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Bemerkungen 2006 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes

Bemerkungen 2006 - Beispielklagen...Druck: medienhaus Plump, Rheinbreitbach Vorwort Der Duden definiert das Wort „Bemerkung“ als kurze Äußerung oder schriftliche Notiz. Der Bemerkung

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B e m e r k u n g e n 2 0 0 6zur Haushalts- und Wirtschaftsführungdes Bundes

Dieser Bericht und weitere Informationen über den Bundesrechnungshof sind erhältlich bei:

BundesrechnungshofReferat für ÖffentlichkeitsarbeitAdenauerallee 8153113 Bonn

Tel.: 0 18 88/7 21-10 30Fax: 0 18 88/7 21-10 39E-Mail: [email protected]: www.bundesrechnungshof.de

Druck: medienhaus Plump, Rheinbreitbach

Vorwort

Der Duden definiert das Wort „Bemerkung“ als kurze Äußerung oder schriftliche Notiz. Der Bemerkung haftet damit im normalen Sprachgebrauch etwas Beiläufiges, vielleicht Oberflächliches an. Auf die vorliegenden Bemerkungen treffen diese Eigenschaften nicht zu. Denn die jährlichen Bemerkungen des Bundesrechnungshofes sind die Essenz zahlreicher und sorgfältiger Prüfungen, die Monate und manchmal auch Jahre intensiver Arbeit gebraucht haben. Der Jahresbericht erfüllt keinen Selbstzweck, schon gar nicht dient er der Selbstdarstellung des Bundesrechnungshofes. Vielmehr soll dem Deutschen Bundestag, dem Bundesrat, der Bundesregierung und der Öffentlichkeit eine fundierte und allgemein zugängliche Informationsbasis geboten werden, auf der die Ordnungsmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit des Umgangs mit den finanziellen Mitteln des Bundes beurteilt werden können.

Die einzelnen Beiträge der Bemerkungen wird der Rechnungsprüfungsausschuss – der zuständige Unterausschuss des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages – in den kommenden Monaten beraten. Erfahrungsgemäß verbindet das Parlament die Beratung über die Bemerkungsbeiträge in einer Vielzahl von Fällen mit der Forderung an die Bundes-regierung, die vom Bundesrechnungshof festgestellten Mängel zu beheben. Die Ergebnisse dieser parlamentarischen Beratung dienen dem Deutschen Bundestag außerdem dazu, über die Entlastung der Bundesregierung für das Haus-haltsjahr 2005 zu entscheiden.

Das Wirken des Bundesrechnungshofes beschränkt sich nicht auf seine Prüfungstätigkeit. Hinzu kommt seine Beratungsfunktion, die er gegenüber der Bundesregierung und dem Deutschen Bundestag ausübt. Durch eine Vielzahl von Berichten zu aktuellen und finanziell bedeutsamen Themen sowie durch seine Mitwirkung bei der jährlichen Aufstellung des Bundeshaushalts wird er dieser Aufgabe gerecht.

Auch im Hinblick auf seine Beratungsfunktion hat der Bundesrechnungshof in den Bemerkungen 2006 seine Prüfungs-erkenntnisse zur Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (Hartz IV-Gesetz) als Schwerpunktthema zusammengefasst. Er hat hier erhebliche Mängel festgestellt, die insbesondere die Voraussetzungen für den Bezug von Leistungen, die Betreuung der Arbeitsuchenden, die so genannten Ein-Euro-Jobs sowie die Verwal-tungsorganisation betrafen. Der Gesetzgeber hat mit dem Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeit-suchende das SGB II in zahlreichen Punkten nachgebessert. Aus Sicht des Bundesrechnungshofes sind jedoch weitere Regelungen notwendig, um die Leistungen der Grundsicherung wirksam und wirtschaftlich zu erbringen. Mit seinen Empfehlungen will der Bundesrechnungshof den weiteren Reformprozess unterstützen.

Dem in dieser Broschüre abgedruckten ausführlichen Berichtsteil ist eine Kurzfassung vorangestellt, die den Einstieg in die zum Teil komplexen Themen erleichtern soll (blaue Seiten). Die Broschüre kann bei der Pressestelle des Bundes-rechnungshofes angefordert werden. Die Bemerkungen 2006 werden auch als Bundestagsdrucksache erscheinen. Sie sind im Internet unter der Adresse www.bundesrechnungshof.de abrufbar.

Bonn, im November 2006

Prof. Dr. Dieter EngelsPräsident des Bundesrechnungshofes

Bemerkungen des Bundesrechnungshofes 2006zur Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes(einschließlich der Feststellungen zur Jahresrechnung 2005)

I n h a l t s v e r z e i c h n i s

Seite SeiteZusammen- Volltext

fassung

Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

Zusammenfassungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

Teil I

1 Feststellungen zur Haushalts- und Vermögensrechnung des Bundes für das Haushaltsjahr 2005. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 49

2 Finanzwirtschaftliche Entwicklung des Bundes – Stabilisierung der Einnahmen bei fortbestehenden strukturellen Belastungen auf der Ausgabenseite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 74

3 Schwachstellen bei Hartz IV beseitigen und Vollzug verbessern 15 110

Teil II

Feststellungen zur Haushalts- und Wirtschaftsführung

Bundesministerium des Innern

4 Unterbringung des Bundesministeriums des Innern . . . . . . . . . . . . . 17 117

5 Bundespolizei mietet in Flug- und Seehäfen zu viele Flächen zu teuer an . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 118

6 Unzweckmäßige Dienstzeitregelungen bei der Bundespolizei führen jährlich zu Überstunden in Millionenhöhe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 120

Drucksache 16/XXX – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

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fassung

7 Bund kann seine Pensionsfestsetzung und -regelung effizienter organisieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 122

8 Bundesausgleichsamt muss Fachaufsicht intensivieren, um das Risiko höherer Bundeszuschüsse zu mindern . . . . . . . . . . . . . . . 19 124

Bundesministerium der Finanzen

9 Steuerbegünstigung von Handelsschiffen durch die Tonnage-besteuerung verfehlt wesentliche Ziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 125

10 Kontrolldefizite bei der Zollabfertigung von Reisegepäck im Flugverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 128

11 Deutsche Beteiligung an europäischer Forschungs- und Beratungseinrichtung unwirtschaftlich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 130

Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie

12 Förderung von Instituten für Mittelstandsforschung und Rationalisierungsförderung nicht bedarfsgerecht . . . . . . . . . . . . . . . . 20 132

13 Beratungsbedarf bei Sicherheitsfragen der Kerntechnik nicht ausreichend definiert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 134

14 Zusammenwirken bei der Endlagerforschung mangelhaft . . . . . . . . . 21 135

15 Zuwendungen an ein Unternehmen der Energieberatung fehlerhaft 21 137

16 Erfolgskontrolle bei der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ unzureichend . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 139

Bundesministerium für Arbeit und Soziales

17 Prüfungsrecht bei Zuschüssen des Bundes zu Rentenversicherungs-beiträgen neu regeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 141

18 Aufgaben bei der Deutschen Rentenversicherung Bund bündeln . . . 23 143

Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung

19 Bund zahlt für neues Bahn-Funknetz mehr als 20 Mio. Euro zu viel 23 145

20 Bund zahlt jährlich 8 Mio. Euro für weitgehend nutzlose Maß-nahmen zur Zivilen Verteidigung bei der Deutschen Bahn AG . . . . 24 147

21 Weiterbau einer Eisenbahnneubaustrecke ohne gesicherte Gesamtfinanzierung unwirtschaftlich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 149

22 Bund finanziert zu viele Beschäftigte eines privaten Unternehmens 25 151

23 Folgen unzureichender Fachaufsicht bei der Umsetzung eines Projektes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 152

24 Länder und Gemeinden verlagern Kosten beim Bau von Geh- und Radwegen unzulässig auf den Bund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 154

25 Unzureichende Vorbereitung von Straßenbaumaßnahmen verursacht Mehrausgaben beim Bund in zweistelliger Millionenhöhe . . . . . . . . 25 155

26 Bund übernimmt finanzielles Risiko der Sanierung pechhaltiger Baustoffe aus Landesstraßen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 159

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/XXX

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fassung

27 Wasser- und Schifffahrtsdirektionen erstatten dem Lotsbetriebsverein ungerechtfertigt Personalkosten . . . . . . . . . . . . . 26 160

28 Erfolg eines teuren IT-Projektes fünf Jahre nach Beginn fraglich . . . 27 162

Bundesministerium der Verteidigung

29 Neueinstellungen zum gehobenen Verwaltungsdienst übersteigen den Bedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 163

30 Sanierung belasteter Böden auf dem Truppenübungsplatz Munster-Nord unwirtschaftlich und umweltgefährdend . . . . . . . . . . 27 164

31 Erhebliches Einsparpotenzial bei den Fahrschulen der Bundeswehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 166

32 Zu lange Entwicklungszeiten für eine Einrichtung zur Dekontamination Verwundeter und für ein Hautentgiftungsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 167

33 Bundeswehr investiert 17 Mio. Euro in nicht ausgelastete Galvanikanlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 169

34 Einsparmöglichkeiten bei der Ausstattung mit Hubschraubern für bewaffnete Rettungs- und Spezialkräftemissionen . . . . . . . . . . . . 29 171

35 Einsatz militärischer Hubschrauber für den Such- und Rettungsdienst in Deutschland zu teuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 172

36 Fehlerhafte Auswertung eines Pilotprojektes verteuert die Instandsetzung von Kampfflugzeugen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 177

37 Zu wenig Wettbewerb bei Lufttransporten nach Afghanistan . . . . . . 31 178

38 Kontinuierliches Verbesserungsprogramm der Bundeswehr erzielt nur geringe Akzeptanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 180

39 20 Mio. Euro zu viel für die Beschaffung von Präzisionsbomben ausgegeben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 183

40 Fallschirmspringen künftig belastungsgerecht abgelten . . . . . . . . . . 32 185

41 Gesundheitsmodernisierungsgesetz nicht wirkungsgleich auf das System der Beihilfe übertragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 186

Bundesministerium für Gesundheit

42 IT-Insellösungen für die Personal- und Stellenverwaltung unwirtschaftlich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 188

Bundesministerium für Umwelt, Naturschutzund Reaktorsicherheit

43 Lieferung zu teurer Informationstechnik auf der Grundlage eines IT-Dienstleistungsvertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 189

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

44 Vertrags- und Zuwendungsrecht willkürlich angewendet . . . . . . . . . 33 191

Drucksache 16/XXX – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

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Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

45 Generalvertrag zwischen Bundesregierung und KfW Entwicklungsbank neu fassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 193

46 Methodisch fehlerhafte Wirtschaftlichkeitsuntersuchung führtezu kostspieliger Miete von Arbeitsplatzcomputern . . . . . . . . . . . . . . 34 195

Allgemeine Finanzverwaltung

47 Behinderungsbedingte Aufwendungen teilweise doppelt berücksichtigt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 197

48 Keine Erfolgskontrolle der Steuerfreiheit von Zuschlägen für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 198

49 Zu geringe Prüfungsquote der Umsatzsteuer-Sonderprüfungen . . . . 36 201

50 Besteuerung ausländischer Busunternehmen nicht gesichert . . . . . . . 36 202

51 Zahlungen aus öffentlichen Kassen unzureichend besteuert . . . . . . . 36 204

52 Hohe Umsatzsteuerausfälle in der Fast-Food-Gastronomie . . . . . . . . 37 205

53 Steuerliche Kontrolle des Internets ohne durchschlagenden Erfolg . . . 37 206

54 Erhebliche Steuerausfälle im Taxigewerbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 208

55 Auswirkungen von Steuergesetzen unzureichend abgeschätzt . . . . . 37 210

56 Gleichmäßige Besteuerung beim Entlastungsbetrag für Alleinerziehende nicht gewährleistet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 212

57 Zu wenig Außenprüfungen bei Einkunftsmillionären führen zu Steuerausfällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 213

Bundesagentur für Arbeit

58 Qualität beruflicher Weiterbildungsmaßnahmen unzureichend geprüft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 215

Teil III

Weitere Prüfungsergebnisse

Bundeskanzlerin und Bundeskanzleramt

59 Baumanagement der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg in Potsdam wird verbessert . . . . . . . . . . . . . . . . 39 218

Bundesministerium des Innern

60 Projekt „BOS-Digitalfunk“: Grundlagen für wirtschaftliche Auftragsvergabe verbessert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 219

61 Bundeskriminalamt verringert bei IT-Projekt Abhängigkeit von externen Auftragnehmern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 220

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/XXX

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fassung

Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie

62 Bessere Abstimmung von Förderprogrammen vermeidet überhöhte Zuschüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 221

63 Beschaffungszyklus der Computer des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle folgt künftig wirtschaftlichen Gesichtspunkten 41 221

Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz

64 Förderung zentraler Informationsveranstaltungen auf ressortbezogene Inhalte begrenzt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 223

Bundesministerium für Arbeit und Soziales

65 Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See wird Fehler in den Versicherungskonten frühzeitig aufspüren . . . . . . . . . . . . . . . 41 223

Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung

66 Eisenbahn-Bundesamt hat seine Buchführung korrigiert und 2,6 Mio. Euro von einem Eisenbahninfrastruktur-unternehmen zurück erhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 224

67 1,3 Mio. Euro Einsparungen bei einer Wasser- und Schifffahrtsdirektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 225

68 Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie stellt die Herausgabe von Seekarten für fremdländische Küsten ein . . . . . . . . 42 225

69 Kleinere Tunneldurchmesser verringern die Baukosten um 50 Mio. Euro . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 226

70 Empfehlungen, wie Zuwendungen des Bundes beim Hochbau wirtschaftlich verwendet werden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 227

Bundesministerium der Verteidigung

71 Bundeswehr stattet ihre technischen Betriebsdienste künftig bedarfsgerecht mit Werkstattwagen aus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 228

72 Bundeswehr verbessert Organisation des Mess- und Prüfwesens . . . 44 229

73 Bundeswehr verringert Anzahl der Transportfahrzeuge erheblich . . 44 230

74 Bundeswehr stellt Röntgenreihenuntersuchungen ein . . . . . . . . . . . . 44 230

75 Bundeswehr verringert den Personalumfang des Militärmusikdienstes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 231

76 Bundesmarine stellt Schulboot NORDWIND vorzeitig außer Dienst 45 232

77 Trennungsgeld bei Gemeinschaftsverpflegung angepasst . . . . . . . . . 45 232

Bundesministerium für Gesundheit

78 Entwicklung des Beitragssatzes und der Verschuldung der gesetzlichen Krankenkassen seit dem Jahre 2004 . . . . . . . . . . . . . . . 45 233

Drucksache 16/XXX – 6 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

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Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

79 Bundesamt für den Zivildienst reduziert Verwaltungs-kostenerstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 234

Bundesministerium für Bildung und Forschung

80 Schaden des Bundes aus dem Kauf eines repräsentativen, aber nur bedingt geeigneten Palais soll gemindert werden . . . . . . . . 46 235

Allgemeine Finanzverwaltung

81 Steuerordnungswidrigkeiten künftig konsequenter verfolgen . . . . . . 47 237

Bundesagentur für Arbeit

82 Bundesagentur für Arbeit will das Bildungsgutscheinverfahren verbessern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 238

83 Vermittlung von Fach- und Führungskräften sowie von schwerbehinderten Akademikern verbessert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 239

84 Beschäftigte der Bundesagentur für Arbeit erhielten ungerechtfertigt Zulagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 241

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 7 – Drucksache 16/XXXX

Vorbemerkung

1 Gegenstand der Bemerkungen

Der Bundesrechnungshof hat bedeutsame Prüfungserkennt-nisse, die er und seine Prüfungsämter gewonnen haben, inBemerkungen zur Haushalts- und Wirtschaftsführung sozeitnah wie möglich zusammengefasst (Teil II). Sie be-schränken sich nicht auf ein Haushaltsjahr (vgl. § 97Abs. 3 BHO).

Die Feststellungen zur Haushalts- und Vermögensrech-nung des Bundes (Teil I), die für die Entscheidung überdie Entlastung der Bundesregierung besondere Bedeu-tung haben, erstrecken sich auf das Haushaltsjahr 2005.

Über inzwischen ausgeräumte Beanstandungen sowie dieBeratungstätigkeit des Bundesrechnungshofes und seinesPräsidenten als Bundesbeauftragter für Wirtschaftlich-keit in der Verwaltung (Bundesbeauftragter) berichtet derBundesrechnungshof aus besonderem Anlass. Dies be-trifft Sachverhalte, die Aufschluss über die Haushalts-und Wirtschaftsführung in bestimmten Bereichen gebenoder denen beispielhafte Bedeutung zukommt, ohne dassBeschlüsse des Deutschen Bundestages nach § 114Abs. 2 BHO angestrebt werden (Teil III – Weitere Prü-fungsergebnisse).

Die Bundesministerien und die juristischen Personen desöffentlichen Rechts konnten sich zu den Sachverhaltenäußern, die ihre Geschäftsbereiche betreffen. Im Übrigensind die Prüfungsfeststellungen in der Regel schon vorhermit den geprüften Stellen erörtert worden. Falls über diedargestellten Sachverhalte Meinungsverschiedenheitenbestehen, ist dies ausdrücklich erwähnt. Soweit die be-troffenen Stellen abweichende Auffassungen hinsichtlichder Würdigung vorgebracht haben, werden diese in denBemerkungen berücksichtigt.

Den Beiträgen sind auf den blauen Seiten Zusammenfas-sungen vorangestellt.

2 Politische Entscheidungen

2.1

Politische Entscheidungen im Rahmen des geltendenRechts beurteilt der Bundesrechnungshof nicht. Prü-fungserkenntnisse, die die Voraussetzungen oder Auswir-kungen derartiger Entscheidungen betreffen, können eineÜberprüfung durch die Träger der politischen Entschei-dungen gerechtfertigt erscheinen lassen; insoweit hält esder Bundesrechnungshof für geboten, über solche Er-kenntnisse oder über die Umsetzung derartiger Entschei-dungen zu berichten. So ist es z. B. nicht Aufgabe desBundesrechnungshofes, politisch zu bewerten, ob be-

stimmte Fördermittel gezahlt werden sollen. Er kann aberprüfen und berichten, ob bei der Mittelvergabe die Vo-raussetzungen beachtet wurden und ob die Förderung diebeabsichtigten Wirkungen hatte.

2.2

Der Bundesrechnungshof kann Gesetzesänderungen emp-fehlen, wenn er über Erkenntnisse verfügt, dass beste-hende Gesetze zu vom Gesetzgeber nicht gewünschtenAuswirkungen führen oder führen können. Auch wennsich die beim Erlass eines Gesetzes oder beim Abschlussvon Vereinbarungen zugrunde gelegten tatsächlichen Ver-hältnisse erheblich geändert haben, kann der Bundesrech-nungshof vorschlagen, die Rechtslage an die neuen Gege-benheiten anzupassen.

Damit kommt er zum einen dem gesetzlichen Auftragnach, in seinen Bemerkungen mitzuteilen, welche Maß-nahmen für die Zukunft empfohlen werden (§ 97 Abs. 2Nr. 4 BHO). Er trägt auch dem Wunsch des ParlamentsRechnung, den Haushaltsausschuss des Deutschen Bun-destages über solche Prüfungsergebnisse zu unterrichten,die zu gesetzgeberischen Maßnahmen geführt haben oderfür anstehende Gesetzesvorhaben von Bedeutung sind(Bundestagsdrucksache 15/3387).

3 Prüfungsumfang, Prüfungsrechte und Prüfungsschwerpunkt

3.1

Der Bundesrechnungshof prüft alle Einzelpläne des Bun-deshaushaltsplans, die Sondervermögen des Bundes unddie bundesunmittelbaren und sonstigen juristischen Per-sonen des öffentlichen Rechts des Bundes. Er prüft auchdie Betätigung des Bundes bei privatrechtlichen Unter-nehmen.

Der Bundesrechnungshof prüft die Haushalts- und Wirt-schaftsführung – zum Teil in abgegrenzten Bereichen –der juristischen Personen des privaten Rechts u. a. dann,wenn eine Prüfung vereinbart ist (§ 104 Abs. 1 Nr. 3BHO) oder wenn diese nicht Unternehmen sind und in ih-rer Satzung mit Zustimmung des Bundesrechnungshofeseine Prüfung vorgesehen ist (§ 104 Abs. 1 Nr. 4 BHO).Solche Prüfungsrechte bestehen in mehreren Fällen.

3.2

Der Bundesrechnungshof setzt für seine PrüfungstätigkeitSchwerpunkte und macht von der Möglichkeit Gebrauch,

Drucksache 16/XXXX – 8 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

seine Prüfungen auf Stichproben zu beschränken (§ 89Abs. 2 BHO). Die Tatsache, dass einige Ressorts in die-sen Bemerkungen umfangreicher, andere dagegen weni-ger oder nicht behandelt werden, lässt nicht den Schlusszu, dass die Ressorts die für die Haushalts- und Wirt-schaftsführung geltenden Vorschriften und Grundsätze inunterschiedlichem Maße eingehalten haben.

Ziel des Bundesrechnungshofes ist es, alle wesentlichenBereiche der Haushalts- und Wirtschaftsführung zu erfas-sen und die Stichproben so auszuwählen, dass sie ein aus-sagekräftiges Bild des jeweiligen Teilbereichs vermitteln.

3.3

Der Bundesrechnungshof berichtet in den Bemerkungen2006 zusammenfassend über die Grundsicherung für Ar-beitsuchende, die am 1. Januar 2005 mit dem so genann-ten Hartz IV-Gesetz eingeführt wurde (vgl. BemerkungNr. 3). Die neue Grundsicherung stellt eine der wichtigs-ten sozialpolitischen Reformen dar, für die der Bund imJahre 2005 rund 35 Mrd. Euro aufwendete. Der Bundes-rechnungshof hat eine Vielzahl von Prüfungen zu denverschiedensten Aspekten der Grundsicherung durchge-führt und erhebliche Mängel festgestellt. Der Beitragstellt diese Schwachstellen im Zusammenhang dar undempfiehlt konkrete Maßnahmen, mit denen den Fehlent-wicklungen entgegengesteuert werden kann.

4 Prüfungsämter des Bundes

Die Prüfungsämter des Bundes unterstützen und ergänzenseit dem Jahre 1998 die Prüfungstätigkeit des Bundes-rechnungshofes. Im Rahmen der ihnen übertragenen Auf-gaben haben sie gegenüber den geprüften Stellen diesel-ben Prüfungsbefugnisse wie der Bundesrechnungshof,dessen Dienst- und Fachaufsicht sie unterstellt sind. DerBundesrechnungshof trägt die übergreifende verfassungs-rechtliche Verantwortung und nimmt in seine Bericht-erstattung an das Parlament auch Feststellungen der Prü-fungsämter auf.

Die gemeinsame Planung und Durchführung von Prüfun-gen stellt sicher, dass bundesweit nach einheitlichen Maß-stäben und Bewertungen geprüft wird. Die Bemerkungen2006 enthalten in erheblichem Umfang auch Feststellun-gen der Prüfungsämter.

5 Beratungstätigkeit

5.1 Beratung durch den Bundesrechnungshof

Der Bundesrechnungshof berät aufgrund von Prüfungs-erfahrungen insbesondere das Parlament und die Bundes-regierung (§ 88 Abs. 2 BHO, § 1 Satz 2 BRHG). DieseAufgabe erfüllt er vor allem auf zwei Wegen:

● Im Rahmen der jährlichen Aufstellung des Bundes-haushalts.

● In Form von Berichten zu finanziell bedeutsamen Ein-zelmaßnahmen oder zu Sachverhalten, bei denen einInformationsbedürfnis der Entscheidungsträger be-steht.

Der Bundesrechnungshof nimmt an den Verhandlungendes Bundesministeriums der Finanzen mit den Ressortsüber die Haushaltsvoranschläge auf Referatsleiterebeneund an den Berichterstattergesprächen teil, in denen dieVerhandlungen des Haushaltsausschusses des DeutschenBundestages vorbereitet werden. Er bringt dabei Prü-fungserkenntnisse in die Haushaltsberatungen ein.

Für den Bundesrechnungshof hat die Beratung des Parla-ments große Bedeutung. Der Bundesrechnungshof hat imJahre 2005 dem Haushaltsausschuss und dem Rechnungs-prüfungsausschuss des Haushaltsausschusses des DeutschenBundestages 20 gesonderte Stellungnahmen und Bera-tungsberichte nach § 88 Abs. 2 BHO zugeleitet.

5.2 Beratung durch den Präsidenten des Bundesrechnungshofes als Bundes-beauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung

Der Präsident des Bundesrechnungshofes ist traditionellzugleich Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in derVerwaltung. Er achtet dabei auf eine wirtschaftliche Er-füllung der Bundesaufgaben und eine effiziente Organisa-tion der Bundesverwaltung. Seine Tätigkeit wird durchdie Richtlinie der Bundesregierung vom 26. August 1986bestimmt. Der Bundesbeauftragte nutzt bei seiner Tätig-keit vor allem die Prüfungserkenntnisse und Erfahrungendes Bundesrechnungshofes, mit dessen Kollegien er sicheng abstimmt.

Ein Schwerpunkt seiner Tätigkeit besteht darin, Regie-rung und Parlament die Auswirkungen von Rechtsvor-schriften auf die Wirtschaftlichkeit des Verwaltungshan-delns bewusst zu machen. Die Bundesministerien sindgehalten, ihn zu diesem Zweck frühzeitig an der Erarbei-tung von Gesetzesvorlagen, Entwürfen von Rechtsver-ordnungen und Verwaltungsvorschriften zu beteiligen.Seitens der Exekutive wurde der Bundesbeauftragte imJahre 2005 an 347 solcher Vorhaben beteiligt. Zu 66 die-ser Vorhaben gab er teils umfangreiche Stellungnahmenab, deren Vorschläge in unterschiedlichem Umfang in dasweitere Rechtsetzungsverfahren eingeflossen sind. DerDeutsche Bundestag hat insbesondere bei Finanzvorlagendie Möglichkeit, auf Erkenntnisse des Bundesbeauftrag-ten zurückzugreifen (§ 96 Abs. 6 GO-BT).

6 Frühere Empfehlungen des Bundesrechnungshofes

Der Bundesrechnungshof überwacht, welche Maßnah-men die geprüften Stellen aufgrund seiner Prüfungsfest-stellungen getroffen haben, um Mängel abzustellen oderVerfahren zu verbessern. Er untersucht, ob die geprüftenStellen die vom Parlament erteilten Auflagen erfüllen,und er führt Kontrollprüfungen durch. Dadurch trägt der

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 9 – Drucksache 16/XXXX

Bundesrechnungshof den Erfordernissen einer zukunfts-orientierten Finanzkontrolle Rechnung und wirkt mitNachdruck darauf hin, dass Prüfungserkenntnisse umge-setzt werden.

Um die Umsetzung seiner Empfehlungen zu dokumentie-ren, hat der Bundesrechnungshof einen Ergebnisberichtveröffentlicht. Darin stellt er dar, welche Folgerungen dieBundesregierung aus den Beschlüssen des DeutschenBundestages zu den Bemerkungen gezogen hat.

7 Zusammenarbeit mit den Landesrechnungshöfen

Der Bundesrechnungshof arbeitet mit den Rechnungshö-fen der Länder unter Wahrung der Unabhängigkeit undunter Beachtung der jeweiligen Zuständigkeit vertrauens-voll zusammen. Fragen von gemeinsamem Interesse erör-tern die Präsidentinnen und Präsidenten der Rechnungs-höfe des Bundes und der Länder in regelmäßigenAbständen in einer Präsidentenkonferenz.

Neben den klassischen Themenfeldern (z. B. Haushalts-recht, Steuern, Bau und Beteiligungen) stellt sich im Rah-men der Zusammenarbeit mit den Landesrechnungshöfenauch zunehmend die Frage der Kontrolle von Haushalts-mitteln der Europäischen Union (EU). Die Präsidenten-konferenz hat deshalb eine Arbeitsgruppe (AG Europa)unter der Federführung des Bundesrechnungshofes einge-richtet.

Zu deren Aktivitäten gehört der Aufbau eines IT-gestütz-ten Informationssystems, mit dem der Austausch von In-formationen zwischen dem Europäischen Rechnungshof(ERH) und den deutschen Rechnungshöfen verbessertwerden soll.

Die Organe der EU streben ein stärkeres Engagement derMitgliedstaaten bei der Kontrolle von EU-Fördermittelnan. Der Bundesrechnungshof bezieht deshalb in seinePrüfungstätigkeit auch die internen Verwaltungs- undKontrollsysteme in Deutschland bei der Bewirtschaftungsolcher Mittel ein. Er stimmt sich hierbei mit den Landes-rechnungshöfen ab.

8 Zusammenarbeit in der Europäischen Union

Der Haushalt der EU in Höhe von rund 120 Mrd. Euro(2006) wird überwiegend durch die Mitgliedstaatenfinanziert. Rund 80 % der EU-Haushaltsmittel fließen alsFördermittel (vor allem Strukturfonds und Agrarbeihil-fen) an die Mitgliedstaaten zurück und werden dort durchnationale Verwaltungsstellen verausgabt. Die externeFinanzkontrolle der EU-Haushaltsmittel obliegt dem ERHund den nationalen Rechnungshöfen der Mitgliedstaaten,die nach Artikel 248 Abs. 3 des Vertrages zur Gründungder Europäischen Gemeinschaft (EGV) unter Wahrungihrer jeweiligen Unabhängigkeit zusammenarbeiten.

Die vom EGV vorgesehene Zusammenarbeit findet invielfältigen Formen statt. Dies betrifft zum einen das Zu-

sammenwirken der mitgliedstaatlichen Obersten Rech-nungsprüfungsorgane und des ERH im Kontaktausschussder Präsidentinnen und Präsidenten der EU-Rechnungs-höfe. Die Aktivitäten erstrecken sich z. B. auf die Ent-wicklung von Prüfungsnormen und gemeinsame Prüfun-gen im Rahmen von Arbeitsgruppen. So hat dieArbeitsgruppe EU-Strukturfonds unter dem Vorsitz desBundesrechnungshofes zu mehreren Themen koordiniertePrüfungen in unterschiedlichen Mitgliedstaaten durchge-führt. Ziel ist es zu erreichen, dass die Strukturmittel vonden Mitgliedstaaten rechtskonform und sinnvoll ausgege-ben werden.

Der Bundesrechnungshof arbeitet zudem in den Arbeits-gruppen des Kontaktausschusses mit, die sich mit derVergabe öffentlicher Aufträge und der Erhebung derMehrwertsteuer auseinander setzen. Die ArbeitsgruppeVergabe stellt Informationen aus allen Mitgliedstaaten zu-sammen, um die Arbeit der EU-Rechnungshöfe auf die-sem schwierigen Prüfungsfeld zu erleichtern. Ziel ist es,eine gemeinsame Datenbank mit Arbeitshilfen und Hand-reichungen für Prüfungen mit vergaberechtlichem Inhaltzu entwickeln. Die Arbeitsgruppe Mehrwertsteuer be-schäftigt sich insbesondere mit dem bedeutenden Pro-blem des grenzüberschreitenden Mehrwertsteuerbetrugs.Sie überprüft die Methoden zur Schätzung der entstehen-den Einnahmenverluste und arbeitet darauf hin, durchvermehrte koordinierte Prüfungen die Verfahren zur Be-kämpfung des Mehrwertsteuerbetrugs zu verbessern.

Unabhängig von den Aktivitäten im Rahmen des Kon-taktausschusses arbeitet der Bundesrechnungshof auchbilateral mit anderen Rechnungshöfen der EU zusammen.Dazu zählen sowohl gemeinsame Prüfungen mit demERH (z. B. die zollamtliche Überwachung der Seehäfen)als auch Vorhaben, die mit anderen einzelstaatlichenRechnungshöfen durchgeführt werden (z. B. mit demObersten Kontrollamt der Tschechischen Republik koor-dinierte Prüfungen von Baumaßnahmen und der Zusam-menarbeit der Verwaltungsbehörden auf dem Gebiet derMehrwertsteuer).

9 Zusammenarbeit mit Prüfungs-einrichtungen im internationalen Bereich

Über die besondere Zusammenarbeit in der EU (vgl.Nr. 8) hinaus arbeitet der Bundesrechnungshof auf inter-nationaler Ebene mit zahlreichen Einrichtungen der Fi-nanzkontrolle und sonstigen Organisationen zusammen.

Einen Schwerpunkt dieser Arbeit bildet zurzeit die Mit-wirkung in der Europäischen Organisation der OberstenRechnungskontrollinstitutionen EUROSAI (EuropeanOrganisation of Supreme Audit Institutions), die 47 Mit-glieder hat. Hauptziel von EUROSAI ist es, die Zusam-menarbeit durch einen Gedanken- und Erfahrungsaus-tausch zu Fragen der staatlichen Finanzkontrolle zufördern. Der Präsident des Bundesrechnungshofes ist imMai 2005 zum Präsidenten der EUROSAI gewählt wor-den.

Drucksache 16/XXXX – 10 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Die Mitglieder von EUROSAI treffen sich in dreijährigemTurnus zu einem Kongress. Im Jahre 2005 hat der Bundes-rechnungshof den VI. EUROSAI-Kongress in Bonn aus-gerichtet. Thema der Kongressarbeit war die Kontrollestaatlicher Einnahmen durch die Rechnungshöfe. DerKongress hat dazu beigetragen, dass sich der Blick derFinanzkontrolle auch mehr auf die Einnahmenseite desHaushalts richtet, auf deren Bedeutung für einen ausge-glichenen Staatshaushalt der Bundesrechnungshof bereitsseit längerer Zeit hinweist. Als ein wesentliches Ergebnisdes Kongresses führen zahlreiche Rechnungshöfe inEuropa eine koordinierte Prüfung im Bereich der Steuer-subventionen durch. In diesem Bereich mangelt es bisheran aussagekräftigen Erfolgskontrollen. Die Rechnungs-höfe wollen mit der koordinierten Prüfung ihre Erkennt-nisse über Umfang und Wirkung der Vergünstigungenverbessern. Der Bundesrechnungshof hat bei dieser Prü-fung die Federführung übernommen.

Im internationalen Bereich unterstützt der Bundesrech-nungshof die Entwicklungszusammenarbeit der Bundes-regierung durch die Veranstaltung von Seminaren im In-land, die Entsendung von Fachreferenten in das Auslandsowie durch die Aufnahme von Praktikantinnen undPraktikanten aus ausländischen Kontrollbehörden. ImÜbrigen fördert er die externe Finanzkontrolle in Mittel-und Osteuropa im Rahmen bilateraler Zusammenarbeitund in Projekten der EU.

10 Mitwirken des Bundesrechnungshofes bei der Prüfung internationaler Einrichtungen

Die Bundesrepublik Deutschland ist Mitglied in vielen in-ter- und supranationalen Einrichtungen. Das jährliche Vo-lumen der regulären und freiwilligen BeitragsleistungenDeutschlands im internationalen Bereich (ohne die Zah-lungen an den EU-Haushalt) beträgt rund 3,7 Mrd. Euro.Die Prüfungsrechte des Bundesrechnungshofes als Organder nationalen Finanzkontrolle beziehen sich auf die Zah-lung der Mittel an die internationalen Organisationen undauf die Ausübung der Mitgliedsrechte des Bundes durchdie zuständigen Bundesministerien in den Gremien dieserOrganisationen. Dagegen unterliegt die Verwendung derMittel durch die internationalen Organisationen nicht derPrüfung durch die nationalen Rechnungshöfe, sondernder Kontrolle durch die jeweiligen externen Prüfungs-organe der Organisationen.

Der Bundesrechnungshof stellt in mehreren Fällen haupt-oder nebenamtliche Prüferinnen und Prüfer für die Prü-fungsorgane internationaler Einrichtungen. Er strebt an,dies insbesondere für die Prüfung solcher Organisationenzu erreichen, die für den Bundeshaushalt von finanziel-lem Gewicht sind. So amtiert der Vizepräsident desBundesrechnungshofes bis Mitte 2008 als externer Ab-schlussprüfer der Internationalen Atomenergie-Organisa-tion (IAEO).

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 11 – Drucksache 16/XXXX

Zusammenfassungen

Teil I

1 Feststellungen zur Haushalts- und Vermögensrechnung des Bundes für das Haushaltsjahr 2005

1.1 Stand der Entlastungsverfahren

Das Bundesministerium der Finanzen (Bundesministe-rium) hat mit Schreiben vom 31. März 2006 die Haus-halts- und Vermögensrechnung für das Haushaltsjahr2005 (Bundestagsdrucksache 16/1122) dem DeutschenBundestag und dem Bundesrat gemäß Artikel 114 Abs. 1Grundgesetz als Grundlagen für das parlamentarischeVerfahren zur Entlastung der Bundesregierung vorgelegt.

1.2 Prüfung der Jahresrechnung 2005

Mit Unterstützung seiner Prüfungsämter hat der Bundes-rechnungshof die Ordnungsmäßigkeit der Haushalts- undVermögensrechnung geprüft und zum kassenmäßigen Er-gebnis keine für die Entlastung wesentlichen Abweichun-gen zwischen den Beträgen festgestellt, die in diesenRechnungen und in den Büchern aufgeführt sind; dies giltauch für die Sondervermögen.

Die stichprobenweise geprüften Einnahmen und Ausga-ben waren im Allgemeinen ordnungsgemäß belegt. DerBundesrechnungshof hat jedoch formale Fehler festge-stellt (fehlerhafte oder fehlende Feststellungsvermerkeauf den begründenden Unterlagen, unvollständige Unter-lagen, fehlende oder nicht hinterlegte Unterschriften derAnordnungsbefugten). Die Beauftragten für den Haushaltder Ressorts sowie der nachgeordneten Dienststellen ha-ben sicherzustellen, dass die Vorschriften und Grundsätzefür die ordnungsgemäße Veranschlagung und Bewirt-schaftung der Haushaltsmittel beachtet werden (Nr. 1.2.1der Bemerkungen).

1.3 Haushaltsführung

Das Haushaltsgesetz 2005 sah Einnahmen und Ausgabendes Bundes für das Haushaltsjahr 2005 von 254,3 Mrd.Euro vor. Das Bundesministerium wurde zu einer Netto-kreditaufnahme von bis zu 22,0 Mrd. Euro ermächtigt.

Im Haushaltsvollzug blieben die Einnahmen (ohne Netto-kreditaufnahme und Münzeinnahmen) vor allem wegengeringerer Steuereinnahmen und aufgrund von Minder-einnahmen beim Bundesbankgewinn um 3,6 Mrd. Eurounter dem veranschlagten Soll (232,0 Mrd. Euro). DieAusgaben hingegen waren mit 259,8 Mrd. Euro insbeson-dere aufgrund höherer Ausgaben für den Arbeitsmarktum 5,5 Mrd. Euro höher als veranschlagt.

Das gegenüber dem Sollansatz von 22,3 Mrd. Euro um9,1 Mrd. Euro höhere Finanzierungsdefizit wurde durchdie Entsperrung eines Teils der gemäß § 2 Abs. 9 Haus-haltsgesetz 2005 qualifiziert gesperrten Kreditermächti-gung gedeckt (Nr. 1.3.1 der Bemerkungen).

Die Deutsche Bundesbank führte im Haushaltsjahr 2005den Bilanzgewinn des Geschäftsjahres 2004 in Höhe von676 Mio. Euro an den Bund ab. Dies war die zweit-niedrigste Gewinnablieferung der Deutschen Bundesbankin den vergangenen 17 Jahren (Nr. 1.3.2 der Bemerkungen).

Der Bundesrechnungshof hat zum Haushaltsvollzug ins-besondere Folgendes festgestellt:

1.4 Nettokreditaufnahme, Inanspruchnahme von Kreditermächtigungen

Das Haushaltsgesetz 2005 enthielt eine Kreditermächti-gung zur Deckung von Ausgaben in Höhe von 22,0 Mrd.Euro. Hinzu kam eine Restkreditermächtigung (§ 18Abs. 3 BHO) aus dem Vorjahr in Höhe von 19,0 Mrd.Euro. Damit ergab sich ein Gesamtkreditermächti-gungsrahmen von 41,0 Mrd. Euro, der in der Höhe von17,7 Mrd. Euro qualifiziert gesperrt war. Das Bundesmi-nisterium konnte somit Kreditermächtigungen in Höhevon 23,3 Mrd. Euro zur Aufnahme neuer Kredite ohneEinschaltung des Parlaments nutzen.

Der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages hatam 2. Dezember 2005 einer Entsperrung eines Teilbetra-ges in Höhe von 13,0 Mrd. Euro zugestimmt. Danachstanden dem Bundesministerium Ermächtigungen zurNettokreditaufnahme in Höhe von 36,3 Mrd. Euro zurVerfügung.

Insgesamt wurden diese Kreditermächtigungen in Höhevon 31,2 Mrd. Euro in Anspruch genommen. Die Netto-kreditaufnahme überschritt die Ausgaben für Investitio-nen von 22,9 Mrd. Euro um 8,3 Mrd. Euro und damit imHaushaltsvollzug die verfassungsrechtliche Regelkredit-grenze des Artikels 115 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz (vgl.Nr. 1.4.2 der Bemerkungen).

In der Finanzierungsrechnung sind die „Kredite vom Kre-ditmarkt“ zu gering ausgewiesen; vier Wertpapierpensions-geschäfte im Gesamtvolumen von 1 241 520 376,70 Eurosind im ausgewiesenen Betrag nicht enthalten. Diese Kre-diteinnahmen wurden versehentlich bei den Kassenver-stärkungskrediten gebucht. Die Fehlbuchungen führtenallerdings zu keinem wirtschaftlichen Schaden und wur-den durch entsprechende Korrekturbuchungen im Jahre2006 ausgeglichen (Nr. 1.4.4 der Bemerkungen).

Drucksache 16/XXXX – 12 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

1.5 Gesamtverschuldung

Die Bundesschuld lag am Ende des Haushaltsjahres 2005einschließlich der zum 1. Januar 2005 integrierten Schul-den des Fonds Deutsche Einheit bei 872,6 Mrd. Euro.Einschließlich der Finanzschulden der nicht in den Bundes-haushalt eingegliederten Sondervermögen von 15,4 Mrd.Euro, für die der Bund einzustehen hat, belief sich dieGesamtverschuldung zum Jahresende 2005 damit auf ins-gesamt 888,0 Mrd. Euro.

1.6 Haushaltsüberschreitungen

Im Haushaltsjahr 2005 wurden über- und außerplanmä-ßige Ausgaben in Höhe von 12,8 Mrd. Euro geleistet, derweit überwiegende Teil für Mehrausgaben im Einzel-plan 09 (Arbeitslosengeld II: 10,4 Mrd. Euro). Die über-und außerplanmäßigen Ausgaben im Bundeshaushaltwurden bis auf den Mehrbedarf beim Arbeitslosengeld IIin Höhe von 5,5 Mrd. Euro durch Minderausgaben an an-derer Stelle gedeckt (Nr. 1.6.1 der Bemerkungen).

Von den im Haushaltsjahr 2005 entstandenen Haushalts-überschreitungen wurden in 14 Fällen insgesamt 35 Mio.Euro ohne die notwendige Zustimmung des Bundesminis-teriums geleistet. In vier Fällen mit einem Gesamtbetragvon rund 144 000 Euro hat das Bundesministerium in derJahresrechnung ein Verwaltungsversehen (fehlerhafteAnwendung von Deckungs- oder Verstärkungsmöglich-keiten) als Ursache für die Leistung von Mehrausgabenohne Genehmigung angegeben. Angesichts des erneutenAnstiegs der Anzahl der über- und außerplanmäßigenAusgaben ohne Zustimmung des Bundesministeriumsgegenüber dem Vorjahr bleiben alle Ressorts dringendaufgefordert sicherzustellen, dass nicht genehmigteMehrausgaben vermieden werden (Nr. 1.6.2 der Bemer-kungen).

1.7 Verzicht auf Nachtragshaushalt

Das Bundesministerium verzichtete auf die Vorlage einesNachtragshaushalts. Es begründete dies damit, dass

● der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestagesordnungsgemäß in die Verfahren zur Entsperrung derKreditermächtigung und zur Leistung von über- undaußerplanmäßigen Ausgaben eingebunden war,

● ein Großteil der überplanmäßigen Ausgaben im Haus-haltsjahr 2005 zur Erfüllung von Rechtsverpflichtun-gen diente,

● aufgrund des vorzeitigen Endes der Wahlperiode undder damit verbundenen Gesetzesdiskontinuität einNachtragshaushalt auch nicht mehr vom alten Bundes-tag hätte beschlossen werden können.

Insoweit ist das Vorgehen der Bundesregierung haushalts-rechtlich nicht zu beanstanden. Allerdings ist es vor demHintergrund des parlamentarischen Budgetrechts nichtbefriedigend, dass die Bundesregierung ohne formalenBeschluss des Haushaltsgesetzgebers Mehrausgaben inMilliardenhöhe tätigte, die zudem zu einer erheblichenÜberschreitung der verfassungsrechtlichen Regelkredit-

obergrenze des Artikels 115 Abs. 1 Grundgesetz führten(Nr. 1.7 der Bemerkungen).

1.8 Globale Minderausgaben

Die im Haushaltsplan enthaltenen globalen Minderausga-ben in Höhe von insgesamt 2,4 Mrd. Euro wurden erwirt-schaftet.

1.9 Ausgabereste

Von den am Ende des Haushaltsjahres 2004 übertragba-ren Mitteln in Höhe von 15,0 Mrd. Euro wurden für dasHaushaltsjahr 2005 Ausgabereste in Höhe von 11,3 Mrd.Euro gebildet; dies waren 0,6 Mrd. Euro weniger als imVorjahr. Zum Ende des Haushaltsjahres 2005 weist dieHaushaltsrechnung in das Folgejahr übertragbare Mittelin Höhe von 12,3 Mrd. Euro aus.

Die Ausgabereste belasten den Haushalt des folgendenJahres in dem Ausmaß, in dem sie in Anspruch genom-men werden. Außerhalb der flexibilisierten Ausgabensetzt die Inanspruchnahme allerdings grundsätzlich eineEinsparung an anderer Stelle im Haushalt voraus, sodasssich die Gesamtausgaben des Folgejahres insoweit nichterhöhen. Dennoch geben die hohen Ausgabereste Veran-lassung, bei der Veranschlagung besonderes Augenmerkauf die aus den Vorjahren übertragenen Ausgabeermäch-tigungen zu richten.

Der Bundesrechnungshof hatte daher das Bundesministe-rium im Vorjahr gebeten, den Berichterstattern nebenÜbersichten zu den wesentlichen Ausgaberesten aus fle-xibilisierten Ausgaben auch Übersichten der Ausgabe-reste aus dem nicht flexibilisierten Bereich vorzulegen,um zu einer bedarfsgerechten Veranschlagung beizutra-gen. Inwieweit der Rückgang der Ausgabereste bereitsauf diese Maßnahmen zurückzuführen ist, lässt sich nochnicht endgültig beurteilen (Nr. 1.9.1 der Bemerkungen).

Die in das Folgejahr übertragbaren Mittel aus flexibili-sierten Ausgaben lagen mit 1,5 Mrd. Euro im Jahre 2005um rund 75 Mio. Euro höher als im Vorjahr. Damit sinddiese Ausgabereste bereits zum dritten Mal in Folge wie-der angestiegen. Zur Bildung von Ausgaberesten mussein sachliches Bedürfnis vorliegen. Für das Haushaltsjahr2005 ist diese Bedarfsprüfung noch nicht abgeschlossen.Die Bedarfsprüfung für die übertragbaren Mittel aus fle-xibilisierten Ausgaben des Jahres 2004 hat dazu geführt,dass Ausgabereste von 120 Mio. Euro (8,4 %) in Abganggestellt wurden (Nr. 1.9.3 der Bemerkungen).

1.10 Verpflichtungsermächtigungen

Die Bundesbehörden haben die in Höhe von 50,1 Mrd.Euro veranschlagten Verpflichtungsermächtigungen zurund 49 % (24,3 Mrd. Euro) in Anspruch genommen. DerAnteil der tatsächlich in Anspruch genommenen Ver-pflichtungsermächtigungen ist damit gegenüber dem Vor-jahr (rund 48 %) leicht angestiegen. Um eine dauerhafterealitätsnahe Veranschlagung zu erreichen, bleiben dieRessorts aufgefordert, die Etatreife von Verpflichtungser-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 13 – Drucksache 16/XXXX

mächtigungen sorgfältig zu prüfen (Nr. 1.10.1.1 der Be-merkungen).

Insgesamt bestanden für den Bund zum 31. Dezember2005 Verpflichtungen zur Leistung von Ausgaben inkünftigen Haushaltsjahren in Höhe von 102,0 Mrd. Euro.Damit sind erhebliche Vorbelastungen für die Haushalteder nächsten Jahre verbunden (Nr. 1.10.2 der Bemerkun-gen).

1.11 Vermögensrechnung

Die Vermögensrechnung weist zum 31. Dezember 2005einen Vermögensbestand in Höhe von 126,3 Mrd. Euroaus. In dieser Summe sind jedoch lediglich die Immobi-lien des von der Bundesanstalt für Immobilienaufgabenübernommenen Grundvermögens enthalten. Für die ande-ren Immobilien fehlt ein monetärer Ausweis in der Ver-mögensrechnung, die Grundstücke werden nur ihrerGröße entsprechend in Hektar erfasst. Auf einen Nach-weis der beweglichen Sachen wird ganz verzichtet(Nr. 1.11.1 der Bemerkungen).

Der Bund hat 16 Sondervermögen, die unmittelbar vonihm oder von Stellen außerhalb der Bundesverwaltungverwaltet werden. Zum 1. Januar 2005 wurden die Schul-den des Fonds Deutsche Einheit in die Bundesschuld inte-griert, sodass der Zuschuss an diesen Fonds ebenso wiedie Erstattungen der Länder entfallen (Nr. 1.11.2 der Be-merkungen).

1.12 Modernisierung des Haushalts- und Rechnungswesens

Die mit dem Haushaltsrechts-Fortentwicklungsgesetzverfolgten Modernisierungsziele konnten bisher nur be-dingt erreicht werden. Zwar vergrößerte sich die Flexibi-lität bei der Haushaltsbewirtschaftung durch erweiterteMöglichkeiten zur Deckungsfähigkeit und Übertragbar-keit, insgesamt herrscht jedoch weiter eine am Input undam Geldverbrauch ausgerichtete Denk- und Verfahrens-weise vor, die betriebswirtschaftliche Daten und Ansätzezu wenig berücksichtigt. Kostentransparenz und Steue-rung konnten noch nicht durchgreifend verbessert wer-den. Obwohl wichtige Grundlagen für die Modernisie-rung gelegt und Impulse gegeben wurden, sind daherweitere Anstrengungen erforderlich, um betriebswirt-schaftliches Denken im Planen und Handeln der Verwal-tung stärker zu verankern.

Mit einem Bericht nach § 99 Bundeshaushaltsordnungvom 17. August 2006 hat sich der Bundesrechnungshofmit der weitergehenden Modernisierung des staatlichenHaushalts- und Rechnungswesens befasst. Aus Sicht desBundesrechnungshofes sollten Ansätze zur Modernisie-rung und Neuausrichtung des Haushalts- und Rechnungs-wesens des Bundes bis hin zur Einführung der doppeltenBuchführung geprüft werden, um einen umfassendenReformprozess möglichst zügig in Gang zu setzen. Dieserfordert eine grundlegende Analyse unter Berücksich-tigung der Besonderheiten des Bundeshaushalts (Nr. 1.13der Bemerkungen).

2 Finanzwirtschaftliche Entwicklung des Bundes – Stabilisierung der Einnahmen bei fortbestehenden strukturellen Belastungen auf der Ausgabenseite

2.1 Gesamtentwicklung

Die Lage der Bundesfinanzen hat sich gegenüber demVorjahr leicht verbessert. Nicht zuletzt dank deutlich hö-herer Steuereinnahmen soll die im Haushaltsentwurf2007 geplante Nettokreditaufnahme erstmals seit demJahre 2002 unterhalb der verfassungsrechtlichen Regel-kreditgrenze liegen. Nach dem Finanzplan bis 2010 blei-ben Finanzierungsdefizit und Nettokreditaufnahme knappunter der Summe der investiven Ausgaben (Nr. 2.1 derBemerkungen).

2.2 Ausgabenentwicklung und -struktur

Auf der Ausgabenseite stellen vor allem die Sozialausga-ben und die Zinsausgaben erhebliche Belastungsfaktorendar. Sie beanspruchen fast zwei Drittel des Haushaltsvo-lumens. Insgesamt weist der Bundeshaushalt weiterhineine strukturell bedingte Schieflage auf, weil die konsum-tiven Ausgaben die Ausgaben für Investitionen und fürsonstige zukunftsrelevante Bereiche weit übertreffen. DerAnteil der für Investitionen verwendeten Haushaltsmittelbeträgt nur rund 9 % der Gesamtausgaben. Mehr als dieHälfte des veranschlagten Haushaltsvolumens entfällt al-lein auf die Sozialausgaben. Dieser hohe Anteil beruhtauch auf der zunehmenden Finanzierung der sozialen Si-cherungssysteme aus dem Bundeshaushalt, um die Lohn-nebenkosten zu senken. Unter Einbeziehung der sich imHaushaltsjahr 2006 abzeichnenden Mehrausgaben für dasArbeitslosengeld II dürften rechnerisch rund 90 % derSteuereinnahmen durch Sozial- und Zinsausgaben gebun-den sein. Nach dem Haushaltsentwurf 2007 wird sichdiese Quote verbessern, da einerseits innerhalb derSozialausgaben vor allem die Arbeitsmarktausgaben zu-rückgehen sollen und andererseits erheblich höhere Steuer-einnahmen veranschlagt sind (Nr. 2.2.1 der Bemerkungen).

Innerhalb der Sozialausgaben bilden die in der zweitenHälfte der 90er-Jahre überproportional gestiegenen Leis-tungen des Bundes an die Rentenversicherung den größ-ten Ausgabenblock. Ungeachtet verschiedener Maßnah-men zur Stabilisierung der Rentenfinanzen bleibt derBundeshaushalt auf absehbare Zeit in struktureller Ab-hängigkeit von den Rentenfinanzen, denn etwa 30 % derGesamtausgaben entfallen auf den Rentenbereich. Ver-schärft wird die Problematik durch die Belastungen desBundes aus den übrigen Altersicherungssystemen (Bun-desverwaltung, ehemalige Sondervermögen Bahn undPost, Landwirtschaft). Im Haushaltsjahr 2006 betragendie Ausgaben für die Alterssicherung insgesamt rund93 Mrd. Euro und beanspruchen damit fast die Hälfte derSteuereinnahmen des Bundes. Sie wären noch höher,wenn der Bund sich in den Haushaltsjahren 2005 und2006 sowie teilweise 2007 von seinen Zahlungsverpflich-tungen im Bereich der Postpensionen nicht zulasten künf-tiger Bundeshaushalte befreit hätte (Nr. 2.2.2 der Bemer-kungen).

Drucksache 16/XXXX – 14 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Die Arbeitsmarktausgaben im Bundeshaushalt sind insbe-sondere im Zusammenhang mit den durchgeführten Ar-beitsmarktreformen erheblich angestiegen, während derHaushalt der Bundesagentur für Arbeit zuletzt Überschüsseauswies. Der Bundeshaushalt trägt die finanzielle Haupt-last der Zusammenführung der bisherigen Arbeitslosen-hilfe und der Sozialhilfe zu einer staatlichen Fürsorgeleis-tung. Selbst unter Berücksichtigung der anstehendenKonsolidierungsmaßnahmen liegen die im Haushaltsent-wurf 2007 veranschlagten Ausgaben für den Arbeits-markt immer noch über dem Haushaltsergebnis 2004. Esbleibt abzuwarten, ob der Systemwechsel im Bereich derArbeitsmarktförderung zumindest mittelfristig auch zuEntlastungen im Bundeshaushalt führen wird (Nr. 2.2.3der Bemerkungen).

Die Zinsausgaben bilden als Folge des fortwährendenSchuldenaufbaus den zweitgrößten Ausgabenblock imBundeshaushalt. Aufgrund der hohen jährlichen Neukre-dite und des tendenziell wieder anziehenden Zinsniveausist für die kommenden Haushaltsjahre mit einem Anstiegder Zinslast zu rechnen. In wenigen Jahren dürften dieZinsausgaben im Bundeshaushalt doppelt so hoch seinwie die Summe der investiven Ausgaben. Einen Auswegaus dieser Verschuldungsfalle zu finden, wird zunehmendschwieriger (Nr. 2.2.4 der Bemerkungen).

2.3 Einnahmenentwicklung und -struktur

Die Steuereinnahmen als wichtigste Einnahmequelle desBundes werden nicht zuletzt aufgrund der verabschiede-ten Steuererhöhungen (insbesondere Anhebung des allge-meinen Umsatzsteuersatzes von 16 % auf 19 %) im Haus-haltsjahr 2007 um über 20 Mrd. Euro ansteigen. In denFinanzplanansätzen hat die Bundesregierung über den Er-gebnissen der Steuerschätzung vom Mai 2006 liegendeAnsätze aufgenommen, weil sie mit einer günstigerenEntwicklung der Steuereinnahmen rechnet. Ungeachtetdes derzeitigen Steuerzuwachses sollte der Grundsatz dervorsichtigen Veranschlagung bei der Planung der Steuer-einnahmen Beachtung finden; denn die Erfahrungen derletzten Jahre zeigen, dass eine positive Steuereinnahmen-entwicklung schnell ins Gegenteil umschlagen kann(Nr. 2.3.1 der Bemerkungen).

Seit Mitte der 90er-Jahre wird das Steueraufkommen desBundes zu einem nicht unwesentlichen Teil durch eineReihe von Steuerabzügen gemindert, da der Bund vorallem im Rahmen der Regelungen zum Familienleis-tungsausgleich (Kindergeld), zur Regionalisierung desöffentlichen Personennahverkehrs sowie zum vertikalenFinanzausgleich (Bundesergänzungszuweisungen) den an-deren Gebietskörperschaften zusätzliche Steueranteile zu-gestanden hat. Nicht zuletzt dadurch haben sich die Steu-ereinnahmen des Bundes ungünstiger entwickelt als dasGesamtsteueraufkommen (Nr. 2.3.2 der Bemerkungen).

Im vertikalen Finanzausgleich leistet der Bund erheblichesteuerliche Zuweisungen als Aufbauhilfen an die neuenLänder und das Land Berlin. Diese degressiv ausgestalte-ten Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen solleninsbesondere den bestehenden infrastrukturellen Nach-

holbedarf decken und die unterproportionale kommunaleFinanzkraft ausgleichen. Aus den von den Empfängerlän-dern vorgelegten so genannten Fortschrittsberichten er-gibt sich, dass die Länder die Mittelzuweisungen bislangüberwiegend nicht oder nur teilweise bestimmungsgemäßeinsetzen. Ungeachtet der schwierigen finanzwirtschaftli-chen Rahmenbedingungen sind die neuen Länder undBerlin gehalten, in den kommenden Haushaltsjahren diewachstums- und investitionsfördernde Verwendung derBundeszuweisungen zu gewährleisten (Nr. 2.3.4 der Be-merkungen).

Neben den Steuereinnahmen werden vor allem Einnah-men aus Vermögensverwertungen zur Haushaltsfinanzie-rung eingesetzt, um die Aufnahme neuer Schulden zu-mindest zu begrenzen. Erlöse aus den Verwertungen vonKapital- und Beteiligungsvermögen sind auch im Finanz-planungszeitraum vorgesehen, allerdings mit fallenderTendenz. Der Einsatz dieser Einnahmen zur Haushalts-finanzierung erscheint finanzwirtschaftlich bedenklich,denn derartige Einmalmaßnahmen, die das Bundesver-mögen mindern oder Belastungen für künftige Haushalteschaffen, erwecken nur den Anschein einer Haushaltssta-bilisierung und können notwendige Konsolidierungs-schritte hinauszögern. Finanzwirtschaftlich richtig wärees, Privatisierungserlöse für die Schuldentilgung zu ver-wenden. Die daraus folgenden Zinsersparnisse könnteneinen nachhaltigen Beitrag zur Haushaltskonsolidierungleisten (Nr. 2.3.5 der Bemerkungen).

2.4 Entwicklung der Nettoneuverschuldung

In den Bundeshaushalten der Jahre 2002 bis 2006 ist dieverfassungsrechtliche Regelkreditobergrenze (Gesamt-volumen der jährlichen Investitionsausgaben) jeweils inerheblichem Umfang überschritten worden. Im Bundes-haushalt 2006 wurde zur Rechtfertigung erneut auf dieAusnahmebestimmung des Artikels 115 Abs. 1 Satz 2Grundgesetz zurückgegriffen und die Störung des ge-samtwirtschaftlichen Gleichgewichts erklärt. Aufgrundder veranschlagten Nettokreditaufnahme und der enthal-tenen Maßnahmen mit Einmaleffekt (Vermögensverwer-tungen, Kapitalisierung der Postpensionsverpflichtungen)weist der Bundeshaushalt 2006 eine strukturelle Unterde-ckung in einer Größenordnung von rund 50 Mrd. Euroauf. Die fortwährende Überschreitung der Regelkredit-obergrenze ist nach Meinung des Bundesrechnungshofesein Beleg dafür, dass die verfassungsrechtliche Regelungdes Artikels 115 Grundgesetz sich als weitgehend wir-kungslos erwiesen hat, auch weil bei der Ermittlung derInvestitionsausgaben als Kreditobergrenze Desinvestitio-nen (z. B. durch Vermögensverwertungen) nicht berück-sichtigt werden. Das Bundesministerium hält die geltendeStaatspraxis zur Auslegung des Investitionsbegriffs fürverfassungsgemäß. Es wird seine Auffassung aber unterEinbeziehung des Ergebnisses in dem noch anhängigenverfassungsgerichtlichen Verfahren gegen das Haushalts-gesetz 2004 überprüfen. Damit wird auch einem entspre-chenden Ersuchen des Rechnungsprüfungsausschussesdes Haushaltsausschusses des Deutschen BundestagesRechnung getragen (Nr. 2.4.1 der Bemerkungen).

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 15 – Drucksache 16/XXXX

Im Bundeshaushalt 2007 soll die verfassungsrechtlicheRegelkreditobergrenze durch Einsparungen, Steuererhö-hungen sowie weitere Maßnahmen mit Einmaleffekt erst-mals wieder eingehalten werden. Durch ein umfangrei-ches Bündel von Konsolidierungsmaßnahmen auf derAusgaben- und Einnahmenseite beabsichtigt die Bundes-regierung zudem, den Bundeshaushalt auf mittelfristigeSicht strukturell nachhaltig zu verbessern. Nach demFinanzplan bis 2010 wird die Nettokreditaufnahme zwarnur in kleinen Schritten zurückgehen. Wenn es aber wievorgesehen gelingt, die zur Haushaltsfinanzierung einge-setzten Maßnahmen mit Einmaleffekt zurückzuführen,könnte die strukturelle Deckungslücke abgebaut werden.Nach Einschätzung des Bundesrechnungshofes sind aller-dings nicht alle Haushaltsrisiken in der Finanzplanungberücksichtigt. Dazu gehören insbesondere möglicheMehrbelastungen im Sozialbereich sowie Planungsrisikenwie die tendenziell optimistische Planung der Steuerein-nahmen (Nr. 2.4.2 der Bemerkungen). Ungeachtet der an-zuerkennenden Konsolidierungsansätze wird es noch er-heblicher zusätzlicher Anstrengungen bedürfen, um dieseit Jahren zu beobachtende Verschlechterung der Haus-haltsstruktur insbesondere auf der Ausgabenseite zu kor-rigieren und die teilweise verloren gegangene finanzwirt-schaftliche Handlungsfähigkeit des Bundes wieder zuerlangen (Nr. 2.4.3 der Bemerkungen).

2.5 Entwicklung der Verschuldung und des Schuldendienstes

Die Gesamtverschuldung des Bundes betrug zum Jahres-ende 2005 rund 888 Mrd. Euro und wird zum Jahresende2006 voraussichtlich im Bereich von rund 930 Mrd. Euroliegen. Sie wird sich damit gegenüber dem Schuldenstandzu Beginn der 90er-Jahre um mehr als das Dreieinhalbfa-che erhöht haben. Auch in den folgenden Jahren wird dieGesamtverschuldung aufgrund der hohen Nettokredit-aufnahmen weiter ansteigen und im Jahre 2010 voraus-sichtlich erstmals die Grenze von 1 Billion Euro über-schreiten. Aufgrund des hohen Schuldenstands fällt diejährliche Aufnahme von neuen Krediten zur Finanzierungder Tilgung fällig werdender Kredite (Anschlussfinanzie-rung) immer höher aus. Derzeit bewegt sie sich in einerGrößenordnung von 200 Mrd. Euro. Der Bundeshaushaltist damit nicht unerheblichen Zinsänderungsrisiken aus-gesetzt (Nr. 2.5 der Bemerkungen).

2.6 Haushalts- und Verschuldungslage des Bundes im Vergleich zu Ländern und Gemeinden

Nicht nur der Bundeshaushalt, sondern auch die Haus-halte von Ländern und Gemeinden befinden sich über-wiegend in einer angespannten Finanzlage. Die Schul-denlast aller öffentlichen Haushalte hat sich im Zeitraumvon 1980 bis 2005 versechsfacht; sie dürfte zum Jahres-ende 2006 die 1,5-Billionen-Euro-Grenze übersteigen.Der Anteil des Bundes an der Staatsverschuldung ist da-bei gestiegen (Nr. 2.6.1 der Bemerkungen).

