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Einfu hrung in die Jugendsoziologie Seite 1 von 1 Ingo Ostwald: Zusammenfassung der U bung fu r Fortgeschrittene Einfu hrung in die Jugendsoziologie (Johannes Gutenberg-Universita t, Fachbereich Sozialwissenschaften, Institut f u r Soziologie, Dr. R. Sudek) 1. Begriff, Differenzierung und Institutionalisierung von Jugend 1.1 Dimensionen des Jugendbegriffs 1 Frage 4 Nennen Sie unterschiedliche Dimensionen des Jugendbegriffs! Altersphase Jugend beginnt mit dem Einsetzen der Pubert a t (mit etwa 13 Jahren) Ende, wenn das Individuum ö seine perso nliche und soziale Identit a t gefunden hatß (30); o konomische und soziale Selbst a ndigkeit (eigenes Einkommen bzw. eigene Familie) k o nnen unabha ngig voneinander erreicht werden; daher Zeitpunkt schwer festzulegen liegt zwischen Kindheit und Erwachsensein Altersgruppe 13- bis 25-ja hrige, fu r die es typische als ö jugendlichß bezeichnete Verhaltensweisen gibt Lebensphase Individuum erwirbt die Voraussetzungen f u r Selbsta ndigkeit in allen gesellschaftlichen Berei- chen; Lebensphase biologisch mit-bestimmt, aber sozial und kulturell u berformt Subkultur Jugend ist eine gesellschaftliche Teilkultur idealer Wertbegriff Jugendlichkeit als gesch a tztes Gut 1.2 Wichtige Begriffe 2 Clique wie Peer, meist jedoch abwertend gemeint (32) Gang Peer, bei der abweichende oder gar kriminelle Verhaltensweisen Teil der Gruppensolidarit a t sind. (32) Generation Gesamtheit der Individuen, die in einem gr o– eren Sozialverband, z.B. einem Land, durch ge- meinsame Werte, Einstellungen usw. miteinander verbunden sind und sich von einer a lteren und/oder ju ngeren Generation deutlich unterscheiden. (32) Kohorte Diejenigen, die in einem bestimmten Zeitintervall geboren wurden oder durch soziale Faktoren Ü z.B. gemeinsamer Schuleintritt Ü miteinander verbunden sind. (32) Peer Gleichaltrigengruppe der Kinder und Jugendlichen (32)

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Einfu hrung in die Jugendsoziologie

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Ingo Ostwald:

Zusammenfassung der Ubung fu r Fortgeschrittene

Einfu hrung in die Jugendsoziologie

(Johannes Gutenberg-Universita t, Fachbereich Sozialwissenschaften, Institut fur Soziologie, Dr. R. Sudek) 1. Begriff, Differenzierung und Institutionalisierung von Jugend 1.1 Dimensionen des Jugendbegriffs 1 Frage 4 Nennen Sie unterschiedliche Dimensionen des Jugendbegriffs! Altersphase • Jugend beginnt mit dem Einsetzen der Puberta t (mit etwa 13 Jahren)

• Ende, wenn das Individuum öseine personliche und soziale Identita t gefunden hatß (30); okonomische und soziale Selbsta ndigkeit (eigenes Einkommen bzw. eigene Familie) konnen unabha ngig voneinander erreicht werden; daher Zeitpunkt schwer festzulegen

• liegt zwischen Kindheit und Erwachsensein Altersgruppe 13- bis 25-ja hrige, fur die es typische als öjugendlichß bezeichnete Verhaltensweisen gibt Lebensphase Individuum erwirbt die Voraussetzungen fur Selbsta ndigkeit in allen gesellschaftlichen Berei-

chen; Lebensphase biologisch mit-bestimmt, aber sozial und kulturell uberformt Subkultur Jugend ist eine gesellschaftliche Teilkultur idealer Wertbegriff

Jugendlichkeit als gescha tztes Gut

1.2 Wichtige Begriffe2 Clique wie Peer, meist jedoch abwertend gemeint (32) Gang Peer, bei der abweichende oder gar kriminelle Verhaltensweisen Teil der Gruppensolidarita t

sind. (32) Generation Gesamtheit der Individuen, die in einem gro– eren Sozialverband, z.B. einem Land, durch ge-

meinsame Werte, Einstellungen usw. miteinander verbunden sind und sich von einer a lteren und/oder jungeren Generation deutlich unterscheiden. (32)

Kohorte Diejenigen, die in einem bestimmten Zeitintervall geboren wurden oder durch soziale Faktoren

Ü z.B. gemeinsamer Schuleintritt Ü miteinander verbunden sind. (32) Peer Gleichaltrigengruppe der Kinder und Jugendlichen (32)

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Begriff, Differenzierung und Institutionalisierung von Jugend

1.3 Was ist Jugend? Jugend ist... ... eine öAls-Ob-Periode, in der Hohen der Erwartungen und tiefe Entta uschungen gemacht

werden konnen, ohne mit endgultigen okonomischen, sozialen oder psychologischen Kon-sequenzen verknupft zu sein.ß (30)

Frage 3 Was ist gemeint, wenn die Jugend als “soziales Moratoriumä bezeichnet wird? ... ein Experimentierraum, in dem die Moglichkeit gegeben ist, der Notwendigkeit nach

Sinn- und Identita tssuche gerecht zu werden. Um das Lernen und die Vorbereitung des Jugendlichen auf das Erwachsenenalter zu ermoglichen, werden in der Jugendphase ge-genwa rtige Bedurfnisse aufgeschoben, der Jugendliche ist in seiner Freiheit eingeschra nkt, dafur mu– er aber nicht alle Konsequenzen tragen, hat nicht die volle Verantwortlichkeit. Jugend kann also auch als Schonraum oder Moratorium bezeichnet werden.

... Schonraum und Phase besonderer Belastung zugleich. ... fur a ltere Generationen oft unversta ndlich, da sie eine andere Jugend erlebt haben. ... nicht nur einseitig als Ubergangsphase zum Erwachsenwerden zu sehen, weil

• unterstellt wird, da– es nur darauf ankomme, die einzelnen, gesellschaftlich anerkann-ten öTeilreifenß zu erreichen

• nicht hinterfragt wird, ob bestimmte, typisch jugendliche unabgeschlossene und offe-ne Verhaltensweisen nicht zu bewahren sind

• die Unreife des Erwachsenen ubersehen wird; man bekommt keine Vollreife furs Le-ben

• die beschriebene lineare Entwicklung Kind -> Jugendlicher -> Erwachsener dem mo-dularen Charakter moderner Biografien nicht gerecht wird

• eine in sich geschlossene Lebensphase auch dann sinnvoll sein kann, wenn sich spa te-re Phasen nicht darauf beziehen

Unterteilung Jugend la – t sich unterteilen in drei entwicklungpsychologisch mitbedingte Altersgruppen: • Jugendliche im engeren Sinne, 13- bis 18-ja hrige (puberta re Phase) • Heranwachsende, 18- bis 21-ja hrige (nachpuberta re Phase) • junge Erwachsene, 21- bis 25-ja hrige (Post-Adoleszenz, Mundigkeit ohne

wirtschaftliche Grundlage) Frage 1 Was ist mit der Aussage gemeint “Die Jugend gibt es nichtä? ”Die Jugend gibt es nicht.ä

Man kann nicht von der Jugend sprechen, da Jugend ebenso heterogen und soziokulturell diffe-renziert ist wie die Gesellschaft, zu der sie gehort. Die These birgt die Gefahr der Infragestellung von Jugend-, ebenso wie Seniorenpolitik (letzte-re, da auch die Existenz des Pha nomens des Alters abgestritten werden konnte), was gesell-schaftpolitisch bedenklich wa re.

Frage 2 Was besagt die These von der “Entstrukturierung der Jugendphaseä? ”Entstrukturie-rung der Jugendphaseä

Folgende gesellschaftliche Vera nderungen sind auszumachen: • Wandlungen im Produktionsproze– , sowie in der Bildung und Ausbildung • die Entstrukturierung von Klassen und Schichten • das Unverbindlichwerden traditioneller Vorgaben der Lebensfuhrung und -planung Hierdurch ergeben sich • die Diversifizierung von Lebenslagen • die Pluralisiserung von Lebensformen • die Ausdifferenzierung gesellschaftlicher Teilbereiche und schlie– lich ein Proze– der Individualisierung, an die Stelle bisheriger Vorstrukturierungen treten individuelle Entscheidungen und Wahlmoglichkeiten, so da– es innerhalb einer Generati-on keinen gleichen biographischen Ablauf mehr gibt. Damit geht die Struktur der Jugendphase verloren.

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2. Befunde zur Lebenssituation Jugendlicher 2.1 Thema, Methode und Ziel der 12. Shell-Jugendstudie Thema Analyse der Voraussetzungen , Motive und Formen sowie des Versta ndnisses des sozialen, ge-

sellschaftlichen und politischen Engagements Jugendlicher. Methode • Keine Vorabdefinition bzgl. ögesellschaftlichem oder politischen Engagementsß

• 60 qualitative Explorationen (narrative Interviews) • Erstellung einer gro– en Zahl von biografischen Portra ts • quantitative Fragebogenerhebung (um Lebensrealita t Jugendlicher sowie deren Versta ndnis

von Jungsein herauszufinden) Ziel Jungsein aus der Perspektive der Jugendlichen selbst zu portra tieren 2.2 Inhaltliche Aussagen der 12. Shell-Jugendstudie Hauptprobleme Jugendlicher

öWelches sind nach Deiner Meinung die Hauptprobleme der Jugendlichen heute?ß • fast die Ha lfte der Jugendlichen in West und Ost und unabha ngig vom Geschlecht nennt

Arbeitslosigkeit • in West und Ost a hnlich stark wahrgenommen werden Drogenprobleme, im Osten wesent-

lich sta rker wahrgenommen alle weiteren au– er Umweltprobleme • selten genannt werden typische Jugendprobleme, z.B. Probleme mit dem Erwachsenwer-

den Die Jugendphase dient Ü als Ubergangsphase zwischen Kindheit und Erwachsensein Ü als Vor-bereitung auf die Arbeitsgesellschaft. Wir die Arbeitsgesellschaft zum Problem, so auch die Ju-gendphase. ”Die gesellschaftliche Krise hat die Jugend erreicht. ä

Jugend als U-bergangsphase

• Durch einen öStrukturwandel der Jugendß ergeben sich neue Ausgangskonstellationen, Aufgaben und Ziele fur die Jugend.

• Jugendlicher oder Erwachsener sein bezeichnet heute weniger einen öAltersstatusß als ei-nen ösozialen Statusßà öPostadoleszenzß

• Je schwieriger sich der Abschlu– der Jugendphase gestaltet und je unsicherer der Uber-gang in die Lebenslage Erwachsener wahrgenommen wird (fur Ma dchen in Ostdeutschland am schwierigsten), desto mehr Zeit mochte sich damit gelassen werden, um sich noch bes-ser vorbereiten, ausbilden und qualifizieren zu konnen.

Erwachsenwerden wollen, aber jugendlich bleiben m u ssen ist die paradoxe Aufgabe der Bewa ltigung der Jugendphase!

Frage 5 In der Shell-Studie wird die These vertreten, die Jugend sei “von ihrem Ende herä bedroht. Was

ist gemeint? Die Jugend ist von ihrem Ende her bedroht, da der Ubergang in eine (okonomische) gesicherte

Erwachsenenexistenz nicht gewa hrleistet ist (Begriff der Post-Adoleszenz). Da die Jugendpahse jedoch als Ubergangsphase in das Erwachsenenalter definiert wird, verschwimmt ihr Ende.3

Zukunfts- visionen

Gesellschaftliche Krisenpha nomene sind la ngst zu Sozialisationserfahrungen Jugendlicher ge-worden. Die personliche Zukunft mit ögemischten Gefuhlenß zu betrachten scheint die Reaktion Jugendlicher auf die Ambivalenz der gesellschaftlichen Zukunftserwartung zu sein (am ehesten Ma dchen in Ostdeutschland).

Gegensatz der Generationen

• Die Lebenslage der Jugend ist bestimmt durch das Problem der Arbeitslosigkeit • Die gesellschaftliche Position der Jugend gegenuber den Erwachsenen ist entweder ein

Macht- (Erwachsene lassen Jugend nicht mitreden) oder ein Vernachla ssigungsverha ltnis (Probleme Jugendlicher, Zukunftsprobleme spielen bei Erwachsenen keine Rolle)

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Befunde zur Lebenssituation Jugendlicher Inhaltliche Aussagen der 12. Shell-Jugendstudie Die Lebenslage und die gesellschaftliche Position Jugendlicher stehen im Widerspruch zur Sinn-

struktur der Jugendphase: Der Jugend gehort zwar die Zukunft, aber die Chancen in dieser Zu-kunft sind fragwurdig und ungewi– . Jugendliche sehen sich daher in der Rolle, Fehler und Ver-sa umnisse der Erwachsenengeneration ausbaden zu mussen. Eine Korrelationsanalyse zeigt deutlich, da– dieser öerlebte Gegensatz der Generationenß mit öpolitischer Entfremdungß und der resultierenden generellen Entfremdung vom politischen Sys-tem mit all seinen Organisationen und Ritualen zusammenha ngt.

Jugendkulturen Ihren Ursprung haben Jugendkulturen in den USA und Gro–britannien, zeitlich verzogert kamen

sie dann auch nach Deutschland. Es lassen sich drei Arten von Jugendstilen unterscheiden: • uberdauernde, subkulturelle Ausdrucksstile • soziale Reform- und Protestbewegungen • kommerzialisierte, mehrheitsfa hige Jugendstile Die Teilnahme an einem Jugendstil ist sta rker ausgepra gt bei • ma nnlichen Jugendlichen • Jugendlichen mit niedrigem Bildungsniveau • Jugendlichen aus den neuen Bundela ndern • jungeren Jugendlichen (12 bis 14 Jahre)

Hitliste der Jugendstile 1996: Ha– liste der Jugendstile 1996: 1. Tierschutzer

2. Umweltschutzer 3. Musikgruppenfans 4. Menschenrechtgruppen 5. Discofans 6. Dritte-Welt-Initiativen 7. Kernkraftgegener

1. Hoolignas 2. Faschos/Neonazis 3. Skinheads 4. okkulte Gruppen 5. Punker 6. Rocker 7. Hausbesetzer

Obwohl Jugendliche in hohem Ma– mit sozialen Reform- und Protestbewegungen sympathi-sieren, sind nur wenige (< 5%) zu einer aktiven Teilnah-me zu bewegen.

