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266 [J.O~n. Aus dem Max-Planck-Institutfiir Verhaltensphysiologie,Seewiesenund Erling-Andechs Ober Beziehungen zwischen circadianen Rhythmen bei Viigeln Von Hermann Pohl, Erling In den letzten Jahren ver~Sffentlichte Untersuchungen an S~iugern und am Men- s&en haben gezeigt, da{g die circadiane Periodik eines Organismus als ein 'multi- oscillatorisches System', d.h. als ein System vieler, miteinander gekoppelter S&win- ger (Oscillatoren) glei&er oder ~ihnli&er Frequenzen betra&tet werden kann (PITTENDRIGH 1961, 1965; ASCHOFF 1965; ASCHOFF U.a. 1967a, 1969; HOFFMANN 1969, 1970). Zwei-Oscillator-Modelle ganz unterschiedlicher Art sind yon PITT~NDI~IGHund BRUCE (1957), PITTENI~RIGH (1960) und ENGELMANN(1966) fiir die Schliipfrhythmik von Drosophila und yon GWINNER (zit. ASCHOFF 1967) fiir die Tag- und Nacht- aktivit~it yon Zugv~Sgeln vorgeschlagen worden. Multi-Oscillator-Modelle sind fiir Populationen vieler Einzelschwinger entwickelt worden (WINFRE~ 1967; PAVI.IDIS 1969). Die yon ASCHOrF und Mitarbeitern bei V~Sgeln gefundenen Gesetzm~igigkeiten der circadianen Aktivit~itsperiodik (Zusammenfassende Darstellungen s. ASCI~OFF und W~VER 1962; ASCHOFF 1967, 1969) sind unter der Annahme eines einzigen, autono- men ('selbsterregten') Oscillators beschrieben worden. ASCHOFFund Mitarbeiter haben jedoch darauf hingewiesen, daig einige bei V6geln gefundene Ergebnisse fiir mehrere selbst~indige Oscillatoren sprechen (AscI-IOFF 1967; ASCHOFFU. a. 1970). Im folgenden wird an Hand neuer Befunde, gewonnen an 3 Arten yon Finken- v~igeln (Fringillidae), iiber Beziehungen sowohl zwischen circadianen Rhythmen ver- schiedener physiologischer Funktion als auch zwischen verschiedenen Komponenten einer gemessenen Funktion berichtet. Es ist das Ziel der Darstellung, erste Kennmisse iiber die Grundlagen multioscillatorischer Systeme bei V~igeln zusammenzufassen. I. Material und Methode Die unter II. 1. beschriebenen Ergebnisse (Abb. 1 bis 3) wurden dutch gleichzeitige, kon- tinuierliche Messung des Gesamtumsatzes (O~-Aufnahme) und der Hiipfaktivitlit yon einzeln gehaltenen Buchfinken (Fringilla coelebs) und Bergfinken (F. montifringilla) gewonnen. Einzel- heiten iiber die Methode der O~-Bestimmung, der Aktivitiitsregistrierung sowie der Versuchs- bedingungen wurden bereits in vorausgegangenen Ver~Sffentlichungen beschrieben (POHL 1970; ASCHOFrund Pot~ 1970 a). Das auf Abb. 4 dargestellte Versuchsergebnis yon einem Bergfinken stammt aus einer Ver- suchsserie, in welcher die Hiipfaktivit~it und die Futteraufnahme (Methode s. POHL 1968) langfristig bei zwei Umgebungstemperaturen (20° und - - 1 0 ° C) und konstantem Licht- Dunkel-Cyklus (LD 10 : 14 Std.; keirle D~immerung) gemessen worden sind. Das unter II. 2. behandelte Versuchsergebnis (Abb. 5) ist ein Ausschnitt eines Experiments mit einem spezM1 konstruierten Metgk~ifig.Der Versuchsvogel, ein Zeisig-M~innchen (Carduelis spinus), wurde in einem ,,TrommelkS.fig" (Plexiglas-Zylinder "con 40 cm L~inge und 15 cm

Über Beziehungen zwischen circadianen Rhythmen bei Vögeln

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Page 1: Über Beziehungen zwischen circadianen Rhythmen bei Vögeln

266 [J.O~n.

Aus dem Max-Planck-Institut fiir Verhaltensphysiologie, Seewiesen und Erling-Andechs

Ober Beziehungen zwischen circadianen Rhythmen bei Viigeln

Von Hermann Pohl, Erling

In den letzten Jahren ver~Sffentlichte Untersuchungen an S~iugern und am Men- s&en haben gezeigt, da{g die circadiane Periodik eines Organismus als ein 'multi- oscillatorisches System', d.h. als ein System vieler, miteinander gekoppelter S&win- ger (Oscillatoren) glei&er oder ~ihnli&er Frequenzen betra&tet werden kann (PITTENDRIGH 1961, 1965; ASCHOFF 1965; ASCHOFF U.a. 1967a, 1969; HOFFMANN 1969, 1970).

