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246 El Foerster. Uber Bildung und Zersetzung von Polythionaten. Bemerkung zu einer Nitteilung von EDITH JOSEPHk' Gber den gleichen Gegenstand. Qon F. FOERSTER. Fraulein EDITH JOSEPHY hat kurzlich I) eine Untersuchung uber Bildung und Zersetzung von Polythionaten veraffentlicht, in der sie in mehrfacher Hinsicht zu anderen Ergebnissen gelangt ist als A. HORNIG und ich in unserer das gleiche Gebiet betreffenden Experimentaluntersuchung.2) Der Umstand, daB die Verfasserin in einem SchluBwort sich auf Herrn E. RIESENFELD bezieht und daclurch die Autoritat dieses Forschers fur ihre Arbeit in Anspruch nimmt, notigt mich zu den folgenden Bernerkungen. Einleitend sagt sie: ,,Auf Grund der fehlerhaft angewandten Kupfersulfatmethode waren RIESENEELD und FELD zu dem Resultat gelangt, daB die Tetrathionsaure die unhestandigste der drei S" auren ist, wghrend FOERSTER und HORNIG gerade dieser Saure die gro8te Bestandigkeit zuschreiben. Diese Widerspruche werden durch die folgende Untersuchung beseitigt.'t Durch diese Satze sol1 folgender Tatbestand wiedergegeben werden: A. HORNIGund ich haben in Ubereinstimmung mit A. KURTENACRER uiid A. FRITZSCH 3, clurch Qersuche nachgewiesen, da8 das von RIESENFELD und FELD~) zur Bestimmung von Trithionsaure neben Tetrathionsaure angewandte Kupfersulfatverfahren verfehlt war und unbrauchbare Ergebnisse geben mu5te. Wir haben dam weiter durch Experimental- untersuehungen bewiesen, daB das von RIESENFELD und FELD im Gegensatz zu allen friiheren Erfahrungen nach ihrem fehler- haften analytischen Verfahren gefundene Ergebnis, nach den1 die Tetrathionsaure von allen drei Polythionsauren die unbestancligste sein sollte, ja bei der Umsetzung von Thiosulfat mit Jod nicht reines Tetrathionat, sondern ein Gemisch aller drei Polythionate entseehen I) 55. anorg. u. a11g. Chem. 1% (1924). 21. 2, Z. anorg. ZL. allg. Chern. 126 (1922), 86. s, 2. unorg. ah. allg. Clzena. 121 (1922) 335. 4, 2. anorg. u. at@. Chem 119 (1921), 225.

Über Bildung und Zersetzung von Polythionaten. Bemerkung zu einer Mitteilung von Edith Josephy über den gleichen Gegenstand

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246 El Foerster.

Uber Bildung und Zersetzung von Polythionaten. Bemerkung zu einer Nitteilung von EDITH JOSEPHk'

Gber den gleichen Gegenstand. Qon F. FOERSTER.

Fraulein EDITH JOSEPHY hat kurzlich I) eine Untersuchung uber Bildung und Zersetzung von Polythionaten veraffentlicht, in der sie in mehrfacher Hinsicht zu anderen Ergebnissen gelangt ist als A. HORNIG und ich in unserer das gleiche Gebiet betreffenden Experimentaluntersuchung.2) Der Umstand, daB die Verfasserin in einem SchluBwort sich auf Herrn E. RIESENFELD bezieht und daclurch die Autoritat dieses Forschers fur ihre Arbeit in Anspruch nimmt, notigt mich zu den folgenden Bernerkungen.

Einleitend sagt sie: ,,Auf Grund der fehlerhaft angewandten Kupfersulfatmethode waren RIESENEELD und FELD zu dem Resultat gelangt, daB die Tetrathionsaure die unhestandigste der drei S " auren ist, wghrend FOERSTER und HORNIG gerade dieser Saure die gro8te Bestandigkeit zuschreiben. Diese Widerspruche werden durch die folgende Untersuchung beseitigt.'t Durch diese Satze sol1 folgender Tatbestand wiedergegeben werden: A. HORNIG und ich haben in Ubereinstimmung mit A. KURTENACRER uiid A. FRITZSCH 3, clurch Qersuche nachgewiesen, da8 das von RIESENFELD und FELD~) zur Bestimmung von Trithionsaure neben Tetrathionsaure angewandte Kupfersulfatverfahren verfehlt war und unbrauchbare Ergebnisse geben mu5te. Wir haben d a m weiter d u r c h Exper imen ta l - un te r suehungen bewiesen , daB das von RIESENFELD und FELD im Gegensatz zu allen friiheren Erfahrungen nach ihrem fehler- haften analytischen Verfahren gefundene Ergebnis, nach den1 die Tetrathionsaure von allen drei Polythionsauren die unbestancligste sein sollte, j a bei der Umsetzung von Thiosulfat mit Jod nicht reines Tetrathionat, sondern ein Gemisch aller drei Polythionate entseehen

I) 55. anorg. u. a11g. Chem. 1% (1924). 21. 2, Z. anorg. ZL. allg. Chern. 126 (1922), 86. s, 2. unorg. ah. allg. Clzena. 121 (1922) 335. 4, 2. anorg. u. at@. C h e m 119 (1921), 225.

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Bildung m d Zersetxung von Polythiolzaten. 241

sollte, unrichtig ist ; in Bestatigung der friiheren Erfahrungen, zumaI von DEBUS'), haben *ir die Tetrathionsaure und ihre Salze als die bestandigsten der drei Polythionsiiuren exp e r im en te l l erwiesen.