Der Bund weist im Vergleich zum Durchschnitt der ande-ren Gebietskörperschaften nach wie vor schlechtere

Finanzkennzahlen auf. Seit Jahren finanziert er einen hö-heren Anteil seiner Ausgaben durch Kredite als derDurchschnitt der Länder. Trotz dieser ungünstigeren De-ckungsquote hat der Bund bislang gegenüber den Län-dern eine Neufestsetzung der Umsatzsteueranteile zuseinen Gunsten – etwa im Zusammenhang mit den Ar-beitsmarktreformen – nicht erreichen können. Auch beieinem Vergleich der Zinsausgaben zeigt sich, dass derBundeshaushalt merklich höher belastet ist als die Län-derhaushalte. Der Anteil der für die Zinslast benötigtenSteuereinnahmen ist beim Bund fast doppelt so hoch wiebeim Durchschnitt der Länder (Nr. 2.6.2 der Bemerkun-gen).

2.7 Haushaltsdisziplin im Rahmen der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion

Die Mitgliedstaaten der Europäischen Währungsunionhaben sich im EG-Vertrag und im Rahmen des Europäi-schen Stabilitäts- und Wachstumspaktes zur Einhaltungeiner strikten Haushaltsdisziplin verpflichtet. Deutsch-land hat die Schuldenstandsgrenze von 60 % sowie dieGrenze für das öffentliche Defizit von 3 % seit dem Jahre2002 jeweils überschritten. Der Schuldenstand wird zumJahresende 2006 voraussichtlich auf 69 % steigen. Dasgesamtstaatliche Defizit dürfte bereits im Jahre 2006 auf-grund der günstigen konjunkturellen Entwicklung erst-mals seit dem Jahre 2001 wieder unter der 3-%-Markeliegen (Nr. 2.7.1 der Bemerkungen). Auch mit Blick aufdie finanzwirtschaftlichen Verpflichtungen Deutschlandsaus dem Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktbleibt die nachhaltige Konsolidierung der öffentlichenFinanzen eine zentrale Aufgabe für den Bund und die an-deren Gebietskörperschaften.

Seit dem Jahre 2002 regelt das Haushaltsgrundsätzege-setz die Grundzüge eines Verfahrens zur Umsetzung dereuropäischen Stabilitätsvorgaben. Zusätzlich wurde imRahmen der Föderalismusreform I ein Nationaler Stabili-tätspakt verfassungsrechtlich verankert. Danach ist diegemeinsame Verpflichtung von Bund und Ländern zurWahrung der Haushaltsdisziplin nunmehr ausdrücklichim Grundgesetz normiert. Außerdem ist festgelegt, dassmögliche Sanktionszahlungen an die Europäische Unionim Verhältnis 65 % zu 35 % auf Bund und Länder aufzu-teilen sind. Allerdings sind die bisherigen Regelungen re-lativ unverbindlich gehalten. Das Regelwerk sollte daherergänzt werden durch ein formales Verfahren, mit demHaushaltskrisen frühzeitig erkannt werden können unddas verbindliche Vorgaben zur Einhaltung bzw. Wieder-erlangung stabilitätskonformer Haushalte ermöglicht(Nr. 2.7.2 der Bemerkungen).

3 Schwachstellen bei Hartz IV beseitigen und Vollzug verbessern

Der Bundesrechnungshof hat bei der Grundsicherung fürArbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetz-buch (Hartz IV-Gesetz) erhebliche Mängel festgestellt.Sie betrafen insbesondere den Bezug von Leistungen, die

Drucksache 16/XXXX – 16 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Betreuung der Arbeitsuchenden, die so genannten Ein-Euro-Jobs sowie die Verwaltungsorganisation und dieSteuerung der Aufgabenerledigung. Der Gesetzgeber hatmit dem Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherungfür Arbeitsuchende das SGB II in zahlreichen Punktennachgebessert. Aus Sicht des Bundesrechnungshofes sindjedoch weitere Regelungen notwendig, um die Leistun-gen der Grundsicherung wirksam und wirtschaftlich zuerbringen.

Zum 1. Januar 2005 wurden die Arbeitslosenhilfe und So-zialhilfe für erwerbsfähige Personen zu einer staatlichenFürsorgeleistung – der Grundsicherung für Arbeitsuchendemit dem Arbeitslosengeld II – zusammengefasst. Nachden Grundsätzen des „Forderns“ und des „Förderns“müssen die erwerbsfähigen Hilfebedürftigen aktiv an ih-rer Eingliederung in Arbeit mitwirken. Die Träger derGrundsicherungsleistungen haben sie dabei unter Beach-tung der Grundsätze von Wirtschaftlichkeit und Sparsam-keit umfassend zu unterstützen. Ein wesentliches Förder-instrument für Hilfesuchende, die nicht unmittelbar inden allgemeinen Arbeitsmarkt eingegliedert werden kön-nen, sind die Ein-Euro-Jobs. Dafür wendete der Bund imJahre 2005 zusätzlich zu den Arbeitslosengeld II-Leistun-gen rund 1,1 Mrd. Euro auf.

Träger der Grundsicherung sind die Bundesagentur fürArbeit (Bundesagentur) und die kreisfreien Städte undKreise (Kommunen). Die Bundesagentur ist dabei verant-wortlich für die Leistungen zur Eingliederung in Arbeitund das Arbeitslosengeld II. Die Kommunen sind verant-wortlich für die Leistungen für Unterkunft und Heizung,einmalige Bedarfe für den Lebensunterhalt sowie dieflankierenden Eingliederungsleistungen. Um alle genann-ten Leistungen aus einer Hand erbringen zu können, ha-ben sich Kommunen und Arbeitsagenturen zu 350 so ge-nannten Arbeitsgemeinschaften zusammengeschlossen.Daneben wurde 69 Kommunen gestattet, für einen Zeit-raum von sechs Jahren alle Aufgaben der Grundsiche-rungsstelle und des Trägers der Leistungen zu übernehmen(zugelassene kommunale Träger). Die Bundesagentur un-terliegt im Bereich der Grundsicherung der Rechts- undFachaufsicht des Bundesministeriums für Arbeit und So-ziales (Bundesministerium). Die Aufsicht über die Ar-beitsgemeinschaften führt die zuständige oberste Landes-behörde im Benehmen mit dem Bundesministerium. DieAufsicht über die zugelassenen kommunalen Träger ob-liegt den zuständigen Landesbehörden. Der Bund wen-dete im Jahre 2005 rund 35 Mrd. Euro für die Grund-sicherung von rund sieben Millionen Leistungsbeziehernauf.

Der Bundesrechnungshof führte im Jahre 2005 und imersten Quartal 2006 eine Vielzahl von Prüfungen im Be-reich der Grundsicherung durch. Er stellte insbesonderefolgende Mängel fest:

● Der Grundsatz des „Förderns“ wurde nicht ausreichendumgesetzt, da Arbeitsgemeinschaften und zugelassenekommunale Träger (sog. Grundsicherungsstellen) nichtalle Möglichkeiten ausschöpften, um erwerbsfähigeHilfebedürftige in Arbeit zu integrieren oder sie die-sem Ziel durch Integrationsfortschritte näher zu brin-gen. Im Durchschnitt warteten die Arbeitsuchenden

drei Monate auf ein qualifiziertes Erstgespräch, indem die beruflichen Stärken und Schwächen heraus-gearbeitet werden sollen. Eingliederungsvereinbarun-gen, zu deren Abschluss Grundsicherungsstellen undHilfebedürftige verpflichtet sind, wurden durch-schnittlich erst nach vier Monaten und in etwa derHälfte der geprüften Fälle überhaupt nicht getroffen.Häufig unterließen es Grundsicherungsstellen, Ver-mittlungsvorschläge zu unterbreiten und den Ergeb-nissen von Bewerbungen nachzugehen. Dies galt auchfür Arbeitsuchende unter 25 Jahre, obwohl die Be-kämpfung der Jugendarbeitslosigkeit ein besonderesZiel der Grundsicherungsstellen sein sollte.

● Bei einem Viertel der geprüften Maßnahmen mit Ein-Euro-Jobs lagen die Fördervoraussetzungen nicht vor,weil die zu erledigenden Tätigkeiten nicht im öffentli-chen Interesse, nicht zusätzlich oder nicht wettbe-werbsneutral waren. Bei weiteren 50 % der geförder-ten Maßnahmen war die Förderfähigkeit zweifelhaft,weil die Grundsicherungsstellen keine Kenntnis überArt und Umfang der auszuübenden Tätigkeiten undQualifizierungen hatten.

● Anders als beim Arbeitslosengeld I sind Eigenbe-mühungen und die Bereitschaft, eine zumutbare Be-schäftigung oder Eingliederungsmaßnahme anzuneh-men, nicht zwingende Voraussetzung für den Bezugvon Leistungen. Sie müssen erst gesondert vereinbartwerden. Der Grundsatz des „Forderns“ ist damit imGesetz nicht ausreichend verankert.

● Die Schwachstellen bei der Leistungsgewährung be-ruhten nicht allein auf Vollzugsdefiziten, sondern auchauf strukturellen Mängeln und unklaren Befugnissender beteiligten Akteure. So war nicht ausreichend ge-klärt, welche Befugnisse die Bundesagentur für Arbeitund die Arbeitsgemeinschaften hatten. Auch die unzu-reichende Aufsicht und Steuerung durch das Bundes-ministerium trug zu den Verwaltungsdefiziten bei. Sogelang es dem Bundesministerium im Jahre 2006nicht, – wie vom Gesetz vorgesehen – mit der Bun-desagentur für Arbeit Maßstäbe für die Aufgabenqua-lität in einer Zielvereinbarung zu definieren.

Das Bundesministerium hat zu den Prüfungsfeststellun-gen Stellung genommen und die Mängel im Wesentlichenmit Anlaufschwierigkeiten begründet. Im Dezember 2005seien deswegen zwischen allen Beteiligten Mindeststan-dards für die Tätigkeit der Arbeitsgemeinschaften verein-bart worden. Hinsichtlich der Ein-Euro-Jobs reiche dievorhandene empfehlende Arbeitshilfe aus. Das Bundes-ministerium wolle allerdings darauf „hinwirken“, dassdiese in Zukunft stärker beachtet und die gesetzlichen Re-geln eingehalten würden. Es sei nach seiner Ansicht nichtnotwendig, im Gesetz für den Bezug von Leistungen zuverlangen, dass Arbeitslosengeld II-Empfänger arbeits-und eingliederungsbereit sein müssten. Diese Leistung seinämlich „als letztes soziales Netz“ z. B. auch für Perso-nen gedacht, denen wegen der Pflege von Angehörigenkeine Aufnahme von Arbeit zugemutet werden könne.Die Befugnisse in den Arbeitsgemeinschaften seien imÜbrigen zwischenzeitlich durch eine Rahmenvereinba-rung geklärt, nach der die Kommunen die Führung der

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Arbeitsgemeinschaften übernehmen könnten. Für 2007sei auch der Abschluss einer Zielvereinbarung vorgese-hen. Für die zugelassenen kommunalen Träger seienkeine einheitlichen Arbeitsmaßstäbe notwendig, da derGesetzgeber sich bewusst für eine „organisatorische Viel-falt“ entschieden habe.

Der Bundesrechnungshof hat im Mai 2006 dem Parla-ment über die Mängel bei der Grundsicherung berichtetund Verbesserungsvorschläge gemacht. Der Gesetzgeberhat erste Optimierungsmaßnahmen eingeleitet und dabeiauch Anregungen des Bundesrechnungshofes aufgegrif-fen. Der Bundesrechnungshof hat im Verlauf des Jahres2006 weitere Prüfungen durchgeführt. Aufgrund seinerPrüfungserkenntnisse hält er ergänzende gesetzliche Än-derungen und eine Vollzugsoptimierung im Bereich derGrundsicherung für unverzichtbar. Er empfiehlt folgendeSchritte:

● Die Grundsicherungsstellen müssen die Eingliederungin den Arbeitsmarkt verbessern. Das Instrument derEingliederungsvereinbarung sollte entsprechend demWillen des Gesetzgebers zügig und zielgerichtet ge-nutzt werden, um die erwerbsfähigen Hilfebedürftigenin den Arbeitsmarkt zu integrieren oder zumindest In-tegrationsfortschritte zu erzielen.

● Im Bereich „Ein-Euro-Jobs“ sind verbindliche Durch-führungsregeln erforderlich, um zu verhindern, dassmit diesen Maßnahmen Pflichtaufgaben der örtlichenöffentlichen Verwaltung bzw. Aufgaben privater Ein-richtungen auf Kosten des Bundeshaushalts durchge-führt werden oder reguläre Arbeitsplätze durch Ein-griffe in den Wettbewerb verdrängt werden.

● Das Gesetz sollte für diejenigen Arbeitslosengeld II-Empfänger ergänzt werden, denen Arbeit zumutbarist: Ebenso wie beim Arbeitslosengeld I sollten auchGrundsicherungsleistungen für diese Gruppe voraus-setzen, dass Arbeits- und Eingliederungsbereitschaftsowie Eigenbemühungen bestehen.

● Der Bund trägt die Aufwendungen der wesentlichenLeistungen der Grundsicherung einschließlich derVerwaltungskosten. Er muss sicherstellen können,dass die Haushaltsmittel bundesweit rechtmäßig undwirtschaftlich eingesetzt werden. Dazu sollte durcheine Gesetzesänderung klargestellt werden, dass dieBundesagentur für Arbeit für ihren Zuständigkeitsbe-reich den Arbeitsgemeinschaften verbindliche Wei-sungen erteilen kann.

● Im Gesetz sollte eine Ermächtigung für den Erlass all-gemeiner Verwaltungsvorschriften für Grundsiche-rungsleistungen geschaffen werden, um einheitlicheVollzugsmaßstäbe vorgeben zu können. Solange einesolche Ermächtigung fehlt, sollte das Bundesministe-rium mit den Ländern einheitliche Arbeitsmaßstäbefür zugelassene kommunale Träger vereinbaren. DieseMaßstäbe sind notwendig, um zu gegebener Zeit beur-teilen zu können, ob das Organisationsmodell „Ar-beitsgemeinschaft“ oder das Organisationsmodell„Zugelassener kommunaler Träger“ die Grundsiche-rungsleistungen wirksam und wirtschaftlich erbringt.

● Im Jahre 2007 muss das Bundesministerium mit derBundesagentur für Arbeit frühzeitig Ziele vereinbaren,die die Qualität der Aufgabenerledigung umfassendabbilden. Dazu ist es notwendig, geeignete und mess-bare Zielindikatoren zu definieren, mit denen der Er-folg der Arbeit objektiv beurteilt werden kann. So-lange eine wirksame Steuerung über bindende Zielenicht funktioniert, sollte das Bundesministerium mitverstärkten aufsichtsrechtlichen Maßnahmen sicher-stellen, dass die Arbeitsgemeinschaften rechtmäßigund wirtschaftlich arbeiten.

Der Bundesrechnungshof wird die Fortentwicklung derGrundsicherung für Arbeitsuchende weiter durch Prüfun-gen begleiten. Insbesondere wird er untersuchen, welchenErfolg Verbesserungsmaßnahmen innerhalb des Systemshaben und ggf. weitere Vorschläge zur Reform derGrundsicherung unterbreiten.

Teil II

Feststellungen zur Haushalts- und Wirtschaftsführung

Bundesministerium des Innern

4 Unterbringung des Bundes-ministeriums des Innern

Das Bundesministerium des Innern (Bundesministerium)hat entschieden, ein neues Dienstgebäude errichten zulassen und im Jahre 2013 umzuziehen. Ob der Umzug inden Neubau wirtschaftlich ist, hat es bisher nicht nachge-wiesen.

Seit dem Jahre 1999 nutzt das Bundesministerium in Ber-lin ein zu ungünstigen Konditionen gemietetes Gebäude.Bereits zwei Jahre nach dem Einzug erwog es eine ander-weitige Unterbringung, mietete aber dennoch weitere Flä-chen im selben Gebäude zu den ungünstigen Konditionenan. Zu Jahresbeginn 2005 entschied es sich einvernehm-lich mit dem Bundesministerium der Finanzen, aus Wirt-schaftlichkeits- und Sicherheitsgründen einen Neubau aufeinem bundeseigenen Grundstück im Spreebogen amKanzlergarten errichten zu lassen. Im Herbst 2005 leitetees hierfür einen städtebaulichen Wettbewerb ein. Derzeit

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arbeitet es noch an der Begründung des Bauvorhabens fürden Haushaltsgesetzgeber.

Nach Auffassung des Bundesrechnungshofes waren derAbschluss des Mietvertrages und die Anmietung weitererFlächen im selben Gebäude wirtschaftlich nicht vertretbar.Ferner vermisst der Bundesrechnungshof wegen der frü-hen Entscheidung für den Neubau sowie angesichts desArchitektenwettbewerbs eine Analyse und Abwägung al-ler Unterbringungsalternativen wie Bau, Kauf oder Mieteeines Gebäudes, Verbleib am Standort oder Nutzung einervorhandenen bundeseigenen Liegenschaft, die auch denbedeutsamen Sicherheitsaspekten Rechnung tragen.

Der Bundesrechnungshof hält es für dringend geboten,dass das Bundesministerium nunmehr ergebnisoffenprüft, welche Unterbringungsmöglichkeiten seinen funk-tionalen und sicherheitstechnischen Anforderungen genü-gen und wirtschaftlich sind.

5 Bundespolizei mietet in Flug- und Seehäfen zu viele Flächen zu teuer an

Die Bundespolizei hat in Flug- und Seehäfen mehr Flä-chen angemietet, als sie für ihre Aufgaben benötigt. Nachdem Gesetz dürfen die Mieten die Selbstkosten der Ver-mieter nicht überschreiten. Vielfach zahlte die Bundes-polizei aber erheblich höhere Mieten. Der Bundesrech-nungshof hat Maßnahmen aufgezeigt, mit denen dieBundespolizei ihre Mietausgaben um jährlich mindestens4 Mio. Euro reduzieren kann.

Die Bundespolizei hat mit den Betreibern von Flug- undSeehäfen bundesweit etwa 120 Mietverträge mit einemVolumen von jährlich 17 Mio. Euro abgeschlossen. Beietwa 75 % der Mietverträge hatte die Bundespolizei nichtgeprüft, ob die vereinbarten Mietzahlungen den Selbst-kosten der Vermieter entsprachen.

Im Flughafen Frankfurt/Main beispielsweise nutztenBundespolizei und Zoll überwiegend gleichartige Büro-räume in denselben Gebäuden, zum Teil auf denselbenEtagen. Die Zollverwaltung, für die die Mietkostengrenzeebenso gilt, hatte für ihre Anmietungen die Selbstkostenermittelt. Die Bundespolizei zahlte jährlich über 3 Mio.Euro mehr als die Selbstkosten beziehungsweise als nachden gesetzlichen Vorgaben zulässig war.

Um die Luftsicherheit zu kontrollieren, setzt die Bundes-polizei Gepäckprüfanlagen und andere Geräte ein. Siemietet Flächen an, um diese Geräte aufzustellen. An ein-zelnen Flughäfen mietete die Bundespolizei zusätzlicheWarteflächen für Passagiere an, die auch den Fluggesell-schaften und den Flughafenbetreibern als allgemeine Ver-kehrsflächen dienten. Mietausgaben von jährlich 1 Mio.Euro wären vermeidbar, wenn die Bundespolizei bundes-weit nur die Aufstellflächen anmieten würde.

Der Bundesrechnungshof hat empfohlen, die Selbstkos-ten zu bislang ungeprüften Mietverträgen umgehend zuermitteln und die Zahlungen daran auszurichten. In Fällenvergleichbarer Mietobjekte sollten zunächst die Entgelteder Zollverwaltung angesetzt werden. Der Flächenbedarffür Geräte zur Luftsicherheitskontrolle ist einheitlich zu

regeln und im Wesentlichen auf die Aufstellfläche zu be-grenzen.

6 Unzweckmäßíge Dienstzeitregelungen bei der Bundespolizei führen jährlich zu Überstunden in Millionenhöhe

Der Schichtdienst und die Arbeitszeit in der Bundespoli-zei sind unflexibel und unzweckmäßig organisiert. Da-durch entstehen jährlich rund drei Millionen vermeidbareÜberstunden. Deren Ausgleich durch Freizeit oder Be-zahlung verursacht einen erheblichen finanziellen und ad-ministrativen Aufwand.

Mehr als 20 000 Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamteverrichten ihren Dienst in Inspektionen und Abteilungender Bundespolizei. Inspektionen sind kleinere Polizeiein-heiten, beispielsweise an Bahnhöfen und Flughäfen. Ab-teilungen sind größere Polizeieinheiten von rund 500 Be-amtinnen und Beamten, die für Sondereinsätze, zumBeispiel bei Demonstrationen, benötigt werden.

In den Abteilungen leisteten die Beamtinnen und Beam-ten ihre Wochenarbeitszeit in der Regel von Montag bisFreitag ab. Ihre Einsätze waren jedoch überwiegend anWochenenden.

In den Inspektionen arbeiteten die Polizistinnen und Poli-zisten nach starren Dienstplänen in Wechselschichten.Die Dienstpläne berücksichtigten die Wochenfeiertagenicht und den tageszeitlich schwankenden Einsatzbedarfkaum. Pausen wurden auf die Arbeitszeit angerechnet.Beamtinnen und Beamte konnten auch an Erkrankungs-tagen Überstunden erwerben.

In der Summe führten die ungünstigen Dienstzeitregelun-gen und starren Dienstpläne der Bundespolizei zu runddrei Millionen Überstunden pro Jahr.

Der Bundesrechnungshof hat dem Bundesministeriumdes Innern empfohlen, die weitgehend unflexiblen Ar-beitszeit- und Schichtdienstmodelle aufzugeben. DieDienstzeiten sollten stärker am Einsatzbedarf ausgerichtetwerden. Die Dienstpläne müssen die an Wochenfeier-tagen ausfallende Arbeitszeit berücksichtigen. Die in derArbeitszeitverordnung fest vorgesehenen Pausenzeitensollten grundsätzlich nur dann als Arbeitszeit anerkanntwerden, wenn der jeweilige Einsatz im Schichtdienstkeine Pause zulässt.

7 Bund kann seine Pensionsfestsetzung und -regelung effizienter organisieren

Der Bund hat die Zuständigkeit für die Festsetzung undRegelung der Beamtenversorgung auf zu viele Behördenverteilt, sodass Synergien ungenutzt bleiben. MangelndeKoordinierung und das Fehlen einer planvollen Organisa-tionsentwicklung führen zu Parallelarbeiten und Insel-lösungen. Die Geschäftsprozesse können vor allem mit-hilfe besserer IT-Unterstützung optimiert werden.

Die Versorgung der Beamtinnen und Beamten umfasstLeistungen z. B. im Alter, bei Dienstunfähigkeit und für

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Hinterbliebene (Versorgungsbezüge, Pensionen). Sie wer-den normalerweise bei Eintritt des Versorgungsfalls erst-malig festgesetzt. In laufenden Fällen sind versorgungs-rechtliche Regelungen umzusetzen, die sich auf die Höheder Leistungen auswirken.Die genannten Aufgaben nehmen beim Bund zahlreicheBehörden wahr, die teilweise nur wenige Fälle zu bear-beiten haben. Diese Zersplitterung ist nicht effizient, weilhohe Fachkompetenz an vielen Stellen vorgehalten wer-den muss. Auch können so Synergieeffekte nicht genutztwerden, die mit optimierten Arbeitsprozessen bei großenFallzahlen zu erzielen wären.Die IT-Unterstützung der Behörden leidet an einer Reihevon Mängeln: Fehlende elektronische Schnittstellen füh-ren zu Medienbrüchen und Mehraufwand, wenn Datenmanuell übertragen werden müssen. Hinzu kommen z. B.Berechnungsfehler, mangelnde Speichermöglichkeitenund benutzerunfreundliche Programme. Soweit die Be-hörden selbst Software zur Pensionsberechnung entwi-ckelt haben, sind diese zudem oft Behelfslösungen, dienicht hinreichend funktionsfähig und betriebssicher sind.In der Gesamtstruktur der Versorgungsbearbeitung desBundes mangelt es an Koordinierung und planvoller Or-ganisationsentwicklung: Die Behörden nehmen ihre weit-gehend gleichen Aufgaben auf verschiedene Art undWeise und mit unterschiedlichen Hilfsmitteln wahr. Größ-tenteils handeln sie dabei auch isoliert voneinander. DieFolge ist erheblicher Mehraufwand durch Parallelarbeitenund Insellösungen, z. B. im IT-Bereich und bei der Ent-wicklung von Formularen.Der Bundesrechnungshof hat empfohlen, hinsichtlich derPensionsfestsetzung und -regelung ein Gesamtkonzeptfür ein übergreifendes Dienstleistungsangebot zu entwi-ckeln. Dabei wird vor allem zu prüfen sein● wie sich die Bearbeitung stärker zentralisieren lässt

und● wie die Arbeit der verbleibenden Behörden wirksam

koordiniert und fortentwickelt werden kann.Im Wege eines koordinierten Vorgehens ist insbesondereeine grundlegend verbesserte IT-Unterstützung der Be-hörden anzustreben. Diese kann einen wesentlichen Bei-trag dazu leisten, die Geschäftsprozesse zu optimierenund manuellen Arbeitsaufwand zu verringern.

8 Bundesausgleichsamt muss Fach-aufsicht intensivieren, um das Risiko höherer Bundeszuschüsse zu mindern

Das Bundesausgleichsamt hat seit fünf Jahren seine Fach-aufsicht nicht in dem gebotenen Maße wahrgenommen.Nach Auffassung des Bundesrechnungshofes steigt da-durch für den Bund das Risiko, ab dem Jahre 2007 höhereZuschüsse an den Entschädigungsfonds leisten zu müs-sen. Zudem besteht die Gefahr, dass Rückforderungenverjähren und auch die Einzelfallgerechtigkeit nicht mehrgewährleistet ist.Mehr als 50 Jahre nach seiner Einführung im Jahre 1952ist der Lastenausgleich nunmehr in seine Schlussphase

eingetreten. Die Landesausgleichsämter und Ausgleichs-ämter bei den Kommunen, deren wesentliche Aufgabeheute die Rückforderung von Ausgleichsleistungen ist,führen im Auftrag des Bundes Aufgaben des Lastenaus-gleichs durch.

In vier Ländern lag der Anteil unbearbeiteter Rückforde-rungsfälle mit 21 % bis 40 % vergleichsweise hoch. DasBundesausgleichsamt hat dem bisher nicht entgegenge-wirkt. Der durchschnittliche Anteil unbearbeiteter Rück-forderungsfälle betrug ohne diese vier Länder 13 %.

Der Bundesrechnungshof hat gefordert, dass das Bundes-ausgleichsamt die Möglichkeiten der Fachaufsicht inten-siver nutzt. Vordringlich sollte es wieder Geschäftsprü-fungen im nachgeordneten Bereich durchführen. Dadurchkann es die Ursachen für die unterschiedliche Anzahl derunbearbeiteten Rückforderungsverfahren im Einzelnenermitteln und systematisch für deren Abhilfe sorgen. Zielsollte sein, die verbliebenen Aufgaben der Lastenaus-gleichsverwaltung zügig abzuarbeiten.

Bundesministerium der Finanzen

9 Steuerbegünstigung von Handels-schiffen durch die Tonnage-besteuerung verfehlt wesentliche Ziele

Die Begünstigung von Handelsschiffen inländischer Ree-der im internationalen Verkehr (Tonnagebesteuerung) hatwesentliche Ziele verfehlt, obwohl die geschätzten Steu-ermindereinnahmen allein im Jahre 2004 mindestens1 Mrd. Euro betrugen. Die steuerliche Vergünstigungkonnte nicht verhindern, dass inländische Reeder ihreSchiffe in erheblicher Zahl ausflaggten und immer weni-ger EU-angehörige Seeleute beschäftigten.

Die Tonnagebesteuerung ermöglicht Reedern, die Ge-winne aus dem Betrieb von Handelsschiffen nach der ein-gesetzten Tonnage, also dem Rauminhalt des Schiffes, zuermitteln. Die Reeder werden dadurch steuerlich begüns-tigt. Das Bundesministerium der Finanzen hat auch Ver-gütungen an Gesellschafter der Reedereien in die Tonnage-besteuerung einbezogen, die an sich gesondert zuversteuern wären.

Obwohl die Steuermindereinnahmen mindestens 1 Mrd.Euro im Jahr betragen, hat die steuerliche Vergünstigungnicht verhindern können, dass inländische Reeder ihreSchiffe in erheblicher Zahl ausflaggten und immer weni-ger EU-angehörige Seeleute beschäftigt werden. Durchdie Ausflaggung der Schiffe gelingt es den Reedern, sichvon der Verpflichtung zu befreien, zumindest in bestimm-tem Umfang Seeleute aus den EU-Mitgliedstaaten nachinländischem Recht zu beschäftigen. Rein rechnerischwurde im Jahre 2004 jeder Arbeitsplatz im Bereich dermaritimen Wirtschaft – einschließlich der Seearbeits-plätze EU-angehöriger Seeleute – durch die Tonnagebe-steuerung mit rund 35 000 Euro subventioniert.

Nach den Leitlinien der EU sollen sämtliche Steuererleich-terungen grundsätzlich an das Führen einer Flagge einesEU-Mitgliedstaates geknüpft sein. Von dieser Regel soll

Drucksache 16/XXXX – 20 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

nur ausnahmsweise und unter bestimmten Voraussetzun-gen abgewichen werden dürfen.

Vom steuerlich begünstigten Schiffsbestand führen zur-zeit jedoch nur etwa 15 % der Handelsschiffe die deut-sche Flagge; der Rest ist ausgeflaggt oder ausschließlichin Ländern außerhalb der EU registriert. Die Anzahl derSeeleute mit EU-Staatsangehörigkeit auf Handelsschiffeninländischer Reeder ist zurzeit geringer als im Jahre 1999.

Der Bundesrechnungshof hat empfohlen, die Tonnagebe-steuerung stärker an nationalen und europäischen Interes-sen zu orientieren und die Inanspruchnahme der Tonnage-besteuerung grundsätzlich an das Führen der deutschenoder der Flagge eines anderen EU-Mitgliedstaates zuknüpfen.

10 Kontrolldefizite bei der Zollabfertigung von Reisegepäck im Flugverkehr

An einigen deutschen Flughäfen sind Abfertigungsstellendes Zolls nicht oder nur unzureichend besetzt. Dadurchentstehen Lücken bei der Zollkontrolle.

Die Anzahl der im Bereich Reiseverkehr eingesetztenZollbeamten unterschritt teilweise erheblich den aner-kannten und festgelegten Personalbedarf. Dies führtedazu, dass Abfertigungsstationen schichtweise oder inEinzelfällen sogar tageweise nicht besetzt waren. DerZollverwaltung ist es bisher nicht gelungen, die Unterbe-setzung dauerhaft abzustellen. Der Bundesrechnungshofhat empfohlen, die unterbesetzten Abfertigungsstationendurch überzähliges Personal aus anderen Zollstellen zuverstärken.

Der Zeitaufwand in den Abfertigungsstationen könntedurch eine gezielte Kontrolle einzelner Gepäckstückeverringert werden, wenn die Zollstellen schon vor derLandung des Flugzeuges über besonders zu kontrollie-rende Gepäckstücke informiert wären. Der Bundesrech-nungshof hat daher angeregt, dem Zoll die von den Flug-gesellschaften gespeicherten Passagierdaten rechtzeitigzur Verfügung zu stellen.

Die IT-Ausstattung einzelner Dienststellen war unzurei-chend und veraltet. Die Geräte und Programme ließen ei-nen Datenaustausch zwischen den Flughafenzollstellennur eingeschränkt zu. Der Bundesrechnungshof hat emp-fohlen, die IT-Ausstattung zu verbessern und den Abferti-gungsstellen einen Zugriff auf externe Personalauskunfts-systeme zu ermöglichen.

11 Deutsche Beteiligung an europäischer Forschungs- und Beratungseinrichtung unwirtschaftlich

Der Bundesrechnungshof hat empfohlen, die Mitglied-schaft im „Europäischen Zentrum für internationale Wirt-schaft“ (Zentrum) zeitnah zu kündigen. Deutschland be-teiligt sich an der Finanzierung des Zentrums, das sich alsDenkfabrik versteht und dessen Ziel es ist, zur Qualität

von wirtschaftspolitischen Entscheidungen in Europa bei-zutragen.

Es verdankt seine Entstehung der Initiative eines ehemali-gen Regierungsberaters eines EU-Mitgliedstaates. EinEU-Kommissar warb im Januar 2003 gegenüber demdeutschen Außenminister für die Idee eines solchen Zen-trums an der Schnittstelle zwischen Politik und Wissen-schaft. Als europäischer „think tank“ zu internationalenWirtschaftsfragen, an denen es in Europa im Gegensatzzu den USA mangele, sollte eine Mitgliedschaft zur Mit-finanzierung allen EU-Mitgliedstaaten offen stehen.

Ein vom Bundesministerium der Finanzen (Bundesminis-terium) in der Gründungsphase in Auftrag gegebenesGutachten erkannte keinen Bedarf für neue Forschungs-einrichtungen zu wirtschaftspolitischen Themen inEuropa.

Der Bundesrechnungshof hält es für unwirtschaftlich,eine Forschungseinrichtung mitzufinanzieren, die aufThemenfeldern aktiv werden soll, die bereits national alsauch auf europäischer Ebene bestens besetzt sind. Er hatbeanstandet, dass das Bundesministerium die Ergebnissedes Gutachtens bei den Gründungsverhandlungen unzu-reichend berücksichtigt hat.

Die Satzung des Zentrums sieht die Bildung eines Kapi-talstocks (endowment) aus nicht verbrauchten Beiträgen.Nebenabreden sehen die Bildung von Rücklagen (wor-king capital) vor. Der Bundesrechnungshof hat kritisiert,dass weder die Satzung noch die von ihr abweichendenNebenabreden dem Haushaltsgesetzgeber zur Kenntnisgebracht wurden. In den haushaltsbegründenden Unterla-gen erfuhren die Berichterstatter weder von der „politischbindenden“ Dauer der eingegangenen Mitgliedschaftnoch von Kapitalstock-/Rücklagenbildung. Ihnen wurdeso die Entscheidung darüber vorenthalten, ob es demZentrum möglich sein soll, aus dem nationalen Mitglieds-beitrag, also steuer- bzw. schuldenfinanziert, ertragbrin-gend Kapital zu bilden.

Der Bundesrechnungshof hat empfohlen, die Mitglied-schaft im Zentrum zeitnah zu kündigen.

Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie

12 Förderung von Instituten für Mittelstandsforschung und Rationalisierungsförderung nicht bedarfsgerecht

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie(Bundesministerium) hat seit vielen Jahren drei Einrich-tungen für Mittelstandsforschung und Rationalisierungs-förderung institutionell gefördert, ohne den Informations-und Beratungsbedarf definiert zu haben. Bei den Einrich-tungen handelt es sich um das Institut für Mittelstandfor-schung Bonn, das Rationalisierungs- und Innovations-zentrum der Deutschen Wirtschaft e. V. und die Arbeits-gemeinschaft für wirtschaftliche Verwaltung e. V..

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 21 – Drucksache 16/XXXX

Der Bundesrechnungshof hat die wenig bedarfs- und er-gebnisorientierte Förderung beanstandet. Die Möglich-keiten kleiner und mittlerer Unternehmen zur Gewinnungvon Informationen haben sich deutlich verbessert. Im Ge-gensatz zur Vergangenheit beschäftigen sich heute nebenden drei Zuwendungsempfängern viele wissenschaftlicheEinrichtungen mit mittelstands- und innovationsbezoge-ner Forschung.

Das Bundesministerium konnte ein erhebliches Bundes-interesse an der institutionellen Förderung der drei Ein-richtungen nicht begründen. Wesentliche Ursache hierfürist, dass es seinen Informations- und Beratungsbedarfhinsichtlich Themen und Fragestellungen des Mittel-stands und der Innovation bislang nicht exakt definierthat.

Der Bundesrechnungshof hat empfohlen, die institutio-nelle Finanzierung der Einrichtungen zu beenden. Er hältes darüber hinaus für notwendig, dass das Bundesministe-rium seinen Informations- und Beratungsbedarf hinsicht-lich Themen und Fragestellungen des Mittelstands undder Innovation neu definiert und ein Konzept entwickelt,wie diese künftig bedarfs- und ergebnisorientiert bearbei-tet werden können.

13 Beratungsbedarf bei Sicherheitsfragen der Kerntechnik nicht ausreichend definiert

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie(Bundesministerium) hat eine Gesellschaft als Kompe-tenzzentrum des Bundes in Fragen der nuklearen Sicher-heit finanziert, ohne den Beratungsbedarf des Bundes beiSicherheitsfragen der Kerntechnik hinreichend genau zudefinieren. Die bisherige Finanzierung im Wege der frei-händigen Vergabe von Einzelaufträgen erlaubt keine aus-reichende Planung für eine mittelfristig angemessene Per-sonalausstattung der Gesellschaft.

Das Bundesministerium finanziert mit anderen Bun-desministerien die Aufgaben einer Gesellschaft als Kom-petenzzentrum des Bundes in Fragen der nuklearenSicherheit. Nach den Zielen des Bundes, die er in der Ver-einbarung mit den Energieversorgungsunternehmen überdie Restlaufzeiten der Kernkraftwerke (Atomkonsens)und in den Leitlinien für die nukleare Sicherheitsfor-schung festgelegt hat, sollen ausreichende finanzielle undpersonelle Mittel für Sachverständige bereitgestellt wer-den. Damit hat der Bund zwar angegeben, auf welchenGebieten er den Sachverstand der Gesellschaft erwartet;er hat aber nicht definiert, welche Leistungen er im Ein-zelnen erwartet und was er als ausreichende Mittel fürSachverständige ansieht.

Der Bundesrechnungshof hat beanstandet, dass der Bundnicht festgelegt hat, welche Leistungen er von der Gesell-schaft erwartet. Anhand dieser Festlegungen hätte er ab-leiten können, ob er die Gesellschaft dauerhaft für seineZwecke benötigt und welche Mittel er hierfür für notwen-dig hält. Der Bundesrechnungshof hat empfohlen, die

Aufgaben der Gesellschaft neu festzulegen und darausabzuleiten, welche Leistungen der Gesellschaft er wielange noch benötigt. Falls er die Gesellschaft dauerhafterhalten will, sollte er eine feste Grundfinanzierung derGesellschaft vorsehen. Der Bund sollte prüfen, ob er einso erhebliches Interesse an den Aufgaben der Gesell-schaft hat, dass eine institutionelle Förderung gerechtfer-tigt ist.

14 Zusammenwirken bei der Endlager-forschung mangelhaft

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie(Bundesministerium) und andere Bundesministerien ha-ben Forschungsvorhaben zur Endlagerung radioaktiverAbfälle finanziert. Die Grenzen der Ressortzuständig-keiten für die Vorhaben waren streitig. Meinungs-verschiedenheiten der Bundesministerien über ein End-lagerkonzept führten zu inhaltlich nicht miteinander zuvereinbarenden Forschungsvorhaben. Eine ressortüber-greifende Rahmenplanung für die Endlagerforschung gabes nicht.

Der Bund ist nach dem Atomgesetz verpflichtet, Anlagenzum dauerhaft sicheren Verbleib radioaktiver Abfälle(Endlager) einzurichten und zu betreiben. Er ist gehalten,durch Forschungs- und Entwicklungsarbeiten die Voraus-setzungen für die Errichtung von Endlagern zu schaffen.

Drei Bundesministerien finanzieren Forschungs- und Ent-wicklungsarbeiten im Bereich der Endlagerung radioakti-ver Abfälle. Die Forschungs- und Entwicklungsarbeitendienen dem Ziel, Endlager in Deutschland zu errichten.Die wesentlichen fachlichen Eckpunkte eines Endlager-konzeptes waren seit dem Jahre 2002 zwischen dem Bun-desministerium und dem Bundesministerium für Umwelt,Naturschutz und Reaktorsicherheit streitig. Die Bundes-ministerien planten ihre Vorhaben zur Endlagerforschungeigenverantwortlich. Sie koordinierten ihre Forschungs-und Entwicklungsvorhaben nur unzureichend. Eine effek-tive und wirtschaftliche Steuerung der Forschungsarbei-ten war nicht gewährleistet.

Der Bundesrechnungshof hat empfohlen, einen Konsenszwischen den Bundesministerien hinsichtlich der Organi-sation der Endlagerforschung herbeizuführen.

15 Zuwendungen an ein Unternehmen der Energieberatung fehlerhaft

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie(Bundesministerium) hat für Maßnahmen zur Förderungdes Exports erneuerbarer Energien einem Unternehmendes Bundes Zuwendungen gegeben, ohne vorher zu prü-fen, ob Dritte die Aufgaben wirtschaftlich hätten erledi-gen können. Zudem hat es nicht verhindert, dass die über-wiegend mit öffentlichen Mitteln Unternehmen seinPersonal besser bezahlte als der Bund vergleichbare Be-dienstete. Das Bundesministerium hat darüber hinaus hö-here Zuwendungen gewährt als notwendig.

Drucksache 16/XXXX – 22 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Die Bundesregierung hat auf Wunsch des Deutschen Bun-destages eine „Bundesinitiative Erneuerbare EnergienWeltweit – Global Renewable Network“ (Exportinitia-tive) geschaffen und dem im Herbst 2000 gegründetenbundeseigenen Unternehmen der Energieberatung hierbeieine zentrale Rolle übertragen. Wesentliche Aufgabe desUnternehmens ist es, dazu beizutragen, dass Energie ra-tionell und umweltschonend erzeugt und genutzt wird.

Das Bundesministerium hat seine Zuwendungen an dasUnternehmen in Millionenhöhe bewilligt, ohne vorher zuprüfen, ob die Leistungen wirtschaftlich von privatenDritten hätten erbracht werden können. Solange dasUnternehmen sich überwiegend aus Zuwendungen finan-ziert, darf es sein Personal nicht besser bezahlen alsvergleichbare Bedienstete des Bundes (Besserstellungs-verbot). Das Bundesministerium hat anderen Zuwen-dungsempfängern vorgegeben, das Unternehmen in ge-förderte Projekte einzubeziehen. Dadurch wurde derAnschein erweckt, das Unternehmen finanziere sich über-wiegend aus Umsätzen mit Dritten und nicht aus Zuwen-dungen des Bundes und sei nicht an das Besserstellungs-verbot gebunden. Das Unternehmen hat sein Personalbesser bezahlt als vergleichbare Bundesbedienstete. DasBundesministerium hat Zuwendungen für Personalkostengewährt, die höher als die tatsächlichen Personalkostendes Unternehmens waren.

Der Bundesrechnungshof hat empfohlen, künftig die demUnternehmen angetragenen Projekte und Dienstleistun-gen in der Regel durch öffentliche Aufträge im Wettbe-werb zu vergeben. Er sieht keine Notwendigkeit für dasUnternehmen vom Besserstellungsverbot abzuweichen.Das Bundesministerium sollte sicherstellen, dass das Un-ternehmen dieses einhält, solange sie sich überwiegendaus Zuwendungen finanziert. Weiterhin hat der Bundes-rechnungshof empfohlen, bei der Ermittlung der Zuwen-dungen nur angemessene Personalkosten zugrunde zu le-gen. Er hält es wirtschaftlich und rechtlich nicht fürvertretbar, das Unternehmen von den Einschränkungendes Zuwendungsrechts zu befreien ohne es zugleich demWettbewerb auszusetzen.

16 Erfolgskontrolle bei der Gemein-schaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ unzureichend

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie(Bundesministerium) hat den Erfolg der für die Gemein-schaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschafts-struktur“ (Gemeinschaftsaufgabe) eingesetzten Bundes-mittel unzureichend kontrolliert und das Parlament nurunvollständig über die Wirkung der Förderung unterrich-tet. Es fehlten Angaben über die Anzahl neu geschaffenerDauerarbeitsplätze, über gescheiterte Vorhaben, zu Mehr-fachförderungen und zur Wirkung der Infrastrukturförde-rung. Ohne diese Informationen fehlen dem DeutschenBundestag Grundlagen, die zur Ausübung des parlamen-tarischen Budgetrechts wesentlich sind.

Hauptziel der Gemeinschaftsaufgabe ist die Schaffungvon dauerhaft wettbewerbsfähigen Arbeitsplätzen instrukturschwachen Regionen. Der Bund trägt die Hälfteder hierfür getätigten Ausgaben der Länder nach einemgemeinsamen Rahmenplan. Der Deutsche Bundestag ent-scheidet auf der Basis dieses ihm vorzulegenden Rah-menplanes über die Haushaltsmittel, die er für die Ge-meinschaftsaufgabe zur Verfügung stellt. In den letztenfünf Jahren stellte allein das Bundesministerium zu die-sem Zweck Mittel in Höhe von insgesamt rund 4,4 Mrd.Euro bereit.

Der Bundesrechnungshof stellte fest, dass

● dem Bundesministerium u. a. Angaben der Länderüber die Anzahl der nach Ablauf des fünfjährigenÜberwachungszeitraumes neu geschaffenen Dauer-arbeitsplätze nicht vorgelegen haben,

● 3 000 Projekte mit einem Fördervolumen von rund6,6 Mrd. Euro, bei denen die geförderten Betriebe li-quidiert oder die geförderten Projekte abgebrochenworden waren, weder in die Erfolgsbetrachtung desBundesministeriums noch in die Unterrichtung desParlaments eingingen,

● der Rahmenplan keine Angaben über Mehrfachförde-rungen von Gewerbetreibenden enthielt, obwohl derenAnteil an den Gesamtförderfällen im Zeitraum 1999bis 2005 bei etwa 30 % lag, und

● Informationen über die Wirkungen und Ergebnissevon Infrastrukturmaßnahmen im Rahmenplan voll-ständig fehlten.

Das Bundesministerium konnte auf dieser lückenhaftenGrundlage den Erfolg der Gemeinschaftsaufgabe nichtzutreffend bewerten. Der Bundesrechnungshof sah dasparlamentarische Budgetrecht als beeinträchtigt an, weildas Parlament auf einer unzureichenden Grundlage überdie in den Haushaltsplan einzustellenden Jahresleistungender Gemeinschaftsaufgabe entscheidet.

Das Bundesministerium kündigte an, die Erfolgskontrolleverbessern zu wollen, indem es gemeinsam mit den Län-dern die bisherigen Auswertungen um eine Untersuchungder Arbeitsplatzeffekte ergänzen werde. WeitergehendenVeränderungsbedarf hat es nicht gesehen.

Der Bundesrechnungshof sieht in der Kontrolle der ge-schaffenen Dauerarbeitsplätze einen wichtigen Schritt,um die Bewertung des Erfolges der Gemeinschaftsauf-gabe zu verbessern. Er hält es darüber hinaus für notwen-dig, in die Erfolgsbewertung, über die der DeutscheBundestag zu unterrichten ist, gescheiterte Vorhaben,Mehrfachförderungen und die Wirkungen der Infrastruk-turförderung einzubeziehen. Erst damit wird dem Parla-ment eine ausreichende Grundlage für seine Entscheidun-gen über einzusetzende Haushaltsmittel zur Verfügunggestellt. Der Bundesrechnungshof empfiehlt daher demBundesministerium, auf eine entsprechende Ergänzungdes Rahmenplanes hinzuwirken.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 23 – Drucksache 16/XXXX

Bundesministerium für Arbeit und Soziales

17 Prüfungsrecht bei Zuschüssen des Bundes zu Rentenversicherungs-beiträgen neu regeln

Die Länder haben Bundeszuschüsse zu den Rentenver-sicherungsbeiträgen für Beschäftigte in Werkstätten fürbehinderte Menschen gezahlt, ohne die Abrechnungender Werkstätten hinreichend geprüft zu haben. Da einehinreichende Prüfung wegen der zur Verfügung stehen-den Bearbeitungszeit kaum möglich ist, sollte der Bunddas Prüfungsrecht so regeln, dass die Länder auch nachFestsetzung der Zuschüsse Abrechnungen prüfen können.

Behinderte Menschen, die in anerkannten Werkstätten tä-tig sind, erhalten zu ihren Rentenversicherungsbeiträgeneinen Zuschuss des Bundes. Den Zuschuss zahlen dienach Landesrecht zuständigen Stellen (Landesdienststel-len) an die Werkstätten aus. Für das Jahr 2006 veran-schlagte der Bund Ausgaben von 1 Mrd. Euro.

Bis auf wenige Ausnahmen prüften die Länder die Anga-ben der Abrechnungen nur rechnerisch und auf Schlüssig-keit, ohne die tatsächlichen Grundlagen für die Berech-nung der zu erstattenden Rentenversicherungsbeiträge– wenigstens stichprobenweise – ermittelt zu haben. Esist von ungerechtfertigten Zahlungen zulasten des Bundesin Millionenhöhe auszugehen.

Der Bundesrechnungshof hat dem Bundesministerium fürArbeit und Soziales (Bundesministerium) bereits imMärz 2004 eine Gesetzesänderung empfohlen, um Prü-fungen durch die Landesdienststellen in den Werkstättenfür behinderte Menschen auch nach Abschluss der Ab-rechnungsverfahren zu ermöglichen.

Das Bundesministerium hat eine gesetzliche Neuregelungbislang nicht veranlasst, obwohl es den Vorschlag desBundesrechnungshofes unterstützt. Der Bundesrech-nungshof erwartet nunmehr umgehend eine Gesetzesini-tiative der Bundesregierung.

18 Aufgaben bei der Deutschen Rentenversicherung Bund bündeln

Trotz einer gesetzlich angeordneten einheitlichen Organi-sationsstruktur der Deutschen Rentenversicherung habensich die Träger bislang nicht darauf verständigt, die tarif-und arbeitsrechtlichen Arbeitgeberinteressen bei derDeutschen Rentenversicherung Bund (DRV Bund) zukonzentrieren.

Die DRV Bund hat als Spitzenverband die Rentenversi-cherung in ihrer Gesamtheit gegenüber den Sozialpart-nern zu vertreten. Als Träger regelt sie zurzeit, ebensowie die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See, ihre tarif- und arbeitsrechtlichen Angelegen-heiten selbst. Die Regionalträger – die früheren Landes-

versicherungsanstalten – haben sich seit dem Jahre 1983in der Tarifgemeinschaft der Deutschen Rentenversiche-rung zusammengeschlossen. Dieser nicht rechtsfähigeVerein vertritt seine Mitglieder gegenüber den Gewerk-schaften, staatlichen Stellen und anderen Organisationen.Er schließt Tarifverträge und sonstige Vereinbarungen ab.Die Tarifgemeinschaft wird von den Regionalträgern mitrund 430 000 Euro jährlich finanziert. Damit gibt es unterdem Dach der Rentenversicherung Strukturen, die im Wi-derspruch zu der vom Gesetzgeber gewollten Konzentra-tion der Vertretung von Arbeitgeberinteressen bei derDeutschen Rentenversicherung gegenüber den Sozial-partnern stehen.

Der Bundesrechnungshof sieht in einer konsequenten or-ganisatorischen Zusammenführung der Arbeitgeberinte-ressen bei der DRV Bund die Möglichkeit, die vomGesetzgeber beabsichtigte Einheitlichkeit der Rentenver-sicherung herzustellen und ihren wirtschaftlichen Betriebzu stärken.

Er hat das Bundesministerium aufgefordert, die Renten-versicherungsträger anzuhalten, die Wahrnehmung derArbeitgeberinteressen bei der DRV Bund zu konzentrie-ren.

Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung

19 Bund zahlt für neues Bahn-Funknetz mehr als 20 Mio. Euro zu viel

Der Bund finanziert einen zu hohen Anteil am neuen digi-talen Funknetz für die bundeseigenen Schienenwege. Erhatte für seine Kostenbeteiligung eine andere Nutzungdes Netzes unterstellt als nunmehr realisiert wird. Daherhat er mehr als 20 Mio. Euro zu viel gezahlt.

Der Bund gewährt aufgrund des Bundesschienen-wegeausbaugesetzes Zuwendungen für Investitionen indie bundeseigenen Schienenwege. Grundlage für dieFinanzierung ist eine jeweils abzuschließende Finanzie-rungsvereinbarung.

Ein Unternehmen, das Schienennetze und andere Eisen-bahninfrastruktur anbietet, will die bundeseigenen Schie-nenwege mit einem neuen digitalen Funknetz ausstatten.Das digitale Funknetz soll die bisherigen analogen Funk-systeme ersetzen. Es ist außerdem Grundlage für einneues, europaweit standardisiertes Signalsystem zur Si-cherung und Steuerung von Zügen. Das Unternehmenwill das Funknetz auch für kommerzielle Zwecke nutzenund muss daher einen Teil der Kosten selbst tragen.

Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtent-wicklung (Bundesministerium) hat mit dem Unternehmeneine Finanzierungsvereinbarung für das digitale Funknetzabgeschlossen. Da die Vereinbarung auf einem falschenVerhältnis zwischen förderfähiger betrieblicher und kom-merzieller Nutzung des neuen Netzes basiert, wird derBund mit mindestens 20 Mio. Euro zu viel belastet.

Drucksache 16/XXXX – 24 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Das Bundesministerium hat zudem seine Finanzierungs-zusage gegeben, ohne ausreichende Planungsgrundlagenzu haben und ohne den vollen Finanzierungsumfang zukennen. Somit nahm es in Kauf, dass der Bund nachträg-liche Kostensteigerungen mit tragen musste.

Das Bundesministerium muss sicherstellen, dass derBund finanziell nur entsprechend der tatsächlichen Nut-zung des neuen Funknetzes belastet wird. Es muss daherdie betriebliche Nutzung feststellen und die Finanzie-rungsquote neu festlegen.

20 Bund zahlt jährlich 8 Mio. Euro für weitgehend nutzlose Maßnahmen zur Zivilen Verteidigung bei der Deutschen Bahn AG

Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtent-wicklung (Bundesministerium) stellt der DeutschenBahn AG jährlich 8 Mio. Euro für die Zivile Verteidigungzur Verfügung, ohne dass es den Bedarf an die verändertesicherheitspolitische Lage angepasst hat.

Die Zivile Verteidigung umfasst die Planung, Vorberei-tung und Durchführung aller zivilen Maßnahmen, die er-forderlich sind, um die Versorgung der Bevölkerung undder Streitkräfte mit notwendigen Gütern und Leistungenim Verteidigungsfall sicherzustellen.

Für die Zivile Verteidigung im Bereich der Eisenbahnenfinanzierte das Bundesministerium Schutzräume undtechnisches Material wie Hilfsbrücken, Signalgerät oderErsatzstellwerke. Diese Bauten und Geräte haben aktuellaber kaum noch einen Nutzen für Zwecke der ZivilenVerteidigung: Schutzräume können wegen zu geringerVorwarnzeiten bei heute zu befürchtenden Angriffennicht mehr aufgesucht werden. Die gelagerten Gerätesind überwiegend veraltet und können die heute einge-setzte Technik nicht mehr ersetzen.

Dies hatte der Bundesrechnungshof dem Bundesministe-rium bereits im Jahre 1998 aufgezeigt. Der Rechnungs-prüfungsausschuss des Haushaltsausschusses des Deut-schen Bundestages hatte daraufhin gefordert, dass dasBundesministerium seine Gesamtkonzeption zur ZivilenVerteidigung prüft und anpasst. Dieser Forderung ist dasBundesministerium bis heute nicht umfassend nachge-kommen.

21 Weiterbau einer Eisenbahnneubau-strecke ohne gesicherte Gesamt-finanzierung unwirtschaftlich

Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtent-wicklung (Bundesministerium) stellt bei der Finanzierungeines mehrere Milliarden Euro teuren Schienenwegebau-vorhabens nicht sicher, dass die Bundesmittel wirtschaft-lich und sparsam verwendet werden. Für zwei wesentlicheAbschnitte der Eisenbahnneubaustrecke von Nürnberg

nach Halle/Leipzig, an denen bereits seit dem Jahre 1996gebaut wird, hat es die Finanzierung derzeit nicht annäh-rend gesichert. In den letzten Jahren ließ es wegen knap-per Haushaltsmittel vor allem punktuelle Maßnahmendurchführen, um das Baurecht zu erhalten. Damit nahmes erhebliche Bauverzögerungen und Mehrkosten inKauf. Es untersuchte bisher nicht, in welchem Umfangdiese die Wirtschaftlichkeit des Gesamtvorhabens beein-trächtigen.

Die Eisenbahninfrastrukturunternehmen gingen Anfangdes Jahres 2005 davon aus, dass die EisenbahnstreckeNürnberg−Halle/Leipzig Gesamtkosten von 7 Mrd. Euroverursachen wird. Für den Bau von zwei wesentlichenStreckenabschnitten sind nach bisherigen Schätzungen4,1 Mrd. Euro Bundesmittel erforderlich. Derzeit hat dasBundesministerium dafür aber nur 1,2 Mrd. Euro fest ein-geplant. Für den verbleibenden Investitionsbedarf vonknapp 3 Mrd. Euro hat es keine gesicherte Finanzierungs-grundlage. Konkrete Angaben darüber, wann die Ab-schnitte fertig werden, machte das Bundesministeriumbisher nicht. Zudem hat es nicht darlegen können, mitwelchen Mehrkosten aufgrund der verzögerten Umset-zung insgesamt zu rechnen ist. Es ist sich aber darüber imKlaren, dass es mit den bisherigen punktuellen Maßnah-men den Bau weder geordnet noch wirtschaftlich durch-führt.

Der Bundesrechnungshof hat festgestellt, dass die be-trachteten Streckenabschnitte erst Mitte dieses Jahrhun-derts fertig werden, wenn es bei dem bisher unterstelltenBedarf an Bundesmitteln von 4,1 Mrd. Euro und dem der-zeit vorgesehenen jährlichen Finanzierungsbeitrag desBundes bleibt. Er hat darauf verwiesen, dass eine sehrlange Bauzeit und eine über Jahrzehnte verzögerte Inbe-triebnahme die Wirtschaftlichkeit der Bahnstrecke beein-trächtigen. Dem Bundesministerium hat er empfohlen,das Vorhaben zu überprüfen.

Das Bundesministerium hält eine Überprüfung für nichtnotwendig. Es sei politisch entschieden worden, das Pro-jekt weiter zu verfolgen. Wegen der bestehenden Haus-haltsengpässe hätte die Baumaßnahme gestreckt werdenmüssen. Die Aufgabe des Projekts würde zu verlorenenInvestitionen in Höhe eines hohen dreistelligen Millio-nenbetrages führen. Im Übrigen plane es derzeit, dieBahnstrecke schneller fertig zu stellen.

Der Bundesrechnungshof befürchtet, dass die Gefahr ver-lorener Investitionen weiter ansteigt, solange für die Stre-cke kein vollständiges Finanzierungskonzept vorliegt. Erhält es zudem für notwendig, dass das Bundesministe-rium die politischen Entscheidungsträger umfassend überdie Konsequenzen der „gestreckten Realisierung“ unter-richtet. Das Bundesministerium sollte darlegen, welcheMehrkosten dadurch entstehen und inwieweit die verzö-gerte Umsetzung die Wirtschaftlichkeit des Vorhabensbelastet. Zudem sollte es erläutern, welche Investitionenfür eine Inbetriebnahme der Bahnstrecke noch erforder-lich sind, wie diese finanziert werden und wann mit einerFertigstellung gerechnet wird.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 25 – Drucksache 16/XXXX

22 Bund finanziert zu viele Beschäftigte eines privaten Unternehmens

Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtent-wicklung (Bundesministerium) hat es versäumt, daraufhinzuwirken, dass ein mit dem Ausbau der Bundeswas-serstraße Donau beauftragtes Unternehmen, dessen Per-sonalkosten der Bund mit trägt, seinen Personalbestandreduziert und damit den tatsächlichen Erfordernissen an-passt.

Der Bund und der Freistaat Bayern (Bayern) wollen dieDonau von einem Unternehmen ausbauen lassen, dessenPersonalkosten sie tragen. Die endgültige Entscheidung,wie die Donau ausgebaut wird, haben sie noch nicht ge-troffen. Das Unternehmen hält mit 125 Vollzeitbeschäf-tigten so viel Personal vor, wie es für die Realisierung dervon Bayern vorgezogenen Ausbauvariante benötigt wird.Für die vom Bund angestrebte Ausbauvariante werden55 Vollzeitbeschäftigte weniger benötigt.

Der Bundesrechnungshof ist der Auffassung, dass es demBund nicht zugemutet werden kann, Personal für einebauliche Lösung mitzufinanzieren, die er ausdrücklichablehnt. Er hat das Bundesministerium daher aufgefor-dert, mit Nachdruck darauf hinzuwirken, dass das Unter-nehmen sein Personal abbaut, indem es Personalabgängenicht mehr ausgleicht. Ausschließlich Schlüsselpositio-nen sollten zur Sicherung des Know-how von dieserNachbesetzungssperre ausgenommen sein.

23 Folgen unzureichender Fachaufsicht bei der Umsetzung eines Projektes

Vor neun Jahren begannen Wasser- und Schifffahrtsämter(Ämter), moderne Peilsysteme zu beschaffen. Bis heutekönnen sie die gewonnenen Peildaten nur unzureichendnutzen. Das Bundesministerium für Verkehr, Bau undStadtentwicklung (Bundesministerium) hätte dies im Rah-men seiner Fachaufsicht nicht zulassen dürfen.

Seit dem Jahre 1997 beschafften einzelne Ämter so ge-nannte „Fächerecholotsysteme“, die bei einer Fahrt desPeilschiffes im Gegensatz zur bisherigen Linienpeilungdie flächenhafte Aufnahme von Peildaten ermöglichen.So können die Peilschiffe trotz weniger Fahrten die Ge-stalt der Fahrrinne genauer erfassen. Eine Software fürdie uneingeschränkte Nutzung der dabei gewonnenen Da-ten gibt es bis heute nicht, obwohl sich eine Projekt-gruppe sechs Jahre darum bemüht hat. Deshalb ordnetedas Bundesministerium im Jahre 2006 und damit neunJahre nach der Beschaffung der Fächerecholotsysteme dieEntwicklung einer umfassenden, einheitlichen Peildaten-auswertungs-Software an.

Der Bundesrechnungshof ist der Auffassung, das Bundes-ministerium hätte in der Vergangenheit seine Fachauf-sicht konsequent ausüben und die notwendigen Entschei-dungen treffen müssen. Es kann sich von dieser Aufgabenicht entlasten, indem es eine Projektgruppe einrichtet.Der Bundesrechnungshof hat das Bundesministerium da-

her aufgefordert, das neue und ehrgeizige Projekt, eineumfassende und einheitliche Peildatenauswertungs-Soft-ware zu entwickeln, angemessen zu begleiten und einenzügigen Projektverlauf sicher zu stellen.

24 Länder und Gemeinden verlagern Kosten beim Bau von Geh- und Rad-wegen unzulässig auf den Bund

Die Straßenbauverwaltungen der Länder haben mit Bun-desmitteln an innerörtlichen Bundesstraßen überwiegendgemeinsame Geh- und Radwege gebaut, obwohl dies we-gen der gegenseitigen Behinderung und Gefährdung derunterschiedlichen Verkehrsteilnehmer die Ausnahme seinsoll. Eine wesentliche Ursache dieser Praxis ist der finan-zielle Vorteil der betroffenen Gemeinden, die bei dieserBauvariante keine eigenen Gehwege finanzieren müssen.Zudem nehmen die Straßenbauverwaltungen die Weige-rung vieler Gemeinden hin, die auf sie entfallenden Un-terhaltungskosten zu tragen. Allein in den geprüften Fäl-len trägt der Bund zu Unrecht Unterhaltungskosten vonrund 1,9 Mio. Euro bezogen auf die geschätzte Nutzungs-dauer der Wege.

Wie vom Bundesrechnungshof vorgeschlagen, will dasBundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwick-lung (Bundesministerium) in Abstimmung mit den Län-dern die bestehenden Regelungen über die Kostenteilungändern. Der Bau eines gemeinsamen Rad- und Gehwegessoll nur möglich sein, wenn die Gemeinde die Hälfte derKosten trägt. Es hat weiter angekündigt, mit einem Rund-schreiben an die Straßenbauverwaltungen der Länder aufdie Umsetzung der Regelungen zu dringen. Dies trägtdazu bei, bei der Entscheidung über den Bau von Radwe-gen der Verkehrssicherheit einen angemessenen Stellen-wert einzuräumen.

Der Blick auf die Vergangenheit zeigt aber, dass das Bun-desministerium die Straßenbauverwaltungen der Länderstärker kontrollieren muss.

25 Unzureichende Vorbereitung von Straßenbaumaßnahmen verursacht Mehrausgaben beim Bund in zweistelliger Millionenhöhe

Die Straßenbauverwaltungen der Länder bereiteten großeBaumaßnahmen mit Ausgaben von zusammen 1,5 Mrd.Euro nicht mit der gebotenen Sorgfalt vor. Insgesamt ent-standen vermeidbare Mehrausgaben in hoher zweistelli-ger Millionenhöhe zulasten des Bundes.

Weil die Straßenbauverwaltungen die Projekte mangel-haft vorbereitet hatten, mussten sie die Planungen wäh-rend der Ausführung ändern. Es kam zu gestörten Bauab-läufen und zu umfangreichen Nachträgen. Nachträge sindgrundsätzlich unwirtschaftlich, da die Preise für Nach-tragsleistungen nicht oder nur bedingt unter Wettbe-werbsbedingungen zustande kommen. Die Straßenbau-verwaltungen mussten auch Leistungen vergüten, die bei

Drucksache 16/XXXX – 26 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

einer einwandfreien Bauvorbereitung nicht erforderlichgewesen wären.