Zwei-Oscillator-Modelle ganz unterschiedlicher Art sind yon PITT~NDI~IGH und BRUCE (1957), PITTENI~RIGH (1960) und ENGELMANN (1966) fiir die Schliipfrhythmik von Drosophila und yon GWINNER (zit. ASCHOFF 1967) fiir die Tag- und Nacht- aktivit~it yon Zugv~Sgeln vorgeschlagen worden. Multi-Oscillator-Modelle sind fiir Populationen vieler Einzelschwinger entwickelt worden (WINFRE~ 1967; PAVI.IDIS 1969).

Die yon ASCHOrF und Mitarbeitern bei V~Sgeln gefundenen Gesetzm~igigkeiten der circadianen Aktivit~itsperiodik (Zusammenfassende Darstellungen s. ASCI~OFF und W~VER 1962; ASCHOFF 1967, 1969) sind unter der Annahme eines einzigen, autono- men ('selbsterregten') Oscillators beschrieben worden. ASCHOFF und Mitarbeiter haben jedoch darauf hingewiesen, daig einige bei V6geln gefundene Ergebnisse fiir mehrere selbst~indige Oscillatoren sprechen (AscI-IOFF 1967; ASCHOFF U. a. 1970).

Im folgenden wird an Hand neuer Befunde, gewonnen an 3 Arten yon Finken- v~igeln (Fringillidae), iiber Beziehungen sowohl zwischen circadianen Rhythmen ver- schiedener physiologischer Funktion als auch zwischen verschiedenen Komponenten einer gemessenen Funktion berichtet. Es ist das Ziel der Darstellung, erste Kennmisse iiber die Grundlagen multioscillatorischer Systeme bei V~igeln zusammenzufassen.

I. Material und Methode Die unter II. 1. beschriebenen Ergebnisse (Abb. 1 bis 3) wurden dutch gleichzeitige, kon-

tinuierliche Messung des Gesamtumsatzes (O~-Aufnahme) und der Hiipfaktivitlit yon einzeln gehaltenen Buchfinken (Fringilla coelebs) und Bergfinken (F. montifringilla) gewonnen. Einzel- heiten iiber die Methode der O~-Bestimmung, der Aktivitiitsregistrierung sowie der Versuchs- bedingungen wurden bereits in vorausgegangenen Ver~Sffentlichungen beschrieben (POHL 1970; ASCHOFr und Pot~ 1970 a).

Das auf Abb. 4 dargestellte Versuchsergebnis yon einem Bergfinken stammt aus einer Ver- suchsserie, in welcher die Hiipfaktivit~it und die Futteraufnahme (Methode s. POHL 1968) langfristig bei zwei Umgebungstemperaturen (20 ° und --10 ° C) und konstantem Licht- Dunkel-Cyklus (LD 10 : 14 Std.; keirle D~immerung) gemessen worden sind.

Das unter II. 2. behandelte Versuchsergebnis (Abb. 5) ist ein Ausschnitt eines Experiments mit einem spezM1 konstruierten Metgk~ifig. Der Versuchsvogel, ein Zeisig-M~innchen (Carduelis spinus), wurde in einem ,,TrommelkS.fig" (Plexiglas-Zylinder "con 40 cm L~inge und 15 cm

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Heft 3] 1971 J Beziehungen zwischen circadlanen Rhythmen 267

Durchmesser mlt 3, in etwa gleichem Abstand angebrachten runden Sitzstangen) gemessen. Futter- und Trinkautomat waren an einer Seite des K~ifigs befestigt. Jeder Htipfer zwischen jeweils 2 Stangen wurde mittels Lichtschranken als Impuls auf einem Zeitmarkenschreiber aufgezeichnet. Die Summe der Impulse wurde alle 30 rain auf einem ELMEG-Drucker aus- gedruckt. Da der Vogel nur selten auf den Boden (glatte Glaswand!) hiipfte, ergab die Messung ein gutes Maf~ der Hiipfaktivit~it. Die O2-Aufnahme wurde kontinuierlich im offenen System (s. POHL 1970) bestimmt.

Die uuter II. 3. gezeigten jahresperiodischen F, nderungen der Aktivlt~it sind an Bergfinken (Fringilla montifringilla) gemessen worden (Abb. 6 u. 7). Jungv~Sgel (~ ~) wurden auf ihrem ersten Zug ins Winterquartier Ende Oktober und Anfang November 1968 in Erling (47 ° 58' N; 11 ° l l 'E ) gefangen und 9 bis 18 Monate unter konstanten Umgebungsbedingungen (kein jahresperiodischer Zeitgeber!) einzeln im K~ifig gehalten. Die Lichtzeit (Photoperiode) war 10 Std. (LD 10:14 Std., einschliei~lich 2real 20 rain kiinstliche D~,immerung); die Umgebungs- temperatur betrug 19 + 1 ° C. Die Hiipfaktlvit~it wurde nach einer bereits mehrmals beschrie- benen Methode (PoHL 1968) gemessen. Alle V{Sgel wurden w~ihrend der gesamten Versuchs- zeit mlt einem K/Jrnergemisch gleicher Zusammensetzung ad lib. gefiittert.