Zwischen den verschiedenen Stilen gab es anfangs starke Abgrenzungen und sogar Feindschaf-

ten, seit dem Ende der 80er Jahre ist aber eine Tendenz zu Toleranz und Gleichgultigkeit und damit zum Verschwimmen der Grenzen festzustellen. Charakteristisch fur die Jugend von heute ist die Position des Zuschauers und die des begrenzten Nutzers, also die des Ausprobierens und des Experimentierens. Der Begriff öGegenweltß hat damit an politischem Gehalt verloren und mu– nun sta rker im Zusammenhang mit allta glicher Lebensbewa ltigung verstanden werden. Die Abgrenzung von der Kultur der Erwachsenen zeigt sich in der Absage an la ngerfristigen Verbindlichkeiten, einer klaren Verweigerung der Verbands- oder Vereinskarrieren, das Verwi-schen von Grenzziehungen und Polarisierungen, Ironisierung oder starker Ablehnung der Insti-tutionen sowie die selbstversta ndliche Nutzung der neuen Medien und der Verbindung des ei-genen Engagements mit dem Aspekt von Spa– und Vergnugen.

Freizeit- pra ferenzen

Allgemeine Tendenzen: • Die Jugend hort oft Musik, sieht oft fern und erlebt sich gesellig. • Politische Teilnahme gehort zu den seltenen Freizeitbescha ftigungen • zunehmendes Interesse an beruflicher Weiterbildung und Bescha ftigung mit dem Computer

Frage 7 Nennen Sie anhand der Shell-Studie einige Unterschiede im Freizeitverhalten mannlicher und weiblicher Jugendliche.

Geschlechtsspezifische Tendenzen: • ma nnliche Jugendliche sind sta rker an der Beteiligung abgrenzbarer Jugendstile beteiligt

und dominieren sie in den Bereichen Fernsehen, Video, Sport, Auto / Moped / Fahhrad, Computer und Spielautomaten

• weibliche Jugendliche dominieren in den Bereichen Familie, Einkaufen, Ausspannen, Bu-cher, Disco, Malen / Fotografieren / Filmen, Briefe, Tagebuch, Besuch von Theater und Mu-seen

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Befunde zur Lebenssituation Jugendlicher Inhaltliche Aussagen der 12. Shell-Jugendstudie Altersspezifische Tendenzen:

• 15 bis 21 Jahre: Aktivita ten mit der eigenen Familie verlieren an Relevanz • ab 15 Jahre: Zusammensein mit dem Freundeskreis von gro– er Wichtigkeit • ab 22 Jahre: gegengeschlechtliche Paarbeziehungen wichtiger • 22 bis 24 Jahre: ha ufigere Theater- und Mesumsbesuche, lesen am meisten Zeitung

Frage 6 Ist es gerechtfertigt, von einer Institutionenverdrossenheit der Jugendlichen zu sprechen? Institutionen-verdrossenheit

Jugendliche haben gro– tes Vertrauen zu Organisationen, die moralisch-wertbezogen ausgerich-tet sind und sich mit Zukunftsthemen befassen, und geringstes Vertrauen zu den öklassischenß Institutionen:

• hohes Vertrauen: Umweltschutz-, Menschenrechtsgruppen, Burgerinitiativen • etwas geringeres Vertrauen: Polizei und Gerichte • niedriges Vertrauen: politische Parteien, Bundesregierung, Bundestag

Der Vergleich zwischen Ost und West zeigt im Osten • insgesamt schlechtere Noten, was auf eine hohere Institutionendistanz schlie– en la – t • eine deutlich schlechtere Bewertung von Gerichten, Polizei und Kirchen, was historisch be-

grundet ist Die Vermutung, da– das Vertrauen zu den Institutionen mit dem hoheren Lebensalter wa chst, wird deutlich widerlegt, die Jugendlichen wachsen also nicht in die vorgegebenen Gesellschafts-strukturen hinein. Eine allgemeine Politikverdrossenheit ist nicht festzustellen, vielmehr stehen gerade politisch In-teressierte und Engagierte den Institutionen skeptischer gegenuber ”Nicht die Jugendlichen sind an der Politik desinteressiert, sondern [...] die Politik an ihnen.ä

Politische Aktivita ten

Es lassen sich drei Dimensionen politischer Aktivita ten unterscheiden: • nicht konflikthafte politische Aktivita ten • konflikthafte politische Aktivita ten • institutionalisierte politische Aktivita ten ungebundene ”vagabundierende Engagementbereitschaftä

Motivationen fu r politisches Engagement und Wertorien-tierungen

• Die Motivation ist bei jungeren Jugendlichen (bis ca. 15 Jahre) eher nutzenorientiert, bei a l-teren eher zielorientiert

• Die Wertorientierungen sind sehr vielseitig, wirken mitunter sogar widerspruchlich; die Um-frage zeigt, da– scheinbar entgegengesetzte Werte (z.B. materiell Ü postmeteriell) deutlich korrelieren, so da– die Abgrenzung zwischen ihnen unscharf wird

• Die Parteienaffinita t ist Ü wie auch schon 1981 Ü gering, es zeigt sich jedoch wie bei den Wertorientierungen eine Zerfaserung der klaren Konturen zwischen den Parteibindungen

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3. Konzepte von öJugendß 3.1 Margaret Mead 3.1.1 Der theoretische Hintergrund: Kulturanthropologie Definition von Kultur

Kultur wird verstanden als öGesamtheit der Lebensformen, Leitvorstellungen und der durch menschliche Aktivita ten geformten Lebensbedingungen einer Bevolkerung in einem historischen und regional abgrenzbaren (Zeit-)Raumß4 und beinhaltet Glaubensvorstellungen, Wissen, Sitten, Werte, Verhaltensmuster, Ideen etc.

Frage 8 Beschreiben Sie die Grundzuge des von Margaret Mead vertretenen kulturanthropologischen

Theorieansatzes. Ansatz Kulturanthropologische Ansa tze bescha ftigen sich mit der Pra gung des Einzelnen (hier: der

Jugend) durch die ihn umgebende Kultur. Grundlegende These ist, da– sich an der Kultur ötypi-sche Chancen menschenmoglichen Verhaltensß5 ablesen lassen. Es wird also angenommen, da– der Mensch in seinem Handeln von der ihn umgebenden kulturellen Umwelt in a hnlicher Weise determiniert wird, wie Tiere von Instinkten, mit dem Unterschied jedoch, da– der durch seine Kulturfahigkeit gekennzeichnete Mensch sein Verhalten innerhalb einiger Generationen ötotal, bis zum volligen Gegenteil seinen ehemaligen Verhaltens, vera ndernß6 kann.

Forschungs- gegenstand

Dem Einflu– der psychoanalytischen Entwicklungstheorie entsprechend liegt das Hauptin-teresse Meads in der Erkla rung menschlichen Verhaltens, speziell um die öKlarlegung der Ab-hangigkeit des menschlichen Verhaltens von der jeweiligen Kultur und um die Vera nderung hu-maner Handlungen angesichts kulturellen Wandels.

3.2.1 Die Theorie der Jugend These Das Verha ltnis der Heranwachsenden zu der sie jeweils umgebenden und pra genden Kultur be-

stimmt das Ausma– von Identita ts- und Bindungsproblemen im Jugendalter. Frage 10 Margaret Mead unterscheidet postfiguartive, kofigurative und pra figurative Kulturen. Erkla ren

Sie die Begriffe. Gehen Sie dabei vor allem auf die spezifische Situation des Jugendlichen ein. Margaret Mead vergleicht drei verschiedenen Kulturtypen: Postfiguartive Kultur Kofigurative Kultur Pra figuartive Kultur Verbreitung meist in schriftlosen Kulturen Hochzivilisationen der Gegenwart zur Zeit der Autorin (1973) in der

Zukunft angesiedelt Voraussetzung Die Struktur der Kultur ist sta-

tisch, kultureller Stillstand oder sehr langsame Entwicklung herr-schen vor.

einschneidende Vera nderungen in Technik und Religion, Eindruck des sta ndigen Wandels der Welt; starke Volkerwanderung, Verla n-gerung der Ausbildung

industrielle, wissenschaftliche, elekt-ronische, medizinische Revolution

Familienform Gro– familie mit mindestens drei Generationen als Selbstversta nd-lichkeit

Kernfamilie mit zwei Generatio-nen; wenig autorita re und unsi-chere Eltern

allgemein Befreiung von konkreten, festenBindungen; daher Trend zur Kleinfamilie

Erwartungen und Erfahrun-gen

Das zukunftige Leben und die Erwartungen der anderen sind bekannt.7 Als öHuter der Weisheitß und als das övollendete Modell dessen, was das Leben warß8, konnen sich Gro– eltern fur ihre Enkel keine andere Zukunft vorstellen als ihre eigene Vergangenheit.

Der Erfahrungsfundus der Gro– -eltern stammt aus einer vergan-genen Welt (z.B. Einwanderer-familien). Da somit ein öHuter der Weisheitß fehlt, sind Erfah-rungen, die Kinder sammeln kon-nen, um eine Generation ver-kurzt.

Es gibt nur noch öLernendeß, die Zu-kunftsorientierung nach dem Motto öDie Zukunft ist jetzt.ß9 ist ein zentra-ler Wert. Die Erwachsenen finden sich nicht in der modernen Welt zu-recht, befinden sich in einer Art Glaubenskrise, sind unsicher. Die Kinder sind Neuem gegenuber offe-ner und daher im Vorteil.

Jugendphase Das Erwachsenendasein ist defi-niert uber das Erreichen / Voll-enden der Geschlechtsreife; die Jugend ist als eigensta ndige Phase nicht erkennbar

Sozialisation erfolgt vor allem in Peers, das neue Erbe erhalten die Kinder nicht von ihren Eltern

Es existieren drei Arten von Jugendli-chen (Systemumsturzer, Kooperati-onsverweigerer und Gleichgultige).

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Konzepte von öJugendß Margaret Mead Die Theorie der Jugend

Postfiguartive Kultur Kofigurative Kultur Pra figuartive Kultur Sozialisation Jung lernt von Alt

Jede Generation lernt von der vorangehenden, was sie zum Le-ben braucht

Jung lernt von Jung Alt lernt von Alt Die Mitglieder der Gesellschaft lernen von und richten ihr Ver-halten Ebenburtigen, da die Ge-sellschaft nicht die notwendige Sozialisationsleistung erbringt10

Jung lernt von Jung Die unsicheren Erwachsenen dienen nicht als Vorbild fur die Jugend, die sich daher selbst sozialisieren mu– .

Identita tsfin-dung und Cha-rakterbildung

Lebensentwurf und eine ödauer-hafte, bedingungslose Identi-ta tß11 sind von der Gesellschaft vorzeichnet, Rollendiffusion exis-tiert nicht, Identita t mu– nicht vom Einzelnen gesucht werden.

Unsicherheit und Desorientierung aufgrund zahlreicher Angebote zur Identita tsfindung (z.B. Eltern, Gro– eltern, Schule, Peers) lassen diese zum Problem werden.

Der Jugendliche ist bei der Identi-ta tssuche aus sich und seinen Freundeskreis gestellt.

Konflikte Da der Lebensentwurf vorge-zeichnet ist, existieren keine strukturgefa hrdenden Generati-onsnkonflikte

Als Tra ger des Sozialisationspro-zesses haben Peers den Charak-ter von Subkulturen. Die Jugend entfernt sich von der Elterngene-ration, folglich gibt es Genratio-nenkonflikte

weltweiter, universeller Bruch zwi-schen den Generationen

Frage 9 Margaret Mead sieht im Streben nach “Identita tä und “Bindungä ein Charakteristikum der Ent-

wicklung vom Kind zum Erwachsenen. Erlautern Sie dies. Streben nach Bindung und Identita t

In der postfigurativen Kultur bindet sich das Kind an A ltere, um das Bild seiner eigenen Entwick-lung vor Augen zu haben. Durch die Bindung erha lt das Kind Orientierung, anhand derer sich dann die Identita t des Kindes entwickelt. So bildet sich die Identita t eines Jungen vor allem an der Bindung an den Vater.

Frage 11 Wie erkla rt Margaret Mead die Entstehung von Generationenkonflikten? Generationen-konflikt

Erwachsene konnen in der komplexer gewordenen Welt nicht mehr als Vorbilder fur die nach-folgende Generation dienen (und geraten in eine Art Glaubenskrise), so da– die Jugend sich von ihrer Vorga ngergeneration zunehmend entfernt, was letztlich zu einem Bruch der Generationen fuhrt.

Problem Mit der sich in der gegenwa rtigen (kofigurativen) Kultur abzeichnenden Tendenzen der Ent-

fremdung der Jugend von den a lteren Generationen gehen fur die Sozialisation wichtigen ein-deutigen und unwiderlegbaren Identifikationsmoglichkeiten und Wertorientierungen verloren. Die Jugend kann darauf auf drei Arten reagieren: aktiv-agiatorisch (d.h. durch Auflehnung), passiv-integriert (d.h. durch Anpassung) oder passiv-restistent (d.h. durch Resignation).

Forderungen Um Sozialisation gewa hrleisten zu konnen, mussen die Jungeren Eigeninitiative zeigen, die A lte-

ren sollten wegweisend dienen. Hierzu bedarf es der Herstellung einer neuen Kommunikations-form zwischen den Generationen und der Entwicklung pra figurativer Lehr- und Lernmethoden (öDas Lernen lehren.ß).