Die Straßenbauverwaltungen sind im Wege der Auftrags-verwaltung für den Bund tätig und verfolgen andere Inte-ressen als der Bund. Der Bund hat ein Interesse an einersorgfältigen, von den Ländern zu finanzierenden Bau-vorbereitung und einer damit einhergehenden wirtschaft-lichen Baudurchführung. Die Länder haben Interesse aneiner kostengünstigen Verwaltung und möglichst schnel-len Verwirklichung der Straßenbaumaßnahmen in ihremLand.

Dieser Zielkonflikt der Auftragsverwaltung begünstigtebei den geprüften Großprojekten die mangelhafte Bau-vorbereitung durch die Länder. Zudem beaufsichtigte dasBundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwick-lung (Bundesministerium) die Qualität der Bauvorberei-tungen nicht, sondern ließ die Straßenbauverwaltungengewähren.

Der Bundesrechnungshof hat das Bundesministerium auf-gefordert, bei den Ländern auf eine sorgfältige Bauvorbe-reitung seiner Baumaßnahmen hinzuwirken. Die vomBundesministerium ins Auge gefassten Qualitätssiche-rungssysteme weisen in die richtige Richtung.

Im Hinblick auf den Zielkonflikt zwischen Bundes- undLandesinteressen bei der Auftragsverwaltung hält derBundesrechnungshof eine Neuordnung des Fernstraßen-baus für sinnvoll, wie sie auch der Präsident des Bun-desrechnungshofes als Bundesbeauftragter für Wirt-schaftlichkeit in der Verwaltung in seinem Gutachten zurNeuordnung der Verwaltung im Bundesfernstraßenbaubereits vorgeschlagen hat. Danach sollte der Bund nurnoch die Bundesautobahnen in eigener Verantwortungbauen und betreiben.

26 Bund übernimmt finanzielles Risiko der Sanierung pechhaltiger Baustoffe aus Landesstraßen

Die Straßenbauverwaltungen der Länder haben in denvergangenen Jahren insgesamt mehr pechhaltige Straßen-baustoffe in Bundesfernstraßen eingebaut, als sie ausdiesen ausbauten. Der Mehreinbau stammte aus Landes-straßen. Die beim künftigen Wiederausbau dieser um-weltgefährdenden Stoffe entstehenden Sanierungskostenvon mehreren Millionen Euro jährlich muss der Bund alsEigentümer der Bundesfernstraßen tragen. Er übernimmtdamit ein erhebliches finanzielles Risiko.

Pechhaltige Baustoffe wurden bis in die 80er-Jahre imStraßenbau verwendet. Zurzeit werden bei Baumaßnah-men an Bundesfern- und Landesstraßen jährlich800 000 Tonnen dieser für Gesundheit und Umwelt ge-fährlichen Stoffe ausgebaut und nach aufwendiger Wie-deraufbereitung als Recycling-Baustoff erneut im Stra-ßenbau verwendet. Nach ihrem Einbau sind die Stoffenicht mehr gefährlich.

Die Mehrzahl der Straßenbauverwaltungen kann keineAngaben darüber machen, wie viel mehr pechhaltigesMaterial sie bei Bundesfernstraßen einbaute, als sie ausdiesen ausgebaut hat. Aus Sicht des Bundesrechnungsho-fes ist es daher notwendig, dass die Straßenbauverwaltun-gen umgehend beginnen, den Ein- und Ausbau nach Bun-desfern- und Landesstraßen differenziert aufzulisten. Dadie jetzige Verteilung der Sanierungskosten für den Bundeher nachteilig ist, liegt eine zügige Klärung im Interessedes Bundes. Das Bundesministerium muss zudem dafürsorgen, dass sich Bund und Länder zügig über den Um-gang mit möglichen Sanierungskosten verständigen, umeine finanzielle Benachteiligung des Bundes auszuschlie-ßen.

Der Bundesrechnungshof wird die Angelegenheit weiterbeobachten.

27 Wasser- und Schifffahrtsdirektionen erstatten dem Lotsbetriebsverein ungerechtfertigt Personalkosten

Die Wasser- und Schifffahrtsdirektionen Nord und Nord-west haben entgegen dem geltenden Besserstellungsver-bot dem Lotsbetriebsverein die gesamten Personalkostenerstattet. Die Beschäftigten des Vereins sind finanziellwesentlich besser gestellt, als vergleichbare Beschäftigteim öffentlichen Dienst oder in der deutschen Seefahrt.Der Bundesrechnungshof hat angemahnt, die Zahlungenan den Verein an den Tarifverträgen für die deutsche See-fahrt zu orientieren oder eine vollständige Privatisierunganzustreben.

Der Lotsbetriebsverein e. V. ist mit dem Lotswesen anden Küsten der alten Länder beauftragt. Hierfür erhältder Verein Aufwendungsersatz aus Bundesmitteln. Be-reits im Jahre 1999 hatte der Bundesrechnungshof dieAnwendung des Tarifrechts durch den Verein geprüftund festgestellt, dass der Verein sein Schiffspersonaldurch die Haustarifverträge besser stellte als die Tarif-verträge des öffentlichen Dienstes und tarifwidrig pau-schalierte Überstundenvergütungen zahlte. Im Jahre2003 hatte der Rechnungsprüfungsausschuss des Haus-haltsausschusses des Deutschen Bundestages (Rechnungs-prüfungsausschuss) das Bundesministerium für Verkehr,Bau und Stadtentwicklung (Bundesministerium) aufge-fordert, auf eine zeitgemäße Abgeltung der Überstundenhinzuwirken.

Eine erneute Prüfung des Bundesrechnungshofes imJahre 2005 ergab, dass der Verein auch weiterhin seinemSchiffspersonal tarifwidrig und unter Verstoß gegen haus-haltsrechtliche Vorschriften Überstundenvergütung, Unter-besetzungsvergütung sowie Verpflegungsgelder zahlte.

Das Bundesministerium und die Wasser- und Schiff-fahrtsdirektionen haben in Kenntnis der fehlerhaften An-wendungen der tariflichen und gesetzlichen Bestimmun-gen durch den Verein und der Aufforderung durch denRechnungsprüfungsausschuss keine nachhaltigen An-strengungen unternommen, diese Situation zu verändern.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 27 – Drucksache 16/XXXX

Der Bundesrechnungshof hat ein erhebliches finanziellesRisiko für den Bund darin gesehen, dass Bundesaufgabenohne Übergang der Arbeitgeber- und Kostenverantwor-tung auf einen tariffähigen Verein übertragen werden. Erhat empfohlen, die Haftungsfrage zu klären und darüberhinaus die vollständige Privatisierung dieses Bereichs zuuntersuchen.

28 Erfolg eines teuren IT-Projektes fünf Jahre nach Beginn fraglich

Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtent-wicklung (Bundesministerium) hat mehr als fünf Jahrelang kostenintensiv, aber weitgehend ergebnislos an ei-nem Projekt zur Online-Erfassung und -Abrechnung vonSchifffahrtsabgaben arbeiten lassen.

Das Bundesministerium erwartete von dem Projekt ei-nen hohen volkswirtschaftlichen Nutzen, wollte dafüretwa 1,4 Mio. Euro bereitstellen und beauftragte dieWasser- und Schifffahrtsverwaltung (WSV), noch imJahre 2000 die Anforderungen an die Software zu de-finieren. Die Projektarbeiten, Teil der eGovernment-Initiative „BundOnline 2005“, sollten im Jahre 2003 ab-geschlossen sein. In seiner Funktion als Auftraggeberübernahm das Bundesministerium die Leitung einer ei-gens eingerichteten Projektlenkungsgruppe, die über dieweitere Planung entscheiden, den Projektfortschritt ver-folgen sowie Planungsabweichungen genehmigen sollte.

Bis Ende des Jahres 2003 waren nicht einmal die Anfor-derungen an die Software definiert, obwohl 30 Projektsit-zungen stattgefunden hatten. Dabei waren mehr als 70 %des für das gesamte Projekt geplanten Personalaufwandssowie mehr als 50 % des geplanten Reisekosten-Budgetsverbraucht und allein für Sitzungen und Reisen mehr als150 000 Euro an Kosten entstanden. Von der Vielzahl dervon dem Projekt erwarteten Leistungen, insbesondereOnline-Tarifauskunft, automatisierter Datenaustausch mitden Schleusen, Online-Erfassung der Schifffahrtsabgabenund elektronische Übermittlung der Abgabenbescheide,soll im Jahre 2006 lediglich die so genannte Online-Tarifauskunft, aber auch diese nur im Probebetrieb ge-nutzt werden. Ende des Jahres 2005 entschied das Bun-desministerium, das Projekt zu beenden und mit einemanderen IT-Projekt unter Verantwortung der WSV zusam-menzulegen. Die Wirtschaftlichkeit des neuen IT-Projek-tes hat das Bundesministerium bisher nicht untersucht.

Nach Auffassung des Bundesrechnungshofes hat dasBundesministerium das IT-Projekt trotz des von ihmselbst als für die Binnenschifffahrt hoch eingeschätztenNutzens unzulänglich gesteuert und die Projektfort-schritte ungenügend überwacht. Trotz hoher Personal-und Sachkosten ist es ihm nicht gelungen, nach sechs Jah-ren das ursprünglich auf drei Jahre angelegte IT-Projekterfolgreich abzuschließen. Nur eine der erwarteten Leis-tungen kann – lediglich im Probebetrieb – genutzt werden.

Der Bundesrechnungshof hat das Bundesministerium auf-gefordert, bedeutsame IT-Projekte künftig aktiv zu steu-ern und umzusetzen. Seine Entscheidung für oder gegen

ein neues IT-Projekt zur Online-Erfassung und -Abrech-nung von Schifffahrtsabgaben sollte es von dem Ergebniseiner Wirtschaftlichkeitsuntersuchung abhängig machen.

Bundesministerium der Verteidigung

29 Neueinstellungen zum gehobenen Verwaltungsdienst übersteigen den Bedarf

Das Bundesministerium der Verteidigung (Bundesminis-terium) hat in den Jahren 2005 und 2006 für die Laufbahndes gehobenen nichttechnischen Verwaltungsdienstes ins-gesamt 113 Nachwuchskräfte über Bedarf eingestellt. Da-durch entstehen Mehrausgaben in Höhe von rund6,3 Mio. Euro.

Im Jahre 2003 ordnete der Bundesminister der Verteidi-gung an, den Umfang des zivilen Personals der Bundes-wehr bis zum Jahre 2010 um rund ein Drittel auf 75 000zurückzuführen. Dabei war noch nicht festgelegt, wiesich die beschlossenen Personalreduzierungen auf dieeinzelnen Laufbahnen auswirken.

Auf der Basis dieser Grundsatzentscheidung ermitteltedas Bundesministerium für die Jahre 2005 und 2006 ei-nen Bedarf von insgesamt 147 Nachwuchskräften für dieLaufbahn des gehobenen nichttechnischen Verwaltungs-dienstes. Dabei nahm es an, dass alle Laufbahnen gleich-mäßig von den Kürzungen betroffen sein werden. Esstellte schließlich insgesamt 260 Anwärterinnen und An-wärter ein.

Die 113 über den Bedarf hinaus eingestellten Kräfte ver-ursachen über die gesamte Ausbildungszeit Mehrausga-ben in Höhe von rund 6,3 Mio. Euro. Als Grund für dieerhöhten Einstellungszahlen führte das Bundesministe-rium u. a. an, Ausbildungseinrichtungen auslasten zuwollen.

Bislang ist nicht bekannt, wie sich die beschlossenen Per-sonalreduzierungen auf die einzelnen Laufbahnen auswir-ken. Solange dies nicht geklärt ist, hält es der Bundes-rechnungshof für angezeigt, dass das Bundesministeriumden Bedarf an Nachwuchskräften zurückhaltend berech-net. Die Gründe, die das Bundesministerium für seine er-höhten Einstellungsquoten angegeben hat, beruhen durch-gängig auf Mutmaßungen und sind daher abzulehnen.

30 Sanierung belasteter Böden auf dem Truppenübungsplatz Munster-Nord unwirtschaftlich und umwelt-gefährdend

Nach mehr als 20 Jahren Entwicklungszeit und Ausgabenvon mehr als 116 Mio. Euro arbeitet eine für die Sanie-rung belasteter Böden vorgesehene Verbrennungsanlageauf dem Truppenübungsplatz Munster-Nord immer nochnicht im Wirkbetrieb. Ein Gesamtkonzept für die Behand-lung von Kriegsaltlasten auf dem Truppenübungsplatz hat

Drucksache 16/XXXX – 28 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

die Bundeswehr nicht. Wirtschaftliche und umweltscho-nende Alternativen zur Sanierung der Böden hat sie nichtgeprüft.

Der Truppenübungsplatz Munster-Nord ist mit Kampf-mitteln aus beiden Weltkriegen belastet. Die im Erdreichbefindlichen Bomben, Granaten und andere Munition hatdie Bundeswehr weitestgehend geräumt und vernichtet.Durch Korrosion und andere Ursachen sind in denKampfmitteln enthaltene Chemikalien in den Boden ein-gedrungen. Der Truppenübungsplatz ist daher, vor allemmit Arsen, großflächig vergiftet. Selbst wenn nur hochbelastete Bereiche saniert würden, wären noch rund1,5 Millionen Tonnen Erdreich zu behandeln. 50 000 To-nnen belastete Erde hat die Bundeswehr bereits abgetra-gen und lagert sie in Kunststoffbehältern auf dem Trup-penübungsplatz.

Die Bundeswehr hatte kein Gesamtkonzept, wie sie diebelasteten Böden behandeln wollte. Sie plante, belastetesErdreich bei Temperaturen von 15 000 bis 20 000 Gradzu verglasen, um es unschädlich zu machen. Die dazu be-nötigte Verbrennungsanlage war seit dem Jahre 1985 inder Planung, seit dem Jahre 1994 im Bau, besitzt abernoch keine Betriebsgenehmigung. Bis zu Beginn des Jah-res 2005 waren dafür bereits Ausgaben von mehr als116 Mio. Euro angefallen. Die erwarteten Betriebskostenwürden jährlich mehr als 10 Mio. Euro betragen. Eswürde rund 200 Jahre dauern, um die 1,5 Millionen Ton-nen belastete Erde in der Anlage zu behandeln.

Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen zu einem vergleichbarbelasteten Gebiet in Rheinland-Pfalz belegen, dass Siche-rungsmaßnahmen allenfalls halb so viel kosten wie eineKomplettsanierung. Zudem wird die Umwelt weniger ge-schädigt, da auf Bodenbewegungen weitgehend verzich-tet werden kann. Bodenbewegungen führen dazu, dassChemikalien vermehrt ins Grundwasser gelangen.

Der Bundesrechnungshof hat beanstandet, dass die Bun-deswehr wirtschaftliche und umweltschonende Alternati-ven zur Komplettsanierung bzw. Verglasung des belaste-ten Erdreichs in Munster-Nord nicht geprüft hat. Anstattdas Gelände zu sichern, kann das belastete Material auchin Endlagern deponiert oder in herkömmlichen Verbren-nungsanlagen thermisch behandelt werden. Für letztereAlternative gibt es kostengünstige Angebote auf demfreien Markt.

Zunächst muss die Bundeswehr ein Gesamtkonzept zurBehandlung der Altlasten in Munster-Nord erarbeiten.Darin sollte die Bundeswehr auch die Kosten von Siche-rungsmaßnahmen – ähnlich wie in Rheinland-Pfalz – denKosten einer Sanierung gegenüberstellen. Aus allen ge-setzeskonformen und umweltschonenden Lösungen istdie wirtschaftliche auszuwählen.

31 Erhebliches Einsparpotenzial bei den Fahrschulen der Bundeswehr

Die Bundeswehr könnte jährlich mindestens 17 Mio. Euroeinsparen, wenn zivile Fahrschulen die Kraftfahrgrund-ausbildung für PKW und LKW durchführten.

Für die Kraftfahrgrundausbildung an Radfahrzeugen be-dient sich die Bundeswehr eigener Fahrschulen. Nach be-standener Fahrprüfung liegt die weiterführende militäri-sche Kraftfahrausbildung in der Verantwortung derEinheiten und Verbände. Zwei Modellversuche in den90er-Jahren ergaben keine Unterschiede zwischen derKraftfahrgrundausbildung in zivilen Fahrschulen und inBundeswehrfahrschulen.

Nach überschlägigen Berechnungen des Bundesrech-nungshofes beliefen sich allein die Personalkosten sowiedie Kosten für Betrieb und Unterhaltung der Fahrschul-fahrzeuge im Jahre 2004 auf rund 100 Mio. Euro. DieAusbildungskapazität der Fahrschulorganisation der Bun-deswehr für Radfahrzeuge war nur zu 66 % ausgelastet.Sofern zivile Fahrschulen die Kraftfahrgrundausbildungfür PKW und LKW über 7,5 t übernähmen, könnte dieBundeswehr jährlich mindestens 17 Mio. Euro einsparen.Weitere Kosten könnte sie reduzieren, wenn sie auch dieAusbildung in den übrigen Fahrerlaubnisklassen an pri-vate Unternehmen vergäbe.

Das Bundesministerium der Verteidigung beabsichtigt,die Anzahl der Dienstposten in den Fahrschulen zu ver-ringern. Weiterhin will die Bundeswehr ein Koopera-tionsmodell mit der Wirtschaft prüfen, bei dem zivileFahrlehrer in Bundeswehrfahrschulen tätig werden.

Nach Auffassung des Bundesrechnungshofes gehört dieKraftfahrgrundausbildung – im Gegensatz zur weiterfüh-renden Kraftfahrausbildung – nicht zu den Kernaufgabender Bundeswehr. Eine eigene Fahrschulorganisation fürdie Kraftfahrgrundausbildung in der Bundeswehr ist nichtnotwendig. Wenn die Bundeswehr die Kraftfahrgrundaus-bildung an zivile Fahrschulen gibt, reduzieren sich dieKosten, ohne dass sich die Ausbildungsqualität ver-schlechtert. Zudem werden die bislang in der Fahrschul-organisation beschäftigten Soldatinnen und Soldaten freifür Kernaufgaben der Bundeswehr.

Der Bundesrechnungshof empfiehlt, Interessenbekun-dungsverfahren durchzuführen und zu prüfen, welchewirtschaftlichen Vorteile sich ergeben, wenn die Bundes-wehr die Kraftfahrgrundausbildung vollständig an privateUnternehmen vergibt.

32 Zu lange Entwicklungszeiten für eine Einrichtung zur Dekontamination Verwundeter und für ein Hautentgiftungsmittel

Obwohl die Bundeswehr bereits im Juli 1992 mit Planun-gen für neue Einrichtungen zur Dekontamination vonVerwundeten begonnen hat, verfügt sie noch nicht übereine dem Stand der Technik entsprechende Einrichtung.Wegen Planungsmängeln hat sie seit dem Jahre 2000kein Hautentgiftungsmittel.

Wenn Soldatinnen und Soldaten durch atomare Kampf-stoffe verstrahlt, durch biologische verseucht oder durchchemische vergiftet werden, müssen sie möglichst schnellentstrahlt, entseucht bzw. entgiftet (dekontaminiert) wer-den.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 29 – Drucksache 16/XXXX

Seit dem Jahre 1992 plante die Bundeswehr eine Einrich-tung zur Dekontamination Verwundeter. Im Jahre 1999lagen konkrete Leistungsanforderungen für eine „Dekon-taminationsausstattung Sanitätseinheit 2000“ sowie ent-sprechende Angebote der Industrie vor. Nach einemZuständigkeitswechsel vom Heer zum Zentralen Sanitäts-dienst der Bundeswehr begann dieser im Jahre 2003 mitneuen eigenen Planungen. Die vorliegenden Erkenntnissedes Heeres ließ er dabei weitgehend unberücksichtigt. Bisheute verfügt die Bundeswehr nicht über eine dem Standder Technik entsprechende Einrichtung zur Dekontamina-tion verwundeter Soldatinnen und Soldaten.

Seit dem Jahre 2000 steht der Bundeswehr kein Hautent-giftungsmittel für C-Waffen mehr zur Verfügung. Zu die-sem Zeitpunkt war das Haltbarkeitsdatum des bis dahingenutzten Mittels abgelaufen. Ein von anderen NATO-Streitkräften genutztes Hautentgiftungsmittel hielt dieBundeswehr im Jahre 1999 trotz positiver Vergleichsstu-dien für ungeeignet. Stattdessen begann die Bundeswehr,ein eigenes Mittel zu entwickeln. Dieses steht frühestensab dem Jahre 2010 zur Verfügung. Mitte des Jahres 2005entschloss sich die Bundeswehr, das im Jahre 1999 fürungeeignet befundene Hautentgiftungsmittel dennoch alsZwischenlösung zu verwenden. Das eingeleitete medizin-produktrechtliche Zulassungsverfahren ist inzwischen ab-geschlossen; das Mittel ist jedoch noch nicht eingeführt.Die Soldatinnen und Soldaten gehen daher weiterhinohne Hautentgiftungsmittel in den Einsatz.

Der Bundesrechnungshof hat beanstandet, dass die Bun-deswehr

● wegen jahrelanger, nicht hinreichend aufeinander ab-gestimmter Entwicklungen immer noch nicht übereine geeignete Einrichtung zur Dekontamination Ver-wundeter verfügt und

● wissentlich in Kauf nimmt, dass ihre Soldatinnen undSoldaten jahrelang ohne ein Hautentgiftungsmitteleingesetzt werden.

Der Bundesrechnungshof hat das Bundesministerium derVerteidigung aufgefordert, die Entwicklungs- und Be-schaffungsprozesse für die Einrichtungen zur Dekontami-nation Verwundeter und eines Hautentgiftungsmittels zubeschleunigen. Dazu sollte es insbesondere vorhandeneErkenntnisse aller Teilstreitkräfte und Organisationsbe-reiche konsequent nutzen, um anerkannten Bedarf wirt-schaftlich und schnell zu decken.

33 Bundeswehr investiert 17 Mio. Euro in nicht ausgelastete Galvanikanlage

Die Bundeswehr hat eine Anlage zur Behandlung vonOberflächen technischer Bauteile (Galvanikanlage) fürbislang rund 17 Mio. Euro umgebaut und erweitert, ob-wohl die Anlage seit Jahren nicht ausgelastet ist. Der Be-darf an Galvanikleistungen wird künftig noch weiterabnehmen. Insgesamt betreibt die Bundeswehr siebenGalvanikanlagen ohne ein gemeinsames Betriebskonzept.

In Galvanikanlagen werden u. a. Gegenstände in chemi-schen Bädern mit metallischen Schichten überzogen. DieEinrichtung und der Betrieb derartiger Anlagen, die in derRegel aus mehreren Bädern und Badstraßen bestehen,sind sehr teuer. Die Bundeswehr setzt ihre Galvanikanla-gen im Rahmen der Instandsetzung von Geräten und Bau-teilen ein.

Der Bundesrechnungshof prüfte den Umbau und die Er-weiterung der Galvanikanlage einer Instandsetzungsein-richtung der Luftwaffe (Luftwaffenwerft) in Ummendorf,Baden-Württemberg. Diese Arbeiten dauern seit mehr alszehn Jahren an und haben bislang rund 17 Mio. Euro ge-kostet. Während der gesamten Zeit war die Anlage tech-nisch nicht ausgelastet. Die ungenügende Auslastung warspätestens zu Beginn der Bauphase erkennbar. Wegen desdeutlich abnehmenden Instandsetzungsaufkommens derWerft wird sich diese Situation künftig noch verschärfen.

Die Bundeswehr betreibt insgesamt sieben Galvanikanla-gen. Sie hat aber bislang kein umfassendes Konzept füralle Teilstreitkräfte und Organisationsbereiche, das einenwirtschaftlichen Betrieb der Anlagen sicherstellt.

Der Bundesrechnungshof hat daher ein Gesamtkonzeptfür alle bundeswehreigenen Galvanikanlagen gefordert.Dazu soll die Bundeswehr auch prüfen, inwieweit es wirt-schaftlich ist, Galvanikleistungen von Unternehmen derPrivatwirtschaft einzukaufen. Für die Luftwaffenwerft inUmmendorf hat der Bundesrechnungshof empfohlen, biszum Vorliegen des Gesamtkonzepts die Anlage besserauszulasten, indem sie Aufträge Dritter ausführt, wenndies wirtschaftlich ist.

34 Einsparmöglichkeiten bei der Ausstattung mit Hubschraubern für bewaffnete Rettungs- und Spezialkräftemissionen

Entgegen dem erklärten Ziel der Bundeswehr, bei ver-gleichbaren Aufgaben gemeinsame Lösungen für Heer,Luftwaffe und Marine zu suchen, hat sie es den einzelnenTeilstreitkräften überlassen, Fähigkeiten zur bewaffnetenRettung und Rückführung sowie zu Spezialeinsätzen imFeindgebiet mit Hubschraubern aufzubauen. Dies führtdazu, dass mehr Hubschrauber beschafft werden sollen,als insgesamt notwendig sind.

Die Bundeswehr baut derzeit Fähigkeiten zur bewaffne-ten Rettung und Rückführung sowie zu Spezialeinsätzenim Feindgebiet auf. Sie benötigt dazu besonders ausge-rüstete Hubschrauber und entsprechend ausgebildeteHubschrauberbesatzungen. Nach der Konzeption derBundeswehr soll sie bei vergleichbaren Aufgaben streit-kräftegemeinsame Lösungen suchen. Im vorliegendenFall verfolgten Heer, Luftwaffe und Marine aber jeweilseigene Pläne. Eine Prüfung des Bundesrechnungshofesim Jahre 2004 zeigte, dass die jeweiligen Anforderungenan die Hubschrauber viele Gemeinsamkeiten aufwiesen.Insbesondere waren die diesbezüglichen Anforderungender Luftwaffe und der Spezialkräfte des Heeres nahezu

Drucksache 16/XXXX – 30 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

identisch. Dies galt auch für die von den Besatzungen zubeherrschenden fliegerischen Verfahren.

Der Bundesrechnungshof hat darauf hingewiesen, dassfür derartige Einsätze ausgerüstete Hubschrauber wegenihrer hohen Beschaffungs- und Betriebskosten eine kriti-sche Ressource darstellen. Das Gleiche gilt wegen derspeziellen fliegerischen Ausbildung für die Hubschrau-berbesatzungen. Umso mehr müsste die Bundeswehr denstreitkräftegemeinsamen Ansatz beachten, den die Kon-zeption der Bundeswehr grundsätzlich verlangt. DieserAnsatz fand sich in den Konzeptionen der Teilstreitkräfteaber nicht wieder.

Schon bei überschlägiger Berechnung verringern streit-kräftegemeinsame Lösungen den Bedarf an Hubschrau-bern und Besatzungen deutlich. So reicht beispielsweiseder von der Luftwaffe geltend gemachte Bedarf an spe-ziell ausgestatteten Hubschraubern aus, um auch die For-derungen der Spezialkräfte des Heeres in dieser Hub-schrauberkategorie zu erfüllen. Das Heer könnte soerheblich entlastet werden.

Der Bundesrechnungshof hat empfohlen, schnell zu rea-gieren und die derzeitige Situation zu nutzen. Solangenoch nicht alle Aufgaben, Zuständigkeiten, Verfahren so-wie personelle und materielle Ausstattungen für die Spe-zialeinsätze festgeschrieben sind, besteht noch Raum fürgemeinsame Lösungen. Der von der Konzeption der Bun-deswehr geforderte streitkräftegemeinsame Ansatz sollteverwirklicht und der Aufbau von Mehrfachkapazitätenvermieden werden.

35 Einsatz militärischer Hubschrauber für den Such- und Rettungsdienst in Deutschland zu teuer

Der von der Bundeswehr seit 50 Jahren betriebene Such-und Rettungsdienst (SAR [Search and Rescue]-Dienst)für Notfälle ziviler und militärischer Luftfahrzeuge solltevon zivilen Kräften übernommen werden, die dies we-sentlich kostengünstiger leisten könnten.

Historisch bedingt betreibt die Bundeswehr seit demJahre 1956 einen Such- und Rettungsdienst mit militäri-schen Hubschraubern und militärischen Besatzungen.Dieser Dienst wurde ursprünglich für Notfälle von Mili-tärflugzeugen in Deutschland eingerichtet. Die Bundes-wehr unterhält für den SAR-Dienst zehn Stützpunkte mitje einem Hubschrauber sowie zwei Leitstellen.

Der Bundesrechnungshof prüfte den SAR-Dienst imJahre 2004. In Deutschland kommt der SAR-Dienst in-zwischen weit überwiegend bei zivilen Notfällen zumEinsatz. Diese Hilfe könnten zivile Rettungsdienste kos-tengünstiger leisten, u. a. weil die von der Bundeswehreingesetzten Hubschrauber wesentlich teurer sind als dieder zivilen Dienste. Die künftig für SAR vorgesehenenMilitärhubschrauber sind in der Anschaffung und im Be-trieb noch einmal um ein Mehrfaches teurer. Nachbar-staaten und Verbündete verwenden für ihre inländischenSAR-Dienste daher zivile Hubschrauber. Es ist sachlich

nicht mehr gerechtfertigt und unwirtschaftlich, den SAR-Dienst in Deutschland mit Militärhubschraubern der Bun-deswehr zu betreiben.

Für Notfälle mit zivilen Flugzeugen und Hubschraubernist grundsätzlich das Bundesministerium für Verkehr, Bauund Stadtentwicklung zuständig. Dieses erstattet demBundesministerium der Verteidigung aber keine Kostenfür den SAR-Dienst, obwohl der Dienst fast ausschließ-lich in zivilen Notfällen hilft.

Der Bundesrechnungshof hat daher empfohlen, dass diebeteiligten Ministerien den SAR-Dienst in Deutschlandnach wirtschaftlichen Gesichtpunkten reorganisieren. Da-bei sind auch die übrigen Rettungsorganisationen undkommerzielle Betreiber einzubeziehen. Militärhub-schrauber sollten nur für originäre Aufgaben der Bundes-wehr eingesetzt werden.

36 Fehlerhafte Auswertung eines Pilot-projektes verteuert die Instandsetzung von Kampfflugzeugen

Aufgrund eines Pilotprojektes hat die Luftwaffe finanziellbedeutsame Rahmenverträge für Instandsetzungsarbeitengeändert, ohne die zwischenzeitlich stark gesunkene An-zahl von Kampfflugzeugen zu berücksichtigen. Die mitden Änderungen erreichte Verkürzung der Instandset-zungszeiten war damit nicht mehr notwendig. Die geän-derten Rahmenverträge hatten aber zu Preissteigerungenvon teilweise über 50 % geführt.

Die Luftwaffe lässt hochwertige Ersatzteile von Kampf-flugzeugen auch bei zivilen Unternehmen instand setzen.Dazu schloss sie Rahmenverträge mit den Unternehmen.Die Bundeswehr ersetzt diese so genannten Austausch-teile während der Dauer ihrer Instandsetzung durch zu-sätzliche gleiche Bauteile, die in einem Ersatzteilkreislaufvorgehalten werden.

Mit einem Pilotprojekt untersuchte die Luftwaffe, obAustauschteile schneller instand gesetzt und damit bishe-rige Versorgungsengpässe beseitigt werden können. Dazuänderte sie mehrere Rahmenverträge und konnte kürzereInstandsetzungszeiten erreichen. Da die Luftwaffe ihreKampfflugzeugflotte während der Projektlaufzeit starkverkleinerte, waren inzwischen jedoch ausreichendErsatzteile verfügbar. Die erzielte Verkürzung der In-standsetzungszeiten war damit nicht mehr notwendig;zwischen 18 % und 59 % höhere Preise waren aber ver-einbart. Zudem hatte die Luftwaffe die Leistungen nichtim Wettbewerb vergeben.

Auf die Beanstandungen des Bundesrechnungshofes hinhat das Bundesministerium der Verteidigung (Bundes-ministerium) mitgeteilt, es werde künftig die Instandset-zungszeiten und die Höhe der Kreislaufreserve dem Be-darf anpassen.

Der Bundesrechnungshof hat das Bundesministerium da-rüber hinaus aufgefordert, künftig die Ergebnisse vonPilotprojekten mit Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen zuüberprüfen, bevor es finanziell bedeutsame Maßnahmen

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 31 – Drucksache 16/XXXX

daraus ableitet. Im Übrigen muss das BundesministeriumSorge dafür tragen, dass bei der Vergabe von Instandset-zungsleistungen der Wettbewerb sichergestellt ist.

37 Zu wenig Wettbewerb bei Luft-transporten nach Afghanistan

In den Jahren 2003 bis 2005 hat die Bundeswehr für Luft-transporte nach Afghanistan rund 100 Mio. Euro ausge-geben und dabei den Wettbewerb der Anbieter unnötigeingeschränkt. Ein intensiverer Wettbewerb hätte zugünstigeren Angeboten für die Transporte führen können.

Rund 100 Mio. Euro gab die Bundeswehr in den Jahren2003 bis 2005 für zivile Lufttransporte nach Afghanistanaus, um die ISAF-Mission der Bundeswehr zu versorgen.Entgegen den Empfehlungen des Bundesrechnungshofesaus dem Jahre 2002 schränkte sie bei den Ausschreibun-gen für die Transporte den Wettbewerb ein. So grenztenüberhöhte technische Forderungen die einsetzbaren Flug-zeugtypen stark ein. Da die Bundeswehr ihre Transport-aufträge nicht in Lose aufteilte, schloss sie kleinereAnbieter aus. Zu weniger Wettbewerb führten auch über-zogene Vorgaben zum Transportvolumen und für die Fris-ten zwischen Bestellung und Lieferung. Die Bundeswehrverhinderte so einen intensiveren Wettbewerb mit mehrAnbietern, durch den niedrigere Preise hätten erzielt wer-den können.

Der Bundesrechnungshof stellte weiter fest, dass dieLufttransporte von und nach Afghanistan überwiegendschlecht ausgelastet waren. Durch bessere Koordinationdes Transportbedarfs könnten daher erhebliche Haus-haltsmittel eingespart werden, weil einzelne Flüge bereits200 000 Euro kosten.

Zudem wies der Bundesrechnungshof die Bundeswehrdarauf hin, dass die mit den Transporten befassten Be-schäftigten durch ihre vielfältigen Kontakte zu Unterneh-men besonders korruptionsgefährdet sind und hier dieRichtlinie der Bundesregierung zur Korruptionspräven-tion nicht vollständig umgesetzt war.

38 Kontinuierliches Verbesserungs-programm der Bundeswehr erzielt nur geringe Akzeptanz

Die Bundeswehr hat ab dem Jahre 1996 ein so genanntes„Kontinuierliches Verbesserungsprogramm“ (KVP) ein-geführt, das bei den Beschäftigten nur eine geringeAkzeptanz erzielt hat. Die Anzahl der Verbesserungsvor-schläge ging deutlich zurück.

Den Übergang vom herkömmlichen Vorschlagwesen zumKVP steuerte die Bundeswehr unzureichend. Sie ließ zu,dass ihre fünf militärischen Organisationsbereiche Heer,Luftwaffe, Marine, Streitkräftebasis und Zentraler Sani-tätsdienst unkoordiniert eigene Verfahren entwickelten.

Für die Umsetzung des KVP richtete die Bundeswehru. a. Koordinierungsstellen ein. Um deren Personalbedarfzu ermitteln, wandte die Bundeswehr nicht die vorge-

schriebenen Verfahren an. Insgesamt betrieb die Bundes-wehr für das KVP einen wesentlich höheren Verwaltungs-aufwand als für das frühere Vorschlagwesen. Darüberhinaus hatte das KVP Schwachstellen bei der Fachauf-sicht, dem Berichtswesen und der Prämienberechnung.

Das KVP stieß bei vielen Beschäftigten – auch bei Füh-rungskräften – auf Kritik. Die Beschäftigten störten sichinsbesondere an Verfahrensmängeln wie langen Bearbei-tungszeiten und unzureichender Transparenz der Ent-scheidungen. Seit dem Jahre 2000 ging die Anzahl derVorschläge in den militärischen Organisationsbereichender Bundeswehr kontinuierlich zurück.

Das Bundesministerium der Verteidigung hat die aufge-zeigten Mängel im Wesentlichen eingeräumt und Maß-nahmen eingeleitet, um sie zu beseitigen. So will sie eineZentrale Dienstvorschrift herausgeben, damit das KVP inder Bundeswehr wirtschaftlich und einheitlich umgesetztwird.

Angesichts der selbst bekundeten Schwierigkeiten derBundeswehr, ihre nötigsten Investitionen zu finanzieren,müsste das Vorschlagwesen gerade für das Verteidigungs-ressort besonders wichtig sein. Auch nach Auffassungdes Bundesrechnungshofes könnte die Kreativität der Be-schäftigten spürbar dazu beitragen, die hohen Betriebs-,Verwaltungs- und Personalkosten im Geschäftsbereich zuverringern, damit mehr Mittel für Investitionen frei wer-den. Der Bundesrechnungshof hat daher eine schnelleUmsetzung der angekündigten Maßnahmen gefordert.

39 20 Mio. Euro zu viel für die Beschaffung von Präzisionsbomben ausgegeben

Die Bundeswehr hat rund 20 Mio. Euro zu viel ausgege-ben, weil sie Rüstsätze für Präzisionsbomben über ihrenBedarf hinaus beschaffte und nicht den günstigsten An-bieter auswählte.

Die Bundeswehr beabsichtigte, einen Teil der für dasKampfflugzeug Tornado bevorrateten, ungelenkten Bom-ben mit Steuervorrichtungen für zielgenaue Abwürfe auf-zurüsten. Sie plante daher, für insgesamt 71 Mio. Eurodie benötigen Rüstsätze für den Präzisionsabwurf zu be-schaffen.

Im Jahre 2001 entschied die Bundeswehr, die Anzahl derKampfflugzeuge, die diese Bomben einsetzen sollen, inetwa zu halbieren. Bis dahin hatte die Bundeswehr bereitszwei Lose mit insgesamt 80 % der Gesamtmenge anRüstsätzen beauftragt. Im Jahre 2002 bestellte sie auchdas dritte Los mit den übrigen 20 % für 16 Mio. Euro.

Die Bundeswehr ließ die Rüstsätze in Deutschland in Li-zenz fertigen, obwohl sie beim amerikanischen Hersteller3,6 Mio. Euro weniger gekostet hätten. Dabei hatte derHersteller

● zum Ausgleich der Handelsbilanz Geschäfte für deut-sche Unternehmen in voller Auftragshöhe in Aussichtgestellt,

● eine geringere Vorauszahlung als sein Konkurrent ge-fordert und

Drucksache 16/XXXX – 32 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

● im Gegensatz zu seinem Konkurrenten einen festenStückpreis über die gesamte Laufzeit angeboten.

Nach Auffassung des Bundesrechnungshofes hätte dieBundeswehr zumindest auf das dritte Los Rüstsätze ver-zichten müssen. Wenn die Anzahl der Flugzeuge, die dieWaffe einsetzen sollen, derart stark verringert wird, musssich dies – bei ansonsten gleichen Parametern – auch aufden Bedarf an Bomben auswirken. Darüber hinaus hat dieBundeswehr die Angebote falsch ausgewertet und soMehrausgaben von 3,6 Mio. Euro verursacht.

Das Bundesministerium der Verteidigung sollte klären,wer für den Schaden von insgesamt rund 20 Mio. Euroverantwortlich ist, damit sich die aufgezeigten Mängelnicht wiederholen.

40 Fallschirmspringen künftig belastungsgerecht abgelten

Die Bundeswehr hat Fallschirmspringerinnen und Fall-schirmspringern kontinuierlich eine Erschwerniszulagegewährt, obwohl die Erschwernisse nur zeitweise bestan-den.

Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr erhalten fürdas Fallschirmspringen eine Erschwerniszulage. Die Zu-lage wird monatlich gewährt, obwohl die Erschwernissenur in wenigen Monaten oder in vielen Fällen auch nur anwenigen Tagen eines Jahres bestehen. Soldatinnen undSoldaten der Bundeswehr müssen nur viermal, Beamtin-nen und Beamte der Bundespolizei müssen dagegenzwölfmal jährlich mit dem Fallschirm abspringen, umihre Sprungberechtigung und ihren Zulagenanspruch zuerhalten.

Soldatinnen und Soldaten, die sich neben einer anderwei-tigen Verwendung oder während eines Lehrgangs inÜbung halten müssen, haben die gleiche Anzahl anPflichtsprüngen zu erbringen wie die aktiven Fallschirm-springer der Bundeswehr. Sie erhalten dafür jedoch einedeutlich geringere Zulage.

Der Bundesrechnungshof empfiehlt, die Anspruchsvo-raussetzungen für die Erschwerniszulage einheitlich zuregeln und dabei die jeweiligen Besonderheiten desSprungdienstes angemessen zu berücksichtigen. Die be-sondere körperliche und psychische Belastung des Fall-schirmspringens sollte mit einer Zulage abgegolten wer-den, wenn die Belastungen tatsächlich vorliegen. FürBelastungen, die nur von Zeit zu Zeit eintreten, bietet sicheine sprungweise Abgeltung als sachgerecht an. Damitinsgesamt keine Mehrausgaben für den Bundeshaushaltentstehen, sollte die Anzahl der abgeltungsfähigen Fall-schirmsprünge begrenzt werden.

41 Gesundheitsmodernisierungsgesetz nicht wirkungsgleich auf das System der Beihilfe übertragen

Das Bundesministerium der Verteidigung (Bundesminis-terium) hat das Gesetz zur Modernisierung der gesetzli-

chen Krankenversicherung entgegen einer Forderung desDeutschen Bundestages nicht wirkungsgleich auf dasSystem der Beihilfe für Beamtinnen und Beamte übertra-gen. Dadurch ist es zu ungerechtfertigten Beihilfeleistun-gen in Millionenhöhe gekommen

Beamtinnen und Beamte haben Anspruch auf Beihilfenfür ihre Aufwendungen im Krankheitsfall. Von ihremDienstherrn erhalten sie einen Teil ihrer Ausgaben alsBeihilfe erstattet. Der Deutsche Bundestag hat die Bun-desregierung aufgefordert, die „Be- und Entlastungendurch das GKV-Modernisierungsgesetz“ wirkungsgleichin die Beihilfe- und Versorgungsregelungen zu übertra-gen. Mit der Änderung der Beihilfevorschriften des Bun-des zum 1. Januar 2004 werden Beihilfeberechtigte durchZuzahlungen und Eigenanteile vergleichbar belastet wiegesetzlich Krankenversicherte.

Der Bundesrechnungshof hat mit Unterstützung der Prü-fungsämter des Bundes festgestellt, dass im Geschäftsbe-reich des Bundesministeriums die geltenden Vorschrif-ten und Regelungen zum Eigenbehalt, der so genanntenPraxisgebühr, und zu den Aufwendungen für nicht ver-schreibungspflichtige Arzneimittel nicht wirkungsgleichangewendet werden. So wurde für den Bereich der Bei-hilfestelle der Wehrbereichsverwaltung West für das Jahr2004 eine Beihilfeleistung für nicht verschreibungspflich-tige Arzneimittel in Höhe von 5,5 Mio. Euro ermittelt, dieerstattet wurden, obwohl die Aufwendungen nicht beihil-fefähig waren. Da auch die übrigen drei Wehrbereichsver-waltungen entsprechend dem Erlass des Bundesministe-riums verfahren, geht der Bundesrechnungshof voneinem erheblich höheren Betrag an zu viel erstatteter Bei-hilfe aus.

Der Bundesrechnungshof hält die im Geschäftsbereichdes Bundesministeriums festgestellten Abweichungen beider Erstattung der Kosten für Praxisgebühr und nicht bei-hilfefähige Medikamente für nicht akzeptabel. Mit einerNeuregelung der Beihilfevorschrift soll künftig sicherge-stellt werden, dass Beihilfen für Bundesbeamtinnen undBundesbeamte in Krankheitsfällen einheitlich gewährtwerden.

Das Bundesministerium bleibt aufgefordert, zu einer bun-deseinheitlichen Verfahrensweise bei den Zuzahlungs-regelungen und Eigenanteilen der Beihilfeberechtigtenzurückzukehren.

Bundesministerium für Gesundheit

42 IT-Insellösungen für die Personal- und Stellenverwaltung unwirtschaftlich

Das Bundesministerium für Gesundheit (Bundesministe-rium) nutzt in seinem Geschäftsbereich für etwa 2 500 Be-schäftigte sechs unterschiedliche Personal- und Stellen-verwaltungssysteme (PSV-Systeme). Seine bereits vorfast zehn Jahren erklärte Absicht, ein standardisiertesPSV-System einzuführen, hat es nicht umgesetzt. Einheit-liche, in der Bundesverwaltung bereits seit Jahren vor-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 33 – Drucksache 16/XXXX

handene standardisierte Systeme könnten die Effizienzder Personalverwaltung erhöhen.

Die Bundesregierung beschloss im Jahre 1996 im Rah-men ihres Programms zur Verschlankung des Staatesu. a., IT-gestützte Verfahren im Organisations- und Per-sonalbereich von einzelnen Ressorts als einheitlichenStandard für die Bundesverwaltung entwickeln zu lassen(„Einer-für-Alle“; sog. EfA-Prinzip). Bis zum Jahre 1999standen zwei standardisierte PSV-Systeme zur Verfü-gung.

Das Bundesministerium beabsichtigte im Jahre 1996, einsolches PSV-System in seinem Geschäftsbereich einzu-führen, hatte hierüber aber bis zur Prüfung des Bundes-rechnungshofes im Jahre 2005 keine Entscheidung ge-troffen. Stattdessen verwalteten die Behörden desGeschäftsbereiches ihre Personal-, Stellen- und Dienst-postendaten mit Hilfe nicht kompatibler Software sowieteilweise ohne IT-Unterstützung. Das Bundesministeriumerfasste gleiche Daten mehrfach, in verschiedenen einzel-nen Datenbanken und mit Hilfe von Tabellen. Erforder-liche Berichte aus dem uneinheitlichen Datenbestand er-stellte das Bundesministerium manuell und mitentsprechendem Personalaufwand.

Nach Auffassung des Bundesrechnungshofes hat das Bun-desministerium seine Fachaufsicht vernachlässigt, indemes zugelassen hat, dass sich in seinem Geschäftsbereichnicht miteinander verträgliche IT-Lösungen entwickelnkonnten. Außerdem hat es gegen das Wirtschaftlichkeits-gebot verstoßen und die Vorteile des EfA-Prinzips nichtgenutzt, die insbesondere in Effizienzgewinnen und Kos-teneinsparungen durch zentrale Entwicklungen sowie inQualitätsverbesserungen bestehen und damit zu Personal-kosteneinsparungen hätten führen können.

Das Bundesministerium sollte eine IT-Gesamtstrategiefür das Ressort erarbeiten, im Rahmen von dieser prüfen,ob eine kurz- oder eine mittelfristige Umstellung auf einStandard-PSV-System wirtschaftlich ist, und dieses so-dann unverzüglich einführen. Es sollte künftig bei seinenWirtschaftlichkeitsuntersuchungen über die Einführungvon anderen IT-Systemen verstärkt bereits in der Bundes-verwaltung vorhandene Standard-IT-Entwicklungen be-rücksichtigen.

Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit

43 Lieferung zu teurer Informations-technik auf der Grundlage eines IT-Dienstleistungsvertrages

Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz undReaktorsicherheit (Bundesministerium) hat den größtenTeil seiner Hard- und Software auf der Grundlage einesIT-Dienstleistungsvertrages beschafft, ohne die Lieferun-gen vorher auszuschreiben. Außerdem hat es aufgrundeiner methodisch falschen Wirtschaftlichkeitsuntersu-chung die IT-Ausstattung gemietet, obwohl es funktional

gleichwertige Geräte über 20 % günstiger oder für fast500 000 Euro weniger hätte kaufen können.

Das Bundesministerium hat Ende des Jahres 2000 IT-Dienstleistungen ausgeschrieben, im Rahmen dieser Aus-schreibung die Preise für die Lieferungen von zwei Ser-vern und 20 Computern angefragt und anschließend einenIT-Dienstleistungsvertrag abgeschlossen, der eine Optionzum Erwerb dieser Hardware enthielt. In der Folgezeitbestellte es auf der Grundlage dieses Vertrages mehr als30 Server, hunderte von Computern und andere IT-Aus-stattung für über 800 Arbeitsplätze, ohne die das Angebotübersteigenden Lieferungen erneut auszuschreiben. Zu-dem hat es sich aufgrund einer methodisch falschen Wirt-schaftlichkeitsuntersuchung für Miete anstatt für Kaufentschieden. Es hat die Geräte sodann bis zu vier Jahregemietet und hierfür insgesamt über 2,3 Mio. Euro zuzahlen. Funktional gleichwertige Geräte hätte es nach dengeltenden Rahmenverträgen des Bundes für etwa1,8 Mio. Euro kaufen können.

Das Bundesministerium hat als öffentlicher Auftraggeberinsoweit gegen das Vergaberecht verstoßen, als es denüberwiegenden Teil seiner IT-Ausstattung beschafft hat,ohne diese vorher auszuschreiben. Es hätte die Lieferun-gen als Hauptleistung erneut und bei Überschreiten desSchwellenwertes EU-weit ausschreiben müssen. Außer-dem hätte das Bundesministerium die Wirtschaftlichkeitder Alternativen Kauf oder Miete nach der in der Bundes-verwaltung geltenden Untersuchungsmethode und auf derGrundlage marktnaher Daten ermitteln sollen. Durch dieEntscheidung, die Hard- und Software zu mieten statt zukaufen, hat es vermeidbare Mehrausgaben verursacht undgegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen.

Das Bundesministerium sollte versuchen, die Mehrauf-wendungen für Miete zu reduzieren und dazu u. a. dieMietverträge zum nächstmöglichen Zeitpunkt kündigenbzw. nicht verlängern und die gemietete IT-Ausstattungmöglichst zu einem günstigen Restkaufwert übernehmensowie länger als bis zum Ablauf der gewöhnlichen Nut-zungsdauer von fünf Jahren nutzen. Außerdem muss dasBundesministerium künftig Hard- und Software grund-sätzlich nach dem geltenden Vergaberecht im Wettbewerbbeschaffen. Die wirtschaftliche Lösung zur Beschaffungseiner IT-Ausstattung sollte es auf der Grundlage einer inder Bundesverwaltung üblichen Wirtschaftlichkeitsunter-suchung und einer mindestens fünfjährigen Nutzungs-dauer ermitteln und sicherstellen, dass auch in seinemGeschäftsbereich entsprechend verfahren wird.

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

44 Vertrags- und Zuwendungsrecht willkürlich angewendet

Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauenund Jugend (Bundesministerium) hat Dritte beauftragt,Förderprogramme des Kinder- und Jugendplans umzuset-

Drucksache 16/XXXX – 34 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

zen. Es hat dabei die Bestimmungen des Vertrags- undZuwendungsrechts nicht ausreichend beachtet.

Das Bundesministerium hat das Umsetzen der Förderpro-gramme im Wettbewerb vergeben. Bei Ausschreibungenkoppelte es das Betreiben einer sogenannten Regiestellemit einem Konzeptwettbewerb. Die Bieter waren aufge-fordert, die beiden Leistungen in einem Angebot vorzule-gen. Da die Bieter unterschiedliche Feinkonzepte entwi-ckelt hatten, waren die Angebote nicht vergleichbar unddamit die Auswahl des wirtschaftlichen Angebots beein-trächtigt.

Das Bundesministerium hat zudem die in der Ausschrei-bung enthaltene Leistung, Fördermittel an einzelne Pro-jektträger weiterzuleiten, nicht in den Vertrag aufgenom-men. Da es den Angebotspreis aber nicht entsprechendreduzierte, vergütete es diese Leistung de facto dennoch.Gleichzeitig erteilte es dem Auftragnehmer einen Zuwen-dungsbescheid. Er sollte nunmehr aufgrund des Be-scheids – und nicht aufgrund des Vertrags – Fördermittelüber Verträge an einzelne Projektträger weiterleiten.Nach Auffassung des Bundesrechnungshofes verstieß dasBundesministerium damit gegen die Bestimmungen desZuwendungsrechts. Danach scheiden Zuwendungen aus,wenn ein Leistungsaustausch vorliegt, d. h. wenn derBund damit einem Dritten Aufgaben überträgt, die diesergegen Vergütung erfüllt.

Der Bundesrechnungshof fordert das Bundesministeriumauf, die Vergabe von Regiestellen nicht mit Konzeptwett-bewerben zu verbinden. Es hat zudem die Bestimmungendes Vertrags- und Zuwendungsrechts einzuhalten und ins-besondere die unterschiedlichen Zwecke von Verträgenund Zuwendungen zu beachten.

Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

45 Generalvertrag zwischen Bundes-regierung und KfW Entwicklungs-bank neu fassen

Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammen-arbeit und Entwicklung (Bundesministerium) sollte denGeneralvertrag aus dem Jahre 1974 zwischen der Bun-desregierung und der KfW Entwicklungsbank über dieFinanzielle Zusammenarbeit mit Entwicklungsländernumfassend überarbeiten und neu fassen.

Bei Abschluss des Vertrages hatte die KfW Entwick-lungsbank (Bank) im Wesentlichen Darlehen für Ent-wicklungsländer zu bearbeiten. Heute bereitet sie schwer-punktmäßig Projekte und Programme vor, begleitet undkontrolliert sie und berät die Bundesregierung in entwick-lungspolitischen Angelegenheiten. Der Vertrag spiegeltdaher nicht mehr das heutige Aufgabenspektrum derBank wider. Zudem liegen die im Vertrag vorgesehenenStraf- und Verzugszinsen deutlich unter den Zinssätzen,die andere Bundesministerien mit der Bank vereinbarten.Auch die Art und Weise, wie die Vergütung der Bank im

Bundeshaushalt veranschlagt wird, ist zu beanstanden.Die Vergütung, die derzeit jährlich 84 Mio. Euro beträgt,wird von den Einnahmen der Bank aus den Zinsen für dievon ihr gewährten Darlehen abgezogen und nicht bei denAusgaben veranschlagt.

Der Bundesrechnungshof hat das Bundesministerium auf-gefordert, den Generalvertrag umgehend neu zu fassen.Er teilt nicht die Befürchtung des Bundesministeriums,dass höhere Straf- und Verzugszinsen zu steigenden Kos-ten führen könnten. Er erwartet daher, dass höhere Zins-sätze vereinbart werden, um den Sanktionscharakter zuunterstreichen.

Ab dem Bundeshaushalt 2007 wird das Bundesministe-rium nunmehr die Vergütung der Bank bei den Ausgabenfür die Finanzielle Zusammenarbeit veranschlagen. AusGründen der Haushaltsklarheit sollte es die Höhe der Ver-gütung in den Erläuterungen zudem separat ausweisen.Der Bundesrechnungshof geht davon aus, dass das Bun-desministerium die Angemessenheit der Vergütung in Zu-kunft regelmäßig prüft.

46 Methodisch fehlerhafte Wirtschaftlich-keitsuntersuchung führte zu kostspieliger Miete von Arbeitsplatzcomputern

Aufgrund methodisch fehlerhafter Wirtschaftlichkeitsun-tersuchungen hat sich das Bundesministerium für wirt-schaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Bundes-ministerium) für eine jeweils dreijährige Miete seinerzurzeit 730 Arbeitsplatzcomputer entschieden. Bei einemKauf und fünfjähriger Nutzung hätte es etwa600 000 Euro sparen können.

In seinen Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen zinste dasBundesministerium alle Mietzahlungen jeweils um einJahr mehr als üblich ab und berücksichtigte zusätzlicheMietzahlungen nicht. Auf dieser Grundlage sah es regel-mäßig die Miete als wirtschaftlich an. Darüber hinausmietete es die Computer jeweils nur für drei Jahre. Eslegte der Miete für die Computer Preise zugrunde, die inder Regel über denen aus entsprechenden Rahmenverträ-gen des Bundes lagen. Das Bundesministerium hättedurch den Kauf von gleichen oder von funktional gleich-wertigen Geräten Mehrausgaben von rund 120 000 Europro Jahr und über die Laufzeit aller Mietverträge von ins-gesamt rund 600 000 Euro vermeiden können.

Der Bundesrechnungshof hat die Auffassung vertreten,dass die Beschaffung funktional gleichwertiger Computerund insbesondere der Kauf im Vergleich zur Miete diewirtschaftliche Beschaffungsalternative gewesen wäre. Erhat die fehlerhaften Wirtschaftlichkeitsuntersuchungenund die kurze Mietdauer beanstandet.

Er hat gefordert, Computer mindestens fünf Jahre zu nut-zen, wie es die Koordinierungs- und Beratungsstelle derBundesregierung für Informationstechnik in der Bundes-verwaltung (KBSt) im Bundesministerium des Innern imFebruar 2004 in einer Rahmenrichtlinie festgelegt hat, die

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 35 – Drucksache 16/XXXX

an alle Bundesressorts gerichtet ist. Die KBSt hat in die-ser Rahmenrichtlinie eine Forderung des Rechnungsprü-fungsausschusses des Haushaltsausschusses des Deut-schen Bundestages umgesetzt.

In Anbetracht vermeidbarer Mehrausgaben von jährlichetwa 120 000 Euro sollte das Bundesministerium seinebisherige Verfahrensweise umgehend ändern. Vor demHintergrund anhaltender Haushaltsprobleme sollte esseine Computer in Abhängigkeit von Einsatzort und Ver-wendungszweck möglichst länger als fünf Jahre nutzen.

Allgemeine Finanzverwaltung

47 Behinderungsbedingte Aufwendungen teilweise doppelt berücksichtigt

Wegen Abgrenzungsschwierigkeiten berücksichtigen dieFinanzämter behinderungsbedingte Krankheitskosten alsaußergewöhnliche Belastungen teilweise doppelt. Siekönnen nicht prüfen, ob durch den Pauschbetrag abgegol-tene Kosten noch einmal in den sonstigen Krankheits-kosten enthalten sind. Sie übernehmen die Angaben derSteuerpflichtigen ohne Beanstandungen oder Rückfragenund gewähren den Pauschbetrag neben allen geltend ge-machten Krankheitskosten.

Steuerpflichtige können unmittelbar behinderungsbe-dingte Aufwendungen steuermindernd geltend machen.Dies ist möglich entweder durch einen Pauschbetrag oderals außergewöhnliche Belastung anhand von Einzelnach-weisen und unter Anrechnung einer zumutbaren Eigen-belastung. Der Pauschbetrag soll die typischen und lau-fenden Kosten einer Behinderung beispielsweise fürHilfeleistungen, Medikamente oder Wäsche abgelten.Nicht oder nicht unmittelbar behinderungsbedingteKrankheitskosten, wie solche für Operationen oder Heil-kuren, können Steuerpflichtige zusätzlich zum Pauschbe-trag als außergewöhnliche Belastungen geltend machen.

Die Finanzämter können im Besteuerungsverfahren nichterkennen, ob die Aufwendungen durch den Pauschbetragfür behinderte Menschen abgegolten sind oder danebenberücksichtigt werden dürfen. Den Schwerbehinderten-ausweisen lässt sich regelmäßig nicht entnehmen, wel-ches Krankheitsbild der Behinderung zugrunde liegt.Selbst in den Fällen, in denen die Behinderung der Steuer-pflichtigen aus den Bescheiden der Versorgungsämter er-kennbar ist, können die Aufwendungen nur mit besonde-rem medizinischen Sachverstand der Behinderungzugeordnet werden. In allen eingesehenen Fällen über-nahmen die Finanzämter die Angaben der Steuerpflichti-gen ohne Beanstandungen, gewährten den Pauschbetragneben allen sonstigen Krankheitskosten und nahmen eineetwaige doppelte Berücksichtigung der Aufwendungenzulasten des Fiskus in Kauf. Nach dem Zweck des Geset-zes sollten behinderungsbedingte Aufwendungen das zuversteuernde Einkommen jedoch nur einmal mindern –entweder durch den Pauschbetrag oder durch Einzelnach-weis der Aufwendungen.

Der Bundesrechnungshof hat empfohlen, die Gesetzes-vorschrift so zu ändern, dass die Finanzbehörden sie ord-nungsgemäß anwenden können.

48 Keine Erfolgskontrolle der Steuer-freiheit von Zuschlägen für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit

Die Steuerfreiheit von Zuschlägen für Sonntags-, Feier-tags- oder Nachtarbeit (§ 3b Einkommensteuergesetz)führt zu jährlichen Steuerausfällen von mehr als 1,7 Mrd.Euro. Die Vorschrift ist schwierig, verwaltungsaufwendigund steuerlich weder system- noch gleichheitsgerecht. Siewird für unerwünschte Gestaltungen missbraucht.

Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit sindnach § 3b EStG begrenzt lohnsteuerfrei. Die im Jahre1940 eingeführte Steuerbefreiung wurde nach dem Kriegmit kurzer Unterbrechung beibehalten und mit demvolkswirtschaftlichen Interesse an den Diensten zu beson-deren Zeiten sowie den persönlichen Belastungen der zudiesen Zeiten arbeitenden Menschen begründet. Die Bun-desregierung schätzt die Steuermindereinnahmen aus die-ser fünfthöchsten Steuervergünstigung für das Jahr 2006auf mehr als 1,7 Mrd. Euro. Zusätzlich mindern sich dieEinnahmen der Sozialversicherungsträger in Milliarden-höhe, weil für die steuerfrei gezahlten Zuschläge bis zueinem Stundengrundlohn von 25 Euro auch keine Sozial-versicherungsbeiträge abzuführen sind.

Der Bundesrechnungshof hat festgestellt, dass die Steuer-befreiung – außer den Arbeitnehmern – regelmäßig auchden Arbeitgebern zugute kommt. Oft passten die Arbeit-geber ihr Lohnzahlungssystem in der Weise an, dass sieArbeitsentgelte in Grundlöhne und Zuschläge künstlichaufteilten, um die Steuerbefreiung nutzen zu können. DieBerechnung der steuerfreien Zuschläge verursachte einenerheblichen Arbeitsaufwand. Wegen der kompliziertenRegelung ließen sich die steuerfreien Zuschläge vielfachnur durch Datenverarbeitungsprogramme berechnen. Inden Fällen, in denen die Finanzverwaltung die Anwen-dung der Vorschrift stichprobenweise prüfte, hat sich § 3bEStG als streitanfällig erwiesen.

Aus steuersystematischer Sicht widerspricht eine Steuer-freistellung von Lohnteilen den Grundsätzen der Besteue-rung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und derGleichmäßigkeit der Besteuerung.

Der Bundesrechnungshof empfiehlt, die Steuerbefreiungvon Zuschlägen für Sonntags-, Feiertags- oder Nacht-arbeit daraufhin zu überprüfen,

● ob die Ziele der Steuerfreiheit erreicht worden sind,

● ob die entstandenen Kosten in einem angemessenenVerhältnis zu den Ergebnissen stehen und

● welche unbeabsichtigten Folgen der Steuerfreiheit ein-getreten sind.

Je nach Ausgang dieser Prüfung sollte auch eine Abschaf-fung der Steuerfreiheit nicht gescheut werden. Eine Ab-

Drucksache 16/XXXX – 36 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

schaffung dieser Steuervergünstigung könnte über einenZeitraum von einigen Jahren gestreckt werden, um so-ziale Härten zu vermeiden.

49 Zu geringe Prüfungsquote der Umsatzsteuer-Sonderprüfungen

Die Finanzverwaltung unterzieht in einem Jahr nur 2 %der Unternehmen einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung.Diese Prüfungsquote ist zu gering, um Umsatzsteuerbe-trug erfolgreich zu bekämpfen.

Rechnerisch unterliegt ein Unternehmen alle 50 Jahre ei-ner Umsatzsteuer-Sonderprüfung. Die Prüfungsquote istin den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich und reichteim Jahre 2005 von 1,3 % bis 2,8 %. Damit werden Unter-nehmen in einem Land rechnerisch alle 35 Jahre, in ei-nem anderen Land nur alle 77 Jahre geprüft. Besonderswirtschaftsstarke und große Länder weisen die geringstePrüfungsquote auf.

Die steuerlichen Ergebnisse sind bundesweit sehr unter-schiedlich und weichen auch in Ländern mit vergleichba-rer Wirtschaftskraft erheblich voneinander ab. Auch derPersonaleinsatz differiert stark. Die Anzahl der eingesetz-ten Umsatzsteuer-Sonderprüfer ist in den neuen Ländernrückläufig, in einem Land wurde der Personaleinsatz bin-nen zehn Jahren halbiert.

Eine Prüfungsquote von 2 % im Bereich der Umsatz-steuer-Sonderprüfung ist zu gering, um nicht erklärteUmsatzsteuern flächendeckend zu ermitteln. Sie gefähr-det damit die Gleichmäßigkeit der Besteuerung im Bun-desgebiet.

Der Bundesrechnungshof empfiehlt, den Ländern klareVorgaben zur Arbeitserledigung, zur risikoorientiertenFallauswahl und zum Personaleinsatz zu machen. DiePrüfungsquoten der Umsatzsteuer-Sonderprüfungsstellender Länder sollten einander auf hohem Niveau angegli-chen werden.

50 Besteuerung ausländischer Bus-unternehmen nicht gesichert

Die Finanzbehörden haben die Umsätze ausländischerBusunternehmen in Deutschland nur lückenhaft besteu-ert. EU-weite Vorgaben wie auch die Kontrollmechanis-men des nationalen Besteuerungsverfahrens können keinegleichmäßige Umsatzbesteuerung gewährleisten.

Führt ein im Ausland ansässiges Unternehmen Fahrtenmit Reise- oder Linienbussen durch, so ist es mit dem inDeutschland zurückgelegten Streckenanteil umsatzsteuer-pflichtig. Diese Umsatzsteuerpflicht resultiert aus derVorgabe der 6. EG-Richtlinie, nach der Beförderungsleis-tungen auf Grundlage der zurückgelegten Strecke zu be-steuern sind.