II. Ergebnisse

II. 1. P h a s e n b e z i e h u n g e n z w i s c h e n c i r c a d i a n e n R h y t h m e n v e r s c h i e d e n e r F u n k t i o n

Untersuchungen an rnehreren Vogelarten haben gezeigt, dal~ sich die circadiane Periodik des Gesamtumsatzes aus rnindestens zwei periodischen Funktionen zusam- mensetzt" einer Periodik des 'Grundumsatzes' (vegetative Periodik) beirn ruhenden Vogel und einer Periodik yon Bewegung (Aktivit~it) und Ruhe (vgl. hierzu POHL 1969, 1970; Asc~torr und POHL 1970 a, 1970 b;). Auf der ersten Abbildung (Abb. 1) sind die wichtigsten, an Buchfinken und Bergfinken gewonnenen Ergebnisse zusam- mengefat~t: 1. Sowohl im Licht-Dunkel-Wechsel (LD) als auch unter Dauerlichtbe- dingungen (LL) steigt der O~-Verbrauch vor der Hiipfaktividit an. 2. Im Dauerlicht (LL) gleicht die Form der Aktivit~itsperiodik etwa der der Periodik des Gesarntum- satzes (jeweils ein Maximum), w~ihrend im LD-Cyclus die tagesperiodischen Knderun- gender Aktivit~it und der O2-Aufnahrne unterschiedliche Muster aufweisen: die Ak- tivit~itsperiodik hat zwei Maxima (Bigeminus), die Periodik des Gesamturnsatzes da- gegen nur ein Maximum. 3. Der Abstand zwischen dem Anstieg des O2-Verbrauchs und dern Beginn der Aktivit~tt ist im LD-Cyclus und irn Dauerlicht verschieden. 4. Auch beim ruhenden Vogel bleibt eine tagesperiodische Schwankung der O2-Auf- nahme (Grundumsatzperiodik) bestehen (rechtes oberes Diagrarnm, punktierte Kurve).

Es ist am Buchfinken bereits gezeigt worden, daI~ Hiipfaktivit~it und Gesamtumsatz im Dauerlicht iiberwiegend positiv miteinander korreliert sin& Bei einlgen Individuen ist im LD-Cyclus keine oder nur eine schwache Korrelation zwischen beiden Gr/5~en gefunden worden (POHL 1970; Abb. 2 u. Tab. 1). Dieser Befund weist darauf hin, dal~ neben der im K~ifig gemessenen Hiipfaktivit~.t weitere ,,Aktivit~itsfunktionen" (z. B. Fre1% und Putz- aktivitlit) am Tagesgang des Gesamtenergieumsatzes beteiligt sind (s. auch Abb. 4 u. welter uute11).

Die Periodik des Grundumsatzes beim ruhenden Vogel l~t~t sich sowohl auf ~,nderungen der K~Srpertemperatur (vgl. hierzu Diskussion bei ASCHOrF und POHL 1970 b) als auch auf ~nderungen des Muskeltonus (BrNEDmT und Fox 1933; BU~CKAXD et al. 1934) zurii&- fiihren. Neben periodischen Prozessen im Zell- und Gewebestoffwe&sel sind wahrscheinlich

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Zeit (Stunden) Abb. 1. Circadiane Perioden der O2-Aufnahme (oben) und der Hiipfaktivit~it (unten) eines Buchfinken im Licht-Dunkel-Wechsel (links) und im Dauerlicht (rechts). Die Werte wurden fiber jeweils 6 Perioden gemittelt. Im Dauerlicht wurde der Aktivit~itsanstieg als Bezugspunkt (O) gew~hlt. Im rechten oberen Diagramm ist zus~tzlich die Periodik des Kuheumsatzes (Mittelwertskurve yon 5 im Dunkeln ge-

messenen Bergfinken) eingezeichnet.

zentrale Steuerungs- und Regelungsmechanismen (K6rpertemperatur!) an der Periodik des Grundumsatzes urs~ichlich beteiligt (vgl. auch ASCHOF~ und WZVEI{ 1961).

Die Abb. 2 zeigt regelhafte ]inderungen der 'internen' Phasenwinkel-Differenz zwischen dem Zeitpunkt, zu dem der Oe-Verbrau& yore Ruheniveau anzusteigen be- ginnt und dem Beginn der Hiipfaktivitiit in Abh~ingigkeit yon der Beleuchtungssdirke im LD-Cyclus und unter Dauerlichtbedingungen. Mit zunehmender Beleuchtungs- st~irke xc~ihrend der Dunkelheit eines LD-Cyclus ohne D~immerung (bei gleichblei- bender Helligkeit wiihrend der Lichtzeit) wird der zeitliche Abstand zwischen Ak- tividits- und Stoffwechselanstieg kleiner, d .h. desto weniger eilt der Anstieg des O2-Verbrauchs dem Aktivit~itsbeginn voraus (linker Tell von Abb. 2). Gleiches gilt bei Zunahme der Beleuchtungsst~irke unter Dauerlichtbedingungen (rechter Teil yon Abb. 2). (Es sind nur Daten ausgewertet, die eine einwandfreie Bestimmung des Ab- standes zwischen den beiden Phasen erlaubten.)