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Konzepte von öJugendß Margaret Mead 3.1.3 Kritik Kritik Folgende Kritikpunkte wurden angefuhrt12:

• mogliche Unterschiede innerhalb der jeweiligen Kulturen werden vernachla ssigt • Wer von wem lernt, mu– nicht statisch sein • insgesamt ist die Betrachtungsweise zu global (öweltweite Protesteß) und zu generalisie-

rend (die Jugend) • okonomische und historische Konflikte werden gegenuber dem Generationenkonflikt ver-

nachla ssigt, obwohl der gesellschaftliche Wandel auch von au– en beeinflu– t wird, z.B. durch die Weltwirtschaft

• der Generationenkonflikt wird als DER zentrale Konflikt uberhaupt angesehen • die Existenz generationsubergreifende Kulturen bleibt offen

Frage 12 Nehmen Sie Stellung zur Aussage von Margaret Mead, “daö es sich beim Generationenkonflikt

um ein weltweit verbreitetes Phanomen handeltä. Ein Generationenkonflikt existiert zwar im Kleinen, zu der prognostizierten globalen Revolte und

zum Bruch der Generationen ist es aber nicht gekommen. Aufgrund der (vernachla ssigten) He-terogenita t der Jugend scheint dies auch nicht wahrscheinlich. Zudem bleibt in Meads Konzepti-on fraglich, ob das Alter wirklich eine so entscheidende Rolle spielt. Au– erdem konnen Genera-tionenkonflikte auch aufgrund der Familienhierarchie entstehen (A ltere, die nicht loslassen, Jun-gere, die nachrucken)

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Konzepte von öJugendß

3.2 Helmut Schelsky 3.2.1 Der theoretische Hintergrund: Pha nomenologie Ausgangslage Die Ausgangslage ist der Versuch einer pha nomenologiesch orientierten strukturell-historischen

Grundinterpretation des gesellschaftlichen Einzelbereichs Jugend, spezielle der deutschen Ju-gend nach 1945, unter Orientierung an Theorieansa tzen Eisenstadts und unter Erweiterung die-ser um generationstheoretische Ansa tze.13

Theoretischer Hintergrund

Schelskys phanomenologischer Methode liegt die Aufgabe zugrunde, die gesellschaftliche Wirklichkeit objektiv zu beschreiben und die daraus gewonnenen Ergebnisse durch eine philio-sophische Betrachtung zu verwissenschaftlichen. Zudem soll die Soziologie die Wirklichkeit kon-torllieren. Seine anthropologische Basis zeigt sich darin, da– er die Voraussetzungen und Grenzen menschlichen Handelns zu entdecken trachtet. Die gegenwa rtigen gesellschaftlichen Verha ltnisse werden als naturlich akzeptiert.14

Frage 14 Schelsky formuliert die Aufgabenstellung seiner Jugendsoziologie mit der Frage: “Was bedeutet

die Gesellschaft fur die Jugend?ä Erlautern Sie dies. Aspekte Der jugendsoziologische Aspekt, der Schelskys Hauptanliegen ist, fragt nach der Bedeutung

der Gesellschaft fur die Jugend und betrachtet Jugend als recht autonomes Gebilde. Nicht au– er acht gelassen wird dabei der gesamtgesellschaftliche Aspekt, welcher der Bedeutung der Jugend fur die Gesellschaft nachgeht, Jugend also als Teil des sozialen Ganzen betrachtet.15 Mit seiner Fragestellung öWas bedeutet Gesellschaft fur die Jugend?ß steht fur Schelsky der ju-gendsoziologische Aspekt im Vordergrund. Demgegenuber steht bei Eisenstadt, der sich die Frage öWas bedeutet Jugend fur die Gesellschaft?ß stellt, mit der Betrachtung des gesamtge-sellschaftlichen Aspekts

3.2.2 Die Theorie von Jugend Frage 13 Wie definiert Schelsky Jugend? Definition von Jugend

Jugend ist eine Nicht-mehr-noch-nicht-Phase, d.h. eine Ubergangs- und öVerhaltensphase des Menschen, in der er nicht mehr die Rolle des Kindes spielt [...] und in der er noch nicht die Rolle des Erwachsenen als vollgultigen Tra gers der O ffentlichkeit und politischen Ordnung, der Rechts- und Wirtschaftsordnung usw. ubernommen hat.ß16 Sie stellt die wesentlichste und dau-erhafteste Pra gung fur das spa tere soziale Verhalten dar (Kindheitserfahrungen spielen eine ge-ringere Rolle) und ist gekennzeichnet durch die Ablosung von der Prima rgruppe (Familie) unter Hinwendung zur Sekunda rgruppe (Gesellschaft).17

Frage 15 Schelsky unterscheidet drei Ebenen gesellschaftlichen Einwirkens auf die Jugend: Soziale

Grundgebilde - Epochale Gesamtstruktur - Zeitgeschichtlich-politische Situation. Erkla ren Sie die Begriffe und ero rtern Sie die Wirkung der drei Faktoren auf eine der drei von Schelsky identifi-zierten Jugendgenerationen.

Determinanten jugendlichen Verhaltens18

Schelsky nennt drei, hier in aufsteigender Geschwindigkeit ihrer Wandlungsfa higkeit sortierte, die Umwelt kennzeichnende Determinaten, die das jugendliche Verhalten beeinflussen: • Soziale Grundgebilde sind wichtige, grundlegende Institutionen der Gesellschaft, Grund-

strukturen, die sich nicht innerhalb von Jahren oder Jahrzehnten a ndern und eine gro– e Beharrlichkeit aufweisen (z.B. Familie, offentliche Ordnung, Zweiteilung der Geschlechter-rolle, privates Eigentum Ehe). Die Schicht der sozialen Grundgebilde beinhaltet das Heraus-losen des Jugendlichen aus der Herkunftsfamilie, seinen rechtlichen und sozialen Ubergang in die Welt der Erwachsenen sowie die dort erfolgende Statusbildung.

• Die epochale Sozialstruktur ist die momentan vorherrschende und mittelbar wandelbare Gesellschafts- und Produktionsverfassung (z.B. moderne Industrigesellschaft der kapitalisti-schen Wirtschaftsordnung)

• Die zeitgeschichtlich-politische Situation ist die Zusammenfassung aktueller histori-scher Ereignisse, Kra fte und Aufgaben und dadurch gekennzeichnet, da– sie politisch beeinflu–bar und schnell wandelbar ist. (z.B. Krieg, Frieden, Monarchie, Republik)

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Konzepte von öJugendß Helmut Schelsky Die Theorie der Jugend Frage 16 Schelsky geht davon aus, daö in der modernen Gesellschaft Verhaltensunsicherheit in der Phase

des Ubergangs vom Status des Kindes zu dem Erwachsenen strukturell erzeugt wird. Welche Belege gibt es fur diese These?

In der industriellen Gesellschaft besteht ein Problem des Ubergangs zwischen den gegensa tzli-chen Verhaltenshorizonten der intimen Prima rgruppe Familie (Kindheit) und der weitgehend ge-gensa tzlich und eher familienfeindlich strukturierten sozialen Umwelt, die sich durch Anonyita t, Rationalita t, Mobilita t, Urbanisierung, Burokratisierung usw. auszeichnet.

Gesellschaft ↔ Familie

Die Folge ist die Versta rkung der aufgrund der kor-perlichen Reifung in der Puberta t ohnehin schon vorhandenen Verhaltensunsicherheit und Orientie-rungslosigkeit.Jugendliche mussen eine zweite so-ziale Verhaltensstruktur ausuben, um den Uber-gang in die Welt der Erwachsenen (özweite soziale Menschwerdungß19) zu schaffen, was sie zugleich von der Familie entfernt.

Anonymita t Rationalita t

Mobilita t Burokratisierung

↔ Intimita t ↔ Gefuhlsbetonung ↔ Ortsgebungenheit ↔ Unformalita t

Verha ltnis prima rer und sekunda rer Strukturen, Verhaltens- unsicherheit

Unterstutzende, jugendgema – e Ubergangsinstitutionen existieren nicht, auch die Schule beha lt den familia ren Kleingruppencharakter bei.20

Frage 17 Welche drei aufeinanderfolgenden Jugendgenerationen unterscheidet Schelsky? Welche Strate-

gien des Erwerbs von Verhaltenssicherheit sind jeweils typisch? Die Jugend reagiert auf Verhaltensunsicherheit abwendend, kritisch oder skeptisch. Schelsky

erwa hnt dementsprechend drei (zeitgeschichtliche) Losungsansa tze zum Gewinnen von Verhal-tenssicherheit:21

Generation

der Jugendbewegung Generation der politischen Jugend

skeptische Generation der Nachkriegszeit

zeitliche Ein-ordnung

vor dem Zweiten Weltkrieg wa hrend des Zweiten Weltkriegs und kurz davor

in der Nachkriegszeit

Charakteristika • Jugend wird als eigensta ndi-ger Teil der Gesellschaft ge-schaffem

• bewu– te Institutionalisierung von Jugend

• Hingabe zu Ideologien • Streben nach fruhzeitiger

Mundigkeit • wollte Verantwortung fur die

Gesellschaft auf sich nehmen und die Realita t durch aktives eigenes Handeln zu eigenen Gunsten vera ndern.

• Ruckzug ins Private, Streben nach beruflichem Erfolg

• fruh Erwachsen sein wollen • Skepsis gegenuber Einbin-

dungen, aber Anpassungbe-reitschaft gegenuber Familie

• passiv zuruckhaltend statt aktiv vera ndernd

gesellschaftli-cher Einfluö

Entstehung aufgrund der Vera nde-rungen epochalen Grundstruktur (Entstehung von Jugend in der Industriegesellschaft)

keine starke Vera nderung der e-pochalen Grundstruktur, aber starke Orientierung an der zeitge-schichtlich-politischen Situation

Festklammern an die sozialen Grundgebilde, Skepsis gegenuber der zeitgeschichtlich-politischen Situation

Identifikation, Erwerb von Verhaltens- sicherheit

• Wandern und Lagerfeuer • Vorgabe einer sozialen Rolle,

in deren Vertrautheit Jugend-liche Halt und Sicherheit fan-den

• Aufma rsche und Demos • Weltanschauung zur Bewu– t-

seinssicherung und als Kom-pensation von Verhaltensun-sicherheit und Ohnmacht des eigenen Denkens

• Verhaltenssicherheit durch Anpassung

• Nivellierung von Altersrollen und Schichtungsstruktur

• konsequente Absage an I-deologien

Autonomie Autonomie gegenuber der Gesell-schaft

wenig Autonomie, hoher Organi-sationsgrad von au– en

hohe Autonomie durch fruhzeiti-gen Ubergang zum Erwachsensein

Prognose Ausgehend von der skeptischen Nachkriegsjugend prognostiziert Schelsky, da– es zu einer

Ausbruchsreaktion der Jugendlichen gegen die manipulierte Befriedigung des modernen Le-bens und gegen den unangreifbaren Konformita tsbruch der modernen Gesellschaft kommt. Die politische Motivation der spa teren Studentenbewegung erwa hnt er in seiner Prognose nicht.

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Konzepte von öJugendß Helmut Schelsky 3.2.3 Kritik Soziologische Kritik (Griese)

Griese bema ngelt, da– es den Jugendlichen nicht gebe, weist aber zugleich darauf hin, da– Schelsky die Besonderheiten jugendlicher bewu– t ausgeklammert habe. Gravierend sei die mangelhafte Berucksichtigung verausgegangener Sozialisationsprozesse bei der skeptischen Nachkriegsjugend. Infolge der Nivellierungsthese blieben zudem schichtspezifische Unterschiede unbeachtet. Schelsky habe sich aber auch Meriten erworben. So seine die soziologische Fragestellung, der theoretische Ansatz, die Grundbedurfnisse des jugendlichen Verhaltens sowie die Analyse der Jugend am Ubergang zwischen zwei sozialen Horizonten auch heute noch in der Jugendsoziolo-gie relevant.22

Soziologische Kritik (Rosenmayr)

Rosenmayer verweist auf drei Kritikpunkte an Schelskys Analyse. Die von Schelsky als Generati-on dargestellten Phasen seien eher als historische Epochen zu betrahten. Allenfalls zu Zeiten der Jugendbewegung habe es ögewisse Kriterien eine Generationenbildung durch Orientierungs- und Erlebnisgemeinsamkeit (zum Teil auh durch kollektive Selbstinterpretation)ß23 gegeben. Zu-dem konne man bei der jugendbewegten Zeit von 1900 bis 1930 eher von einer Generationen-bildung ausgehen, öweil sich in dieser Epoche durch die aktive Minorita t der Jugendbewegung das Verha ltnis zur Erwachsenengesellschaft als Problem dargestellt hat.ß24 Des weiteren seien innerhalb der Gesellschaft bestehende Diskrepanzen, die innerhalb der Jugend bestehende Schichtstruktur sowie die politisch-ideologisch oft gegensa tzlich gepra gten Generationseinheiten mitzuberucksichtigen.25

Padagogische Kritik (Flitner)

Flitner sieht die von Schelsky als skeptische Generation bezeichnete Nachkriegsjugend eher ge-kennzeichnet durch eine öwirklichkeitsnahe und unpathetische, lebenspraktische, ja pragmati-sche Einstellung.ß26 Eine skeptische Einstellung vermag er nicht zu finden. Im Gegenteil: Die Jugend akzeptierte das Leben der Erwachsenen in unkritischer Manier. Zudem verallgemeinere Schelsky die bei arbeitslosen Jugendlichen und Teilen der jungen Arbei-terschaft auftretenden soziologischen Merkmale auf die gesamte deutsche Nachkriegsjugend und wurdige damit auch die Rolle zahlreicher Minderheiten nicht ausreichend.27 Auch Schelskys Grundthese vom gewollten Verschwinden eines eigensta ndigen Jugendraums zweifelt Flitner an. Er ha lt gesellschaftliche Tendenzen fur gefa hrlich, die der Jugend einen ei-gensta ndigen Gestaltungsspielraum nicht gewa hren wollen und das Leitbild des jungen Erwach-senen propagieren.28 Da– der Wunsch nach Verhaltenssicherheit ein Grundbedurfnis der deutschen Nachkriegsjugend sei, ha lt der Pa dagoge fur wissenschaftlich nicht erwiesen.29

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Konzepte von öJugendß 3.3 Shmuel N. Eisenstadt 3.3.1 Der theoretische Hintergrund: Strukturfunktionalismus Funktionalismus öDer Funktionalismus zielt auf eine ganzheitliche Betrachtung der Gesellschaft, wobei die

wechselseitigen der Teile untereinander und zum Ganzen der Gesellschaft untersucht wer-den.ß30 Der Funktionalismus ist somit eine makrosoziologische Theorie.