Neuerdings haben E. EIESENFELD, E. GRONTHAL und E. JOSEPIIY 3,

das Kupfersulfatverfahren zur Bestimmung der Trithionsaure ab- geandert. Dieses veranderten Verfahrens hat sich Fraulein JOSEPHY bedient, urn auch ihrerseits damit die zeitlichen Zersetzungen wi ib riger Polythionatlosungen zu verfolgen. Dabei ist sie im wesent- lichen zu den gleichen Ergebnissen gekommen wie HORNIG und ich. Sie hat also unsere experimentellen Ergebnisse bestatigt. So sehr dies einerseits zu begriiflen ist, so mu6 doch die Darstellung, als seien dadurch erst vorhandene Widerspriiche beseitigt worden, als uuzutreffend bezeichnet werden, denn eine Widerlegung ist wesent- lich mehr als ein Widerspruch. Auf der anderen Seite darf ich nicht verschweigen, daB das neuere Analysenverfahren von RIESEN- FELD, GRUNTHAL und JOSEPHY bei einer Priifung im Dresdner Labora- torium zwar gegeniiber dem friiheren, ganz unbrauchbaren Verfahren einen erheblichen Fortschritt bedeutet, daB es aber nicht gelungen ist, danach zu einer sicheren Bestimmung des Trithionats zu ge- langen oder den Angriff der Kupfersulfatlosung auf Tetrathionat ganz auszuschlieflen. Vielleicht beruhen darauf einige merkwiirdige UnregelmiiSigkeiten, die Fraulein JOSEPHP im Verlaufe der Zer- setzung der Polythionate gefunden hat, und die sie auf die all- gemeine Unsicherheit der indirekten Analyse zuriickfiihrt.

Wenn hiernach betreffs der Beurteilung der Bestandigkeit der drei Polythionsauren und ihrer Salze zwischen Fraulein JOSEPHY und mir sachlich im wesentlichen nbereinstimmung besteht, muB ich andererseits den Schliissen, zu denen sie fur die Vorgange beim Zer- fall der Polythionate und bei der Bildung der Polythionsauren in der WAOKENRODERSCheIl Losung gelangt, durchaus widersprechen.

Den Zerfallsvorgang cler Polythionate haben HORNIG und ich geglaubt, auf die den folgenden Gleichungen entsprechenden VorgBnge

(1) (2, (3'

S O " - + 5 , +-S,O,"+S, S,O," q e 5,0," + s , S,O," + H,O ---t SO," + S,O," + 2 E

zuriickfiihren zu diirfen. setzen sich weiterhin urn nach

Die nach (3) entstehenden S103" und H'

l) Lieb. Ann. 244 (1888), 76. 2, 2. anorg. 21. allg. Chew. 126 (1923) 281.

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248 E: Fowstei-.

S,o,’‘ + H HSO,’ + S , (4) 5 S,Q,” + G K’ -+ 2 S,O,” + 3 H,O . (5)

Der aach (4) freiwerdende Schwefel fuhrt die niederen Polythionate nach (2) und (1) zu deo hoheren zuriick, wahrend die bei (31 auf- tretenden HSO,‘ nach

S,O,” + HSO,‘ --f S,O,” + S,O,” + H , S,O,” + HSO,‘ ---f S,O,” + S,03” + 11’ (6)

(7) wiedelr ahbauend wirken und S,O,” und H’ zuriickbilden. Mit dieser Auffassuiig standen alle Einzelheiten unserer Versuche im besten Einklange. Hiernach ist das Anion S,O,” ein wichtiges, Peiner ganzen Natur nach mit den Anionen der Polytbionsiiuren in engster Beziehung stehendes Zwischenprodukt. Wir haben sein Auftreten auch bei der Zersetzung der Trithionate stets nachweisen konnen ; natiirlich nur in den kleinen Konzentrationen, in denen es nach der Geschwindigkeit seiner weiteren Umsetzungen zu erwarten war.

Wir verfuhren dabei 80, da8 wir das in der stets ES0,‘-haltigen Losung nur im Gleichgewicht (4) mogliche S,O,“ dadurch nach- weisen, daB beim Abblasen des SO, das Gleichgemicht (4) sich linter Abscheidung von freiem Schwefel vesschieben mug; das Auftreten einer Schwefelfallung unter solchen Umstanden durften wir also als Beweis fur das Vorhandensein von S,O,“ ansprechen.

Fraulein JOSEPHY sagt nun: ,,I”OERSTER und HORNICT nelimen an, daB unter den Zersetzungsprodukten auch Thiosulfat vorkomme, es gelang ihnen aber nicht, auch nur dessen qualitativen Nachweis mit Sicherheit zu erbringen.“ In unserer Arbeit ist kein Znreifel daruber geauBert, daB wir unseren Nachweis fur sicher hielten. Auch FrBulein JOSEPHY hat keinen Versuch mitgeteilt, durch den unser S, 0,-Nachweis als unrichtig erwiesen wiire. Ihre Behauptung entbehrt also der tatsachlichen Grundlage.

Sje hat ihrerseits Thiosulfat nicht nachweken ktinnen, aber nicht auf dem von uns benutzten Wege, sondern indem sie dazu folgendes Verfahren einschlug : Fur einen Teil der ReaktiondGsung wurde der Jodverbrauch bestismt, ein anderer Teil einmal mit PhenolphtaleVn, das andere Ma1 mit Methylorange als 1ndik:ator mit nil O-NaOH neutralisiert,. Da HSO,’ gegen Methylorange neutral, gegen Phenolphtaleh sauer reagiert, sol1 die zwischeii beiden Be- stimmungen auftretende Differenz im Verbrauch an Natronlsuge die Menge des Sulfitschwefels in der stets sauren Losung ergeben. Aus dem Vergleich des Sulfitschwefels rnit dem Jodverbrauch wiirde

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Bildung und Zerseixung uon Polythionalen. 249

sich der Thiosulfatschwefel ergeben. Dieses Verfahren ist im hiesigen Laboratorium zu dem gleichen Zwecke gelegentlich von Herrn NOACK versucht worden, muB te aber als dafiir unbrauchbar verworfen werden