Wenn diese Anderungen der Phasenwinkel-Differenz auf Grund yon Anderungen der Phasenbeziehungen zwischen zwei selbsdindigen Oscillatoren zustandekommen, sollte man - - unter der Voraussetzung, datg die Formen der Schwingungen ~ihnlich

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H e f t 3] 1971 J

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Beziehungen zwischen circadianen Rhythmen

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Abb. 2. Phasenwinkel-Differenz (in Std.) zwischen dem Zeitpunkt des Anstiegs der Htipfaktivitiit und dem des O2-Verbrauchs (VO 2) als Funktion der Beleuchtungsst~irke bei ]3uchfinken. Links: Knderung der Beleuchtungssdirke w~.hrend der Dunkelzeit im LD-Cyclus; rechts: ~nderung der Beleuchtungs- stiirke im Dauerlicht (LL). Beginn des VO2-Anstiegs vor (+) bzw. nach (--) dem Aktivit~itsanstieg. Werte eines Individuums sind dutch gleiche Symbole gekennzeichnet. Die Pfeile geben die ~nderungs-

richtung der Beleuchtungsstlirke an.

bleiben - - erwarten, daf~ sich auch die Beziehungen zwischen anderen Phasen (z. B. zwischen den Maxima der beiden Funktionen) gesetzm{ii~ig ~indern. Diese Folgerung wird durch das Ergebnis auf Abb. 3 besditigt: Mit einer Erh~Shung der Beleuchtungs- st{irke im Dauerlicht werden positive Phasenwinkel-Differenzen negativ, d.h. das

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BeLeuchtungsst/~rke Frequenz (pro 24 $td.) Abb. 3. Phasenwinkel-Differenz (in Std.) zwischen dem Maximum der Htipfaktivi6it und dem Maxi- mum des Gesamtumsatzes (VO2) als Funktion der Beleuchtungsst~irke im Dauerlicht (links) und als Funktion der Spontanfrequenz (pro 24 Std.) (rechts). Maximum des VO 2 vor (+) bzw. ha& (--) dem

der Hiipfaktividit. Weitere Eir~zelheiten siehe Legende yon Abb. 2.

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[ J. Orn. 270 HERMANN POHL [ 112

Maximum des Umsatzes riickt ira Mittel hinter das der Hiipfaktivit~it. Die Knderun- gen lassen sich demnach fiir Dauerlichtbedingungen (beide Funktionen haben nur ein Maximum!) als eine Phasenverschiebung zwischen zwei Rhythmen erkl~iren.

Da beim Buchfinken, wie bereits friiher experimentell nachgewiesen worden ist (AscHorr u. a. 1962), die Spontanfrequenz (Kehrwert der Periodendauer) positiv mit der Beleuchtungsst~irke unter Dauerlichtbedingungen korreliert ist, besteht auch eine regelhafte Beziehung zwischen 'interner' Phasenwinkel-Differenz und Spontanfre- quenz (Abb. 3; rechtes Diagramm) (vgl. auch ASCHOFr u. a. 1969).

Die Analyse der Ergebnisse yon Buchfinken zeigt, dag neben der Hiipfaktivit~it weitere circadiane Aktivit~itsfunktionen am Gesamtenergieumsatz beteiligt sind. Be- felts aus einer friJheren Untersuchung an derselben Art liegen I--Iinweise vor, dag die tagesperiodischen Maxima der Hilpfaktividit und der Futteraufnahme his zu mehre- ten Stunden auseinanderliegen k6nnen (PoHL 1968). Entsprechende Parameter beider Funktionen ~indern sich z.B. bei Erniedrigung der Umgebungstemperatur in gegen- sinniger Weise: Aktivit~itszeit und Aktivit~itsmenge werden verkiJrzt bzw. erniedrigt,

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Abb. 4. Periodik der Hiipfaktividit und der Futteraufnahme eines Bergfinken in zwei Umgebungs- temperaturen (20 ° und - -10 ° C). Links: jeweils 5 aufeinanderfolgende Perioden; rechts: 5-T~ge-Mittel.

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Heft 31 1971 I Beziehungen zwischen circadianen Rhythmen 271

die Dauer der Futteraufnahme und die Frel~aktivit~it werden verl~ingert bzw. er- h6ht (vgl. PO~L 1968; Abb. 1 u. 3). Auch die Phasenbeziehungen zwischen den Maxima der beiden Funktionen k~Snnen sich ~indern (PoHL 1968; Abb. 2).

Abb. 4 zeigt die Htipfaktivit~it und die Futteraufnahme eines Bergfinken bei zwei Umgebungstemperaturen. Bei 20°C ist die Aktivit~itsmenge pro Periode gr~5/~er als bei -10 ° C, die Futteraufnahme ist dagegen in der h~Sheren Umgebungstemperatur geringer. Aui~erdem ist das Muster der Aktivit~ksperiodik in beiden Temperaturen verschieden.