Struktur- funktionalismus

öDer Strukturfunktionalismus bescha ftigt sich mit den Funktionen (Wirkungen, Beitra ge) struktureller Elemente innerhalb sozialer Systeme. Orientierungspunkt ist der Bestand bzw. das Gleichgewicht der sozialen Struktur, also Systembedurfnisse und Systemprobleme. [...] Grund-annahme ist die These von der Gesetzma – igkeit der Zusammenha nge zwischen Struktur und Funktion.ß31

Analyse sozialer Systeme

Soziale Systeme werden zuna chst bzgl. ihrer Struktur analysiert, welche dann als relativ stabi-les Beziehungsgefuge zwischen Rollentragern aufgefa– t wird. Dann wird jedes Systemele-ment nach seiner Funktion fur den Erhalt des Gesamtsystems uberpruft, um schlie– lich ei-ne Aussage uber die Relevanz dieses Elements fur das System treffen zu konnen. Wissen-schaftstheoretisch weitgehend ungekla rt ist die Frage, ob es in einem sozialen System dauer-haft funktionslose Elemente geben kann. Kleinste Einheiten eines sozialen Systems sind Handlungen bzw. Rollen. öSoziale Beziehun-gen werden als sich selbst regulierende soziale Systeme der Wechselwirkungen aufeinander be-zogener Handlungen betrachtet.ß32

Differen- zierungen

Eine mogliche (hier nicht vorgenommene) Differenzierung ist die Unterscheidung funktionaler (positiver) und dysfunktionaler (negativer) Elemente, sowie manifester (gewollter) und latenter (nicht gewollter) Funktionen.

3.3.2 Die Theorie von Jugend Verstandnis von Jugend

öJugend als eine kollektiv organisierte Statuspassage [...],in der die strukturell vorgegebene Kluft zwischen den sozialen Motiven und Interessen der Jugendlichen- und der Erwachsenenge-sellschaft verarbeitet wird.ß33

Frage 18 Skizzieren Sie aus dem Blickwinkel der strukturell-funktionalistischen Theorie die Bedeutung des

Sozialisationsprozesses fur die Bestandserhaltung des Sozialsystems. Sozialisati-onsprozeö

Der Sozialisierungsproze– ist ein Mittel, bestehende Werte, Normen und Verhaltensmuster, die die Kontinuita t und Stabilita t (und damit den Bestand) des Sozialsystems gewa hrleisten, zu si-chern. Eisenstadt bezeichnet die Sozialisation als Kommunikations- und Lernproze– , der durch erste Entwicklung von Rollendispositionen den Weg fur spa tere detaillierte und spezifizierte Rol-len ebnet.

Frage 19 Wieso geht Eisenstadt davon aus, daö “ in universalistischen Leistungsgesellschaften ... ein Indi-

viduum keinen vollen Status erlangen (kann), wenn es sich auch in seiner Arbeit gema ö den ... Kriterien des Familienlebens verha lt?

Verha ltnis prima rer und sekunda rer Strukturen

Wa hrend in partikularistischen Gesellschaften (einfache Kulturen) eine strukturelle A hn-lichkeit des prima ren und sekunda ren Sektors vorherrscht, ist in universalistischen Gesell-schaften (komplexe, differenzierte Kulturen) ein Auseinanderklaffen dieser Sozialisationsberei-che festzustellen. Es besteht eine Diskrepanz zwischen den in der altersheterogenen Prima r-gruppe (Familie) erlernten Verhaltensmustern und den in der Gesellschaft existierenden sozialen Rollen. Diese Diskrepanz stellt ein Problem fur die Integration des Heranwachsenden in das So-zialsystem dar.34

Gesellschaft ↔ Familie neutrales Handeln ↔ emotionales Handeln Selbst(wohl)orientierung ↔ Kollektivorientierung Erlangen der Rolle durch Leistung ↔ Zuordnung der Rolle universalitische Orientierung,

allgemeine Rollenerwartung (Patient - Arzt) ↔ partikularistische Orientierung,

spezifische Rollenerwartung (Kind - Mutter)

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Konzepte von öJugendß Shmuel N. Eisenstadt Die Theorie der Jugend Bedu rfnis- dispositionen

Die beschriebene Diskrepanz fuhrt zu Bedurfnisdispositionen35 bzgl. • zugeschriebener, diffuser, universalistischer, solidarischer Rollenausubung • Anerkennung und emotionaler Sicherheit • Abwehr der Zukunft (bei gleichzeitiger Vorbereitung auf diese)

Frage 20 Welche Funktion erfullen nach Eisenstadt altershomogene Gruppen fur den Jugendlichen und

fur die Gesellschaft? Peer Groups Aus den Bedurfnisdispositionen heraus ergibt sich die funktionale Notwendigkeit altershomoge-

ner Gruppen, sog. Peer Groups, die36 • durch gemeinsame Probleme und Bedurfnisse ihrer Mitglieder zusammengehalten werden • emotionale Sicherheit bieten • eine Ablosung von der Familie bedeuten (obwohl sie familienorientiert bleiben) • auf die zukunftigen Rollen in der Gesellschaft vorbereiten (wa hrend sie gleichzeitig vor der

Gesellschaft schutzen) • der Integration der Personlichkeit des Individuums in das Sozialsystem dienen • als gesellschaftlich institutionaliserter Verbindungsbereich zwischen den unterschiedlich

strukturierten Handlungsfeldern Familie und Gesellschaft eine funktionale Notwendigkeit fur die Kontinuita t und Stabilita t des System darstellen

• einerseits aufgrund der (aus der hohen Kontaktdichte unter Gleichaltrigen resultierenden) Abgrenzung von den Erwachsenen ein strukturell problematisches, spannungsreiches Ver-ha ltnis der Jugend zur gesamtgesellschaftlichen Kultur darstellen37 und zu einer Herausbil-dung einer öjugendlichen Subkulturß38 mit eigenen Werthaltungen, Zielsetzungen und Ver-haltensmustern fuhren konnen

• andererseits aufgrund ihrer funktionalen Notwendigkeit fur das soziale Systeme die Jugend nicht zum Problem werden lassen, sondern vielmehr Probleme bzw. Folgeprobleme, die aus der sozialen Differenzierung resultieren, losen konnen

Die Existenz von Altersgruppen, Jugendbewegungen etc. ist also nicht zufa llig, sondern sie ent-stehen nur unter ganz spezifischen Bedingungen.

Frage 21 Nehmen Sie Stellung zu der These von Eisenstadt, daö autorita tszentrierte Verhaltensmuster

vor allem in altersheterogenen Bezugen, kooperative Verhaltensmuster vor allem in alterhomo-genen Bezugen erlernt werden.

In der Familie besteht ein Autorita tsvorsprung der a lteren Generation, ein analoges Verha ltnis

findet sich am Arbeitsplatz zwischen Chef und Arbeitnehmer. Autorita tszentrierte Verhaltens-muster tauchen also vornehmlich in altersheterogenen Bezugen auf und werden somit auch dort erlernt und (wenn die Kinder selbst eine Familie grunden) auch in diesem Rahmen wieder ausgeubt. In den Peer Groups kommen zwar auch Autorita tsstrukturen zustande, aber aufgrund von Leis-tungen, nicht von Zuordnungen. Au– erdem Daruber zeichnen sich altershomogene Bezuge durch gro– ere Hervorhebung von gemeinsamer Erfahrung und resultiernder Gleichrangigkeit aus, wie sie die in der Familie (wenn uberhaupt) nur unter Geschwistern vorherrscht. Daher sind altershmogene Bezuge geeignet zum Erlernen kooperativer Verhaltensweisen.

Anmerkung Alterstufen werden aufgefa– t als Rollendispositionen, d.h. an Altersstufen werden vielfa ltige Er-

wartungen und Anforderungen gestellt, von denen fast alle Rollen des Individuums betroffen sind.39

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Konzepte von öJugendß Shmuel N. Eisenstadt 3.3.3 Kritik Hendirk Kreutz

Hauptvorwurf von Hendrik Kreutz ist, da– Eisenstadt zu undifferenziert vorgeht: • Eisenstadt geht davon aus, da– alle Mitglieder der Altersgruppen die gleichen Verhaltens-

vorstellungen besitzen. • Vor dem Hintergrund der funktionalistischen Betrachtungsweise la – t die Moglichkeit

schicht- und klassenspezifischer Unterschiede au– er Acht.40 • Er sieht altersspezifische Rollendispositionen als rein funktional, Rollen konnten aber auch

verstanden werden als öideologische Produkte von Interessen und Interessenkonflikten.41 • Das Problem des sozialen Wandels lost Eisenstadt nicht einwandfrei, d.h. er trennt nicht sy-

stemgefa hrdenden, -vera ndernden und -stabilisierenden sozialen Wandel • Erwachsenwerden ist von Eisenstadt zu biologisch betrachtet worden, da er das Alter als

relevantes Kriterium fur Rollendispositionen annimmt, das Erreichen des Erwachsenenalters aber nicht einhergehen mu– mit dem Erreichen des Erwachsenenstatus42

Leopold Rosenmayr

Leopold Rosenmayrs Kritik bezieht sich auf das allgemeine Problem funktionalistischer Modelle, namlich da– sie fur komplexere Gesellschaftsformen ha ufig nicht erkla rungskra ftig sind, da sie die historische und die zeitliche Perspektive au– er Acht lassen. So kann Eisenstadts Konzept Ju-gendunruhen und Revolten nicht erkla ren.

Bohnsack Bohnsack stellt in seiner Kritik vor allem Heraus, da– der Funktionalismus Schwierigkeiten beim

Erfassen abweichenden Verhaltens und sozialen Wandels hat.43

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Konzepte von öJugendß 3.4 Friedrich H. Tenbruck 3.4.1 Das theoretische Konzept: anthropologisch orientierte Handlungstheorie Anthropologi-sche Basis

Die anthropologische Basis zeigt sich in der öThese vom Gruppencharakter menschlichen Da-seinsß44, welche Tenbrucks gesamte Argumentation durchzieht

Handlungetheo-retischer Ansatz

Handlungstheoretische Momente lassen sich in Tenbrucks Definitionen von Rolle und Gruppe erkennen: • Rolle definiert nicht nur die Erwartungen der Umwelt gegenuber dem Rollentra ger, sondern

auch die des Rollentra gers gegen sich selbst, öd.h. die Komponente des Handelnden wird hervorgehoben.ß45

• Gruppe wird verstanden als Handlungs- und Interaktionszusammenhang, als Komplex sozi-aler Beziehungen, öder durch gleiche Problem- und Bewu– tseinlagen charakterisiert ist.ß46

3.4.2 Die Theorie der Jugend Verstandnis von Jugend

Jugendphase als öEinfuhrung in die Kulturß47, in historisch-gesellschaftlicher Perspektive als ein neuartiges Pha nomen der Industriegesellschaften, welches öseine Ursache in der wachsenden Komplexita t der Kultur hat, insbesondere in der Ausdifferenzierung von Lebenssituationen, der verla ngerten Ausbildung und der Vielfalt von sozialen Rollen mit ihren strukturellen Gegensa t-zen.ß48 Die moderne Jugend ist durch funf Tatsachen gekennzeichnet:

Die moderne Jugend - fu nf Tatsachen

• Die öenorme Verla ngerung der Jugendphaseß (durch den fruheren Eintritt der korperlichen Reife und die la ngere Dauer dieser Phase)

• Die öallgemeine Radikalisierung der Jugendspanneß (zunehmende Unsicherheit und Orien-tierungslosigkeit durch Entscheidungsfreiheit und Verwischen von Verhaltensregeln)

• Die Jugend als eine öeigene Teilkulturß (Die Jugend ist eine Teilkultur mit hoher Eigensta n-digkeit, die dadurch entstand, da– der Anspruch der Jugend auf Erziehung wird von der Gesellschaft nicht erfullt wurde.)

• Der öPuerlismus der Gesamtkulturß (Jugendlichkeit ist in fast allen Lebensbereichen mit po-sitiven Attributen besetzt und ein erstrebenswertes Ziel geworden.)

• Die öKongruenz der Jugend der industialisierten La nderß (Die A hnlichkeit der Lebensum-sta nde relativiert die nationalen und ethnischen Unterschiede.)

Fragen 22 und 25 Was sind nach Tenbruck Ursachen, Ausdrucksformen und Folgen des Konturverlustes sozialer

Rollen des Jugendlichen? Erlautern Sie Tenbrucks Beschreibung der Situation des Jugendlichen durch einen Bedeutungs-verlust altersheterogener Gruppen und wachsende Autonomie altershomogener Gruppen.