Um den deutschen Streckenanteil besteuern und überwa-chen zu können, erhalten die Finanzämter Kontrollmaterialvon anderen Behörden. Zudem haben sich ausländischeBusunternehmen vor der ersten grenzüberschreitendenFahrt beim Finanzamt erfassen zu lassen. Sie erhalten da-raufhin eine Bescheinigung, die bei jeder Fahrt mitzufüh-ren ist.

Der Bundesrechnungshof hat festgestellt, dass der deut-sche Besteuerungsanspruch schwer durchsetzbar ist. DieBesteuerung ist lückenhaft und aufwendig. Dem Auf-wand der Finanzämter stehen relativ geringe Steuerein-nahmen gegenüber, die zudem noch rückläufig sind.

Der Grund für das verwaltungsaufwendige und ineffi-ziente Verfahren ist die Vorgabe der 6. EG-Richtlinie,Beförderungsleistungen auf Grundlage der in einemEU-Mitgliedstaat zurückgelegten Strecke zu besteuern.Langfristig sollte auf EU-Ebene eine praktikablere Be-steuerung durch Anpassung der 6. EG-Richtlinie ange-strebt werden, wie z. B. eine Besteuerung am Abgangs-ort.

Bis zu einer Änderung der EU-rechtlichen Vorgaben soll-ten beim deutschen Besteuerungsverfahren die Zusam-menarbeit der Finanzämter mit anderen Behörden sowiedie Kontrollmechanismen verbessert werden.

51 Zahlungen aus öffentlichen Kassen unzureichend besteuert

Amtlich bestellte Betreuungspersonen haben von den Jus-tizkassen gezahlte Vergütungen gegenüber den Finanzbe-hörden nicht vollständig erklärt. Dadurch entstand ein be-trächtlicher Steuerschaden. Darüber hinaus befürchtet derBundesrechnungshof weitere Steuerausfälle bei anderenBerufsgruppen, die ebenfalls Vergütungen aus den Justiz-kassen erhalten (z. B. Sachverständige, Dolmetscher undÜbersetzer).

Die Mitteilungsverordnung verpflichtet Behörden, denFinanzämtern bestimmte Zahlungen zu Kontrollzweckenmitzuteilen. Bei Zahlungen an amtlich bestellte Betreu-ungspersonen wurde diese Verordnung von der Justizver-waltung jedoch weitgehend nicht beachtet. Soweit sie imAusnahmefall angewendet wurde, waren den Finanzbe-hörden grundsätzlich nur solche Zahlungen mitzuteilen,die die Zahlungsempfänger im Rahmen einer Nebentätig-keit erhalten hatten. Die Mitteilungsverordnung erfüllteinsoweit ihren Zweck nicht. Eine zutreffende und voll-ständige Besteuerung von Betreuungsvergütungen warnicht sichergestellt.

Der Bundesrechnungshof hat empfohlen, die Mitteilungs-verpflichtung der Gerichte und Staatsanwaltschaftenkünftig auf eine eindeutige gesetzliche Grundlage zu stel-len. Darüber hinaus hält er die bisherige Unterscheidungder Mitteilungspflichten bei Haupt- und Nebentätigkeitennicht mehr für gerechtfertigt und hat sich für eine Aus-weitung der Mitteilungspflichten auf Haupttätigkeitenausgesprochen.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 37 – Drucksache 16/XXXX

52 Hohe Umsatzsteuerausfälle in der Fast-Food-Gastronomie

In der Fast-Food-Gastronomie kommt es seit Jahren zuerheblichen Umsatzsteuerausfällen, weil „In-Haus“-Um-sätze statt mit 16 % Umsatzsteuer bewusst als „Außer-Haus“-Umsätze mit 7 % Umsatzsteuer erfasst werden.

Die Abgabe von Speisen zum Verzehr an Ort und Stelle(sog. Restaurationsumsätze oder „In-Haus“-Umsätze) un-terliegt dem allgemeinen Umsatzsteuersatz von 16 %.Werden dieselben Speisen „zum Mitnehmen“ abgegeben,sind sie hingegen als „Außer-Haus“-Umsätze mit dem er-mäßigten Steuersatz von 7 % zu besteuern.

Der Bundesrechnungshof geht davon aus, dass sich dieProblematik außer in der Fast-Food-Gastronomie auch inanderen Bereichen der Gastronomiebranche auswirkt undUmsatzsteuerverkürzungen flächendeckend auftreten.Aufgrund seiner Erkenntnisse rechnet er allein im Fast-Food-Bereich mit jährlichen Umsatzsteuerausfällen inzweistelliger Millionenhöhe.

Der Finanzverwaltung ist das Problem zwar schon seitJahren bekannt, sie konnte aber den Missbrauch bislangnicht konsequent und nachhaltig bekämpfen. Der Bun-desrechnungshof ist der Auffassung, dass die Problematiknur durch eine Gesetzesänderung befriedigend gelöstwerden kann. Er hat deshalb empfohlen, den ermäßigtenUmsatzsteuersatz auf „Außer-Haus“-Verkäufe aufzuhe-ben und eine gesetzliche Regelung einzuführen, nach deralle Restaurationsumsätze unabhängig vom Kriterium„Verzehr an Ort und Stelle“ einheitlich dem allgemeinenSteuersatz unterliegen.

53 Steuerliche Kontrolle des Internets ohne durchschlagenden Erfolg

Ohne durchschlagenden Erfolg durchsucht das Bundes-zentralamt für Steuern (Bundeszentralamt) das Internetnach steuerlich nicht registrierten unternehmerischen Ak-tivitäten.

Seit einigen Jahren sucht das Bundeszentralamt mittels ei-ner neuartigen Software namens X-PIDER im Internetnach Daten, die Anhaltspunkte über steuerlich nicht re-gistrierte Unternehmen liefern. Diese Daten werden auto-matisiert an die Landesfinanzbehörden weitergegeben.

Die Ergebnisse dieses Projektes sind bisher deutlich hin-ter den Erwartungen zurückgeblieben. Die recherchiertenDaten haben bisher nicht wesentlich dazu beigetragen,wirksam Personen zu identifizieren, die den Finanzbehör-den Umsätze und Gewinne aus im Internet angebotenenWaren und Dienstleistungen verschwiegen haben. Hierfürist in erster Linie die noch nicht zufrieden stellende Da-tenqualität verantwortlich. Noch immer sind zu viele Da-ten nicht schlüssig. Aus mehreren Tausend Datensätzenergeben sich regelmäßig nur wenige überprüfungswür-dige Fälle. Darüber hinaus haben nicht alle Länder die or-ganisatorischen und personellen Voraussetzungen zurVerarbeitung der Daten geschaffen.

Der Bundesrechnungshof hat das Bundesministerium derFinanzen aufgefordert, darauf hinzuwirken, dass die Län-der die Arbeiten des Bundeszentralamtes in der gebote-nen Weise unterstützen und alsbald Fortschritte bei derDatenrecherche erzielt werden. Anderenfalls sieht derBundesrechnungshof das Projekt als gefährdet an.

54 Erhebliche Steuerausfälle im Taxigewerbe

Steuerverfehlungen in der Taxibranche führen seit vielenJahren zu beträchtlichen Steuerausfällen. Unternehmenerklären Einnahmen gegenüber den Finanzbehörden un-vollständig. Sie zahlen Löhne, ohne hiervon Lohnsteuereinzubehalten. Eine Expertengruppe hatte bereits vor Jah-ren Vorschläge erarbeitet, mit denen sich die Missständezumindest teilweise beheben ließen. Diese Vorschlägesind bis heute nicht verwirklicht worden. Unredlichen Unternehmen und Beschäftigten des Taxige-werbes wird es relativ leicht gemacht, die gesetzlichenVorschriften nicht einzuhalten und daraus finanzielle Vor-teile zu erzielen. Die Behörden sind nicht in der Lage, ih-ren Kontrollauftrag hinreichend zu erfüllen.Bereits im Jahre 2001 hatte sich auf Länderebene eineExpertengruppe mit der Situation im Taxigewerbe be-schäftigt. Sie hatte u. a. gesetzliche Maßnahmen zur Ver-besserung der Besteuerungspraxis in dieser Branche emp-fohlen. So sollte der in jedem Taxi vorhandene Taxameterfür Zwecke der Finanzbehörden genutzt werden. Bis heute sind weder die Vorschläge der Arbeitsgruppenoch andere Maßnahmen umgesetzt worden. Damit wer-den beträchtliche Steuerausfälle weiterhin in Kauf ge-nommen. Der Bundesrechnungshof hat das Bundesminis-terium der Finanzen aufgefordert, alsbald auf dieUmsetzung von geeigneten Maßnahmen hinzuwirken, umsteuerliche Verfehlungen zügiger und umfassender alsbisher aufzudecken und die Besteuerung sicherzustellen.

55 Auswirkungen von Steuergesetzen unzureichend abgeschätzt

Das Bundesministerium der Finanzen (Bundesministerium)hat die Auswirkungen von Steuergesetzen unzureichendabgeschätzt. Insbesondere sollte es die finanziellen Aus-wirkungen der Steuergesetze vorsichtiger schätzen. DerBundesrechnungshof hat empfohlen, Steuervergünstigun-gen zu befristen.Mit der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundes-ministerien hat sich die Bundesregierung verpflichtet, dieWirkungen von Gesetzesvorlagen umfassend abzuschät-zen und in den Gesetzesbegründungen darzustellen. Der Bundesrechnungshof stellte fest, dass es dem Bun-desministerium vor allem an einem Konzept für die Ab-schätzung der Auswirkungen von Steuergesetzen man-gelt. Außerdem wurde das Bundesministerium folgendenForderungen nicht gerecht:● Es fehlte an aussagefähigen Zielen in Gesetzesbegrün-

dungen, die eine Prüfung ermöglichen, ob die Vor-

Drucksache 16/XXXX – 38 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

schrift notwendig und angemessen ist, das angestrebteZiel zu erreichen.

● Es fehlten Aussagen darüber, ob und wann die neueVorschrift auf ihre Zielerreichung untersucht werdensollte.

● Es war nicht dargelegt, ob das Gesetz befristet werdenkann.

● Die Angaben zu den vollzugsbedingten Auswirkungengaben dem Gesetzgeber keinen Aufschluss, wie auf-wendig der Verwaltungsvollzug ist.

● Die Gesetzesbegründungen ließen nicht erkennen, aufwelchen Grundlagen die Berechnungen der finanziel-len Auswirkungen beruhten.

● Die finanziellen Auswirkungen der Steuergesetze wa-ren nicht immer vorsichtig genug geschätzt.

Da die Steuerverwaltung das komplizierte Steuerrechtnicht mehr vollständig vollziehen kann, sollte die Qualitätder Steuergesetze umgehend verbessert werden. Das Bun-desministerium sollte daher kurzfristig ein Gesamtkon-zept für die Abschätzung von Gesetzesfolgen erarbeiten.Auch sollte es die Gesetzesziele so klar bestimmen, dassdie Auswirkungen umfassend abgeschätzt und beobachtetwerden können. Die finanziellen Auswirkungen der Steuer-gesetze sollte es vorsichtig schätzen und dabei einenstrengen Maßstab anlegen.Der Bundesrechnungshof empfiehlt weiter, Steuerver-günstigungen zu befristen. Über ihre Weitergeltung solltenur entschieden werden, wenn die Auswirkungen abge-schätzt und beurteilt worden sind.

56 Gleichmäßige Besteuerung beim Ent-lastungsbetrag für Alleinerziehende nicht gewährleistet

Die Finanzbehörden können nicht feststellen, ob der Ent-lastungsbetrag für Alleinerziehende zu Recht gewährtwird. Da sie in der Regel nicht prüfen können, ob dieSteuerpflichtigen allein stehend sind oder in einer Haus-haltsgemeinschaft leben, ist die Gleichmäßigkeit der Be-steuerung nicht gewährleistet. Der Bundesrechnungshofempfiehlt, die Förderung von Alleinerziehenden nichtüber das Steuerrecht zu gewähren.Allein stehende Steuerpflichtige können einen Entlas-tungsbetrag von jährlich 1 308 Euro von der Summe ihrersteuerpflichtigen Einkünfte abziehen. Der Steuervorteilsteigt mit dem persönlichen Steuersatz und beträgt durch-schnittlich 360 Euro im Jahr. Der Entlastungsbetrag stehtnur Alleinerziehenden zu, die keine Haushaltsgemein-schaft mit einer anderen volljährigen Person bilden undzu deren Haushalt mindestens ein Kind gehört, für das sieKindergeld oder einen Kinderfreibetrag erhalten. Eheähn-liche Lebensgemeinschaften und Ehepaare mit Kindernhaben keinen Anspruch auf diese Förderung.Der Entlastungsbetrag wird beim Lohnsteuerabzug durchdie Steuerklasse II berücksichtigt. Die Gemeinden beschei-nigen die Steuerklasse II bei minderjährigen, die Finanz-ämter bei volljährigen Kindern. Dabei übernahmen die

Behörden nach Feststellungen des Bundesrechnungshofesdie Angaben der Steuerpflichtigen ungeprüft. Abgleichemit dem Einwohnermelderegister fanden nicht statt. Es istaus dem Melderegister nicht erkennbar, ob eine Person inder Wohnung des Steuerpflichtigen oder in einer anderenWohnung gleicher Anschrift wohnt. Auch durch eine Orts-besichtigung oder steuerliche Außenprüfung lässt sich eineHaushaltsgemeinschaft nicht abschließend nachweisen.Da Gemeinden und Finanzverwaltung allein auf die An-gaben der Steuerpflichtigen angewiesen sind, ist nichtsichergestellt, dass die Steuerentlastung tatsächlich nurAlleinerziehenden gewährt wird.

Der Bundesrechnungshof hat daher im Interesse einer ge-rechten und gleichen Besteuerung empfohlen, Allein-erziehende nicht über das Steuerrecht zu fördern, sondernaußerhalb des Steuerrechts.

57 Zu wenig Außenprüfungen bei Einkunftsmillionären führen zu Steuerausfällen

Die Finanzämter haben jährlich nur bei etwa 15 % der sogenannten Einkunftsmillionäre Außenprüfungen durch-geführt. Diese niedrige Prüfungsquote führt zu Steueraus-fällen.

Nach einer bundeseinheitlichen Verordnung sollen Ein-kunftsmillionäre – das sind Fälle mit bedeutenden Ein-künften von mehr als 0,5 Mio. Euro – regelmäßig von derAußenprüfung der Finanzämter geprüft werden. Es sollgrundsätzlich keine prüfungsfreien Zeiträume geben.Eine regelmäßige Außenprüfung ist vorgesehen, weilhäufig erst die Einsichtnahme in Bücher und Belege einerechtliche Würdigung ermöglicht.

Die Prüfungsquote war in den fünf vom Bundesrech-nungshof aufgesuchten Ländern sehr unterschiedlich. Sielag im Jahre 2004 zwischen 10 % und 60 %. Die Prüfun-gen führten durchschnittlich zu Mehreinnahmen von135 000 Euro pro Außenprüfung.

Außenprüfungen bei Einkunftsmillionären sind teilweisesehr arbeitsintensiv, weil der Steuerpflichtige nicht ver-pflichtet ist, die steuererheblichen privaten Unterlagen,wie z. B. Nachweise und Rechnungen, nach der Abgabeder Steuererklärung aufzubewahren. Dadurch sind für dieBesteuerung wichtige Sachverhalte nur schwer erkenn-bar. Außerdem verzögerten sich Außenprüfungen, weildie Steuerpflichtigen keine Belege vorlegten. Der Zeit-raum reichte von wenigen Tagen bis zu mehreren Mona-ten. Vor diesem Hintergrund wollte ein Finanzamt keinePrüfungen von Einkunftsmillionären mehr durchführen,weil diese die Prüfungsstatistik verschlechtern. Hinzukommt, dass die Anordnung einer Prüfung bei diesemPersonenkreis besonders zu begründen ist.

Eine Prüfungsquote von etwa 15 % ist viel zu gering, umeine der Rechtslage entsprechende Besteuerung der Ein-kunftsmillionäre und eine gleichmäßige Besteuerung zuerreichen. Außerdem hat das starke Prüfgefälle zwischenden einzelnen Ländern zur Folge, dass in einem Land dieMehrzahl der Einkunftsmillionäre geprüft wird, während

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 39 – Drucksache 16/XXXX

sie in einem anderen Land statistisch nur alle dreißigJahre einer Betriebsprüfung unterliegen. Das Bundesministerium der Finanzen sollte daher aufeine deutlich höhere und einheitliche Prüfungsquote hin-wirken. Der Bundesrechnungshof hat außerdem empfoh-len, für Fälle mit bedeutenden Einkünften von mehr als0,5 Mio. Euro eine Pflicht zur Aufbewahrung von steuer-erheblichen privaten Belegen einzuführen und die Pflichtzur Begründung von Außenprüfungen zu streichen.

Bundesagentur für Arbeit

58 Qualität beruflicher Weiterbildungs-maßnahmen unzureichend geprüft

Die Bundesagentur für Arbeit (Bundesagentur) hat ihrengesetzlichen Auftrag zur Qualitätsprüfung laufender be-ruflicher Weiterbildungsmaßnahmen nur unzureichendumgesetzt. Sie kann keine verlässlichen Aussagen zurQualität dieser Maßnahmen treffen. Die Bundesagenturist daher nicht in der Lage, fachlichen Fehlentwicklungenund dem unwirtschaftlichen Einsatz von Ressourcenrechtzeitig zu begegnen.Die Agenturen für Arbeit (Agenturen) haben aufgrund imJahre 2003 geänderter gesetzlicher Vorschriften die Qua-lität der laufenden Weiterbildungsmaßnahmen und derenErfolg zu prüfen. Die Weiterbildungsmaßnahmen undihre Träger müssen zuvor von einer privaten Zertifizie-rungsstelle zugelassen worden sein, die ihrerseits der An-erkennung durch die Bundesagentur bedarf. Die Bundesagentur legte weder konkrete Zuständigkei-ten, noch verbindliche Qualitätskriterien, Bewertungs-schemata oder Verfahrensregeln für die Durchführung derQualitätskontrollen laufender Weiterbildungsmaßnah-men fest. Sie informierte die zuständigen Mitarbeiterin-nen und Mitarbeiter nicht über ihre Aufgaben im Rahmender Qualitätsprüfung, schulte sie nicht und überwachteauch nicht, ob und wie Qualitätskontrollen durchgeführtwurden. Außerdem hatte sie es versäumt, die für die An-

erkennung von Maßnahmen und Trägern zuständigen pri-vaten Zertifizierungsstellen über die Ergebnisse ihrerQualitätskontrollen zu unterrichten. Sie vereinbarte nicht,wie bei festgestellten Maßnahmemängeln zu verfahrenist.

Der Bundesrechnungshof hat die Bundesagentur daheraufgefordert, Kriterien und Verfahrensregeln zur Quali-tätsprüfung festzulegen und die Umsetzung durch einegezielte Fachaufsicht sicherzustellen. Er hat außerdemempfohlen, mit den privaten Zertifizierungsstellen einVerfahren zur Zusammenarbeit und zum Informations-austausch zu vereinbaren. Einheitliche Verfahren undtransparente Qualitätsmaßstäbe sind aus Sicht des Bun-desrechnungshofes unverzichtbar, um die Verbindlichkeitund Verlässlichkeit der Qualitätsprüfungen zu gewähr-leisten und die Ergebnisse vergleichbar zu machen.

Die Bundesagentur hat eingeräumt, keine Regelungenzum Verfahren der Qualitätsprüfung festgelegt und keinFachcontrolling vorgenommen zu haben. Sie entwicklejedoch in einer Projektgruppe Standards für die Qualitäts-sicherung arbeitsmarktpolitischer Dienstleistungen undplane eine Informationsplattform, die den Austausch zwi-schen Agenturen und privaten Zertifizierungsstellen er-mögliche. Allerdings könne sie aufgrund der Aufgaben-verteilung zwischen den Zertifizierungsstellen und denAgenturen die ihr gesetzlich obliegenden Qualitätsprü-fungen nicht zusichern.

Der Bundesrechnungshof sieht in den von der Bundes-agentur in Aussicht gestellten Maßnahmen einen erstenSchritt, um die Qualität beruflicher Weiterbildung zu si-chern. Damit sie Wirkung zeigen, müssen sie allerdingskonkretisiert und mit verbindlichen Handlungsempfeh-lungen zur Umsetzung verbunden werden. Ob und wanndies geschieht, hat die Bundesagentur jedoch offen gelas-sen. Der Bundesrechnungshof bleibt daher bei seiner For-derung, umgehend das Verfahren für die Qualitätsprüfungfestzulegen, die Umsetzung durch ein gezieltes Fachcon-trolling sicherzustellen und verstärkt mit den privatenZertifizierungsstellen zusammenzuarbeiten.

Teil III

Weitere Prüfungsergebnisse

Bundeskanzlerin und Bundeskanzleramt burg (Stiftung) folgen. Er will dadurch sicherstellen, dass

59 Baumanagement der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg in Potsdam wird verbessert

Der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Me-dien (Bundesbeauftragter) wird den Empfehlungen desBundesrechnungshofes zum Baumanagement der Stif-tung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Branden-

die Stiftung die Zuwendungen für Baumaßnahmen wirt-schaftlich verwendet.

Der Bund und die Länder Berlin und Brandenburg för-dern die in Potsdam ansässige Stiftung institutionell mitjährlich rund 32 Mio. Euro. Davon stehen der Stiftungjährlich rund 13 Mio. Euro zur Verfügung, um die ihrübertragenen Schlösser und Gärten baulich zu unterhal-ten, zu sanieren und zu restaurieren.

Der Bundesbeauftragte will insbesondere ein effizientesInstrument zur Überwachung der Bau- und Sanierungs-

Drucksache 16/XXXX – 40 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

maßnahmen einführen. Er hat bereits veranlasst, dass dasBundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwick-lung und die staatliche Bauverwaltung des Landes Bran-denburg die Stiftung dabei unterstützen werden, Ziele fürErhaltungsmaßnahmen zu definieren und Prioritäten zusetzen.

Bundesministerium des Innern

60 Projekt „BOS-Digitalfunk“: Grundlagen für wirtschaftliche Auftragsvergabe verbessert

Das Bundesministerium des Innern (Bundesministerium)hat es erreicht, dass das Bund-Länder-Projekt „BOS-Digitalfunk“ neu ausgerichtet und die Beschaffungskon-zeption angepasst wurde. Es hat damit die Empfehlungendes Bundesrechnungshofes berücksichtigt und so dieGrundlagen für eine wirtschaftliche Auftragsvergabe ver-bessert.

Die Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufga-ben (BOS) in der Bundesrepublik Deutschland sind mitanalogen Funknetzen ausgestattet. Diese sollen mit demProjekt „BOS-Digitalfunk“ aus wirtschaftlichen und ein-satztaktischen Gründen durch ein bundesweit einheitli-ches digitales Sprech- und Datenfunknetz ersetzt werden.Bund und Länder richteten hierzu im Bundesministeriumeine gemeinsame Projektorganisation ein. Für Planung,Aufbau und den zunächst zehnjährigen Netzbetrieb sindKosten in Höhe von 3,5 Mrd. Euro kalkuliert. Das Be-schaffungsamt des Bundesministeriums vergibt entspre-chende Aufträge für Bund und Länder gemeinsam.

Der Bundesrechnungshof prüfte im Januar 2005 die vor-bereiteten Vergabeunterlagen und die Beschlüsse zumgeplanten Projektablauf. Er wies darauf hin, dass dasBundesministerium weitere Lösungswege, ein bundesein-heitliches digitales Netz aufzubauen und zu betreiben,nicht ausreichend untersucht hatte. Außerdem fehlte dieMöglichkeit, z. B. vorhandene Teilnetze des Auftragge-bers mitzunutzen, um dadurch Kosten zu senken. Dane-ben hätte der vorgesehene Leistungsumfang Mehrkostendurch Risikozuschläge für Bund und Länder zur Folgehaben können. Aufgrund dieser wirtschaftlichen Risikenhat der Bundesrechnungshof empfohlen, das Vergabever-fahren im Februar 2005 noch nicht zu beginnen und we-sentliche Entscheidungen zunächst zu präzisieren.

Das Bundesministerium hat die Empfehlungen des Bun-desrechnungshofes aufgegriffen. So hat es vor Beginn derAuftragsvergabe im Einvernehmen mit den Ländern imMärz 2005 eine Neuausrichtung des Bund-Länder-Pro-jektes erreicht. Das Bundesministerium hat ausgeführt, eshabe dabei einen angemessenen Ausgleich der wirtschaft-lichen Aspekte und Sicherheitsinteressen herbeigeführt.Weiterhin hat es die Beschaffungskonzeption angepasst,indem es die Vergabe von zwei Leistungspaketen zur

Lieferung der Systemtechnik und zum Netzbetrieb vorbe-reitet.

Die Maßnahmen des Bundesministeriums verbessern dieGrundlagen für eine wirtschaftliche Auftragsvergabe.

61 Bundeskriminalamt verringert bei IT-Projekt Abhängigkeit von externen Auftragnehmern

Das Bundeskriminalamt (BKA) hat bei einem IT-Projektexterne Fachkräfte zunehmend durch eigenes Personal er-setzt. Dadurch hat es die Empfehlungen des Bundesrech-nungshofes umgesetzt, die Abhängigkeit vom externenAuftragnehmer zu verringern und die eigene Urteilsfähig-keit für Umfang und Qualität der extern erbrachten Leis-tung zu sichern.

Die „Empfehlungen für die Inanspruchnahme von exter-nen Unterstützungsleistungen durch Bundesbehörden imIT-Bereich“ gelten verbindlich für die gesamte Bundes-verwaltung. Sie legen dar, welche Leistungen bei Projek-ten in der Informationstechnik die Bundesverwaltungselbst wahrnehmen sollte. Insbesondere sollen sie helfen,Abhängigkeiten von externen Auftragnehmern zu ver-meiden.

Das BKA entwickelte zur Unterstützung kriminalpolizei-licher Kernaufgaben ein so genanntes Vorgangsbearbei-tungssystem. Es setzte zu Projektbeginn eine vorläufigeProjektgruppe mit zwei eigenen und mehreren externenFachkräften ein. Mittelfristig sollten eigene Beschäftigteohne weitere externe Beteiligung das Vorgangsbearbei-tungssystem entwickeln. Tatsächlich stand dem BKA dasdafür geplante eigene Personal aber nicht zur Verfügung.Das System entwickelte zwei Jahre nach Projektbeginnweitgehend ein externer Auftragnehmer, der die Projekt-leitung bei deren Abwesenheit vertrat. Zudem schloss dasBKA mit den externen Auftragnehmern Dienstverträgeab, in denen es die zu erbringende Leistung nicht detail-liert beschrieben hatte.

Der Bundesrechnungshof hat aufgezeigt, dass sich dasBKA durch den geringen Einsatz von eigenem Personalvom externen Auftragnehmer abhängig gemacht hatte. Erhat u. a. bemängelt, dass das Entwicklungsrisiko durchden Abschluss von Dienstverträgen ausschließlich beimBund lag. Der Bundesrechnungshof hat empfohlen, diestarke Abhängigkeit vom externen Auftragnehmer durchden Einsatz eigenen Personals zu reduzieren.

Das BKA hat die Projektgruppe entsprechend den Emp-fehlungen des Bundesrechnungshofes neu strukturiert. Esnimmt mittlerweile die Projektleitung und deren Vertre-tung ausschließlich selbst wahr. Zudem hat es die Projekt-gruppe um sieben eigene Beschäftigte verstärkt. Es hatden Wissenstransfer zwischen externen Fachkräften undeigenen Beschäftigten verbessert und kann das Systemkünftig selbst pflegen. Außerdem hat das BKA zugesagt,die Leistung von externen Auftragnehmern möglichst so

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 41 – Drucksache 16/XXXX

zu beschreiben, dass es vorrangig Werk- statt Dienstver-träge abschließen kann. Umfang und Qualität der externerbrachten Leistung kann es nun genauer beurteilen.

Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie

62 Bessere Abstimmung von Förder-programmen vermeidet überhöhte Zuschüsse

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologiewird nach einer Empfehlung des Bundesrechnungshofesdie Förderprogramme „Förderung von Forschung undEntwicklung bei Wachstumsträgern in benachteiligtenRegionen (INNO-WATT)“ und „Innovationskompetenzmittelständischer Unternehmen (ProInno)“ so miteinan-der abstimmen, dass überhöhte Zahlungen künftig ver-mieden werden können. Zudem hat es begonnen, in derVergangenheit überzahlte Beträge zurückzufordern.

63 Beschaffungszyklus der Computer des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle folgt künftig wirtschaftlichen Gesichtspunkten

Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle(Bundesamt) will seine Beschaffungspraxis künftig stär-ker an wirtschaftlichen Gesichtpunkten ausrichten, einaktuelles Inventarverzeichnis führen und ausgesonderteGeräte schnell verwerten. Insgesamt kann das Bundesamtfür die Beschaffung seiner Computer jährlich mehr als einDrittel seiner bisherigen Aufwendungen einsparen, wennes den Empfehlungen des Bundesrechnungshofes konse-quent folgt.

Das Bundesamt ersetzte seit dem Jahre 2002 mehr als60 % seiner Computer vor Ablauf der üblichen Nutzungs-dauer, obwohl es erst kurz zuvor deren technische Aus-stattung erheblich verbessert hatte. Bei der Ausschrei-bung neuer Computer verstieß es gegen Vergaberecht,indem es konkrete Produkte vorgab. Außerdem bestelltees unnötige Zusatzausstattungen. Da es kein Inventarver-zeichnis führte, ließen sich neuwertige Computer undFlachbildschirme nicht mehr auffinden. Überdies lagertees jahrelang ausgesonderte, jedoch funktionsfähige Ge-räte ungenutzt in seinen Räumen.

Das Bundesamt hat zugesagt, die vom Bundesrechnungs-hof festgestellten Mängel abzustellen, seinen Empfehlun-gen zu folgen und in Zukunft IT-Geräte unter wirtschaftli-chen Gesichtspunkten zu beschaffen. Zudem will eskünftig ein aktuelles Inventarverzeichnis führen und aus-gesonderte Geräte zeitnah verwerten. Allein durch die biszu zwei Jahre längere Nutzung seiner rund 600 Computerwird es jährlich mehr als 30 % bei Ersatzbeschaffungenund durch Verzicht auf Produktvorgaben beim Kauf neuerComputer weitere rund 10 % einsparen.

Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz

64 Förderung zentraler Informationsver-anstaltungen auf ressortbezogene Inhalte begrenzt

Das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaftund Verbraucherschutz (Bundesministerium) wird dieMittel zur Förderung zentraler Informationsveranstaltun-gen zweckentsprechend und effektiver einsetzen und nurnoch Maßnahmen fördern, die in seine Ressortzuständig-keit fallen.

Das Bundesministerium gewährt nichtstaatlichen Organi-sationen jährlich Zuschüsse von mehr als 1 Mio. Euro fürzentrale Informationsveranstaltungen (Veranstaltungen).Ein wesentliches Ziel dieser Veranstaltungen ist es, derländlichen Bevölkerung Informationen zum Verbraucher-schutz, zur Agrar- und Forstwirtschaft sowie zu Ernäh-rungsfragen zu vermitteln.

Das Bundesministerium förderte in erheblichem UmfangVeranstaltungen, die vor allem persönliche Kompetenzenvermittelten. Andere Veranstaltungen wiesen familien-und arbeitsmarktpolitische Schwerpunkte auf oder be-fassten sich mit regionalen Fragestellungen. Der Bundes-rechnungshof hat darauf hingewiesen, dass derartigenMaßnahmen der Bezug zu den Aufgaben des Bundes-ministeriums und die bundespolitische Ausrichtung feh-len.

Das Bundesministerium ist dieser Auffassung gefolgt undwird nur noch Maßnahmen fördern, die in seine Ressort-zuständigkeit fallen.

Diese Begrenzung der Förderpraxis auf unmittelbar res-sortbezogene Inhalte wird zu einem zweckentsprechen-den und effektiveren Einsatz der Zuschüsse beitragen.

Bundesministerium für Arbeit und Soziales

65 Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See wird Fehler in den Versicherungs-konten frühzeitig aufspüren

Die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See (KBS) wird auf Anregung des Bundesrechnungs-hofes sicherstellen, dass sie Fehler bei den ihr gemeldetenDaten frühzeitig erkennt. Damit kann sie vermeiden, dasssie aufgrund fehlerhafter Meldungen falsche Auskünftezur Rente gibt oder die Rente im Leistungsfall falsch be-rechnet.

Die Sozialleistungsträger zahlen für Versicherte, die Ent-geltersatzleistungen wie Krankengeld oder Arbeitslosen-geld erhalten, Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung. Siemelden den Rentenversicherungsträgern die Zeiten, in de-nen Versicherte Entgeltersatzleistungen erhalten haben.

Drucksache 16/XXXX – 42 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Dabei haben sie zu kennzeichnen, ob der oder die Versi-cherte zuvor im Beitrittsgebiet (Rechtskreis Ost) oder imübrigen Bundesgebiet (Rechtskreis West) versicherungs-pflichtig beschäftigt war. Fehlerhafte Zuordnungen füh-ren zu falschen Rentenberechnungen.

Nach entsprechenden Hinweisen des Bundesrechnungs-hofes ermittelte die KBS über 30 000 Versicherungsfälle,in denen Pflichtbeiträge für Entgeltersatzleistungen falscherfasst waren. Der zugeordnete Rechtskreis stimmte nichtmit dem der vorangegangenen Beschäftigung des oder derVersicherten überein.

Die KBS wird deshalb eingehende Meldungen der Sozial-leistungsträger sofort und automatisiert auf Fehler prüfen.Ein entsprechender Fehlerhinweis im Versicherungskontowird erst gelöscht, wenn der Fehler bereinigt ist. Zudemwird der Prüfdienst der KBS verstärkt die Beitragsmel-dungen der Sozialversicherungsträger prüfen.

Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung

66 Eisenbahn-Bundesamt hat seine Buch-führung korrigiert und 2,6 Mio. Euro von einem Eisenbahninfrastruktur-unternehmen zurück erhalten

Das Eisenbahn-Bundesamt (Bundesamt) hat nach Hin-weis durch den Bundesrechnungshof seine Buchführungkorrigiert, mit der es die von den Eisenbahninfrastruktur-unternehmen abgerufenen Bundesmittel mit dem Nach-weis über die Verwendung vergleicht. Einen überzahltenBetrag von 2,6 Mio. Euro hat ein Eisenbahninfrastruktur-unternehmen inzwischen erstattet.

Die Eisenbahninfrastrukturunternehmen (Unternehmen)sind berechtigt, Bundesmittel für Investitionen in dasSchienennetz entsprechend dem Baufortschritt bei derBundeskasse abzurufen. Zum Jahresende müssen sie dieMittelverwendung gegenüber dem Bundesamt nachwei-sen. Das Bundesamt ist verpflichtet, über die abgerufenenund die nachgewiesenen Mittel Buch zu führen. Eineeventuell auftretende Differenz wird ausgeglichen.

Der Bundesrechnungshof prüfte mit Unterstützung desPrüfungsamtes des Bundes Stuttgart die Buchführung desBundesamtes für das Jahr 2001 und stellte fest, dass dasangewendete Verfahren fehleranfällig ist. Er beanstandetevor allem, dass das Bundesamt zum Ausgleich einer Dif-ferenz aus dem Jahre 2000 im Jahre 2001 eine Rückzah-lung von einem Unternehmen erhalten und diese unzuläs-sig in die Vergleichsrechnung des Jahres 2001 einbezogenhatte. Dadurch erhielt das Unternehmen im Jahre 2001vom Bund 2,6 Mio. Euro zu viel. Der Bundesrechnungs-hof hat dem Bundesamt empfohlen, die 2,6 Mio. Eurovon dem Unternehmen zurückzufordern und das bei denVergleichsrechnungen angewendete Verfahren zu über-denken.

Das Bundesamt ist diesen Empfehlungen gefolgt. Es hatden überzahlten Betrag in Höhe von 2,6 Mio. Euro vondem Unternehmen zurückerhalten und angekündigt, dasses die Verfahrensweise zur Feststellung der nachzuwei-senden Bundesmittel mit den Unternehmen zusammen er-örtern wird.

67 1,3 Mio. Euro Einsparungen bei einer Wasser- und Schifffahrtsdirektion

Die Wasser- und Schifffahrtsdirektion Süd hat auf Emp-fehlung des Bundesrechnungshofes auf den Kauf unnöti-ger Peilgeräte und eines nicht erforderlichen Arbeitsschif-fes verzichtet. Damit werden einmalig 1,3 Mio. Euroeingespart.

68 Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie stellt die Herausgabe von Seekarten für fremdländische Küsten ein

Das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie(Bundesamt) wird auf Empfehlung des Bundesrech-nungshofes keine amtlichen Seekarten und Seehandbücherfür fremdländische Küsten mehr herausgeben.

Das Bundesamt erstellt mit geringer Kostendeckung amt-liche Seekarten und Seehandbücher für fremdländischeKüsten. Die erforderlichen Daten übernimmt es ungeprüftvon den jeweiligen nationalen hydrographischen Diens-ten. Die internationale Berufsschifffahrt nutzt heute über-wiegend amtliche britische Seekarten.

Der Bundesrechnungshof hat angesichts der geringenKostendeckung betont, dass die weitere Herausgabe vonSeekarten fremdländischer Küsten nur zu rechtfertigenist, wenn sie der gesetzlich geforderten Abwehr von Ge-fahren für die Sicherheit und Leichtigkeit des Seever-kehrs dient. Der Bundesrechnungshof hat dem Bundes-amt empfohlen, sich aus diesem Bereich zurückzuziehen,wenn diese Voraussetzung nicht erfüllt ist.

Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtent-wicklung hat dargelegt, dass die Deutsche Marine alsgrößter Kunde für Papierseekarten angekündigt habe, biszum Ende des Jahres 2008 auf die elektronische Naviga-tion umzustellen. Zielgruppe für das Kartenwerk desBundesamtes sei künftig in erster Linie die Klein- undKüstenschifffahrt, deren Operationsgebiet, von der deut-schen Küste ausgehend, die angrenzenden Seegebiete inNord- und Ostsee seien. Seekarten und Seehandbücherfür die Seegebiete Mittelmeer, Schwarzes Meer, RotesMeer, britische Ostküste, norwegische Südküste, Bott-nischer Meerbusen und alle atlantischen Seegebietewerde das Bundesamt der Empfehlung des Bundesrech-nungshofes folgend nicht mehr herausgeben.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 43 – Drucksache 16/XXXX

69 Kleinere Tunneldurchmesser verringern die Baukosten um 50 Mio. Euro

Auf Empfehlung des Bundesrechnungshofes haben dasBundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwick-lung (Bundesministerium) und die StraßenbauverwaltungBaden-Württemberg bei der Planung eines Autobahn-abschnittes auf Standstreifen in den Tunneln verzichtet.Dadurch verringern sich die Baukosten um 50 Mio. Euro.

Im Auftrag des Bundes plant die StraßenbauverwaltungBaden-Württemberg den Neubau des „Albaufstiegs“ derBundesautobahn A 8 zwischen Stuttgart und Ulm. Der„Albaufstieg“ erhält zwei Tunnel mit Längen von1 170 m und 1 670 m. Nach den Vorgaben des Bundes-ministeriums sind Tunnel im Regelfall ohne Standstreifenzu planen. Davon kann abgewichen werden, wenn der inGeld bewertete Nutzen von Standstreifen größer ist alsdie zusätzlichen Bau- und Betriebskosten.

Der von der Straßenbauverwaltung ermittelte Nutzen fürdie Standstreifen in den beiden Tunneln des „Albauf-stiegs“ betrug lediglich ein Drittel der zusätzlichen Kos-ten. Gleichwohl hielten das Bundesministerium und dieStraßenbauverwaltung aus Gründen der Verkehrssicher-heit und eines störungsfreien Betriebs an den Standstrei-fen fest.

Der Bundesrechnungshof hat den Neubau des „Albauf-stiegs“ bereits in der Planungsphase geprüft und die vomBundesministerium und der Straßenbauverwaltung fürdie Standstreifen vorgebrachten Argumente widerlegt. Erhat empfohlen, auf die Standstreifen wegen des schlech-ten Nutzen-/Kosten-Verhältnisses zu verzichten und statt-dessen Pannenbuchten zu bauen. Das Bundesministeriumund die Straßenbauverwaltung sind der Empfehlung desBundesrechnungshofes gefolgt. Durch den Verzicht aufdie Standstreifen verringern sich die Baukosten um50 Mio. Euro.

70 Empfehlungen, wie Zuwendungen des Bundes beim Hochbau wirtschaftlich verwendet werden

Der Präsident des Bundesrechnungshofes als Bundesbe-auftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (Bun-desbeauftragter) hat im Jahre 2005 Empfehlungen für diewirtschaftliche Verwendung von Zuwendungen des Bun-des für Hochbaumaßnahmen veröffentlicht.

Der Bund gewährt jährlich 2 Mrd. Euro Zuwendungen fürHochbaumaßnahmen. Der Bundesrechnungshof hat im-mer wieder Mängel bei der Durchführung dieser Bau-maßnahmen festgestellt.

Der Bundesbeauftragte hat deshalb Empfehlungen heraus-gegeben, die dazu beitragen sollen, dass geförderte Bau-maßnahmen wirtschaftlich geplant, ausgeführt und abge-rechnet werden. Die Empfehlungen umfassen von derBewilligung der Zuwendung über die Realisierung der

Maßnahme bis zum Verwendungsnachweis alle Phaseneiner geförderten Baumaßnahme. Der Bundesbeauftragtegibt Hinweise, wie typische Fehler vermieden werdenkönnen und zeigt Einsparmöglichkeiten auf.

Die Empfehlungen richten sich nicht nur an die Beschäf-tigten in der öffentlichen Verwaltung, sondern an alle, diebei diesen Aufgaben mitwirken. Der Bundesbeauftragtemöchte das wirtschaftliche Denken und Handeln aller Be-teiligten mit dem Ziel fördern, die zur Verfügung stehen-den Zuwendungen für Baumaßnahmen wirtschaftlich undsparsam zu verwenden.

Bundesministerium der Verteidigung

71 Bundeswehr stattet ihre technischen Betriebsdienste künftig bedarfs-gerecht mit Werkstattwagen aus

Die Bundeswehr hat Empfehlungen des Bundesrech-nungshofes aufgegriffen und stellt sicher, dass die Tech-nischen Betriebsdienste der Standortverwaltungen künf-tig bedarfsgerecht mit Werkstattwagen ausgestattet sind.

Die Bundeswehr stattete die Technischen Betriebsdienstemit insgesamt über 2 000 Werkstattwagen im Beschaf-fungswert von rund 26 Mio. Euro aus. Die Entscheidungdazu beruhte auf Erkenntnissen aus einem Pilotprojekt.Dieses betrachtete das Optimierungspotenzial einer ein-zelnen Standortverwaltung. Mit Hilfe eines Anwender-handbuches hatten die Standortverwaltungen für ihrenBereich sodann jeweils Optimierungspotenziale aufzuzei-gen. Die Wehrbereichsverwaltungen folgten den Beschaf-fungsvorschlägen schon dann, wenn eine gesamtheitlicheBetrachtung der vorgeschlagenen Einsparungen und derAusgaben einen Optimierungsgewinn ergab.

Der Bundesrechnungshof stellte fest, dass Technische Be-triebsdienste über ihren tatsächlichen Bedarf hinausWerkstattwagen vorhielten, die sie vielfach nicht auslas-teten. Ursache hierfür war im Wesentlichen, dass die fürdie Beschaffungen zuständigen Wehrbereichsverwaltun-gen nur die vorgeschlagenen Einsparungen und Ausgabenbetrachteten. Den tatsächlichen Bedarf der Standortver-waltungen für die Erfüllung ihrer Aufgaben hinterfragtendie Wehrbereichsverwaltungen hingegen nicht.

Aufgrund von Empfehlungen des Bundesrechnungshofeshat das Bundesministerium der Verteidigung (Bundes-ministerium) die Beschaffung weiterer Werkstattwageneingestellt. Den Fahrzeugbestand hat es einem ausgeglie-derten Dienstleistungsunternehmen übertragen, das dieStandortverwaltungen beraten und den Bedarf künftig aufMietbasis decken soll. Darüber hinaus hat das Bundes-ministerium zugesagt, die Ausstattung der TechnischenBetriebsdienste, die der Bundesrechnungshof in seinePrüfung einbezogen hatte, gesondert zu untersuchen.

Der Bundesrechnungshof wird beobachten, inwieweit dieMaßnahmen greifen.

Drucksache 16/XXXX – 44 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

72 Bundeswehr verbessert Organisation des Mess- und Prüfwesens

Die Bundeswehr hat zugesichert, bislang eigenständigeKalibriereinrichtungen in den Streitkräften und der Ver-waltung zusammenzulegen, um ihre Mess- und Prüfge-räte kostengünstiger auf Anzeigefehler zu untersuchenund ggf. zu justieren (kalibrieren). Die jährlichen Ausga-ben für das Kalibrieren betragen rund 30 Mio. Euro.

Der Bundesrechnungshof wies bereits im Jahre 1995 da-rauf hin, dass weniger Personal benötigt wird und zu-gleich mehr Geräte kalibriert werden können, wenn dieKalibriereinrichtungen zusammengelegt werden.

Im Jahre 2004 stellte der Bundesrechnungshof fest, dassdie Bundeswehr mittlerweile zwar die Kalibriereinrich-tungen von Heer, Luftwaffe und Marine zusammengelegthatte, Rüstungs- und Streitkräftebereich aber weiterhineigenständig kalibrierten. Er hat das Bundesministeriumder Verteidigung (Bundesministerium) aufgefordert,

● die Kalibriereinrichtungen des Streitkräfte- und desRüstungsbereiches zusammenzulegen,

● festzulegen, in welchem Umfang die Bundeswehr ihreGeräte selbst kalibrieren muss und welchen Anteil siean private Unternehmen vergeben kann, und

● die personelle und materielle Ausstattung der Kali-brierorganisation an den tatsächlichen Bedarf anzu-passen.

Das Bundesministerium hat mitgeteilt, den Forderungendes Bundesrechnungshofes nachkommen zu wollen.Dazu will es bis Ende des Jahres 2006 ein verbessertesModell für den Eigenbetrieb einem Kooperationsmodellmit zivilen Partnern gegenüberstellen. Die neue Kalibrier-organisation der Bundeswehr soll bis Mitte des Jahres 2007ihre Arbeit aufnehmen.

73 Bundeswehr verringert Anzahl der Transportfahrzeuge erheblich

Die Bundeswehr hat zugesagt, den Empfehlungen desBundesrechnungshofes zu folgen und ihren Bestand anTank- und Schwerlasttransportfahrzeugen erheblich zuverringern. Auf die Beschaffung von 68 Tankfahrzeugenim Wert von rund 20 Mio. Euro verzichtet sie.

Die Bundeswehr besaß im Jahre 2005 rund 1 000 Trans-portfahrzeuge für Betriebsstoffe und Schwerlasten. DieseFahrzeuge waren kaum ausgelastet und standen vielfachungenutzt in Depots. Die Bundeswehr plante, zusätzlich168 neue Tankfahrzeuge zu beschaffen. Ein schlüssigesKonzept zum künftigen Bedarf an Tank- und Schwerlast-transportfahrzeugen hatte sie nicht.

Der Bundesrechnungshof hat empfohlen, den Bestand anTank- und Schwerlasttransportfahrzeugen deutlich zuverringern. Darüber hinaus sollte die Bundeswehr Kon-zepte für den künftigen Bedarf erstellen. Grundsätzlich

sollten im Inland zivile Anbieter den Grundbetrieb ge-währleisten. Die Bundeswehr sollte ihre eigenen Trans-portkapazitäten auf militärische Einsatz- und Ausbil-dungszwecke beschränken.

Das Bundesministerium der Verteidigung ist den Empfeh-lungen des Bundesrechnungshofes gefolgt. Es beabsich-tigt, die Bestände an Tank- und Schwerlasttransportfahr-zeugen deutlich zu reduzieren. Neue Fahrzeuge will dieBundeswehr nunmehr bedarfsgerecht beschaffen.

74 Bundeswehr stellt Röntgenreihen-untersuchungen ein

Das Bundesministerium der Verteidigung (Bundesminis-terium) hat nach einer Empfehlung des Bundesrech-nungshofes die Röntgenreihenuntersuchungen eingestellt.Durch die entfallenden Aufgaben kann es Ersatzbeschaf-fungen in Höhe von 3 Mio. Euro und jährlich laufendeAusgaben von mindestens 1 Mio. Euro einsparen.

Die Bundeswehr setzte sieben Röntgentrupps ein, um alleGrundwehrdienstleistenden einer Röntgenreihenuntersu-chung zu unterziehen. Die Röntgentrupps verfügten überjeweils einen Omnibus mit radiologischer Ausrüstung(Röntgenbus).

Das Deutsche Zentralkomitee zur Bekämpfung der Tu-berkulose hatte zuletzt im Jahre 1981 empfohlen, Rönt-genreihenuntersuchungen einzustellen, wenn weniger alsvier Erkrankte auf 10 000 Untersuchte auftreten. Dannsollten gezielt nur noch Risikogruppen untersucht wer-den.

Obwohl die Infektionsrate schon seit Jahren unter demempfohlenen Richtwert lag, führte die Bundeswehr im-mer noch Röntgenreihenuntersuchungen durch. Die fürdie Untersuchungen eingesetzten Röntgenbusse nähertensich dem Ende ihrer Nutzungszeit. Die Bundeswehrplante, zwei neue Busse mit digitaler Röntgentechnik fürinsgesamt rund 3 Mio. Euro zu beschaffen.

Der Bundesrechnungshof hat der Bundeswehr empfoh-len, von weiteren ungezielten Reihenuntersuchungen ab-zusehen. Sie kann so jährlich rund 1 Mio. Euro an Perso-nal- und Betriebsausgaben einsparen.

Das Bundesministerium hat die Anregungen aufgegriffenund die Röntgenreihenuntersuchungen eingestellt. Es hatzudem die vorhandenen Röntgenbusse ausgesondert undauf Ersatzbeschaffungen verzichtet.

75 Bundeswehr verringert den Personalumfang des Militärmusikdienstes

Die Bundeswehr hat entschieden, den Personalumfangdes Militärmusikdienstes um rund 30 % zu verringernund vier Musikkorps aufzulösen. Dadurch können jähr-lich über 10 Mio. Euro eingespart werden.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 45 – Drucksache 16/XXXX

Der Militärmusikdienst der Bundeswehr hat derzeit eineSollstärke von rund 1 600 Soldatinnen und Soldaten, diejährlich rund 50 Mio. Euro kosten. Er umfasst 21 Musik-korps und die Big Band der Bundeswehr.

Mit der Verringerung des Streitkräfteumfangs hat sich dasStellenverhältnis des Musikdienstes zur übrigen Bundes-wehr verdoppelt, ohne dass dem ein entsprechender Auf-gabenzuwachs gegenübersteht. Der Bundesrechnungshofhat deshalb empfohlen, die Zahl der Musikeinheiten zuverringern und deren zum Teil überhöhte Personalausstat-tung abzusenken.

Das Bundesministerium der Verteidigung beabsichtigtnunmehr, vier Musikkorps aufzulösen und die Personal-stärke der übrigen Musikkorps zu verringern. Dadurchkönnen insgesamt etwa 470 Stellen im Militärmusik-dienst eingespart werden.

76 Bundesmarine stellt Schulboot NORDWIND vorzeitig außer Dienst

Die Bundesmarine stellt aufgrund einer Empfehlung desBundesrechnungshofes das Schulboot NORDWIND vor-zeitig außer Dienst. Dadurch spart sie rund 4 Mio. Euroein.

Seit 50 Jahren nutzt die Marine das Schulboot NORD-WIND, um vor allem Offiziersanwärterinnen und -anwär-ter in seemännischen Grundkenntnissen auszubilden. DasBoot hat eine vierköpfige zivile Stammbesatzung. Nachden Plänen der Marine sollte es noch bis zum Jahre 2010eingesetzt werden.

Der Bundesrechnungshof hatte den Betrieb der NORD-WIND erstmals im Jahre 2000 geprüft. Dabei hatte erfestgestellt, dass die NORDWIND überwiegend nicht fürAusbildungszwecke eingesetzt worden war und kosten-intensive Instandsetzungsmaßnahmen bevorstanden. Erhatte daher für den weiteren Betrieb eine Wirtschaftlich-keitsuntersuchung und eine bessere Auslastung gefordert.Das Bundesministerium der Verteidigung (Bundesminis-terium) hatte daraufhin entsprechende Schritte eingelei-tet.

Als sich der Bundesrechnungshof im Jahre 2004 vom Er-folg dieser Maßnahmen überzeugen wollte, stellte er fest,dass die Auslastung zwar leicht gestiegen, insgesamt aberimmer noch unzureichend war. Zudem hatte die Marineohne vorherige Wirtschaftlichkeitsuntersuchung rund1,7 Mio. Euro für Instandsetzungsarbeiten an der NORD-WIND ausgegeben; weitere kostspielige Investitionenstanden an. Der Bundesrechnungshof hat daraufhin emp-fohlen, von einem Weiterbetrieb des Bootes abzusehen.

Das Bundesministerium hat die Empfehlung des Bundes-rechnungshofes aufgegriffen und entschieden, die NORD-WIND Ende 2006 außer Dienst zu stellen. Dadurch werdenrund 4 Mio. Euro Personal- und Betriebsausgaben einge-spart.

77 Trennungsgeld bei Gemeinschafts-verpflegung angepasst

Das Bundesministerium der Verteidigung (Bundesminis-terium) spart auf Anregung des Bundesrechnungshofesvoraussichtlich 4 Mio. Euro jährlich bei Trennungsgeld-zahlungen. Das Bundesministerium gewährt Soldatinnenund Soldaten sowie den übrigen Beschäftigten, deneneine Gemeinschaftsverpflegung zu günstigen Preisen zurVerfügung steht, nur noch ein geringeres Trennungsgeld.

Soldatinnen und Soldaten, die aus dienstlichen Gründenihren Dienstort wechseln, erhalten wie alle Bundesbe-diensteten ein Trennungsgeld. Damit soll u. a. der Mehr-aufwand für Verpflegung am auswärtigen Dienstort pau-schal abgegolten werden. Die Bundeswehr bietet – wiedie Bundespolizei auch – an den meisten Standorten eineGemeinschaftsverpflegung zu günstigen Preisen an. Inden anderen Bundesverwaltungen wird unabhängig da-von, ob Berechtigte die Verpflegung in Anspruchnehmen, ein geringeres Trennungsgeld gezahlt. Das Bun-desministerium hatte dagegen angeordnet, das Tren-nungsgeld nur dann zu ermäßigen, wenn die Berechtigtenan mindestens zwei Mahlzeiten pro Tag tatsächlich teil-nahmen. Dadurch erforderte die Festsetzung des Tren-nungsgeldes im Einzelfall einen hohen Verwaltungsauf-wand.

Der Bundesrechnungshof hat empfohlen, nicht darauf ab-zustellen, ob Berechtigte die angebotene Gemeinschafts-verpflegung tatsächlich nutzen. Er hat in diesem Zusam-menhang auch darauf verwiesen, dass nach seinenFeststellungen die meisten Truppenküchen nicht ausge-lastet waren. Somit bestanden ausreichende Kapazitäten,um auch die Trennungsgeldempfänger zu versorgen, diedie Gemeinschaftsverpflegung bisher nicht genutzt hat-ten.

Das Bundesministerium hat die Empfehlungen des Bun-desrechnungshofes aufgegriffen. Seit Januar 2006 setztdie Bundeswehr ein ermäßigtes Trennungsgeld fest, wenndie Möglichkeit besteht, an einer verbilligten Gemein-schaftsverpflegung teilzunehmen. Damit werden dieTrennungsgeldempfänger in der Bundesverwaltung gleichbehandelt und voraussichtlich 4 Mio. Euro pro Jahr anTrennungsgeldzahlungen eingespart.

Bundesministerium für Gesundheit

78 Entwicklung des Beitragssatzes und der Verschuldung der gesetzlichen Krankenkassen seit dem Jahre 2004

Entgegen den Erwartungen des Gesetzgebers ist der Bei-tragssatz zur gesetzlichen Krankenversicherung seit demJahre 2004 nicht um einen Beitragssatzpunkt, sondern nurum 0,17 Punkte gesunken. Bei unveränderten Rahmenbe-dingungen haben die gesetzlichen Krankenkassen (Kas-sen) keinen Spielraum für Beitragssatzsenkungen.

Drucksache 16/XXXX – 46 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Kran-kenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz) trat am1. Januar 2004 in Kraft. Der Gesetzgeber beabsichtigte,die Kassen auf Dauer finanziell zu entlasten, damit sieihre Beitragssätze senken und ihre Verschuldung abbauenkönnen. Er ging davon aus, der Beitragssatz werde vondurchschnittlich 14,3 % am Ende des Jahres 2003 auf13,3 % am Ende des Jahres 2005 sinken.

Der Bundesrechnungshof untersuchte, ob die Kassen derim Gesetz enthaltenen Verpflichtung nachgekommensind, die Beiträge zu senken und die Verschuldung abzu-bauen. Er hat dem Ausschuss für Gesundheit und demHaushaltsausschuss des Deutschen Bundestages Folgen-des berichtet:

● Der Beitragssatz sank, im Durchschnitt aller Kassennicht um einen Beitragssatzpunkt sondern lediglichum 0,17 Punkte.

● Die Kassen insgesamt bauten ihre Verschuldung na-hezu vollständig ab. In der Einzelbetrachtung wareneinige Kassen verschuldet, während andere KassenÜberschüsse aufwiesen. Mangels Liquidität sind nurwenige Kassen in der Lage, Einnahmen- und Ausga-benschwankungen oder gar Ausgabensteigerungenaufzufangen.

Eine Umkehr des negativen Trends ist nach einhelligerAuffassung aller maßgeblichen Akteure im Gesundheits-wesen nicht in Sicht. Die Ausgaben der Kassen werdenstärker ansteigen als die Einnahmen. Den Entlastungendurch das GKV-Modernisierungsgesetz stehen steigendeBelastungen der Kassen gegenüber. Den Kassen verbleibtsomit bei unveränderten Rahmenbedingungen kein Spiel-raum für Beitragssatzsenkungen.

Am 12. Juli 2006 hat das Bundeskabinett „Eckpunkte zueiner Gesundheitsreform 2006“ beschlossen, die unter an-derem die Finanzlage der Kassen verbessern sollen. DerBundesrechnungshof begleitet das bevorstehende Gesetz-gebungsverfahren beratend und wird die neuen Regelun-gen in seine Prüfungsplanung einbeziehen.

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

79 Bundesamt für den Zivildienst reduziert Verwaltungskostenerstattung

Neue Verträge, die das Bundesamt für den Zivildienst(Bundesamt) mit Verbänden der Freien Wohlfahrtspflegegeschlossen hat, werden ab dem Jahre 2008 zu einer Ein-sparung von 3 Mio. Euro jährlich führen.

Das Bundesamt hat Verbände der Freien Wohlfahrts-pflege (Verbände) mit einigen seiner Aufgaben beauf-tragt. Es hat den Verbänden die Verwaltungskosten in an-gemessenem Umfang zu erstatten.

Das Bundesamt erstattete den Verbänden einen höherenVerwaltungsaufwand als zu einer wirtschaftlichen Erledi-gung der übertragenen Aufgaben notwendig war. Der

Bundesrechnungshof hat dem Bundesamt daher empfoh-len, nicht nur die bestehenden Verträge zu kündigen, son-dern auch den Personalbedarf systematisch zu ermitteln.

Das Bundesamt hat inzwischen neue Verträge mit denVerbänden geschlossen. Danach wird die Verwaltungs-kostenerstattung in Stufen reduziert. Dies wird ab demJahre 2008 zu einer Einsparung von knapp 40 % des bis-herigen Erstattungsbetrages, das sind 3,15 Mio. Eurojährlich, führen. Darüber hinaus haben Bundesamt undVerbände vereinbart, den Personalbedarf ermitteln zu las-sen mit dem Ziel, die Verwaltungskostenerstattung neu zubewerten.

Bundesministerium für Bildung und Forschung

80 Schaden des Bundes aus dem Kauf eines repräsentativen, aber nur bedingt geeigneten Palais soll gemindert werden

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung(Bundesministerium) will Empfehlungen des Bundes-rechnungshofes folgen und den Schaden mindern, derdem Bund durch den Kauf eines repräsentativen, aber fürdie wissenschaftliche Arbeit des Deutschen HistorischenInstituts in Warschau nur bedingt geeigneten Palais ent-standen ist.

Das Bundesministerium erwarb für 6,3 Mio. Euro ein re-präsentatives Palais als neuen Sitz des Deutschen Histori-schen Instituts in Warschau. Das Institut hatte vor demKauf hervorgehoben, das Palais biete seiner ständigwachsenden Bibliothek Entwicklungsmöglichkeiten fürmindestens zwei bis drei Jahrzehnte. Nur wenige Monatenach dem Umzug teilte das Institut dem Bundesministe-rium mit, dass ausreichender Platz für die Bibliothek nurdurch eine Unterkellerung des Innenhofs zu schaffen sei,die zusätzliche Ausgaben bis zu 1 Mio. Euro verursachenwürde.

Der Bundesrechnungshof hat das Bundesministerium auf-gefordert,

● ein langfristiges Bibliothekskonzept zu entwickelnund dies durch unabhängigen wissenschaftlichenSachverstand begutachten zu lassen,

● daraufhin zu prüfen, ob das Palais langfristig für dieUnterbringung der Bibliothek und die wissenschaftli-che Arbeit des Instituts geeignet ist und auch dies ei-ner unabhängigen wissenschaftlichen Bewertung zuunterziehen,

● Um- und Ausbaumaßnahmen nur vorzunehmen, wenndiese gegenüber dem Verkauf des Gebäudes und derAnmietung oder dem Kauf einer neuen Liegenschaftwirtschaftlich sind sowie

● Schadensersatzforderungen gegenüber den Verant-wortlichen vertieft zu prüfen und ggf. durchzusetzen.

Das Bundesministerium hat dies zugesagt.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 47 – Drucksache 16/XXXX

Allgemeine Finanzverwaltung

81 Steuerordnungswidrigkeiten künftig konsequenter verfolgen

Das Bundesministerium der Finanzen (Bundesministe-rium) will auf Empfehlung des Bundesrechnungshofesauf eine konsequente Verfolgung von Steuerordnungs-widrigkeiten durch die Finanzämter hinwirken. Die Ahn-dung von Steuerordnungswidrigkeiten leistet einen wich-tigen Beitrag, um das Steueraufkommen zu sichern undeine gleichmäßige Besteuerung zu gewährleisten.

Das Steuerstraf- und Steuerordnungswidrigkeitenrechtsoll durch seine abschreckende Wirkung zur Gleichmä-ßigkeit der Besteuerung beitragen. Anders als die Straftatder Steuerhinterziehung, die Vorsatz erfordert, genügt beiden Steuerordnungswidrigkeiten die leichtfertige Tatbe-gehung.

Die Finanzämter prüften häufig nicht, ob der Verdacht ei-ner Ordnungswidrigkeit, insbesondere einer leichtfertigenSteuerverkürzung oder Steuergefährdung, vorlag, wennein Strafverfahren mangels Vorsatzes nicht in Betrachtkam. Sie ermittelten die Sachverhalte nicht immer ausrei-chend und schlossen die Verfahren oft mit schematischenVermerken ab. Steuerverkürzungen blieben in diesen Fäl-len deshalb auch ohne bußgeldrechtliche Folgen.

Das Bundesministerium hat zugesagt, bei den Ländernauf eine bundeseinheitliche Verwaltungsanweisung hin-zuwirken, die oberhalb einer Bagatellgrenze eine Pflichtzur Prüfung eines Steuerordnungswidrigkeitenverfahrensvorsieht, wenn ein Steuerstrafverfahren nicht in Betrachtkommt. Es will sich außerdem für ein einheitliches Musterder Vermerke zum Abschluss des Verfahrens einsetzen.

Bundesagentur für Arbeit

82 Bundesagentur für Arbeit will das Bildungsgutscheinverfahren verbessern

Die Bundesagentur für Arbeit (Bundesagentur) will dasBildungsgutscheinverfahren durch neue Vorgaben für dieVermittlung und Beratung von Arbeitsuchenden verbes-sern. Über so genannte Handlungsprogramme will sie si-cherstellen, dass Arbeitsuchende Bildungsgutscheine nurerhalten, wenn berufliche Weiterbildung im Einzelfall er-forderlich ist, um sie wieder in den Arbeitsmarkt einzu-gliedern. Sie setzt damit Empfehlungen des Bundesrech-nungshofes um.

Mit dem Bildungsgutschein bescheinigt die Agentur fürArbeit (Agentur) dem Arbeitnehmer, dass er die Förder-voraussetzungen für ein konkretes Bildungsziel erfülltund die Bundesagentur die Fortbildungskosten über-nimmt. Der Arbeitnehmer kann den Bildungsgutscheinbei einem zugelassenen Träger für die Teilnahme an einerzugelassenen Maßnahme mit einem dem Bildungsgut-

schein entsprechenden Bildungsziel einlösen. Er wähltdie Maßnahme selbst aus.