Zusammenfassend zeigen die Ergebnisse dieses Abs&nitts, dag zwischen entspre- chenden Parametern verschiedener circadianer Funktionen regelhafte, yon den jeweili- gen Bedingungen abh~ingige, zeitliche Beziehungen bestehen.

II. 2. B e z i e h u n g e n z w i s c h e n v e r s c h i e d e n e n c i r c a d i a n e n K o m p o n e n t e n e i n e r F u n k t i o n

Im vorausgegangenen Abschnitt sind Anderungen der Phasenbeziehungen zwischen zwei verschiedenen circadianen Funktionen beschrieben worden. Die Rhythmen haben jeweils die gleiche Frequenz und die r3bergangsfunktionen, die zur Anderung gefiihrt haben, sind aufler acht gelassen worden. Das folgende Beispiel zeigt eine Anderung der Phasenwinkel-Differenz zwischen circadianen Komponenten ein und derselbcn Funktion, unter Darstellung des Zeitverlaufs dieser Anderung (Abb. 5).

Vor dem Elbergang yon einem 12 : 12 sttindigen Licht-Dunkel-Wechsel (einschlieS- lich jeweils 45 rain D~immerung) zu Dauerlicht (2. Tag auf der Abbildung) hat der Vogel (Carduelis spinus) sein t~igliches Aktivit~itsmaximum bei konstant bleibendem Muster kurz vor dem Beginn der 'Abendd~immerung'. Ein kleinerer Gipfel tritt zu Beginn der Li&tzeit auf. Mit dem Beginn der Dauerbeleuchtung (Ausbleiben der 'Abendd~immerung') wird das 'Abendmaximum' verbreitert und an den folgenden Ta- gen nach 'riickwiirts'vers&oben (circadiane Periode 31 = 25,0 Std.). Gleichzeitig rii&t der kleinere 'Morgengipfel' na& vorn (32 = 23,7 Std). Es erscheinen zwei deutlich voneinander getrennte Komponenten der Aktivit~it, die infolge ihrer unterschiedlichen Periodenl~ingen etwa am 8. Tag nach der Licht~inderung zusammentreffen (s. die gestrichelten Linien auf der Abbildung). Es f~illt auf, dai~ das Maximum der Akti- vit~it einer circadianen Komponente (3~) zu- und das der anderen Komponente (~1) stetig abnimmt. Vom Zeitpunkt des Zusammentreffeus der beiden Maxima an wird nur noch eine circadiane Komponente mit einer wesentlichen kiirzeren Periodendauer (3 = 21,3 Std) beobachtet.

Da neben der Hiip£aktivit~it auch der Gesamtumsatz des Vogels gemessen worden ist, kann aus den Beziehungen zwischen dem Stoffwechselminimum und den beiden Aktivit~itsmaxima weitere InformatiorL tiber Eigens&aften und Anzahl der zugrunde- liegenden S&winger gewonnen werden. Die auf Abb. 5 dargestellten Punkte bzw. Kreise bezeichnen die Zeitpunkte, zu welchen der Ruheumsatz unterhalb 100 ml Og-Aufnahme pro Std. absinkt. Es ist deutlich si&tbar, dag die in ihrer Amplitude zunehmende Aktividitskomponente (32) st~irker an die Periodik des Grundumsatzes (gleiche Frequenz!) 'gekoppelt' ist als die abnehmende Komponente (31)- Auf der Ab-

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[ J. O r n . 272 HERMANN POHL [Heft 3

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Zeit (Stunden)

Abb. 5. Hiipfaktivit~it eines Zeisigs im Licht-Dunkel-Wechsel (LD; Tag 1) und unter Dauerbeleuchtung (LL; Tage 3 bis 19). Umgebungstemperatur 20 ° C. Die Punkte bzw. Kreisc geben den Zeitpunkt der Erniedrigung des Umsatzes (VO2) unterhalb 100 ml/Std, an. Zur besseren Obersicht sind die voraus- gehenden und nachfolgenden 12 Stunden jedes 24-Std.-Tages punktiert eingezeichnet. Die gestrichehen Linien verbinden die Zeitpunkte des Aktivit~itsanstiegs. Die 45minlltigen D~immerungszeiten an Tag 1

und 2 sind nicht eingezeichnet.

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Heft 3] 1 9 7 1 I

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Beziehungen zwischen circadianen Rhythmen 2 7 3

bildung fiillt augerdem auf, dat~ im weiteren Verlauf des Experiments (Tage 11 bis 19) stete ~inderungen des Ab- standes zwischen bestimmten Phasenpunkten der Aktj- viditsperiodik - - z. B. zwis&en dem Punkt des steilsten Anstiegs der Aktivit~it und dem des Absinkens unterhalb einer bestimmten S&welle (Beginn der Ruhezeit) - - so- wie mehrere Stoffwe&selminima auftreten. ~_hnli&e Er- scheinungen sind bei 'AuflSsung' der circadianen Periodik - - z. B. bei Beleuchtungssdirken im Bereich yon 100 Lux unter Dauerbeleu&tung - - bei Finke-nv6geln mehrfa& beoba&tet worden (unverSffentli&te Daten).