Entstehung der Sozialisation in Eigenregie

In der vorindustriellen Gesellschaft wei– man, öwas der Jugendliche ist, und man wei– es des-halb, weil man ihm verha ltnisma – ig eindeutig sagt, was er sein soll. Und weil der Jugendliche wei– , was ein Jugendlicher ist, [...] so wei– er auch, was er selbst ist.ß49 In der komplexeren industrialisierten Gesellschaft, die durch • hohe Ausdifferenzierung • eine Vielzahl ineienandergreifender Rollen(systeme) • eine Verla ngerung des Ausbildungsprozesses in einer altersma – ig gegliederten Schule gekennzeichnet ist, hat sich die Familie zur Vorbereitung auf das Erwachsensein als unzurei-chend erwiesen, verliert daher wesentliche Sozialisierungsfunktionen und ist in diesem Sinne disfunktional. Die Rollen der Erwachsenen und die des prima ren Charakters werden nicht mehr in der Familie gelernt und geformt, die Familie setzt nur noch Rahmenbedingungen. Es kommt zu einer Entgrenzung der Jugend aus den traditionellen Gruppen (Familie, Verwandt-schaft, Gemeinde) und damit zu einem Wegfall regider Verhaltens- bzw. Rollenerwartungen, ju-gendliche Rollen verlieren Kontur und Eindeutigkeit. Die zunehmend freigesetzte isolierte Jugend wird fruh von au– erfamilia ren Instanzen soziali-siert. (Je mehr Rollen es in einer Gesellschaft gibt, desto mehr mu– au– erhalb der Familie ge-lernt werden.) Da sie gesellschaftlichen Sozialisationseinflussen relativ offen gegenubersteht, ist sie einer Viel-zahl konkurrierender Einflusse und ungleicher Kra fte ausgesetzt, befindet sich also in einer dif-fusen Sozialisierungssituation, aus der heraus Verhaltensunsicherheit entsteht.

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Konzepte von öJugendß Friedrich H. Tenbruck Die Theorie der Jugend Deshalb schafft sich die Jugend, die ihr Verhalten selbst mitbestimmen kann, eine öseelischen,

geistigen und sozialen Raum, in dem sich jeder an anderen wiedererkennen, die Isolierung u-berwinden und in der Gemeinsamkeit von Inhalten und Identifikationen mit anderen sein Da-sein stabilisieren kann.ß50 Einen solche Raum bieten altershomogene Gruppen, in denen nun vornehmlich die Sozialisation stattfindet. (Sozialisation in Eigenregie) Dies widerum bringt einen grundlegenden Wandel der Sozialisation mit sich, in dem traditionelle Verhaltenstraditionen durch allgeimen Verhaltensprinzipien und Leitbilder ersetzt werden

Frage 24 Wieso bezeichnet Tenbruck Jugend als soziale Gruppe? Jugend als soziale Gruppe

Tenbruck sieht Jugend nicht als statische, sondern als soziale Gruppe, die nicht definiert ist uber das Alter, sondern uber gemeinsames Bewu– tsein und Handeln, sowie uber gemeinsame Inte-ressen und Pra gungen ihrer Mitglieder und der daraus resultierenden Verbindungen. Jugend ist soziale Gruppe, öweil die auf mannigfache Weise sich uberschneidenden formellen und informel-len Gruppen der Jugend einen durchga ngigen indirekten Zusammenhang der Jugendlichen be-grundenß51.

Je gro– er die Zahl der altershomogenen Gruppen, in denen sich der Jugendliche bewegt, je gro– er der Handlungsspielraum dieser Gruppen, desto weniger sind Selbstbewu– tsein, Verhalten und Verfassung des Jugendlichen in alters-

heterogene Gruppen verschra nkt, desto sta rker die Entgrezung desto deutlicher tritt Jugend als Pha nomen in Erscheinung. Probleme der Sozialisation in Eigenregie

Flache und einseitige Kontakte (universalistische Werte) werden in den homogenen Jugend-gruppen gefordert (solche Beziehungen sind typisch fur das sekunda re System) Die Eigenschaften der zu erwerbenden Erwachsenenrolle unterliegen einer jedoch gewissen Al-tersverteilung und bauen aufeinander auf. Die Isolation in Peer Groups kann also ein Ha n-genbleiben in der Jugendphase bewirken, da dort keine Vorlagen erwachsenen Daseins existie-ren. Dies bedeutet einen Zusammenbruch der Altersrollen und fuhrt zu einer Ausgliederung der Jugendlichen von spa teren und entsprechend zu einer Orientierung an fruhen Altersrollen. Die Eigenschaften der zu erwerbenden Erwachsenenrolle unterliegen einer altersheterogenen Struktur, die Jugend isoliert sich jedoch in einer altershomogenen (Peer Groups), in der es keine Vorlagen erwachsenen Daseins gibt. Dies fuhrt zu einem grundsa tzlichen Zusammenbruch der Altersrollen und einer Ausgliederung der Jugend aus der spa teren Rolle (Ha ngenbleiben in der Jugendphase). öValenzen (Wertigkeiten) hoherer Ordnung und personaler Uberformung gehen dort verloren, wo Rollen nicht am erwachsenen Gegenuber eingeubt, sondern geiwsserma– en abgeguckt wer-den.ß Rollen werden so nur noch auf ihre technischen Erfordernisse reduziert.

Frage 23 Tenbruck diagnostiziert eine “Radikalisierung der Jugendphaseä. Was ist gemeint? Radikalisierung der Jugend- phase

Die Jugend ist orientierungslos und normativ ungefestigt, findet keinen Halt von au– en. Dies fuhrt zu einem anomischen Zustand, der Jugend werden keine Ma– sta be gesetzt, sie kann tun, was sie will. Die spezifische Verhaltensweise, durch die die Jugend ohnehin schon gekennzeich-net ist, wird aufgrund des fehlenden Rahmens uberspitzt. Schuld daran sind Personen und Institutionen, die zur Erziehung aufgerufen sind, aber darauf verzichten. Gemeint ist eine Radikalisierung im Sinne von der schwererwerdenden Problembewa ltigung vor dem Hintergrund der ohnehin schon wertma – ig und normativ ungefestigten Jugendphase. Aufgrund des Versagens der fur Erziehung zusta ndigen Institutionen stehen die Jugendlichen vor der Situation, alles machen zu durfen, wodurch das fur Jugendliche typische Deviante ver-sta rkt wird.

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Konzepte von öJugendß Friedrich H. Tenbruck Die Theorie der Jugend Folgen ⇒ Niveauminderung der Person durch Ubersozialisation in Jugendgruppen (zu viel und zu ein-

seitige Anpassung) ⇒ Verlust von personlicher Struktur ⇒ Verlust wesentlicher Teile des geistigen und menschlichen Erbes ⇒ Gesellschaft unterliegt der eigenen distanzlosen Orientierung an der Modernita t ⇒ Familie kann nicht durch zweckhafte Veranstaltungen ersetzt werden

Frage 26 Was meint Tenbruck mit der Kennzeichnung des Jugendlichen als “potentiellen Deviantenä? Jugendlicher als potentiell Devianter

Der Jugendliche zeichnet sich dadurch aus, da– seine Sozialisation noch nicht vollendet ist, sei-ne Innensteuerung also noch nicht funktioniert. Daher sind Jugendliche abha ngig von ihrer Um-gebung, die sie beeinflussen und manipulieren kann. Zudem besteht die Gefahr, da– der Ju-gendliche sich an Peer Groups orientiert und deren Werte als wichtiger erachtet als die gesell-schaftlichen. Insgesamt ist die Jugend daher potentiell deviant.

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Konzepte von öJugendß 3.5 Klaus Hurrelmann 3.5.1 Der theoretische Hintergrund Aufgabe der Ju-gendforschung

Aufgabe der Jugendforschung ist es, in de theoretische Vorannahmen sowohl soziologische als auch psychologische Ansa tze zu verbinden.

Sozialisation Proze– , durch den ein Individuum in eine soziale Gruppe eingegliedert wird, indem es die in der

Gruppe geltenden Werte und Normen, insbesondere sie an das Individuum als Positionsinhaber gerichteten Rollenerwartungen verinnerlicht.

Theoretische Traditionen

Im wesentlichen lassen sich nach Hurrelmann vier Typen von theoretischen Ansa tzen unter-scheiden, auf deren Basen sich jeweils tragfa hige theoretische Konzeptionen der Personlich-keitsentwicklung ableiten lassen, die aber ihre Akzente jeweils auf andere Zusammenhangs-strukturen legen.52

Frage 31 Worin liegt die Besonderheit des reflexiv-handlungstheoretischen Ansatzes? strukturfunktionalistisch-

rollentheoretisch entwicklungsbezogen-pyschodynamisch

systemtheoretisch-okologisch

reflexiv- handlungstheoretisch

Ausgangspunkt und Ursache fur Entwick-lung und Verhalten von Personen

Umwelt, Entwicklungsim-pulse kommen von au-– erhalb des Organismus (mechanistisches Modell)

Organismus, der Um-welteinflusse bewu– t verarbeitet (innerperso-nale und innerorganismi-sche Prozesse entschei-dender als Umwelt)

soziale Kontexte, mit dem das Individuum in wechselseitiger Bezie-hung steht

wechselseitige Anpas-sung der Person und ih-rer sozialen und okologi-schen Umwelt (interaktives Modell)

Personlichkeitsent-wicklung, Identita t; Sozialisation

Personlichkeitsentwick-lung als Einfugungspro-ze– in vordefinierte ge-sellschaftliche Normen und Werte; Sozialisation als gesellschaftliche For-mung der eigenen Be-durfnisse und Erwerb der grundlegenenden Wert-orientierungen, die zu er-folgreicehm Rollenhan-deln befa higen mit dem Ziel des Gesellschafter-halts und der Systemsta-bilisierung

bewu– te, aktive Verar-beitung der Umweltein-flusse; Bildung eines in-dividuellen Ordnungsras-ters fur die eigene Per-sonlichkeitsentwicklung durch aktiven Proze– der Aneignung und Ver-arbeitung von Impulsen

Person und Umwelt ste-hen in einer funktionalen, wechselseitigen und akti-ven Beziehung zueinan-der und beeinflussen sich gegenseitig; Personlich-keitsentwicklung und So-zialisation als wechselsei-tiger Proze– der Anpas-sung von Individuum und Umwelt (Entwicklung im Kontext)

wie voranstehender An-satz, jedoch mit sta rkere Betonung der bewu– ten Reflexion des Inidivi-duums uber dessen Ent-wicklungsmoglichkeiten; Modell eines ökreativen, produktiv seine Umwelt verarbeitenden und ges-taltenden Menschenß53; Mensch als schopferi-scher Geastalter und Ausleger seiner sozialen Lebenswelt

Beispiele Strukturfunktionalismus, Rollentheorie, politisch-okonomische Theorie, (modere soziale) Lerntheorie

Vertreter Schelsky (1957), Eisen-stadt (1966), Onna (1976), Bandura (1979) Fend (1988)

Piaget (1973) Erikson (1981)

Luhmann (1984) Bronfenbrenner (1981)

Mead Lerner (1976) Greulen (1977)

Schwerpunkt von Hurrel-manns Analyse

Im Jugendalter gehen rapide korperliche Entwicklungen und kognitive Fa higkeiten mit wach-senden kulturellen, normativen und sozialen Anforderungen einher. Schwerpunkt von Hurrel-manns Analyse sind Verarbeitungs-, Entwicklungs- und Bewa ltigungsprozesse der Psyche: öDer Schwerpunkt der entwicklungspsychologischen Ansa tze liegt auf den Prozessen der korperlichen und seelisch-psychischen Entwicklung einzelner Jugendlicherß.54 Hierbei unterscheidet Hurrel-mann zwei Zugangsweisen:

Zugangsweisen • psychoanalytische Zugangsweise: Personlichkeitsentwicklung im Spannungsverha ltnis

zwischen der inneren Natur der Motive und Triebe und der a u– eren Natur der kulturellen Anforderungen mit ihren sozialen Normen und Sanktionen

• kognitiv-thoretische Zugangsweise: Entwicklung als Proze– der Aufbaus von Fa higkei-ten, ödie Schritt fur Schritt eine flexible und aktiv gesteuerte Anpassung des Organismus an die Umweltbedingungen ermoglichen.ß55

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Konzepte von öJugendß Klaus Hurrelmann 3.5.2 Die Theorie der Jugend Grundannahme Es besteht ein wechselseitiger Zusammenhang zwischen individueller und gesel l-

schaftlicher Entwicklung, d.h. die Personlichkeitsentwicklung ist gepra gt durch die gesell-schaftliche und okologische UMwelt, die auf das Individuum einwirkt - bei gleichzeitiger Beein-flussung dieses Raums durch das Individuum selbst.

Hurrelmann sieht in der ösozialisationstheoretischzenß Konzeption die Moglichkeit der Verbin-

dung von psychologischen und soziologischen Ansa tzen. Acht Maxime Der argumentative Inhalt beruht auf acht Maximen: 1. Menschen im Jugendalter sind produktiv realita tsverarbeitende Subjekte und als

schopferische Konstrukteure ihrer eigenen Lebenswelt zu vestehen. à Jugend ist eine Lebensphase des östa ndigen Proze– des Suchens und Tastensß

2. Die Lebensphase der Jugend ist durch die lebensgeschichtlich erstmalige Chance gekenn-

zeichnet, eine Ich-Identita t zu entwickeln. 3. Die Lebensphase Jugend birgt wegen des Zusammentreffens von Individuations- und In-

tegrationsprozessen ein erhebliches positives Stimulierungspotential, aber zugleich auch ein hohes Belastungspotential in sich.

4. Der Sozialisationsproze– im Jugendalter kann krisenhafte Formen annehmen, wenn es

Jugendlichen nicht gelingt, die Anforderungen der Individuation und der Integration auf-einander zu beziehen und miteinander zu verbinden.

5. Der Individuations- und Integrationsprozeö folgen jeweils einer eigenen, voneinan-

der abweichenden Dynamik. Um da hieraus resultierende Spannungverha ltnis abzuar-beiten, sind angemessene und flexible indivuduelle Bewa ltigungsstrategien notwendig. à Gestiegene Anspruche an Erarbeitung eigener Losungen fur allta gliche Probleme

6. Um das Spannungverha ltnis von Individauations- und Integrationsanforderungen abzuar-

beiten, sind neben individuellen Bescha ftigungsfa higkeiten auch wirkungsvolle und vielsei-tige soziale Unterstu tzungen durch die wichtigsten Bezugsgruppen notwendig.