Der Bundesrechnungshof hat festgestellt, dass die Agen-turen häufig Bildungsgutscheine für Bildungsziele ausga-ben, die die individuellen Merkmale der Arbeitnehmer,wie beruflicher Werdegang und Mobilität, nicht hinrei-chend berücksichtigten. Eine der in die Erhebungen ein-bezogenen Agenturen stellte Bildungsgutscheine für Bil-dungsziele aus, die konkret auf die Bedürfnissebestimmter Arbeitgeber ausgerichtet waren. Die Teilneh-merinnen und Teilnehmer der untersuchten Bildungsmaß-nahmen waren zu rund 30 % ein halbes Jahr nach Ab-schluss der Maßnahmen in Arbeit. Nur die Hälfte davonübte eine dem Bildungsziel entsprechende Tätigkeit aus.Die Agenturen werteten die Erfolge der Bildungsmaßnah-men in vielen Fällen nicht aus.

Der Bundesrechnungshof hat empfohlen, Bildungsgut-scheine nur für Bildungsziele auszustellen, wenn dies imkonkreten Einzelfall die beruflichen Eingliederungschan-cen des Kunden auf dem ersten Arbeitsmarkt erhöht. Fer-ner hat der Bundesrechnungshof beanstandet, Maßnah-men zu fördern, die unmittelbar der Wiedereingliederungbei einem bestimmten Arbeitgeber dienen. Die Leistun-gen der Bundesagentur werden in erster Linie aus Bei-tragsmitteln finanziert. Sie sollen deshalb gleichermaßenallen Beteiligten des Arbeitsmarktes zugute kommen undnicht verzerrend in den Wettbewerb eingreifen. Der Bun-desrechnungshof hat die Bundesagentur schließlich auf-gefordert zu untersuchen, warum nur 30 % der Teilneh-mer an Fortbildungsmaßnahmen ein halbes Jahr nachAbschluss der Maßnahme in Arbeit waren. Auf dieserGrundlage solle die Bundesagentur Effektivität und Effi-zienz der Förderung der beruflichen Weiterbildung be-werten und verbessern.

Die Bundesagentur hat erklärt, sie habe die aufgezeigtenSchwachstellen bei der Entwicklung ihrer Handlungspro-gramme aufgegriffen. So haben die Agenturen künftig dieindividuellen Weiterbildungsbedarfe der Arbeitsuchen-den festzulegen und zu dokumentieren. Ebenso wie derBundesrechnungshof ist die Bundesagentur der Auffas-sung, dass Weiterbildungen, die auf spezielle Belange ei-nes Arbeitgebers ausgerichtet sind, wegen der Gefahr ei-ner Wettbewerbsverzerrung nicht zu fördern sind. DieBundesagentur will darauf hinwirken, dass die Regional-direktionen und die Agenturen dem Erfolg der berufli-chen Weiterbildung größere Aufmerksamkeit als bisherwidmen.

Der Bundesrechnungshof sieht in den Vorhaben der Bun-desagentur entscheidende Schritte zur Verbesserung desBildungsgutscheinverfahrens.

83 Vermittlung von Fach- und Führungs-kräften sowie von schwerbehinderten Akademikern verbessert

Die Bundesagentur für Arbeit (Bundesagentur) wird nacheiner Empfehlung des Bundesrechnungshofes die Ver-mittlung von schwerbehinderten Akademikern und Füh-

Drucksache 16/XXXX – 48 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

rungskräften sowie von Fach- und Führungskräften aufdem internationalen Arbeitsmarkt verbessern. Sie beab-sichtigt, die Zentralstelle für Arbeitsvermittlung (ZAV)neu zu organisieren. Dabei will sie auf eine bessere Zu-sammenarbeit mit den Agenturen für Arbeit (Agenturen)und den Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende(Grundsicherungsträger) hinwirken. Bei schwerbehinder-ten Arbeitsuchenden wird die ZAV künftig die Notwen-digkeit und die Angemessenheit der Eingliederungsförde-rung sorgfältiger prüfen.

Die ZAV ist eine besondere Dienststelle der Bundesagen-tur. Sie ergänzt das Beratungs- und Vermittlungsangebotder Agenturen und der Grundsicherungsträger. Sie berätund vermittelt bundesweit Fach- und Führungskräfte so-wie schwerbehinderte Akademiker und Führungskräfte.Die Eingliederung der Arbeitsuchenden kann sie durchLeistungen fördern. Die Vermittlungskräfte werden beider Beratung und Vermittlung durch ein IT-Verfahren derBundesagentur zur Vermittlung unterstützt. Dieses er-möglicht es u. a., Stellenprofile mit Bewerberprofilen ab-zugleichen und Vermittlungsvorschläge zu dokumentie-ren.

Die Bundesagentur hatte versäumt, die Zusammenarbeitder ZAV mit den Agenturen und den Grundsicherungsträ-gern bei der Vermittlung und der Förderung der Einglie-derung Arbeitsuchender eindeutig zu regeln. So betreutedie ZAV teilweise dieselben Personen wie die Agenturenoder die Grundsicherungsträger. Weder unterrichtete siedabei diese Stellen über ihre Vermittlungsbemühungennoch kannte sie deren Bemühungen. Zudem nutzte dieZAV anstelle des in der Bundesagentur verwendeten IT-Verfahrens eigene Verfahren. Sie erstellte in ihren Verfah-ren weder umfassende Bewerber- noch aussagekräftigeStellenprofile. Dies erschwerte die individuelle und pass-genaue Vermittlung.

Die Bundesagentur hat die Empfehlungen des Bundes-rechnungshofes aufgegriffen und wird die ZAV neu orga-nisieren. Dabei will sie auf eine bessere Zusammenarbeitmit den Agenturen und Grundsicherungsträgern hinwir-ken. So soll die ZAV künftig alle Stellenangebote und alle

Informationen über die Arbeitsuchenden in einem neuenIT-Verfahren der Bundesagentur zur Vermittlung nacheinheitlichen Qualitätsstandards verarbeiten. Dadurchwerde das Vermittlungsverfahren verbessert und transpa-rent. Bei der Förderung der Eingliederung schwerbehin-derter Arbeitsuchender wird die ZAV in Zukunft die Not-wendigkeit und die Angemessenheit sorgfältiger prüfenund sich dabei verstärkt mit den Agenturen und denGrundsicherungsträgern abstimmen.

84 Beschäftigte der Bundesagentur für Arbeit erhielten ungerechtfertigt Zulagen

Die Bundesagentur für Arbeit (Bundesagentur) ist denEmpfehlungen des Bundesrechnungshofes gefolgt undwird künftig ungerechtfertigte Zahlungen bei der Gewäh-rung der so genannten Hauptstellenzulage vermeiden.

Beamtinnen und Beamte erhalten eine so genannte Haupt-stellenzulage, solange sie bei der Zentrale der Bundes-agentur beschäftigt sind. Angestellte der Zentrale erhiel-ten ebenfalls diese Zulage, obwohl die tarifrechtlichenBestimmungen dies nicht vorsahen. Des Weiteren ge-währte die Bundesagentur Beschäftigten, die von derZentrale zu einer anderen Dienststelle der Bundesagenturversetzt oder abgeordnet wurden, die Hauptstellenzulageoder eine Ausgleichszulage. Die Gewährung dieser Zula-gen war unzulässig.

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (ehemalsBundesministerium für Wirtschaft und Arbeit – Bundes-ministerium) hat die Bundesagentur aufgefordert, die haf-tungsrechtlichen Folgen der ohne Rechtsgrund gezahltenHauptstellen- und Ausgleichszulagen zu prüfen. Es hatden Bundesrechnungshof über das Ergebnis der Prüfunginformiert. Die Bundesagentur hat die unberechtigte Zah-lung der Zulagen eingestellt. Der Bundesrechnungshofbehält sich vor, das weitere Vorgehen der Bundesagenturund des Bundesministeriums, insbesondere hinsichtlichder Haftungsfrage, erneut zu prüfen.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 49 – Drucksache 16/XXXX

Teil I

1 Feststellungen zur Haushalts- und Vermögensrechnung des Bundes für das Haushaltsjahr 2005

1.0

Bei der Prüfung der Jahresrechnung für das Haushalts-jahr 2005 hat der Bundesrechnungshof keine für die Ent-lastung wesentlichen Abweichungen zwischen den Beträ-gen festgestellt, die in den Rechnungen und den Büchernaufgeführt sind; dies gilt auch für die Sondervermögen.Die stichprobenweise geprüften Einnahmen und Ausga-ben waren bis auf formale Fehler im Allgemeinen ord-nungsgemäß belegt. Der Anteil der formalen Fehler istgegenüber dem Vorjahr zurückgegangen.

Der Bund erzielte im Jahre 2005 Einnahmen (ohne Münz-einnahmen und Krediteinnahmen) in Höhe von 228,4 Mrd.Euro, dies waren 3,6 Mrd. Euro weniger als veranschlagt(232,0 Mrd. Euro). Die Ausgaben lagen mit 259,8 Mrd.Euro um 5,5 Mrd. Euro über dem veranschlagten Soll von254,3 Mrd. Euro. Das im Haushaltsgesetz 2005 vorgese-hene Finanzierungsdefizit von 22,3 Mrd. Euro wurde um9,1 Mrd. Euro überschritten. Es betrug 31,4 Mrd. Euround war damit um 8,4 Mrd. Euro niedriger als im Vorjahr(39,8 Mrd. Euro).

Die Nettoneuverschuldung überschritt mit 31,2 Mrd.Euro ebenfalls deutlich das veranschlagte Soll (22,0 Mrd.Euro). Sie war 8,3 Mrd. Euro höher als die Summe derInvestitionsausgaben (22,9 Mrd. Euro). Die verfassungs-rechtliche Regelobergrenze für die Kreditaufnahme wurdesomit im Haushaltsvollzug nicht eingehalten.

Das Volumen der über- und außerplanmäßigen Ausgabenlag – vor allem aufgrund höherer Ausgaben beim Arbeits-losengeld II – mit 12,8 Mrd. Euro erheblich über dem desVorjahres (0,7 Mrd. Euro). Allerdings wurden im Vorjahrzunächst als überplanmäßige Ausgaben geleistete Mehr-ausgaben für den Arbeitsmarkt und für das Wohngeld inHöhe von 2,6 Mrd. Euro durch einen Nachtragshaushaltabgedeckt. Für das Haushaltsjahr 2005 hat das Bundes-ministerium hingegen keinen Nachtragshaushalt vorge-legt.

Zur Deckung der über- und außerplanmäßigen Mehrbe-lastungen reichten die bewilligten Kreditermächtigungennicht aus. Sie wurden durch eine vom Haushaltsaus-schuss des Deutschen Bundestages genehmigte Entsper-rung von weiteren Kreditermächtigungen in Höhe von13,0 Mrd. Euro aufgefangen, die in Höhe von 9,2 Mrd.Euro in Anspruch genommen wurden.

Die in das Haushaltsjahr 2005 übertragenen Ausgabe-reste sind mit 11,3 Mrd. Euro gegenüber dem Vorjahr um0,6 Mrd. Euro gesunken.

Der Bund hat in den vergangenen Jahren verschiedeneMaßnahmen zur Weiterentwicklung des kameralen Haus-halts- und Rechnungswesens eingeleitet. Die Haushalts-steuerung und -bewirtschaftung orientiert sich jedochweiterhin vorwiegend am Input und am Geldverbrauch,Kostentransparenz und Steuerung konnten noch nichtdurchgreifend verbessert werden. Der Bundesrechnungs-hof hat angeregt, weitergehende Ansätze zur Modernisie-rung und Neuausrichtung des Haushalts- und Rechnungs-wesens des Bundes bis hin zur Einführung der doppeltenBuchführung zu prüfen, um einen umfassenden Reform-prozess möglichst zügig in Gang zu setzen.

1.1 Stand der Entlastungsverfahren

1.1.1 Entlastung für das Haushaltsjahr 2004

Für das Haushaltsjahr 2004 haben der Bundesrat am10. Februar 2006 (Bundesratsdrucksache 216/05) und derDeutsche Bundestag am 7. September 2006 (Plenarproto-koll 16/47 i. V. m. Bundestagsdrucksache 16/2025 derBundesregierung die Entlastung erteilt.

1.1.2 Vorlage der Jahresrechnung 2005

Das Bundesministerium der Finanzen (Bundesministe-rium) hat mit Schreiben vom 31. März 2006 die Haus-halts- und Vermögensrechnung für das Haushaltsjahr2005 (Bundestagsdrucksache 16/1122) dem DeutschenBundestag und dem Bundesrat gemäß Artikel 114 Abs. 1Grundgesetz als Grundlagen für das parlamentarischeVerfahren zur Entlastung der Bundesregierung vorgelegt.

1.2 Prüfung der Jahresrechnung 2005

1.2.1 Ordnungsmäßigkeit der Jahresrechnung 2005 (Mitteilung nach § 97 Abs. 2 Nr. 1 BHO)

Die Jahresrechnung setzt sich aus der Haushalts- und derVermögensrechnung zusammen. In der Haushaltsrech-nung sind die im Haushaltsjahr gebuchten Einnahmenund Ausgaben den Ansätzen des Bundeshaushaltsplansunter Berücksichtigung der Haushaltsreste und der Vor-griffe gegenübergestellt (§ 81 BHO). In der Vermögens-rechnung sind der Bestand des Vermögens und der Schul-den zu Beginn und zum Ende des Haushaltsjahres sowiedie Veränderungen während des Jahres nachzuweisen(§ 86 BHO).

Drucksache 16/XXXX – 50 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Mit Unterstützung der Prüfungsämter des Bundes hat derBundesrechnungshof die Ordnungsmäßigkeit der Haus-halts- und Vermögensrechnung für das Haushaltsjahr2005 des Bundes geprüft. Hinsichtlich des kassenmäßigenErgebnisses hat er keine für die Entlastung wesentlichenAbweichungen zwischen den Beträgen festgestellt, die indiesen Rechnungen und in den Büchern aufgeführt sind;dies gilt auch für die Sondervermögen.

Soweit die Einnahmen und Ausgaben stichprobenweisegeprüft wurden, waren diese im Allgemeinen ordnungs-gemäß belegt. Es wurden jedoch formale Fehler festge-stellt, die allerdings keine nennenswerten finanziellenAuswirkungen hatten (fehlende oder fehlerhafte Feststel-lungsvermerke auf den begründenden Unterlagen, unvoll-ständige Unterlagen, fehlende oder nicht hinterlegte Un-terschriften der Anordnungsbefugten). Der Anteil derfehlerhaften Belege ging – bei rund 13 000 geprüften Fäl-len – auf rund 9 % zurück, nachdem er im Haushaltsjahr2004 noch rund 10 % und im Haushaltsjahr 2003 rund13 % betragen hatte. Damit scheinen die Bemühungendes Bundesministeriums, zusammen mit den Bundeskas-sen und den Beauftragten für den Haushalt der Ressortsden Fehlerursachen nachzugehen und Maßnahmen zurVermeidung formaler Fehler zu ergreifen, Wirkung zuzeigen.

Allerdings ist der Anteil der formalen Fehler mit rund9 % immer noch zu hoch. Er belegt einen noch nicht hin-reichend sorgfältigen Umgang mit den Vorschriften undGrundsätzen über die ordnungsgemäße Bewirtschaftungvon Haushaltsmitteln. Damit besteht zumindest die Ge-fahr, dass sich Fehler oder Unregelmäßigkeiten finanziellnachteilig für den Bundeshaushalt auswirken können.

Das Bundesministerium hat zugesagt, es werde seine Be-mühungen fortsetzen, den Anteil der formalen Fehlerweiter zu verringern und dafür Sorge tragen, dass die Vor-schriften und Grundsätze für die ordnungsgemäße Be-wirtschaftung der Haushaltsmittel sowie der Rechnungs-legung ausreichend beachtet werden (VV Nr. 3.3.1 Satz 1und 3.3.4 zu § 9 BHO; VV Nr. 2 zu § 34 BHO i. V. m.VV für Zahlungen, Buchführung und Rechnungslegungder BHO, Teil IV; § 80 BHO). Es bleibt insoweit aufge-

fordert, die Leiter der Bundeskassen, die Leiter der Kas-senprüfungen der Oberfinanzdirektionen und die Beauf-tragten für den Haushalt darauf hinzuweisen, verstärktauf das korrekte Ausfüllen der Kassenanordnungen bzw.auf die Vollständigkeit der begründenden Unterlagen Ein-fluss zu nehmen.

1.3 Haushaltsführung

1.3.1 Abschlussergebnisse im Überblick

Das Haushaltsgesetz 2005 vom 3. März 2005 sah Einnah-men und Ausgaben des Bundes für das Haushaltsjahr2005 von 254,3 Mrd. Euro vor. Das Bundesministeriumwurde zu einer Nettokreditaufnahme bis zur Höhe von22,0 Mrd. Euro ermächtigt.

Im Haushaltsvollzug blieben die Einnahmen1 vor allemwegen geringerer Steuereinnahmen und aufgrund vonMindereinnahmen beim Bundesbankgewinn um 3,6 Mrd.Euro unter dem veranschlagten Soll (232,0 Mrd. Euro).Die Ausgaben hingegen waren insbesondere aufgrund hö-herer Ausgaben für den Arbeitsmarkt mit 259,8 Mrd.Euro um 5,5 Mrd. Euro höher als veranschlagt(254,3 Mrd. Euro; vgl. Tabelle 1).

Zur Deckung dieses höheren Finanzierungsdefizits hatdie Bundesregierung die Entsperrung eines Teils der ge-mäß § 2 Abs. 9 Haushaltsgesetz 2005 qualifiziert gesperr-ten Kreditermächtigung beantragt. Der Haushaltsaus-schuss des Deutschen Bundestages (Haushaltsausschuss)willigte in die Aufhebung dieser Sperre in Höhe von13,0 Mrd. Euro ein. Damit stand dem Bund eine Ermäch-tigung zur Nettokreditaufnahme von insgesamt 35,0 Mrd.Euro zur Verfügung. Dies waren über 12,0 Mrd. Euromehr als die vorgesehenen und tatsächlichen Investitions-ausgaben (vgl. Tabelle 1). Die Nettokreditaufnahme über-schritt damit die Regelverschuldungsgrenze des Arti-kels 115 Abs. 1 Grundgesetz im Haushaltsvollzug.

1 Ohne Münzeinnahmen und Nettokreditaufnahme.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 51 – Drucksache 16/XXXX

Ta b e l l e 1

Wesentliche Abschlussergebnisse

1 Ist-Einnahmen sind bereinigt (ohne Münzeinnahmen, Haushaltskredite, haushaltstechnische Verrechnungen und durchlaufende Mittel).2 Ist-Ausgaben sind bereinigt (ohne haushaltstechnische Verrechnungen und durchlaufende Mittel).3 Zinsausgaben laut Kapitel 3205.4 Ohne Betriebsmitteldarlehen an die Rentenversicherung.

Haushaltsjahr

2005 Vorjahr 2004

Soll Ist Abwei-chung Soll Ist Abwei-

chung

Mrd. Euro

Einnahmen1 232,0 228,4 – 3,6 211,8 211,8 0,0

– Steuereinnahmen 190,8 190,1 – 0,7 186,6 187,0 0,4

– Sonstige Einnahmen 41,2 38,3 – 2,9 25,2 24,8 – 0,4

Ausgaben2 254,3 259,8 5,5 255,6 251,6 – 4,0

darunter:

Zinsausgaben3 38,9 37,4 – 1,5 36,8 36,3 – 0,5

Investitionsausgaben 22,7 22,94 0,2 24,6 22,4 – 2,2

Saldo der durchlaufenden Mittel – 0,0 – 0,0

Finanzierungssaldo – 22,3 – 31,4 – 9,1 – 43,8 – 39,8 4,0

Münzeinnahmen 0,3 0,2 – 0,1 0,3 0,3 0,0

Nettokreditaufnahme (einschl. entsperrter Betrag)

22,0(35,0)

31,2 9,2(– 3,8)

43,5 39,5 – 4,0

1.3.2 Einnahmen führt und dabei die derzeitige Veranschlagungspraxis als

Die Steuereinnahmen verfehlten das veranschlagte Sollum 0,7 Mrd. Euro (vgl. Nr. 3.4 der Jahresrechnung). Ge-genüber dem Vorjahr sind die Steuereinnahmen um3,1 Mrd. Euro gestiegen.

Die sonstigen Einnahmen (einschließlich Bundesbank-gewinn, ohne Münzeinnahmen) lagen mit 38,3 Mrd. Eurozwar unter dem Sollansatz 2005 (41,2 Mrd. Euro) aberwesentlich über dem Ergebnis des Vorjahres (24,8 Mrd.Euro). Gegenüber dem Vorjahr sind vor allem die Einnah-men aus Gewährleistungen um 6,8 Mrd. Euro (u. a. durchvorzeitige Schuldentilgungen Russlands und Polens) unddie Einnahmen aus der Veräußerung von Beteiligungenund sonstigem Kapitalvermögen um 4,0 Mrd. Euro ange-stiegen.

Die Gebühreneinnahmen beliefen sich im Haushaltsjahr2005 auf 4,7 Mrd. Euro (Soll: 5,0 Mrd. Euro). Der Bun-desrechnungshof hat mehrere Prüfungen zur haushalts-mäßigen Behandlung von Gebühreneinnahmen durchge-

unzureichend erkannt. Er hat insbesondere festgestellt,dass Haushaltsvermerke, die regeln, dass Mehreinnahmenzur Verstärkung von Ausgabetiteln verwendet werdendürfen, einen Fehlanreiz zur Unterveranschlagung der be-treffenden Einnahme- und Ausgabetitel bilden. Der Bun-desrechnungshof wird mit dem Bundesministerium Ver-besserungsmöglichkeiten erörtern.

Die Deutsche Bundesbank führte im Haushaltsjahr 2005den Bilanzgewinn des Geschäftsjahres 2004 in Höhe von676 Mio. Euro an den Bund ab. Dies war die zweitnied-rigste Gewinnablieferung der Deutschen Bundesbank inden vergangenen 17 Jahren (vgl. Abbildung 1). DerSollansatz im Haushaltsplan von 2,0 Mrd. Euro wurdedamit deutlich unterschritten.

Auch konnten dem Erblastentilgungsfonds keine Einnah-men aus dem Bundesbankgewinn zufließen (vgl.Nr. 1.11.2.3); diese Einnahmen sind dem Fonds nur zuzu-führen, soweit sie einen Betrag von 3,5 Mrd. Euro über-steigen.

Drucksache 16/XXXX – 52 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Abbi ldung 1Verwendung der Gewinnablieferung der Deutschen Bundesbank

Haushaltsjahr

1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005

Verwendung zur Schuldentilgung

Zuführung an den Erblastentilgungsfonds

Verwendung zur Ausgabenfinanzierung

0

2

4

6

8

10

12

14

Mrd. Euro

1.3.3 Ausgaben gen für Unterkunft und Heizung (333 Mio. Euro; Kapi-

Die Ist-Ausgaben des Haushaltsjahres 2005 betrugen259,8 Mrd. Euro (vgl. Tabelle 1). Sie lagen damit um5,5 Mrd. Euro über dem geplanten Soll 2005 und um rund8,3 Mrd. Euro2 über dem Wert des Vorjahres.

Die Haushaltsüberschreitung von 5,5 Mrd. Euro ist derSaldo aus Mehrausgaben und Minderausgaben. Mehraus-gaben gegenüber dem Soll 2005 entstanden insbesonderefür Zuweisungen und Zuschüsse (ohne Investitionen). Siewurden im Wesentlichen über- und außerplanmäßig geleis-tet (vgl. Nr. 4.3.5.3 sowie Nr. 6.1.1 der Jahresrechnung).

Der weit überwiegende Teil dieser Mehrausgaben entfielauf das Arbeitslosengeld II (10,4 Mrd. Euro; Kapi-tel 0912 Titel 681 12). Hauptursache dieser ungünstigenEntwicklung war der unerwartete Anstieg der Anzahl derBedarfsgemeinschaften und die Höhe der durchschnittli-chen Geldleistungen. Erhebliche Mehrausgaben ergabensich auch aus der Beteiligung des Bundes an den Leistun-

tel 0912 Titel 632 11) und beim Wohngeld nach dem Wohn-geldgesetz (235 Mio. Euro; Kapitel 1225 Titel 632 01).

Diesen Mehrausgaben standen Minderausgaben vor allembeim Zuschuss an die Bundesagentur für Arbeit (–3,6 Mrd.Euro), bei den Leistungen zur Eingliederung in Arbeit(–2,5 Mrd. Euro) und bei den Zinsausgaben (–1,5 Mrd.Euro) gegenüber.

Die Investitionsausgaben lagen mit 22,9 Mrd. Euroleicht (0,2 Mrd. Euro) über dem veranschlagten Soll undwaren 0,5 Mrd. Euro höher als im Vorjahr. Grund warendie gestiegenen Ausgaben für Verkehrsinvestitionen indie Schiene und Straße aufgrund des 2-Milliarden-Euro-Verkehrsprogrammes.

Der Bund gewährte den Trägern der allgemeinen Renten-versicherung ein außerplanmäßiges Betriebsmitteldarlehenin Höhe von 900 Mio. Euro (Kapitel 1513 Titel 856 22); eswar daher nicht im Bundeshaushaltsplan enthalten. DiesesDarlehen wurde von den Rentenversicherungsträgernnoch im gleichen Jahr zurückgezahlt. Dementsprechendwurde es in der Jahresrechnung bei der Ermittlung der Ge-2 Abweichung durch Rundung.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 53 – Drucksache 16/XXXX

samtsumme der Investitionen nicht berücksichtigt.3 DerBundesrechnungshof hält dies für sachgerecht, da eine dieRegelkreditobergrenze ausweitende Anrechnung einesunterjährig getilgten Darlehens nicht mit dem Ziel des Ar-tikels 115 Abs. 1 Grundgesetz vereinbar wäre.

1.3.4 Finanzierungsdefizit

Zur Deckung des im Haushaltsplan 2005 ausgewiesenenFinanzierungsdefizits von 22,3 Mrd. Euro wurden eineNettokreditaufnahme von 22,0 Mrd. Euro und Münzein-nahmen von 0,3 Mrd. Euro im Haushaltsplan veran-schlagt. Da die Nettokreditaufnahme im Ist-Ergebnis31,2 Mrd. Euro und die Münzeinnahmen 0,2 Mrd. Euroerreichten, war das Defizit mit insgesamt 31,4 Mrd. Euroum 9,1 Mrd. Euro4 höher als ursprünglich geplant. Es war

allerdings um 8,4 Mrd. Euro niedriger als im Vorjahr (vgl.Nr. 3.1.1 der Jahresrechnung).

1.4 Nettokreditaufnahme, Inanspruchnahme von Kreditermächtigungen

1.4.1 Kreditermächtigungen des Bundes

Im Rahmen des Haushaltsvollzugs standen dem Bundes-ministerium aufgrund des Haushaltsgesetzes 2005 fol-gende Kreditermächtigungen zur Verfügung:● Nettokreditermächtigung (§ 2 Abs. 1 HG 2005),● Restkreditermächtigungen 2004 (§ 18 Abs. 3 BHO),● Anschlussfinanzierungen (§ 2 Abs. 2 HG 2005),● Vorgriffsermächtigung (§ 2 Abs. 3 HG 2005),● Marktpflegeermächtigung (§ 2 Abs. 5 HG 2005),● Kassenverstärkungskredite (§ 2 Abs. 10 HG 2005).Eine Übersicht über die Höhe der Ermächtigungen undderen Inanspruchnahme enthält Tabelle 2 (vgl. auchNr. 5.2.5 der Jahresrechnung).

3 Darlehen werden nach den haushaltsrechtlichen Regelungen grund-sätzlich als Investitionen gewertet. Höhere Investitionen erhöhen denKreditspielraum des Bundes gemäß Artikel 115 Abs. 1 Grundgesetz.

4 Einschließlich Saldo der durchlaufenden Mittel (38 Mio. Euro).

Ta b e l l e 2Kreditermächtigungen und Inanspruchnahme1

Ermäch-tigungs-

betrag 2005

Inanspruch-nahme 2005

AbweichungInanspruch-

nahme 2004

Mrd. Euro

Restliche Kreditermächtigung aus dem Vorjahr (§ 18 Abs. 3 BHO)

19,0 19,0 – 15,0

Kreditermächtigung nach dem Haushaltsgesetz 2005 zur Deckung von Ausgaben (§ 2 Abs. 1)

durch Beschluss des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages entsperrter BetragSomit insgesamt verfügbar

22,0(davon nicht gesperrt: 4,3)

13,0

17,3

12,2 – 9,82 24,5

Ermächtigungsrahmen insgesamt(davon noch gesperrt: 4,7 Mrd. Euro)

41,0

Für die Nettokreditaufnahme zur Verfügung stehend 36,3 31,2 – 5,1 39,5

Weitere Kreditermächtigungen nach dem Haushaltsgesetz 2005

a) zur Tilgung (§ 2 Abs. 2) 192,9 192,9 – 184,5

b) zur Marktpflege (§ 2 Abs. 5)3 . 6,4 – 7,9

c) Bundesbankmehrgewinn (§ 4 S. 2)4 – – – –

d) zum Vorgriff auf das folgende Haushaltsjahr (§ 2 Abs. 3) 10,2 – – 10,2 –

Drucksache 16/XXXX – 54 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

n o c h Ta b e l l e 2

1 Differenzen durch Rundung.2 In Höhe dieses Betrages wird sie als Restkreditermächtigung in das Jahr 2006 übertragen.3 Bis 10 % des Betrages der umlaufenden Bundesanleihen, -obligationen und -schatzanweisungen.4 Die über 3,5 Mrd. Euro liegenden Mehreinnahmen aus dem Bundesbankgewinn vermindern gemäß § 2 Satz 2 Haushaltsgesetz 2005 die Krediter-

mächtigung nach § 2 Abs. 1 Haushaltsgesetz 2005.5 Im Ist-Ergebnis der Bruttokreditaufnahme enthalten sind Umbuchungen aus dem Jahre 2005 in das Jahr 2006 von –3,7 Mrd. Euro sowie aus dem

Jahre 2004 in das Jahr 2005 von 3,7 Mrd. Euro.6 Ohne Betriebsmitteldarlehen an die Rentenversicherung.

Gesamtermächtigung (Kreditermächtigungsrahmen und weitere Kreditermächtigungen)

244,1

Gesamtinanspruchnahme, zugleich Bruttokreditauf-nahme in haushaltsmäßiger Abgrenzung 5

230,7 231,9

Tilgungen aus Kreditmarktmitteln (a, b, c) – 199,5 – 192,4

Nettokreditaufnahme in haushaltsmäßiger Abgrenzung 22,0 31,2 9,2 39,5

nachrichtlich:Summe der Ausgaben für Investitionen 22,7 22,96 0,2 22,4

Ermäch-tigungs-

betrag 2005

Inanspruch-nahme 2005

AbweichungInanspruch-

nahme 2004

Mrd. Euro

1.4.2 Entsperrung der Kreditermächtigung Euro war zunächst gesperrt. Einer Entsperrung eines Teil-

Das Haushaltsgesetz 2005 enthält eine Kreditermächti-gung zur Deckung von Ausgaben in Höhe von 22,0 Mrd.Euro. Hinzu kommt eine Restkreditermächtigung (§ 18Abs. 3 BHO) aus dem Vorjahr in Höhe von 19,0 Mrd.Euro. Damit ergab sich ein Gesamtkreditermächti-gungsrahmen in Höhe von 41,0 Mrd. Euro. Seit demHaushaltsjahr 1999 schreiben die jährlichen Haushaltsge-setze vor, dass die neue Kreditermächtigung in Höhe desBetrags gesperrt ist, in der die Restkreditermächtigungendes Vorjahres 0,5 % der festgestellten Gesamtausgabenübersteigen. Die Aufhebung der Sperre bedarf der Ein-willigung des Haushaltsausschusses (vgl. § 2 Abs. 9Haushaltsgesetz 2005).

Somit stand ein Betrag von insgesamt 23,3 Mrd. Euro zurAufnahme neuer Kredite ohne Einschaltung des Parla-ments zur Verfügung. Er setzt sich zusammen aus demnicht gesperrten Anteil der bewilligten Nettokredi-taufnahme in Höhe von 4,3 Mrd. Euro sowie der Rest-kreditermächtigung in Höhe von 19,0 Mrd. Euro. Derdarüber hinaus bis zur Kreditermächtigungsobergrenzevon 41,0 Mrd. Euro bestehende Saldo von 17,7 Mrd.

betrages in Höhe von 13,0 Mrd. Euro hat der Haushalts-ausschuss am 2. Dezember 2005 zugestimmt. Danachstanden dem Bundesministerium Ermächtigungen zurNettokreditaufnahme in Höhe von 36,3 Mrd. Euro zurVerfügung.5

Insgesamt wurde diese Kreditermächtigung in Höhe von31,2 Mrd. Euro in Anspruch genommen. Die Nettokredit-aufnahme überschritt die Ausgaben für Investitionen von22,9 Mrd. Euro um 8,3 Mrd. Euro und damit im Haus-haltsvollzug die verfassungsrechtliche Kreditobergrenzedes Artikels 115 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz (vgl. Abbil-dung 2 sowie Nr. 1.7).

Gegenüber dem Vorjahr ist die Nettokreditaufnahme um8,3 Mrd. Euro gesunken (vgl. Abbildung 2). Die verblie-bene Restkreditermächtigung für das Haushaltsjahr 2006beträgt 9,8 Mrd. Euro (vgl. Abbildung 3).

5 In Höhe von 4,7 Mrd. Euro war die Kreditermächtigung weiterhingesperrt.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 55 – Drucksache 16/XXXX

Abbildung 2

Entwicklung von Nettokreditaufnahme und Investitionsausgaben

A b b i l d u n g 3

Restliche Kreditermächtigungen aus dem Vorjahr und deren Inanspruchnahme

Nettokreditaufnahme

Investitionsausgaben

1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005

0

5

10

15

20

25

30

35

40

45

Mrd. Euro

Restliche Kreditermächtigung aus dem Vorjahr (§ 18 Abs. 3 BHO),davon im Haushaltsjahr in Anspruch genommen.

Auf die Verfügbarkeit der jeweils zunächst weitergeltenden Restermächtigung hat das BMF in Höhe von 10,2 Mrd. Euro für 1992 und in Höhe von 12,8 Mrd. Euro für 1995 verzichtet.

0

5

10

15

20

25

30

Mrd

. Eur

o

1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006

Haushaltsjahr

Drucksache 16/XXXX – 56 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

1.4.3 Fifo-Prinzip

Das Bundesministerium nimmt in ständiger Haushalts-praxis und entsprechend der Regelung in § 2 Abs. 7Haushaltsgesetz 2005 zuerst die weiter geltende Krediter-mächtigung des Vorjahres in Anspruch und schont damitin gleicher Höhe die für das laufende Haushaltsjahr vomParlament erteilte Ermächtigung zur Deckung von Aus-gaben (first in first out-Prinzip – fifo). Der Bundesrech-nungshof hält diese Praxis für haushaltsrechtlich bedenk-lich, weil damit die in § 18 Abs. 3 BHO festgelegteVerfallsfrist von grundsätzlich einem Jahr leer läuft. Erhat auf diese Problematik bereits mehrfach in seinen Be-merkungen hingewiesen, zuletzt im Vorjahr (vgl. Bemer-kungen 2005, Bundestagsdrucksache 16/160 Nr. 1.4.2.1).

1.4.4 Fehlbuchungen bei Krediteinnahmen

In der Finanzierungsrechnung (Nr. 4.2.1.2 der Jahresrech-nung) sind die „Kredite vom Kreditmarkt“ zu gering aus-gewiesen; vier Wertpapierpensionsgeschäfte im Gesamt-volumen von 1 241 520 376,70 Euro sind im ausgewie-senen Betrag nicht enthalten. Das Bundesministerium hathierzu ausgeführt, dass diese Krediteinnahmen versehent-lich bei den Kassenverstärkungskrediten gebucht wordenseien. Diese Fehlbuchungen führten zu keinem wirt-schaftlichen Schaden und wurden durch entsprechendeKorrekturbuchungen im Jahre 2006 ausgeglichen.

Kassenverstärkungskredite dürfen nach § 18 Abs. 2 Nr. 2Satz 3 BHO nicht später als sechs Monate nach Ablaufdes Haushaltsjahres, für das sie aufgenommen wordensind, fällig werden. Die o. a. Wertpapiergeschäfte warenfür das Haushaltsjahr 2005 aufgenommen worden undsind erst am 11. September 2006 fällig. Somit hätten sieals Kredite vom Kreditmarkt gebucht werden müssen.Der Bundesrechnungshof erwartet, dass das Bundesmi-nisterium durch entsprechende Maßnahmen sicherstellt,dass Krediteinnahmen zutreffend ausgewiesen werden.

Das Bundesministerium hat darauf hingewiesen, dasseine derartige Fehlbuchung bisher einmalig aufgetretensei. Es hat mitgeteilt, dass es die für die Kreditaufnahmezuständige Bundesrepublik Deutschland – FinanzagenturGmbH (Finanzagentur) aufgefordert habe, ihre Verfah-rensweise zu aktualisieren und Wertpapierpensionsge-schäfte entsprechend mit zu berücksichtigen.

1.4.5 Gemeinsame Kreditaufnahme mit Sondervermögen

Dem Kreditrahmen zur Tilgung fällig werdender Kreditewachsen die vom Bund übernommenen Kredite für das„ERP-Sondervermögen“ zu. Nach § 2 Abs. 7 Haushalts-gesetz 2005 kann der Bund im Haushaltsjahr fällig wer-dende Kredite dieses Sondervermögens bis zur Höhe von3,1 Mrd. Euro zum Zwecke einer gemeinsamen Kredit-aufnahme als eigene Schulden in Form eines Schuldbei-tritts übernehmen. Das Sondervermögen trägt die Zins-und Tilgungsleistungen für diese Schulden. Mit der ge-schaffenen Möglichkeit gemeinsamer Wertpapierbege-bungen sollen bei entsprechender Marktsituation Zins-

ersparnisse insbesondere für das Sondervermögenrealisiert werden. Für das Haushaltsjahr 2005 wurde vonder Möglichkeit der Schuldenmitübernahme durch denBund kein Gebrauch gemacht.

1.4.6 Einsatz derivativer Finanzinstrumente

Der Bund hat die gesamte Schuldenaufnahme zur Finanz-agentur ausgelagert. § 2 Abs. 6 Haushaltsgesetz 2005 ent-hält eine Ermächtigung, im Berichtsjahr im Rahmen derKreditfinanzierung ergänzende Verträge zur Optimierungder Zinsstruktur und zur Begrenzung von Zinsänderungs-risiken (Swapgeschäfte) bis zu einem Vertragsvolumenvon 80,0 Mrd. Euro und zur Begrenzung des Zins- undWährungsrisikos von Fremdwährungsanleihen bis zu ei-nem Vertragsvolumen von 30,0 Mrd. Euro abzuschließen.Die Finanzagentur nutzte diese Ermächtigungen für deri-vative Finanzinstrumente teilweise. Auf den gesondertenAusweis in einem eigenen Haushaltstitel wurde seit demHaushaltsjahr 2004 aufgrund der für den Kapitalmarktsensiblen Daten verzichtet. Art und Umfang der derivati-ven Geschäfte werden im vertraulich tagenden parlamen-tarischen Gremium zur Fragen der Kreditfinanzierung desBundes laufend erörtert (§ 4a Bundeswertpapierverwal-tungsgesetz; ab 01.08.2006: § 3 Gesetz zur Modernisie-rung des Schuldenwesens des Bundes – Bundesschulden-wesenmodernisierungsgesetz).

1.5 Gesamtverschuldung

Die Bundesschuld betrug einschließlich der zum1. Januar 2005 in die Bundesschuld integrierten Schuldendes Fonds Deutsche Einheit zum Ende des Haushaltsjah-res 2005 insgesamt 872,6 Mrd. Euro (vgl. Nr. 5.2.4 derJahresrechnung und Nr. 1.11.2).

Die Finanzschulden der nicht in den Bundeshaushalt ein-gegliederten Sondervermögen beliefen sich zum Ende desJahres 2005 auf 15,4 Mrd. Euro. Die Gesamtverschul-dung, d. h. die Verschuldung des Bundes aus seinen Fi-nanzkrediten sowie die Schulden der Sondervermögendes Bundes, betrug somit insgesamt 888,0 Mrd. Euro(vgl. Nr. 2.5). Hinzu kam ein negativer Kassenstand(Saldo aus Kassenverstärkungskrediten und Geldanlage)in Höhe von 1,2 Mrd. Euro.

1.6 Haushaltsüberschreitungen

1.6.1 Entwicklung der über- und außerplanmäßigen Ausgaben

Im Haushaltsjahr 2005 wurden überplanmäßige Ausga-ben in Höhe von 11,76 Mrd. Euro und außerplanmäßigeAusgaben in Höhe von 1,06 Mrd. Euro geleistet (vgl.Nr. 6.1.1 der Jahresrechnung). Der Gesamtbetrag in Höhevon 12,82 Mrd. Euro entspricht rund 5 % des Haushalts-Solls (254,3 Mrd. Euro) und liegt damit erheblich überdem Betrag des Vorjahres (668 Mio. Euro, vgl. Abbil-dung 4).

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 57 – Drucksache 16/XXXX

A b b i l d u n g 4

Entwicklung der über- und außerplanmäßigen Ausgaben

*) 2003 und 2004: Überplanmäßige Ausgaben für den Arbeitsmarkt und Wohngeld (nur 2004) in Höhe von rund 10,5 Mrd. Euro bzw. 2,6 Mrd. Eurowaren nicht in der Jahresrechnung ausgewiesen, weil das Haushaltssoll durch einen Nachtrag entsprechend erhöht wurde.

12,82

0,670,77

2,4

4,95,51

2,81

5,76

0,37

9,55

2,99

3,99

4,89

5,98

0,870,23

1,430,88

2,6*)

10,5*)

0

2

4

6

8

10

12

14

Mrd. Euro

1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005

Das Volumen an überplanmäßigen Ausgaben ist zum Wohngeldgesetz (235 Mio. Euro) und im Einzelplan 17

weit überwiegenden Teil zurückzuführen auf zusätzli-che Ausgaben im Einzelplan 09 in Höhe von insgesamt10,9 Mrd. Euro (Arbeitslosengeld II 10,4 Mrd. Euro,Beteiligung des Bundes an den Leistungen für Unter-kunft und Heizung der Langzeitarbeitslosen 333 Mio.Euro, Abwicklung von Altprogrammen der Kredit-anstalt für Wiederaufbau 181 Mio. Euro). Weiterewesentliche überplanmäßige Ausgaben fielen im Ein-zelplan 12 insbesondere für Wohngeld nach dem

insbesondere für das Erziehungsgeld (133 Mio. Euro)an.

Außerplanmäßige Ausgaben sind vor allem imEinzelplan 15 für ein Betriebsmitteldarlehen des Bundesan die Träger der allgemeinen Rentenversicherung(900 Mio. Euro) und im Einzelplan 23 für die Wiederauf-bauhilfe nach dem Seebeben im Indischen Ozean(124 Mio. Euro) angefallen (vgl. Tabelle 3).

Drucksache 16/XXXX – 58 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Ta b e l l e 3

Haushaltsüberschreitungen nach Ressorts und Hauptgruppen(Differenzen durch Rundung)

Epl.

Personal-ausgaben

Sächl. Verwal-

tungsaus-gaben

Zuweisungen und Zuschüsse

Baumaß-nahmen

sonst. In-vestitionen

besondere Finan-

zierungs-maßnah-

men

GesamtHGr. 4 HGr. 5 HGr. 6 HGr. 7 HGr. 8 HGr. 9

in Euro

01 1 089 1 089

02 999 907 20 554 1 020 461

03

04 443 290 443 290

05 31 258 349 2 369 980 33 628 330

06 109 872 515 4 394 069 114 266 584

07 200 200

08 972 143 70 779 927 71 752 070

09 10 914 398 794 95 791 154 000 10 914 648 585

10 482 509 68 041 985 68 524 494

12 15 699 484 243 804 978 5 548 000 265 052 462

14

15 2 142 681 134 280 510 899 750 000 1 036 173 191

16 1 615 820 1 071 461 119 150 2 806 432

17 148 237 263 148 237 263

19

20

23 4 999 511 124 461 231 129 460 742

30 31 200 248 31 200 248

32

33

60

Summe 19 297 017 11 759 934 186 1 167 252 912 236 603 124 580 381 12 817 215 441

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 59 – Drucksache 16/XXXX

Die über- und außerplanmäßigen Ausgaben wurden imHaushaltsjahr 2005 im Bundeshaushalt mit Ausnahmedes Mehrbedarfs bei den Leistungen für Arbeitsuchende(Arbeitslosengeld II), für die in Höhe von 5,5 Mrd. Eurokeine Einsparung erbracht werden konnte, durch Minder-ausgaben an anderer Stelle gedeckt (vgl. Nr. 4.3.4.1 derJahresrechnung).

1.6.2 Haushaltsüberschreitungen ohne Zustimmung des Bundesministeriums

Von den im Haushaltsjahr 2005 entstandenen Haushalts-überschreitungen wurden in 14 Fällen (Vorjahr 12 Fälle)insgesamt rund 35 Mio. Euro (Vorjahr rund 114,1 Mio.Euro) ohne die notwendige Zustimmung des Bundesmi-nisteriums geleistet, und zwar bei neun Einzelplänen.Während die Gesamtsumme dieser ungenehmigten Aus-gaben gegenüber dem Vorjahr gesunken ist, ist ihre An-zahl gestiegen (vgl. Abbildung 5). Das Bundesministe-rium hat in acht Fällen in der Haushaltsrechnungbestätigt, dass es bei rechtzeitiger Vorlage des Antragsseine Zustimmung zu der Haushaltsüberschreitung erteilthätte.

In zwei Fällen hat das Bundesministerium eine solche Er-klärung nicht abgegeben, da das jeweilige Ressort (Bun-

desministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesenbzw. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz undReaktorsicherheit) nicht oder nicht hinreichend dargelegtund begründet hatte, dass die Voraussetzungen für die ge-leisteten Ausgaben vorlagen. Es handelt sich dabei in ei-nem Fall um Ausgaben für Entschädigungs- und Ersatz-leistungen (Kapitel 1203 Titel 531 01) in Höhe voninsgesamt rund 139 000 Euro. Diese überplanmäßigenAusgaben dienen der Erfüllung einer Rechtsverpflichtungund beruhen auf gerichtlichen Urteilen und Vergleichen.Im zweiten Fall wurden Ausgaben des Umweltbundesam-tes überplanmäßig geleistet für Leistungen an Bundesbe-hörden zur Durchführung von Aufträgen (Kapitel 1605Titel 981 01). Aufgrund des Fehlens von Deckungsver-merken entstand eine ungenehmigte überplanmäßigeAusgabe bei diesem Verrechnungstitel. Für die Folge-jahre ist eine andere Veranschlagungspraxis gewählt wor-den.

In vier weiteren Fällen mit einem Gesamtbetrag von rund144 000 Euro hat das Bundesministerium in der Jahres-rechnung als Ursache für die Leistung von Mehrausgabenohne Genehmigung ein Verwaltungsversehen (fehler-hafte Anwendung von Deckungs- oder Verstärkungsmög-lichkeiten) angegeben.

A b b i l d u n g 5

Entwicklung der über- und außerplanmäßigen Ausgaben ohne Zustimmung des Bundesministeriums der Finanzen nach Artikel 112 Grundgesetz für die Jahre 1992 bis 2005

0

10

20

30

40

50

60

70

Fälle

0

50

100

150

200

250

300

350

400

450

500

Mio. Euro

Gesamtsumme

davon hätte das BMF bei rechtzeitiger Antragstellung bewilligt

Fallzahl

1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005

Drucksache 16/XXXX – 60 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Angesichts des erneuten Anstiegs der Anzahl der über-und außerplanmäßigen Ausgaben ohne Zustimmung desBundesministeriums gegenüber dem Vorjahr bleiben alleRessorts dringend aufgefordert sicherzustellen, dass nichtgenehmigte Mehrausgaben vermieden werden. Insbeson-dere erwartet der Bundesrechnungshof, dass durch geeig-nete Maßnahmen – ggf. auch technischer Art – künftigentsprechende Verwaltungsversehen ausgeschlossen wer-den.

Das Bundesministerium hat zugesagt, die Warnhinweiseund Plausibilitätsprüfungen im automatisierten Bewirt-schaftungssystem für alle Bewirtschaftungsebenen zu-künftig weiter zu präzisieren und zu verschärfen.

Der Bundesrechnungshof wird beobachten, ob die ergrif-fenen Maßnahmen dazu führen, dass Anzahl und Volu-men nicht genehmigter Ausgaben zurückgehen.

1.6.3 Beteiligung des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages

Das Haushaltsgesetz 2005 (§ 4 Abs. 1 Satz 2) sieht vor,dass über- und außerplanmäßige Ausgaben zur Erfüllungvon Rechtsverpflichtungen von mehr als 50 Mio. Euro imEinzelfall vor Einwilligung des Bundesministeriums demHaushaltsausschuss vorzulegen sind, soweit nicht auszwingenden Gründen eine Ausnahme geboten ist. DieAufnahme dieser Vorschrift geht auf einen Beschluss desHaushaltsausschusses zum Haushaltsgesetz 1999 zurück,in dem das Bundesministerium aufgefordert wurde, mitVorlage des Regierungsentwurfs zum Bundeshaushalt2000 eine entsprechende Verfahrensregelung aufzuneh-men.

Die Jahresrechnung weist insgesamt sieben Fälle mit über-und außerplanmäßigen Ausgaben zur Erfüllung vonRechtsverpflichtungen von mehr als 50 Mio. Euro aus. Indrei Fällen hat das Bundesministerium diese vor seinerEinwilligung dem Haushaltsausschuss vorgelegt. In denübrigen vier Fällen konnte das Bundesministerium diesevor seiner Einwilligung nicht vorlegen, weil sich derHaushaltsausschuss des 16. Deutschen Bundestages erstEnde November konstituierte, gesetzliche Leistungenaber schon vorher zu zahlen waren. Der Haushaltsaus-schuss wurde nachträglich über diese Fälle informiert.Dabei machte das Bundesministerium geltend, dass aufeine vorherige Unterrichtung des Haushaltsausschussesaus zwingenden zeitlichen Gründen gemäß § 4 Abs. 1Satz 2 Haushaltsgesetz 2005 verzichtet werden musste.Mit der nachträglichen Unterrichtung ist das Bundesmi-nisterium einer entsprechenden Forderung des Bundes-rechnungshofes nachgekommen (vgl. Bemerkungen 2003Nr. 1.3.3.3).

1.7 Verzicht auf Nachtragshaushalt

Trotz der erheblichen Mindereinnahmen sowie der über-und außerplanmäßig geleisteten Mehrausgaben in bisher

nicht dagewesenem Umfang hat das Bundesministeriumauf die Vorlage eines Nachtragshaushaltes verzichtet. DerDeutsche Bundestag war über die Entwicklung der Bun-desfinanzen durch entsprechende Vorlagen an den Haus-haltsausschuss unterrichtet. So wurden ihm die wesentli-chen über- und außerplanmäßigen Ausgaben vorgelegtoder bei Eilbedürftigkeit wurde er nachträglich unterrich-tet (vgl. Nr. 1.6.3).

Da die bewilligten Kreditermächtigungen nicht ausreich-ten, hat das Bundesministerium die Entsperrung einesTeils der gemäß § 2 Abs. 9 Haushaltsgesetz 2005 qualifi-ziert gesperrten Kreditermächtigung durch den Haus-haltsausschuss beantragt (vgl. Nr. 1.4.2). Dieser hat am2. Dezember 2005 in die Aufhebung dieser Sperre inHöhe von 13,0 Mrd. Euro eingewilligt. Damit waren dieVoraussetzungen geschaffen, dass die Nettokreditauf-nahme mit 31,2 Mrd. Euro die Regelkreditgrenze des Ar-tikels 115 Abs. 1 Grundgesetz im Vollzug um fast dieHälfte überschritt.

In der Jahresrechnung 2005 hat das Bundesministeriumhierzu ausgeführt:

„Die – mit vorhandenen Kreditermächtigungen ausge-glichene – Überschreitung war zum Einen im Rahmen derHaushaltsaufstellung nicht vorauszusehen und beruhtezum Anderen auf im Rahmen der Haushaltsdurchführungunvermeidbaren Mehrausgaben bzw. nicht beeinfluss-baren Mindereinnahmen:

● In ihrer Jahresabschluss-Pressekonferenz am15. März 2005 gab die Deutsche Bundesbank denBundesbankgewinn für das Geschäftsjahr 2004 be-kannt. Dieser lag mit 676 Mio. Euro deutlich unterdem im Bundeshaushalt 2005 mit 2,0 Mrd. Euro veran-schlagten Betrag. Ursächlich hierfür waren vor allemhohe Abschreibungen der Deutschen Bundesbank aufUS-$-Devisenreserven. Die Höhe des Bundesbank-gewinns ist jeweils von einer Vielzahl von Faktorenabhängig und entzieht sich einer zuverlässigen Pro-gnose. Die Unabhängigkeit der Bundesbank und ihrerEntscheidungen verlangen ein hohes Maß an politi-scher Zurückhaltung.

● Zwar weichen Soll und Ist bei den Steuereinnahmen inden Bereichen Lohn- und Körperschaftsteuer sowieBundessteuer (insbesondere Mineralöl- und Tabak-steuer) nur um 0,3 % voneinander ab (Einnahme-Ist:190,149 Mrd. Euro), was bei einer derart von äußerenEinflüssen abhängigen Position unbestreitbar einerealitätsnahe Veranschlagung darstellt, dennochschlägt diese prozentual geringe Mindereinnahme mit640 Mio. Euro zu Buche.

● Am stärksten kommt jedoch die Entwicklung am Ar-beitsmarkt zum Tragen, die insgesamt zu einer Mehr-belastung des Haushalts 2005 in Höhe von 7,5 Mrd.Euro führte. Die Veranschlagung für das Jahr 2005musste hier erstmals die neue Hartz IV-Gesetzgebung

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 61 – Drucksache 16/XXXX

berücksichtigen. Diese beruhte auf Annahmen, die,wie allen Beteiligten bereits während der Veranschla-gung bewusst war, erst im Haushaltsvollzug würdenpräzisiert werden können.

Aus alldem wird deutlich, dass die Mehrbelastungen imHaushaltsvollzug 2005 auf Tatbeständen beruhen, diewährend der Aufstellung von der Bundesregierung sonicht vorausgesehen werden und während der Durchfüh-rung angesichts der Größenordnung nicht innerhalb desvorgegebenen Ausgabenrahmens aufgefangen werdenkonnten und wegen der fragilen wirtschaftlichen Lageauch nicht eingespart werden sollten …“

Das Bundesministerium hat ergänzend darauf hingewie-sen, dass es bereits im März – nach Bekanntwerden desBundesbankgewinns – und im Mai – nach der Steuer-schätzung – die Gegenfinanzierungsmöglichkeiten für dieseMindereinnahmen durch zusätzliche nicht veranschlagteMehreinnahmen (vorzeitige Schuldentilgung Polens, Di-videndeneinnahmen aus dem Bereich Post- und Telekomsowie Zinsminderausgaben, geplantes ERP-Neuord-nungsgesetz) benannt habe. Hierfür sei also ein Nachtragnicht erforderlich gewesen.

Unmittelbar nachdem genaue Erkenntnisse über zu er-wartende Mehrausgaben am Arbeitsmarkt vorgelegenhätten, habe das Bundesministerium im Juni mit vorheri-ger Unterrichtung des Haushaltsausschusses die notwen-dige Summe überplanmäßig zur Verfügung gestellt. DaRechtsverpflichtungen zu erfüllen waren, habe es hier– unabhängig von der Höhe der Mehrausgabe – aus recht-lichen Gründen (§ 37 Abs. 1 Satz 4 BHO) keines Nach-trages bedurft.

Bereits zu diesem Zeitpunkt habe das Bundesministeriumdie Entsperrung zusätzlicher Kreditermächtigungen er-wogen, da zum einen abzusehen war, dass wegen der vor-gezogenen Bundestagswahl das geplante ERP-Neuord-nungsgesetz nicht mehr rechtzeitig verabschiedet werdenwürde und damit nicht die geplante Entlastung bringenkönnte, und zum anderen ein Nachtragshaushaltsgesetz– unabhängig von den genannten rechtlichen Vorausset-zungen – schon aus technischen Gründen nicht mehr vorder Sommerpause und danach aus Gründen der Diskonti-nuität auch nicht mehr von der alten Regierung vor derRegierungsneubildung hätte verabschiedet werden kön-nen. Zudem hätte ein Nachtragshaushaltsgesetz zu einemspäteren Zeitpunkt im Jahr (Neuwahl: 18. September; Ar-beitsaufnahme des neuen Bundestages: 18. Oktober, erstdanach: Bildung der Ausschüsse) ohnehin nicht mehr diein Artikel 115 Grundgesetz geforderte Steuerungswir-kung entfalten können.

Der Bundesrechnungshof erkennt an, dass der Haushalts-ausschuss ordnungsgemäß in die Verfahren zur Entsper-rung der Kreditermächtigung und zur Leistung von über-und außerplanmäßigen Ausgaben eingebunden war. Erverkennt auch nicht, dass ein Großteil der überplanmäßi-gen Ausgaben im Haushaltsjahr 2005 zur Erfüllung vonRechtsverpflichtungen gedient hat. Insoweit ist das Vor-

gehen der Bundesregierung haushaltsrechtlich nicht zubeanstanden. Aufgrund des vorzeitigen Endes der Wahl-periode und der damit verbundenen Gesetzesdiskonti-nuität hätte ein Nachtragshaushalt auch kaum mehr vomalten Bundestag beschlossen werden können.

Allerdings ist es vor dem Hintergrund des parlamentari-schen Budgetrechts nicht befriedigend, dass die Bundes-regierung ohne formalen Beschluss des Haushaltsgesetz-gebers Mehrausgaben in Milliardenhöhe tätigte, diezudem zu einer erheblichen Überschreitung der verfas-sungsrechtlichen Regelkreditobergrenze des Artikels 115Abs. 1 Grundgesetz führten. Dies gilt umso mehr, als dieVerabschiedung eines Nachtragshaushalts mit entspre-chenden Konsequenzen für Regierung und Gesetzgeberim Haushaltsaufstellungsverfahren verbunden gewesenwäre (Feststellung der Störung des gesamtwirtschaftli-chen Gleichgewichts sowie der Eignung der zusätzlichenKreditaufnahme zur Abwehr dieser Störung). Vor demHintergrund der in den letzten Jahren wiederholt entstan-denen erheblichen Mehrausgaben insbesondere auch fürden Arbeitsmarkt (vgl. Nr. 2.2.3) zeigt sich, dass es not-wendig ist, bei der Aufstellung des Haushalts den Grund-satz der vorsichtigen Veranschlagung künftig stärker zubeachten.

1.8 Globale Minderausgaben

Der Haushaltsplan 2005 enthält globale Minderausgabenin Höhe von insgesamt 2,4 Mrd. Euro. Davon waren0,4 Mrd. Euro bei den Einzelplänen der Bundesministe-rien des Innern, der Justiz, für Wirtschaft und Arbeit, fürVerbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft undfür Bildung und Forschung sowie der Restbetrag von2,0 Mrd. Euro im Einzelplan 60 (Allgemeine Finanzver-waltung) veranschlagt. Die ausgebrachten globalen Min-derausgaben wurden erwirtschaftet (vgl. Nr. 6.8 der Jah-resrechnung). Die Effizienzrendite aus dem Bereich derflexibilisierten Ausgaben wird seit mehreren Jahren nichtmehr als globale Minderausgabe veranschlagt, sondern istauf die entsprechenden Titel aufgeteilt worden.

1.9 Ausgabereste

1.9.1 Entwicklung der Ausgabereste

Von den am Ende des Haushaltsjahres 2004 übertragbarenMitteln in Höhe von 15,0 Mrd. Euro wurden für das Haus-haltsjahr 2005 Ausgabereste in Höhe von 11,3 Mrd.Euro gebildet (vgl. Nr. 4.3.3.2 der Jahresrechnung); dieswaren 0,6 Mrd. Euro weniger als im Vorjahr. Zum Endedes Haushaltsjahres 2005 weist die Haushaltsrechnung indas Folgejahr übertragbare Mittel in Höhe von 12,3 Mrd.Euro aus (davon 1,5 Mrd. Euro Reste aus flexibilisiertenAusgaben).

Aus der Differenz der in das Jahr 2005 tatsächlich über-tragenen Reste und der in das Jahr 2006 übertragbarenReste ergibt sich das vorläufige rechnungsmäßige Jah-

Drucksache 16/XXXX – 62 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

resergebnis von –1,0 Mrd. Euro (vgl. Nr. 4.2.2.2 undNr. 6.7 der Jahresrechnung). Das rechnungsmäßige Er-gebnis des Haushaltsjahres 2005 ist nur vorläufig, weilnicht die tatsächlich übertragenen, sondern nur dieübertragbaren Mittel ausgewiesen werden (vgl. § 83Nr. 2b und Nr. 2d BHO). Die tatsächliche Bildung vonHaushaltsresten und das daraus abgeleitete endgültigerechnungsmäßige Ergebnis des Jahres 2005 wird dasBundesministerium erst in der Haushaltsrechnung 2006darlegen.

Die gebildeten Ausgabereste sind im Haushaltsjahr 2005gegenüber dem Vorjahr zwar leicht gesunken. Sie sindaber immer noch vergleichsweise hoch (vgl. Ab-bildung 6). Die Ausgabereste belasten den Haushalt desfolgenden Jahres in dem Ausmaß, indem sie in Anspruchgenommen werden. Allerdings setzt die Inanspruchnah-me der Ausgabereste außerhalb der flexibilisierten Ver-waltungsausgaben grundsätzlich eine kassenmäßige Ein-sparung an anderer Stelle im Haushalt voraus, sodasssich die Gesamtausgaben des Folgejahres insoweit nichterhöhen.

Aufgrund des starken Anstiegs der Ausgabereste biszum Jahre 2004 hatte der Bundesrechnungshof das Bun-desministerium gebeten, besonderes Augenmerk auf dieBegrenzung der aus den Vorjahren übertragenen Ausga-beermächtigungen zu richten. Hierzu hatte es die Res-sorts im Haushaltsaufstellungsrundschreiben 2005 aufge-fordert, den Abgeordneten des Deutschen Bundestagesim parlamentarischen Verfahren Gelegenheit zu geben,die Ausgabenentwicklung im Zusammenhang mit denjeweiligen Neubewilligungen zu bewerten. Dazu warenrechtzeitig zu den Berichterstattergesprächen Übersich-ten zu den wesentlichen Ausgaberesten als Beratungsun-terlage zur Verfügung zu stellen, aus denen die Entwick-lung der übertragbaren und gebildeten Ausgabereste, diedamit in Zusammenhang stehenden Maßnahmen und diezusätzlich im letzten Haushaltsjahr neu entstandenenAusgabereste ersichtlich waren.

Inwieweit der Rückgang der Ausgabereste in den letztenbeiden Jahren bereits auf diese Maßnahmen zurückzufüh-ren ist, lässt sich noch nicht endgültig beurteilen. DerBundesrechnungshof wird die weitere Entwicklung be-obachten.

A b b i l d u n g 6

Gebildete Ausgabereste

1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005

0

2

4

6

8

10

12

14

16

Mrd. Euro

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 63 – Drucksache 16/XXXX

1.9.2 Aufteilung der übertragbaren Ausgaben

Die zum Ende des Haushaltsjahres 2005 in das Folgejahr übertragbaren Mittel (ohne die Reste aus flexibilisierten Aus-gaben) in Höhe von 10,8 Mrd. Euro entfallen insbesondere auf die folgenden 15 größten Bereiche (vgl. Tabelle 4).

Ta b e l l e 4

Übertragbare Mittel über 100 Mio. Euro

Haushaltsstelle im Haushaltsplan 2005 Zweckbestimmung

In das Jahr 2006 übertragbare Ausgaben

– in Mio. Euro –

Kap. 3205 Schuldendienst 3 233

Kap. 3208, Titel 870 01 Bürgschaften, Garantien und sonstige Gewährleistungen

2 008

Kap. 6002, Titel 882 02 Ganztagsschulen 970

Kap. 1222, Titel 891 01 und 891 97 Baukostenzuschüsse Schienenwege Bahn

568

Kap. 0902, Tgr. 12 Gemeinschaftsaufgabe regionale Wirtschaftsstruktur

536

Kap. 0912, Titel 685 11 Leistungen zur Eingliederung in Arbeit

500

Kap. 1226 Hochbau- und Förderungsmaß-nahmen in Berlin und Bonn

383

Kap. 0902, Titel 686 71 Verwendung von Zuschüssen des europäischen Sozialfonds

261

Kap. 1225, Tgr. 02 Soziale Wohnraumförderung 250

Kap. 1602, Titel 686 24 Förderung von Einzelmaßnahmen zur Nutzung erneuerbarer Energien

238

Kap. 1225, Tgr. 01 Städtebauförderung 174

Kap. 1218, Titel 891 01 Investitionszuschüsse für Vorhaben des öffentlichen Personennahverkehrs an die Deutsche Bahn AG

117

Kap. 0820, Titel 682 31 Zuwendungen an die Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungs-gesellschaft

114

Kap. 1202, Tgr. 05 Investitionen in die Bundeswasser-straßen und Zuschüsse für Investitio-nen in die Schienenwege über die Verkehrsinfrastrukturfinanzierungs-gesellschaft

111

Kap. 1202, Tgr. 03 Zukunftssicherung der deutschen Magnetschwebebahn

102

Drucksache 16/XXXX – 64 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Damit sind die weitaus meisten übertragbaren Mittel beiden Zins- und Gewährleistungsausgaben (zusammen5,2 Mrd. Euro) im Einzelplan 32 angefallen, gefolgt vonden Mitteln zur Förderung von Ganztagsschulen. Überdie Frage, ob und ggf. in welcher Höhe Ausgaberestegebildet werden, entscheidet jeweils das zuständige Res-sort. Für den Einzelplan 32 hat das Bundesministeriumzugesagt, über den Jahresbedarf für 2006 hinausgehendeMittel in Höhe von 4,1 Mrd. Euro in Abgang zu stellenund lediglich einen Ausgaberest in Höhe von 1,1 Mrd.Euro zu bilden. Darüber hinaus seien Ausgaben in Höhevon 114 Mio. Euro bei Kapitel 0820 Titel 682 31 in Ab-gang gestellt worden.