Der Qrund dafur liegt darin, daB SO,“ eine dumh Phenol- phtalern erkennbare Hydrolyse erleidet. Die Rotfarbung dieses Tndikators tritt also ein, bevor die ganze dem Vorgange HSO,’+ OH’ -+ SO,” + H,O entsprechende Alkalimenge der Bisulfitlosung zugesetzt ist, und der nbergang ist unscharf. Dadurch erscheint der Jodverbrauch einer Bisulfitl6sung stets etwas gr68er, als er unter der Annahme cines vollstandigen Reaktionsverlaufes zwischen HSO,’ und O H nach dem Alkaliverbrauch zu erwarten ware. Nan miiBte daher nach dem Gedsnkengange von Fraulein JOSEPEY eigent- lich stets etwas Thiosulfat finden, auch wenn solches gar nicht vor- handen ware. Dam ist aber notig, daB man nur O H der Bisnlfit- losung zufiigt, a81so mit Barytwasser titriert. Wendet man aBer, wie e8 Fraulein JOSEPHY tnt, Natronlauge an, und ist diese nicht ganz rein, sondern enthalt etwas Karbonat, so verbraucht man, da jetzt amh der Vorgang HSO,’ + GO,” --f SO,” + HCO,’ eintritt, mehr Alkalilauge als vorher, und kann unter UmstStnden auch vor- handenes Thiosulfat nicht finden. Ein Beispiel mag dies erliiutern : Eine etwa ‘/,,-molare Losung von reinem K2S205, von welcher 10 ccm schon durch 0,l ccm l/,,-n-HCI gegen Methylorange eine deutlich saure Reaktion ergaben, brauchte auf 10 ccm

43,6 6 ccm ’Il o-n- Jodlosung, 20,46 bis 21,3 ccm l/l,-n-Barytwasser, 23,55 bis 25,O ccm ’/,,-n-Natronlauge, die zu 10°/,

in Karbonat ubergefiihrt war.

Die angegebenen Alkaliwerte sind die, welche einerseits bis zu eben erkennbarer, andererseits bis zu kraftiger Rosafarbung verbraucht wurden. LiiBt man letztere gelten, so fande man mit Barytwasser auf 100 Mol Sulfit 4,8 Mol Thiosulfat, die nicht vorhanden waren, wahrend bei der Titration mit der karbonatbaltigen Natronlauge selbst ein vor- handener Gehalt von 29 3101 Thiosulfat auf 100 Mol Sulfit nicht ge- funden wiirde, Bei schwacherem Karbonatgehalt als dem in der hier benutzten Natronlauge konnte man natiirlich auch gerade halbl so vie1 NaOH verbrauchen als Jodlosung; der SchluB, daB dann reines Sulfit vorlgge und Thiosulfat abwesend ware, wLe aber unstatthaft. Die Frage, ob Thiosulfat in den von ihr untersuchten Losungen vor- handen war, konnte Fraulein JOSEPHY also aach ihrem Verfahren

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250 F. Foarster.

nicht entscheiden, und zwar urn so weniger, als sie zur Neutrnlisa- tion des Bisulfits meist weniger als 1 ccm ihrer n/,,-Natronlauge verbrauchte.

Man kann aber Thiosulfat neben Bisuliit, sowie neben Poly- thionat sehr gut unmittelbar bestimmen, wenn man sich des neuertlings V Q ~ A. KURTENACRER l) angegebenen Verfahrens bedient. Bei diesem wird die bekannte Tatsache ,) benutzt, daB Bisulfit durch Form- aldehyd SO stark gebunden wird, daB es dadurch der Einwirkung von Jod entzogen werden lcann. Da sich nun herausgestellt hat, dab neben Bisulfit anwesendes Thiosulfat durch Formaldehyd in seinem Jodverbrauch nicht beeintrachtigt wird, kann es nach Zasatz von Formaldehyd fur sich mit Jod bestimmt werden. Es ist dafiir nur notwendig, daB die H'-Kunzentration der Losung tunlichst nahe der einer Bisulfitlosung entspricht, da freie formaldehydschwe-fiige Saure mit merklichen SO,-Konzentrationen im Gleichgewicht bleibt : SO," kann bei Gegenwart hoherer Polythionate nicht vorhanden sein, wird andernfalls durch Essigsaure in HSO,' ubergefuhrt. Am besten reguliert man eine iiber der der HSO,' liegende H-Konzentration durch einen Zusatz von Natriumacetat. DaB man so zu brauch- baren Ergebnissen kommt, lehren folgende Beispiele:

In eine Losung von M,S,05, von der 10 ccm 9,25 ccrn u/,,-Jod- losung verbrauchten, wurde soviel SO, eingeleitet , daB nun auf 10 ccm 16,56 ccm n/,,-Jodlosung notwendig waren. Diese Liisung wurde mit 10 ccni einer Thiosulfatlosung vermischt, die 4,6E ccm n/,,-Jodliisung entsprachen. Zu dem auf etwa 30 ccm verdiiiinteri Gemisch wurden nun 10 ccm 20 o/oige Natriumacetatlosung nnd 5 CCM 35 ige Formaldehydlosung zugesetzt. Jetzt verbrauchte die Losung

4,68, 4,70, 4,68, 4,65 ccm n/,,-Jodlosung, im Mittel 4,68 ccm, also ebensoviel wie die angewandte Thiosulfatlosung.

Um darzntun, daB man auf diese Weise auch eine in irgend- einem Stadium der Zersetznng von Polythionaten in der Liisung auftretende Menge Thiosulfat finden kann, wurde dieser Vessuch in der Weise wiederholt, daB der Sulfit-Thiosulfatlosung 10 ccrn einer l/,,-molaren Tetrathionatlosung zugegeben wurden, und unrnittelbar

I) 2. anorg. u. ullg. Chem 13f (1924), 265. Vgl. hieriiber V. ROTHHUND, Sitzungsber. d. Wiener Akad. 114 (19051,

1053; W. KEEP, Arb. aus d. K a i s e d Beszsizdh&tsamt 51 (1904), 150; 56 (1907), 231; F. AEERUCH, ebendjz 3" (1905), 588.

