei-ne Geschäfte machen zu wollen. Eiszeit! Dochjetzt das radikale Umdenken. Baker holteFoulkes und lässt sie genau darüber verhan-deln, mit jenem Benko sogar ein Gemein-schaftsgeschäft zu machen: Karstadt undKaufhof zusammen, offiziell auf Augenhöhe,tatsächlich aber wohl in einem Joint Venture,in dem Signa die knappe Mehrheit und damitdas Sagen haben wird. Noch ist nichts in tro-ckenen Tüchern, doch erwarten BeobachterMitte bis Ende August eine Einigung.„Wir tun, was für alle das Beste ist“, ist einedieser Standardantworten aus Foulkes‘ Um-feld auf die Frage, was diese strategischeKehrtwende ihres Lagers ausgelöst hat. Sie

erzielte, von der Metro gekauft – für den Kon-zern hat, zeigt allein die Tatsache, dass sie proMonat etwa eine Woche in Deutschland ist.Die Streichung des Posten des Europa-Chefsund die Trennung von Amtsinhaber Wolf-gang Link – einem engen Vertrauten desebenfalls ehemaligen CEO Storch – hatte siegenau damit begründet, sich direkter ins Ge-schäft einschalten zu können. Seither ist sie auch in den Häusern von Kauf-hof und der bis heute nicht wirklich funk-tionierenden Offprice-Kette Saks Off 5th inDeutschland oder der ebenfalls nicht wirklichaus den Startblöcken gekommenen Waren-hauskette Hudson’s Bay in Holland unter-wegs. Sie redet mit Angestellten, fordert Ide-en der Mitarbeiter auf der Fläche ein – was dieinsbesondere nach den ersten drei Jahren un-ter dem HBC-Dach überhaupt nicht gewöhntsind. Foulkes will auch Initiativen von unten,nicht nur Anweisungen von oben, eine neueArt der Zusammenarbeit. Sagt sie jedenfalls.Und sie sieht „sehr viele Möglichkeiten“, dasEinkaufserlebnis für den Kunden besser zumachen und die Potenziale des Konzerns bes-ser zu nutzen – aber davon hat ihr Vorgängerauch immer geschwärmt. Es blieb aber weit-gehend bei Ankündigungen. Foulkes soll die Frau der schnellen Entschei-dungen mit prompter Umsetzung sein. BeiCVS etwa stand sie für den Aufsehen erregen-den Beschluss, Tabakwaren komplett ausdem Sortiment zu werfen. Das passe nicht zueinem Unternehmen, das sich mit Gesund-heit beschäftige, hatte sie begründet.

Eine Transformatorin sei sie, heißt esauch, ein „Change Agent“. Bei CVS pushte siedas Online-Geschäft aus kleinen Anfängenzum großen Umsatzträger. Das steht selbst-verständlich auch auf ihrem Kaufhof-Plan.Aber vor einem großen „Change“ muss dieSache mit den vielen Steinchen, den Grund-lagen des Warenhausgeschäftes, kommen:Dazu gehört auch, dass sie neue Reporting-Systeme zur Erfolgskontrolle einführt. ZumBeispiel. Sie legt Wert auf eine klare Strategie,günstige Kostenstrukturen und schnellesUmsetzen. Basisarbeit statt Rocket Science.Das erinnert an ihren Noch-Widersacher undmöglicherweise Bald-Partner Stephan Fan-derl, der mit ähnlichen Schritten und nie da-gewesenen Veränderungen den jahrelangenAbsturz Karstadts abfangen konnte (TW 31).So gesehen könnten beide gut zusammenpassen, beide sind Macher-Typen. Doch sollteFanderl – wie kolportiert – die Nummer einswerden, stellt sich die Frage: Gehen die Fähig-keiten von Alpha-Frau Foulkes zum Umden-ken so weit, dass sie auch die Junior-Partneringeben könnte? �

HAGEN SEIDEL

Nach einer 25 Jahre währenden Karrierebeim amerikanischen Drogerie- undRetail-Konzern CVS wechselte HelenaFoulkes im Februar 2018 auf den Postendes CEO von Kaufhof-Mutter Hudson‘sBay Company (HBC). Die Position warunbesetzt, seit Vorgänger Jerry Storchdas Unternehmen im November 2017hatte verlassen müssen.CVS betreibt 9700 Läden und 20 Dis-tributionszentren und ist eher Retailerals Drogeriekette. Foulkes war im Kon-zern in verschiedenen Positionen tätig –zuletzt als President of CVS Pharmacy,und Executive Vice President of CVSHealth Corporation. Die 54jährige hateinen MBA der Harvards BusinessSchool.Das Magazin Fortune setzte sie 2017auf Rang 12 der „most powerful wo-men“.Seit ihrem Amtsantritt bei HBC versuchtsie, pro Monat etwa eine Woche inEuropa zu verbringen, um sich umGaleria Kaufhof sowie die hiesigenOrganisationen und Läden des Offprice-Anbieters Saks Off 5th und Hudson’sBay in Holland zu kümmern. Foulkes ist verheiratet und hat vierKinder.

Helena Foulkes

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12 TW Kaufhof Karstadt _ September 201820 Nr. 33 _ 2018

BUSINESS Warenhaus-Fusion

Nr. 33 _ 2018 21

ver erscheinen als das aktuell betriebene Wa-renhausgeschäft – schlecht insbesondere fürdie Fashion-Lieferanten, die für mehr als dieHälfte des Warenhaussortimentes stehen. Unmittelbar nach einem möglichen Zusam-menschluss der beiden K-Ketten dürfte nachExpertenmeinung wegen der hohen Kosten –etwa aus den Verpflichtungen der laufendenMietverträge oder für Sozialpläne für das Per-sonal – keine Schließungswelle zu erwartensein. Mittelfristig könnte sich das jedochgrundlegend ändern: Viele Beobachter er-warten in den kommenden vier bis fünf Jah-ren zahlreiche Schließungen – „30 bis 40“,meint zum Beispiel Klaus Striebich, als ehe-maliger ECE-Topmanager und Vorsitzenderdes German Council of Shopping Centers einKenner der Materie. Er ist sich bei dieser Schätzung mit vielenanderen Marktinsidern einig. „Alles anderewäre wirtschaftlich völlig unlogisch“, meintein Geschäftsführer, „mit fast 180 Standortenkönnte ein solches Unternehmen niemalsvernünftige Ergebnisse abliefern“. Striebichhält es zudem für unverzichtbar, dass ein Teilder übrig bleibenden Standorte verkleinertwird: „Niemand braucht ein Warenhaus mit

Im Geschäft mit Warenhäusern gibt es er-staunlich viele wichtige Begriffe, die mitdem Buchstaben I beginnen. Und manch-

mal haben sie alle etwas miteinander zu tun:Interessenten, zum Beispiel, Investoren, Im-mobilien – und auch Insolvenzen. Bei den Ver-handlungen über ein Joint Venture von Gale-ria Kaufhof (96 Häuser, Eigentümer Hudson’sBay Company HBC) und Karstadt (79 Häuser,Eigentümer Signa Holding) dürfte derzeit vorallem der Begriff Immobilien im Vordergrundstehen. Denn die sind seit jeher das entscheidendeAsset, wenn es in Deutschland um Waren-häuser geht. In den Gebäuden sehen die In-vestoren das große Wertsteigerungspotenzi-al – nicht so sehr im Handel mit Fashion,Schuhen oder Haushaltswaren. Weit weniger als die Hälfte der knapp 180Warenhausgebäude von Karstadt und Kauf-hof gehören Signa und HBC, der Großteil istangemietet. Und könnte folglich – im Fallemäßiger Umsatz- und Ertragszahlen samttrüben Ausblicks – bei Auslaufen der Miet-verträge relativ einfach geschlossen werden.HBC/Signa hätten zudem die Möglichkeit, anandere Nutzer unterzuvermieten, die lukrati-

Investoren, Insolvenzen,Immobilien

Die Verhandlungen über den

Zusammenschluss von

Karstadt und Kaufhof laufen.

Im Mittelpunkt dabei:

die einzelnen Häuser.

Die TW fragt:

Wem gehört was?

Bremen

Hannover

Hamburg

Leipzig

Erfurt

Ingolstadt

Kiel

Heilbronn

Mannheim

Offenbach

HallePaderborn

Osnabrück

Oldenburg

Ausschnitt

Wismar

Leonberg

Neunkirchen

GoslarGütersloh

Lörrach

Lüneburg

Neumünster

Norderstedt

Viernheim

Sulzbach

Bad Kreuznach

Göppingen

SpeyerLandau

Hildesheim

Offenburg

Rosenheim

Göttingen

Limburg

Esslingen

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Trier

Pforzheim

Reutlingen

Memmingen

Kleve

NeubrandenburgBremerhaven

Ulm

Dessau

Freiburg

Bielefeld

Münster

Koblenz

Celle

Coburg

Gera

Siegen

Flensburg

Gießen

Heidelberg

Singen

KonstanzKempten

Fulda

Bad Homburg

Hanau Bamberg

Bayreuth

Hof

Karlsruhe

Braunschweig

Augsburg

Rostock

Lübeck

Magdeburg

Potsdam

Schweinfurt

Regensburg

Dresden

Chemnitz

Würzburg

Stuttgart

Kassel

AschaffenburgMainz

Wiesbaden

Saarbrücken

München

Cottbus

Erlangen

Nürnberg

Frankfurt

Berlin

Worms

Wesel

Rhein-Ruhr-

Region

DürenAachen

TrierDarmstadt

KAUFHOF UND KARSTADT: DIE STANDORTE

Bonn

Köln

Oberhausen

Euskirchen

Mülheim

Gummersbach

Hagen

Krefeld

Brühl

Mönchengladbach

Gelsenkirchen

Neuss

Siegburg

Solingen WittenWuppertal

Iserlohn

Hamm

Leverkusen

Duisburg EssenDortmundBochum

Düsseldorf

BochumBonn

Köln

Oberhausen

Euskirchen

Mülheim

Gummersbach

Hagen

Krefeld

Brühl

Mönchengladbach

Gelsenkirchen

Neuss

Siegburg

Solingen

Wuppertal

Witten

Legende:

96 x Kaufhof

davon 40 Immobilien im Eigentum von HBS

79 x Karstadt

Iserlohn

Hamm

Leverkusen

Duisburg

Essen

Dortmund

Düsseldorf

Rhein-Ruhr-Region

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TW Kaufhof Karstadt _ September 2018 1320 Nr. 33 _ 2018