II. 3. A n d e r u n g e n d e r B e z i e h u n g e n

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Phasenbeziehungen zwischen circadianen Funktionen kSnnen sich nicht nur auf Grund exogener (periodischer oder aperiodischer) Faktoren ~tndern. Auch endogene Zu-

" stands~inderungen des Organismus kSnnen Ursache oder AuslSser solcher Anderungen sein. Das folgende Beispiel betrifft Fmderungen der Beziehungen zwischen zwei Akti- viditskomponenten oder -funktionen auf Grund einer endogenen 'circannualen' Periodik beim Bergfinken (PoHL; Ms. in Vorber.).

Abb. 6 zeigt einen Ausschnitt aus der Aktivit~ts- registrierung eines Bergfinken, welcher 15 Moriate bei gleichbleibender Photoperiode (Lichtzeit) und konstanter Temperatur im Einzelk~ifig gehalten worden ist. In den Monaten Februar bis Mitre April ist der Vogel vor- wiegend w~hrend der Lichtzeit (09 : 00 bis 19 : 00) aktiv. Im April wird die im Mittel schwa& positive 'externe' Phasenwinkel-Differenz (definiert als der Abstand zwi- s~en dem Aktivit~itsbeginn und Beginn der Lichtzeit) stetig vergrSgert bis gegen Anfang Mai erneut eine relativ stabile Phasenbeziehung (Aktivit~itsbeginn etwa 9 Std vor Lichtzeitbeginn) eingestellt ist. Im Laufe des Oktobers wird die Phasenwinkel-Differenz wieder verkMnert, bis die urspriingliche Beziehung zwischen Aktividitsperiodik

Abb. 6. Ausschnitt aus der Originalregistrierung der Hiipfaktivit~it eines Bergfinken im LD-Cyclus mit konstanter Lichtzeit (09 : O0 bis 19 : 00, einschlieglich 20 min D~mmerung) and Temperatur (19 + 1 ° C). Die untereinander geklebten, jeweils 24stiindigen Registrierstreifen sind zur besseren Ubersicht zweimal dargestellt.

Page 9: Über Beziehungen zwischen circadianen Rhythmen bei Vögeln

[j. Orn. 274 HERMAN~ Porte [ 112

und Zeitgeber (LD-Wechsel) wiederhergestelh ist. Auf der Abbildung ist auf Grund der Schw~irzung der Registrierstreifen erkennbar, dab der w~hrend der Dunkelzeit vom Vogel geleistete Aktivit~itsanteil ('Dunkelaktivit~it') yon der normalen Tages- aktivit~it ('Lichtaktivit~it') ab Juni meist durch eine Ruhepause ge~rennt ist und in- folgedessen als selbst~indige tagesperiodische Komponente betrachtet werden kann.

Das Mitte August zu beobachtende pl/Stzliche Verschwinden und Wiedererscheinen der ,,Dunkelaktivit~it" nach mehreren f3bergangsperioden ist durch das Messen des Vogels im Stoffwechsehest bei verschiedenen Umgebungstemperaturen (31 bis - - 4 ° C ) w~ihrend einer Dunkelzeit verursacht worden.

Auf einer weiteren Abbildung (Abb. 7) sind die prozentualen Abweichungen vom Jahresmittel der fiir Licht- und Dunkelzeit getrennt summierten Aktivit~itsmengen eines Bergfinken aus derselben Versuchsgruppe dargestellt. Die prozentualen Ande- rungen der Gesamtaktivit~t pro 24 Std yore Jahresmittel sind ebenfalls eingezeichnet. Insgesamt sind die )Knderungen der beiden Aktivit~tsanteile nicht einheitlich mit- einander korreliert. W~ihrend zum Beispiel in den Monaten Februar bis August die w~hrend der Lichtzeit gemessenen Aktivit~tsmengen relativ konstant bleiben, ~ndern sich die w~hrend der Dunkelzeit registrierten Aktivit~tsmengen yon geringen Werten im Winter zu hohen Werten w~ihrend der Friihjahrszugzeit ( 'Zugunruhe'). Vom

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Zeit (Monate) Abb. 7. Jahreszeitliche F.nderungen der yon einem Bergfinken w~ihrend der Lichtzeit, einschliel~lich der D~immerungszeiten, (O) und wiihrend der Dunkelzeit (o) geleisteten Aktivit~itsmengen. LD = 10 : 14 Std., einschliefllich D~immerung; Umgebungstemperatur 19 ° C. Die Werte geben die prozentu- alert Abweichungen der Aktivit~itsanteile vom Jahresmittel (12 Monate) an, jeweils fiber ca. 20 Tage gemitteh. Die schraffierten Fllichen sind die Abweichungen der Gesamtaktivit~it pro Std. in Prozenten vom Jahresmittelwert. Die Kreuze sind Absolutwerte des K6rpergewichts (rechte Skala auf der

Ordinate).