7. Ob die Stimulierungs- oder die Belastungspotentiale im Verlauf der Personlichkeitsentwick-

lung im Jugendalter uberwiegen, ha ngt wesentlich von den sozialstrukturellen Vorga-ben fur die Gestaltung der Jugendphase ab. à Um den Systemerhalt einer Gesellschaft zu gewa hrleisten, ist es generell wichtig, evtl.

innovative Losungswege zuzulassen. à Es wird zunehmend schwieriger fur traditionelle Sozialisationsinstanzen, notige Kom-

petenzen zu vermitteln und fur Sozialisation und Erziehung zu sorgen. 8. Die Lebensphase Jugend kann auch unter vera nderten historischen, sozialen und okono-

mischen Bedingungen in heutigen Industriegesellschaften als eigenstandige Phase im Lebenslauf identifiziert werden.

Frage 32 Hurrelmann sieht den Sozialisationsprozeö Jugendlicher durch “Individuationä und “Integrationä

gekennzeichnet. Erlautern Sie dies. Individuation und Integration

Das Zusammentreffen der Individuations- und Integrationsprozesse wa hrend der Sozialisations-phase birgt erhebliche Stimulierungs-, aber auch Belastungspotentiale (3. Maxime). Um die Ba-lance zu zwischen Individuation und Integration zu halten, sind angesichts der Eigendynamik, die beide Prozesse jeweils entwickeln, angemessene, flexible individuelle Bewa ltigungsformen (5. Maxime) und soziale Unterstutzung (6. Maxime) notwendig. Kommt der Jugendliche mit den Anforderungen nicht zurecht, konnen krisenhafte Formen im Sozialisationsproze– entstehen (4. Maxime).

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Konzepte von öJugendß 3.6 John R. Gillis 3.6.1 Jugend bis 1950 Vorindustrielle Gesellschaft

Die Gesellschaft der vorindustriellen Zeit ist gepra gt durch sehr patrialchalische Herrschaft, Reli-gion, hohe Geburtenzahl, aber auch hohe Sterblichkeitsrate und Arbeit. Jugend...

... wird definiert als altersunabhangiges Stautsmerkmal von okonomisch abha ngigen

Personen ohne Familie; Bezeichnung öJunglingß passender als öJugendlicherß ... beginnt mit dem 7. Lebensjahr, ihr Ende ist offen ... ist eine Phase, deren Eintritt und Ende stimmen nicht notwendig mit der Phase der Schul-

zeit ubereinstimmen (unscharfe Alterstrennung im Schulwesen) ... ist eine auöerfamilia re Organisationsform ... wird nicht als Geschlechtertrennung erfahren; kleine Jungen und Ma dchen werden z.B.

schon sehr fruh geschlechtsspezifisch gekleidet (öwie zu klein geratene Erwachseneß)56, so da– die Geschlechtertrennung bereits vor der Jugendphase vorhanden ist.

Industrielle Gesellschaft (1870-1900)

Das Absinken der Kindersterblichkeitsrate und die Ausdehnung der Schulbesuchsdauer fuhren zu einem neuen Versta ndnis von Jugend: • Entdeckung des Jugendalters in der Mittelschicht • Die Jugend neigt an und fur sich zu kriminellen Handlungen57 und mu– daher unter

(sozialer) Kontrolle gehalten, also in Insitutionen gefa– t werden (Schule, Jugendgefa ngnis, -gerichte, -fursorge, Wehrpflicht, Gesetze, die es ermoglichen, Jugendliche von der Familie zu trennen); Einschrankung der Unabhangigkeit der Jugend

• Ausdehnung der Schulbesuchsdauer; Jugend findet in der Schule58 statt: ”Schule als Welt - Welt als Schuleä ; Verzogerung des Eintritts in das Erwachsenenalter; Schule ha lt die potentiell deviante, ungefestigte Jugend unter Kontrolle

• die Arbeiterklasse entwickelt ihre eigene Jugendkultur, wa hrend die Ober- und Mittelschicht die moderne Studentenbewegung und die Boheme hervorbringt

Entwicklungen der Jugend von 1900 bis 1950

Zwischen 1900 und 1950 kommt es zu folgenden Entwicklungen des Jugendalters: • Jugend zeichnet sich durch Defizite in der Verhaltensstruktur aus (Kriminalisierung

von Jugend per definitionem) • Jugend ist normativ ungefestigt (Rechtfertigung fur deren Auslieferung an professi-

onelle Sozialisatoren59 • Ausweitung der Kontrolle uber die Jugend (z.B. Schulpflicht) auf Jugendliche aus nicht

hoheren Schichten • Als Folge des aus der Mittelschicht gebrachten Jugendkonzeptes verlief die Trennungslinie

zwischen öangepa– temß und öabweichendemß Verhalten entlang der Klassenschranken

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Konzepte von öJugendß John R. Gillis 3.6.2 Jugend in den 1950er und 1960er Jahren These ”Das Zeitalter der Jugend geht zu Endeä

Die These wird begrundet mit den nachfolgend genannten Vera nderungen in mehreren Lebens-bereichen Jugendlicher vor allem aus mittleren und oberen Schichten60.

Frage 30 Nennen Sie Argumente, die Trotha fur seine These ins Feld fuhrt, “daö Jugend als eine Organi-

sationsform der Sozialisation in den Industriegesellschaften ihrem Ende entgegengehtä. Sexualverhalten • traditionelle Werte und Einstellungen werden liberaler

• immer fruhere Puberta t (pro Jahrzehnt des letzten Jahrhunderts um vier Monate) • immer fruhere Paarbildung • Die Ausgrenzungen der Jugendlichen aus der Sexualita t werden immer bruchiger; Jugendli-

che kopieren / antizipieren immer sta rker das Erwachsenenverhalten mit der Folge des Ab-baus der Sozialgestalt Jugend

• Jugendliche antizipieren Erwachsenenverhalten, d.h. sie lehnen die ublichen Jugendrollen und Definitionen ab und orientieren sich an Verhaltensweisen von Erwachsenen

• Die Jugend selbst wird zur Instanz der moralischen Autorita t; die Eltern verlieren immer mehr an Autorita t und sozialer Kontrolle

Schul- und Aus-bildungssystem

• Der Schulerstatus wird zunehmend von einem bestimmten Alter (fruher: Jugendalter) ab-gekoppelt und durch die Notwendigkeit lebenslangen Lernens ersetzt

• versta rkte Leistungs- und Berufsorientierung in der Schule (Meritokratie61); Jugend als Schonraum geht verloren

Jugendarbeit • tolerante Haltung der Jugendarbeit gegenuber den Jugendlichen

• öGib nur Rat, wenn du gefragt wirst.ß • Jugendliche werden mehr als Gleichberechtigte behandelt (DU statt SIE) • Mitgliederruckga nge, da vor allem a ltere Jahrga nge als Erwachsene behandelt werden

politische und rechtliche Si-tuation

• Jugendliche erhalten (und nehmen sich) mehr Mitspracherecht (z.B. Wahlrecht ab 18) und soziale Freiheiten

• Jugendliche konnen sich immer mehr von der Autorita t und der Kontrolle der Erwachsenen befreien

• kriminelle Jugendliche werden immer ofter (nur) zu Bewa hrungsstrafen verurteilt [Wider-spruch zu mehr Mundigkeit]

wirtschaftliche Situation

• Kinder dienen nicht mehr als Langzeitversicherung ihrer Eltern • Kinder haben Geld zur Verfugung und werden fur den Markt wichtiger; Konsumverhalten • Pha nomen der Postadoleszenz (Mundigkeit ohne okonomische Grundlage)

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4. Problemverhalten Jugendlicher 4.1 Bedingungen fur Problembewa ltigungen personale und soziale Aus-gangsbedin-gungen

Die Grundlage zum Durchlaufen des Integrations- und Individuationsprozesses setzt sich zu-sammen aus folgenden Ausgangsbedingungen: • soziale Bedingungen: soziookonomische Situation der Herkunftsfamilie (auch z.B. Wohn-

situation) • personale Bedingungen: Geschlecht, psychophysische Konstitution, kognitive und moti-

vationale Grundlagen, Personlichkeit Entwicklungs-aufgaben

Es mussen kognitive, motivationale, soziale und praktische Kompetenzen erworben werden. Da-zu gehoren z.B. Schule und Ausbildung, Geschlechtsrolle, Beziehungen zu Gleichaltrigen, Le-bensstil, Werte- und Normensystem, ethisches und politisches Bewu– tsein

Probleme Probleme treten dann auf, wenn o.g. Komptenzen nicht ausreichend vorhanden sind. Problembewa l-tigung

Gute Voraussetzungen, um mit Problemen umzugehen, haben Jugendliche mit einem aufge-schlossenem und aktiven Temperament. Manche Problembelastungen sind jedoch nicht eigen-sta ndig losbar und erfordern soziale Unterstutzung (z.B. Institutionen). Eine Analyse der Muster der Problembewa ltigung befa– t sich mit zwei Fragen: • Wie ging der Jugendliche bereits mit Problemen um? • Wie geht er in Zukunft mit Problemen um?

abweichendes Verhalten

Eine Unausgewogenheit zwischen Anforderungen, Kompetenzen, Problembewa ltigungsstrate-gien sowie sozialer Unterstutzung fuhrt zu inakzeptablen Losungsweisen, wie z.B. Dissozialita t, Delinquenz, psychosomatische Storungen sowie gesundheitsgefa hrdendes Verhalten. Dabei lassen sich zwei Richtungen des Protestpotentials unterscheiden: • nach au– en gerichtet (z.B. kriminelles Verhalten) • nach innen gerichtet (z.B. Drogenkonsum)

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Problemverhalten Jugendlicher 4.2 Deviantes und kriminelles Verhalten Definition von Kriminalita t

Kriminalita t ist eine Verletzung von Normen, die sanktioniert wird. Kriminelles Verhalten umfa– t somit alle Handlungen, die bestraft werden

Ursachen Mogliche Ursachen fur kriminelles Verhalten sind:

• Familie sozial gestort, in ungunstiger Lage oder schlechter Wohnbedingung • wenig Erfolg in der Schule, die es nicht schafft, Kinder Techniken zu vermitteln, mit Mi– er-

folg umzugehen; zudem wird schulischer Mi– erfolg im Elternhaus oft zusa tzlich sanktioniert • kein Abschlu– • schlechte oder gar keine Berufsausbildung • Arbeitslosigkeit Stauen sich diese Ursachen, weicht der Jugendliche oft auf deviantes Verhalten aus.

Sozialstruktu-relle These

Sozialstrukturelle These von Engel und Hurrelmann: Abweichendes Verhalten wird nicht durch eine Abwendung vom System verursacht, sondern durch sehr starke Verfolgung des Systems, dadurch also, daö der Betroffe-ne versucht, die Erfordernisse des Systems zu erf u llen. Zu diesen öErfordernissenß gehort: • Leistungsprinzip • Anerkennung in der Gleichaltrigengruppe • Besitz von Statusgutern (z.B. Kleidung) Werden die Ziele mit sozial akzeptierten Mitteln nicht erreicht, versucht der Jugendliche Aner-kennung durch Sta rke und Gewalt zu erzwingen.

Gewalt in der Schule

Gewalt in der Schule umfa– t korperliche, psychische, sexuelle und soziale Scha digung, die sich gegen Mitschuler, mitunter aber auch gegen Lehrkorper richtet. Auch der Vandalismus (Bescha -digung von Gegensta nden) ist eine Ausdrucksform von Gewalt. Die Grundsteine fur Gewalt in der Schule liegen im au– erschulischen Bereich, bei der Familie namlich, in der der Jugendliche nicht gelernt hat, sich nach geeigneten Verhaltensmustern zu richten. Ursachen konnen aber auch in der Schule liegen: • Leistungsversagen (Distanz zu der Schule entsteht, Selbstwertgefuhl wird angegriffen, de-

viante Verhaltensweisen dienen als Ventil) • schlechtes Betriebsklima (Lehrer finden keine gemeinsame Regelung bzgl. Leistungsbewer-

tung oder Bestrafung und reagieren inkonsequent auf abweichendes Verhalten) • Schulschwa nzen, Langeweile, Unterforderung, Nicht-Einhalten der Schulnormen, Unruhe im

Schulraum

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Problemverhalten Jugendlicher 4.3 Drogen und Sucht Definition von Drogen

Unter Drogen versteht man aus Pflanzen, Mineralien oder auch chemisch gewonnene Substan-zen, die uber das Nervensystem die Befindlichkeit eines Konsumenten direkt beeinflu– t und da-durch psychische Zusta nde vera ndern konnen. Man unterscheidet: • Legale Drogen (Alkohol und Tabak) • Illegale Drogen (Heroin, Kokain, Haschisch, Extasy,...) • Arzneimittel

Verbreitung von Drogen

In Westdeutschland haben unter den 15-24ja hrigen Befragten fast 12% schon illegale Drogen probiert, in Ostdeutschland noch nicht einmal 4%, wobei jeweils die ma nnlichen Jugendlichen gegenuber den weiblichen uberwiegen.