BUSINESS Warenhaus-Fusion

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ver erscheinen als das aktuell betriebene Wa-renhausgeschäft – schlecht insbesondere fürdie Fashion-Lieferanten, die für mehr als dieHälfte des Warenhaussortimentes stehen. Unmittelbar nach einem möglichen Zusam-menschluss der beiden K-Ketten dürfte nachExpertenmeinung wegen der hohen Kosten –etwa aus den Verpflichtungen der laufendenMietverträge oder für Sozialpläne für das Per-sonal – keine Schließungswelle zu erwartensein. Mittelfristig könnte sich das jedochgrundlegend ändern: Viele Beobachter er-warten in den kommenden vier bis fünf Jah-ren zahlreiche Schließungen – „30 bis 40“,meint zum Beispiel Klaus Striebich, als ehe-maliger ECE-Topmanager und Vorsitzenderdes German Council of Shopping Centers einKenner der Materie. Er ist sich bei dieser Schätzung mit vielenanderen Marktinsidern einig. „Alles anderewäre wirtschaftlich völlig unlogisch“, meintein Geschäftsführer, „mit fast 180 Standortenkönnte ein solches Unternehmen niemalsvernünftige Ergebnisse abliefern“. Striebichhält es zudem für unverzichtbar, dass ein Teilder übrig bleibenden Standorte verkleinertwird: „Niemand braucht ein Warenhaus mit

Im Geschäft mit Warenhäusern gibt es er-staunlich viele wichtige Begriffe, die mitdem Buchstaben I beginnen. Und manch-

mal haben sie alle etwas miteinander zu tun:Interessenten, zum Beispiel, Investoren, Im-mobilien – und auch Insolvenzen. Bei den Ver-handlungen über ein Joint Venture von Gale-ria Kaufhof (96 Häuser, Eigentümer Hudson’sBay Company HBC) und Karstadt (79 Häuser,Eigentümer Signa Holding) dürfte derzeit vorallem der Begriff Immobilien im Vordergrundstehen. Denn die sind seit jeher das entscheidendeAsset, wenn es in Deutschland um Waren-häuser geht. In den Gebäuden sehen die In-vestoren das große Wertsteigerungspotenzi-al – nicht so sehr im Handel mit Fashion,Schuhen oder Haushaltswaren. Weit weniger als die Hälfte der knapp 180Warenhausgebäude von Karstadt und Kauf-hof gehören Signa und HBC, der Großteil istangemietet. Und könnte folglich – im Fallemäßiger Umsatz- und Ertragszahlen samttrüben Ausblicks – bei Auslaufen der Miet-verträge relativ einfach geschlossen werden.HBC/Signa hätten zudem die Möglichkeit, anandere Nutzer unterzuvermieten, die lukrati-

Investoren, Insolvenzen,Immobilien

Die Verhandlungen über den

Zusammenschluss von

Karstadt und Kaufhof laufen.

Im Mittelpunkt dabei:

die einzelnen Häuser.

Die TW fragt:

Wem gehört was?

Bremen

Hannover

Hamburg

Leipzig

Erfurt

Ingolstadt

Kiel

Heilbronn

Mannheim

Offenbach

HallePaderborn

Osnabrück

Oldenburg

Ausschnitt

Wismar

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GoslarGütersloh

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Region

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KAUFHOF UND KARSTADT: DIE STANDORTE

Bonn

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Siegburg

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Duisburg EssenDortmundBochum

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Köln

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Euskirchen

Mülheim

Gummersbach

Hagen

Krefeld

Brühl

Mönchengladbach

Gelsenkirchen

Neuss

Siegburg

Solingen

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Legende:

96 x Kaufhof

davon 40 Immobilien im Eigentum von HBS

79 x Karstadt

Iserlohn

Hamm

Leverkusen

Duisburg

Essen

Dortmund

Düsseldorf

Rhein-Ruhr-Region

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14 TW Kaufhof Karstadt _ September 201822 Nr. 33 _ 2018

BUSINESS Warenhaus-Fusion

Nr. 33 _ 2018 23

620 Mio. Euro. Das Haus Breite Straße in Kölnsoll Steinmetz behalten haben.Auf der Homepage von Signa lassen sich alseigene Karstadt-Immobilien heute nur nochdie Häuser am Kurfürstendamm und am Her-mannplatz in Berlin sowie ein Teil der Filialeam Münchner Hauptbahnhof entdecken. Un-bestätigt ist das Gerücht, weitere Karstadt-Gebäude befänden sich bei Eigentümern „imDunstkreis von Signa“.Ansonsten ist das Eigentum breit gestreut.Unter den Vermietern sind sowohl institutio-nelle Investoren wie Redevco (Karstadt Viern-heim) und Union Investment (Hamburg-Wandsbek, Essen). Es gibt aber auch zahlrei-che Privateigentümer. Karstadt in Fulda zum

sieben Etagen.“ Die TW versucht eine Inven-tur: Wem gehören welche Kaufhaus-Immobi-lien? Und welche Folgen könnte eine Fusionhaben?

Die Karstadt-Häuser befinden sich in-zwischen bei einer Vielzahl von Eigentü-mern, nachdem der Chef der damaligen Mut-tergesellschaft Arcandor, Thomas Middel-hoff, sie 2006 in einem spektakulären Milliar-den-Deal an den von Goldman Sachs aufge-legten Fonds Highstreet verkauft hatte. Schondamals passierte, was zum Teil jetzt auch beiden Kaufhof-Immobilien zu beobachten ist:Um den Wert des Gebäude-Portfolios zu stei-gern, erhöhte der neue Eigentümer drastischdie Miete, das operative Geschäft des MietersWarenhaus geriet in die roten Zahlen. Bei Kar-stadt führte das 2009 gar zur Insolvenz. Nach der Pleite verkaufte Highstreet Stückfür Stück viele Häuser, die anschließend aber-mals weiterveräußert wurden. Einen Über-blick zu gewinnen, ist somit schwierig. NachAngaben der Immobilien-Zeitung, die wie dieTW in der dfv Mediengruppe erscheint, ge-hören Highstreet noch 24 Warenhäuser.Ende 2012 kaufte Signa – auch Eigentümerdes operativen Geschäftes von Karstadt – 17Gebäude der Essener Kette. Mit einem Volu-men von rund 1,1 Mrd. Euro war es der bedeu-tendste Immobilien-Deal des Jahres inDeutschland. Partner der Transaktion war dieBSG Group des israelischen Edelsteinunter-nehmers Beny Steinmetz. Die BSG Groupzahlte Signa 2015 aus und übernahm dasPortfolio in Eigenregie. Schon Ende 2017 verkaufte Steinmetz 13 Kar-stadt-Immobilien weiter, etwa die in Kon-stanz, Freiburg, Dortmund, Dresden, Nürn-berg und Hamburg, an die RFR Holding. DerUS-Fonds gilt damit als zweitgrößter Kar-stadt-Vermieter. Nach einem Bericht der Im-mobilien-Zeitung lag der Kaufpreis bei

Beispiel gehört der osthessischen Unterneh-merfamilie Schäfer, in Braunschweig undHannover kassiert Modeunternehmer Fried-rich Knapp (New Yorker) die Miete.Wer genau hinter der EigentümergesellschaftPetersstraße S.á.r.l. des Leipziger Hausessteht, ist nicht ganz klar. Nachdem die Gesell-schaft Karstadt aber eine Mieterhöhung um68 % geschickt hatte, die der Handelskonzernablehnte, folgte die Kündigung: Karstadtsucht jetzt in Leipzig schon mal nach neuenVermietern.

Bei den Kaufhof-Gebäuden ist die Si-tuation etwas übersichtlicher. Hier ist der do-minierende Eigentümer HBC selbst. Direktnach der Übernahme des Kaufhof von derMetro im Jahr 2015 hatte HBC – ähnlich wiezuvor schon bei ähnlichen Deals auf demamerikanischen Kontinent – für die Immobi-lien gemeinsam mit dem US-Immobilienin-vestor Simon Property ein Joint Venture ge-bildet: HBS. Die Anteile der Kanadier daranbelaufen sich laut Geschäftsbericht aktuellauf 62,4 %.Das Joint Venture umfasst 40 Immobilien vonKaufhof und eine der Offprice-Kette Saks Off5th , für die Investoren damals 2,6 Mrd. Eurogezahlt haben, darunter große Flaggschiffe inBerlin, Frankfurt, München, Köln und Düssel-dorf, aber auch Häuser in Hildesheim, Mön-chengladbach und Pforzheim. 18 weitereKaufhof-Immobilien, die nicht Teil von HBSwurden, liegen beim Warenhausunterneh-men selbst, zum Teil sind weitere Eigentümerbeteiligt. Die restlichen Standorte befindensich weitgehend in Streubesitz. An einigenHäusern, die zumeist Teil von Einkaufszen-tren sind, halten die Familie Otto bzw. derenShoppingcenter-Firma ECE Anteile. Etwa imHessen-Center in Frankfurt und im Alstertal-Einkaufszentrum in Hamburg.Um die Übernahme vor drei Jahren zu stem-

Ein Immobilienthema: Auf dem Weg zur Warenhaus-Fusion aus Galeria Kaufhof und Karstadt interessieren die Investoren weniger die Waren, als die Häuser.

„Stuttgart benötigt keine drei Warenhäuserund Fulda keine zwei.“ Er führt auch das ECE-Center Main-Taunus-Zentrum in Sulzbach beiFrankfurt an. Dort gibt es Karstadt und Kauf-hof. „Und dann auch noch Breuninger.“ ECEwürde lieber heute als morgen die Karstadt-Fläche in Mall-Fläche umwandeln, um dieAngebotsvielfalt im Center zu erhöhen. Striebich plädiert dafür, Filialen zu verklei-nern. Bei vielen gebe es in den oberen Etagenalternative Nutzungsmöglichkeiten, etwa alsHotel, Micro-Appartments, Fitness-Centeroder für Entertainment. Klug findet er SignasStrategie, sich andere Händler ins Haus zuholen. Erstens, um mit Mietern wie Aldi, dmoder Rossmann Geld zu verdienen. Und zwei-tens, um die Frequenz zu erhöhen. Insgesamtallerdings glaubt Striebich, dass es für Ver-mieter schwieriger wird, Nachmieter zu fin-den. „Die Nachfrage nach großen Flächen istzurückgegangen“, sagt er. Gerd Hessert, der bis 2000 als Direktor fürImmobilienentwicklung bei Karstadt warund heute als Lehrbeauftragter an der Univer-

men, nutzte HBC vor allem den Hebel Immo-bilien. Die Mieten sind nach dem Kauf kräftiggestiegen. Normal und nachvollziehbar, findet dieses Vorgehen ein Topmanager ausder Handelsimmobilienbranche. „Es gehtschließlich um Wertschöpfung.“ Kenner der Branche gehen davon aus, dassHBS durch dieses nicht gerade unübliche Ver-fahren den Buchwert des Portfolios mit ei-nem Schlag um mehrere 100 Mio. Euro ge-steigert hat. Solange das Warenhaus die Mie-te bezahlt, heißt es, sei die Kaufhof-Übernah-me ein lukrativer Deal für die Investoren.Trotz der Tatsache, dass das Warenhaus imoperativen Geschäft Millionen verbrennt.