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Bddung und Zersetxung von Polythionateiz. 251

darauf das vorher bereitete Gemisch von Natriumacetat uad Form- aldehyd. Jetzt verbrauchte die Losung wieder:

4,65, 4,68, 4,69, 4,70 ccm n/,,-Jodlosung, im Mittel 4,68 ccm Auch ein sehr kleiner Gehalt an Thiosulfat l%Bt sich auf diese Weise

in einer sauren Bisulfitlosung finden; die oben benutzte SO,-haltige Bi- sulfitlosung wnrde mit 10 ccm einer l/,,o,-molaren Thiosulfatlijsung uer- setzt, welche 0,53 ccm n/,,,-Jodlosung verbrauchten ; sie enthielt also auf 100 Mo1 Bisulfit nur etwa 1,2 Mol Thiosulfat. Jetzt wurden von der mit 1 ccm Jodkaliumstkkelosung versetzten Losung nach Zugabe des Acetats und des Formaldehyds bis zum Eintritt der Blaufirbung

statt 0,53 ccrn n/,,,-Jodlosung verbraucht. In allen F'8llen verschwinden, wie KERP I) schon gefunden hat,

nach beendeter Titration die diesen Punkt anzeigenden Jodfarbungen nach kurzem (etwa 15 Sekunden) wieder, da die Formaldehyd- Bisulfitverbindung langsam mit kleinen Konzentrationen ihrer Kompo- nenten immer wieder ins Gleichgewicht tritt. Die Titration ist daher als beendet anzusehen, sobald die Farbung des freien Jods in der ganzen Liisung einen Augenblick bestandcn hat; bei sehr kleinem Thiosulfatgehalt bedingt in Gegenwart gr6Berer Bisulfit- mengen die Nachentwickelung von SO,, wie man sieht, einen ge- ringen Mehrverbrauch an Jod.

Bei den Versuchen yon H~RNIG und mir zeigte sich sowohl bei der Zersetzung von Trithionat als auch von Tetrathionat (Ber- such 24 und 25) nach dem Abblasen des SO, ein nicht unbetracht- licher Jodverbrauch in der Losung, den wir, da kleine Mengen von S,O," mit H nur langsam Schwefel abscheiden, auf einen Gebalt an Thiosulfat glaubten zuriickfuhren zu diirfen. Das Verfahren von KURTENACKER erlaubte nun, die Berechtigung dieser Annahme nachzu- priifen, indem man den Sulfitgehalt, statt durch Abblasen der salz- sauer gemachten Losung, durch Formaldehyd der Jodtitration entzog. Herr 0. SCHMITT fand dabei folgendes, als 500 ccm einer '/,,-mola,ren Kaliurntrithionatlijsung langere Zeit auf 25

Min. Stuncien Tage

0,60, 0,58, 0,65, 0,58 ccm Jodlosung, im Mittel 0.60 ccm

geha!ten wurden.

_ . r - -- Zeit nachBeginn des

10 ccrn verbrauchen insgesamtccrnl/,,, J 3,51 - 5,59 7,15 9,55 16,88 30,98 40,52 48,02 52,18 53,98 52,67 49,94 10 ccm verbrauchen naeh Formaldehyd-

zusatz ccm l,!loo J - 0,513 1,17 2,32 3,6S2) 5,36 7,02 7,95 8,93 9,44 10,OS L0,04 9,84

Versuchs: 10 3 6 12 24 2 4 6 S 10 13 14 16

l) a. a. 0. Jetzt lie8 sich spurenweise such Pentathionat nachweiseu.

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252 F. Poarster.

Diese Versuchsreihe zeigt, daB voii dem bei der Hydrolyse des Trithionats frei wrdenden S,O," recht bptriichtliche Mengen in der Losung bleikten, wiihihrend der Hauptteil durch die gleichzeitig auf- iretenden H in HSO,' verwandelt, der Schwtlfel mit S,O," zu 8,0," zusammentritt, soweit er nicht kollold in der Losung bleibt. Dadurch w i d nnsere Buffitssung, daB als erstes Zersetzungsprodukt einer 1v';tBrigen Losung des Trithionats Thiosulfat auftritt, bestatigt.

I)urch clas Entstehen von H' bleibt nur der kleinere Teil des urspriinglich freigewordenen S,O," bestehen. Sorgt man dafiir, da6 die H-KonzentrIttion klein bleibt, so muB sich S,O," in gr66erer Menge anreichern. Starkere hlkalilauge verseift, wie man weiB, Trithionat zu Thiosulfat und Sulfit, lonkt also die Zersetzung in andere Bahnen als sie in saurer Losung einscldagt, wo neben Thio- d f a t Sulfat entsteht. Wendet man aber verdiinnte Alkalilauge an, so kann, wie Herr 0. SGENITT gefunden hat, die Zcrsetzung auch in mehr oder weniger gro6em Umfange die gleiche Richtung ein- schlagen, wie in anfangs neutraler oder in saurer Losung, d. h. zu Snlfat und Thiosulfat fuhren, das jetzt unvergndert bleibt. Aihnlich hand BASCHIG l), daB Trithionat durch Sodalosung glatt in Sulfat and 'I'hiosulfat gespalten wird. Auch wenn man nur Natriumacetat einer Trithionatlosuug zusetzt, knnn das gleiche Ergebniis erzielt werden, z. B. eine l/,,-molare Trithionatlosung bei 50° in 4 Tagen yuantitativ iiach Gleichung (3) in Sufat und Thiosulfat verwadelt verden.

Selbstvcrstandlich wird man alle diese Erscheinungen auch so auffassen konnen, daB S,O," gleichzeitig im Sinne der Vorgange

S,O,"+ H,O --f so," + S,O,"+ 2 H S,O,"+ H,O --t SO, + HSO,'+ S + H'

(3) (3 a)

zerfallt, und da6 der Umfang beider Umsetzungen sich so regelt, wie nztch der H-Konzentration der L6sung S,O," und HSO,' im Gleichgewicht (4) nebeneinander bestehen konnen. Nur hat man nicht das Recht, au8 der Moglichkeit von (3a) die von (3) und damit die nalien gegenseitigen Beziehungen von Trithionat und Thiosulfat zu leugnen.

Schon das von Friiulein JOSEPRY zur Bestimmung des Trithio- nats benutzte Verfahren hatte sie auf die Entstehung des Thios ulfats hinweisen miissen ; denn da8 die Wechselwirkung des Kupfersulfats mit Trithionat erst in der Hitze eintritt, und dann ganz afinlich

und

l) Schwefel- und St,ickstoffstudien (Verlag Chemie 1924), S. 296.