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September bis Oktober sind die Anderungen der beiden Aktivit~itskomponenten tells positiv, teils negativ miteinander korreliert. Die Gesamtaktivit~it zeigt deutlich zwei Maxima, die zu den normalen Zugzeiten auftreten, obwohl der Vogel ohne jahres- periodischen Zeitgeber lebte. Die beiden Maxima setzen sich jedoch aus jeweils ver- schieden hohen Licht- und Dunkelanteilen zusammen. Wenn die 'Dunkelaktivit~it' da- gegen als prozentualer Anteil der w~ihrend einer Periode registrierten Aktivit~its- menge dargestellt wird, tritt der 'Herbstgipfel' infolge gleichzeitiger starker Erh/Shung der 'Lichtaktivit~it' nicht in Erscheinung.

III. Folgerungen und Hypothesen

Die bier gezeigten Ergebnisse tiber die Beziehungen zwischen verschiedenen circa- dianen Funktionen bzw. Komponenten einer Funktion bei VSgeln stehen im Einklang mit der Vorstellung, daf~ die circadiane Periodik zumindest bei allen hSheren Wirbel- tieren, einschliei~lich des Menschen, als ein System mehrerer selbst~indiger Schwinger gleicher oder ~ihnlicher Frequenzen betrachtet werden mug. Ebenso wie die beim Menschen gefundenen regelhaften Phasenbeziehungen zwischen den circadianen Pe- rioden der Aktivit~it und der KSrpertemperatur (AscHOFF u. a. 1967 a, 1969), sprechen auch die bier ver/Sffentlichten Ergebnisse yon V~Sgeln fiir die Hypothese, dai~ ver- schiedenen periodischen Funktionen selbst~indige Oscillatoren zugrundeliegen. Weiter- hin zeigen die yon HOrF~ANI~ (1970) bei S~,iugern (Tupaia glis) gefundenen Ergeb- nisse sowie das hier gezeigte Beispiel yon einem Vogel, daf~ auch verschiedene Kom- ponenten einer gemessenen Funktion (Laufrad-Aktivit~it beim S~iuger, H~ipfaktivit~it beim Vogel) unter bestimmten experimentellen Bedingungen mit verschiedenen circa- dianen Frequenzen schwingen k~Snnen.

Die beim Wechsel zwischen zwei Lichtbedingungen beim Zeisig beobachteten l~ber- gangscyclen ('transients') deuten daraufhin, daf~ beim Zusammentreffen bestimmter Phasen der vorher mit verschiedenen Frequenzen schwingenden Aktivit~itskomponen- ten neben dem Aktivit~itsmuster auch die 'resultierende' Frequenz ver~indert wird. Auf~erdem scheinen die Komponenten unterschiedlich stark an andere periodische Funktionen, z. B. an die Periodik des Grundumsatzes (vegetative Periodik) gekoppek zu sein.

Es wird vermutet, dab 'zusammengesetzten' Funktionen, wie z. B. der lokomotori- schen Aktivit~it eines Tieres, mehrere Oscillatoren zugrundeliegen, welche normaler- weise miteinander 'koordiniert' sind (vgl. hierzu v. HoLsv, 1939). Zumal die im K~ifig gemesiene I-Itipfaktivit~it kann die Folge einer Vielzahl verschiedener Antriebe (Motivationen) sein, die mSglicherweise yon selbs6indigen circadianen Oscillatoren gesteuert werden.

Unterschiede in der St~irke der Koppelung zwischen einzelnen Oscillatoren lassen sich auf Grund der bisher gewonnenen Kennmisse sowohl zwischen verschiedenen Tiergruppen (V~Sgel und S~iuger) als auch zwischen Tier und Mensch erkennen. 'Interne Desynchronisation' verschiedener tagesperiodischer Funktionen ist bisher nur beim Menschen beschrieben worden (AscHOrF 1965; ASCHOFF U.a. 1967b, 1969; W~v~R 1967, 1969). Als hinreichendes Kriterium hierftir ist die Anderung der Phasen-

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beziehung (Phasenwinkel-Differenz) zwischen definierten Phasen zweier oder mehre- rer periodischer Funktionen um volle 360 ° betrachtet worden. Bei S~iugern ist da- gegen nur eine vorfibergehende Trennung oder Verschmelzung einzelner Aktivit~its- funktionen ('tempor~ire Dissoziation'; ASCI-IOFF 1965) beobachtet worden (SwAI)~, zit. PITTENDRIGH 1960; HOFFMANN 1970). V6gel werden in ihrem rhythmischen Ver- hahen st~irker dutch Umweltfaktoren, wie z. B. Licht, beeinfluf~t als Siiuger, und diese m6giichenfalls st~irker als der Mensch (vgl. hierzu MENAK~I~ 1968; WEVER 1969; HOFFMANN 1970). Eine Beziehung zwischen dem Grad der Abh~ingigkeit der circa- dianen Periodik eines Organismus von physikalischen Umwehfaktoren und der St~irke der Kopplung endogener Rhythmen ist deshalb denkbar. Diese Hypothese bedarf jedoch einer eingehenden Prfifung.