Schließungen dürften ein Mittel sein,mit dem die Eigentümer nach einem Zusam-menschluss dafür sorgen wollen, dass die ro-ten Zahlen im operativen Geschäft des Kauf-hof wieder schwarz werden und die von Kar-stadt schwarz bleiben – neben Synergien et-wa beim Einkauf oder bei IT-Investitionen so-wie den Personalkosten. Ausreichende Ein-sparungen wird es nach Expertenmeinungaber mit dem bisherigen üppigen Filial-Port-folio nicht geben. Daneben gilt als sicher, dasseine der beiden – angemieteten – Hauptver-waltungen geschlossen wird.In den Städten ist die Sorge groß: Zu oft schonhaben Bürgermeister beobachten müssen,dass ihre Innenstädte regelrecht verödeten,nachdem am Ort Karstadt, Kaufhof oder Her-tie für immer die Türen geschlossen hatten. Für den früheren ECE-Manager Striebich sindvor allem Mehrfachstandorte überflüssig:

Häusern in der Wiener 1a-Lage Mariahilfer

Straße befinden sich das Upper West und

die Gebäude des KaDeWe in Berlin, des

Alsterhauses in Hamburg und des Ober-

pollinger in München in diesem noblen Topf.

Außerdem die Berliner Karstadt-Häuser am

Kurfürstendamm und am Hermannplatz.

Signa Retail mit dem operativen Geschäft

von Karstadt im Zentrum ist der Handels-

zweig des imposanten Imperiums des

41-jährigen Tirolers Benko, das nach ei-

genen Angaben Immobilien im Wert von

12 Mrd. Euro besitzt und verwaltet sowie

einen Retail-Umsatz von jährlich etwa

Wer in René Benkos (Foto) Signa Prime

Selection investiert ist, wird sich wohl auch

mit den Rendite stärksten Aktien der Welt

nicht mehr zufriedengeben: Großzügige

120 Mio. Euro schüttet der Luxus-Immobi-

lien-Fonds der Signa Holding für das ver-

gangene Jahr aus – etwa 1 Mio. Euro an Niki

Lauda, 3 Mio. Euro an Strabag-Gründer

Haselsteiner – nach Angaben des österrei-

chischen Magazins Trend ging der Großteil

des Geldregens an die Familie Benko selbst.

Neben vielen österreichischen Top-Immobi-

lien wie dem Kaufhaus Tyrol in Innsbruck

oder dem Goldenen Quartier in Wien und

4,5 Mrd. Euro erzielt. Gerade hat Signa für

rund 400 Mio. Euro die österreichische

Möbelhandelskette Kika/Leiner gekauft,

samt Immobilien. Die Fachwelt staunt über

die finanzielle Power der Gesellschaft.

Es gibt innerhalb von Signa Retail aber

auch einen Zweig, bei dem Immobilien eine

geringe Rolle spielen: Signa Sports United.

In dieser Gesellschaft befinden sich Online-

Händler wie StyleFile, Outfitter, Fahrrad.de,

Probikeshop, Tennispoint.de, Addnature und

Campz. Investoren sollen ihr Geld für das

Zukunftsthema Online-Handel geben: Ein

Börsengang ist in Vorbereitung. �

Benkos Baukasten

„Stuttgart benötigt keine

drei Warenhäuser und

Fulda keine zwei.“

Klaus Striebich,

früherer ECE-Manager

sität Leipzig arbeitet, nennt Häuser, für die erein neues Nutzungskonzept für erforderlichhält, wenn es zur Fusion kommen sollte: InBremen sei Kaufhof eindeutig schwächer alsKarstadt. „Auch die Braunschweiger Kaufhof-Filiale und Karstadt in Mainz zum Beispielsind in einer aussichtslosen Lage.“ Für ihn sind vor allem kleine Häuser chan-cenlos. Gera, Neubrandenburg, Brühl, Köln-Nippes, Solingen, Hamm. „Kaufhof hat davondeutlich mehr. Karstadt hat sich von seinenkleinen Häusern bereits vor Jahren im Rah-men von Karstadt Kompakt getrennt.“ Sieverschwanden als „Hertie“ in der Insolvenz.Insgesamt rechnet Hessert allerdings nichtmit einem großen Kahlschlag, weil die Schlie-ßungskosten sehr hoch sind, vor allem beiMietverträgen mit Restlaufzeiten von überfünf Jahren. Inklusive Abfindungen und Wa-renabschriften könne so eine Schließung biszu 10 Mio. Euro kosten. Seine Vermutung: „Ei-nige Häuser wird man wohl trotz leicht roterZahlen durchziehen und sie nach und nachaufgeben.“ Zudem dürften viele Vermieteraufgrund mangelnder Alternativen wohl zugroßen Kompromissen bereit sein.Karstadt hat das bereits durchexerziert: DieHäuser in Mönchengladbach-Rheydt undDessau standen schon auf der Schließungs-liste, wurden aber wieder runtergenommen.Offenbar, weil die Mietbelastung plötzlichdeutlich gesenkt wurde. Und es für Karstadtdamit wirtschaftlich wieder attraktiv er-schien, die Filialen weiterzubetreiben. �

JÖRG NOWICKI, HAGEN SEIDEL

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TW Kaufhof Karstadt _ September 2018 1522 Nr. 33 _ 2018

BUSINESS Warenhaus-Fusion

Nr. 33 _ 2018 23

620 Mio. Euro. Das Haus Breite Straße in Kölnsoll Steinmetz behalten haben.Auf der Homepage von Signa lassen sich alseigene Karstadt-Immobilien heute nur nochdie Häuser am Kurfürstendamm und am Her-mannplatz in Berlin sowie ein Teil der Filialeam Münchner Hauptbahnhof entdecken. Un-bestätigt ist das Gerücht, weitere Karstadt-Gebäude befänden sich bei Eigentümern „imDunstkreis von Signa“.Ansonsten ist das Eigentum breit gestreut.Unter den Vermietern sind sowohl institutio-nelle Investoren wie Redevco (Karstadt Viern-heim) und Union Investment (Hamburg-Wandsbek, Essen). Es gibt aber auch zahlrei-che Privateigentümer. Karstadt in Fulda zum

sieben Etagen.“ Die TW versucht eine Inven-tur: Wem gehören welche Kaufhaus-Immobi-lien? Und welche Folgen könnte eine Fusionhaben?

Die Karstadt-Häuser befinden sich in-zwischen bei einer Vielzahl von Eigentü-mern, nachdem der Chef der damaligen Mut-tergesellschaft Arcandor, Thomas Middel-hoff, sie 2006 in einem spektakulären Milliar-den-Deal an den von Goldman Sachs aufge-legten Fonds Highstreet verkauft hatte. Schondamals passierte, was zum Teil jetzt auch beiden Kaufhof-Immobilien zu beobachten ist:Um den Wert des Gebäude-Portfolios zu stei-gern, erhöhte der neue Eigentümer drastischdie Miete, das operative Geschäft des MietersWarenhaus geriet in die roten Zahlen. Bei Kar-stadt führte das 2009 gar zur Insolvenz. Nach der Pleite verkaufte Highstreet Stückfür Stück viele Häuser, die anschließend aber-mals weiterveräußert wurden. Einen Über-blick zu gewinnen, ist somit schwierig. NachAngaben der Immobilien-Zeitung, die wie dieTW in der dfv Mediengruppe erscheint, ge-hören Highstreet noch 24 Warenhäuser.Ende 2012 kaufte Signa – auch Eigentümerdes operativen Geschäftes von Karstadt – 17Gebäude der Essener Kette. Mit einem Volu-men von rund 1,1 Mrd. Euro war es der bedeu-tendste Immobilien-Deal des Jahres inDeutschland. Partner der Transaktion war dieBSG Group des israelischen Edelsteinunter-nehmers Beny Steinmetz. Die BSG Groupzahlte Signa 2015 aus und übernahm dasPortfolio in Eigenregie. Schon Ende 2017 verkaufte Steinmetz 13 Kar-stadt-Immobilien weiter, etwa die in Kon-stanz, Freiburg, Dortmund, Dresden, Nürn-berg und Hamburg, an die RFR Holding. DerUS-Fonds gilt damit als zweitgrößter Kar-stadt-Vermieter. Nach einem Bericht der Im-mobilien-Zeitung lag der Kaufpreis bei

Beispiel gehört der osthessischen Unterneh-merfamilie Schäfer, in Braunschweig undHannover kassiert Modeunternehmer Fried-rich Knapp (New Yorker) die Miete.Wer genau hinter der EigentümergesellschaftPetersstraße S.á.r.l. des Leipziger Hausessteht, ist nicht ganz klar. Nachdem die Gesell-schaft Karstadt aber eine Mieterhöhung um68 % geschickt hatte, die der Handelskonzernablehnte, folgte die Kündigung: Karstadtsucht jetzt in Leipzig schon mal nach neuenVermietern.