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Bildzclzg und Zersetzung 2ioa Yolythioiiaiesz. 253

wie bei der Einwirkung des Kupfersulfats auf Thiosulfat die Ab- scheiclung des Schwefelkupfers vor sich geht, 1al3t kaum eine andere Ueutung zu, als dab aus T'rithionat zuniichst Thiosulfat entsteht.

Ein weiterer Widerspruch zu unseren Ergebnissen ist der Be- fund von Fraulein JOSEPHY, daB bei 100O Tetrathionat und Penta- thionat unter Entwicklung reichlicher Mengen von Schwefelwasser- stoff zerfallen. Unsere Versuche boten dafiir nicht den geringsten Anhalt. Herr HORNIG hat diese Versnche von Fraulein JOSEPHP in der von ihr angegebenen Ausfuhrungsweise wiederholt, indem lllo0 3101 KfS,O, in 200 ccm Wasser gelost, 72 Stunden im EinschluSrohr im siedenden Wasserbade erhitzt wurden. Es entstanden die be- kannten Zersetzungsprodukte des Tetrathionats; die von Fraulein JOSEPHY beobachtete Gelbfarbung der Losung trat aber nicht auf, Schwefelwasserstoff konnte auch nicht spurenweise nachgewiesen werden. Wie Frkulein JOSEPEY zu ihrem merkwiirdigen Befunde gekommen ist, der sie z. B. sogar zu der Angabe fiihrte, daB bei 100 O 0,128 Millimol Schwefelwasserstoff neben 0,22 Xlillimol schwef- liger Saure bestehen sollen, kann ich nicht erkennen. Man brauclit nur kleine Mengen beider Gase gleichzeitig in kochendes Wasser zu leiten, urn sich zu uberzeugen, daB sie sofort unter Abscheidung von Schwefel aufeinander wirken.

Wie beim Zerfall des Polythionats glaubt E'riLulein JOSEPHY auch bei der Bildung der Polythionsauren die Annahme ,,experi- mentell nicht nachweisbarer Zwischenprodukte" vermeiden zu konnen. Sie findet eine ,,ueue" Bildungsweise von Pentathionsaure ,,durch Einwirkurg von Schwefeldioxyd auf eine wal3rige Losung yon Schwefel"; das Schema 5s + 5 S 0 , + 2H,O --t 2H,S,O, soll diesen Vorgang veranschaulichen. Die ,,waBrige Losung von Schwefel" stellte sie her, indem durch Zersetzung von Thiosulfat entstandener und gut ausgewaschener Schwefel eiiie Stunde lang mit Wa9ser gekocht wurde. Dabei soll ein gerixlger Teil des Schwefels in Losung ge- gangen sein. Nach Abfiltrieren des ungelosten Schwefels wurde die Lijsung bei Zimmertemperatur mit SO, gesiittigt und 24 Stuniden stehen gelassen. Jetzt gab sie mit ammoniakalischer Silbernitrat- losung die Pentathionatreaktion, wahrend die gleiche Meage rier ,,waBrigen Losung des Schwefels", in die kein SO, gcleitet war, auf Pentakhionat nicht reagierte.

Ganz abgesehen davon, daB eine Umsetzung, die nur in ganz min- zigen Konzentrationen beobachtet ware, nicht die einzige experimentelle Grundlage fur dieTheorie einer Reihe verwickelter Vorgange bilden kann,

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254 F. Foerstsr.

so mu6 schon der eben geschilderte experimentelle Befund ~0x1 Fraulein JOSEPHY in mehrfacher Hinsicht Bedenken erwecken. DaB SchwefeI in merklichem MaBe in Wasser 16slich sei, war den Che- mikern bisher nicht bekannt, und hi t te wohl &her bewiesen werden miissen. Und daB kleine Mengen Ton Pentathionsaure neben einem groBen UberschuB OR schwefliger S h r e iiber einige Zeit haltbar sein sollen, ist angesichts der hieruber vorliegenden Erfahrungen mindeqtens auffallend. Herr HORNIG hat drther diese Versuche von Fraulein JOSEPHY wiederholt : Gefallter Schwefel des Handels, der frei von Polythionsauren war, wurde eine Stunde lang rnit Wasser gekoclit, und die vom Schwefel abfiltrierte Losung kalt mit SO, ge- sattigt und, nach 24-stiindigem Stehen im verschlossenen GefaBe, Bas SO, BUS ihr abgeblasen. Sie gab jetzt keine Spur einer Penta- thionatreaktion mit ammoniakalischer Silberl6sung, wohl aber mit Quecksilberchlorid die Polythionatreaktion, Die gleiche Reaktion gab aber in gleicher Starke die nicht mit SO, behandelte Losung; in dieser erzeugte ammoniakalische Silberlosung eine eben erkenn- bare Hraunf arbung, sie enthielt also auch eine Spur Pentathion- stiure. Das entspricht nur der altbekannten Tatsache, daB Schwefel beint Kochen mit Wasser kleine Mengen Schwefelwasserstoff und Polythionsauren bildet. I n der Kochhitze bleibt von diesen im wesentlichen die Tetrathionsaure bestehen. Auch als der Hauptteil der nicht rnit SO, behandelten Losung, also die angebliche wB6rige Losung des Schwefels auf dem Wa,sserbade abgedampft wurde, blieb nur ein giitnz geringfiigiger Ruckstand, der beim Aufnehmen mit wenigen Tropfen Wasser eine kaum sichtbare Triibung von Sch-wefel ergab and ein wenig Schwefelstiure enthielt, wie es fiir die sehr verdunnte Losung von Polythionsauren zu erwarten war. Nicht anders verlief der Vessuch, als er mit einem Schwefelpraparat wieder- holt wurde, das aus Thiosulfat in der von Fraulein JOSEPHY beschrie- benen Weise dargestellt war. Eine Entstehung Ton Pentathionsaure durch Einwirkung von Schwefeldioxyd auf Schwefel konnte also hier- bei nicht nachgewiesen werden.