Ursachen Ursachen fur den Mi–brauch von Arzneimitteln:

• Stre– - und Belastungssituationen • Drang nach Leistungsfa higkeit und Fitne– Ursachen fur den Konsum legaler Drogen allgemein: • Befriedigung altersspezifischer Bedurfnisse • demonstrative Einleitung des Erwachsenseins • Schaffung eines Zugangs zu Freunden • Kompensation von Leistungsversagen ... speziell bei Alkohol • Gruppenzwang, oft verbunden mit Unsicherheit und geringem Selbstwertgefuhl • geringe Frustrationstoleranz (Konsumenten sind oft a ngstliche, verschlossene und sensible

Personlichkeiten) • ungunstige Familienverha ltnisse, sozialer Abstieg der Familie, Alkoholismus der Eltern Ursachen fur den Konsum illegaler Drogen: • falsche Erziehungsmuster von uberfursorglicher Verwohnung bis zur dominaten Bevormun-

dung bei gleichzeitiger autorita rer Entwertung der Personlichkeit • Haschisch: depressive Neurosen; schwere Storungen zwischenmenschl. Beziehungen • Heroin: Ruckzug und Verdra ngung • Amphetamine: gro– e Wachsamkeit; Bekampfung von Passivita tsa ngsten • Kokain: Euphorisierung; Erzeugung von Halluzinationen

Folgeprobleme • Gefahr psychischer uns physischer Abha ngigkeit

• immense Gesundheitsgefa hrdungen • Demonstration gegenuber der Umwelt, da– der Konsument den Problemen der Lebensges-

taltung und -bewa ltigung nicht gewachsen sind • Kriminalisierung • An-den-Rand-Dra ngung, da Suchtige nicht in die Leistungsgesellschaft passen

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Problemverhalten Jugendlicher 4.4 Psychosoziale und somatische Storungen jugendl. Personlichkeitsentwicklung Krankheitssta-tus von Jugend-lichen

• Auftreten vieler vermeidbarer Krankheiten, Storungen und vorzeitiger Todesfa lle • Todesursachen im Jugendalter: Unfalltod, Suizid, Krebserkrankungen • 20%ige Verbreitung von sog. diffusen psychosomatischen Beschwerden wie Kopfschmer-

zen, Nervosita t, Unruhe und Schlafstorungen Ursachen der Gesundheit-seintrachtigun-gen

• besonders hoher Anteil verhaltensbedingten Komponenten, potentiell jedoch der Kontrolle des Individuums unterliegen (z.B. riskantes Fahrverhalten, Fehl- und Ubererna hrung)

• umweltbedingte Komponenten: Mangel an personalen und sozialen Ressourcen • okologische Beeintra chtigung der naturlichen Lebensbedingungen (Umweltbelastung)

Geschlechts-spezifische Un-terschiede

Beide Geschlechter haben spezifische Ausdrucksstile fur soziale und psychische Belastungen re-pektive Problemkonstellationen: • Der weibliche Stil ist mehr nach innen gerichtet (inneres, intrapsychisches Verarbeiten von

Spannungen und Konflikten; ruckzugsorientierte Reaktionsformen) • Der ma nnliche Stil ist mehr nach au– en gerichtet (ausagierende, konfliktorientierte Verhal-

tensweisen, Verdra ngungsmechanismen, aggressive Formen der Spannungsregulierung wie Drogenkonsum und Straffa lligkeit)

• Erwartungen der Umwelt an die eigenen Verhaltensweisen sowie die Reaktionen sozialer Bezugsgruppen fuhren zu einer sozialen Interpretation und Uberformung der biologisch an-gelegten Verhaltensmuster (Erwartungsmuster fur geschlechtstypisches Verhalten)

• Entstehung psychosozialer Stre– konstellationen: die erlernten sozialen Rollen und deren Verhaltensmoglichkeiten sind nicht ausreichend, um ein bestimmtes Problem bewa ltigen zu konnen; sie decken sich nicht mit den erwarteten Verhaltensmustern (traditionelle Frauen-rolle versus Berufsrolle)

Selbstmord • Problem der Selbstaggression

• versuchter und vollzogener Suizid als sowohl innengerichtete öruckzugsorientierteß als auch aggressive Reaktion auf Problembelastungen und deren Regulation

• Suizidversuch als Hilferuf an die soziale Umgebung des Jugendlichen (Versuch, eine aktuel-le Lebenssituation nicht mehr ertragen zu mussen)

• unterschiedlicher Umgang mit vollzogenem Suizid (eher bei Jungen [1:12]) und Selbst-mordversuchen (sta rkere Tendenz zur Hilferuffunktion bei Ma dchen [1:39]) [gelungene Selbstmorde : versuchte Selbstmorde]

riskantes Fahr-verhalten

• Fahrer zwischen 18 und 24 Jahren stellen ein Viertel aller Verkehrstoten, Jungen verunglu-cken ha ufiger als Ma dchen

• Grunde sind die jugendspezifische Verhaltensdisposition (erhohte Risikobereitschaft), ge-ringe Fahrpraxis, Beinflussung durch Mitfahrer und Rauschmittel

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Problemverhalten Jugendlicher 4.5 Chancen und Risiken fur das Gelingen der Sozialisation im Jugendalter Individualisie-rung

In einer von Individualisierung gepra gten Gesellschaft ist jedes Individuum selbst fur die Bewa l-tigung und Koordination der verschioedenen Handlungsanforderungen verantwortlich. Die Ju-gendlichen mussen also eigene Wege der personlichen Individuation und der sozialen Integrati-on finden. Problemverhaltensweisen lassen sich z.T. auf Schwierigkeiten der Individuation und Integration in einer individualisierten Gesellschaft zuruckfuhren.

Frage 34 Hurrelmann sieht in der Tendenz zur Individualisierung von Lebenslaufen Chancen und Risiken

fur Jugendliche. Erlautern Sie dies. Der Individualisierungproze– bringt Vor- und Nachteile mit sich:

• eine epoche Verbesserung der Individuationschancen (kleine Familien, gute Schulen, viele Informationsmoglichkeiten)

• die Herausbildung eines neuen Sozialtypus mit stark selbstbezogener Personlichkeitsstruk-tur

• eine Differenzierung und eine rasche Vera nderung der Lebensgrundlagen • da– der Jugendliche sich zunehmend selbst sozialisieren mu– • ein psychosoziales Moratorium fur die Personlichkeitsentwicklung (gro– ere Moglichkeiten

zur Selbstentfaltung durch spa teren Berufseintritt) • das Risiko der Uberforderung durch die Vielzahl der Anforderungen in einer unubersichtli-

chen, pluralistischen sozialen Welt soziale und per-sonale Bedin-gungen

Soziale und personale Bedingung, die fur ein gelingen oder mi– lingen der Problemverarbeitung verantwortlich sind: • soziale Lebensbedingungen (Pluralita t der Lebenslagen, verschiedene Konstellationen von

Handlungsanforderungen und -moglichkeiten), die den Jugendlichen vor die Aufgabe stel-len, unterschiedliche Koordinations- und Synthetisierungsleistungen zu erbringen

• personliche Ressourcen wie Fa higkeit zur Konfliktbewa ltigung, Temperament, Niveau sozia-ler Kompetenz und weitere Personlichkeitsvariablen (impulsiv, zuruckhaltend, abwa gend, explorativ)

Problemverhaltensweisen werden oft gewa hlt, wenn sie einen unmittelbaren Gewinn fur die Auseinandersetzung zwischen inneren und a u– eren Anforderungen mit sich bringen. Falls er-wartete Verhaltensmuster der sozialen Umwelt und individuelles Naturell sich nicht entsprechen, so gibt es, je nach Temperament, eine Veranlassung, Problemverhalten zu wa hlen. Die heutige Gesellschaft stellt hohe Anforderungen an die Fa higkeit der Jugendlichen zur Selbstorganisation der Personlichkeit. Bei hoher Steuerungsfa higkeit und flexibler, selbstreflexi-ver Kompetenz werden Problemverhaltensweisen gemieden, bei geringer Steuerungsmoglichkiet und Inkompetenz besteht dagegen die Gefahr, Problemverhaltensweisen einzugehen.

Frage 33 Welche Aufgaben schreibt Hurrelmann der Sozialisationsinstanz Schule zu? Wo liegen Probleme

der Funktionserfullung? Es stellt sich die Frage, ob Schule noch das ist, was sie sein sollte (namlich ein Schonraum) o-

der ob sie bereits der Ernst des Lebens ist. Hurrelmann kritisiert, da– Schule auf den reibungs-losen Durchgang des Schulers ausgerichtet ist und nicht in ausreichendem Ma– e die Chance des Ausprobierens bietet, da ein Scheitern in der Schulkarriere lebenslange Konsequenzen hat. Das Problem ist die Einschra nkung der Freiheiten und Entwicklungsmoglichkeiten der Schuler.

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5. Jugend, Individualisierung, Desintegration und Gewalt 5.1 Individualisierung 5.1.1 Theoriekonzept und Analysegerust Frage 36 Heitmeyer sieht den Jugendlichen als “aktiven Umweltgestalterä. Was ist damit gemeint? theoretischer Hintergrund

• Jugendliche als aktive Gestalter • Modell des öproduktiv-realita tsverarbeitenden Subjektsß • Entlastung und Stabilisierung des Einzelnen auf Kosten anderer Fur das Individuum steht die produktive Verarbeitung der Realita t im Mittelpunkt. Sie kann zwar durch gesellschaftliche Stereotypen und Ideologien beeinflu– t, mu– aber vom Individuum be-wa ltigt werden. Die Verarbeitung folgt nach dem Kriterium zu entlasten und zu stabilisieren, meist af Kosten anderer Individuen, sie ist also nicht sozial produktiv. Heitmeyers Untersuchung folgt der sozialisationtheoretischen Konzeption, die den Jugendlichen als aktiven Umweltgestalter sieht: öDas Subjekt verha lt sich gegenuber dem System teils gestal-tend, teils ausweichend bzw. selektiv suchend, teils auch passiv hinnehmend. Als Folge dieser Ta tigkeit vera ndert sich zuna chst die reale Situation des Subjekts, wobai anzunehmen ist, da– die sich real herstellende neue Situation nicht vollsta ndig und genau der antizipierten Situation entspricht. Als Folge der Ta tigkeit vera ndert sich au– erdem das Subjekt selber, dies ist seine Sozialisation.ß

Struktur-Kultur-Ebene

Kennzeichnend fur die Struktur-Kultur-Ebene sind Individualisierung, Milieu und Ungleichheit • weitreichende Individualisierungsschube • Selbstgestaltung der Biographie • Paradox: Individuen sind Massenpha nomene • drei sozialstrukturelle Entwicklungen, die die ösekunda reß Individualisierung vorantrieben:

- materieller Lebensstandard verbessert - soziale und geographische Mobilita t gesteigert - Bildungswesen ausgeweitet

• soziale Ungleichheit nicht aufgelost, sondern vera ndert sozial-interpersonale Ebene

Kennzeichnend fur die sozial-interpersonale Ebene sind: Freisetzungen, Auflosungen und Gewiöheitsverluste • Ambivalenz heruasragendes Merkmal gesellschaftlichen Fortschritts • Individualisierungsdruck versus Sicherheitsbedurfnis • Freisetzung aus traditionalen und kollektiven Zusammenhangen • Konkurrenzsituationen • Verlust von traditionalen Sicherheiten à Selbstgestaltung versus Entscheidungszwang • Wertepluralisierung • Reintegration in neue soziale Formationen

personelle, intrapsychische Ebene

Kennzeichnen fur die personelle, intrapsychische Ebene: Identita t • Wechselwirkung zwischen gesellschaftlichem und psychischem Leben • autonome Identita t • Handlungsunsicherheit • Gewalthandlungen als Problemlosungsstrategien • Zusammenhang: Autonomie und Gewalt

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Jugend, Individualisierung, Desintegration und Gewalt Individualisierung 5.1.2 Individualisierungsfallen - Auswirkungen auf die Jugendphase Frage 37 Erlautern Sie Heitmeyers Verstandnis von Individualisierung. Welche Chancen und Risiken sind

fur Jugendliche damit verbunden? Individualisierungfallen ergeben sich aus dem Verha ltnis zwischen

Gestaltbarkeit und Gestaltungszwang Schule und Ausbildung

• schon in der Grundschule wird weitere (schulische) Laufbahn zur existentiellen Frage • Westen: Anazhl hoherwertiger Bildungsabschlusse steigt • Osten: Ausbildung statt Studium zugunsten Jugendlicher mit schlechteren Abschlussen

Herkunfts- familie

• Form und Funktion der Familie hat sich gea ndert • soziale Abha ngigkeit la nger • Ablosung im Freizeitverhalten fruher

Freizeitbereich und Gleichaltri-gengruppe

Entwicklung zur Radikalisierung durch • Intergrationsprobleme • Osten: fehlende Angebote zur Freizeitgestaltung

(Politisches) Institutionen- system

• Verha ltnis zwischen Burger und Politik hat sich gea ndert • Das Politische wird unpolitisch und das Unpoitische politisch bei gleichbleibenden Fassaden • alltagskulturelle Radikalisierungen

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5.1.3 Ambivalenz als zentrales Lebensparadigma Frage 39 Heitmeyer stellt fest, daö Ambivalenzen erhohte Anforderungen an die Fahigkeiten von Jugend-

lichen zur Identita tsbildung stellen. Was meint er damit? Ambivalenzen Als Fazit zu den beschriebenen Individualisierungsprozessen sieht Heitmeyer Ambivalenzen, die

erhohte Anforderungen an den Jugendlichen, insbesondere an dessen Fa higkeit zur Identita ts-bildung. Heitmeyer fuhrt zahlreiche Facetten auf, in denen sich diese Ambivalenzen zeigen:

Vielfalt der Optionen der Lebensplanung ↔ Unberechenbarkeit des Lebensweges Entscheidungschancen ↔ Entscheidungszwang gro– ere Gleichheit

in manchen Bereichen ↔ gro– erer Konkurrenzdruck zur sozialen Plazierung und Statussicherung

Individualisierung ↔ Standardisierung Autonomie ↔ Anomie (mangelnde soziale Ordnung) Vervielfachung der Optionen bis zur

Kontingenz (kontingent = benachbart) ↔ Bedurfnis nach

Unterscheidung Befreiung aus dem Lebenskorsett ↔ Verlustmoglichkeit sozialer Verortung gro– ere individualistische

Selbstdeutung ↔ Destabilisierung sozialer

Lebenszusammenha nge individualisierte Lebensweise ↔ Anonymita t Verlust von Gewi–heiten ↔ Bedurfnis nach Gewi–heiten neue Verhaltenschancen

durch die Auflosung von Traditionen ↔ Verlust selbstversta ndlicher

Regelungswege von Konflikten Freira ume und Optionvielfalt

durch Lockerung von Normen ↔ Subjektivierung von Werten und Normen

und resultierende Versta ndigungsverluste Sozialisati-onsprozeö

Vor dem Hintergrund der Ambivalenzen ist anzunehmen, da– die Sozialisierungsproze– von komplizierten Suchbewegungen gekennzeichnet ist, die das Ziel haben • Mitgliedschaften und soziale Beziehungen zu entwickeln und zu sichern • Statuspositionen zu erwerben • identita tsrelevante Handlungskompetenzen und emotionale Sicherheit zu gewinnen • Lebensplanungskonzepte aufzubauen um in Bezug auf Familie, Schule, Gleichaltrigengruppe, Politik und Beruf handlungsfa hig zu sein.