Bei den Kaufhof-Gebäuden ist die Si-tuation etwas übersichtlicher. Hier ist der do-minierende Eigentümer HBC selbst. Direktnach der Übernahme des Kaufhof von derMetro im Jahr 2015 hatte HBC – ähnlich wiezuvor schon bei ähnlichen Deals auf demamerikanischen Kontinent – für die Immobi-lien gemeinsam mit dem US-Immobilienin-vestor Simon Property ein Joint Venture ge-bildet: HBS. Die Anteile der Kanadier daranbelaufen sich laut Geschäftsbericht aktuellauf 62,4 %.Das Joint Venture umfasst 40 Immobilien vonKaufhof und eine der Offprice-Kette Saks Off5th , für die Investoren damals 2,6 Mrd. Eurogezahlt haben, darunter große Flaggschiffe inBerlin, Frankfurt, München, Köln und Düssel-dorf, aber auch Häuser in Hildesheim, Mön-chengladbach und Pforzheim. 18 weitereKaufhof-Immobilien, die nicht Teil von HBSwurden, liegen beim Warenhausunterneh-men selbst, zum Teil sind weitere Eigentümerbeteiligt. Die restlichen Standorte befindensich weitgehend in Streubesitz. An einigenHäusern, die zumeist Teil von Einkaufszen-tren sind, halten die Familie Otto bzw. derenShoppingcenter-Firma ECE Anteile. Etwa imHessen-Center in Frankfurt und im Alstertal-Einkaufszentrum in Hamburg.Um die Übernahme vor drei Jahren zu stem-

Ein Immobilienthema: Auf dem Weg zur Warenhaus-Fusion aus Galeria Kaufhof und Karstadt interessieren die Investoren weniger die Waren, als die Häuser.

„Stuttgart benötigt keine drei Warenhäuserund Fulda keine zwei.“ Er führt auch das ECE-Center Main-Taunus-Zentrum in Sulzbach beiFrankfurt an. Dort gibt es Karstadt und Kauf-hof. „Und dann auch noch Breuninger.“ ECEwürde lieber heute als morgen die Karstadt-Fläche in Mall-Fläche umwandeln, um dieAngebotsvielfalt im Center zu erhöhen. Striebich plädiert dafür, Filialen zu verklei-nern. Bei vielen gebe es in den oberen Etagenalternative Nutzungsmöglichkeiten, etwa alsHotel, Micro-Appartments, Fitness-Centeroder für Entertainment. Klug findet er SignasStrategie, sich andere Händler ins Haus zuholen. Erstens, um mit Mietern wie Aldi, dmoder Rossmann Geld zu verdienen. Und zwei-tens, um die Frequenz zu erhöhen. Insgesamtallerdings glaubt Striebich, dass es für Ver-mieter schwieriger wird, Nachmieter zu fin-den. „Die Nachfrage nach großen Flächen istzurückgegangen“, sagt er. Gerd Hessert, der bis 2000 als Direktor fürImmobilienentwicklung bei Karstadt warund heute als Lehrbeauftragter an der Univer-

men, nutzte HBC vor allem den Hebel Immo-bilien. Die Mieten sind nach dem Kauf kräftiggestiegen. Normal und nachvollziehbar, findet dieses Vorgehen ein Topmanager ausder Handelsimmobilienbranche. „Es gehtschließlich um Wertschöpfung.“ Kenner der Branche gehen davon aus, dassHBS durch dieses nicht gerade unübliche Ver-fahren den Buchwert des Portfolios mit ei-nem Schlag um mehrere 100 Mio. Euro ge-steigert hat. Solange das Warenhaus die Mie-te bezahlt, heißt es, sei die Kaufhof-Übernah-me ein lukrativer Deal für die Investoren.Trotz der Tatsache, dass das Warenhaus imoperativen Geschäft Millionen verbrennt.

Schließungen dürften ein Mittel sein,mit dem die Eigentümer nach einem Zusam-menschluss dafür sorgen wollen, dass die ro-ten Zahlen im operativen Geschäft des Kauf-hof wieder schwarz werden und die von Kar-stadt schwarz bleiben – neben Synergien et-wa beim Einkauf oder bei IT-Investitionen so-wie den Personalkosten. Ausreichende Ein-sparungen wird es nach Expertenmeinungaber mit dem bisherigen üppigen Filial-Port-folio nicht geben. Daneben gilt als sicher, dasseine der beiden – angemieteten – Hauptver-waltungen geschlossen wird.In den Städten ist die Sorge groß: Zu oft schonhaben Bürgermeister beobachten müssen,dass ihre Innenstädte regelrecht verödeten,nachdem am Ort Karstadt, Kaufhof oder Her-tie für immer die Türen geschlossen hatten. Für den früheren ECE-Manager Striebich sindvor allem Mehrfachstandorte überflüssig:

Häusern in der Wiener 1a-Lage Mariahilfer

Straße befinden sich das Upper West und

die Gebäude des KaDeWe in Berlin, des

Alsterhauses in Hamburg und des Ober-

pollinger in München in diesem noblen Topf.

Außerdem die Berliner Karstadt-Häuser am

Kurfürstendamm und am Hermannplatz.

Signa Retail mit dem operativen Geschäft

von Karstadt im Zentrum ist der Handels-

zweig des imposanten Imperiums des

41-jährigen Tirolers Benko, das nach ei-

genen Angaben Immobilien im Wert von

12 Mrd. Euro besitzt und verwaltet sowie

einen Retail-Umsatz von jährlich etwa

Wer in René Benkos (Foto) Signa Prime

Selection investiert ist, wird sich wohl auch

mit den Rendite stärksten Aktien der Welt

nicht mehr zufriedengeben: Großzügige

120 Mio. Euro schüttet der Luxus-Immobi-

lien-Fonds der Signa Holding für das ver-

gangene Jahr aus – etwa 1 Mio. Euro an Niki

Lauda, 3 Mio. Euro an Strabag-Gründer

Haselsteiner – nach Angaben des österrei-

chischen Magazins Trend ging der Großteil

des Geldregens an die Familie Benko selbst.

Neben vielen österreichischen Top-Immobi-

lien wie dem Kaufhaus Tyrol in Innsbruck

oder dem Goldenen Quartier in Wien und

4,5 Mrd. Euro erzielt. Gerade hat Signa für

rund 400 Mio. Euro die österreichische

Möbelhandelskette Kika/Leiner gekauft,

samt Immobilien. Die Fachwelt staunt über

die finanzielle Power der Gesellschaft.

Es gibt innerhalb von Signa Retail aber

auch einen Zweig, bei dem Immobilien eine

geringe Rolle spielen: Signa Sports United.

In dieser Gesellschaft befinden sich Online-

Händler wie StyleFile, Outfitter, Fahrrad.de,

Probikeshop, Tennispoint.de, Addnature und

Campz. Investoren sollen ihr Geld für das

Zukunftsthema Online-Handel geben: Ein

Börsengang ist in Vorbereitung. �

Benkos Baukasten

„Stuttgart benötigt keine

drei Warenhäuser und

Fulda keine zwei.“

Klaus Striebich,

früherer ECE-Manager

sität Leipzig arbeitet, nennt Häuser, für die erein neues Nutzungskonzept für erforderlichhält, wenn es zur Fusion kommen sollte: InBremen sei Kaufhof eindeutig schwächer alsKarstadt. „Auch die Braunschweiger Kaufhof-Filiale und Karstadt in Mainz zum Beispielsind in einer aussichtslosen Lage.“ Für ihn sind vor allem kleine Häuser chan-cenlos. Gera, Neubrandenburg, Brühl, Köln-Nippes, Solingen, Hamm. „Kaufhof hat davondeutlich mehr. Karstadt hat sich von seinenkleinen Häusern bereits vor Jahren im Rah-men von Karstadt Kompakt getrennt.“ Sieverschwanden als „Hertie“ in der Insolvenz.Insgesamt rechnet Hessert allerdings nichtmit einem großen Kahlschlag, weil die Schlie-ßungskosten sehr hoch sind, vor allem beiMietverträgen mit Restlaufzeiten von überfünf Jahren. Inklusive Abfindungen und Wa-renabschriften könne so eine Schließung biszu 10 Mio. Euro kosten. Seine Vermutung: „Ei-nige Häuser wird man wohl trotz leicht roterZahlen durchziehen und sie nach und nachaufgeben.“ Zudem dürften viele Vermieteraufgrund mangelnder Alternativen wohl zugroßen Kompromissen bereit sein.Karstadt hat das bereits durchexerziert: DieHäuser in Mönchengladbach-Rheydt undDessau standen schon auf der Schließungs-liste, wurden aber wieder runtergenommen.Offenbar, weil die Mietbelastung plötzlichdeutlich gesenkt wurde. Und es für Karstadtdamit wirtschaftlich wieder attraktiv er-schien, die Filialen weiterzubetreiben. �

JÖRG NOWICKI, HAGEN SEIDEL

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16 TW Kaufhof Karstadt _ September 201828 Nr. 34 _ 2018

BUSINESS Warenhäuser

Nr. 34 _ 2018 29

Das zweite Leben

der Warenhäuser

Falls Karstadt und Kaufhof

zusammengehen, erwarten

Experten die Schließung von

weiteren Filialen.

Bürgermeister fürchten um

ihre Innenstädte. Die TW hat

Beispiele für neue

Nutzungen gesammelt.

schwachen Regionen.„Man braucht kreative Nutzungsideen für diverse Immobilienberei-che wie Einzelhandel, Büro, Hotel, Wohnen und für die Konzeptiongute Architekten. Dann gibt es immer eine Lösung“, glaubt MartinMörl, Geschäftsführer der Prelios Immobilien Management GmbH inHamburg. Das Unternehmen hat Erfahrung unter anderem mit demBahnhof Altona Shopping in Hamburg, arbeitet für das vielfachausgezeichnete Lago in Konstanz und ist jetzt auch Projektentwick-ler des Husum Shopping Center. Und tatsächlich gibt es zahlreiche Beispiele für Neustarts. AberHandel spielt dabei selten eine so dominierende Rolle wie beimHusumer Projekt oder im früheren Karstadt-Haus in der 135.000Einwohner-Stadt Bottrop: Hier eröffnet das Unternehmerpaar Wit-tenberg von der Moses-Sauer-Gruppe am 27. September auf 7000 m2

ihr Warenhaus ausschließlich mit Retail und Food. „Es geht richtigrund in Bottrop“, verspricht Norbert Wittenberg.Büros und Wohnungen scheinen inzwischen beim Neustart aberoftmals einträglicher: Gerade hat die Aachener Landmarken AGbekanntgegeben, dass sie im seit 2009 leerstehenden früheren Her-tie-Haus in Herne (150.000 Einwohner) fast 6000 m2 an Büroflächevermietet hat, unter anderem an den Co-Working-Anbieter Regus.Fast noch einmal soviel Fläche soll an Händler und Gastronomengehen, hier werden noch Mieter gesucht. Laut Plan wird nach denUmbauarbeiten im Jahr 2020 das neue Leben beginnen. Der frühere Karstadt in Recklinghausen (110.000 Einwohner) soll als„Markt Quartier“ wiedergeboren werden. Nach zwei Jahren ohneNutzung liegen seit dem Frühjahr Bauantrag und Nutzungskonzeptfür den 30.000 m2“-Kasten vor: Hotel, betreutes Wohnen, Kinder-tagesstätte, Büro, Gastronomie – und ein bisschen Einzelhandel. Erfreue sich sehr, „dass ein signifikanter Leerstand im Herzen derAltstadt beseitigt wird“, erklärte der Bürgermeister. Wie mühsamdas Projekt „Zweites Leben“ werden kann, ist etwa in der 60.000-