Der Bundesrechnungshof erwartet, dass auch die ande-ren Ressorts bei der Notwendigkeit der Bildung von

Ausgaberesten (§ 45 BHO) einen strengen Maßstab an-legen.

1.9.3 Ausgabereste im flexibilisierten Bereich

Die in das Folgejahr übertragbaren Mittel aus flexibili-sierten Ausgaben lagen mit 1,5 Mrd. Euro im Jahre 2005um rund 75 Mio. Euro höher als im Vorjahr. Damit sinddiese Ausgabereste bereits zum dritten Mal in Folge wie-der angestiegen (vgl. Abbildung 7). Die im Haushaltsplan2005 in Höhe von 250 Mio. Euro vorgesehenen Ausgabe-mittel zur Deckung der Inanspruchnahme von Ausgabe-resten bei den flexibilisierten Verwaltungskapiteln (Kapi-tel 6002 Titel 971 02) wurden im Haushaltsjahr 2005– wie in den Vorjahren – allerdings nicht benötigt.

A b b i l d u n g 7

Entwicklung der übertragbaren Mittel aus flexibilisierten Ausgaben

0,0

0,2

0,4

0,6

0,8

1,0

1,2

1,4

1,6

Mrd. Euro

1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 65 – Drucksache 16/XXXX

Zur Bildung von Ausgaberesten muss ein sachliches Be-dürfnis vorliegen. Das Bundesministerium hatte bereits imVorjahr darauf hingewiesen, dass im Rahmen der Verhand-lungen zur Aufstellung des Haushalts für das Jahr 2005 dieAusgabereste im Zusammenhang mit den Haushaltsanmel-dungen kritisch überprüft und mit den geplanten Neuetati-sierungen abgeglichen würden. Die Bedarfsprüfung für dieübertragbaren Mittel aus flexibilisierten Ausgaben des Jah-res 2004 hat dazu geführt, dass Ausgabereste von 120 Mio.Euro (8,4 %) in Abgang gestellt wurden (vgl. Tabelle 5).Die Bedarfsprüfung für die Ausgabereste des Haushaltsjah-res 2005 ist noch nicht abgeschlossen.

Die Höhe der in Abgang gestellten Restemittel ist bei denEinzelplänen sehr unterschiedlich. Sie liegen je nach Res-sort zwischen unter 0,1 % und 90,5 % der übertragbarenAusgaben, wobei elf Ressorts auf weniger als 1 % der

Restemittel verzichtet haben. Angesichts dieser Unter-schiede sollte das Bundesministerium prüfen, ob bei derBeurteilung des sachlichen Bedürfnisses zur Bildung vonAusgaberesten aus flexibilisierten Ausgaben ein einheitli-cher Maßstab angelegt wird.

Das Bundesministerium hat darauf hingewiesen, dass esin den Einzelplanverhandlungen regelmäßig auf eine Dar-legung des Bedarfs auf Übertragung von Ausgaberestendringe; eine pauschale Vereinheitlichung oder Anglei-chung der einzelplanspezifischen Übertragungsquotenwerde trotz der erheblichen Abweichungen wegen der un-terschiedlichen Bedarfs- und Interessenlagen aber nichtfür zweckmäßig gehalten.

Der Bundesrechnungshof wird die weitere Entwicklungbeobachten.

Ta b e l l e 5

Bildung von Ausgaberesten im flexibilisierten Bereich

x Ressortbezeichnungen des Jahres 2005.

Einzelplan Ressortx

Ins Jahr 2005 übertragbare

Ausgaben (in 1 000 Euro)

Im Jahr 2005 in Abgang

gestellt (in 1 000 Euro)

Tatsächlich ins Jahr 2005

übertragene Ausgaben

(in 1 000 Euro)

Im Jahr 2005 in Abgang

gestellt(in %)

01 BPrA 3 594 649 2 945 18,1

02 BT 74 487 22 263 52 224 29,9

03 BR 1 748 548 1 200 31,4

04 BK 24 778 214 24 564 0,9

05 AA 123 098 39 123 059 < 0,1

06 BMI 356 182 60 356 122 < 0,1

07 BMJ 43 370 2 255 41 115 5,2

08 BMF 353 566 76 964 276 602 21,8

09 BMWA 82 836 2 640 80 196 3,2

10 BMVEL 83 631 2 83 629 < 0,1

12 BMVBW 95 922 208 95 714 0,2

14 BMVg 26 031 1 26 030 < 0,1

15 BMGS 41 950 1 081 40 869 2,6

16 BMU 76 037 20 76 017 < 0,1

17 BMFSFJ 11 229 2 11 227 < 0,1

19 BVG 3 428 0 3 428 < 0,1

20 BRH 14 244 12 887 1 357 90,5

23 BMZ 3 147 1 3 146 < 0,1

30 BMBF 5 455 434 5 021 8,0

Gesamt 1 424 733 120 267 1 304 466 8,4

Drucksache 16/XXXX – 66 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

1.10 Verpflichtungsermächtigungen

1.10.1 Inanspruchnahme der Verpflichtungs-ermächtigungen

1.10.1.1 Höhe der Inanspruchnahme

Der Haushaltsplan 2005 sah für den Bund Ermächtigungenzum Eingehen von Verpflichtungen in Höhe von insge-samt 50,1 Mrd. Euro vor (vgl. Tabelle 6). Die veran-

schlagten Verpflichtungsermächtigungen, die in künfti-gen Haushaltsjahren zur Leistung von Ausgaben führenkönnen, lagen damit um 6,6 Mrd. Euro über denen desVorjahres (43,5 Mrd. Euro). Ausweislich der Jahresrech-nung wurden im Haushaltsjahr 2005 Verpflichtungen inHöhe von 24,3 Mrd. Euro eingegangen. Das sind3,6 Mrd. Euro mehr als im Vorjahr (20,7 Mrd. Euro). DieErmächtigungen wurden demnach zu rund 49 % (Vorjahr:rund 48 %) in Anspruch genommen (vgl. Abbildung 8).

Ta b e l l e 6

Verpflichtungsermächtigungen und deren Inanspruchnahme

Jahr

Verpflichtungs-ermächtigungen lt. Haushaltsplan

Eingegangene Verpflichtungen(einschl. üpl./apl. Verpflichtungen)

Mrd. Euro Mrd. Euro %

1988 27,4 19,1 69,8

1989 32,5 25,9 79,7

1990 44,6 27,0 60,7

1991 35,4 25,7 72,7

1992 41,1 22,0 53,6

1993 34,8 25,1 72,1

1994 33,0 19,6 59,4

1995 63,0 24,7 39,3

1996 53,4 27,8 52,1

1997 45,1 23,2 51,4

1998 57,8 35,5 61,5

1999 38,9 14,9 38,3

2000 30,9 18,8 60,8

2001 39,8 19,2 48,3

2002 48,0 31,1 64,8

2003 56,9 32,9 57,8

2004 43,5 20,7 47,6

2005 50,1 24,3 48,5

2006 57,4

2007(Haushalts-

entwurf)

43,1

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 67 – Drucksache 16/XXXX

Abbi ldung 8

Inanspruchnahme von Verpflichtungsermächtigungen

Verpflichtungsermächtigungen lt. Haushaltsplan

davon eingegangene Verpflichtungen

Mrd. Euro

0

10

20

30

40

50

60

70

1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005

Über- und außerplanmäßig wurden Verpflichtungen in 1.10.1.2 Beteiligung des Haushaltsausschusses

Höhe von 134 Mio. Euro eingegangen (Vorjahr: 1,3 Mrd.Euro), die sich auf 28 Titel in insgesamt 12 Kapiteln ver-teilen.

Der Anteil der in Anspruch genommenen Verpflichtungs-ermächtigungen ist mit rund 49 % leicht gegenüber demVorjahr (48 %) angestiegen. Der Bundesrechnungshofhat in vergangenen Jahren wiederholt gemahnt, Ver-pflichtungen zur Leistung von Ausgaben nur dann und inder Höhe zu veranschlagen, wie sie zur Erfüllung derAufgaben tatsächlich benötigt werden (§ 6 BHO). DasBundesministerium hat die Kritik des Bundesrechnungs-hofes aufgegriffen und seit dem Jahre 2004 entspre-chende Vorgaben an die Ressorts in seine Haushaltsauf-stellungsrundschreiben aufgenommen. Da sich der Anteilder in Anspruch genommenen Verpflichtungsermächti-gungen gegenüber dem Vorjahr nur unwesentlich erhöhthat, bleiben alle Ressorts aufgefordert, die Etatreife vonVerpflichtungsermächtigungen sorgfältig zu prüfen; diesentspricht den Grundsätzen der Haushaltsklarheit, Haus-haltswahrheit und nicht zuletzt der Wirtschaftlichkeit undSparsamkeit.

des Deutschen Bundestages

Nach § 4 Abs. 2 des Haushaltsgesetzes 2005 sind über-und außerplanmäßige Verpflichtungsermächtigungen abeinem Betrag von 5 Mio. Euro6 bzw. von 10 Mio. Eurovor Einwilligung des Bundesministeriums dem Haus-haltsausschuss zur Unterrichtung vorzulegen.

Die Jahresrechnung 2005 weist insgesamt fünf Fälle aus,die dem Haushaltsausschuss vorzulegen waren. In allenFällen hat der Haushaltsausschuss die Unterlagen vorabzur Kenntnis erhalten.

1.10.2 Gesamtbestand der eingegangenen Verpflichtungen

Insgesamt bestanden für den Bund zum 31. Dezember2005 Verpflichtungen zur Leistung von Ausgaben inkünftigen Haushaltsjahren in Höhe von 102,0 Mrd. Euro,deren Fälligkeit sich wie folgt verteilt (vgl. Jahresrech-nung Nr. 4.1.4, Tabelle 7):

6 Wenn die Ausgaben nur in einem Haushaltsjahr fällig werden.

Drucksache 16/XXXX – 68 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Ta b e l l e 7

Fälligkeit von Verpflichtungsermächtigungen

1 Differenzen durch Rundung.

Damit sind die entsprechenden Vorbelastungen künftigerHaushalte gegenüber dem Vorjahr nach einem Rückgangim Jahre 2004 wieder leicht angestiegen (Vorjahr:100,2 Mrd. Euro, vgl. Abbildung 9).

1.11 Vermögensrechnung

1.11.1 Aussagekraft der Vermögensrechnung

Die Vermögensrechnung weist zum 31. Dezember 2005einen Vermögensbestand in Höhe von 126,3 Mrd. Euroaus. In dieser Summe sind jedoch lediglich die Immobi-lien des von der Bundesanstalt für Immobilienaufgabenübernommenen Grundvermögens enthalten. Die restli-chen Immobilien werden in der Vermögensrechnung nurin Hektar erfasst, auf den Nachweis der beweglichen Sa-chen wird ganz verzichtet (vgl. Nr. 1.13.1.4).

Angesichts dieser beschränkten Aussagefähigkeit ver-zichtet der Bundesrechnungshof auf eine detaillierte Dar-stellung der Einzelpositionen der Vermögensrechnung.Ebenfalls nicht in diesem Vermögensbestand enthaltensind die Sondervermögen des Bundes.

Das Bundesministerium beabsichtigt, eine Arbeitsgruppezur „Reform des Haushaltswesens“ einzurichten, die sichauch mit der Fortentwicklung der Vermögensrechnungbefassen soll (vgl. Nr. 1.13.2).

Haushaltsjahr der Fälligkeit von Verpflichtungen

VerpflichtungsvolumenMrd. Euro

2006 26,1

2007 18,1

2008 12,9

2009 und künftige Jahre 44,8

Gesamtvolumen 102,01

Abbi ldung 9

Gesamtbestand an eingegangenen Verpflichtungen

30

40

50

60

70

80

90

100

110

120

Mrd. Euro

1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 69 – Drucksache 16/XXXX

1.11.2 Sondervermögen des Bundes

Der Bund hat 16 Sondervermögen, die unmittelbar vonihm oder von Stellen außerhalb der Bundesverwaltungverwaltet werden (vgl. Nr. 6.10 der Jahresrechnung).Zum 1. Januar 2005 wurden die Schulden des FondsDeutsche Einheit in die Bundesschuld integriert, sodassder Zuschuss an den Fonds ebenso wie die Erstattungender Länder entfallen (vgl. Nr. 1.11.2.2).

1.11.2.1 ERP-Sondervermögen

Das ERP-Sondervermögen wurde nach dem Ende desZweiten Weltkriegs aus dem so genannten Gegenwert-aufkommen7 gebildet. Bis zum Jahre 1959 entstand die-ses aus den Zahlungen im Rahmen der verschiedenenHilfsprogramme der Vereinigten Staaten von Amerika.Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologieals Verwalter des Sondervermögens hat den gesetzlichenAuftrag, den Bestand des ERP-Sondervermögens zu er-halten.

Die Fondsmittel des ERP-Sondervermögens dienen seitAbschluss der Wiederaufbauphase nach dem ZweitenWeltkrieg der allgemeinen Förderung von Investitions-und Innovationsvorhaben der deutschen Wirtschaft, ins-besondere des Mittelstandes, durch Vergabe zinsgünstigerKredite. Mit der deutschen Vereinigung wurde das Kre-ditgeschäft des ERP-Sondervermögens wesentlich erwei-tert. Darüber hinaus führt das Sondervermögen eineReihe von Förderprogrammen fort, die zunächst aus demBundeshaushalt finanziert worden waren. Für die damitübernommenen, teilweise erheblichen Risiken hat es inden vergangenen Geschäftsjahren Rückstellungen gebil-det.

Der Vermögensbestand (Eigenkapital) zum 31. Dezember2005 von 12,7 Mrd. Euro blieb mit einem Vermögenszu-wachs von 36,5 Mio. Euro (0,29 %) nahezu unverändert(vgl. Vermögensrechnung Nr. 6.10.1.1.3). Aufgrund vor-zeitig getilgter Darlehen in erheblichem Umfang sanken dieVerbindlichkeiten von 18,2 Mrd. Euro um 3,1 Mrd. Euroauf 15,1 Mrd. Euro. Der Vermögenszuwachs reichte nichtaus, die Preissteigerungsrate des Jahres 2005 (2,0 %) aus-zugleichen und somit den realen Wert des Sondervermö-gens zu erhalten. Der reale Wert des Vermögensbestandessank erstmals seit Anfang der 90er-Jahre unter den Wertdes so genannten Gegenwertaufkommens. Das Bundes-ministerium für Wirtschaft und Technologie hat damit imJahre 2005 das ihm gesetzlich auferlegte Bestandserhal-tungsgebot nicht erfüllt. Es bleibt abzuwarten, ob es sichhierbei lediglich um eine temporäre Entwicklung handeltoder ob trotz eingeleiteter Maßnahmen zur Substanzer-haltung8 ein dauerhafter Substanzverzehr eintreten wird.

Darüber hinaus ist festzustellen, dass durch die Erträgeaus der KfW-Rücklage und der gesonderten Kapitalrück-lage bei der KfW ein Vermögenszuwachs in Höhe von79,3 Mio. Euro verbucht wurde. Da diese Erträge demSondervermögen nicht liquiditätsmäßig zuflossen, sinddie beschriebenen Zuwächse nicht für das Fördergeschäftdes ERP-Sondervermögens einsetzbar. Ohne Berücksich-tigung der Erträge aus der KfW-Rücklage sowie der ge-sonderten Rücklage wäre das Vermögen des Sonderver-mögens demnach im Haushaltsjahr 2005 um rund42,8 Mio. Euro gesunken. Die seit Jahren festzustellendeVerschiebung in der Vermögensstruktur des ERP-Sonder-vermögens zu den Vermögensteilen, deren Erträge nichtliquiditäts- und damit nicht fördergeschäftswirksam sind,setzte sich auch im Haushaltsjahr 2005 fort.

Die Bundesregierung beabsichtigt unverändert, die Wirt-schaftsförderung aus dem ERP-Sondervermögen neu zuordnen. Das Bundeskabinett hat hierzu am 15. Juni 2005einen Gesetzentwurf verabschiedet, zu dem der Bundes-rat Stellung genommen hat. Eine abschließende Beratungdes Deutschen Bundestages hat bisher noch nicht stattge-funden.

Nach dem Kabinettsbeschluss vom 5. Juli 2006 sollen

● 2,0 Mrd. Euro aus dem Vermögensbestand des ERP-Sondervermögens an den Bundeshaushalt abgeführtund

● Verbindlichkeiten in Höhe von rund 14,0 Mrd. Euround in entsprechender Höhe Kreditforderungen desERP-Sondervermögens an den Bund übertragen wer-den.

Die weitere Behandlung des Restvermögens ist offen. Diederzeitigen Überlegungen sehen eine Anlage in Fondsoder eine Übertragung auf die KfW-Bankengruppe inForm von Eigenkapital bzw. als Nachrangdarlehen vor.Ob für die konkrete Umsetzung hierzu der bereits im par-lamentarischen Verfahren befindliche Entwurf eines Ge-setzes zur Neuordnung der ERP-Wirtschaftsförderung an-gepasst oder ein neuer Gesetzentwurf erarbeitet wird,bleibt abzuwarten.

1.11.2.2 Fonds „Deutsche Einheit“

Aus dem Sondervermögen Fonds „Deutsche Einheit“ er-hielten die neuen Länder und Berlin (Ost) in den Jahren1990 bis 1994 insgesamt 82,2 Mrd. Euro als Unterstüt-zung zur Deckung ihres allgemeinen Finanzbedarfs. Da-von wurden 33,6 Mrd. Euro durch Zuschüsse aus denHaushalten des Bundes und der Länder sowie 48,6 Mrd.Euro durch die Aufnahme von Krediten finanziert. Seitdem Jahre 1995 waren nur noch die bestehenden Schul-dendienstverpflichtungen des Fonds (Zinsen und Til-gung) durch Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt bis zurTilgung zu erfüllen.

Der Bestand der Verbindlichkeiten des Fonds lag am31. Dezember 2004 bei 38,7 Mrd. Euro. Mit dem Solidar-paktfortführungsgesetz wurde das Gesetz über die Errich-

7 In der Gründungsphase bis 1959 gebildeter Kapitalstock des ERP-Sondervermögens.

8 Z. B.: Einführung einer Vorfälligkeitsentschädigung, risikoärmereAusgestaltung der Beteiligungsfinanzierung, Rücknahme des Um-fangs von Zinsverbilligungen.

Drucksache 16/XXXX – 70 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

tung eines Fonds Deutsche Einheit in § 6a dahin gehendergänzt, dass der Bund diese Verbindlichkeiten zum1. Januar 2005 als Mitschuldner übernahm. Damit ent-fallen der Zuschuss an den Fonds ebenso wie die Erstat-tungen der Länder. Für die Jahre 2005 bis 2019 über-nimmt der Bund die Annuitäten sowie die bei Auflösungdes Fonds zum 31. Dezember 2019 bestehende Rest-schuld bis zu einem Betrag von 6,5 Mrd. Euro. Für denZeitraum bis 2019 erhält der Bund dafür jährlich einenFestbetrag an der Umsatzsteuer in Höhe von 1,3 Mrd.Euro. Liegt Ende des Jahres 2019 die Restschuld höherals 6,5 Mrd. Euro, erstatten die alten Bundesländer demBund 53,3 % des übersteigenden Betrages (vgl. Vermö-gensrechnung Nr. 6.10.1.5).

1.11.2.3 Erblastentilgungsfonds

Das Sondervermögen „Erblastentilgungsfonds“ ist auf-grund des Gesetzes über die Errichtung eines Erblastentil-gungsfonds zum 1. Januar 1995 errichtet worden. In demFonds werden

● die Verbindlichkeiten des Kreditabwicklungsfondsund der Treuhandanstalt aus Krediten, übernommenenAltkrediten und Ausgleichsforderungen,

● die Altverbindlichkeiten von Wohnungsbauunterneh-men und privaten Vermietern im Beitrittsgebiet nachden Vorschriften im Altschuldenhilfe-Gesetz und

● die Altschulden für gesellschaftliche Einrichtungen imBeitrittsgebiet

zusammengefasst. Der Gesamtbetrag der bis einschließ-lich 2005 übernommenen Verbindlichkeiten ohne Be-rücksichtigung von Tilgungen beträgt 181,4 Mrd. Euro.

Mit dem Schuldeneingliederungsgesetz vom 21. Juni1999 übernahm der Bund als Mitschuldner ab 1. Januar1999 die tatsächlichen Verbindlichkeiten nach Tilgungund weist sie seitdem als Bundesschuld aus; der hieraufentfallende Schuldendienst wird unmittelbar aus demBundeshaushalt geleistet.

Nach § 6 Abs. 1 Erblastentilgungsfondsgesetz werden diejährlichen Einnahmen aus dem Bundesbankgewinn demFonds zugeführt, soweit sie 3,5 Mrd. Euro übersteigen.Da die Deutsche Bundesbank für das Jahr 2005 einen Jah-resüberschuss von lediglich 676 Mio. Euro erwirtschaf-tete, flossen dem Fonds keine Einnahmen aus dem Bun-desbankgewinn zu.

Die Einnahmen aus den Zahlungen der Länder gemäßAltschuldenregelungsgesetz in Höhe von 134 Mio. Eurowurden an den Bundeshaushalt abgeführt. Einschließlichdieser Mittel tilgte der Bund Schulden für den Fonds inHöhe von 5,0 Mrd. Euro. Bei einem nahezu unveränder-ten Vermögen des Fonds verringerte sich damit der Standder tatsächlichen Verbindlichkeiten (Saldo aus Vermögenund Schulden) zum Jahresende 2005 auf 15,9 Mrd. Euro(vgl. Nr. 6.10.1.7 der Vermögensrechnung).

1.11.2.4 Bundeseisenbahnvermögen

Das Sondervermögen „Bundeseisenbahnvermögen“ istaufgrund des Gesetzes zur Zusammenführung und Neu-gliederung der Bundeseisenbahnen als Rechtsnachfolgerder ehemaligen Sondervermögen „Deutsche Bundesbahn“und „Deutsche Reichsbahn“ am 1. Januar 1994 errichtetworden. Von den gesetzlich beschriebenen Aufgaben desSondervermögens wurden der unternehmerische Bereichauf die Deutsche Bahn AG ausgegründet und die hoheitli-chen Aufgaben auf das neu gegründete Eisenbahn-Bun-desamt übertragen.

Heute liegen die Aufgaben des Sondervermögens insbe-sondere noch in

● der Verwaltung des der Deutschen Bahn AG zugewie-senen beamteten Personals,

● der Auszahlung von Versorgungsbezügen an Pensio-närinnen und Pensionäre,

● der Aufrechterhaltung und Weiterführung der betrieb-lichen Sozialeinrichtungen und

● der Verwaltung und Verwertung von Liegenschaften.

Die Bundesregierung ist durch das Gesetz zur Zusam-menführung und Neugliederung der Bundeseisenbahnenermächtigt, das Bundeseisenbahnvermögen frühestens abdem Jahre 2004 aufzulösen und die von ihm noch wahr-genommenen Aufgaben auf das Eisenbahn-Bundesamt,das Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Woh-nungswesen oder die Bundesschuldenverwaltung (nun-mehr Bundeswertpapierverwaltung) zu übertragen. DasBundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswe-sen hat im Jahre 2003 erklärt, von dieser Ermächtigungvor dem Jahre 2010 keinen Gebrauch zu machen. Jedochsolle in der 16. Legislaturperiode auf der Basis fortge-schriebener Daten überprüft werden, ob und ggf. welcheAufgaben auf Dritte übertragen werden können und wel-che gesetzlichen Regelungen dazu notwendig seien.

In der Zeit seit der Errichtung des Bundeseisenbahnver-mögens hat sich die Zahl des der Deutschen Bahn AG zu-gewiesenen beamteten Personals mehr als halbiert:

Quelle: Stellenpläne des Bundeseisenbahnvermögens

Von den in der Anlage zum Gesetz zur Zusammenfüh-rung und Neugliederung der Bundeseisenbahnen genann-ten weiterzuführenden betrieblichen Sozialeinrichtungenwurde das Vermögen des Bahn-Sozialwerks im Jahre1997 aus dem Sondervermögen herausgelöst und in eineStiftung privaten Rechts eingebracht. Ferner ist die Bun-desbahnversicherungsanstalt Abteilung B zum 1. Oktober2005 in die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See aufgegangen.

1994 2005 Rückgangabsolut

Rückgangin %

119 098 53 418 65 680 55,1

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 71 – Drucksache 16/XXXX

Das zum 31. Dezember 20059 ausgewiesene Vermögendes Sondervermögens in Höhe von 1,92 Mrd. Euro be-steht im Wesentlichen aus:

● Immobilien (rund 653 Mio. Euro),

● Finanzanlagen (rund 752 Mio. Euro),

● aktiver Rechnungsabgrenzung für die Januarbezüge(rund 380 Mio. Euro).

Die nicht durch eigene Einnahmen gedeckten Ausgabendes Sondervermögens werden aus dem Bundeshaushaltgetragen. Im Jahre 2005 betrugen die Ausgaben des Son-dervermögens (ohne die Zuschüsse für Rentenleistungenan die Bahnversicherungsanstalt) 7,51 Mrd. Euro, dieBundeszuschüsse lagen bei 5,47 Mrd. Euro. Im Haushalt2006 sind Bundesleistungen an das Sondervermögen zurFehlbetragsdeckung in Höhe von 5,42 Mrd. Euro veran-schlagt.

1.11.2.5 Fonds Aufbauhilfe

Auf der Grundlage des Aufbauhilfefondsgesetzes (AufhFG)vom 19. September 2002 errichteten der Bund und dieLänder den nationalen Solidaritätsfonds „Aufbauhilfe“zum 1. Januar 2003 als Sondervermögen des Bundes. Erdient der Leistung von Hilfen in den vom Augusthoch-wasser 2002 betroffenen Ländern zur Beseitigung derHochwasserschäden und zum Wiederaufbau der zerstör-ten Regionen. Dem Sondervermögen stand ein Gesamt-mittelvolumen von rund 6,5 Mrd. Euro zur Verfügung(vgl. Vermögensrechnung Nr. 6.10.1.9). Davon sind biszur Mitte des Jahres 2006 rund 5,1 Mrd. Euro ausgegebenworden. Das Bundesministerium geht davon aus, dass bisEnde des Jahres weitere Fondsmittel in Höhe von rund0,4 Mrd. Euro verausgabt werden. Zum Jahreswechselwürden damit noch knapp 1,0 Mrd. Euro zur Verfügungstehen, die durch Förderzusagen gebunden sind.

Das Bundesministerium als Geschäftsführer des Fondsbeabsichtigt den Fonds aufzulösen, da die Schadensmel-dungen abschließend erhoben, die Mittel größtenteils ver-teilt und gebunden sind und eine Vielzahl von Program-men mit Ablauf des Jahres 2006 abgeschlossen seinwerden. Entsprechend dem Ergebnis einer vom Bundes-rechnungshof angeregten Prüfung soll dadurch insbeson-dere der hohe administrative Aufwand für die Abstim-mung von Bund und Ländern zurückgeführt werden. DerGesetzentwurf der Bundesregierung sieht vor, dass dasVermögen des Fonds auf Bund und Länder aufgeteilt wer-den soll. Die Mittel sind unter Beibehaltung der bisheri-

gen Zweckbindung für die jeweiligen Programme ent-sprechend dem noch bestehenden Bedarf zu nutzen.Soweit Minder- oder Mehrbedarfe bestehen, sind Um-schichtungen möglich, sodass möglichst alle Fondsmittelzur Schadensbeseitigung eingesetzt werden können. Soll-ten wider Erwarten am 1. Januar 2014 noch immer Rest-mittel vorhanden sein, würden diese – entsprechend denAnteilen an den Einzahlungen in den Fonds – an Bundund Länder erstattet.

1.11.2.6 Treuhandvermögen aufgrund des Westvermögen-Abwicklungsgesetzes

Das Sondervermögen nach § 19 Abs. 2 Satz 2 des Gesetzeszur Abwicklung der unter Sonderverwaltung stehendenVermögen von Kreditinstituten, Versicherungsunternehmenund Bausparkassen (Westvermögen-AbwicklungsgesetzWAbwG) wird vom Präsidenten des Bundesausgleichsam-tes treuhändisch verwaltet.

Die Geld- und Vermögensrechnung des Sondervermö-gens schließt zum 31. Dezember 2005 mit einem Bestandvon 15 536 981,76 Euro (vgl. Nr. 6.10.2.8 und 6.10.3.2der Vermögensrechnung) ab. Weitere Zuführungen sindnicht mehr zu erwarten; der letzte Zugang war im No-vember 1999. Die Verwendung wurde bis zur Wiederver-einigung oder einer Friedensvertragsregelung zurückge-stellt. Zur Beendigung der Treuhandschaft bedarf es nocheiner abschließenden gesetzlichen Regelung.

1.11.2.7 Übrige Sondervermögen

Zu den übrigen Sondervermögen Entschädigungsfonds,Ausgleichsfonds für überregionale Maßnahmen zur Ein-gliederung Schwerbehinderter in Arbeit, Beruf und Ge-sellschaft und den Fonds nach § 5 Mauergrundstücksge-setz liegen dem Bundesrechnungshof keine besonderenPrüfungserkenntnisse vor. Gleiches gilt für die weiterenSondervermögen, die von Stellen außerhalb der Bundes-verwaltung verwaltet werden. Dabei handelt es sich umdas Zweckvermögen bei der Deutschen Postbank AG, dasZweckvermögen bei der Landwirtschaftlichen Renten-bank, das Treuhandvermögen für den Bergarbeiterwoh-nungsbau, das Bergmannssiedlungsvermögen, das West-vermögen, den Revolving Fonds und Freistellungs-Fondsund die Versorgungsrücklage des Bundes.

1.12 Bundesbetriebe

Das Bundesministerium hat der Haushaltsrechnung jeweilsunter Nr. 6.11 Übersichten über den Jahresabschluss beiden Bundesbetrieben beigefügt (§ 85 Nr. 3 BHO). Be-triebszweck und Betriebsergebnisse sind aus Tabelle 8 er-sichtlich.

9 In der Vermögensrechnung des Bundes sind lediglich die Angabendes Jahresabschlusses des Jahres 2004 angegeben, da zum Zeitpunktder Drucklegung der Jahresabschluss 2005 noch nicht vorlag.

Drucksache 16/XXXX – 72 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Tabel le 8

Bundesbetriebe

Bundesbetriebe Zweck Gewinn/Verlust

Wasserwerke Oerbke Wasserversorgung für NATO-Truppenlager Fallingbostel unddie Gemeinden Fallingbostel,Ostenholz, Oerbke, Bockhornund Westenholz

31.12.2005:Gewinn101 120 Euro

Wirtschaftsbetriebe Meppen Bewirtschaftung der Sicherheitszonenauf dem Schieß- und ErprobungsplatzMeppen

31.12.2005:Gewinn100 069 Euro

Behördeneigene Kantinen(insgesamt 18)

Verpflegung der Bediensteten 31.12.2005:Überwiegend Verluste bei den Kan-tinen der Bundespolizei, Gewinne oder ausgeglichenes Ergebnis bei den übrigen Kantinen

Zu den Kantinenbetrieben hat das Bundesministerium Wesentliche Zielsetzungen des Gesetzes sind mehr Haus-

darauf hingewiesen, dass Einsparpotenziale bei denKüchen und Kantinen der Bundespolizei künftig bessergenutzt werden sollen. Es sei vorgesehen, die Standort-küchen der Bundespolizei weiterhin eigenständig zu be-treiben, dabei jedoch die vom Bundesrechnungshof10 alsVergleichsmaßstab genannten Tagesverpflegungskosten-sätze privatisierter Großküchen der Länderpolizeien zuerreichen bzw. sogar zu unterschreiten. Bezogen auf dasReferenzjahr 2003 ergäbe sich durch die vorgesehenenOptimierungen eine signifikante Senkung der Personal-und Sachkosten (rund 38 %) gegenüber dem bisherigenSystem.

Der Bundesrechnungshof begrüßt die angestrebten Ver-besserungen beim Betrieb der Kantinen und Küchen derBundespolizei. Es bleibt abzuwarten, ob und in welchemUmfang die prognostizierten Einsparungen auch erreichtwerden. Der Bundesrechnungshof wird den Fortgang derAngelegenheit kritisch beobachten.

1.13 Modernisierung des Haushalts- und Rechnungswesens

1.13.1 Bisherige Reformansätze

Der Bund hat in den vergangenen Jahren verschiedeneMaßnahmen zur Weiterentwicklung des Haushalts- undRechnungswesens eingeleitet. Wichtige Grundlage derbisherigen Reformen stellt das am 1. Januar 1998 in Kraftgetretene Haushaltsrechts-Fortentwicklungsgesetz dar.

haltsflexibilität bei Wahrung der parlamentarischen Vor-gaben, stärkere Eigenverantwortung der Bewirtschaftersowie verbesserte Steuerungsmöglichkeiten und Wirt-schaftlichkeit durch höhere Kostentransparenz. Als ge-meinsame Grundlage behalten die bisherigen Reforman-sätze das kamerale Haushalts- und Rechnungssystem beiund reichern es um zusätzliche betriebswirtschaftlicheDaten und Verfahren an.

Der Bundesrechnungshof hat den Deutschen Bundestagund die Bundesregierung in mehreren Berichten und Be-merkungen auf Schwachstellen bei der Einführung undNutzung neuer Führungs- und Steuerungsinstrumentehingewiesen. Dabei hat er insbesondere gefordert, in derBundesverwaltung eine stärkere betriebswirtschaftlicheOrientierung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zuverankern, um Daten und Ergebnisse der Kosten- undLeistungsrechnung (KLR) für Leitungsentscheidungen,Zielvereinbarungen, Budgetierungsansätze und Bench-marking-Verfahren zu nutzen.

1.13.1.1 Kosten- und Leistungsrechnung

Wesentliches Instrument für eine verbesserte Kosten-transparenz ist die gemäß § 7 Abs. 3 BHO in geeignetenBereichen einzuführende Kosten- und Leistungsrechnung(KLR). Sie soll wirtschaftliches Handeln fördern, die Er-mittlung bedarfsgerechter Haushaltsansätze und einewirtschaftliche Haushaltsführung unterstützen sowie alswesentliche Grundlage für ein Controlling in der Verwal-tung dienen.

Der Bundesrechnungshof hat Einführung und Einsatz derKLR von Beginn an mit Prüfungen und Berichten beglei-10 Vgl. Bemerkungen 2005, Bundestagsdrucksache 16/160 Nr. 7.1.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 73 – Drucksache 16/XXXX

tet. Auf seinen Vorschlag hin berichtet das Bundesminis-terium dem Rechnungsprüfungsausschuss des Haushalts-ausschusses des Deutschen Bundestages in festemRhythmus über die Fortschritte bei der KLR-Einführung(Fortschrittsberichte, vgl. RPA-Drs. 192/14.WP, 319/14.WP,11/15.WP, 348/15.WP).

Nach den Erkenntnissen des Bundesrechnungshofes ver-läuft die Einführung der KLR in einigen Verwaltungsbe-reichen schleppend. Die tatsächliche Nutzung der vorhan-denen KLR-Daten für Steuerungs- und Führungszweckeist unzureichend und die Einbindung der KLR in umfas-sende Controllingsysteme weist Schwächen auf. Grund-sätzlich haben die Behörden die KLR bislang zu wenigzur Verbesserung ihres Verwaltungshandelns genutzt.Zudem gibt es erst wenige Bestrebungen, Kosten undLeistungen – z. B. im Verwaltungsbereich – mit ande-ren Behörden zu vergleichen um so von besten Lösun-gen zu profitieren (vgl. Bundestagsdrucksache 16/160Nr. 13).

1.13.1.2 Pilotprojekt Produkthaushalt

Der Bundesrechnungshof hatte in einem Bericht nach§ 88 Abs. 2 BHO vom 15. Juni 1998 (HHA-Drs. 3889/13.WP) an den Haushaltsausschuss vorgeschlagen, Datenaus den Kosten- und Leistungsrechnungen der Verwal-tung stärker für das Haushaltsverfahren zu nutzen. DerHaushaltsausschuss forderte darauf hin das Bundesminis-terium auf, Produkthaushalte auf ihre Eignung als ergän-zende Steuerungsinstrumente für eine stärker ergebnis-orientierte Haushaltswirtschaft zu testen.

Das Bundesministerium begann im Jahre 2000 ein Pilot-projekt, das sechs Behörden umfasste. WesentlichesMerkmal der Produkthaushalte war die Zuordnung vonKosten und Erlösen zu den Produktbereichen und Pro-duktgruppen der Behörden. Daneben wurden weitere pro-duktbezogene Informationen wie Ziele, Mengen- undQualitätsangaben dargestellt. Die bessere Verbindung vonRessourceninput (Ausgaben) und -output (Produkte)sollte entscheidungs- und steuerungsrelevante Daten be-reitstellen und die Outputorientierung im Haushaltsver-fahren stärken.

Mit Abschlussbericht vom 19. Juni 2006 an den Haus-haltsausschuss informierte das Bundesministerium überdie Ergebnisse des Pilotprojektes. Es stellte fest, die Nut-zung der Produkthaushalte sei verhalten gewesen. Dieverbindlichen titelbezogenen Daten seien wesentlicheEntscheidungsgrundlage geblieben, während die produkt-bezogenen Informationen keine nennenswerte Bedeutungerlangt hätten. Das Bundesministerium kommt zu dem Er-gebnis, ein Parallelbetrieb von output- und inputorientier-ten Haushaltsverfahren sei auf Dauer in dieser Form nichtwirtschaftlich. Das Pilotprojekt werde daher nicht weiter-geführt.

Nach Ansicht des Bundesrechnungshofes ist es im Rah-men des Projektes nicht ausreichend gelungen, produkt-bezogene Informationen bei der Haushaltsaufstellung und

-kontrolle als wesentliche Basisinformationen zu veran-kern. Die parallel angebotenen Produkthaushalte erlang-ten insgesamt keine wesentliche Bedeutung.

1.13.1.3 Zusammenlegung von Fach- und Finanzverantwortung

Der Bundesrechnungshof hält die Zusammenlegung vonFach- und Finanzverantwortung für notwendig, um wirt-schaftliches Handeln und nachhaltige Aufgabenkritik zuunterstützen. Er wies in seinen Bemerkungen 2005 (vgl.Bundestagsdrucksache 16/160 Nr. 12) darauf hin, dass imBundeshaushalt dem Verursacherprinzip nicht in allen ge-eigneten Bereichen Rechnung getragen wird. Die erfor-derlichen Ressourcen werden vorwiegend dort veran-schlagt, wo die Aufgaben durchgeführt werden. Es bleibtunberücksichtigt, wer die Kosten verursacht. Damit erge-ben sich nur geringe oder keine Anreize, Aufgaben hin-sichtlich Umfang, Qualität und Notwendigkeit kritisch zuhinterfragen.

Der Bundesrechnungshof hat vorgeschlagen, die erforder-lichen Mittel nach dem Verursacherprinzip möglichst inden Haushaltsplänen der Auftraggeber auszuweisen undso deren Kostenverantwortung zu stärken. Für einzelneTeilbereiche wurde zwischenzeitlich die verursachungs-und periodengerechte Veranschlagung eingeführt (z. B.Errichtung eines Versorgungsfonds, Liegenschaftsma-nagement über die Bundesanstalt für Immobilienaufga-ben, Dezentralisierung der Versorgungsausgaben). Es gibtweitere Bereiche, die sich für eine verursacherorientierteVeranschlagung anbieten (z. B. Statistiken des Statisti-schen Bundesamtes, Fortbildung durch die Bundesakade-mie für öffentliche Verwaltung, Unterstützungsleistungendes Bundesverwaltungsamtes).

1.13.1.4 Vermögensrechnung

Der Bundesrechnungshof hatte in den Bemerkungen derJahre 2002 und 2003 (Bundestagsdrucksachen 15/60Nr. 1.2.3 und 15/2020 Nr. 1.2.3) aufgezeigt, dass die Ver-mögensrechnung die gesetzlichen Vorgaben nach Arti-kel 114 Grundgesetz und §§ 73, 86 BHO nicht voll erfülltund keine vollständige und zutreffende Auskunft überBestand und Veränderungen des Vermögens und derSchulden gibt. Er empfahl, die Vermögensrechnungschrittweise zu einem aussagekräftigen Instrument für diefinanz- und haushaltspolitischen Entscheidungen zu er-weitern. Das Bundesministerium richtete daraufhin eineArbeitsgruppe ein, die sich mit den Möglichkeiten derVervollständigung der Vermögensrechnung auseinander-setzen sollte.

Im Jahre 2005 hat der Bundesrechnungshof den Stand derFortentwicklung der Vermögensrechnung ermittelt. DasBundesministerium erhöhte zwar die Übersichtlichkeit,Lesbarkeit und Aussagekraft in Teilbereichen, insgesamtführten die bisherigen Maßnahmen jedoch noch nicht zueiner durchgreifenden Verbesserung. Die Zielsetzung ei-ner aussagefähigen Vermögensrechnung, einen mög-lichst vollständigen Überblick über den Stand und die

Drucksache 16/XXXX – 74 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Entwicklung von Vermögen und Schulden zu geben, istbisher noch nicht erreicht.

1.13.2 Weitergehende Ansätze zur Modernisierung des staatlichen Haushalts- und Rechnungswesens

Insgesamt konnten die mit dem Haushaltsrechts-Fortent-wicklungsgesetz verfolgten Modernisierungsziele bishernur bedingt erreicht werden. So vergrößerte sich zwar dieFlexibilität bei der Haushaltsbewirtschaftung durch er-weiterte Möglichkeiten zur Deckung und Übertragbar-keit. Es herrscht jedoch weiter eine am Input und amGeldverbrauch ausgerichtete Denk- und Verfahrensweisevor, die betriebswirtschaftliche Daten und Ansätze zu we-nig berücksichtigt. Kostentransparenz und Steuerungkonnten noch nicht durchgreifend verbessert werden. Ob-wohl wichtige Grundlagen für die Modernisierung gelegtund Impulse gegeben wurden, sind daher weitere An-strengungen erforderlich, um betriebswirtschaftlichesDenken im Planen und Handeln der Verwaltung stärkerzu verankern.

Im Hinblick auf die bereits eingeleiteten Reformen in denLändern, auf EU-Ebene sowie international sieht derBundesrechnungshof zudem die Gefahr, dass die imHaushalts- und Rechnungswesen dargestellten Ergeb-nisse national und international langfristig nicht mehr ein-heitlich und vergleichbar sind.

Mit einem Bericht nach § 99 BHO vom 17. August 2006(Bundestagsdrucksache 16/2400) hat sich der Bundes-rechnungshof mit der weitergehenden Modernisierungdes staatlichen Haushalts- und Rechnungswesens befasst.

Aus Sicht des Bundesrechnungshofes sollten Ansätze zurModernisierung und Neuausrichtung des Haushalts- undRechnungswesens des Bundes bis hin zur Einführung derdoppelten Buchführung geprüft werden, um einen umfas-senden Reformprozess möglichst zügig in Gang zu set-zen. Dies erfordert eine grundlegende Analyse unter Be-rücksichtigung der Besonderheiten des Bundeshaushalts.

Das Bundesministerium hat hierzu ausgeführt, es werdeinnerhalb seiner Haushaltsabteilung eine Arbeitseinheiteinrichten, die sich mit der Frage auseinandersetzen solle,ob auf bundesstaatlicher Ebene eine grundlegende Haus-haltsreform notwendig sei. Neben der Entwicklung imAusland, wo eine Tendenz zur Umstellung auf die Doppikbesteht, solle vor allem die zunehmende Reformdiskus-sion aus dem Inland aufgenommen werden. Den Schwer-punkt der Prüfung bildeten die Komplexe „stärkere Er-gebnis- und Wirkungsorientierung des Haushalts“ sowie„mögliche Umstellung auf ein doppisches Rechnungs-und Haushaltswesen“.

Ziel sei es, vor dem Hintergrund der Kritik an der Kame-ralistik konkrete Optionen für eine Modernisierung desHaushalts- und Rechnungswesens zu erarbeiten. Dabeiwürden die zentralen Ziele des Bundesministeriums– Einhaltung der Verschuldens- und Defizitgrenzen, lang-fristiger Pfad zu einem ausgeglichenen Haushalt beigleichzeitiger Strukturverbesserung – im Vordergrundstehen.

Der Bundesrechnungshof begrüßt die Pläne des Bundes-ministeriums. Er wird sich in Zukunft noch verstärkt mitder Thematik beschäftigen und seine Erfahrungen und Er-kenntnisse in den Modernisierungsprozess einbringen.

2 Finanzwirtschaftliche Entwicklung des Bundes – Stabilisierung der Einnahmen bei fortbestehenden strukturellen Belastungen auf der Ausgabenseite

2.0

Ungeachtet wieder anziehender Steuereinnahmen ist derBund nach wie vor mit ernsten finanzwirtschaftlichenProblemen konfrontiert. Die auf den Weg gebrachtenEntlastungsmaßnahmen tragen zwar dazu bei, dass sichdie Haushaltseckdaten verbessern. Eine nachhaltigeGesundung der Bundesfinanzen ist aber noch nicht inSicht. Insbesondere auf der Ausgabenseite besteht diestrukturelle Schieflage fort. Fast 90 % der Steuerein-nahmen sind im Haushaltsjahr 2006 durch Sozialausga-ben und Zinsausgaben gebunden. Durch den hohen An-teil konsumtiver Ausgaben bleibt es schwierig, imBundeshaushalt die erforderlichen finanziellen Ressour-cen für zukunftsgerichtete investive Aufgaben wie den

Auf- und Ausbau der öffentlichen Infrastruktur sowie dieFörderung von Forschung und Wissenschaft bereitzu-stellen.

Auf die Sozialausgaben entfällt mehr als die Hälfte derGesamtausgaben. Dies geht wesentlich auch auf die zu-nehmende Steuerfinanzierung der sozialen Sicherungs-systeme zurück, mit der die Lohnnebenkosten gesenktwerden sollen. Insbesondere die Aufwendungen für dieverschiedenen Alterssicherungssysteme belasten denBundeshaushalt nach wie vor in erheblichem Umfang.Die in der zweiten Hälfte der 90er-Jahre erheblich ge-stiegenen Leistungen des Bundes an die Rentenversiche-rung bleiben auf hohem Niveau. Im Bereich der Pen-sionszahlungen für die ehemaligen Postbediensteten

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 75 – Drucksache 16/XXXX

entlastet der Verkauf von Forderungen an die Postnach-folgeunternehmen zwar die Bundeshaushalte 2005, 2006und teilweise 2007. Ab dem Jahre 2008 muss der Bun-deshaushalt aber die dafür anfallenden Ausgabelastenvollständig übernehmen, weil die von den Postnachfol-geunternehmen gezahlten Pensionsbeiträge dann den Er-werbern der Forderungen zustehen.

Die durchgeführten Arbeitsmarktreformen leisteten bis-lang keinen Beitrag zur Konsolidierung des Bundeshaus-halts. Vielmehr steigen die Arbeitsmarktausgaben derzeitstärker als alle anderen Ausgabenblöcke im Bundeshaus-halt. Die Ausgaben für das Arbeitslosengeld II sind höherals die gesamten Investitionsausgaben. Es erscheintzweifelhaft, ob die bisherigen Konsolidierungsmaßnah-men ausreichen, die Belastungen des Bundeshaushaltsauf diesem Sektor auf eine vertretbare Größenordnung zuverringern. Finanzwirtschaftlich gesehen trägt der Bunddie Hauptlast der Zusammenführung von Arbeitslosen-hilfe und Sozialhilfe zur Grundsicherung für Arbeit-suchende.

Angesichts der bestehenden hohen Gesamtverschuldungdes Bundes führt ein Anstieg des allgemeinen Zinsniveauszu höheren Zinsausgaben. Damit zahlt der Bundeshaus-halt den Preis für den hohen Schuldenaufwuchs der Ver-gangenheit.

Nachdem das Steueraufkommen des Bundes jahrelangstagnierte oder sogar rückläufig war, wird für den Bun-deshaushalt 2007 – nicht zuletzt aufgrund der Erhöhungder Mehrwertsteuer um 3 Prozentpunkte – mit demhöchsten Anstieg der Steuereinnahmen seit dem Jahre1992 gerechnet. Allerdings ist der Bundeshaushalt aufder Steuereinnahmenseite immer noch durch eine Reihevon Abzügen belastet, die auf finanzielle Zugeständnissean die Länder insbesondere im Rahmen des Familienleis-tungsausgleichs, der Regionalisierung des öffentlichenPersonennahverkehrs und der Bundesergänzungszuwei-sungen zurückzuführen sind.

Im vertikalen Finanzausgleich leistet der Bund in erheb-lichem Umfang Bundesergänzungszuweisungen, die zumgrößten Teil als Aufbauhilfen an die neuen Länder unddas Land Berlin gehen. Der weit überwiegende Teil derEmpfängerländer verwendet diese Hilfen immer nochnicht vollständig – entsprechend der gesetzlichen Zielset-zung – für die Förderung investiver Zwecke.

Die nach wie vor schwierige Lage der Bundesfinanzenfindet ihren Ausdruck in der Entwicklung der Netto-kreditaufnahme. Im Bundeshaushalt 2006 überschrei-tet sie zum fünften Mal hintereinander die Summe derInvestitionsausgaben und damit die Regelkreditober-grenze des Artikels 115 Abs. 1 Grundgesetz. Damit zeigtsich erneut, dass Artikel 115 Grundgesetz sich in derHaushaltspraxis als unwirksam erwiesen hat, die Neuver-schuldung im Bundeshaushalt zumindest zu begrenzen.Das Ersuchen des Rechnungsprüfungsausschusses desHaushaltsausschusses des Deutschen Bundestages, dasBundesministerium der Finanzen solle prüfen, ob die

Haushaltskonsolidierung durch eine stärkere Begrenzungder verfassungsrechtlichen Möglichkeiten zur Kreditauf-nahme unterstützt werden kann, bleibt daher weiterhinaktuell.

Im Haushaltsentwurf 2007 wird die verfassungsrechtli-che Kreditobergrenze eingehalten. Dies gelingt allerdingsnur dadurch, dass die Steuereinnahmen höher veran-schlagt wurden als nach dem Ergebnis der Steuerschät-zung vom Mai 2006 zu erwarten war. Zudem wurdenerneut Maßnahmen mit Einmaleffekt zur Haushaltsfinan-zierung eingesetzt wie insbesondere die Verwertung vonKapitalvermögen des Bundes sowie die zeitliche Ver-schiebung von Ausgaben des Bundes für die Pensionsver-pflichtungen der ehemaligen Bundespost.

Trotz eines im Finanzplan bis 2010 zugrunde gelegtenkräftigen Wachstums der Steuereinnahmen und Einmal-maßnahmen in zweistelliger Milliardenhöhe wird derBund weiter hohe Nettokreditaufnahmen tätigen müssen,um die jährlichen Bundeshaushalte auszugleichen. Nachder Finanzplanung soll die hohe strukturelle Deckungs-lücke zwar deutlich zurückgeführt werden. Der noch vorwenigen Jahren als haushaltspolitisches Ziel in Aussichtgestellte Haushaltsausgleich ohne Neuverschuldung wirdallerdings auf absehbare Zeit nicht zu realisieren sein.Ungeachtet der bislang umgesetzten Konsolidierungs-maßnahmen werden weitere Konsolidierungsanstren-gungen vor allem bei den konsumtiven Ausgaben notwen-dig sein, um zumindest auf mittelfristige Sicht dieFinanzierungsdefizite dauerhaft zu verringern und dieverloren gegangenen Handlungsspielräume zurückzuge-winnen.

Die in den Jahren 2000 und 2001 durch den Einsatz derMobilfunk-Versteigerungserlöse vorübergehend erreich-te Stabilisierung des Schuldenstandes setzt sich nichtfort. Die hohen Kreditaufnahmen werden zu einem deut-lichen Anstieg der Gesamtverschuldung des Bundes unddamit der Zinsbelastungen im Finanzplanungszeitraumführen. Zum Ende des Finanzplanungszeitraums (2010)wird die Verschuldung des Bundes die Billionengrenzeüberschreiten. Der Bund ist damit auf absehbare Zeit ineiner noch schwierigeren Haushalts- und Verschul-dungslage als der Durchschnitt der Länder und Gemein-den.

Auf der Grundlage des im Frühjahr 2006 vorgelegtenStabilitätsprogramms kann Deutschland nach den Fest-stellungen des Rates der EU-Wirtschafts- und Finanz-minister die für das Jahr 2007 geforderte Korrektur desübermäßigen Defizits erreichen. Von dem im Stabilitäts-programm angelegten Ziel eines in konjunkturellenNormallagen ausgeglichenen oder Überschüsse aufwei-senden Haushalts sind der Bund und die Mehrzahl derLänder allerdings noch weit entfernt.

Mit Blick auf die finanzwirtschaftlichen VerpflichtungenDeutschlands aus dem Europäischen Stabilitäts- undWachstumspakt bleibt die nachhaltige Konsolidierungder öffentlichen Finanzen eine zentrale Aufgabe für den

Drucksache 16/XXXX – 76 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Bund und die anderen Gebietskörperschaften. Im Rah-men der Föderalismusreform I wurde ein NationalerStabilitätspakt verfassungsrechtlich verankert; danachist die gemeinsame Verpflichtung von Bund und Ländernzur Wahrung der Haushaltsdisziplin nunmehr ausdrück-lich im Grundgesetz normiert. Außerdem ist festgelegt,wie mögliche Sanktionszahlungen an die EuropäischeUnion auf Bund und Länder aufzuteilen wären. Die imZuge der Föderalismusreform I beschlossenen Regelun-gen sollten ergänzt werden durch verbindliche Vorgabenfür Bund und Länder, die gewährleisten, dass die ge-meinschaftsrechtlichen Stabilitätskriterien innerstaatlichwirksam umgesetzt werden.

2.1 Entwicklung der Gesamtausgaben, -einnahmen und des Finanzierungsdefizits

Die Haushaltslage des Bundes wird durch die nachfolgen-den Eckdaten zum Haushalt 2006, zum Haushaltsentwurf2007 und zum Finanzplan bis 2010 bestimmt.

Der Haushaltsplan für das laufende Haushaltsjahr 2006sieht einen geringen Anstieg des Haushaltsvolumens aufrund 261,6 Mrd. Euro vor (vgl. Abbildung 1). Die Ge-samtausgaben liegen damit im Soll um rund 1,8 Mrd.Euro oder 0,7 % höher als das Haushaltsergebnis 2005(rund 259,8 Mrd. Euro). Strukturell bleibt die Ausgaben-seite weitgehend unverändert.

A b b i l d u n g 1

Einnahmen und Ausgaben in Mrd. Euro1

1 Datenbasis für diese sowie die nachfolgenden Abbildungen und Tabellen: Ist-Ergebnisse bis einschließlich Haushaltsjahr 2005, Sollzahlen gemäßHaushaltsplan 2006, Haushaltsentwurf 2007 und Finanzplan bis zum Jahre 2010. Weitere Quellen: Berichte (Finanzberichte, Monatsberichte,Rentenversicherungsbericht) und sonstige Veröffentlichungen der Bundesregierung und des Bundesministeriums der Finanzen; Deutsche Bun-desbank (insbesondere Monatsberichte); Statistisches Bundesamt. Für Haushaltsjahre ab 2006: zum Teil eigene Berechnungen.

137,

9

169,

8

178,

2 198,

3

199,

7 215,

1

211,

7

192,

8

193,

5 204,

7 220,

6

220,

5

220,

2

216,

6

217,

5

211,

8 228,

4

223,

2

245,

4

252,

6

253,

7

256,

1

148,

2

194,

4

205,

4 218,

4 233,

9

240,

9

237,

6

232,

9

225,

9

233,

6 249,

9

244,

4

243,

1

249,

3

256,

7

251,

6

259,

8

267,

6

274,

3

274,

9

276,

8

261,

6

100

120

140

160

180

200

220

240

260

280

300

Einnahmen Ausgaben Finanzplan

1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010

Jahr

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 77 – Drucksache 16/XXXX

Die Einnahmen (ohne Einnahmen aus Kreditaufnahmen,ohne Münzeinnahmen sowie ohne haushaltstechnischeVerrechnungen) betragen im Bundeshaushalt 2006 rund223,2 Mrd. Euro gegenüber rund 228,4 Mrd. Euro im Haus-haltsjahr 2005. Während die Steuereinnahmen von rund190,1 Mrd. Euro (2005) auf rund 194,0 Mrd. Euro steigen,gehen die sonstigen Einnahmen von rund 38,5 Mrd. Euroauf rund 29,0 Mrd. Euro zurück. Dies ist insbesondere aufdie niedrigeren Einnahmen aus der Inanspruchnahme vonGewährleistungen (vgl. Nr. 2.3.5) zurückzuführen.

Das im Bundeshaushalt 2006 eingeplante Finanzie-rungsdefizit steigt auf rund 38,4 Mrd. Euro an (2005:rund 31,4 Mrd. Euro) und erreicht damit fast das Niveaudes Jahres 2004 (vgl. Abbildung 2). Die mit 38,2 Mrd.Euro ausgewiesene Nettokreditaufnahme überschreitetdie Regelkreditobergrenze des Artikels 115 Abs. 1 Grund-gesetz zum fünften Mal in Folge deutlich. Sie ist diehöchste in einem Bundeshaushalt veranschlagte Netto-neuverschuldung. Die Überschreitung der verfassungs-rechtlichen Regelkreditobergrenze wird mit der Eignungzur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichenGleichgewichts begründet (vgl. Nr. 2.4.2).

Für die kommenden Haushalte sieht das Bundesministe-rium in seiner Bewertung der gesamtwirtschaftlichen Ent-

wicklung 2006 bis 2010 die deutsche Wirtschaft aufErholungskurs. Sowohl vom Wachstum des Brutto-inlandsproduktes als auch vom Arbeitsmarkt gingen posi-tive Signale aus. Mit dem Bundeshaushalt 2007 werdedeshalb angestrebt, die beiden zentralen finanzpolitischenZiele der Bundesregierung zu erreichen, die Einhaltungder Regelobergrenze des Artikels 115 Grundgesetz sowiedie Unterschreitung der Defizitgrenze des EuropäischenStabilitäts- und Wachstumspakts.

Nach dem vom Bundeskabinett am 5. Juli 2006 beschlos-senen Haushaltsentwurf 2007 sind Ausgaben von rund267,6 Mrd. Euro vorgesehen (vgl. Abbildung 1); das sind2,3 % mehr als das Haushaltssoll 2006. Darin enthaltensind allerdings rund 6,5 Mrd. Euro, die haushaltsneutralvon dem Aufkommen aus einem Umsatzsteuerpunkt andie Bundesagentur für Arbeit weitergeleitet werden zurUnterstützung der Senkung des Arbeitslosenversiche-rungsbeitrages. Bereinigt man – wie das Bundesministe-rium – die Gesamtausgaben um diesen Betrag, unter-schreiten sie das Haushaltssoll 2006 um rund 0,2 %. DieEinnahmen – ohne Nettokreditaufnahme und Münzein-nahmen – liegen bei rund 245,4 Mrd. Euro. Das Finan-zierungsdefizit soll demgemäß rund 22,2 Mrd. Euro be-tragen (vgl. Abbildung 2).

A b b i l d u n g 2

Finanzierungssaldo

– 45,0

– 40,0

– 35,0

– 30,0

– 25,0

– 20,0

– 15,0

– 10,0

– 5,0

0,0

Mrd

. Eur

o

1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010Jahr

Finanzplan

– 10,3

– 24,6

– 27,2

– 20,1

– 34,2

– 40,1

– 32,4

– 28,9– 29,3

– 23,9

– 32,7

– 39,2– 39,8

– 31,4

– 38,4

– 21,7– 21,2– 20,7

– 22,2– 22,9

– 25,8– 25,9

Drucksache 16/XXXX – 78 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Nach dem Finanzplan steigen die Ausgaben für das Jahr2008 um 2,5 % wegen des erhöhten Finanzierungsbedarfsder Postbeamtenversorgungskasse und der überlappendenWirkung des auslaufenden Erziehungsgeldes mit demneuen Elterngeld (vgl. Abbildung 1). Für die nachfolgen-den Haushaltsjahre 2009 und 2010 ist vorgesehen, dieAusgaben um weniger als 1 % jährlich steigen zu lassen.Die Investitionsausgaben sollen sich im Durchschnittder Jahre 2007 bis 2010 bei rund 23,5 Mrd. Euro stabili-sieren. Auf der Grundlage dieser Planung lägen dasFinanzierungsdefizit und damit auch die Nettokredit-aufnahme im Finanzplanungszeitraum knapp unter derSumme der investiven Ausgaben.

2.2 Ausgabenentwicklung und -struktur

Die Gesamtausgaben des Bundeshaushalts werden nachwie vor ganz wesentlich durch die Ausgaben für Sozialesund für Zinsen geprägt.

Die Sozialausgaben belaufen sich im Haushalt 2006 ins-gesamt auf rund 134,4 Mrd. Euro. Das ist nochmals eineleichte Steigerung gegenüber dem Vorjahr 2005 (rund133,0 Mrd. Euro). Seit dem Jahre 1997 werden im Bun-deshaushalt für diesen Ausgabensektor von Jahr zu Jahrmehr Haushaltsmittel zur Verfügung gestellt (vgl. Tabel-le 1). Der Anteil der Sozialausgaben an den Gesamtaus-gaben steigt erneut gegenüber dem Vorjahr (51,2 %) anund zwar auf 51,4 %. Damit haben die Sozialausgabensowohl in absoluten Zahlen als auch anteilig einen neuenHöchststand erreicht. Dies beruht überwiegend auf demAnstieg der Ausgaben für die Grundsicherung für Arbeit-suchende. Nach dem Haushaltsentwurf 2007 sollen dieseAusgaben deutlich verringert werden.

Weiterer Bestandteil der Sozialausgaben sind die Leistun-gen des Bundes an die Rentenversicherung (2006:77,4 Mrd. Euro) sowie der Zuschuss des Bundes an diegesetzliche Krankenversicherung zur pauschalen Ab-geltung versicherungsfremder Leistungen. Die letztge-nannten Ausgaben stiegen von 1,0 Mrd. Euro (2004) auf2,5 Mrd. Euro im Jahre 2005 sowie 4,2 Mrd. Euro imJahre 2006 und hätten durch Mehreinnahmen aufgrundeiner Tabaksteuererhöhung finanziert werden sollen. DieMehreinnahmen haben sich allerdings nicht in der erwar-

teten Höhe realisieren lassen.1 Für das Jahr 2007 beab-sichtigt die Bundesregierung, letztmalig einen Zuschussan die gesetzliche Krankenversicherung in Höhe von1,5 Mrd. Euro zu zahlen. Allerdings kommen auf denBundeshaushalt im Zusammenhang mit den anstehendenMaßnahmen zur Gesundheitsreform zusätzliche Belas-tungen zu, da der Bund sich möglicherweise an den Auf-wendungen für die gesetzliche Krankenversicherung be-teiligen wird.

Die Zinsausgaben sind neben den Sozialausgaben derzweite große Ausgabenblock. Sie steigen im Bundeshaus-halt 2006 gegenüber dem Haushaltsergebnis 2005 leichtan, um rund 0,2 Mrd. Euro auf rund 37,6 Mrd. Euro (vgl.Tabelle 1). Nach dem Haushaltsentwurf 2007 ist dagegenein deutliches Anwachsen der Zinsausgaben auf39,3 Mrd. Euro zu verzeichnen. Zwar ist auch damit derhistorische Höchststand aus dem Jahre 1999 von rund41,1 Mrd. Euro noch nicht erreicht. Allerdings ist dabeizu berücksichtigen, dass der aktuelle jahresdurchschnittli-che Zinssatz der Bruttokreditaufnahme deutlich geringerist als im Jahre 1999.

Die anderen größeren Ausgabenarten im Bundeshaushaltbleiben demgegenüber annähernd auf gleichem Niveau(vgl. Tabelle 1):

● Die Personalausgaben für die Bundesverwaltung(einschließlich Versorgungsausgaben) bewegten sichin den letzten Jahren mit leicht fallender Tendenz inder Größenordnung von 26,0 Mrd. Euro bis 27,0 Mrd.Euro. Da das Haushaltsvolumen insgesamt gestiegenist, ist ihr Haushaltsanteil rückläufig. Er beträgt imJahre 2006 rund 10 % und liegt nach dem Haushalts-entwurf 2007 sogar leicht darunter.

● Die Investitionsausgaben sind im Haushalt 2006 mitrund 23,2 Mrd. Euro veranschlagt. Sie liegen damitgeringfügig über den Werten der beiden Vorjahre, al-lerdings erheblich unter den Werten der 90er-Jahre.

1 Tabaksteuereinnahmen: 14,1 Mrd. Euro (2003); 13,6 Mrd. Euro (2004); 14,3 Mrd. Euro(2005); 14,7 Mrd. Euro (2006 – Soll).

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 79 – Drucksache 16/XXXX

Tabel le 1

Wesentliche Ausgabenarten und -quoten

1 Bis 1995 einschließlich Kindergeld (1995: rund 10,5 Mrd. Euro); in vergleichsweise geringem Umfang enthalten die Sozialausgaben auch Inves-titionen (bis zu jährlich 1,0–1,5 Mrd. Euro oder bis rund 1,5 %). 2006: Veranschlagtes Soll ohne evtl. Mehrbelastungen im Haushaltsverlauf.