Aber selbst wenn das der Fat1 gewesen wiire, so ware dbamit doch nicht erwiesen, daB diese Einwirkung eine unmittelbare ware. Wer sich klar macht, da6 SO, in Wasser HSO,’ bildet, und daB dieses Anion mit Schwefel in das Gleichgewicht (4) treten, dadurch also S,O,” geben muB, und wer we%, daB S,O,” bei gewissen H - Konzentrationen sich zu S,O,” polymerisiert, kann nicht im Zweifel sein, daB, wenn SO, in Wasser auf Schwefel einwirkt, sich zuniichst

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Bildmg und Zersetzung toon Polythimzaten. 255

Pentathionsaure bilden wird. Dabei diirfte der Vorgang wohl iiber die unmerklich kleinen Konzentrationen, in denen Schwefel sich vielleicht im Wasser zu losen vermag, verlaufen ; deutlicher nach- weisbare Mengen der Reaktionsprodukte sind aber wohl erst zu er- warten, wenn durch Gegenwert von festern Schwefel jene winzigen Konzentrationen sich dauernd etwas zu erganzen vermogen. In Gegen- wart eines Uberschusses von schwefliger Saure kann aber auch dann die anfangs entstandene Pentathiousaure nnr someit bestehen bleiben, als sie durch jene nicht in die sehr vie1 langsamer von schwefliger Saure angreif bare Tetrathionsbre abgebaut wird.

Eine Reihe von Versuchen von I?. LANGE,~) bei denen SO2- Lijsungen mit Schwefelrnilch bei 95O und loo0 behandelt wurden, bestatigt diese Uberlegung insofern, ale in der Losung Polythion- sauren gelunden wurden, wahrend auch kleine Mengen von Thio- schwefelsaure nachweisbar waren. Da bei diesen Versuchen auf Pentathionsaure nicht gepruft wurde, hat Herr HORNIG sie wiederholt. Die Ergebnisse von LANGE wurden best&tigt; denn eine mit Schwefel versetzte l/,-molare SO,-Losung zeigte nach 24 stundigem Erhit,zen auf 100 O kleine Mengen Thiosulfat, und eine starke Polythionat- reaktion mit HgC1,. Dazu wurde gefunden, daB sie eine reichlichc schwarze Faliung mit arnrvloniakalischer Silberlosung ergab, also wirklich Pentathionsaure enthielt ; doch war augenscheinlich die erstere Fallung bei weitem st8rker; die ,,neue" Reaktion von Fraulein JOSEPHY verlauft also, wenn man sie in Gegenwart festen Schwe fels ausfuhrt , wesentlich anders, als sie ohne Beriicksichtigung bereits bekannter Tatsachen glaubt annehmen zu diirfen.

DaB die dafiir angegebenen Teilvorgange in der Tat eintreten, lB6t sich sehr deutiich auch dartun, wenn man durch Benutzung von Bisulfit an Stelle von schwefliger SSiure die H'-Konzentration soweit vermindert, da6 das primar entstehende S,O," sich in der Lasung zu analytisch bestimmbaren Konzentrationen anreichern kann, ehe es unter Polythionatbildung wieder verschwindet. Das zeigt folgender Versuch von R. VOGEL~):

Eine l/,-molare NaHS0,-Losung murde zu je 20 ccm auf eine Anzahl von Rohrchen verteilt, and jedem von diesen 2 g gefiillter, gut mit Permanganat gereinigter Schwefel zugesetzt ; nach dem Zu- schnselzen wurden die Rohrchen lBngere Zeit bei 5Q0 im Wasser-

~

l) 2. anorg. u. allq. Chem. 1% (1923), 260, 261, nbersicht 3. Dissertation, Dresden 1923: ifber das Zerfallen von Thiosulfat bei

Begenwart von schwefliger Sgure.

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bade umgeschwenkt. Von Zeit zu Zeit wurde ein Bohrchen heraus- genommen, und nach dem Erkalten sein Inhalt analysiert. Elchon nach 6 Stunden war Thiosulfat reichlich entstanden. Seine Kon- zentration wurde nach 30 50 66 Stunden

zu 0,13 0,38 0,09 Moll1 gefunden. Nach 50 Stunden war Trithionat abor kein Penthathionat nachweisbar, erst nach 66 Stunden, als der Jodverbrauch der Liisung auf seines Anfangswertes herabgegangen war, und auch das anfangs entstandene Thiosulfat schon grijBtenteils wieder verschwunden war, konnte neben Trithionat auch Pentathionat nachgewiesen werden,

Die Einwirkung des Schwefels auf HSO,' fiihrt also zuniichst zur Thioschwefelsaure ; erst &us dieser entstehen die Polythions%i,uren, unter denen aber die zuerst entstehende Pentathionsaure erst nach starker TTerminderung der HS0,'-Konzentration in nachaeisbarer Konzmtration erhalten bleibt.

Der Nachweis der unmittelbaren Entstehung der Pentathion- saurc aus Schwefeldioxyd und Ychwefel diirfte also Fraulein JOE~EPEY nicht recht gegliickt sein.

Ebensowenig halte ich es ftir zuliissig, die Tetrathionsaure als das primare Reaktionsprodukt von H,S und SO, zu erklaren. Diese wohl zuerst von DEBUS ausgesprochene Anaahhme stutzt sich, Emoweit ich sehe, auf nichts anderes als darauf, daB von den Formeln der Polythionsauren allein die der Tetrathionsaure durch einfache Addition aus den Pormeln der Ansgangsstoffe abzuleiten ist, denn 1H,S + 3S0, ergibt H,S,O,. Das kann und darf aber nicht ohne weiteres als ein irgend triftiger Beweis dafur angesehen werden, daB eine hieraus abgeleitete Formel einen unmitlelbaren chemischen Vorgang wiedergibt , zumal das gleichzeitige Zusammenwirken von vier Molekeln von vornherein sehr unwahrscheinlich ist, und man weiB, daB die Gase H,S urid SO, allein iiberhaupt kaum aufeinander wirken, geschweige denn Tetrathionsaure geben, sondern daB der Eintritt ihrer Wechselwirkung die Gegenwart fliissigen W users verlangt. Mir ist keine einzige Beobachtung bekannt, die es auch nur wahrscheinlich maeht, daB die Tetrathionsaure unmittelbar ails Schwefelwasserstoff und Ychwefeldioxyd, selbst bei Gegenwart von Wasser, zu entstehen vermochte.