Peter Cohrs ist ganz froh, dass er Erfahrung als Marathonläuferhat. Durchhaltewillen, Frustrationstoleranz, schwierige Stre-ckenabschnitte einfach mal ausblenden – all das lernt man,

wenn man die lange Strecke rennt. Das hilft dem Geschäftsführerund Eigentümer von CJ Schmidt in Husum auch bei seinem Zweit-projekt: der dauerhaften Wiederbelebung des ehemaligen Hertie-Hauses in der 25.000-Einwohner-Stadt. „Als Händler denken wir jakurzfristig, in Kollektionen und Saisons. Aber diese Projektentwick-lung – das ist schon eine ganz andere Nummer. Das ist wirklichLangstreckenlauf“, sagt er.35 Läden sollen in dem 12.000 m2 großen Bau Platz finden. 70 % sindschon vermietet, etwa an H & M, Esprit, Takko, Vero Moda, Only,Schuhpark Fascies, Bijou Brigitte. Auch Edeka und dm werden ein-ziehen, die norddeutsche Parfümerie-Kette Schuback, Beauty& More.Ein Foodcourt kommt. CJ Schmidt plant ebenfalls einen eigenenStore mit einem neuen Konzept.Neun Jahre ist es her, dass die Warenhauskette Hertie Insolvenzanmeldete und alle ihre Häuser schloss. Husum, Rendsburg, Rheine,Herne und Schleswig – zahlreiche Innenstädte hatten plötzlicheinen wichtigen Frequenz-Magneten verloren. Das Horror-Szenariojedes Bürgermeisters wurde Realität: Eine Kaufhaus-Ruine gammeltin der City vor sich hin und zieht die Nachbarschaft mit runter.Zwar konnten inzwischen viele solcher Standorte wiederbelebtwerden – aber längst nicht immer als Shopping-Destinationen.Im Vorfeld eines möglichen Zusammenschlusses von Karstadt undKaufhof befürchten Händler und Stadtobere bald die nächste Wellevon Warenhausschließungen. 30 bis 40 Häuser, meinen Experten,könnten in den kommenden vier bis fünf Jahren schließen. Immerhin: Im Unterschied zum Hertie-Drama von 2009 haben diemeisten K-Häuser in größeren Städten bessere Chancen auf neueNutzung. Hertie bestand damals ausschließlich aus den von Kar-stadt abgeschobenen kleineren Häusern in wirtschaftlich oftmals

Beispiel Husum:

Das alte Hertie-Haus

(oben) ist inzwischen

weg, im Herbst 2019

soll an gleicher Stelle

das neue Shopping

Center öffnen.

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TW Kaufhof Karstadt _ September 2018 1728 Nr. 34 _ 2018

BUSINESS Warenhäuser

Nr. 34 _ 2018 29

Das zweite Leben

der Warenhäuser

Falls Karstadt und Kaufhof

zusammengehen, erwarten

Experten die Schließung von

weiteren Filialen.

Bürgermeister fürchten um

ihre Innenstädte. Die TW hat

Beispiele für neue

Nutzungen gesammelt.

schwachen Regionen.„Man braucht kreative Nutzungsideen für diverse Immobilienberei-che wie Einzelhandel, Büro, Hotel, Wohnen und für die Konzeptiongute Architekten. Dann gibt es immer eine Lösung“, glaubt MartinMörl, Geschäftsführer der Prelios Immobilien Management GmbH inHamburg. Das Unternehmen hat Erfahrung unter anderem mit demBahnhof Altona Shopping in Hamburg, arbeitet für das vielfachausgezeichnete Lago in Konstanz und ist jetzt auch Projektentwick-ler des Husum Shopping Center. Und tatsächlich gibt es zahlreiche Beispiele für Neustarts. AberHandel spielt dabei selten eine so dominierende Rolle wie beimHusumer Projekt oder im früheren Karstadt-Haus in der 135.000Einwohner-Stadt Bottrop: Hier eröffnet das Unternehmerpaar Wit-tenberg von der Moses-Sauer-Gruppe am 27. September auf 7000 m2

ihr Warenhaus ausschließlich mit Retail und Food. „Es geht richtigrund in Bottrop“, verspricht Norbert Wittenberg.Büros und Wohnungen scheinen inzwischen beim Neustart aberoftmals einträglicher: Gerade hat die Aachener Landmarken AGbekanntgegeben, dass sie im seit 2009 leerstehenden früheren Her-tie-Haus in Herne (150.000 Einwohner) fast 6000 m2 an Büroflächevermietet hat, unter anderem an den Co-Working-Anbieter Regus.Fast noch einmal soviel Fläche soll an Händler und Gastronomengehen, hier werden noch Mieter gesucht. Laut Plan wird nach denUmbauarbeiten im Jahr 2020 das neue Leben beginnen. Der frühere Karstadt in Recklinghausen (110.000 Einwohner) soll als„Markt Quartier“ wiedergeboren werden. Nach zwei Jahren ohneNutzung liegen seit dem Frühjahr Bauantrag und Nutzungskonzeptfür den 30.000 m2“-Kasten vor: Hotel, betreutes Wohnen, Kinder-tagesstätte, Büro, Gastronomie – und ein bisschen Einzelhandel. Erfreue sich sehr, „dass ein signifikanter Leerstand im Herzen derAltstadt beseitigt wird“, erklärte der Bürgermeister. Wie mühsamdas Projekt „Zweites Leben“ werden kann, ist etwa in der 60.000-

Peter Cohrs ist ganz froh, dass er Erfahrung als Marathonläuferhat. Durchhaltewillen, Frustrationstoleranz, schwierige Stre-ckenabschnitte einfach mal ausblenden – all das lernt man,

wenn man die lange Strecke rennt. Das hilft dem Geschäftsführerund Eigentümer von CJ Schmidt in Husum auch bei seinem Zweit-projekt: der dauerhaften Wiederbelebung des ehemaligen Hertie-Hauses in der 25.000-Einwohner-Stadt. „Als Händler denken wir jakurzfristig, in Kollektionen und Saisons. Aber diese Projektentwick-lung – das ist schon eine ganz andere Nummer. Das ist wirklichLangstreckenlauf“, sagt er.35 Läden sollen in dem 12.000 m2 großen Bau Platz finden. 70 % sindschon vermietet, etwa an H & M, Esprit, Takko, Vero Moda, Only,Schuhpark Fascies, Bijou Brigitte. Auch Edeka und dm werden ein-ziehen, die norddeutsche Parfümerie-Kette Schuback, Beauty& More.Ein Foodcourt kommt. CJ Schmidt plant ebenfalls einen eigenenStore mit einem neuen Konzept.Neun Jahre ist es her, dass die Warenhauskette Hertie Insolvenzanmeldete und alle ihre Häuser schloss. Husum, Rendsburg, Rheine,Herne und Schleswig – zahlreiche Innenstädte hatten plötzlicheinen wichtigen Frequenz-Magneten verloren. Das Horror-Szenariojedes Bürgermeisters wurde Realität: Eine Kaufhaus-Ruine gammeltin der City vor sich hin und zieht die Nachbarschaft mit runter.Zwar konnten inzwischen viele solcher Standorte wiederbelebtwerden – aber längst nicht immer als Shopping-Destinationen.Im Vorfeld eines möglichen Zusammenschlusses von Karstadt undKaufhof befürchten Händler und Stadtobere bald die nächste Wellevon Warenhausschließungen. 30 bis 40 Häuser, meinen Experten,könnten in den kommenden vier bis fünf Jahren schließen. Immerhin: Im Unterschied zum Hertie-Drama von 2009 haben diemeisten K-Häuser in größeren Städten bessere Chancen auf neueNutzung. Hertie bestand damals ausschließlich aus den von Kar-stadt abgeschobenen kleineren Häusern in wirtschaftlich oftmals

Beispiel Husum:

Das alte Hertie-Haus

(oben) ist inzwischen

weg, im Herbst 2019

soll an gleicher Stelle

das neue Shopping

Center öffnen.

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18 TW Kaufhof Karstadt _ September 201830 Nr. 34 _ 2018

BUSINESS Warenhäuser

Einwohner-Stadt Rüsselsheim zu besichtigen: Dort schloss irgend-wann Karstadt, aber fast 20 Jahre lang interessierte sich kein In-vestor für das Grundstück in der Innenstadt. Jetzt beschloss dieStadtverordnetenversammlung, dort Wohnungen bauen zu lassen.Und auch noch den Großteil der Abrisskosten von mehr als 1 Mio.Euro zu übernehmen – nur, damit dort endlich etwas vorwärtsgeht.Abriss-Zuschüsse sind gar nicht so selten: Auch für den Hertie-Bauin Schleswig (24.000 Einwohner) gab es einen, von der Landesregie-rung. Dennoch konnten nicht gleich die Bagger anrollen: Es hattensich Fledermäuse im ungenutzten Haus eingenistet. Das Problem zulösen, kostete ein paar Wochen.Das ehemalige Hertie-Haus in Rendsburg (28.000 Einwohner) wirdein innerstädtisches Seniorenwohnheim. Junge Leute ziehen da-gegen ein, wo nach Leerstand und Abriss im Frühjahr noch dasKarstadt Technik-Haus in Dortmund (580.000 Einwohner) stand:2020 sollen 430 Studenten-Appartements fertig sein, dazu kommenLadenlokale und Gastronomie-Flächen. Aus dem Kaufhof in Lud-wigshafen (160.000 Einwohner) werden Büros und das Kunden-zentrum eines Energieversorgers – ins Erdgeschoss kommen Läden.