2 Finanziert durch Aufkommen aus einem Umsatzsteuerpunkt.3 Investitionsausgaben 2005: Ohne Betriebsmitteldarlehen an die Rentenversicherung (0,9 Mrd. Euro), das zum Jahresende 2005 an den Bund zu-

rückgezahlt wurde.4 Hierzu gehören insbesondere die sächlichen Verwaltungsausgaben sowie die Ausgaben für militärische Beschaffungen, für die nicht investive

Wirtschafts- und Forschungsförderung sowie für Sondervermögen ohne Zinserstattungen.

Jahr 1989 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007

Ausgaben Mrd. Euro

Sozialausgaben1 49,9 75,6 87,9 87,3 90,2 84,9 84,6 91,9 100,3 100,8 102,0 111,9 118,3 120,6 133,0 134,4 134,8

darunter:

– Rente, Knappschaft 21,3 30,6 32,8 37,6 39,2 41,2 44,2 51,3 60,5 65,0 69,1 72,9 77,3 77,4 77,5 77,4 78,4

– Arbeitsmarkt 5,7 14,0 24,3 19,4 20,0 24,1 21,8 21,7 21,5 15,5 15,4 21,0 23,7 25,0 37,9 38,5 40,4

darunter:

– BA-Zuschuss 1,1 4,6 12,5 5,2 3,5 7,0 4,9 3,9 3,7 0,9 1,9 5,6 6,2 4,2 0,4 0,0 0,0

– Arbeitslosenhilfe 4,2 4,7 7,2 8,9 10,5 12,4 14,3 15,6 15,6 13,2 12,8 14,8 16,5 18,8 1,5 0,0 0,0

– Beteiligung an Kosten der Arbeitsförderung2

6,5

– Grundsicherung, darunter:

0,5 35,2 38,3 33,7

ALG II 25,0 24,4 21,4

Eingliederungshilfen 3,6 6,5 6,5

Unterunft+Heizung 3,5 3,6 2,0

Verwaltungskosten 3,1 3,5 3,5

Zinsen/Zinserstattungen 16,7 27,6 27,4 32,9 40,2 40,3 40,4 40,9 41,1 39,9 38,3 37,4 37,0 36,5 37,4 37,6 39,3

Personalausgaben 21,1 26,3 27,0 26,9 27,1 27,0 26,8 26,7 27,0 26,5 26,8 27,0 27,2 26,8 26,4 26,2 26,2

Investitionsausgaben3 18,5 33,7 33,3 31,3 34,0 31,2 28,8 29,2 28,6 28,1 27,3 24,1 25,7 22,4 22,9 23,2 23,5

Restliche Ausgaben4 42,0 55,2 58,3 62,5 46,1 49,5 45,3 44,9 49,9 49,1 48,7 48,9 48,5 45,3 40,1 40,2 43,8

Gesamtausgaben 148,2 218,4 233,9 240,9 237,6 232,9 225,9 233,6 246,9 244,4 243,1 249,3 256,7 251,6 259,8 261,6 267,6

Ausgabenquoten Prozent

Anteil Sozialausgaben 33,7 34,6 37,6 36,2 38,0 36,5 37,5 39,3 40,6 41,2 42,0 44,9 46,1 47,9 51,2 51,4 50,4

Anteil Zinsen/Zinserst. 11,3 12,6 11,7 13,7 16,9 17,3 17,9 17,5 16,6 16,3 15,8 15,0 14,4 14,5 14,4 14,4 14,7

Anteil Personalausgaben 14,2 12,0 11,5 11,2 11,4 11,6 11,9 11,4 10,9 10,9 11,0 10,8 10,6 10,7 10,2 10,0 9,8

Anteil Investitionsausg. 12,5 15,4 14,2 13,0 14,3 13,4 12,7 12,5 11,6 11,5 11,2 9,7 10,0 8,9 8,8 8,9 8,8

Anteil restliche Ausgaben 28,3 25,3 24,9 25,9 19,4 21,3 20,1 19,2 20,2 20,1 20,0 19,6 18,9 18,0 15,4 15,4 16,4

Summe 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0

2.2.1 Entwicklung wesentlicher ● Der Anteil der Zinsen an den Gesamtausgaben (Zins-

Finanzkennzahlen

2.2.1.1

Trotz der zu Beginn des Jahres 2006 zu beobachtendenwirtschaftlichen Belebung bestehen die strukturellen Pro-bleme des Bundeshaushalts fort, wie an den nachfolgen-den finanzwirtschaftlichen Kennzahlen deutlich wird.Dabei verläuft die Entwicklung wesentlicher Ausgaben-quoten unterschiedlich (vgl. Tabelle 1):

quote) war bis zum Jahre 2003 rückläufig und danachstabil. Er liegt mit 14,4 % auch im Jahre 2006 deutlichunter dem Höchststand des Jahres 1997 (17,9 %). Ge-genüber der Zinsquote von 1992 (12,6 %) ist aller-dings ein Anstieg von 1,8 Prozentpunkten zu verzeich-nen. Auf der Grundlage des Haushaltsentwurfs 2007wird der Zinsanteil auf 14,7 % steigen.

● Der Anteil der Sozialausgaben an den Gesamtausga-ben (Sozialquote) hat sich im gleichen Zeitraum

Drucksache 16/XXXX – 80 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

(1992 bis 2006) um 16,8 Prozentpunkte auf 51,4 % er-höht. Bereinigt man frühere Haushalte um die Kinder-geldausgaben, die seit dem Jahre 1996 nicht mehr alsSozialausgaben veranschlagt werden, sondern von denSteuereinnahmen abgesetzt werden, so beträgt der An-stieg seit dem Jahre 1992 sogar fast 20 Prozentpunkte.

● Der Anteil der im Haushalt 2006 insgesamt veran-schlagten Zins- und Sozialausgaben (Zins-/Sozial-quote) erreicht fast zwei Drittel des Haushaltsvolu-mens (65,8 %). Damit hat sich die Tendenz derVorjahre fortgesetzt, dass ein Großteil der Haushalts-mittel durch diese beiden Ausgabenbereiche gebundenist. Nach dem Haushaltsentwurf 2007 ist mit keinemsignifikanten Rückgang zu rechnen.

● Der Anteil der Investitionsausgaben an den Gesamt-ausgaben (Investitionsquote) hat sich demgegenüberkontinuierlich verringert. Seit dem Haushaltjahr 2004liegt er bei knapp unter 9 %. Die Investitionsausgaben

erreichen im Hauhalt 2006 weniger als ein Siebtel(13,5 %) der Ausgaben für den Sozial- und Zinsbe-reich. Die Investitionsquoten für den Zeitraum seitdem Jahre 2002 fallen etwas günstiger aus (um rund1,1 Prozentpunkte), wenn man berücksichtigt, dass dieFinanzhilfen nach dem InvestitionsförderungsgesetzAufbau Ost in Höhe von jährlich rund 3,4 Mrd. Eurozum Jahresende 2001 beendet wurden und seitdem ingleicher Höhe als Bundesergänzungszuweisungen(Steuereinnahmeminderungen) geleistet werden. Al-lerdings liegt auch die entsprechend bereinigte Investi-tionsquote 2006 von rund 10 % deutlich unter denWerten früherer Jahre.

Noch deutlicher zeigen sich die strukturellen Problemedes Bundeshaushalts an der Entwicklung einiger Steuer-Ausgabenquoten, die das Verhältnis der Steuereinnah-men zu wichtigen Ausgabenbereichen abbilden (vgl. Ab-bildung 3):

A b b i l d u n g 3

Wesentliche Ausgaben-Steuerquoten

1 Anteil der für Zins- und Sozialausgaben verwendeten Steuereinnahmen.2 Anteil der für Sozialausgaben verwendeten Steuereinnahmen.3 Anteil der für Zinsausgaben verwendeten Steuereinnahmen.4 Anteil der für Investitionsausgaben verwendeten Steuereinnahmen. Bis zum Jahre 2001 Investitionen einschließlich Finanzhilfen nach dem In-

vestitionsförderungsgesetz Aufbau Ost, die ab dem Jahre 2002 als Bundesergänzungszuweisungen (Steuereinnahmeminderungen) geleistet wer-den.

54,6 %52,7 %

56,2 % 57,2 %

63,4 % 62,0 %

69,7 %72,3 % 73,8 %

76,0 %73,5 %

70,8 %72,4 %

77,8 %80,9 %

84,0 %

89,6 % 88,7 %

81,2 %

40,3 % 39,5 %43,1 % 41,9 %

48,3 %45,0 %

48,2 % 49,0 % 50,0 %52,6 % 52,1 % 50,7 %

52,7 %

58,3 %61,6 %

64,5 %

70,0 % 69,3 %

62,8 %

17,0 %

21,5 %23,3 % 23,9 % 23,4 %

21,4 % 20,1 % 19,8 % 19,5% 19,3 % 19,5 % 19,7 % 19,4 % 18,3 %16,2 % 14,6 %

19,4% 18,7 % 18,3% 18,0 % 17,0 % 16,7 %14,9 % 14,1 % 14,1 % 12,6 % 13,4 % 12,0 % 12,0 % 12,0 % 11,0 %

15,1 %15,2 %13,0 %13,2 %

14,3 %

18,2 %16,2 %

Zins-/Sozial-Steuerquote1 Sozial-Steuerquote2 Zins-Steuerquote3 Investitions-Steuerquote4

0 %

10 %

20 %

30 %

40 %

50 %

60 %

70 %

80 %

90 %

100 %

Pro

zent

1985 1989 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007Jahr

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 81 – Drucksache 16/XXXX

● Der Bund muss einen erheblichen Anteil seiner Steu-ereinnahmen für die Zins- und Sozialausgaben einset-zen. Der auf diese Ausgabenblöcke entfallene Steuer-anteil (Zins-/Sozialsteuerquote) war von rund 76 %im Jahre 1998 auf rund 71 % im Jahre 2000 zurückge-gangen. Im Bundeshaushalt 2006 liegt die Zins-/So-zialsteuerquote bei 88,7 % und damit nur knapp unterdem bisherigen Höchststand des Jahres 2005 (89,6 %).Die leichte Verbesserung geht allerdings ausschließ-lich auf die höher veranschlagten Steuereinnahmenzurück. Bezieht man die sich abzeichnenden Mehraus-gaben für den Arbeitsmarkt mit ein, so dürften auchim Bundeshaushalt 2006 rechnerisch rund 90 % allerSteuereinnahmen durch Zins- und Sozialausgabengebunden sein. Nach dem Haushaltsentwurf 2007wird sich die Quote deutlich verbessern, da vor allemdie Arbeitsmarktausgaben stabilisiert werden sollen(vgl. Nr. 2.2.3) und das Steueraufkommen erheblichansteigen soll (vgl. Nr. 2.3.1).

● Der Anteil der für die Zinsen verwendeten Steuerein-nahmen (Zinssteuerquote) geht im Haushalt 2006leicht auf 19,4 % zurück, da die Zinsausgaben (noch)relativ stabil bleiben. Nach dem Haushaltsentwurf2007 fällt die Quote aufgrund des hohen Steuerauf-wuchses auf 18,3 %.

● Ein zentrales finanzwirtschaftliches Problem liegt indem äußerst hohen Anteil der rechnerisch auf die So-zialausgaben entfallenden Steuereinnahmen (Sozial-steuerquote). Er ist innerhalb von sechs Jahren ummehr als 18 Prozentpunkte (von 50,7 % in 2000 auf69,3 % in 2006) angestiegen. Selbst nach dem Haus-haltsentwurf 2007 wird die Quote mit 62,8 % nochdeutlich über dem Niveau der 90er-Jahre liegen.

● Entgegengesetzt verläuft die Entwicklung des Anteilsder für Investitionen eingesetzten Steuereinnahmen(Investitionssteuerquote). Wurden zu Beginn der 90er-Jahre rechnerisch noch fast 20 % der Steuereinnahmenfür investive Zwecke verwendet, so liegt die Investi-tionssteuerquote im Jahre 2006 bei nur noch 12,0 %und wird nach dem Haushaltsentwurf 2007 aufgrunddes erwarteten Anstiegs der Steuereinnahmen auf einenhistorisch niedrigen Wert von 11,0 % sinken.

Hält diese seit Jahren zu beobachtende Entwicklung an,bestehen kaum noch finanzielle Handlungsspielräume,die eine gestaltende Haushaltspolitik ermöglichen. DieSteuereinnahmen als wichtigste Einnahmequelle desBundeshaushalts würden fast vollständig durch die bei-den Ausgabenblöcke Soziales und Zinsen aufgezehrt. Vordiesem Hintergrund erscheint eine weitere Konsolidie-rung unumgänglich. Eine Verbesserung der finanzwirt-schaftlichen Lage des Bundes ist nur zu erwarten, wennneben den – bereits umgesetzten – Maßnahmen zur Ver-stetigung der Steuereinnahmen Einsparungen bei denkonsumtiven Leistungen insbesondere im Sozialbereicherzielt werden.

2.2.1.2

Das Bundesministerium der Finanzen (Bundesministe-rium) teilt die Auffassung des Bundesrechnungshofes,

dass die hohe Dynamik der Sozialausgaben überwiegendauf der Entwicklung der Arbeitsmarktausgaben beruht.Bei der Bewertung der Haushaltsstruktur insgesamt seiallerdings zu berücksichtigen, dass seit dem Jahre 1998verstärkt Steuermittel (insbesondere Mehrwertsteuer undsog. Ökosteuer) zur finanziellen Unterstützung der ge-setzlichen Rentenversicherung und der Arbeitslosenver-sicherung eingesetzt würden. Die hierauf zurückzufüh-renden Steuermehreinnahmen beliefen sich auf rund32,5 Mrd. Euro. In dieser Größenordnung seien die höhe-ren Sozialausgaben gegenfinanziert. Die verstärkte Steu-erfinanzierung führe faktisch zu einer Bilanzverlängerungim Bundeshaushalt, die zwar die Haushaltsstruktur verän-dere, aber das Haushaltsdefizit des Bundes nicht tangiere.Unter Berücksichtigung der verstärkten Steuerfinanzie-rung falle der Anstieg der Sozialausgaben deutlich gerin-ger als ausgewiesen aus.

2.2.1.3

Der Bundesrechnungshof verkennt keineswegs, dass diehöheren Sozialausgaben zu einem nicht unerheblichenTeil durch entsprechende Steuererhöhungen gedeckt wer-den. Dabei ist jedoch zu beachten, dass die dadurch finan-zierten zusätzlichen Bundesleistungen an die Sozialversi-cherungsträger zur Erhöhung des Ausgabevolumensebenso beitragen wie die anderen im Bundeshaushalt ent-haltenen Ausgaben. Die hierfür eingesetzten Steuern (hö-here Umsatzsteuer, Ökosteuer) erhöhen die allgemeineSteuerlast ebenso wie andere Steuerarten. Wollte man dieeinschlägigen Finanzkennzahlen um diese „Umfinanzie-rung“ bereinigen, müsste konsequenterweise auch das alssteuerliche Mindereinnahme im Haushalt gebuchte Kin-dergeld insoweit berücksichtigt werden, als es den Cha-rakter einer Sozialleistung hat.2

Haushaltswirtschaftlich führt die zunehmende Vorabfest-legung von Steueranteilen für bestimmte – in der Regel –soziale Ausgabezwecke dazu, dass der Haushaltsgrund-satz der Gesamtdeckung, wonach alle Einnahmen grund-sätzlich als Deckungsmittel für alle Ausgaben dienen (§ 8BHO), immer stärker beeinträchtigt wird. Damit wirdletztlich einer wachsenden Versteinerung des Bundes-haushalts Vorschub geleistet.

2.2.2 Ausgaben für die Alterssicherung

2.2.2.1 Bundesleistungen an die Rentenversicherung

Die Ausgaben der gesetzlichen Rentenversicherungsind seit Beginn der 90er-Jahre ununterbrochen angestie-gen, wobei der Anstieg insbesondere seit dem Jahre 2003flacher verläuft. Ein Teil des Anstiegs hatte spezifische

2 In den Jahren 2004, 2005 entfielen rund 42 % des gezahlten Kinder-geldes auf die Familienförderung und rund 58 % auf die Freistellungdes Existenzminimums (vgl. Bundestagsdrucksache 16/84 S. 4).

Drucksache 16/XXXX – 82 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Gründe (z. B. zwischenzeitlicher Anstieg der einigungs-bedingten Erstattungen nach dem Anspruchs- und An-wartschaftsüberführungsgesetz, Beitragszahlungen desBundes für Kindererziehungszeiten). Gegenüber rund147,0 Mrd. Euro im Jahre 1992 sind die Gesamtausgabender gesetzlichen Rentenversicherung (einschließlich derAusgaben der knappschaftlichen Rentenversicherung) auffast 240,0 Mrd. Euro im Jahre 2006 angewachsen (vgl.Abbildung 4). Dies bedeutet eine Steigerung von rund93,0 Mrd. Euro oder 63 %. Mit dieser rasanten Entwick-lung haben die Beitragseinnahmen der Rentenversiche-rung nicht Schritt gehalten. Den Ausgleich hat der Bunddurch zusätzliche Leistungen übernommen. Dadurch sinddie Bundesleistungen an die Rentenversicherung drama-tisch um 153 % von rund 30,6 Mrd. Euro (1992) auf rund

77,4 Mrd. Euro (2006) gestiegen. Seit dem Haushaltsjahr2003 konnte zumindest eine Stabilisierung der Bundes-leistungen erreicht werden.

Einen Teil seiner zusätzlichen Leistungen finanziert derBund durch entsprechende Mehrwertsteuer- und Öko-steuermehreinnahmen. Mit den wachsenden Bundesleis-tungen hat sich auch der Bundesanteil an den Gesamtaus-gaben der gesetzlichen Rentenversicherung deutlicherhöht. Gegenüber 21 % im Jahre 1992 trägt der Bundes-haushalt im Jahre 2006 mit den veranschlagten rund77,4 Mrd. Euro fast ein Drittel (32,3 %) der Rentenver-sicherungsausgaben (vgl. Abbildung 4). Damit ist rechne-risch ein Drittel der ausgezahlten Renten nicht mehr bei-trags-, sondern steuer- oder kreditfinanziert.

A b b i l d u n g 4

Bundesleistungen an die Rentenversicherung und deren Gesamtausgaben1

1 Quelle: Rentenversicherungsbericht 2005, Bundestagsdrucksache 16/905.

0 %

5 %

10 %

15 %

20 %

25 %

30 %

35 %

40 %

Pro

zent

147,3

159,4

172,6

184,4191,6

196,3202,6

207,0214,0

220,5227,7

233,9 235,5 237,9 239,7 240,2

30,6

32,7 37

,6

39,2

41,2

44,2 51

,3 60,5 65

,0 69,1 72,9 77

,3

77,4

77,5

77,4

78,4

20,8 % 20,5 %21,8 % 21,2 % 21,5 %

22,5 %

25,3 %

29,2 %30,4 %

31,3 % 32,0 %33,0 % 32,9 % 32,6 % 32,3 % 32,6 %

17,7 % 17,5 %19,2 % 18,6 % 19,2 %

20,3 % 20,3 %19,5 % 19,3 % 19,1 % 19,1 % 19,5 % 19,5 % 19,5 % 19,5 % 19,9 %

1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007Jahr

0

50

100

150

200

250

Mrd

. Eur

o

Ausgaben der gesetzl. RV

Leistungen des Bundes an die RV

Prozentualer Bundesanteil an Ausgaben der gesetzlichen RVBeitragssatz in der RV der Arbeiter und Angestellten

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 83 – Drucksache 16/XXXX

Der Beitragssatz in der gesetzlichen Rentenversicherungbleibt auch im Haushaltsjahr 2006 unverändert bei19,5 %. Hierzu tragen neben den in den letzten Jahren inKraft getretenen gesetzlichen Entlastungsmaßnahmen (vgl.dazu Bemerkungen 2005, Bundestagsdrucksache 16/160Nr. 2.2.2.1) vor allem einmalige Mehreinnahmen in Höhevon rund 9,6 Mrd. Euro im Bereich der gesetzlichen Ren-tenversicherung bei; diese entstehen durch die Vorverle-gung der Fälligkeit des Gesamtsozialversicherungsbei-trags.3 Der auf die Rentenversicherung entfallende Anteilentspricht etwa dem Aufkommen von einem Beitrags-satzpunkt. Durch diese Maßnahme mit Einmaleffekt wirdauch der Bundeshaushalt 2006 entlastet, denn durch dieVerhinderung eines Anstiegs des Beitragssatzes wird einansonsten notwendig werdender Anstieg der Bundeszu-schüsse vermieden.

Mittelfristig dürfte sich die am 1. Februar 2006 beschlos-sene Anhebung der Regelaltersgrenze stabilisierend aufdie Rentenfinanzen auswirken. Dennoch erscheint dieFinanzlage der Rentenversicherung allein dadurch kei-neswegs gesichert. Ende des Jahres 2005 verzeichnete diegesetzliche Rentenversicherung ein Defizit von rund4,0 Mrd. Euro; zudem ging die so genannte Nachhaltig-keitsrücklage auf 0,11 Monatsausgaben (rund 1,8 Mrd.Euro) zurück und lag damit unterhalb des gesetzlich vor-geschriebenen Mindestwertes von 0,2 Monatsausgaben.Um die fehlende Liquidität der Rentenversicherung 2005auszugleichen, sah sich der Bund im Herbst 2005 zumzeitlichen Vorziehen von Bundeszuschüssen und einerzum Jahresende 2005 wieder zurück gezahlten Liquidi-tätshilfe in Höhe von 900 Mio. Euro veranlasst. Im Jahre2006 wird durch das genannte Vorziehen der Fälligkeitdes Gesamtsozialversicherungsbeitrages wieder eine Stei-gerung der Nachhaltigkeitsrücklage erwartet.

Diese stabilisierenden Maßnahmen können allerdingsnicht verhindern, dass der Beitragssatz nach Einschät-zung der Bundesregierung für die Jahre 2007 bis 2009 auf19,9 % steigen wird. Zur Abdeckung von Liquiditäts-lücken in der gesetzlichen Rentenversicherung könne einzusätzlicher Finanzbeitrag des Bundes im Jahre 2008 er-forderlich werden, wobei hierüber im Jahre 2007 vor demHintergrund der dann eingetretenen wirtschaftlichen Ent-wicklung zu entscheiden sein werde. Die Liquiditätshilfedes Bundes im Jahre 2005 und der mögliche zusätzlicheBeitrag im Jahre 2008 machen deutlich, dass sich aus derengen Finanzlage der Rentenversicherung4 für denBund entsprechende Haushaltsrisiken ergeben.

2.2.2.2 Maßnahmen zur Stabilisierung der Rentenfinanzen

Die Bundesleistungen an die gesetzliche Rentenversiche-rung (einschließlich der Defizitabdeckung bei der knapp-schaftlichen Rentenversicherung) sind neben den Ausgabenfür den Arbeitsmarkt die strukturelle Hauptbelastungauf der Ausgabenseite des Bundeshaushalts. Nicht zuletztaufgrund der zur Stabilisierung der Rentenfinanzendurchgeführten Reformmaßnahmen5 machen die Bundes-leistungen einen immer größer werdenden Anteil desHaushaltsvolumens aus. Während sie im Jahre 1992 nur14 % der Gesamtausgaben des Bundeshaushalts bean-spruchten, liegt ihr Anteil im Haushaltsjahr 2006 mit29,5 % mehr als doppelt so hoch. Bezogen auf die Steuer-einnahmen ist das Verhältnis noch erheblich ungünstiger,denn im Haushaltsjahr 2006 fließen Bundesleistungen inHöhe von 40 % der Steuereinnahmen des Bundes in denRentenbereich. Im Jahre 1992 waren es demgegenübernur rund 17 %.

Das Gesamtvolumen der Bundesleistungen setzt sich da-bei aus einer Reihe finanzwirksamer Zuschüsse und Bei-träge zusammen, mit denen die Rentenversicherung ent-lastet und die Rentenbeitragssätze weitgehend stabilgehalten werden sollen.6 Andererseits können Konsoli-dierungsmaßnahmen zugunsten des Bundeshaushaltsauch zu Belastungen für die Rentenversicherung führen.So werden sich die im Gesetz zur Änderung des ZweitenBuches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (sog.SGB II-Änderungsgesetz)7 enthaltene Absenkung desRentenversicherungsbeitrages für Empfänger von Ar-beitslosengeld II von 78 Euro auf 40 Euro sowie dieAbschaffung des Rentenversicherungsbeitrages für er-werbstätige Leistungsbezieher zwar zu geschätzten Minder-

3 Hierdurch fallen im Jahre 2006 einmalig rund 80 % eines monatlichenPflichtbeitrags zusätzlich an, was etwa 20,0 Mrd. Euro Mehreinnah-men für alle Sozialversicherungsträger entspricht – vgl. Gutachtendes Sozialbeirats zum Rentenversicherungsbericht 2005, Bundes-tagsdrucksache 16/905, Tz. 14–22.

4 Vgl. Gutachten des Sozialbeirats zum Rentenversicherungsbericht2005, Bundestagsdrucksache 16/905, Tz. 68.

5 In den letzten Jahren z. B. Rentenreformgesetz 1999 u. a. mit Einfüh-rung des zusätzlichen Bundeszuschusses; Gesetz zu Korrekturen inder Sozialversicherung (1999) u. a. mit Übernahme der Beiträge fürKindererziehungszeiten durch den Bund und Erstattung von eini-gungsbedingten Leistungen an die Träger der Rentenversicherung.

6 Hierzu gehören im Wesentlichen:• der Bundeszuschuss zur allgemeinen Rentenversicherung (2006:

rund 37,5 Mrd. Euro),• der Zuschuss an die knappschaftliche Rentenversicherung (2006:

rund 6,8 Mrd. Euro),• der zusätzliche Zuschuss an die allgemeine Rentenversicherung

zur Abdeckung nicht beitragsgedeckter Leistungen sowie zur Sen-kung des Beitragssatzes (2006: rund 17,5 Mrd. Euro), der seit demJahre 1998 besteht und finanziert wird– durch die Erhöhung des allgemeinen Umsatzsteuersatzes von

15 % auf 16 % ab 01.04.1998 und– aus dem Aufkommen der fünf Stufen der seit 01.04.1999 erho-

benen sog. Ökosteuer,• pauschal entrichtete Beiträge des Bundes für Kindererziehungszei-

ten (2006: rund 11,4 Mrd. Euro), die seit dem Jahre 1999 bestehen,• die Erstattung von einigungsbedingten Leistungen an die Renten-

versicherung (2006: rund 0,5 Mrd. Euro),• die Erstattung von Aufwendungen der Deutschen Rentenversiche-

rung Bund aufgrund der Überführung von Zusatzversorgungs-systemen in die Rentenversicherung in den neuen Ländern (2006:rund 2,6 Mrd. Euro, zu rund 2/3 refinanziert durch Erstattung derLänder).

7 BGBl. I S. 558–560.

Drucksache 16/XXXX – 84 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

ausgaben im Bundeshaushalt 2007 von rund 2,2 Mrd.Euro führen. Im Gegenzug wird die Rentenversicherungjedoch durch entsprechende Mindereinnahmen belastet.

Die Probleme des Bundeshaushalts im Zusammenhangmit den Leistungen an die Rentenversicherung werdensich vor dem Hintergrund einer alternden Gesellschaftmit steigender Lebenserwartung sowie niedriger Gebur-tenraten verschärfen. Eine nachhaltige Konsolidierungdieses Haushaltsbereichs muss daher durch strukturellwirkende Stabilisierungsmaßnahmen auf dem Renten-sektor angegangen werden. Die von der Bundesregierungauf den Weg gebrachten bzw. vorgesehenen Maßnahmen8

gehen insoweit in die richtige Richtung. Pauschale Aus-gabenbegrenzungen, wie z. B. die Absenkung des allge-meinen Bundeszuschusses zur Rentenversicherung um170 Mio. Euro im Jahre 2006 und um 340 Mio. Euro imJahre 2007 können aber nur einen ersten Schritt zur sub-stanziellen Konsolidierung der Rentenleistungen desBundes bedeuten. Ob diese Absenkungen wie geplantdurch die im Haushaltsbegleitgesetz 20069 enthaltene Be-grenzung der Sozialversicherungsfreiheit von Sonn-, Fei-ertags- und Nachtzuschlägen sowie die Anhebung derPauschalbeiträge für geringfügig Beschäftige von 25 %auf 30 % aufgefangen werden können, bleibt abzuwarten.

2.2.2.3 Sonstige Ausgaben für die Alterssicherung

Außer den Leistungen an die Rentenversicherung enthältder Bundeshaushalt eine Reihe weiterer Ausgaben für dieAlterssicherung.10 Dazu gehören insbesondere die Ausga-ben für

● die Alterssicherung der Landwirte (Soll 2006: rund2,35 Mrd. Euro),

● Bezüge der Versorgungsempfänger in der Bundesver-waltung einschließlich so genannte G 131-Fälle11 (Soll2006: rund 7,0 Mrd. Euro),

● die Sonderversorgungssysteme in den neuen Ländern(Soll 2006: rund 0,8 Mrd. Euro nach Abzug der Erstat-tungen der Länder),

● Bezüge der Versorgungsempfänger aus dem Bereichdes ehemaligen Sondervermögens Bahn (Soll 2006:rund 5,0 Mrd. Euro).

Im Haushalt 2006 summieren sich diese Ausgaben aufrund 15,2 Mrd. Euro. Sie bleiben damit annähernd aufdem Stand des Vorjahres.

Auch im Haushaltsjahr 2006 ist (wie im Haushaltsjahr2005) kein Bundeszuschuss zur Mitfinanzierung derPensions- und Beihilfeleistungen für die ehemaligenPostbediensteten aus dem Bereich der früheren Deut-schen Bundespost und ihrer Nachfolgeunternehmen er-forderlich. Dies wird dadurch erreicht, dass Forderungen,die der Bundes-Pensions-Service für Post und Telekom-munikation e. V. (Postbeamtenversorgungskasse) gegendie Postnachfolgeunternehmen hat, veräußert werden.Dadurch wird der Bund von seiner Leistungspflicht ge-genüber der Versorgungskasse befreit (2006: rund4,9 Mrd. Euro). Im Haushaltsjahr 2007 muss der Bund je-doch bereits wieder Leistungen erbringen, weil die Ein-nahmen aus der Veräußerung nicht mehr ausreichen, umden Finanzbedarf vollständig abzudecken. Im Haushalts-entwurf 2007 ist hierfür ein Finanzierungsanteil in Höhevon 1,3 Mrd. Euro veranschlagt. Ab dem Jahre 2008 wirdder Bund die Versorgungsleistungen alleine tragen müs-sen, da die jährlichen Zahlungen der Postnachfolgeunter-nehmen den Erwerbern der Forderungen zustehen und da-mit nicht mehr zur Mitfinanzierung bereitstehen. DieGesamtbelastung des Bundeshaushalts für die Unterstüt-zung der verschiedenen Alterssicherungssysteme wirddadurch anwachsen.

Die Aufwendungen im Bundeshaushalt 2006 für die Un-terstützung der verschiedenen Alterssicherungssystemebelaufen sich damit auf eine Größenordnung von insge-samt rund 93,0 Mrd. Euro.12 Rechnerisch werden somitfast die Hälfte (48 %) der veranschlagten Steuereinnah-men des Bundes (194,0 Mrd. Euro) für diesen Zweck auf-gebraucht – trotz der vorübergehenden Entlastung im Be-reich der Postpensionsverpflichtungen.

2.2.3 Ausgaben für den Arbeitsmarkt

Die Ausgaben für den Arbeitsmarkt fallen sowohl imBundeshaushalt als auch im Haushalt der Bundesagenturfür Arbeit an.

Im Bundeshaushalt sind die Arbeitsmarktausgaben vonrund 15,4 Mrd. Euro im Jahre 2001 auf rund 38,5 Mrd.Euro im Jahre 2006 gestiegen (vgl. Abbildung 5), wobeidie sich im laufenden Jahr abzeichnenden Mehrausgabeninsbesondere beim Arbeitslosengeld II nicht berücksich-tigt sind. Diese Entwicklung steht im Zusammenhang mitdem Inkrafttreten des Vierten Gesetzes für moderneDienstleistungen am Arbeitsmarkt (sog. Hartz IV-Gesetz). Mit Beginn des Jahres 2005 sind die Arbeitslo-senhilfe und die Sozialhilfe für Erwerbsfähige zu einerstaatlichen Fürsorgeleistung – der Grundsicherung fürArbeitsuchende mit dem so genannten Arbeitslosen-geld II – zusammengeführt worden (vgl. BemerkungNr. 3.1). Nicht zuletzt dieser Systemwechsel in der Ar-beitsmarktförderung hat die Ausgaben im Bundeshaus-halt seit dem Jahre 2005 deutlich erhöht (vgl. Abbil-dung 5).

8 Zu letzteren zählen insb. die Anhebung des Renteneintrittsalters auf67 Jahre und die Einführung eines sog. Nachholfaktors ab 2010 fürnicht realisierte Dämpfungswirkungen bei den jährlichen Renten-anpassungen.

9 BGBl. I S. 1402–1406.10 Die Alterssicherung der Landwirte zählt zu den Sozialausgaben,

während die anderen aufgeführten Versorgungsleistungen Bereichenaußerhalb der Sozialausgaben zugerechnet werden (Verwaltung,Sondervermögen, Verkehrsunternehmen).

11 Dabei handelt es sich um ehemalige Beschäftigte des öffentlichenDienstes, die nach dem Zweiten Weltkrieg nicht wieder verwendetwurden oder deren Versorgung aus anderen Gründen weggefallen war.

12 Weitere Leistungen für die Altersicherung in Milliardenhöhe werdendurch die Beitragszahlungen für Bezieher von Arbeitslosengeld I und IIerbracht.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 85 – Drucksache 16/XXXX

A b b i l d u n g 5

Ausgaben im Bundeshaushalt für den Arbeitsmarkt1

1 Der starke Anstieg ab dem Jahre 2005 beruht wesentlich auf der Zusammenführung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe

14,0

24,3

19,4 20,0

24,1

21,8 21,7 21,5

15,5 15,4

21,0

23,725,0

37,9 38,540,4

6,4 %

10,4 %

8,1 % 8,4 % 10,3 % 9,7 % 9,3 % 8,7 %

6,3 % 6,3 %8,4 % 9,2 % 9,9 %

14,6 % 14,7 % 15,1 %

1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007Jahr

Ausgaben für den Arbeitsmarkt Anteil der Arbeitsmarktausgaben an den Gesamtausgaben im Bundeshaushalt

0 %

5 %

10 %

15 %

20 %

25 %

30 %

35 %

40 %

45 %

50 %

Pro

zent

0

5

10

15

20

25

30

35

40

45

Mrd

. Eur

o.

Die im Bundeshaushalt 2006 veranschlagten Arbeits- dass der Ansatz für das Arbeitslosengeld II nicht ausrei-

marktausgaben entfallen vor allem auf die Leistungen derGrundsicherung für Arbeitsuchende. Sie setzen sich imWesentlichen aus den folgenden Ansätzen zusammen:13

● Arbeitslosengeld II (Soll 2006: 24,4 Mrd. Euro),

● Leistungen zur Eingliederung in Arbeit (Soll 2006:6,5 Mrd. Euro),

● Beteiligung an Leistungen für Unterkunft und Hei-zung (Soll 2006: 3,6 Mrd. Euro),

● Verwaltungskosten für die Durchführung der Grundsi-cherung (Soll 2006: 3,5 Mrd. Euro).

Nachdem bereits im Bundeshaushalt 2005 ein Betrag von10,4 Mrd. Euro für das Arbeitslosengeld II überplanmä-ßig bereitgestellt werden musste (vgl. BemerkungNr. 1.6.1), ist auch im Haushaltsvollzug 2006 aufgrunddes Mittelflusses im ersten Halbjahr damit zu rechnen,

chen wird.14 Zur Deckung möglicher Mehrbelastungenbeim Arbeitslosengeld II wurde im Bundeshaushalt 2006bei den Leistungen zur Eingliederung in Arbeit (Kapitel1112 Titel 685 11) ein Betrag von 1,1 Mrd. Euro qualifi-ziert gesperrt.

Den im Bundeshaushalt zu verzeichnenden erheblichenMehrbelastungen für den Arbeitsmarkt, die u. a. aufeinem stärkeren Anwachsen der Anzahl der Bedarfsge-meinschaften beruhen, soll mit einer Reihe von gesetzli-chen Maßnahmen entgegen gewirkt werden, deren Ent-lastungswirkungen sich für den Bundeshaushalt ab demJahre 2007 auf eine Größenordnung von rund 4,0 Mrd.Euro belaufen sollen. Dazu gehören insbesondere

● die Absenkung des Rentenversicherungsbeitrages fürEmpfänger von Arbeitslosengeld II von 78 Euro auf40 Euro (ab 1. Januar 2007),

13 Vgl. Einzelplan 11 (Bundesministerium für Arbeit und Soziales) Ka-pitel 1112 Titelgruppe 01.

14 Nach der Ist-Entwicklung bis Ende Juni 2006 könnten beimArbeitslosengeld II Mehrausgaben in der Größenordnung von rund2,5 Mrd. Euro anfallen (vgl. Monatsbericht des BMF, Juli 2006, Ka-pitel: Finanzwirtschaftliche Lage, S. 12).

Drucksache 16/XXXX – 86 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

● die Abschaffung des Rentenversicherungsbeitrages fürerwerbstätige Leistungsbezieher (ab 1. Januar 2007),

● die Einbeziehung unter 25jähriger in die Bedarfge-meinschaft bei Neufällen und Weiterbildungen (ab1. Juli 2006),

● die Einschränkung des Erstwohnungsbezugs unter25jähriger bei Neufällen (ab 1. April 2006),

● eine konsequente Bekämpfung von Leistungsmiss-brauch.

Im Haushalt der Bundesagentur für Arbeit sinken dieAusgaben von rund 52,6 Mrd. Euro im Jahre 2001 aufveranschlagte rund 50,0 Mrd. Euro im Jahre 2006. Vor al-lem durch die einmaligen Mehreinnahmen von rund3,1 Mrd. Euro aufgrund des vorgezogenen Fälligkeitster-mins des Gesamtsozialversicherungsbeitrags (vgl.Nr. 2.2.2.1), die verkürzte Bezugsdauer für das Arbeitslo-sengeld I15 sowie eine günstigere Entwicklung am Ar-beitsmarkt wird die Bundesagentur im Haushaltsjahr2006 einen Überschuss erzielen. Im Bundeshaushalt 2006ist daher kein Bundeszuschuss an die Bundesagenturfür Arbeit mehr veranschlagt. Ab dem Haushaltsjahr2007 wird ein etwaiger Liquiditätsbedarf der Bundes-agentur ausschließlich durch zinslose Darlehen des Bun-des ausgeglichen, die zurückzuzahlen sind, sobald dieEinnahmen der Bundesagentur ihre Ausgaben übersteigen.

Neben dem Wegfall des Bundeszuschusses stehen den ge-nannten Mehrausgaben für die Grundsicherung für Ar-beitssuchende folgende Entlastungen des Bundeshaus-halts im Vergleich zur Rechtslage vor dem Jahre 2005gegenüber:

● Da ab dem Jahre 2005 für Empfänger von staatlichenTransferleistungen (insbesondere von Arbeitslosen-geld II) die angemessenen Unterkunftskosten im Rah-men der jeweiligen Transferleistung berücksichtigtwerden, entstehen beim Wohngeld Minderausgaben.Die Ausgaben hierfür gehen von rund 3,0 Mrd. Euroim Haushaltsjahr 2004 auf rund 1,0 Mrd. Euro imHaushaltsjahr 2006 zurück.

● Die Bundesagentur für Arbeit zahlt an den Bund fürjeden Arbeitslosengeldempfänger, der in das Arbeits-losengeld II wechselt, einen so genannten Aussteue-rungsbetrag. Im Haushaltsjahr 2005 vereinnahmteder Bundeshaushalt daraus rund 4,6 Mrd. Euro. ImBundeshaushalt 2006 sind 4,0 Mrd. Euro veran-schlagt, da aufgrund einer günstigen Entwicklung beiden Kurzzeitarbeitslosen mit weniger Übergängen ausdem Arbeitslosengeld I in das Arbeitslosengeld II ge-rechnet wird. Im Haushaltsentwurf 2007 ist wieder einhöherer Aussteuerungsbetrag (5,1 Mrd. Euro) vorge-sehen, da die Bundesagentur für Arbeit dann auchAusgleichszahlungen an den Bundeshaushalt für Be-zieher von Arbeitslosengeld I leisten soll, die ergän-zend Arbeitslosengeld II erhalten.

Vergleicht man die Arbeitsmarktausgaben des Haushalts2004 (als letztem Haushalt vor der Arbeitsmarktreform)und des Haushalts 2006, so ergibt sich danach per saldoeine erhebliche Mehrbelastung für den Bundeshaushalt.Den im Haushalt 2006 veranschlagten Arbeitsmarktaus-gaben von insgesamt rund 38,7 Mrd. Euro stehen Entlas-tungen beim Wohngeld und durch den Aussteuerungsbe-trag von insgesamt rund 6,0 Mrd. Euro gegenüber.Gegenüber den Arbeitsmarktausgaben des Bundes imHaushalt 2004 von rund 25,0 Mrd. Euro belaufen sich da-mit die Mehrbelastungen auf eine Größenordnung von7,7 Mrd. Euro. Selbst bei Berücksichtigung der demHaushaltsentwurf 2007 zugrunde gelegten Entlastungendes Bundes beim Arbeitslosengeld II, bei den Kosten fürUnterkunft und Heizung sowie beim Aussteuerungsbe-trag wird der Gesamtaufwand des Bundes immer nochüber dem Haushaltsergebnis 2004 liegen.

Finanzwirtschaftlich gesehen wird der Bundeshaushaltdurch die Arbeitsmarktreformen zumindest bislang inerheblichem Umfang zusätzlich belastet, da er Ausgabender Länder und Gemeinden – als frühere Träger derSozialhilfe – übernommen hat. Ob die Gesamtwirkungendes Reformpakets durch die bereits umgesetzten sowiedie noch vorgesehenen Maßnahmen zumindest mittelfris-tig auch zu einer nachhaltigen finanziellen Entlastung desBundeshaushalts führen, bleibt abzuwarten.

Der Bundesrechnungshof hat bereits mehrfach daraufhingewiesen, dass die Haushaltsmittel für den Arbeits-markt in den letzten Jahren zum Teil deutlich zu geringveranschlagt waren (vgl. zuletzt Bemerkungen 2005,a. a. O., Nr. 2.2.3, Tabelle 2). Dieser Trend ist auch beidem an die Stelle der früheren Arbeitslosenhilfe getrete-nen Arbeitslosengeld II zu beobachten. Wie bereits darge-legt ist nach den hohen überplanmäßigen Ausgaben imJahre 2005 aufgrund des bisherigen Mittelabflusses auchin diesem Jahr von einem erheblichen Mehrbedarf auszu-gehen. Unter diesen Vorzeichen erscheint die geplanteReduzierung des Ansatzes für das Arbeitslosengeld II imHaushaltsentwurf 2007 auf 21,4 Mrd. Euro nicht ohne Ri-siko, auch wenn die o. a. Konsolidierungsmaßnahmen zueinem Ausgabenrückgang beitragen werden. Ein weiteresHaushaltsrisiko könnte mit der vorgesehenen Absenkungder Bundesbeteiligung an Leistungen für Unterkunftund Heizung von 3,6 Mrd. Euro auf 2,0 Mrd. Euro ver-bunden sein, da die dafür erforderliche gesetzliche Rege-lung ohne Zustimmung der Länder und Gemeinden nichtdurchzusetzen sein dürfte.

Weitere zumindest mittelbare Risiken für den Bundes-haushalt 2007 können aus der Absenkung des Arbeits-losenversicherungsbeitrages um zwei Prozentpunkteauf 4,5 % entstehen. Die Bundesagentur für Arbeit erhältzur finanziellen Unterstützung dieser Maßnahme ab demHaushaltsjahr 2007 das Aufkommen aus einem Umsatz-steuerpunkt aus dem Bundeshaushalt. Nach den Schät-zungen belaufen sich die Einnahmen hieraus auf rund6,5 Mrd. Euro im Jahre 2007, 7,6 Mrd. Euro im Jahre2008, 7,8 Mrd. Euro im Jahre 2009 und 7,9 Mrd. Euro imJahre 2010. Diese Beträge decken die Senkung nur etwazur Hälfte ab. Die andere Hälfte der Absenkung muss im

15 Vgl. Gesetzentwurf zu Reformen am Arbeitsmarkt, Bundestags-drucksache 15/1204, S. 3.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 87 – Drucksache 16/XXXX

Bereich der Bundesagentur für Arbeit finanziert werden.Die dadurch und durch den erhöhten Aussteuerungsbe-trag sich ergebenden Mehrbelastungen müssen zunächsterwirtschaftet werden. Ansonsten müsste der Bund an dieBundesagentur Darlehen zur Liquiditätssicherung ausrei-chen.

2.2.4 Zinsausgaben

Die Zinsausgaben des Bundes haben sich nach den So-zialausgaben zum zweitgrößten Ausgabenblock im Bun-deshaushalt entwickelt. Ursache für die hohe Zinslast istder starke Anstieg der Verschuldung des Bundes sowieder Sondervermögen des Bundes in der ersten Hälfte der90er-Jahre (vgl. Nr. 2.5, Abbildung 12).

Im Jahre 1999 hat der Bund die Sondervermögen Erblas-tentilgungsfonds, Bundeseisenbahnvermögen und Aus-gleichsfonds zur Sicherung des Steinkohleneinsatzes ineiner Größenordnung von rund 200,0 Mrd. Euro im Wege

der Schuldübernahme in die Bundesschuld einbezogen.Seitdem sind die Zinszahlungen auf die Bundesschulddeutlich gestiegen, während sich die Zinserstattungen anSondervermögen entsprechend vermindert haben. Nach-dem der Bund zu Beginn des Jahres 2005 auch die Ver-bindlichkeiten des Sondervermögens Fonds „DeutscheEinheit“ übernommen hat, enthält der Haushalt keineZinserstattungen mehr für die Sondervermögen.

Die finanzwirtschaftlich ungünstigen Auswirkungen desandauernden Schuldenaufbaus sind an der Entwicklungder Zinslast im Bundeshaushalt ablesbar (vgl. Abbil-dung 6). So spielten die Zinsausgaben vor 30 Jahren imBundeshaushalt kaum eine Rolle. Sie lagen im Jahre 1975bei rund 2,7 Mrd. Euro und machten damit einen Anteilvon nur 3,4 % des damaligen Haushaltsvolumens aus.Der über Jahrzehnte anhaltende Schuldenzuwachs hat dieZinsausgaben im Haushalt 2006 auf rund 37,6 Mrd. Euround ihren Anteil am Haushaltsvolumen auf 14,4 % stei-gen lassen.

A b b i l d u n g 6

Entwicklung der Zinsausgaben und Investitionsausgaben

2,7

7,2

14,9 16

,4 17,5

21,3

27,6

27,4

32,9

40,2

40,3

40,4

40,9

41,1

39,9

38,3

37,4

37,0

36,5 37

,4

37,6 39

,3

13,1

16,1 17

,1 18,5 20

,1

31,5 33

,7

33,3

31,3

34,0

31,2

28,8

29,2

28,6

28,1

27,3

24,1

22,4

22,9

23,2

23,525

,7

1975 1980 1985 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007Jahr

Zinslasten Investitionen

10

15

20

25

30

35

40

45

50

Mrd

. Eur

o

0

5

Drucksache 16/XXXX – 88 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Nachdem die Zinsausgaben Ende der 90er-Jahre mit41,1 Mrd. Euro ihren vorläufigen Höchststand erreichten,gingen sie im Zeitraum 1999 bis 2004 bis auf 36,5 Mrd.Euro zurück. Dies lag insbesondere am Rückgang der Ka-pitalmarktzinsen, der zu einem im Langzeitvergleichniedrigen Zinsniveau geführt hat. Zum anderen wirktesich positiv aus, dass die Einnahmen aus der Versteige-rung der Mobilfunklizenzen (rund 50,8 Mrd. Euro) in denJahren 2000 und 2001 in vollem Umfang zur Schuldentil-gung eingesetzt wurden. Aufgrund der hohen jährlichenNeukredite und des tendenziell wieder ansteigenden Zins-niveaus (vier Zinserhöhungen der Europäischen Zentral-bank von Dezember 2005 bis August 2006 um jeweils0,25 %16) ist allerdings für die kommenden Haushalte miteinem Anstieg der Zinslast zu rechnen.

Der Bundesrechnungshof hat bereits vor Jahren aufge-zeigt, dass das Ziel der Kreditaufnahme, zusätzlicheHandlungsspielräume für die Haushaltsführung zu gewin-nen, durch die fortwährende Aufnahme neuer Kreditelangfristig nicht erreicht wurde (vgl. Bemerkungen 2003,Bundestagsdrucksache 15/2020 Nr. 2.5.2). Vielmehr ha-ben die kumulierten Zinsausgaben die Freiräume, diedurch die Kreditaufnahmen gewonnen wurden, fast voll-ständig wieder aufgezehrt und damit letztlich maßgeblichzur Verschlechterung der Ausgabenstruktur im Bundes-haushalt beigetragen. Rechnerisch reicht die im Haushalt2006 veranschlagte Nettokreditaufnahme von rund38,2 Mrd. Euro gerade aus, um die Zinsausgaben vonrund 37,6 Mrd. Euro abzudecken.

Die strukturelle Verschlechterung lässt sich auch am Ver-hältnis von Investitionsausgaben und Zinsausgabenablesen, das sich insbesondere seit dem Jahre 1994 starkzulasten der Investitionen verschlechtert hat (vgl. Abbil-dung 6). Bis zum Jahre 1993 lagen die Investitionsausga-ben noch deutlich über den Zinsausgaben. Seitdem hatsich das Verhältnis umgekehrt. Im Bundeshaushalt 2006übertrifft die Zinslast die investiven Ausgaben um rund14,4 Mrd. Euro (62 %), im Haushaltsentwurf des Jahres2007 sogar um 15,8 Mrd. Euro (67 %).

Diese sich auch im Finanzplanungszeitraum bis zumJahre 2010 fortsetzende Entwicklung ist sichtbares Zei-chen für die Verschuldungsfalle, in die der Bund durch

die jahrzehntelange fortwährende Aufnahme immer neuerKredite zur Haushaltsfinanzierung geraten ist. Der hoheSchuldenstand und die daraus folgenden Zinsbelastungeneinerseits sowie die jährliche Nettokreditaufnahme ande-rerseits treiben sich seit Jahren wie in einer Aufwärts-spirale gegenseitig hoch. Mit wachsender Gesamtver-schuldung und steigender Zinslast wachsen damit auchdie Vorbelastungen künftiger Haushalte.

2.3 Einnahmenentwicklung und -struktur

2.3.1 Entwicklung der Steuereinnahmen

Die im Bundeshaushalt 2006 veranschlagten Steuerein-nahmen von 194,0 Mrd. Euro liegen zwar um rund 2 %über denen des Jahres 2005, aber immer noch um 2,4 %unter den Einnahmen des Jahres 2000 (vgl. Abbildung 7).Der im Zeitraum 2000 bis 2004 zu verzeichnende Rück-gang der Steuereinnahmen um rund 12,0 Mrd. Euro istbislang nur teilweise ausgeglichen worden.

Im Haushaltsjahr 2007 soll das Steueraufkommen desBundes allerdings deutlich um rund 20,5 Mrd. Euro oder10,6 % ansteigen – hauptsächlich bedingt durch Steuer-mehreinnahmen, die mit verschiedenen bereits verab-schiedeten oder noch zu beschließenden steuerlichenRegelungen (u. a. Haushaltsbegleitgesetz 2006, Steuer-änderungsgesetz 2007, Biokraftstoffquotengesetz) ver-bunden sind (vgl. Tabelle 4).

Nachdem zwischen Mai 2001 und Mai 2005 die Steuer-einnahmeerwartungen jeweils nach unten korrigiert wer-den mussten, ergab die Steuerschätzung vom 8. Mai2006 bis 11. Mai 2006, dass ab dem Jahre 2006 vor allemBund und Länder wieder mit – gegenüber vorangegange-nen Prognosen – steigenden Steuereinnahmen rechnenkönnen. Ab dem Jahre 2007 kommt es aufgrund einerReihe von Steuerrechtsänderungen zu deutlichen Mehr-einnahmen gegenüber der Steuerschätzung vom Mai2005. Das Steueraufkommen aller Gebietskörperschaftenwird 2007 um rund 22,3 Mrd. Euro, 2008 um rund19,6 Mrd. Euro und 2009 um rund 20,2 Mrd. Euro höhergeschätzt. Dabei hat der Arbeitskreis „Steuerschätzun-gen“ – entgegen seiner bisherigen Verfahrensweise – diezum Schätzzeitpunkt noch nicht verabschiedeten Erhö-hungen der Umsatzsteuer und Versicherungsteuer (Haus-haltsbegleitgesetz 2006) bereits berücksichtigt, um dieKonsistenz mit den der Schätzung zu Grunde gelegten ge-samtwirtschaftlichen Annahmen zu gewährleisten.

16 Im Zeitraum von Dezember 2005 bis August 2006 erhöhte die EZBden Mindestbietungssatz für die Hauptrefinanzierungsgeschäfte desEurosystems um insgesamt 100 Basispunkte von 2,0 % auf 3,0 %.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 89 – Drucksache 16/XXXX

A b b i l d u n g 7

Entwicklung der Steuereinnahmen

105,

5

126,

3

132,

3

162,

5

180,

4

182,

0 193,

7

187,

2

173,

0

169,

3

174,

6

192,

4

198,

8

193,

8

192,

0

191,

9

187,

0

190,

1

194,

0

214,

5

218,

2

226,

0

231,

1

Finanzplan

0

50

100

150

200

250

Mrd

. Eur

o

1985 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010

Jahr

Die im neuen Finanzplan des Bundes für den Zeitraum nicht einbezogen hatte, wurden berücksichtigt (für

bis 2010 veranschlagten Steuereinnahmen (vgl. Abbil-dung 7) gehen noch über die Ergebnisse der Steuerschät-zung hinaus. Dies ist auf folgende Faktoren zurückzufüh-ren:

● Die erwarteten finanziellen Auswirkungen steuerrecht-licher Änderungen wie vor allem des Steueränderungs-gesetzes 2007, von Teilen des Haushaltsbegleitgesetzes200617 sowie des so genannten Biokraftstoffquotenge-setzes, die der Arbeitskreis „Steuerschätzungen“ noch

2007: insgesamt rund 2,3 Mrd. Euro).

● Zusätzliche Steuereinnahmen wurden eingeplant mitHinweis auf die im ersten Halbjahr 2006 relativ güns-tige Steuerentwicklung (für 2007: 2,0 Mrd. Euro).

Für die finanziellen Auswirkungen der Unternehmens-steuerreform, die Anfang 2008 in Kraft treten soll, ist imFinanzplan Vorsorge getroffen durch eine Einnahmemin-derung in Höhe von 4,0 Mrd. Euro im Jahre 2008 mit ab-nehmenden Vorsorgebeträgen in den Folgejahren.

Per saldo ergeben die Abweichungen gegenüber der Steu-erschätzung einen deutlichen Anstieg der geplanten Steu-ereinnahmen im Haushaltsentwurf 2007 und im Finanz-plan bis 2010 (vgl. Tabelle 2).

17 Umfasst insbesondere die Neufestsetzung und den Verzicht auf eineweitere Dynamisierung der Steuerzuweisungen an die Länder nachdem Regionalisierungsgesetz.

Drucksache 16/XXXX – 90 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Ta b e l l e 2

Steuereinnahmenentwicklung im Vergleich zur Steuerschätzung vom Mai 2006

1 Gegenüber dem Ergebnis der Steuerschätzung vom Mai 2005. Berücksichtigt sind insbesondere das Gesetz zum Einstieg in ein steuerliches So-fortprogramm, das Gesetz zur Beschränkung der Verlustberechnung im Zusammenhang mit Steuerstundungsmodellen, das Gesetz zur Abschaf-fung der Eigenheimzulage, sowie Teile des Haushaltsbegleitgesetzes 2006 (mit der Anhebung des Umsatzsteuernormalsatzes und des Versiche-rungsteuerregelsatzes um jeweils 3 Prozentpunkte).

2 Saldo der im Finanzplan veranschlagten Steuermehr- und -mindereinnahmen gegenüber dem Ergebnis der Steuerschätzung vom 11. Mai 2006.Berücksichtigt sind Mehreinnahmen insbesondere aufgrund des Steueränderungsgesetzes, der Neuregelung der Besteuerung von Biokraftstoffen(Biokraftstoffquotengesetz) sowie der im 1. Halbjahr 2006 zu verzeichnenden günstigen Entwicklung der Steuereinnahmen; ab 2008 sind Min-dereinnahmen für die vorgesehene Unternehmenssteuerreform eingeplant.

2007 2008 2009 2010

Mrd. Euro

Ergebnisse der Steuerschätzung vom Mai 2006 210,2 216,3 222,7 227,8

Darin enthalten:Geschätzte Mehreinnahmen auf-grund von Steuerrechtsänderungen1 14,4 17,4 18,7 .

Haushaltsentwurf 2007 und Finanz-plan bis 2010:Geplante Mehreinnahmen gegenüber Steuerschätzung per saldo2 4,3 1,9 3,3 3,3

Veranschlagte Steuereinnahmen 214,5 218,2 226,0 231,1

Vergleicht man den neuen Finanzplan 2006 bis 2010 mit derholt empfohlen hat (vgl. Bemerkungen 2004, Bundes-

den vorangegangenen Finanzplänen, so ist erstmals seitlangem wieder eine gewisse Kontinuität bei der Fort-schreibung der erwarteten Steuereinnahmen festzustellen(vgl. Abbildung 8). So werden die für das Haushaltsjahr2007 veranschlagten Steuereinnahmen in etwa die Grö-ßenordnung erreichen, die in den Finanzplänen der Vor-jahre erwartet worden war. Diese Beobachtung trifft auchfür die nachfolgenden Haushaltsjahre zu. Die jahrelangezu hohe Schätzung der Steuereinnahmen scheint sich da-nach nicht fortzusetzen.

Allerdings unterliegt die Einnahmeplanung der Erwar-tung der Bundesregierung, dass die Steuereinnahmenstärker ansteigen werden als vom Arbeitskreis „Steuer-schätzungen“ prognostiziert. Damit weicht die Bundesre-gierung erstmals von ihrer bisherigen Verfahrensweiseab, die Ergebnisse der Steuerschätzung grundsätzlich– d. h. von aktuellen Steuerrechtsänderungen abgesehen –unverändert in ihre Haushalts- und Finanzplanung zuübernehmen. Nach Einschätzung des Bundesrechnungs-hofes ist keineswegs sicher, dass die Steuereinnahmensich in den nächsten Jahren tatsächlich gegenüber demErgebnis der Steuerschätzung deutlich günstiger entwi-ckeln werden. Angesichts der in den letzten Jahren immerwieder zu verzeichnenden Steuereinbrüche wäre ehereine vorsichtige Veranschlagung der Steuereinnahmenangezeigt gewesen, wie sie der Bundesrechnungshof wie-

tagsdrucksache 15/4200 Nr. 2.3.2).

Das Bundesministerium hat hierzu ausgeführt, der Ansatzder Steuereinnahmen im Haushaltsentwurf 2007 sei vor-sichtig nach oben angepasst worden, um die erwartetenSteuereinnahmen realitätsnah abbilden zu können. In-folge der unerwartet guten Entwicklung der Unterneh-mensgewinne und der Auswirkungen des komplexen Zu-sammenspiels der zahlreichen zu berücksichtigendenSteuerrechtsänderungen hätten sich die sehr vorsichtiggewählten Ansätze der Steuerschätzung als zu niedrig er-wiesen. Nach dem Ergebnis der nächsten Steuerschätzung(November 2006) werde dem Parlament für die Beratun-gen des Haushalts 2007 wie üblich ein Vorschlag für dieAnpassung der Steuereinnahmenansätze unterbreitet.

Der Bundesrechnungshof nimmt zur Kenntnis, dass dasBundesministerium die derzeit günstige Entwicklung derSteuereinnahmen zum Anlass genommen hat, die Pla-nungsansätze für den Haushaltsentwurf 2007 und denFinanzplan bis 2010 gegenüber dem Ergebnis der Steuer-schätzung vom Mai 2006 anzuheben. Er erwartet aller-dings, dass künftig auch Abschläge bei der Planung vor-genommen werden, wenn sich die Steuereinnahmen– wie dies in den Jahren seit 1995 häufig der Fall war(vgl. Bemerkungen 2005, Bundestagsdrucksache 16/160Nr. 2.3.1) – gegenüber den Annahmen des Arbeitskreises„Steuerschätzungen“ ungünstiger entwickeln.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91 – Drucksache 16/XXXX

A b b i l d u n g 8

Abweichungen bei den geplanten Steuereinnahmen19

2,5

210,

3

216,

8

194,

0

212,

3 221,

1 228,

2

210,

2

216,

3

222,

7

227,

8

214,

5

218,

2 226,

0

231,

1

193,

9

2006 2007 2008 2009 2010Jahr

Haushaltsentwurf 2006; Finanzplan bis 2008

Haushaltssoll 2006; Finanzplan bis 2009

Mai-Steuerschätzung für 2006 bis 2009

Haushaltsentwurf 2007; Finanzplan bis 2010

100,0

150,0

200,0

250,0

Mrd

. Eur

o

2.3.2 Abkoppelung der Steuereinnahmen des 3,7 Mrd. Euro im Jahre 1994, also rund 11,0 Mrd.

Bundes vom Gesamtsteueraufkommen

Trotz wieder anziehender Steuereinnahmen wird derBund im Haushaltsjahr 2006 mit veranschlagten194,0 Mrd. Euro gerade einmal das Steueraufkommendes Jahres 1994 (193,8 Mrd. Euro) erreichen. Im gleichenZeitraum steigt das steuerliche Gesamtaufkommen inDeutschland um rund 63,5 Mrd. Euro oder rund 15,8 %(von 402,0 Mrd. Euro in 1994 auf 465,5 Mrd. Euro in2006). Die Steuereinnahmen des Bundes haben sich vonder Gesamtentwicklung des Steueraufkommens offenbarzunehmend entkoppelt. Der Hauptgrund für diese be-denkliche Entwicklung liegt in einer Reihe haushalts-wirksamer Maßnahmen, die die Steuereinnahmenbasisdes Bundeshaushalts nachhaltig verringert haben:

● Im Rahmen des im Jahre 1995 neu geregelten bundes-staatlichen Finanzausgleichs hat der Bund zugunstender Länder seinen Anteil an der Umsatzsteuer um sie-ben Prozentpunkte verringert. Das entspricht Minder-einnahmen im Bundeshaushalt 2006 von rund10,0 Mrd. Euro.

● Ebenfalls im Jahre 1995 wurden die im Rahmen desvertikalen Finanzausgleichs geleisteten Bundes-ergänzungszuweisungen an finanzschwache Länderdeutlich aufgestockt. Im Bundeshaushalt 2006 erhal-ten die Länder aus dem Steueraufkommen des Bundesinsgesamt rund 14,7 Mrd. Euro gegenüber rund

Euro mehr.

● Das Kindergeld wird seit der Reform des Familien-leistungsausgleichs im Jahre 1996 nach den Regelun-gen des Einkommensteuerrechts als Abzug von derSteuerschuld ausgezahlt. Nach mehrfacher Erhöhungbelaufen sich die Kindergeldleistungen im Jahre 2006auf rund 35,0 Mrd. Euro (gegenüber rund 10,9 Mrd.Euro im Jahre 1995). Auf den Bundeshaushalt 2006entfallen hiervon entsprechend seinem Anteil an derEinkommensteuer (42,5 %) rund 14,9 Mrd. Euro Steu-ermindereinnahmen.

● Zur Kompensation der Mehrbelastungen der Länderaufgrund der Umstellung und der Verbesserungenbeim Familienleistungsausgleich ist der Länderanteilan der Umsatzsteuer zulasten des Bundes seit demJahre 1996 mehrmals erhöht worden.18 Im Bundes-haushalt 2006 entspricht dies einem Betrag von rund9,0 Mrd. Euro.

18 Vgl. § 1 Sätze 4 bis 9 Finanzausgleichsgesetz; Umsatzsteuervertei-lung 2006: Vorab-Abzug i. H. v. 5,63 % zugunsten des Bundes sowievom Rest 2,2 % zugunsten der Gemeinden; Umsatzsteueranteile vomRest: Bund bei 49,6 % abzüglich Festbetrag, Länder bei 50,4 % zu-züglich Festbetrag. Aufteilung entspricht rechnerisch einem Bundes-anteil am gesamten Umsatzsteueraufkommen von rund 53,1 % (Län-der: rund 44,8 %; Gemeinden rund 2,1 %).