Problem- verhalten

Angesichts der Spannbreite der Ambivalenzen ist mit ganz unterschiedlichen Bearbeitungswei-sen zu rechnen, die bei Problemlagen von abwertenden und hilfesuchenden bis zu autoaggres-siven und gewalthaltigen Verhaltensweisen reichen.

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Jugend, Individualisierung, Desintegration und Gewalt 5.2 Desintegration 5.2.1 Der Begriff der Desintegration

Desintegration gliedert sich in: • Desorientierung kulturelle Dimension, Pluralisierung der Gesellschaft fuhrt zu Irrita-

tionen uber die Gemeinsamkeiten, gemeinsame Wert und Normen

Definition von Desintegration

• Desorganisation strukturelle Dimension, Differenzierung kann zu anonymisierten und isolierten Lebensformen fuhren

Besondere Problemlagen sind zu erwarten, wenn sich kulturelle und strukturelle Probleme ver-

binden.

• sozial-strukturell Nichtzugehorigkeit, emotionale Desintegration • individuell-emotional formale Zugehorigkeit bei emotionaler Nichtakzeptanz • ausgrenzend dauerhafter bzw. zeitweilger Verlust des Zugangs zu Positionen und

Zugehorigkeiten

Formen von Desintegration

• altersbezogen Positionsverlust in Relation zur bisherigen Statussituation Ursachen Als Ursachen werden die sozialisatorischen Rahmenbedingungen genannt:

• Auflosung oder Gefa hrdung von sozialen Beziehungen • Auflosung der Versta ndigung uber gemeinsame Werte und Normen • Auflosung der Teilnahmebereitschaft an gesellschaftlichen Institutionen

5.2.2 Integration - Desintegration - Reintegration Integration Traditionale Integrationsmuster wie Rituale, Religion oder Tradition verlieren durch die Indivi-

dualisierung zunehmend an Bedeutung. Die damit verbundene Auflosung von ungefragten Loyalita ten kann nur dann als positiv aufgefa– t werden, wenn sie kein Anerkennungsvakuum hinterlassen, sondern durch Anerkennung als moderne Form der Integration ersetzt werden.

Desintegration Kombination von Auflosungs- und Ausgrenzungsprozessen bzgl.

• Zugehorigkeiten und Beziehungen (Familie, Milieu) • der Teilnahme an gesellschaftlichen Institutionen (Wahken) • der Versta ndigung uber gemeinsame Wert und Normen Negative Folgen werden dann auftreten, wenn die Entwicklung als Verlust von Zugehorigkkeit, als Mangel an Teilnahmechancen oder an gesellschaftlicher Ubereinkunft erfahren wird.

Reintegration Reintegration wird in drei Varianten vorgestellt:

• Reintegration durch eine Ausweitung und Radikalisierung des Marktes (konkurrenzfordernd, staatliche Ma–nahmen minimierend)

• Reintegration durch eine Erneuerung von Moral und Erziehung (Sta rkung traditionaler Integrationsmuster)

• Reintegration durch Ausschlu– (Ethnisierung der Politik, Randgruppen als Schuldige)

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Jugend, Individualisierung, Desintegration und Gewalt 5.3 Gewalt 5.3.1 Definition von Gewalt Gewalt Es gibt kaum einen offeneren Begriff als Gewalt: ö[...] Gewalt als ein Pha nomen, das immer of-

fene Grenzen hat.ß62 Aggressives Verhalten

Aggressives Verhalten hat fur den Gewaltta ter den Sinn, das Opfer der Gewalttat zu scha digen. Aggressive Verhaltensweisen sind ödaher lediglich als Feststellung des definierten Sachverhalts ‘zielgerichtetes Scha digenXß63 zu verstehen.

Aggression Als Aggression werden östarke, unangenehm besetzte innere Erregungenß64 verstanden. Aggressivita t Aggressives Verhalten kann grundsa tzlich von jedem Jugendlichen gezeigt werden. Von der Ag-

gressivita t kann man jedoch nur sprechen, wenn dieses Verhalten vermehrt von Jugendlichen gezeigt wird.

Frage 38 Wie erkla rt Heitmeyer die Neigung von Jugendlichen zu gewaltfo rmigen Handlungsweisen zu

greifen? 5.3.2 Ursachen von Gewalt Problemlosung im Individuali-sierungsprozeö

Grundsa tzliche Moglichkeiten zur Problembewa ltigung im Individualisierungsproze– : • Entwicklung von eigensta ndigen Lebensplaungskonzepten • Geschehenlassen und Hinnehmen • Gewaltformige Handlungsweisen

- denkbar bei Individuen und Gruppen - unmittelbarer Einflu– auf das Zusammenleben der beteiligten Personen öDie Gleichgultigkeit greift um sich, die Gewaltschwellen sinken und die Gewaltoptionen steigen.ß65

Interaktives Moment

Folgende Ursachen von Gewalt sind denkbar: • Biologische Faktoren • Ergebnis der Auseinandersetzung des Individuums mit der Gesellschaft

- gewaltta tiges Verhalten - Ausdruck sozialer Prozesse - Gewaltbilligung und Gewaltentstehung im Zusammenspiel

Motivationen gewaltta tiger Handlungen

Heitmeyer beschreibt drei Formen von Gewalt, denen unterschiedliche Motivationen zugrunde liegen: • Expressive Gewalt wird vom Gewaltta ter gewa hlt, wenn dieser das Ziel verfolgt, die

Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. (öPra sentation einer einzigartigkeit, uber die das Indivi-duum wahrgenommen werden will.ß66)

• Instrumentelle Gewalt zielt auf die tatsa chliche Problemlosung ab. Gewalt wird deshalb gewa hlt, weil der Gewaltta ter an die Losung des Problems durch Gewalt glaubt.

• Regressive Gewalt entsteht aufgrund von politischen Motiven. Subjektiver Sinn von Gewalt

Der Gewaltta ter verbindet mit seinen Gewalttaten einen subjektiven Sinn. Ser subjektive Sinn entsteht dadurch, da– der Gewaltta tige eine Begrundung dafur finden mu– , Gewalt anwenden zu konnen (öinnere Entschuldigungß)

Gewalt als Sozi-alisationserfah-rung

Sozialisation stellt einen Lernproze– dar, durch den das Individuum zu einem ösozialen Wesenß wird und die Fa higkeit erlangt, selbst gesellschaftliche Positionen zu ubernehmen.

Gewalt in der Familie: • Kinder in der Opferrolle familia rer Gewalt • Gewalt als Proze– ende • Rolle der Familienmitglieder Ist ein Kind in der Familie Opfer von Gewalt

Gewalt in der Schule: • institutionelle Gewalt • strukturelle Gewalt (Strukturen, die den

Jugendlichen an seiner Selbstentfaltung hindern)

• Einschra nkung des Jugendlichen durch

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und leidet darunter, so sieht es andererseits auch, da– die Eltern mit der Gewaltanwendung Erfolg haben.

Organisationsziele • öJust-community-Ansatzß oder Projektar-

beit nur Minimierung von Einschra nkun-gen in der Schule

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6. Fragenkatalog Trotha 27. Wie beschriebt Trotha den Prozeö der Vereinheitlichung der Sozialisation zum

Modell ”Jugendä seit dem 19. Jahrhundert? S.258

28. Trotha sieht in der Institutionalisierung von Jugend ein Konzept sozialer Kon-

trolle. Erlautern Sie diesen Ansatz. S.263

29. Trotha geht von der ”Komplementarita t von Jugend und Jugendkrininalita tä

aus. Was ist damit gemeint? S.262

Hurrelmann 35. Wie kennzeichnet und erkla rt Hurrelmann das Problemverhalten Jugendlicher?

als Folge von Unausgewogenheit personaler und sozialer Bedingungen (vgl. Thesenpapier) Wie unterscheiden sich dabei die Geschlechter? Ma nnliche Jugendliche orientieren sich eher nach au– en, weibliche nach innen vgl. Selbstmordraten

Heitmeyer 39.

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Einfu hrung in die Jugendsoziologie

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7. Anhang 7.1 Ubersicht uber Theorieansa tze Vertreter Jahr Ansatz Erwa hnung Eisenstadt 1966 struktur-funktionalistisch 3.3 / 3.5.1 Onna 1976 polit-okonomisch 3.5.1 Bandura 1979 strukturfunktionalistiosch-rollentheoretisch, lerntheoretisch 3.5.1 Piaget 1973 kognitiv-genetisch 3.5.1 Erikson 1981 psychodynamisch 3.5.1 Luhmann 1984 okologisch-systemtheoretisch 3.5.1 Bronfenbrenner 1981 okologisch-psychologische 3.5.1 Lerner 1976 interaktions- und handlungstheoretisch 3.5.1 Greulen 1977 interaktions- und handlungstheoretisch 3.5.1 Parsons 1966 strukturell-funktionale Systemtheorie 3.5 [57] 7.2 Literatur Flitner, Andreas: Soziologische Jugendforschung. Darstellung und Kritik aus padagogischer Sicht. Heidelberg 1963, S.69-88 Griese, Hartmut M.: Sozialwissenschaftliche Jugendtheorien. Eine Einfuhrung. 1. Auflage, Weinheim, Basel 1977, S.93-102. Heitmeyer, W.: Gewalt: Schattenseiten der Individualisierung von Jugendlichen aus unterschiedlichen Milieus. 2. Auflage, Wienheim, 1996. Heitmeyer, W. / Moller, K. / Sunker, H.: Jugend - Staat - Gewalt. Politische Sozialisation von Jugendlichen, Jugendpolitik und politische Bildung. 2. Auflage, Munchen 1992. Jugendwerk der Deutschen Shell (Hrsg.): Jugend 湥97 Zukunftspersepektiven, Gesellschaftliches Engagement, Politische Wertorientieru ngen. Opladen 1977, S.11-23, S.277-301 und S.343-389. Knopf, H.: Aggressives Verhalten und Gewalt in der Schule. Pravention und konstruktiver Umgang mit Konflikten. Munchen 1996. Nolting, H.P.: Aggression ist nicht gleich Aggression. In: Der Bu rger im Staat.

43. Jahrgang, Heft 2, S.91-95. Rosenmayr, Leopold: Zur theoretischen Neuorientierung der Jugendsoziologie. In: Allerbeck, Klaus und Leopold Rosenmayr:

Aufstand der Jugend? Neue Aspekte der Jugendsoziologie

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Munchen 1971, S.229-268. Scha fers, Bernhard: Soziologie des Jugendalters. 6., akutalisierte und uberarbeitete Auflage, Opladen 1998, Kapitel I und II. Schelsky, Helmut: Die skeptische Generation. Eine Soziologie der deutschen Jugend. Dusseldorf, Koln 1963. Train, A.: Ablachen - Fertigmachen - Draufstiefeln: Strategien gegen die Gewalt an Schulen. Wie Erziehende Opfern und Ta tern wirksam helfen konnen. Munchen 1998. 1 Scha fers 1998, S.29 2 Scha fers 1998, S.32 3 vgl. auch Trotha und Gillis: Lebenslanges Lernen, Entgrenzung des Lernens von der Jugendphase 4 Griese, S.51 5 Griese, S.50 6 Griese, 5.52 7 Griese, S.59 8 Griese, S.54 9 Griese, S.59 10 Beispiel: Ein Einwandererkind orientiert sich an einheimischen Gleichaltrigen, da es von der Kultur der a lteren Generationen ent-

fremdet ist. 11 Griese, S.55 12 vgl. Griese S.61f. 13 vgl. Hurrelmann, S.58 und Griese, S.107 14 vgl. Griese, S.103 15 vgl. Griese, S.104 16 Schelsky, S.15f. 17 vgl. Hurrelmann, S.58, sowie Griese, S.104 und S.108 18 Griese, S.105 19 Griese, S.109 20 vgl. Griese, S.105 21 vgl. Griese, S.106ff. 22 vgl. Griese, S. 101f. 23 Rosenmayr, S.249 24 Rosenmayr, S.249 25 vgl. Rosenmayr, S.249f. 26 Flitner, S.69 27 vgl. Flitner, S.70ff. 28 vgl. Flitner, S.78ff. 29 vgl. Flitner, S.81ff. 30 Griese, S.112, Fettdruckhervorhebung von mir 31 Griese, S.112, Fettdruckhervorhebung von mir 32 Griese, S.113 33 Hurrelmann, S.58 34 Griese, S.118f. 35 Griese, S.119 36 vgl. Griese, S.119 37 vgl. Hurrelmann, S. 58 38 Hurrelmann, S.58 39 vgl. Griese, S.115 40 Griese, S.122 41 Griese, S.121 42 Griese, S.122 43 Griese, S.123 44 Griese, S.134 45 Griese, S.133 46 Griese, S.133 47 Hurrelmann, S.58 48 Hurrelmann, S.58 49 Griese, S.128 50 Griese, S.132 51 Griese, S.130

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52 zur Tabelle vgl. Hurrelmann, S.55f. 53 Mead 54 Hurrelmann, S.61 55 Hurrelmann, S.61 56 Die erste reine Jungenbekleidung war der Matrosenanzug um die Jahrhundertwende 57 Beachte: von Trotha, der Autor des zugrundeliegenden Textes ist Kriminalsoziologe 58 Gillis spricht hier i.d.R. von Internaten! 59 vgl. vorangehendes Unterkapitel 60 in der Arbeiterschicht weniger, da Arbeiterkinder fruher sozialisiert werden 61 Herrschaft des Leistungsprinzips 62 Heitmeyer 1996, S.70 63 Nolting 1993, S.91 64 Knopf 1996, S.41 65 Heitmeyer 1996, S.69 66 Heitmeyer 1996, S.72