Hier wie an so vielen Standorten, an denen das alte Ge-bäudeskelett erhalten blieb, mussten zu Beginn des Umbaus dieganz großen Sägen und Hämmer angesetzt werden: In die riesigenEtagenflächen wurden Löcher geschnitten, um Lichthöfe zu schaffen.Sonst wäre es zu dunkel geworden. Jetzt rächt sich, dass die Ge-bäude und ihre Treppenhäuser, Nebenflächen oder Flächentiefen inden sechziger oder siebziger Jahren des vergangenen Jahrhundertsnur für einen Zweck konstruiert worden waren: Warenhaus. Oftspricht deshalb mehr für Abriss als für Umbau. Besonders problematisch ist, was Projektentwickler Mörl „Vertikali-

tät“ nennt: „Vor zehn Jahren war es noch einfacher, heute lässt sichoberhalb des zweiten OG in kleineren Städten kaum noch Einzel-handel positionieren. Insofern müssen in oberen Etagen andereNutzungen wie Büro oder Wohnen integriert werden,“ so Mörl.Auf der anderen Seite glänzen Warenhäuser zumeist mit Top-Stand-orten in den Innenstädten, oft in Kombination mit einem Parkhausund mit erheblichen innerstädtischen Flächenpotenzialen in Hoch-frequenzlage. Das macht die Sache wieder interessant.Besonders in großen Städten: Im früheren Kaufhof an der BerlinerAllee in Düsseldorf mit seinen 600.000 Einwohnern ist nach auf-wändigen Umbauarbeiten neben einem Hotel plus Parkhaus imFrühjahr ein spektakulärer 10.000 m2 Edeka-Markt mit diversenFood-Inseln auf zwei Etagen eingezogen. Eine „Herausforderung“ seidie Größe für das Familienunternehmen tatsächlich, sagt Geschäfts-führer Rüdiger Zurheide. „Zugegebenermaßen: Viele unserer Kundenmüssen sich noch an die Größe und das riesige Angebot gewöhnen.Da verläuft sich schon mal der eine oder andere.“ Aber inzwischenwerde die üppige Fläche zum Vorteil, weil Kunden bei jedem Besuchetwas neues entdecken könnten.

Auch wenn Zurheide – nicht zuletzt bei seinen Gastronomie-Angeboten – von der Nähe zur Kö, von ausländischen Geschäfts-leuten und Touristen profitiert, kann er sich das Konzept „großerSupermarkt in früherem Warenhaus“ auch in kleineren Städtenvorstellen – wenn der Betreiber Geduld hat: „Man kann nicht davonausgehen, dass das Konzept sofort die Menschenmassen hineinzieht.Denn für viele Kunden ist es eine neue Erfahrung, einen Supermarktmit gastronomischem Angebot auf zwei Etagen zu erleben.“Zurück nach Husum: „Das ist schon eine herbe wirtschaftlicheSchwächung für den Standort, wenn so ein Warenhaus schließt“,

Beispiel Düsseldorf: Ins „Crown“, den früheren Kaufhof an der Berliner Allee, ist auf 10.000 m2 und zwei Etagen ein Supermarkt der Superlative eingezogen.

Nr. 34 _ 2018 31

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sagt Peter Cohrs. Doch er glaubte immer an die zweite Chance fürdas Hertie-Haus – und daran, dass vor Ort unterhalb des Sortimentsseines Platzhirschhauses noch Platz ist. Auf die jährlich drei Milli-onen Tagestouristen richtet man sich gerne ein. Mit einer Zen-tralitätsziffer von 222, für Mode sogar von 500, liegt das Mittel-zentrum sehr gut im Rennen. „Wenn die Substanz einer Stadt intakt ist, ist es gar nicht so schwie-rig, einen ehemaligen Warenhausstandort wiederzubeleben“, hatCohrs festgestellt. Er sei „positiv überrascht, wie viele Nachfragenwir bekommen haben, als unser Projekt bekannt wurde“. 50 Mio. Euro, heißt es, nehme die Investorengruppe aus CJ Schmidt,einem strategischen Immobilieninvestor und einem Privatmann fürdas Projekt aus der Region in die Hand. Der Rohbau ist fast fertig,auch der für die 650 Parkplätze im zweiten und dritten OG.

CJ Schmidt hatte sich schon 2010, also kurz nach der Hertie-Insolvenz, als Mieter das Haus samt Einrichtung gesichert, undbetrieb hier als Übergangslösung zunächst einen Schnäppchen-markt. „Damit das Haus nicht leer steht“. Doch der Start im Winterwar schwierig: Da Rechnungen des Vornutzers unbezahlt gebliebenwaren, hatten die Stadtwerke alle Hähne zugedreht. „Wir haben dasHaus bei Minustemperaturen sozusagen tiefgefroren übernommen“,erinnert sich Cohrs.„Solche Standorte, von denen Kunden innerhalb einer halben Stundeattraktive Großstädte mit vielseitigem Einzelhandelsangebot errei-chen, haben es besonders schwer“, weiß Projektentwickler Mörl ausErfahrung. „Es fehlten in vielen Fällen private Investoren, die sich ansolche Warenhausprojekte wagten, obwohl es vielleicht Potenzialgibt. Peter Cohrs in Husum ist da eine Ausnahme.“Mörls Unternehmen hat Erfahrung mit leeren Warenhäusern. 2006

gestaltete Prelios den aufgegebenen Kaufhof am Bahnhof Hamburg-Altona um: Auf 16.000 m2 befinden sich in der Hochfrequenzlageseither ein Media Markt, dazu kleinere und mittelgroße Läden wieDrogerie, Buchhandlung und Bäcker plus Gastronomie, Fitnessstudiound Parkhaus. Es scheint zu laufen: Nur ein Mieter habe seinenVertrag nach den ersten zehn Jahren nicht verlängert.Es sei entscheidend für den Erfolg, Sortimente und Marken ins Cen-ter zu holen, die es vor Ort noch nicht gibt. „So gehen wir geradeauch in Husum vor. Ein hoher Anteil an Lebensmitteln und Gas-tronomie sind dabei wichtig für die Versorgung und die Aufent-haltsqualität“, so Mörl. Die Auswahl werde durch das überall verfüg-bare Online-Angebot allerdings immer anspruchsvoller.

Vom Glück der Husumer können sie in anderen Kleinstädtennur träumen. Angesichts steigender Baukosten und sinkender Miet-erwartungen aus dem Einzelhandel wird es nicht gerade attraktiver,in Orten dieser Größe in Handelsimmobilien zu investieren. VieleGeldgeber tragen ihre Millionen lieber in die Großstädte: Hier stei-gen Nachfrage und Mietniveau für Büros, Hotels und Wohnungen. Gibt es also kaum Chancen für kleine oder mittelgroße Städte, de-nen das Warenhaus verlorengeht? Mörl macht Hoffnung: „Ich seheden Trend, dass die klassische Warenhausfläche kleiner, die fürLebensmittelhändler, Gastronomie, Büros, Hotels, Arztpraxen, Woh-nungen, für Fitness- oder Freizeitnutzungen aber eher steigen wird.Unter dem Strich kann sich eine Auswahl aus diesem Mix für denVermieter auch in kleinen Städten rechnen.“ �

HAGEN SEIDEL

Wir kämpfen für unser Karstadt-Haus. Kämpfen Sie mit!” So formu-lierte es schon 2009 die Filiallei-

tung von Karstadt Iserlohn in einem Brief andie Kunden. Das Tafelsilber, sprich die Immo-bilie im Zentrum der Stadt, war da längstnicht mehr im Eigentum des Unternehmens.Ein Konsortium aus Investoren namensHighstreet hatte die Häuser gekauft. Wirklich geholfen hat das nicht. Kurz nachdem Solidaritätsaufruf folgten der Insolvenz-antrag der Muttergesellschaft Arcandor undschwierige Jahre, in denen nicht klar war, obder Warenhauskonzern überleben würde. Genau für diesen Fall, dass irgendwannSchluss sein könnte, wollte man sich deshalbin Iserlohn langfristig wappnen. 2015 sorgtendie Stadtoberen für bundesweite Schlagzei-len, weil sie mit Geld aus dem Stadtsäckel füreinen hohen einstelligen Millionenbetrag dieKarstadt-Immobilie kauften. Das 13.000 m2

große Warenhaus liegt seit 1967 am Schil-

lerplatz. Das „KaDeWe“ des Sauerlands wurdees früher stolz genannt. Gemeinsam mit der Sparkasse und dem Rat-haus bildet Karstadt am Schillerplatz das Zen-trum der Stadt. Ein stark sanierungsbedürfti-ges Zentrum. „Wir wollen den Platz und das

Areal neu entwickeln. Es war aber schwer füruns, mit einem Investor wie Highstreet zu-sammenzuarbeiten. Oft war dort niemand er-reichbar, Entscheidungen brauchten ewigoder wurden nicht gefällt“, sagt ThomasJunge von der Iserlohner Wirschaftsförde-rung. Deshalb habe man sich entschieden, dieImmobilie zu kaufen, um endlich Entschei-dungen treffen und planen zu können. Dassei im übrigen kein Minusgeschäft. „Wir be-kommen ja Miete dafür.“Nun stehen die Planungen. Und in einer eu-ropaweiten Ausschreibung hofft man, mög-lichst bald einen Investor für das Areal zufinden. Der soll dann auch die Karstadt-Im-mobilie kaufen und umbauen. Der Mietver-trag mit Karstadt läuft noch bis 2022. „Bislanggibt es keine Signale, dass Karstadt dann auf-hört“, sagt Junge. Trotzdem hat man vorge-sorgt. Die neuen Pläne sehen vor, dass Kar-stadt die Fläche verkleinern könnte und dafürandere Mieter in das Haus einziehen. � NO

Kämpfen in Iserlohn

Beispiel Iserlohn: Stadt kauft Kaufhaus

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Um das Areal rund um die Karstadt-Filiale neu zu entwickeln, hat die Stadt Iserlohn

die Immobilie selbst übernommen. Und sucht jetzt einen neuen Investor.

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TW Kaufhof Karstadt _ September 2018 19 30 Nr. 34 _ 2018

BUSINESS Warenhäuser

Einwohner-Stadt Rüsselsheim zu besichtigen: Dort schloss irgend-wann Karstadt, aber fast 20 Jahre lang interessierte sich kein In-vestor für das Grundstück in der Innenstadt. Jetzt beschloss dieStadtverordnetenversammlung, dort Wohnungen bauen zu lassen.Und auch noch den Großteil der Abrisskosten von mehr als 1 Mio.Euro zu übernehmen – nur, damit dort endlich etwas vorwärtsgeht.Abriss-Zuschüsse sind gar nicht so selten: Auch für den Hertie-Bauin Schleswig (24.000 Einwohner) gab es einen, von der Landesregie-rung. Dennoch konnten nicht gleich die Bagger anrollen: Es hattensich Fledermäuse im ungenutzten Haus eingenistet. Das Problem zulösen, kostete ein paar Wochen.Das ehemalige Hertie-Haus in Rendsburg (28.000 Einwohner) wirdein innerstädtisches Seniorenwohnheim. Junge Leute ziehen da-gegen ein, wo nach Leerstand und Abriss im Frühjahr noch dasKarstadt Technik-Haus in Dortmund (580.000 Einwohner) stand:2020 sollen 430 Studenten-Appartements fertig sein, dazu kommenLadenlokale und Gastronomie-Flächen. Aus dem Kaufhof in Lud-wigshafen (160.000 Einwohner) werden Büros und das Kunden-zentrum eines Energieversorgers – ins Erdgeschoss kommen Läden.