Die dutch Umweltfaktoren 'exogen' oder dutch funktionelle Ver~inderungen im Organismus 'endogen' ausgel6sten .~nderungen betreffen nicht nur die Phasenbezie- hungen zwischen einzelnen physiologischen Funktionen ('interne Phasenwinkel-Dif- ferenz') oder zwischen Aktivit~itsperiodik und Zeitgeber ('externe Phasenwinkel-Dif- ferenz') sondern auch das Muster bzw. die Form der Periodik der Gesamtaktivitiit oder des Gesamtumsatzes. Beispiele sind das jahresperiodische Auftreten yon 'Zug- aktivit~it' (Zugunruhe) und Anderungen des Aktivit~itsmusters und der externen Phasenwinkel-Differenz w~ihrend der Fortpflanzungszeit bei V6geln (HAARHAUS 1968; ASCHOFF u.a. 1970) oder ein Phasenweehsel der Aktivit~it, wie er bei S~iugern (E~xmAl~o 1961, 1969) und bei Fischen (MOLLeR 1969) beschrieben worden ist.

Die bei Bergfinken unter konstanten Umweltbedingungen endogen ausgeltSsten Anderungen der Aktivifiit zeigen jedoch, da£ das normale Aktivit~itsmuster ('Tag- aktivit~it') auch in Gegenwart yon 'Nachtaktivit~it' (Zugunruhe) erhahen bleibt. Diese Beobachtung spricht daffir, daf~ das Aktivifiitsmuster (z. B. ein Bigeminus) 'endogen determiniert' ist, d. h., dat~ es bei Arten und Individuen fiber l~ingere Zeitabschnitte, sowohl unter periodisch wechselnden Aut~enbedingungen als auch unter Dauerlichtbe- dingungen, relativ konstant bleiben kann (vgl. hierzu PALMGREN 1949; ASCHOFF 1966). Das Ergebnis, dai~ Licht- und Dunkelanteil der K~ifigaktivit~it sowohl gleichzeitig (gleichsinnig und gegensinnig) als auch unabh~ingig voneinander ver~indert werden, stiitzt die yon GWmN~R vorgeschlagene Hypothese, dai~ Licht- und Dunkelaktivit~it als zwei selbst~indige Oscillatoren mit unterschiedlicher Abh~ingigkeit yon der Be- leuchtungsst~irke ('Licht-' und 'Dunkel-Oscillator') betra'chtet werden k~Snnen. Circa- diane Schwinger ktJnnen sich jedoch nicht nur in ihrer Empfindlichkeit gegenfiber Umwehfaktoren, sondern auch in anderen Eigenschaften, wie zum Beispiel in der Art ihrer Erregung ('selbsterregt' oder 'fremderregt'; W~wv. 1966) oder der Art ihrer Koppelung ('unipolar', 'bipolar', etc.) unterscheiden.

Zusammenfassung Die Ergebnisse yon Experimenten mit 3 Arten yon Finkenv/Sgeln (Fringilla coelebs,

F. montifringilla, Carduelis spinus) zeigen, dal~ sowohl gesetzm~it~ige ~nderungen der Phasen- beziehungen (Phasenwinkel-Differenzen) zwischen verschiedenen circadianen Funktionen (Htipftaktivit~it und Gesamtumsatz) als auch eine voriibergehende Trennung (,,tempor~ire

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Dissoziation") einzelner circadianer Komponenten einer gemessenen F'unktion (Hiipfaktivit~it) als Folge yon Anderungen der Umgebungsbedingungen auftreten. Ebenso kSnnen endogene Faktoren, z.B. im Verlauf einer ,,circannualen" Periodik, Anderungen der Beziehungen zwischen verschiedenen Aktivi6itskomponenten (,,Licht-" und ,,Dunkelaktivit~it" helm Zug- vogel) hervorrufen.

Die Ergebnisse dieser Untersuchung stehen im Einklang mit der Vorstellung, da~ die circadiane Periodik hSherer Wirbeltiere als ein System miteinander gekoppelter Schwinger betrachtet werden kann (,,multi-oscillatorisches System").

S u m m a r y

On the basis of results obtained in experiments with three species of fringillid birds (Frin- gilla coelebs, F, montifringilla, Carduelis spinus) it is demonstrated that regular changes in the phase-relationship( phase-angle differences) occur between various circadian functions (per&- hopping activity, total oxygen consumption) as well as tempory dissociation of single circadian components of one function (activity). Both these changes are dependent on variation in environmental conditions. Endogenous factors (e. g. a "circannual" rhythm) may also change the reationship between different rhythmic components of activity (e. g. "daytime" and "nighttime" activity in migratory birds).

The results of this study are consistent with the view that circadian periodicity in higher vertebrates can be considered a system of coupled oscillators ("multl-oscillatory system").

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Anschrift des Verfassers: Max-Planck-Institut ftir Verhaltensphysiologie, 8131 Erling-Andechs.