Welchen wissenschaftlichen Wert sol1 uberhaupt das Be- muhen hnben, offenbar hochst verwickelte chemische Urnsetzungen, wie die in der WACKENRODERschen Losung sich abspielenden, ohne Besanziehung von Zwischenprodukten zii deuten ? Selbst menil man

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Bilduny und Zerseixwng von Polythionaten. 257

nachweisen kann - was Fraulein JOSEPHY freilich in keinem Falle auch nur versucht hat - daB die an einer chemischen Umsetzung teilnehmenden Mengen der Ausgangs- und Eudprodukte nur durch eine hochmolekulare Gleichung wiedergegeben werden konnen, l) ist damit doch nicht erwiesen, daf3 eine solche Gleichung einem einzigen chemischen Vorgange entspricht, also den Mechanismus der Um- setzung darzustellen vermijchte. Im Gegenteil: je komplizierter eine solche Qleichung erscheint , urn so weniger wahrscheinlich ist dies, um so wahrscheinlicher ist es, daB sie nur die Summe einer Reihe einfacherer Teilvorgiinge darstellt, daB also der Ubergang der in jener Gleichung auftretenden Ausgangsstoffe in die Endstoffe durch ein oder mehrere Zwischenprodukte vermittelt wird. Der vielfach beschrittene Weg, solchen Verhaltnissen experimentell naher zu kommen, ist, wie man weiB, der gewesen, daB man den zeitlichen Verlauf solcher verwickelten Umsetzungen ermittelt hat. Dabei hat sich sehr oft ergeben, daB der zeitbestimmende Vorgang von vie1 niederer Reaktionsordnung ist als nach der Qesamtgleichung zu er- warten ware, diese also wirklich die Summe einer Reihe von Teil- vorgangen darstellte, der Gesamtvorgang also sehr wahrscheinlich iiber Zwischenprodukte verlauft. Der Fall, wie ihn LUTHER und MAC D O K J G A ~ L ~ ) an der Umsetzung zwischen Chlorsaure und Salz- sgure nachwiesen, wo auch der zeitliche Verlauf der unmittelbaren Umsetzung von nicht weniger als S Molekeln entspricht, ist fast ganz vereinzelt geblieben. Man wird 8180, wenn man ernstlich die Annahme von Zwischenprodukten fur entbehrlich nachweisen will, bemuht sein mussen, einen ahnlichen Beweis zu erbringen. So lange dies nicht gelungen ist, ist das Bestreben, verwickeltere Vorgange in einfachere Teilvorgiinge aufzulosen und die entsprechenden Zwischen- produkte aufzusuchen, wissenschaftlich geboten. Das Qegenteil hiervon anzustreben, ist nicht im Sinne wissenschaftlichen Fort- schrittes.

l) RASCHIG hat E . B. sehr angenahert fur den Ubergang der Thioschwefel- saure in Pentathionsaure nachgewiesen , daB dieser nach der verwickelten Gleichung

5h0,” + 6H’ --t 2S,O,” + 3H,O

verlauft. DaS diese aber einem einzigen Vorgange entsprache, ist sehr un- wahrscheinlich , sie fordert vielmehr geradezu auf, ein Zwischenprodukt zu suchen, welches jene Geeamtumsetzung als Summe von Teilvorgangen auf- zufassen erlanbt. Einen Versuch in dieser Richtung 8. 2. f. anorg. u. allg. Chem. 128, s. 333 u. 334.

*) 2. phys. Chem. 62 (1908), 199. Z. anorg. U. sUg. Chern. Bd. 130. 17

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255 F. Foerster.

Es liegt nur in der Natur der Sache, daB beim Aufsuchen der etwa mitwirkenden Zwischenprodukte die Phantasie eine betracht- liche Rolle spielt. Man kann nicht leugnen, daB diese dabei manche Chemiker auf recht unfruchtbaren Boden gelockt hat. Aber ernste Porschung wird sich nicht damit begniigen , rein formelmiiflig eine verwickeltere Umsetzung in einfachere, iiber zunachst hypothetische Zwischenprodukte fiihrende Teilvorgange zu zerlegen, sondern wird bemiiht sein , solche Zwischenprodukte experimentell aufzuspiiren, oder wenigstens, wenn dies nicht gelingt, Dach Folgerungen aim der uber solche Zwischenprodukte gemachten Annahme zu suchen, die eine Priifung am Experiment erlauben, sei es, da6 dadurch neue Erscheinungen gefunden werden, sei es auch nur, daB bekannte Er- scheinungen dadurch verkniipft und in ihren Zusammenhangen ein- heitlicher und durchsichtiger werden.

Fur die in der WACKENItODERSChen Fliissigkeit sich abspielenden VorgBnge hat nun die experimentelle Erfahrung mit aller Sicherheit dargeian, daB zwischen den Ausgangsstoffen, Schwefelwasserstoff, Schwefeldioxyd und Wasser, und den Endprodukten, den Polythion- sauren und dem Schwefel, Zwischenprodukte auftreten, deren weitere Umsetzung erst zu den Endprodukten fuhrt. E. HEINZE~) b:tt ge- zeigt, daB beim Zusammenbringen von gelostem Schwefelwasserstoff und Schwefeldioxyd eine Substanz entsteht, die mit den Ausgangs- stoffen im Gleichgewicht steht, die aber mit der Zeit verschwindet, und mit deren Verschwinden die Bildung der Polythionsauren und des Schwefels erst ihr Ende erreicht. Sie ist damit als ein deren Entstehang sehr wahrscheinlich vermittelndss Zwischenprodukt experi- mentell nachgewiesen. Fraulein JOSEPHY stellt dies 80 dar, da6 sie sagt, HEINZE nehme an, daB die Polythionsauren nach Umsetzung mehrerer Produkte entstinden, welche er aber nicht habe nachweisen k6nnen. Das ist insoweit falsch, als der Nachweis des Vorhanden- seins eines dieser Zwischenprodukte von KEINZE einwandfrei gefiilirt ist. REINZES Beobachtungen wurden von RIESENFELD und FELD bestatigt und erweitert; auch sie haben in jener Substanz die Muttersubstanz der Polythionsauren erblickt. Warum diese Auffassung jetzt von dieser Seite fallen gelassen wird, ist nicht ersichtlich.