Hier wie an so vielen Standorten, an denen das alte Ge-bäudeskelett erhalten blieb, mussten zu Beginn des Umbaus dieganz großen Sägen und Hämmer angesetzt werden: In die riesigenEtagenflächen wurden Löcher geschnitten, um Lichthöfe zu schaffen.Sonst wäre es zu dunkel geworden. Jetzt rächt sich, dass die Ge-bäude und ihre Treppenhäuser, Nebenflächen oder Flächentiefen inden sechziger oder siebziger Jahren des vergangenen Jahrhundertsnur für einen Zweck konstruiert worden waren: Warenhaus. Oftspricht deshalb mehr für Abriss als für Umbau. Besonders problematisch ist, was Projektentwickler Mörl „Vertikali-

tät“ nennt: „Vor zehn Jahren war es noch einfacher, heute lässt sichoberhalb des zweiten OG in kleineren Städten kaum noch Einzel-handel positionieren. Insofern müssen in oberen Etagen andereNutzungen wie Büro oder Wohnen integriert werden,“ so Mörl.Auf der anderen Seite glänzen Warenhäuser zumeist mit Top-Stand-orten in den Innenstädten, oft in Kombination mit einem Parkhausund mit erheblichen innerstädtischen Flächenpotenzialen in Hoch-frequenzlage. Das macht die Sache wieder interessant.Besonders in großen Städten: Im früheren Kaufhof an der BerlinerAllee in Düsseldorf mit seinen 600.000 Einwohnern ist nach auf-wändigen Umbauarbeiten neben einem Hotel plus Parkhaus imFrühjahr ein spektakulärer 10.000 m2 Edeka-Markt mit diversenFood-Inseln auf zwei Etagen eingezogen. Eine „Herausforderung“ seidie Größe für das Familienunternehmen tatsächlich, sagt Geschäfts-führer Rüdiger Zurheide. „Zugegebenermaßen: Viele unserer Kundenmüssen sich noch an die Größe und das riesige Angebot gewöhnen.Da verläuft sich schon mal der eine oder andere.“ Aber inzwischenwerde die üppige Fläche zum Vorteil, weil Kunden bei jedem Besuchetwas neues entdecken könnten.

Auch wenn Zurheide – nicht zuletzt bei seinen Gastronomie-Angeboten – von der Nähe zur Kö, von ausländischen Geschäfts-leuten und Touristen profitiert, kann er sich das Konzept „großerSupermarkt in früherem Warenhaus“ auch in kleineren Städtenvorstellen – wenn der Betreiber Geduld hat: „Man kann nicht davonausgehen, dass das Konzept sofort die Menschenmassen hineinzieht.Denn für viele Kunden ist es eine neue Erfahrung, einen Supermarktmit gastronomischem Angebot auf zwei Etagen zu erleben.“Zurück nach Husum: „Das ist schon eine herbe wirtschaftlicheSchwächung für den Standort, wenn so ein Warenhaus schließt“,

Beispiel Düsseldorf: Ins „Crown“, den früheren Kaufhof an der Berliner Allee, ist auf 10.000 m2 und zwei Etagen ein Supermarkt der Superlative eingezogen.

Nr. 34 _ 2018 31

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sagt Peter Cohrs. Doch er glaubte immer an die zweite Chance fürdas Hertie-Haus – und daran, dass vor Ort unterhalb des Sortimentsseines Platzhirschhauses noch Platz ist. Auf die jährlich drei Milli-onen Tagestouristen richtet man sich gerne ein. Mit einer Zen-tralitätsziffer von 222, für Mode sogar von 500, liegt das Mittel-zentrum sehr gut im Rennen. „Wenn die Substanz einer Stadt intakt ist, ist es gar nicht so schwie-rig, einen ehemaligen Warenhausstandort wiederzubeleben“, hatCohrs festgestellt. Er sei „positiv überrascht, wie viele Nachfragenwir bekommen haben, als unser Projekt bekannt wurde“. 50 Mio. Euro, heißt es, nehme die Investorengruppe aus CJ Schmidt,einem strategischen Immobilieninvestor und einem Privatmann fürdas Projekt aus der Region in die Hand. Der Rohbau ist fast fertig,auch der für die 650 Parkplätze im zweiten und dritten OG.

CJ Schmidt hatte sich schon 2010, also kurz nach der Hertie-Insolvenz, als Mieter das Haus samt Einrichtung gesichert, undbetrieb hier als Übergangslösung zunächst einen Schnäppchen-markt. „Damit das Haus nicht leer steht“. Doch der Start im Winterwar schwierig: Da Rechnungen des Vornutzers unbezahlt gebliebenwaren, hatten die Stadtwerke alle Hähne zugedreht. „Wir haben dasHaus bei Minustemperaturen sozusagen tiefgefroren übernommen“,erinnert sich Cohrs.„Solche Standorte, von denen Kunden innerhalb einer halben Stundeattraktive Großstädte mit vielseitigem Einzelhandelsangebot errei-chen, haben es besonders schwer“, weiß Projektentwickler Mörl ausErfahrung. „Es fehlten in vielen Fällen private Investoren, die sich ansolche Warenhausprojekte wagten, obwohl es vielleicht Potenzialgibt. Peter Cohrs in Husum ist da eine Ausnahme.“Mörls Unternehmen hat Erfahrung mit leeren Warenhäusern. 2006

gestaltete Prelios den aufgegebenen Kaufhof am Bahnhof Hamburg-Altona um: Auf 16.000 m2 befinden sich in der Hochfrequenzlageseither ein Media Markt, dazu kleinere und mittelgroße Läden wieDrogerie, Buchhandlung und Bäcker plus Gastronomie, Fitnessstudiound Parkhaus. Es scheint zu laufen: Nur ein Mieter habe seinenVertrag nach den ersten zehn Jahren nicht verlängert.Es sei entscheidend für den Erfolg, Sortimente und Marken ins Cen-ter zu holen, die es vor Ort noch nicht gibt. „So gehen wir geradeauch in Husum vor. Ein hoher Anteil an Lebensmitteln und Gas-tronomie sind dabei wichtig für die Versorgung und die Aufent-haltsqualität“, so Mörl. Die Auswahl werde durch das überall verfüg-bare Online-Angebot allerdings immer anspruchsvoller.

Vom Glück der Husumer können sie in anderen Kleinstädtennur träumen. Angesichts steigender Baukosten und sinkender Miet-erwartungen aus dem Einzelhandel wird es nicht gerade attraktiver,in Orten dieser Größe in Handelsimmobilien zu investieren. VieleGeldgeber tragen ihre Millionen lieber in die Großstädte: Hier stei-gen Nachfrage und Mietniveau für Büros, Hotels und Wohnungen. Gibt es also kaum Chancen für kleine oder mittelgroße Städte, de-nen das Warenhaus verlorengeht? Mörl macht Hoffnung: „Ich seheden Trend, dass die klassische Warenhausfläche kleiner, die fürLebensmittelhändler, Gastronomie, Büros, Hotels, Arztpraxen, Woh-nungen, für Fitness- oder Freizeitnutzungen aber eher steigen wird.Unter dem Strich kann sich eine Auswahl aus diesem Mix für denVermieter auch in kleinen Städten rechnen.“ �

HAGEN SEIDEL

Wir kämpfen für unser Karstadt-Haus. Kämpfen Sie mit!” So formu-lierte es schon 2009 die Filiallei-

tung von Karstadt Iserlohn in einem Brief andie Kunden. Das Tafelsilber, sprich die Immo-bilie im Zentrum der Stadt, war da längstnicht mehr im Eigentum des Unternehmens.Ein Konsortium aus Investoren namensHighstreet hatte die Häuser gekauft. Wirklich geholfen hat das nicht. Kurz nachdem Solidaritätsaufruf folgten der Insolvenz-antrag der Muttergesellschaft Arcandor undschwierige Jahre, in denen nicht klar war, obder Warenhauskonzern überleben würde. Genau für diesen Fall, dass irgendwannSchluss sein könnte, wollte man sich deshalbin Iserlohn langfristig wappnen. 2015 sorgtendie Stadtoberen für bundesweite Schlagzei-len, weil sie mit Geld aus dem Stadtsäckel füreinen hohen einstelligen Millionenbetrag dieKarstadt-Immobilie kauften. Das 13.000 m2

große Warenhaus liegt seit 1967 am Schil-

lerplatz. Das „KaDeWe“ des Sauerlands wurdees früher stolz genannt. Gemeinsam mit der Sparkasse und dem Rat-haus bildet Karstadt am Schillerplatz das Zen-trum der Stadt. Ein stark sanierungsbedürfti-ges Zentrum. „Wir wollen den Platz und das

Areal neu entwickeln. Es war aber schwer füruns, mit einem Investor wie Highstreet zu-sammenzuarbeiten. Oft war dort niemand er-reichbar, Entscheidungen brauchten ewigoder wurden nicht gefällt“, sagt ThomasJunge von der Iserlohner Wirschaftsförde-rung. Deshalb habe man sich entschieden, dieImmobilie zu kaufen, um endlich Entschei-dungen treffen und planen zu können. Dassei im übrigen kein Minusgeschäft. „Wir be-kommen ja Miete dafür.“Nun stehen die Planungen. Und in einer eu-ropaweiten Ausschreibung hofft man, mög-lichst bald einen Investor für das Areal zufinden. Der soll dann auch die Karstadt-Im-mobilie kaufen und umbauen. Der Mietver-trag mit Karstadt läuft noch bis 2022. „Bislanggibt es keine Signale, dass Karstadt dann auf-hört“, sagt Junge. Trotzdem hat man vorge-sorgt. Die neuen Pläne sehen vor, dass Kar-stadt die Fläche verkleinern könnte und dafürandere Mieter in das Haus einziehen. � NO

Kämpfen in Iserlohn

Beispiel Iserlohn: Stadt kauft Kaufhaus

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Um das Areal rund um die Karstadt-Filiale neu zu entwickeln, hat die Stadt Iserlohn

die Immobilie selbst übernommen. Und sucht jetzt einen neuen Investor.