Die groBe Wandelbarkeit dieser Zwischensubstanz verhindert die genauere experimentelle Erforschung ihrer Natur, man ist ddruber zunachst auf Vermutungen angewiesen. Wenn Fraulein JOSEPHY

*) Journ. f. pra,lrt. Chem. 99 (1919), 109.

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glaubt, solche Annahmen vermeiden zu kBnnen, so ist das hier gleichbedeutend damit, da6 sie glaubt, sich uber eine experimentell gesicherte Tatsache hinwegsetzen zu diirfen.

Pie Annahmen uber die Natur der Zwischensubstanz waren bei HEINZE wie bei RIESENFELD und FELD zunlichst rein hypothetischer Natur. HORNIG und ich konnten uns dann dabei auf die von E. NOACK gefundene Tatsache stutzen, dab die gleiche Zwischen- substanz wie bei der Wechselwirkung von 13,s und H,SO, auch bei der Einwirkung von Wasser auf Chlorschwefel entsteht und auch hier die Bildung der bei dieser Reaktion schon vor langer Zeit beobachteten Polythionsauren und des freien Schwefels vermi ttelt. Daraus zogen wir den SchluB, da8 sie nach den Gleichungen:

bzw.

sich bilde, deren erste den denkbar einfachsten Vorgang zwisohen H,S und H2S0, darstellt.

Mit E. MomMsEN1) habe ich dann betr. des ersten Vorganges folgende Uberlegung angestellt : Penkt man sich, da6 clie primaren Anionen von H,S und H,SO, die bei anderen Anionen der Sanren des Schwefels so vielfach beobachtete Neigung haben, sich unter Wasseraustritt zu Anionen mit 2 Atomen Schwefel zu kondensieren, so wiirde Vorgang (8) in falgendem bestehen:

H,S + H,SO, %I H,S,O, + H,O

S,CI, + 2H,O -+ S,(OH), + 2HC1

(8)

(9)

HS’ + HSO,’+ 2 H ’ --t S,O,” + 2H’ + $0. (8 a) Das Anion S,O,” kiinnte dam, wie wir annehmen, mit weiterem HSO,’ nach

2S,O,” + 2HS0,’ --t 3S20,” + H,O sich zum Anion der Thioschwefelsaure kondensieren.

Dieses ist in saurer Liisung, also z. B. in der WACKENRODER- schen Flussigkeit, nicht bestandig, sondern geht nach (4) und (5) in Schwefel bzw. Pentathionsaure uber. Danach ware neben jenem die letztere Saure das erste stabilere Yrodukt der Wechselwirkung von Schwefeldioxyd und Schwefelwasserstoff. Da sie aber durch

I) Ber. d. Deutsck. Chem. Cfes. 67 (1924), 258. Fraulein JOSEPHY zitiert diese Arbeit als Nachschrift bei der Borrektur mit den Worten: ,,Neuerdings werden VOn FOERSTER und MOMWEN in ~ A C K E N R ~ D E R scher Flussigkeit H&O, und E9S0, ale Zwischenprodukte angenommen.“ Das ist falsch; beide Zwisehen- produkte wurden schon von HORNIG und mir angenommen, und in der zitierten Arbeit nur die ous dieaer Annahme sich ergebenden Folgerungen experimentell errartet.

li*

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freie schweflige Siiure, wie HORNIC) und ich nachwiesen, verhaltnis- miiBig schnell in Tetrathionsaure iibergeht und diese gegen die Ein- wirkung dieser SBure weit stabiler ist, so wird sekundar Tetrathion- saure sich bilden und zwar um so reichlicher, j e groBer der aber- schuB an SO, ist. Hiermit stimmen alle bisherigen Beobachtungen iiberein. Man darf daher diese Vorstellung zur Zeit als die einzige experimentell begriindete iiber die Vorgange bei der Entstehung der Polythionsiiuren in der WacmNRoDERschen Losung ansehen.

Sie hat eine wichtige Stutze noch aus folgender Uberlegung erhalten: Wenn einerseits die Wechselwirkung von SH' und S0,H' das wesentliche bei der gegenseitigen Einwirkung von H,S und H,SO, ist, und wenn andererseits die H' die Unbestandigkeit der clabei sich bildenden S,O," bedingen, so muB durch die Verminderung der H'- Konzentration S,O," erhalten bleiben. Daher muB, 'wenn SH' und SO,H' nicht in Gestalt ihrer H-Verbindungen, also von HzS und H2S0,, sondern in Gestalt ihrer SlkalisJze zur Wechsel- wirkung gelangen, Thiosulfat sich darstellen lassen. Diese SchluB- folgerung ist durch die Versuche von E. MOMMSEN vollig bestatigt worden; nach dem aus Gleichung (8a) und (10) sich ergebenden Umsetzungsverhaltnis

2SH' + 4S0,H' --f 3S,03" + 3Hz0 (11)

konnte eine sehr glatt und schnell verlaufende, in mannigfncher Form durchfuhrbare Darstellungsweise von Alkalithiosulfaten aus- gearbeitet werden. Die Thioschwefelsaure ist also in der Tat nicht nur bei der Zersetzung sondern auch bei der Bildung der Polythion- sauren ein wichtiges Zwischenprodukt; beriicksichtigt man dies, so gelangt ein groBer Komplex sehr mannigfacher Erscheinungen auf dem Gebiete der Schwefelsauerstoffverbindungen unter einem einheit- lichen Gesichtspunkte in theoretischen Zusammenhang.

Die Annahme TO^ Zwischenprodukten bei der Zersetzung und Bildung der Polythionsauren hat sich also, trotzdem das eine oder andere von ihnen noch nicht unmittelbar experimentell faBbar ist, als niitzlich erwiesen; sie kann nicht auf Grund weniger, noch dazu recht oberflachlicher Beobachtungen als entbehrlich bezeichnet werden.

Ibesden, Anorganisch-c32ees Laboratorium der technischen Hoclaschula, 25. Juli 1924.

Bei der Redaktion eingegangen am 2. August 1924.