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20 TW Kaufhof Karstadt _ September 201824 Nr. 35 _ 2018

BUSINESS Warenhaus-Fusion

Erfolg des vergrößerten Unternehmenshängt unmittelbar davon ab, ob es der Füh-rung gelingt, die Mitarbeiter mitzunehmen“,sagt Claudia Posluschny, Rechtsanwältin beiNorton Rose Fulbright LLP in München. Sieberät internationale Konzerne ebenso wiedeutsche Mittelständler bei größeren Um-strukturierungen. Darunter sich auch Mode-händler. Namen nennt sie nicht.Wie wichtig das Mitarbeiterthema ist, weißauch Wolfgang Zimmermann, Führungskräf-te-Coach und Berater im bayerischen Mur-nau, früher in der Bekleidungsindustrie undin der erweiterten Geschäftsführung von Ad-ler tätig: „Nach Untersuchungen werden diebei Mergers und Aquisitions erhofften Syner-gien in 70 bis 80 % der Fälle nicht erreicht. DerGrund ist der Faktor Mensch. Die Mitarbeiterwurden nicht überzeugt“.

Diese Gefahr sei besonders hoch, wenndie Chefs in der Mitarbeiter-Kommunikationüber Zukunftsthemen in klassische Schablo-nen verfielen: „Führungskräfte sollten geradein der Frühphase von Zusammenschlüssendurchaus zugeben, dass es noch nicht auf alleFragen eine Antwort gibt. Die typische Mana-ger-Rhetorik wie ‚Alles wird gut‘ nehmen ih-nen die Mitarbeiter ohnehin nicht ab. Beson-ders dann nicht, wenn sie schon eine längereLeidensgeschichte hinter sich haben“, sagtZimmermann.Und das haben insbesondere die Karstadt-

Bestandsgarantie – das klingt erst einmalberuhigend für die Mitarbeiter von Ga-leria Kaufhof und Karstadt. Eine solche

Bestandsgarantie über zwei Jahre soll, so istzu hören, bei den inzwischen weit fortge-schrittenen Verhandlungen über den Zusam-menschluss der beiden Warenhauskonzernebereits festgeschrieben sein.An der großen Verunsicherung der rund25.000 Mitarbeiter der beiden Ketten jedochdürfte das nicht viel ändern. Denn die neunHäuser, deren Mietverträge in den kommen-den zwei Jahren auslaufen, sind von dieser„Bestandsgarantie“ offenbar ausgenommen.Und nach zwei Jahren gibt es diese Sicherheitauch für die anderen nicht mehr. Bei Mit-arbeitern, die – wie insbesondere bei Karstadt– in den vergangenen Jahren immer wiedermit Stellenabbau und Filialschließungen,auch mit temporären Existenzgarantien imGegenzug für millionenschwere Verzicht-programme zu tun hatten, wecken solche Be-griffe auch negative Gefühle.Und genau das dürfte auch für die Unter-nehmensführungen keine gute Nachrichtzum Start eines neuen Konzerns sein: Dennschlechte Stimmung und Verunsicherung inder Belegschaft kann den erhofften Erfolg desZusammenschlusses zweier Konkurrentenvon vorne herein zunichtemachen: „Es ist ei-ne sehr große Herausforderung, Kulturen vonzwei Unternehmen, die jahrzehntelang Kon-kurrenten waren, zusammen zu führen. Der

Mitarbeiter: Ein Krisenjahr reihte sich an dasnächste, neue Manager, neue Konzepte, neueDurchhalteparolen – und 2009 die Insolvenz.28.000 Mitarbeiter gab es damals noch, ein-schließlich der Sporthäuser. Heute sind esnoch etwa 17.000. Wer seinen Job nach derInsolvenz behielt, musste anschließend den-noch verzichten: drei Jahre lang gab es unteranderem weniger Weihnachts- und Urlaubs-geld als Beitrag zur Gesundung des Unter-nehmens. 150 Mio. Euro insgesamt. Nach dem neuerlichen Eigentümerwechsel –2014 übernahm Signa von Nicolas Berggruen– kam abermals das große Zittern, 2000 wei-tere Stellen wurden gestrichen. Es folgte dienächste Sammelaktion namens „Tarifpause“bis 2021: Noch unter Berggruen angeschobensetzte Stephan Fanderl als neuer Karstadt-Chef gegen den Widerstand von Verdi durch,dass seine Mitarbeiter nicht von Tariferhö-hungen profitieren und auf Weihnachts- undUrlaubsgeld verzichten. Verdi bezifferte die Einsparungen, die Kar-stadt in den vergangenen Jahren durch denVerzicht der Mitarbeiter erzielen konnte, auf650 Mio. Euro. Im vergangenen Geschäftsjahrkam Karstadt zum ersten Mal seit mehr alseinem Jahrzehnt wieder knapp in die schwar-zen Zahlen. Ohne die umfangreichen Einspa-rungen im Personaletat wäre das wohl kaummöglich gewesen.Kein Wunder, dass im Herbst 2017 Kaufhofvon der Gewerkschaft ähnliche Vergünsti-

Karstadt, Kaufhof und das Killerkriterium Kultur

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TW Kaufhof Karstadt _ September 2018 21 Nr. 35 _ 2018 25

Vor einer möglichen Warenhausfusion: Gelingt es nicht, die Mitarbeiter mitzunehmen,sinken die Erfolgsaussichten drastisch

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hen. Trifft man sich irgendwo in der Mitte,müsste die Gewerkschaft eingestehen, dassim Warenhaussektor kein großer Player mehrnach ihrem Tarif bezahlt. Ein fatales Signalgegenüber anderen, noch Tarif treuen Einzel-handelsunternehmen. Spielt Verdi die Blocka-de-Karte, könnte man der Gewerkschaft dieSchuld zuschieben, falls der Zusammen-schluss nicht klappt und noch mehr Waren-haus-Jobs verlorengehen würden.Die Karstadt-Kaufhof-Ehe soll Einsparungenunter anderem beim Einkauf, den IT-Investi-tionen und nicht zuletzt der Verwaltung brin-gen. Eine Zentrale – mutmaßlich die in Essen– wird aufgelöst, das dürfte außer Frage ste-hen. Doch die Experten raten, es hier nicht zuübertreiben. „Einer der größten Fehler wäre,am Anfang gleich eine der beiden Personal-abteilungen zu schließen“, meint Zimmer-mann, „dann gingen für die eine Seite diebekannten Ansprechpartner verloren. Daswürde die Unsicherheit nur vergrößern.“Auch Posluschny sieht die große Bedeutungder Personalabteilung für die Unternehmens-kultur: „Internationale Konzerne sind da oft-mals weiter. Es gibt Unternehmen, die in denHuman Resources-Abteilungen eigene Stabs-stellen haben, die sich hauptberuflich nur mitdem Thema Unternehmenskultur beschäfti-gen. Und damit, ein Zusammengehörigkeits-gefühl zu schaffen und zu stärken“, sagt dieAnwältin, „das ist keine schlechte Idee beiFirmen-Zusammenschlüssen.“ In Deutsch-

gungen forderte, wie sie Karstadt genoss. Umrund 60 Mio. Euro sollen die Personalkostenin Köln höher sein als in Essen. Doch kaumhatten nach monatelangen Vorprüfungen imFrühjahr tatsächlich Verhandlungen zwi-schen Kaufhof und Verdi zu einem Sanie-rungstarifvertrag begonnen, wurde die Fusi-onsgespräche zwischen Kaufhof und Kar-stadt bekannt: Die Gewerkschaft legte dieVerhandlungen sofort auf Eis. Trotz des vor-läufigen Abbruchs dieser Gespräche fordertVerdi jetzt in den Medien, an den Fusions-verhandlungen beteiligt zu werden.Bei Kaufhof hatte man zuvor konsequenterals bei Karstadt beim Auslaufen von Miet-verträgen Häuser dicht gemacht, die nichtprofitabel waren. Die Job-Streichungen betra-fen dann jeweils eine überschaubare Zahl vonMitarbeitern. Derzeit zählt Kaufhof 18.0000Köpfe. Tendenz sinkend.

Jetzt ist die Situation kompliziert, weilzwischen den beiden über Jahrzehnte aufKonkurrenz gedrillten Belegschaften auchnoch der Tarifgraben klafft: Kaufhof zahlt Ta-rif, Karstadt nicht. Wie soll da ein Zusammen-schluss funktionieren? „Das muss unbedingtharmonisiert werden“, ist sich Zimmermannsicher, alles andere führe zu Streit und Miss-gunst. Aber was ist die Lösung?Auch Verdi ist hier in der Zwickmühle: Kar-stadt wird bei der Bezahlung kaum ohne Ge-genleistung auf das Kaufhof-Niveau hochge-

land allerdings sei da „durchaus noch Luftnach oben.“ Dieses kulturelle Problem zu un-terschätzen, sieht Posluschny als einenHauptfehler bei Zusammenschlüssen.Zimmermann empfiehlt, in Sachen Kultur-veränderung nicht allzu viel Tempo zu ma-chen: „Jede Organisation hat ihre eigenstän-dige Geschichte und Kultur, die wird man ihrnicht austreiben können“, sagt der Führungs-kräfteberater. Deshalb könne es sinnvollersein, „die beiden Identitäten erst einmal zuakzeptieren und schnell in konkreten ge-meinsamen Projekten auf Arbeitsebene – et-wa beim Einkauf – die Grenzen zu überwin-den. Erst auf dieser Basis sollte man schauen,wo die gemeinsame Reise hingehen kann.“

Erfolgreiche Fusionen seien oft jene,die eine gewisse Eigenständigkeit der Kultu-ren zuließen. „Sollten Kaufhof und Karstadtunter dem gemeinsamen Dach unterschiedli-che Ausrichtungen bekommen, könnte das indie richtige Richtung gehen“, so Zimmer-mann. Gerade im Hause Karstadt hat man vor2009 schon Zusammenschlüsse erlebt, dietrotz Synergie-Potenzialen nicht funktionierthaben – nicht zuletzt, weil der Kultur-Faktorunterschätzt wurde: Die Zwangsehe von Kar-stadt, Quelle und Neckermann brachte eben-so wenig Erfolg wie die Kombination aus Kar-stadt und SinnLeffers. �

HAGEN SEIDEL