Drucksache 16/XXXX – 92 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

● Im Rahmen der Bahnreform erhalten die Länder vomBund seit dem Jahre 1995 einen Anteil aus dem Mine-ralölsteueraufkommen als finanziellen Ausgleich fürdie Regionalisierung des Schienenpersonennahver-kehrs. Die Einnahmeminderung des Bundes hierausbeträgt im Jahre 2006 rund 7,2 Mrd. Euro.19

Die steuerlichen Mindereinnahmen im Zusammenhangmit diesen Reformmaßnahmen erreichen im Bundeshaus-halt 2006 somit einen Betrag in der Größenordnung voninsgesamt rund 52,0 Mrd. Euro. Dem stehen zwar auchsteuerliche Mehreinnahmen vor allem durch den imJahre 1995 eingeführten Solidaritätszuschlag (2006: rund10,5 Mrd. Euro) sowie durch Entlastungen auf der Aus-gabenseite gegenüber (insbesondere bei dem bis ein-schließlich des Bundeshaushalts 1995 auf der Ausgaben-seite gebuchten Kindergeld, bei den Ausgaben für dieehemaligen Sondervermögen Deutsche Bundesbahn undDeutsche Reichsbahn sowie beim Fonds „Deutsche Ein-heit“). Diese Steuermehreinnahmen und Minderausgabenreichen aber bei weitem nicht aus, den Rückgang derSteuereinnahmen aufgrund der beschriebenen systemati-schen und strukturellen Veränderungen auszugleichen.Per saldo entstehen dem Bundeshaushalt erhebliche jähr-liche Zusatzbelastungen.

2.3.3 Entwicklung der Steuerquoten

Die in den letzten Jahren zu beobachtende Erosion derSteuereinnahmen für alle Gebietskörperschaften und ins-

besondere für den Bundeshaushalt lässt sich auch anhandder Entwicklung des Steueraufkommens in Relation zurgesamtwirtschaftlichen Entwicklung ablesen. Die volks-wirtschaftliche Steuerquote – also das Verhältnis derkassenmäßigen Steuereinnahmen zum Bruttoinlandspro-dukt – ist (als Teil der Gesamtabgabenbelastung) insbe-sondere seit dem Jahre 2000 von 22,7 % auf 20,3 % imJahre 2006 zurückgegangen (vgl. Abbildung 9). Seit demHaushaltsjahr 2004 ist eine gewisse Stabilisierung aufniedrigem Niveau zu verzeichnen.

Trotz eines leichten Anstiegs gegenüber dem Vorjahrwird die Steuerquote des Bundes im Haushaltsjahr 2006(8,5 %) um 1,1 Prozentpunkte geringer sein als im Jahre2000 (9,6 %); dies entspricht einem Rückgang gegenüberder Quote des Jahres 2000 von rund 11,5 %. Demgegen-über geht die Ausgabenquote – also der Anteil der Aus-gaben bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt – in diesemZeitraum nur um 0,4 Prozentpunkte zurück (2000:11,8 %; 2006: 11,4 %). Bezogen auf das Bruttoinlands-produkt entwickelten sich somit die Steuereinnahmen un-günstiger als die Gesamtausgaben. Die sich daraus erge-benden Finanzierungslücken werden – wie in den letztenHaushaltsjahren – im Wesentlichen durch Vermögens-veräußerungen und eine hohe Nettokreditaufnahme aus-geglichen. Im Haushaltsjahr 2007 ist allerdings auf-grund der erheblichen steuerlichen Mehreinnahmen (vgl.Nr. 2.3.1) auch mit einem merklichen Anstieg der Steuer-quote sowohl bei den Gebietskörperschaften insgesamtals auch beim Bund zu rechnen. Zum Ende des Finanz-planungszeitraums (2010) wird die Steuerquote nachPrognosen des Arbeitskreises „Steuerschätzungen“ beietwa 21,2 % liegen. Hierbei sind die Mehreinnahmenaufgrund der zum Zeitpunkt der Steuerschätzung (Mai2006) noch nicht in Kraft getretenen Steuergesetze (ins-besondere Steueränderungsgesetz 2007) noch nicht be-rücksichtigt.

19 Dies entspricht einem Anteil von 18,3 % am veranschlagten Mineral-ölsteueraufkommen 2006 (rund 39,3 Mrd. Euro). Nach Artikel 13 desHaushaltsbegleitgesetzes 2006 werden die Regionalisierungsmittelgegenüber der bisherigen Gesetzeslage im Zeitraum 2006 bis 2009um insgesamt rund 2,3 Mrd. Euro abgesenkt. Die Länder sollen alsKompensation für die Absenkung einen Betrag von 500 Mio. Euroerhalten.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 93 – Drucksache 16/XXXX

A b b i l d u n g 9

Steuerquoten aller Gebietskörperschaften und des Bundes1

1 In der Abgrenzung der Finanzstatistik – Die Steuerquote in Abgrenzung der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (VGR) lag teilweise umbis zu zwei Prozentpunkte höher, da einige steuerliche Abzüge wie z. B. das Kindergeld und die Eigenheimzulage in den VGR nicht als Steuer-mindereinnahmen, sondern als Staatsausgaben (Transferleistungen) gelten.2006 und 2007: Schätzungen.

Steuerquote Öffentlicher Gesamthaushalt Steuerquote Bund

0

5

10

15

20

25

30

Pro

zent

vom

BIP

24,3 23,4

22,1 22,5 21,8 21,3 21,7

22,5 22,7

21,1 20,6 20,4 20,0 20,1 20,3 21,1

11,0 10,6 10,19,2 8,8 8,9

9,6 9,6 9,2 9,0 8,9 8,4 8,5 8,5 9,2

11,8

1980 1985 1991 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007Jahr

2.3.4 Vertikaler Finanzausgleich (Bundes- ausgleichs.20 In den Haushaltsjahren 2006 und 2007 ent-

ergänzungszuweisungen)

Die Bundesergänzungszuweisungen (BEZ) haben vorallem seit der Neuordnung des bundesstaatlichen Finanz-ausgleichs ab dem Jahre 1995 erhebliche finanzielleGrößenordnungen erreicht. Aufgrund der Anschlussrege-lungen im Rahmen des Solidarpaktfortführungsgesetzesab dem Jahre 2005 werden die Zuweisungen auf hohemNiveau fortgeführt. Im Bundeshaushalt werden die Zu-weisungen als negative Einnahmen bei Kapitel 6001 Ti-tel 016 12 veranschlagt und vermindern das zur Haus-haltsfinanzierung einsetzbare Steueraufkommen desBundes entsprechend. Der Bundesrechnungshof hat sichin seinen Bemerkungen 2000 und 2002 eingehend mitder Entwicklung der BEZ befasst (vgl. Bundestagsdruck-sache 14/4226 Nr. 2.4 und Bundestagsdrucksache 15/60Nr. 2.4.2).

Die Ergänzungszuweisungen des Bundes betragen mitrund 14,7 Mrd. Euro im Jahre 2006 mehr als das Dop-pelte des Finanzvolumens des horizontalen Länderfinanz-

fallen jeweils rund 94 % der BEZ auf die neuen Länderund Berlin (vgl. Abbildung 10). Die Ergänzungszuwei-sungen umfassen auch weitere Sonderbedarfs-BEZ we-gen struktureller Arbeitslosigkeit von jeweils 1,0 Mrd. Euroan die neuen Länder (ohne Berlin) im Zeitraum 2005 bis2009. Sie sollen die aufgrund der vergleichsweise hohenLangzeitarbeitslosigkeit in den neuen Ländern entstehen-den überproportionalen Lasten im Zusammenhang mitder Zusammenführung von Arbeitslosenhilfe und Sozial-hilfe für Erwerbsfähige abdecken. Diese Leistungen hatder Bund gegenüber den neuen Ländern im Zuge des Ge-setzgebungsverfahrens zum Vierten Gesetz für moderneDienstleistungen am Arbeitsmarkt („Hartz IV“) zugestan-den. Hierfür erhält der Bund einen entsprechend erhöhtenAnteil am Umsatzsteueraufkommen in Form eines Fest-betrags von jährlich 1,0 Mrd. Euro.21

20 Das Volumen dürfte im Jahr 2006 etwa in der Größenordnung desVorjahres (rund 6,9 Mrd. Euro) liegen.

21 Vgl. § 11 Abs. 3a i. V. m. § 1 Satz 3 Finanzausgleichsgesetz geändertdurch Artikel 30 des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen amArbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 (BGBl. I 2003, S. 2954, 2990)

Drucksache 16/XXXX – 94 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

A b b i l d u n g 10

Volumen und Aufteilung der Bundesergänzungszuweisungen auf alte und neue Länder

3,5 3,5 3,5 3,7 3,7 3,8 3,2 3,0 2,5 2,20,8 0,8 0,8

9,4 9,4 9,4 9,4 9,5 9,69,4

12,812,7 12,9

13,8 13,7 13,6

3,7

1,4

BEZ Neue Länder BEZ Alte Länder

1989 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007Jahr

0,0

2,0

4,0

6,0

8,0

10,0

12,0

14,0

16,0

18,0

Mrd

. Eur

o

Auf der Grundlage des Solidarpaktfortführungsgesetzes

aus dem Jahre 2001, das die Bund-Länder-Finanzbezie-hungen für den Zeitraum von 2005 bis 2019 regelt, wer-den die BEZ insbesondere für die neuen Länder und Ber-lin weiterhin in einem hohen Maße Steuereinnahmen desBundes binden. Allein die Sonderbedarfs-BEZ „zur De-ckung von teilungsbedingten Sonderlasten aus dem be-stehenden starken infrastrukturellen Nachholbedarf undzum Ausgleich unterproportionaler kommunaler Finanz-kraft“ belaufen sich im Zeitraum 2005 bis 2019 auf insge-samt rund 105,3 Mrd. Euro. In diesen Hilfen enthaltensind die bisherigen Finanzhilfen des Investitionsförde-rungsgesetzes Aufbau Ost (rund 3,4 Mrd. Euro jährlich),das zum Jahresende 2001 beendet wurde.

Die Sonderbedarfs-BEZ zugunsten der neuen Länder undBerlins betrugen in den Jahren 2002 bis 2005 rund10,5 Mrd. Euro jährlich. Ab dem Jahre 2006 sind die Mit-tel gemäß § 11 Abs. 3 Finanzausgleichsgesetz degressivausgestaltet. Für den Finanzplanungszeitraum sind da-nach folgende Festbeträge gesetzlich festgeschrieben (ge-rundet):

Der Bundeshaushalt wird damit auf der Einnahmenseitebis zum Ende des aktuellen Finanzplanungszeitraums imJahre 2010 zunehmend entlastet. Im Jahre 2019 laufen dieSonderbedarfs-BEZ aus.

Die neuen Länder und Berlin müssen dem Finanzpla-nungsrat jährlich in so genannten Fortschrittsberichten„Aufbau Ost“ über ihre jeweiligen Fortschritte bei derSchließung der Infrastrukturlücke, über die zweckent-

Jahr BetragMrd. Euro

Rückgang gegenüber

Vorjahr Prozent

2006 10,48 0,5

2007 10,38 1,0

2008 10,23 1,5

2009 9,51 7,0

2010 8,74 8,1

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 95 – Drucksache 16/XXXX

sprechende Verwendung der erhaltenen Mittel aus Son-derbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen und über diefinanzwirtschaftliche Entwicklung der Länder- und Kom-munalhaushalte einschließlich der Begrenzung der Netto-neuverschuldung berichten.22 Die – erstmals im Jahre2003 – vorgelegten Fortschrittsberichte werden zusam-men mit einer Stellungnahme der Bundesregierung imFinanzplanungsrat erörtert.

Die Fortschrittsberichte für das Berichtsjahr 2004 wur-den von den berichtspflichtigen Ländern fristgerecht imSeptember 2005 der Bundesregierung übermittelt. DasBundeskabinett hat diese Berichte und die hierzu erstellteStellungnahme der Bundesregierung in der Kabinettssit-zung am 25. Januar 2006 beraten. Der Finanzplanungsraterörterte die Fortschrittsberichte und die Stellungnahmeder Bundesregierung am 16. Februar 2006.

Aus der Stellungnahme der Bundesregierung ergibt sich,dass die neuen Länder ihre Finanzierungsdefizite imJahre 2004 gegenüber dem Vorjahr reduzieren konntenund dass trotz der schwierigen finanzwirtschaftlichenRahmenbedingungen in Ostdeutschland Konsolidierungs-maßnahmen ergriffen bzw. geplant sind. Allerdings liegendie konsumtiven Ausgaben – insbesondere die Personal-ausgaben – in den neuen Ländern (mit Ausnahme Sach-sens) erheblich höher als in den westlichen Referenzlän-dern. Bei der Verwendung der Sonderbedarfs-BEZkonnte wiederum nur das Land Sachsen belegen, dass esdie empfangenen Mittel weitgehend bestimmungsgemäß(für Infrastrukturinvestitionen und zum Ausgleich der un-terproportionalen kommunalen Finanzkraft) eingesetzthat. Im Durchschnitt ergibt sich für die Flächenländereine Gesamtquote der sachgerechten Verwendung von54 % bis 59 %. In Berlin wurden die Sonderbedarfs-BEZvon rund 2,0 Mrd. Euro nach Feststellungen der Bundes-regierung vollständig konsumtiv verwendet.

Die Bundesregierung hat zu Recht darauf hingewiesen,dass die Empfängerländer gehalten sind, die Solidarpakt-mittel vollständig für Investitionen zu verwenden und diefinanzwirtschaftliche Tragfähigkeit ihrer Haushalte we-sentlich zu verbessern. Der Finanzplanungsrat hat in sei-nem Beschluss ebenfalls darauf hingewiesen, dass dieneuen Länder und Berlin die Verantwortung für die sach-gerechte Verwendung der Mittel zu gewährleisten haben.

Es ist zu hoffen, dass das klare Votum der Bundesregie-rung und des Finanzplanungsrates die Empfängerländerdazu bewegt, die im Finanzausgleichsgesetz normiertenVerwendungszwecke für die Bundeshilfen stärker als bis-lang zu beachten. Da – entgegen der früheren Anregungdes Bundesrechnungshofes (vgl. Bemerkungen 2002,Bundestagsdrucksache 15/60 Nr. 2.4.2.3) – in das Finanz-ausgleichsgesetz keine Regelung aufgenommen wordenist, die zu einer Überprüfung der Sonderbedarfs-BEZ imFall einer wesentlichen Abweichung von den zugrundegelegten Erwartungen ermächtigt hätte, bleibt nur dieMöglichkeit, an die neuen Länder und Berlin zu appellie-ren, die normierten Verwendungszwecke konsequenter als

bislang zu beachten. Es ist daher der Bundesregierung un-eingeschränkt zuzustimmen, wenn sie darauf hinweist,dass der Einsatz der Solidarpaktmittel für nicht aufbauge-rechte Zwecke gegen den Geist des Solidarpaktes verstößt.

2.3.5 Entwicklung der sonstigen Einnahmen

Neben den Steuereinnahmen bilden die sonstigenEinnahmen23 einen Einnahmenblock, der in erheblichemUmfang zur Haushaltsfinanzierung beiträgt. Im Bundes-haushalt 2006 sind rund 29,4 Mrd. Euro an sonstigen Ein-nahmen veranschlagt (vgl. Abbildung 11). Der deutlicheRückgang um rund 9,1 Mrd. Euro gegenüber dem Haus-haltsjahr 2005 (rund 38,5 Mrd. Euro) liegt vor allem darinbegründet, dass die mit rund 2,6 Mrd. Euro veranschlag-ten Einnahmen aus der Inanspruchnahme von Gewähr-leistungen deutlich unter dem Haushaltsergebnis 2005von rund 8,8 Mrd. Euro liegen (jeweils ohne Entgelte).Die hohen Gewährleistungseinnahmen 2005 beruhtenvor allem darauf, dass Russland einen Teil der Altschul-den der ehemaligen UdSSR auf Basis einer entsprechen-den Vereinbarung vorzeitig zurückzahlte. Der Bunderhielt somit zusätzlich zu den planmäßigen Rückzahlun-gen Russlands rund 5,1 Mrd. Euro, die zur Haushalts-finanzierung eingesetzt wurden.24

Im Übrigen sind die Veränderungen innerhalb dieses Zeit-raums im Wesentlichen auf die unterschiedlich hohenErlöse aus der Veräußerung von Beteiligungen und sons-tigem Kapitalvermögen zurückzuführen. Vor allem seitdem Jahre 1995 hat der Bund Vermögensbeteiligungen ingroßem Umfang verwertet auch mit dem ordnungspoliti-schen Ziel, eine stärkere Trennung von Staat und Wirt-schaft zu erreichen. Die hieraus erzielten Privatisie-rungserlöse wurden verstärkt zur Haushaltsfinanzierungeingesetzt (vgl. Abbildung 11), um die Nettokreditauf-nahme zumindest zu begrenzen. Allerdings überschreitendie Bundeshaushalte im Zeitraum 2002 bis 2006 die ver-fassungsrechtliche Regelkreditobergrenze dennoch zumTeil ganz erheblich (vgl. Nr. 2.4).

Insgesamt hat der Bund im Zeitraum 1995 bis 2006 Kapi-tal- und Beteiligungsvermögen in der Größenordnungvon rund 80,0 Mrd. Euro verwertet und die Erlöse hierauszur Finanzierung des laufenden Haushalts eingesetzt.Eine Tilgung von bestehenden Schulden aus den Vermö-gensveräußerungen hat nicht stattgefunden. Nach demHaushaltsentwurf 2007 werden die Vermögensverwer-tungen sogar wieder zunehmen und mit 9,2 Mrd. Euroeine Größenordnung erreichen, die nur im Jahre 1998übertroffen worden ist (vgl. Abbildung 11). Die Bundes-regierung sieht augenscheinlich keine andere Möglich-keit, um den Haushaltsausgleich ohne Verletzung derRegelkreditobergrenze des Artikels 115 Grundgesetz zuerreichen.

22 Vgl. § 11 Abs. 4 Satz 2 Finanzausgleichsgesetz (FAG) 2001 sowie– für den Zeitraum ab 2005 – § 11 Abs. 3 Satz 3 FAG 2005.

23 Hierzu gehören insbesondere Verwaltungseinnahmen (vor allem Ge-bühren), Beteiligungserlöse, Rückflüsse aus Darlehen und Gewähr-leistungen, Gewinnabführung der Deutschen Bundesbank sowieMünzeinnahmen.

24 Insgesamt lagen die Einnahmen im Bundeshaushalt 2005 aus vorzei-tigen Rückzahlungen („prepayment“) insbesondere von Russlandund Polen bei rund 6,8 Mrd. Euro.

Drucksache 16/XXXX – 96 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

A b b i l d u n g 11

Entwicklung der sonstigen Einnahmen

18,3

18,0

21,6

24,7

19,8

24,1

30,2

28,3

21,8

26,5

25,4 26

,2

25,1

38,5

29,4 31

,1

0,0 0,1

0,6

6,1

2,1

5,0

8,2

3,7

7,6

5,4

5,1

8,6 8,9

6,6

9,2

11,5

0,2 %

2,6 %

0,9 %

2,2 %

4,9 %

3,3 %

1,5 %

3,1 %

2,2 %2,0 %

3,4 % 3,4 %

2,5 %

3,4 %

1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007Jahr

0

1

1

2

2

3

3

4

4

5

5

Prozent

Sonstige Einnahmen davon Beteiligungserlöse Anteil Beteiligungserlöse am Haushaltsvolumen

Mrd

. Eur

o

0

5

10

15

20

25

30

35

40

Der Bundesrechnungshof vertritt seit Jahren die Auffas- Zum Haushaltsausgleich verwendete Privatisierungsein-

sung, dass Einnahmen aus Vermögensverwertungen grund-sätzlich nicht zur allgemeinen Haushaltsfinanzierung ein-gesetzt werden sollten. Sie sollten vielmehr – entspre-chend der haushaltsgesetzlichen Ermächtigung25 – zurTilgung von Altschulden und damit zum Abbau der beste-henden hohen Verschuldung verwendet werden (vgl. Be-merkungen 1999, Bundestagsdrucksache 14/1667 Nr. 2.3.2).Der Einsatz von erheblichen Privatisierungserlösen zurHaushaltsfinanzierung begegnet Bedenken, weil sie denCharakter einer Desinvestition haben, die das Vermögendes Bundes dauerhaft vermindert und damit die finanzwirt-schaftlichen Handlungsspielräume für die nachfolgendenHaushalte zusätzlich einengt. Der Einsatz der Privatisie-rungseinnahmen zur Schuldentilgung würde demgegenübersicherstellen, dass dem Abbau von Vermögenswerten eineentsprechende Reduzierung der Schulden und damit eineEntlastung bei den Zinsausgaben in den kommendenHaushalten gegenüber stehen.

nahmen wirken zudem nicht nachhaltig im Hinblick aufeine Verbesserung der Haushaltsstruktur. Sie erweckenvielmehr nur den Anschein einer Konsolidierung, be-wirken aber gerade keine nachhaltige Verbesserung beste-hender defizitärer Haushaltsstrukturen. Folgerichtig wer-den Privatisierungserlöse im Verfahren zur Ermittlungdes öffentlichen Defizits nach dem Maastricht-Vertragund dem Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt(vgl. Nr. 2.7.1) auch nicht als defizitmindernde Einnah-men berücksichtigt.

2.4 Entwicklung der Nettokreditaufnahme

Die Nettokreditaufnahme des Bundes lag im Zeitraumvon 1995 bis 2005 regelmäßig und zum Teil erheblichüber der ursprünglich veranschlagten Nettokreditaufnahme(vgl. Tabelle 3). Nicht zuletzt deshalb mussten in diesemZeitraum vier Nachtragshaushalte (1997, 2002–2004)aufgestellt werden. Nur in den Jahren 1999 und 2000 wardas Haushaltsergebnis geringfügig besser als die Planzah-len. Im Haushaltsplan 2006 ist die Nettokreditaufnahmemit 38,2 Mrd. Euro veranschlagt und erreicht damit in derHaushaltsplanung den bisher höchsten Wert.

25 Vgl. für den Bundeshaushalt 2006: § 2 Abs. 2 Satz 3 Haushaltsge-setz 2006.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 97 – Drucksache 16/XXXX

Die Einhaltung der Regelkreditobergrenze des Artikels115 Abs. 1 Grundgesetz ist in den Bundeshaushalten2002 bis 2006 klar verfehlt worden. Das Verhältnis derNettokreditaufnahme zur Summe der Investitionsausga-ben (Kreditinvestitionsquote) betrug in diesem Zeit-raum zwischen 132 % und 176 % (vgl. Tabelle 3). Diesist die höchste Überschreitung seit Bestehen des Bundes-haushalts. Selbst wenn man bei den Investitionen die (in-vestiven) Finanzhilfen des InvestitionsförderungsgesetzesAufbau Ost (3,4 Mrd. Euro) berücksichtigt, die ab demJahre 2002 auf die Einnahmenseite (als Sonderbedarfs-

BEZ) umgeschichtet wurden, fallen die Kreditinvesti-tionsquoten mit Werten zwischen 116 % (2002) und153 % (2004) im Langzeitvergleich immer noch sehr un-günstig aus.

Der Anteil der durch die Nettokreditaufnahme gedecktenGesamtausgaben (Kreditfinanzierungsquote) weist eineähnlich negative Entwicklung auf. Im Jahre 2006 werden– nach einem zwischenzeitlichen Rückgang auf bis zu9,4 % im Jahre 2001 – immerhin wieder 14,6 % der Aus-gaben durch neue Deckungskredite finanziert (vgl.Tabelle 3).

Ta b e l l e 3

Entwicklung der Nettokreditaufnahme1

1 Die Quoten beziehen sich für den Zeitraum 2000 bis 2005 auf Ist-Zahlen, danach auf Soll-Werte.

Jahr

NKA-Soll gem. ursprüng-lichem Haushalt

NKA-Soll gem. Nachtrag NKA-Ist

Kredit-investitions-

quote

Kredit-finanzierungs-

quote

Mrd. Euro Mrd. Euro Mrd. Euro Prozent Prozent

1995 25,1 25,6 75,3 10,8

1996 30,6 40,0 128,2 17,2

1997 27,2 36,2 32,6 113,2 14,4

1998 28,8 28,8 98,6 12,3

1999 27,4 26,1 91,3 10,6

2000 25,3 23,8 84,7 9,7

2001 22,3 22,8 83,5 9,4

2002 21,1 34,6 31,9 132,4 12,8

2003 18,9 43,4 38,6 150,2 15,0

2004 29,3 43,5 39,5 176,3 15,7

2005 22,0 31,2 136,2 12,0

2006 38,2 164,7 14,6

2007 22,0 93,6 8,2

2008 21,5 91,9 7,8

2009 21,0 89,0 7,6

2010 20,5 88,0 7,4

Drucksache 16/XXXX – 98 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

2.4.1 Haushaltsjahr 2006

2.4.1.1 Überschreitung der Regelkreditobergrenze

Die im Bundeshaushalt 2006 veranschlagte Nettokredit-aufnahme von 38,2 Mrd. Euro überschreitet die verfas-sungsrechtliche Regelkreditobergrenze des Artikels 115Abs. 1 Grundgesetz (23,2 Mrd. Euro) um rund 15,0 Mrd.Euro. Danach dürfen die Einnahmen aus Krediten dieSumme der im Haushaltsplan veranschlagten Investi-tionsausgaben nicht überschreiten; Ausnahmen sind nurzulässig zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaft-lichen Gleichgewichts.

Die erneute Überschreitung der Regelobergrenze für dieNettokreditaufnahme wird in der Begründung zum Haus-haltsgesetz 2006 damit gerechtfertigt, dass im Jahre 2006– wie bereits in den vorangegangenen Jahren – eine ernst-hafte und nachhaltige Störung des gesamtwirtschaftlichenGleichgewichts drohe, da die Ziele eines hohen Beschäf-tigungsstandes sowie eines angemessenen Wirtschafts-wachstums unmittelbar gefährdet seien. Ungeachtet einererwarteten Zunahme des Bruttoinlandsprodukts um real1,4 % bestehe das Ungleichgewicht zwischen außenwirt-schaftlichen und binnenwirtschaftlichen Kräften fort mitder Gefahr, dass sich die derzeitige Schwäche des priva-ten Konsums sowie die unbefriedigende Situation amArbeitsmarkt verfestigten. Die im Haushaltsjahr 2006 er-höhte Nettokreditaufnahme sei bestimmt und geeignet,einer drohenden Störung des gesamtwirtschaftlichenGleichgewichts entgegenzuwirken, da sie begleitet werdedurch ein Konsolidierungsprogramm sowie Maßnahmenzur Stärkung des Wachstumspotenzials. Im Übrigen lassedie Bundesregierung die automatischen Stabilisatorenwirken, indem Einnahmeausfälle und Mehrausgabennicht durch Einsparungen aufgefangen, sondern mittelszusätzlicher Kreditaufnahme ausgeglichen würden, umdamit eine mögliche Verschärfung der binnenkonjunktu-rellen Schwäche zu vermeiden. Hierdurch würden auchdie notwendigen weiteren Konsolidierungsschritte abge-federt, die insbesondere ab dem Jahre 2007 mit dem Zielder Kräftigung der staatlichen Einnahmen wirksam wür-den. Damit würden auch in dieser Hinsicht die Vorausset-zungen zur Einhaltung der Regelgrenze des Artikels 115Grundgesetz in den kommenden Jahren geschaffen.

Kriterien für das gesamtwirtschaftliche Gleichgewichtsind gemäß § 1 des Gesetzes zur Förderung der Stabilitätund des Wachstums der Wirtschaft (Stabilitäts- undWachstumsgesetz) die Stabilität des Preisniveaus, ein ho-her Beschäftigungsstand sowie ein außenwirtschaftlichesGleichgewicht bei stetigem und angemessenem Wirt-schaftswachstum. Nach der Rechtsprechung des Bundes-verfassungsgerichts steht dem Haushaltsgesetzgeber beider Beurteilung, ob eine Störung des gesamtwirtschaftli-chen Gleichgewichts vorliegt oder unmittelbar droht, undbei der Einschätzung, ob eine erhöhte Kreditaufnahme zuihrer Abwehr geeignet ist, ein Einschätzungs- undBeurteilungsspielraum zu (vgl. BVerfGE 79, S. 311,343 f.). Für das Vorliegen der Voraussetzungen der Aus-nahmeregelung des Artikels 115 Abs. 1 Satz 2 Grundge-setz trifft ihn eine entsprechende Darlegungslast, d. h. derHaushaltsgesetzgeber muss seine Entscheidung, dieseRegelung in Anspruch zu nehmen, plausibel begründen.

Wenn diese Darlegungslast in angemessener Weise erfülltwird, so ist die Entscheidung, zu welchen Mitteln der Stö-rungsabwehr gegriffen wird, eine politische Aufgabe desHaushaltsgesetzgebers, die er auch politisch zu verant-worten hat (vgl. BVerfGE 79, S. 311, 342). Das Bundesministerium hat seine Auffassung bekräftigt,dass der für die Geltung der verfassungsrechtlichen Kre-ditobergrenze des Artikels 115 Grundgesetz maßgeblicheInvestitionsbegriff und seine Auslegung in der Staatspra-xis von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsge-richts gedeckt seien. Es werde seine Auffassung imLichte der anstehenden Entscheidung des Bundesverfas-sungsgerichts im Verfahren gegen das Haushaltsgesetzund das Nachtragshaushaltsgesetz 2004 überprüfen.Vor diesem Hintergrund enthält sich der Bundesrech-nungshof einer Bewertung der Verfassungsmäßigkeit desHaushaltsgesetzes 2006. Er sieht sich jedoch in seinerFeststellung bestätigt, dass sich die geltende verfassungs-rechtliche Regelung des Artikels 115 Grundgesetz alsweitgehend wirkungslos erwiesen hat, die Nettokredit-aufnahme in der Aufstellung und in der Durchführung desBundeshaushalts wirksam zu begrenzen (vgl. dazu Bemer-kungen 2004, Bundestagsdrucksache 15/4200 Nr. 2.6; Be-merkungen 2005, Bundestagsdrucksache 16/160 Nr. 2.5).Auf der Grundlage der Bemerkungen 2004 des Bundesrech-nungshofes hat der Rechnungsprüfungsausschuss desHaushaltsausschusses des Deutschen Bundestages bereitsam 28. Januar 2005 das Bundesministerium u. a. aufgefor-dert zu prüfen, ob die Konsolidierung des Bundeshaushaltsdurch eine stärkere Begrenzung der verfassungsrecht-lichen Möglichkeiten zur Kreditaufnahme unterstütztwerden kann. Das Ergebnis dieser vom Bundesministe-rium angekündigten Prüfung bleibt abzuwarten.

2.4.1.2 Strukturelles Haushaltsdefizit

Mit der ausgewiesenen Nettokreditaufnahme wird dasstrukturelle Haushaltsdefizit nur teilweise abgebildet, dennder Bundeshaushalt 2006 enthält wiederum Maßnahmenmit Einmaleffekt von erheblicher Größenordnung, mitderen Hilfe der Haushaltsausgleich hergestellt wird:● Hierzu gehört das Vorziehen der Fälligkeit des

Gesamtsozialversicherungsbeitrags, durch den einhöherer Bundeszuschuss an die Rentenversicherungvermieden wird (vgl. Nr. 2.2.2.1).

● Beteiligungserlöse sollen in Höhe von rund 6,6 Mrd.Euro zur Haushaltsfinanzierung beitragen (vgl.Nr. 2.3.5).

● Im Bundeshaushalt 2006 ist erneut kein Bundeszu-schuss an den Bundes-Pensions-Service für Post undTelekommunikation e. V. (Postbeamtenversorgungs-kasse) veranschlagt, da die im Jahre 2006 auf denBund entfallenden Leistungen für ehemalige Postbe-dienstete von rund 4,9 Mrd. Euro durch Erlöse aus derVerwertung der Forderungen der Postbeamtenversor-gungskasse gegen die Postnachfolgegesellschaften er-setzt werden (vgl. Nr. 2.2.2.3).

Wird der Bundeshaushalt um diese „Einmalmaßnahmen“bereinigt, ergibt sich eine strukturelle Unterdeckung inder Größenordnung von rund 50,0 Mrd. Euro.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 99 – Drucksache 16/XXXX

2.4.2 Entwicklung ab dem Haushaltsjahr 2007

Die Bundesregierung beabsichtigt, den Bundeshaushaltdurch ein Bündel von Konsolidierungsmaßnahmenmittelfristig strukturell zu verbessern. Hierzu gehöreneine Reihe von bereits umgesetzten bzw. geplanten ge-setzlichen Maßnahmen, wie u. a. das Gesetz zur Ände-rung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und andererGesetze, das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsiche-rung für Arbeitsuchende, das Haushaltsbegleitgesetz2006, das Steueränderungsgesetz 2007 sowie das Bio-kraftstoffquotengesetz. Diese haushaltswirksamen Maß-nahmen sollen helfen, die Einnahmenbasis dauerhaft zustabilisieren und die Ausgabenentwicklung moderat aus-fallen zu lassen. Nach Angaben des Bundesministeriums werden die Haus-halte von Bund, Ländern und Gemeinden durch dieses sogenannte Haushaltssanierungskonzept im Zeitraum2006 bis 2009 um fast 120,0 Mrd. Euro (Bundeshaushalt:rund 79,0 Mrd. Euro) entlastet. Die Entlastungswirkungenfür den Bundeshaushalt 2007 sollen insgesamt bei fast

22,0 Mrd. Euro liegen, die durch Ausgabenkürzungen so-wie durch Steuererhöhungen und dem Abbau von Steuer-vergünstigungen erbracht werden (vgl. Tabelle 4).

Die Sanierungsstrategie soll dazu beitragen, dass die Netto-kreditaufnahme ab dem Jahre 2007 die verfassungsrecht-liche Regelkreditobergrenze wieder unterschreitet. Nachdem aktuellen Finanzplan soll sich der weitere Rückgangder Nettokreditaufnahme bis zum Jahre 2010 in kleinenSchritten fortsetzen (vgl. Tabelle 3). Die Nettokreditauf-nahme bleibt danach trotz eines für diesen Zeitraum zu-grunde gelegten stetigen Wirtschaftswachstums (realrund 1,5 % im Durchschnitt der Jahre 2008 bis 2010),geplanten Steuerzuwächsen im zweistelligen Milliar-denbereich sowie Einmalmaßnahmen wie die zur Haus-haltsfinanzierung vorgesehenen Beteiligungserlöse(2007 bis 2010: insgesamt rund 32,0 Mrd. Euro) nurknapp innerhalb dieses verfassungsrechtlichen Kredit-rahmens. Allerdings soll der Anteil der zur Haushalts-finanzierung eingesetzten Einmalmaßnahmen bis zumEnde des Finanzplanungszeitraums deutlich zurückgehen.

Ta b e l l e 4

Wesentliche gesetzliche Entlastungsmaßnahmen1

Maßnahmen

Mehrein-nahmen

2007

Minder-ausgaben

2007

Gesamt-entlastungen

2007

Mrd. Euro

Haushaltsbegleitgesetz 2006:Erhöhung des allgemeinen Umsatzsteuersatzes und des Regelsatzes der Versicherungssteuer um jeweils drei Prozentpunkte mit Wirkung zum 1. Januar 20072

8,3 8,3

Haushaltsbegleitgesetz 2006:Insb. Absenkung der Steuerzuweisungen des Bundes nach dem Regionalisierungsgesetz

0,3 0,3

Steueränderungsgesetz 2007:Insb. Beschränkung der Entfernungspauschale und Absenkung des Sparer-Freibetrags

1,0 1,0

Biokraftstoffquotengesetz (geplant):Abbau der Subventionierung der Biokraftstoffe

1,1 1,1

Zu Jahresende 2005 bzw. im Frühjahr 2006 verkündete Steuer-entlastungsgesetze (Abschaffung der Eigenheimzulage, steuer-liches Sofortprogramm, Beschränkung der Verlustverrechnung, Eindämmung missbräuchlicher Steuergestaltungen)

2,0 2,0

Haushaltsbegleitgesetz 2006:Halbierung des sog. Weihnachtsgeldes

0,5 0,5

Haushaltsbegleitgesetz 2006:Absenkung des allgemeinen Bundeszuschusses an die Rentenversi-cherung sowie Absenkung der vom Bund zu entrichtenden Kranken-versicherungsbeiträge für Bezieher von Arbeitslosengeld II

0,5 0,5

Drucksache 16/XXXX – 100 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

n o c h Ta b e l l e 4

1 Quellen: Haushaltsentwurf 2007, Finanztableaus der Gesetzentwürfe; erfasst sind nur gesetzliche Maßnahmen – ohne Entlastungsmaßnahmen imRahmen der Haushaltsaufstellung 2007.

2 Unter Berücksichtigung der Änderung des Bund-Länder-Verteilungsschlüssels beim Umsatzsteueraufkommen sowie der Weiterleitung eines Um-satzsteuerpunktes an die Arbeitslosenversicherung zur Senkung des Beitragssatzes.

Haushaltsbegleitgesetz 2006:Abschaffung der pauschalen Zuweisungen an die Gesetzliche Krankenversicherung in zwei Stufen

2,7 2,7

Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze

2,5 2,5

Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeit-suchende

1,2 1,2

Haushaltsbegleitgesetz 2006:Wegfall des Defizitzuschusses an die Bundesagentur für Arbeit; ggf. anfallender Finanzbedarf des BA wird künftig ausschließlich durch zinslose Darlehen abgedeckt

nichtbezif-ferbar

nichtbezif-ferbar

Gesamtauswirkungen 12,7 7,4 20,1

Maßnahmen

Mehrein-nahmen

2007

Minder-ausgaben

2007

Gesamt-entlastungen

2007

Mrd. Euro

Nach Einschätzung des Bundesrechnungshofes könnte belastet, die bislang nicht in der Finanzplanung abge-

sich die Einhaltung dieser Zielsetzung zur Neuverschul-dung als schwierig erweisen. So bestehen neben Belas-tungen u. a. durch das so genannte Sofortprogramm miteinem Gesamtvolumen von rund 25,0 Mrd. Euro26 insbe-sondere folgende mittel- und langfristige Haushaltsrisi-ken, die nur teilweise im Finanzplan bis zum Jahre 2010berücksichtigt sind:

● Ungeachtet der im Vergleich zu früheren Finanzplänendurchaus zurückhaltenden Annahmen zum Wirt-schaftswachstum liegt dem Finanzplan bis zum Jahre2010 insbesondere bei der Entwicklung der Arbeits-marktausgaben eine optimistische Einschätzung zu-grunde (vgl. Nr. 2.2.3).

● Bei der gesetzlichen Rentenversicherung ist mit hö-heren Belastungen – z. B. durch die angekündigte An-hebung der Krankenversicherungsbeiträge – zu rech-nen, die auch die Leistungen des Bundes an dieRentenversicherung zusätzlich belasten könnten (vgl.Nr. 2.2.2.1).

● Statt der wegfallenden Zuschüsse an die Krankenver-sicherung zur Abdeckung versicherungsfremder Leis-tungen wird der Bund ab dem Jahre 2008 möglicher-weise mit Zuschüssen an die Krankenkassen

sichert sind (vgl. Nr. 2.2).

● Vor dem Hintergrund der letzten Zinserhöhungs-schritte durch die Europäische Zentralbank besteht beijährlichen Bruttokreditaufnahmen in der Größenord-nung von 240,0 Mrd. Euro die Gefahr zusätzlicherHaushaltsbelastungen durch Zinsausgaben (vgl.Nr. 2.2.4).

● Den veranschlagten Steuereinnahmen liegt eine ten-denziell optimistische Einschätzung der Einnahme-entwicklung zugrunde (vgl. Nr. 2.3.1).

● Durch die Veräußerung der Forderungen des Bundes-Pensions-Service für Post und Telekommunikatione. V. (Postbeamtenversorgungskasse) gegen die Post-nachfolgeunternehmen wird der Bund spätestens abdem Jahre 2008 höhere Ausgabenbelastungen für dieVersorgungs- und Beihilfeleistungen an ehemaligePostbedienstete zu schultern haben (vgl. Nr. 2.2.2.3)27,die in der neuen Finanzplanung enthalten sind.

● Bei den Einnahmen aus der Verwertung von Bun-desvermögen – insbesondere die Erlöse aus der Ver-äußerung von Beteiligungen – ist zu berücksichtigen,dass insbesondere die Bundesanteile an den Postnach-folgeunternehmen inzwischen ganz (Deutsche Post AG)bzw. weitgehend (Deutsche Telekom AG) veräußert

26 Das sog. Impulsprogramm sieht zusätzliche Mittel vor insbesonderefür die Bereiche Forschung und Entwicklung, Familie (Elterngeld),Wirtschaft (Investitionszulage in den neuen Ländern, CO2-Gebäude-sanierungsprogramm), Beschäftigung (haushaltsnahe Dienstleistun-gen) sowie Verkehr (Verstärkung von Verkehrsinvestitionen).

27 Nach Angaben des Bundesministeriums (Stand: Mai 2006) belaufensich die vom Bund abzudeckenden Versorgungslasten für die ehemali-gen Postbeamten und ihre Hinterbliebenen im Zeitraum 2005 bis 2090im Nominalwert auf eine Größenordnung von rund 306,0 Mrd. Euro.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 101 – Drucksache 16/XXXX

sind.28 Ob und ggf. inwieweit der Bund aus der ge-planten Neuordnung des ERP-Sondervermögens29 so-wie einem möglichen Börsengang der DeutschenBahn AG zusätzliche Einnahmen erzielen wird, bleibtabzuwarten.

● Nach dem Finanzplan werden auch die Einnahmendes Bundes aus der Inanspruchnahme von Gewähr-leistungen in den kommenden Bundeshaushaltenspürbar zurückgehen. Hierbei ist zu berücksichtigen,dass der Bund bereits im Jahre 2004 einen Teil seinerentsprechenden Forderungen gegenüber der russi-schen Föderation verwertete, indem er auf Einnahmenaus zukünftigen russischen Zahlungen in Höhe von7,35 Mrd. Euro verzichtete (vgl. dazu Bemerkungen2005, a. a. O., Nr. 2.3.6.2). Aus der Emission einerentsprechenden Anleihe erzielte der Bund Einnahmenin Höhe von rund 5,0 Mrd. Euro zugunsten des Bun-deshaushalts 2004. Zudem werden aufgrund vorzeiti-ger Rückzahlungen Russlands und anderer Länder(vgl. Nr. 2.3.5) in den kommenden Jahren entspre-chende Einnahmen fehlen. Dementsprechend sind imHaushaltsentwurf 2007 nur noch rund 0,3 Mrd. Euroveranschlagt.

● Der Bundesbankgewinn ist im Haushaltsentwurf 2007und im Finanzplan bis 2010 mit jeweils 3,5 Mrd. Euroveranschlagt, ein Betrag, der in den Haushaltsjahren2004 bis 2006 zum Teil deutlich verfehlt wurde.30

Vor dem Hintergrund der aufgezeigten kurz- und mittel-fristigen Haushaltsrisiken und des geringen Abstandsder im Finanzplan veranschlagten Nettokreditaufnahmezur verfassungsrechtlichen Regelkreditobergrenze dürfteauch eine bessere gesamtwirtschaftliche Entwicklung al-lein nicht ausreichen, um die Nettokreditaufnahme wie-der auf ein finanzwirtschaftliches vertretbares Maß zuführen. Zum nachhaltigen Abbau der strukturellen Haus-haltsdefizite wird es vielmehr weiterer substantiellerKonsolidierungsmaßnahmen bedürfen.

2.4.3 Einschätzung des Bundesministeriums

Das Bundesministerium geht davon aus, neben wachs-tumsfördernden Maßnahmen werde eine breit angelegteKonsolidierung auf der Einnahmen- und Ausgabenseitedazu führen, dass sich die Haushaltsstruktur nachhaltigverbessere. Die Steuerfinanzierungsquote werde von rund73 % im Jahre 2005 auf rund 83,5 % im Jahre 2010 an-steigen. Das sich aus Nettokreditaufnahme und Einmalef-fekten zusammensetzende strukturelle Haushaltsdefizitwerde im Zeitraum 2006 bis 2010 signifikant – um mehrals 30,0 Mrd. Euro – auf eine Größenordnung von rund

24,0 Mrd. Euro zurückgeführt. Ein weiterer Abbau derstrukturellen Lücke sei zwar wünschenswert; der Umfangder Konsolidierung müsse aber in das wirtschaftlicheUmfeld eingepasst werden und Haushaltsspielräumemüssten auch für neue zukunftsbezogene Schwerpunkt-setzungen verwendet werden.

In der Analyse der kurz- und mittelfristigen Haushalts-situation besteht in vielen Punkten Übereinstimmung zwi-schen dem Bundesrechnungshof und dem Bundesministe-rium. Die Verbesserung der Haushaltslage vor allemaufgrund der hohen Steuerzuwächse ist unverkennbar. Dieeingeleiteten Maßnahmen zum mittelfristigen Abbau derstrukturellen Unterdeckung im Bundeshaushalt sind posi-tiv zu bewerten. Allerdings besteht hier auch ein dringen-der Handlungsbedarf, um die seit Jahren zu beobachtendeVerschlechterung der Haushaltsstruktur zu stoppen und zukorrigieren. Nach Einschätzung des Bundesrechnungshofeswird es zudem noch erheblicher Anstrengungen bedürfen,um den eingeschlagenen Konsolidierungspfad zu versteti-gen und die Zins- und Soziallastigkeit des Bundeshaus-halts wieder zu vermindern. Hierbei geht es letztlich nichtallein um die Einhaltung „abstrakter“ nationaler und inter-nationaler Schuldenregelungen. Im Vordergrund stehtvielmehr die Wiedererlangung der finanzwirtschaftli-chen Handlungsfähigkeit des Bundes, die seit Anfangder 90er-Jahre stark gelitten hat.

2.5 Entwicklung der Verschuldung und des Schuldendienstes

Die Gesamtverschuldung des Bundes betrug zum Jahres-ende 2005 rund 888,0 Mrd. Euro. Sie setzte sich zusam-men aus Schulden des Bundeshaushalts in Höhe von rund872,6 Mrd. Euro sowie der Sondervermögen (ERP undEntschädigungsfonds) in Höhe von rund 15,4 Mrd. Euro(vgl. Bemerkung Nr. 1.5). Zum Ende des Jahres 2006 istmit einem Gesamtschuldenstand von fast 930,0 Mrd.Euro zu rechnen. Die Gesamtverschuldung des Bundeswird sich dann gegenüber dem Beginn der 90er-Jahre(Gesamtschuldenstand 1989: rund 255,0 Mrd. Euro) ummehr als das Dreieinhalbfache (+ 365 %) erhöht haben(vgl. Abbildung 12).

Den Schuldenzuwächsen steht nicht – wie in früherenJahren – ein Schuldenrückgang aufgrund von Tilgungenbeim Sondervermögen Erblastentilgungsfonds gegen-über. Denn in den Bundeshaushalten 2004 und 2005 bliebder abgeführte Bundesbankgewinn in Höhe von rund0,25 Mrd. Euro bzw. 0,68 Mrd. Euro jeweils unter denveranschlagten Ansätzen; im Bundeshaushalt 2006 ent-spricht er mit rund 2,86 Mrd. Euro genau dem Haushalts-ansatz. Dies hatte zur Folge, dass die Gewinnabführungenvollständig zur Haushaltsfinanzierung eingesetzt wordensind und nicht zur Schuldentilgung beim Erblastentil-gungsfonds beitragen konnten.

Aufgrund der hohen jährlichen Nettokreditaufnahmen vorallem seit dem Jahre 2002 sowie den im Finanzplanungs-zeitraum sich abzeichnenden Kreditaufnahmen wird dieGesamtverschuldung weiter ansteigen. Nach dem Finanz-plan wird Gesamtschuldenstand des Bundes im Jahre2010 erstmals die Billionengrenze überschreiten (vgl.Abbildung 12).

28 Der börsennotierte Wert der Aktienanteile des Bundes an der Deut-schen Telekom AG lag zum Jahresende 2005 bei rund 9,1 Mrd. Euro(vgl. Vermögensrechnung des Bundes 2005, Nr. 5.1.1.4.1.2, S. 1387).

29 Das Bundeskabinett hat im Rahmen der Verabschiedung des Haus-haltsentwurfs 2007 u. a. beschlossen, unabhängig von der konkretenAusgestaltung der Neuordnung des ERP-Sondervermögens Mitteli. H. v. 2,0 Mrd. Euro für den Bundeshaushalt freizusetzen.

30 Die an den Bundeshaushalt abgeführten Beträge betrugen 0,25 Mrd.Euro (2004), 0,68 Mrd. Euro (2005) und 2,86 Mrd. Euro (2006).

Drucksache 16/XXXX – 102 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

A b b i l d u n g 12

Verschuldung des Bundes einschließlich seiner Sondervermögen

55

118 20

1 277

300

310 35

0

364

386 42

6

460

488

708

716

697

720 76

1 803 87

3 914 950

972

993

1013

24

56 58 5959

57

1515

00 0 0

9748

59

29

3

2

34

111149

271267

264257

Jahr19

7019

7519

8019

8519

9019

9119

9219

9319

9419

9519

9619

9719

9819

9920

0020

0120

0220

0320

0420

0520

0620

0720

0820

0920

10

Sondervermögen Bundesschuld

0

200

400

600

800

1 000

1 200

Mrd

. Eur

o

Finanzplan

Infolge des hohen Schuldenstandes muss der Bund in er- ausgewiesen. Da im Zuge der Tilgung fällig gewordener

heblichem Umfang Kredite aufnehmen, um die Ausgabenfür die Tilgung fällig werdender Kredite früherer Jahre zufinanzieren. Diese so genannte Anschlussfinanzierungist in den letzten Jahren erheblich angestiegen und er-reicht mittlerweile ein jährliches Volumen von z. T. über220,0 Mrd. Euro (vgl. Abbildung 13). Die Bruttokredit-aufnahme, also die Summe von Anschlussfinanzierungund Nettokreditaufnahme unter Berücksichtigung derEigenbestandsveränderungen, liegt in einer Größenord-nung von jährlich rund 240,0 Mrd. Euro.

Die Anschlussfinanzierung wird wegen der haushaltsge-setzlich vorgeschriebenen Nettoveranschlagung nicht imHaushaltsplan, sondern nur in der Finanzierungsübersicht

Wertpapiere neue Kredite in entsprechender Höhe aufge-nommen werden müssen, findet per saldo keine Schul-dentilgung statt; Schuldenstand und die Zinslast werdenvielmehr weitergewälzt. Je nach aktuellem Zinsniveaukönnen die Zinsausgaben niedriger oder höher als die bis-her geleisteten Zinsen ausfallen. In jedem Fall ist derBundeshaushalt bei einem anziehenden Zinsniveauerheblichen Zinsänderungsrisiken ausgesetzt (vgl.Nr. 2.2.4). Bei einer Anschlussfinanzierung im Umfangvon rund 200,0 Mrd. Euro würde ein Anstieg des jahres-durchschnittlichen Zinsniveaus um einen Prozentpunktrechnerisch Zinsmehrausgaben von jährlich 2,0 Mrd. Eurobedeuten.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 103 – Drucksache 16/XXXX

A b b i l d u n g 13

Entwicklung der Bruttokreditaufnahme

1 Unter Einbeziehung der Eigenbestandsveränderungen.

16,6

23,3

41,8 46

,4

46,5 32

,9

39,8 60

,6

56,9

96,6

95,5 11

8,0

125,

9

107,

1

143,

4

182,

2

192,

6

198,

2 202,

8

217,

0

219,

5

220,

0

221,

5

13,9

11,5 23

,9

26,6

19,7 33

,8

25,6

25,6 40

,0

32,6

28,9

26,1

23,8

22,8 31

,8 38,6

39,5

31,2

22,0

21,5

21,0

20,538

,2

1980 1985 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010Jahr

Finanzplan

0,0

50,0

100,0

150,0

200,0

250,0

Mrd

. Eur

o

Anschlussfinanzierung (Schuldentilgung)1 Nettokreditaufnahme

2.6 Haushalts- und Verschuldungslage des Ende des Jahres 2005 rund 64 % des Bruttoinlandspro-

Bundes im Vergleich zu Ländern und Gemeinden

2.6.1 Öffentlicher Gesamthaushalt

Neben dem Bundeshaushalt befinden sich auch eineReihe der Länderhaushalte in einer zunehmend ange-spannten Finanzlage. Ungeachtet verschiedener Ansätzezur Konsolidierung der öffentlichen Finanzen nimmt dieStaatsverschuldung in Deutschland weiterhin mit besorg-niserregender Dynamik zu. Innerhalb einer Generationhaben die Gebietskörperschaften ihre Verschuldung vonrund 237,0 Mrd. Euro (1980) auf rund 1 447,0 Mrd. Euro(2005) versechsfacht (vgl. Abbildung 14). Für das Jahres-ende 2006 ist damit zu rechnen, dass die Verschuldungder Haushalte aller Gebietskörperschaften die Grenze von1,5 Billionen Euro überschreiten wird. Dabei ist dieSchuldenentwicklung beim Bund vor allem seit der Wie-dervereinigung noch dramatischer verlaufen.

Die Schuldenlast ist nicht nur in absoluten Zahlen, son-dern auch im Verhältnis zur gesamtwirtschaftlichen Leis-tungsfähigkeit signifikant gestiegen. Lag der Schulden-stand im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt im Jahre1980 noch bei rund 31 %, so hat sich dieses Verhältnis in-nerhalb einer Generation mehr als verdoppelt und betrug

dukts. Nach der für den Maastricht-Vertrag maßgeblichenBerechnung fällt die Staatsschuld mit rund 67,7 % desBruttoinlandsprodukts sogar noch um mehr als drei Pro-zentpunkte höher aus31 (vgl. Nr. 2.7.1.2, Abbildung 16).Der Anteil des Bundes an der Staatsverschuldung isthierbei angestiegen. Vom Beginn der 90er-Jahre mit we-niger als 54 % wuchs er bis zum Jahre 1995 auf fast zweiDrittel (rund 65 %). Da der Bund seine Verschuldung inden Jahren 2000 und 2001 durch den Einsatz der Mobil-funk-Versteigerungserlöse zur Tilgung von Altschuldenum insgesamt rund 50,8 Mrd. Euro zurückführte, ist derBundesanteil an der Gesamtverschuldung wieder zurück-gegangen; er lag Ende 2005 noch bei etwas über 61 %.Der Länderanteil an der Gesamtverschuldung 2005 lagdagegen bei einem Drittel; dies entsprach etwa dem Wertaus dem Jahre 1989. Allerdings ist in einigen Ländern(Bremen, Berlin, Saarland) ein deutlich höherer Anstiegder Verschuldung zu verzeichnen.

31 Der höhere Schuldenstand beruht insbesondere darauf, dass die Kas-senverstärkungskredite und der Münzumlauf einbezogen werden(vgl. dazu Statistisches Bundesamt, Schulden der öffentlichen Haus-halte 2005, Fachserie 14, Reihe 5, Erläuterungen Nr. 7).

Drucksache 16/XXXX – 104 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

A b b i l d u n g 14

Gesamtverschuldung der öffentlichen Haushalte

254

657

888

157

257

468

61

95

92

119

2914

7020

48

473 Mrd. Euro = 40 % des BIP

1 448 Mrd. Euro = 64% des BIP

1 009 Mrd. Euro = 55 % des BIP

63 Mrd. Euro = 18 % des BIP

237 Mrd. Euro = 31 % des BIP

1970 1980 1989 1995 2005Jahr

Mrd

. Eur

o

0

100

200

300

400

500

600

700

800

900

1 000

1 100

1 200

1 300

1 400

1 500

1 600

Gemeinden und Zweckverbände Länder einschl. Sondervermögen Bund einschl. Sondervermögen

2.6.2 Deckungs- und Zinssteuerquoten seinen Gunsten zu erreichen. Er hat in den letzten Jahren

Auch bei den Deckungsquoten (Anteil der Ausgaben imHaushalt, die durch so genannte laufende, d. h. nicht kre-ditfinanzierte Einnahmen abgedeckt sind) weist der Bundim Vergleich zum Durchschnitt der anderen Gebietskör-perschaften nach wie vor eine schlechtere Finanzlage auf(vgl. Abbildung 15). Er finanziert seit Mitte der 70er-Jahre einen deutlich höheren Anteil seiner Ausgaben überneue Kredite als der Durchschnitt der Länder und Ge-meinden. Im Haushaltsjahr 2005 lag die Deckungsquoteim Bundeshaushalt trotz eines Anstiegs gegenüber denVorjahren mit rund 88 % immer noch deutlich unter derdes Durchschnitts der Länder und Gemeinden (rund92,5 %).

Gemäß Artikel 106 Abs. 3 Satz 4 Nr. 1 Grundgesetz istbei der Festsetzung der Umsatzsteueranteile davon auszu-gehen, dass Bund und Länder im Rahmen der laufendenEinnahmen gleichmäßig Anspruch auf Deckung ihrernotwendigen Ausgaben haben. Hierbei sind die De-ckungsbedürfnisse so abzustimmen, dass ein billiger Aus-gleich erzielt, eine Überbelastung der Steuerpflichtigenvermieden und die Einheitlichkeit der Lebensverhältnissegewahrt wird (Artikel 106 Abs. 3 Satz 4 Nr. 2 Grundge-setz). Bislang ist es dem Bund trotz der unterschiedlichenDeckungsverhältnisse nicht gelungen, gegenüber denLändern eine Neufestsetzung der Umsatzsteueranteile zu

sogar noch weitere finanzielle Zugeständnisse gegenüberden Ländern und Gemeinden gemacht – z. B. im Rahmender Gemeindefinanzreform, des Vorziehens der letztenStufe der Steuerreform im Jahre 2004 sowie der Umset-zung der Arbeitsmarktreformen. Gerade letztere habendie Belastungen auf der Ausgabenseite des Bundeshaus-halts nochmals deutlich erhöht (vgl. Nr. 2.2.3), ohne dassder Bund einen hinreichenden Ausgleich auf der Einnah-menseite erhalten hat.32

Bei den Zinsausgaben ist der Bundeshaushalt im Ver-gleich zur Gesamtheit von Ländern und Gemeinden eben-falls in deutlich höherem Maße belastet, auch wenn sichdie Ausgaben für diesen Bereich in den letzten Jahren sta-bilisiert haben (vgl. Nr. 2.2.4). Der Schuldenaufwuchsinsbesondere seit Beginn der 90er-Jahre hat zur Folge,dass im Bundeshaushalt seit einigen Jahren rechnerischzwischen 19 % und 20 % der Steuereinnahmen auf dieZinslast entfallen. Die Zinssteuerquote ist im Länder-durchschnitt (einschließlich Gemeinden) dagegen nuretwa halb so hoch (vgl. Abbildung 15), auch wenn ein-zelne Länder (Berlin und Bremen) höhere Zinssteuerquo-ten als der Bund haben.

32 Vgl. dazu auch Monatsbericht des BMF Juni 2006, Struktur und Ver-teilung der Steuereinnahmen, S. 44.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 105 – Drucksache 16/XXXX

A b b i l d u n g 15

Deckungs- und Zinssteuerquoten in den Haushalten der Gebietskörperschaften

87,491,3

95,1

87,491,8

89,2

82,885,6

87,6 89,4 90,3 90,687,2

85,0 84,388,0

89,993,0

96,093,2 91,4 90,7 92,0 93,5

96,5 97,9 97,7

91,8 90,6 88,792,0 92,5

8,1

14,3 13,2 13,117,2

21,8 23,2 23,8 23,2 21,7 20,1 19,8 19,5 19,3 19,5 19,7

8,712,3 10,9 10,6 11,2 10,5 10,6 10,9 10,6 10,1 9,8 10,7 10,9 11,1 10,7 10,7

1980 1985 1989 1991 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005Jahr

0,0

10,0

20,0

30,0

40,0

50,0

60,0

70,0

80,0

90,0

100,0

Pro

zent

Deckungsquote BundDeckungsquote Länder und Gemeinden

Zinssteuerquote BundZinssteuerquote Länder/Gemeinden

2.7 Haushaltsdisziplin im Rahmen der Die Referenzwerte dieser beiden finanzpolitischen Sta-

Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion

2.7.1 Gesamtstaatliche Stabilitätsverpflichtungen gegenüber der EU

2.7.1.1 Referenzwerte und Verfahren bei Verletzung der Stabilitätsverpflichtungen

Gemäß Artikel 104 Abs. 1 des Vertrags zur Gründung derEuropäischen Gemeinschaft33 sind die Mitgliedstaaten imRahmen der Europäischen Währungsunion verpflichtet,„übermäßige öffentliche Defizite“ zu vermeiden. Diehierfür maßgeblichen Referenzwerte betragen

● 60 % für das Verhältnis zwischen dem öffentlichenSchuldenstand (d. h. der Brutto-Gesamtschuldenstandam Jahresende) und dem Bruttoinlandsprodukt(Schuldenquote) sowie

● 3 % für das Verhältnis zwischen dem öffentlichen De-fizit und dem Bruttoinlandsprodukt (Defizitquote).

bilitätskriterien gelten als Obergrenzen, d. h. bei Über-schreitung dieser Kriterien besteht ein übermäßiges Defi-zit, soweit nicht besondere Umstände vorliegen. Darüberhinaus haben sich die Mitgliedstaaten im EuropäischenStabilitäts- und Wachstumspakt vom Juni 1997 ver-pflichtet, mittelfristig nahezu ausgeglichene oder Über-schüsse aufweisende Haushalte anzustreben.

Um die Haushaltsentwicklung überwachen und Anzei-chen möglicher finanzwirtschaftlicher Fehlentwicklungenerkennen zu können, wurde ein so genanntes Frühwarn-system eingerichtet. Hierzu legen die Mitgliedstaatendem Rat der EU-Wirtschafts- und Finanzminister(ECOFIN-Rat) und der Europäischen Kommission jähr-lich Stabilitätsprogramme bzw. Konvergenzprogramme(bei Ländern, die die einheitliche Währung noch nichteingeführt haben) vor, in denen die mittelfristigen haus-haltspolitischen Ziele dargelegt werden. Die Umsetzungder Programme wird von der Kommission und vomECOFIN-Rat überwacht. Daneben überprüft die Kom-mission anhand der genannten Stabilitätskriterien regel-mäßig die Einhaltung der Haushaltsdisziplin. Hält sie einübermäßiges Haushaltsdefizit für gegeben, legt sie ihreEmpfehlung dem ECOFIN-Rat vor, der mit qualifizierterMehrheit darüber entscheidet, ob in dem betroffenen Mit-gliedstaat ein übermäßiges Defizit besteht. In der Folge

33 In der am 1. Februar 2003 in Kraft getretenen Fassung des Vertragsvon Nizza.

Drucksache 16/XXXX – 106 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

richtet der Rat eine Empfehlung an den betroffenen Mit-gliedstaat mit dem Ziel, das übermäßige Defizit auf derGrundlage von Empfehlungen des ECOFIN-Rates zu kor-rigieren. Gelingt dies nicht, so kann gegenüber dem Mit-gliedstaat eine Sanktion – z. B. eine unverzinsliche Ein-lage von bis zu 0,5 % des Bruttoinlandsproduktes –ausgesprochen werden. Besteht das übermäßige Defizitauch danach weiter, so kann die Einlage in eine nichtrückzahlbare Geldbuße umgewandelt werden.

2.7.1.2 Entwicklung von Schuldenstand und Staatsdefizit

Seit Einführung des haushaltspolitischen Meldeverfah-rens im Jahre 1993 haben sich Schuldenquote und Defi-zitquote in Deutschland unterschiedlich entwickelt:

● Der öffentliche Schuldenstand hat sich gegenüberdem Jahre 1993 aufgrund der beschriebenen erhebli-chen Schuldenzuwächse vor allem beim Bund (vgl.Nr. 2.5) deutlich erhöht. Nach einer kurzen Konsoli-dierungsphase in den Jahren 2000 und 2001 – vor al-lem dank der günstigen Wirtschaftsentwicklung undder zur Schuldentilgung eingesetzten Erlöse aus derVersteigerung der Mobilfunklizenzen – steigt die Ge-

samtverschuldung seit dem Jahre 2002 unvermindertan und wird zum Jahresende 2006 voraussichtlichrund 69 % des Bruttoinlandsproduktes betragen (vgl.Abbildung 16).

● Die Defizitquote hat sich seit dem Jahre 1993 zwi-schen 1,2 % und 4,0 % des Bruttoinlandsproduktes be-wegt. Nachdem das Defizit in den Jahren 1999 und2000 seine niedrigsten Werte erreichte, hat es sich da-nach innerhalb von zwei Jahren mehr als verdoppelt;es lag in den Jahren 2003 und 2004 mit 4,0 % bzw.3,7 % des Bruttoinlandsproduktes sogar deutlich hö-her als im „Rezessionsjahr“ 1993 mit 3,0 %. Im Jahre2005 konnte das Defizit auf 3,3 % verringert werden;es überschreitet jedoch weiterhin die Obergrenze von3 % (vgl. Abbildung 17). Für das Jahr 2006 rechnetdie Bundesregierung damit, dass das Defizit auf 3,1 %sinkt.34 Aufgrund der günstigen konjunkturellen Ent-wicklung dürfte das Defizit zum Jahresende 2006 so-gar unter 3 % liegen.

34 Vgl. Bericht des BMF zur Umsetzung von Maßnahmen für den zurHaushaltssanierung erforderlichen Abbau des übermäßigen Defizitsvom 5. Juli 2006.

A b b i l d u n g 16

Entwicklung der Schuldenquote1

1 Unter Berücksichtigung der vom Statistischen Bundesamt veröffentlichten Ergebnisse der Revision der VGR; 2006: Schätzung (Stand: August 2006).

779 857 1 028 1 096 1 143 1 185 1 224 1 231 1 242 1 293 1 381 1 451 1 521 rd.1 58046,0 %

48,1 %

55,6 % 58,4 % 59,6 % 60,3 % 60,9 % 59,7 % 58,8 %

60,3 %

63,8 %65,5 %

67,7 % 69 %

Schulden in Mrd. Euro

60,0 %: Referenzwert

1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006Jahr

0,0 %

10,0 %

20,0 %

30,0 %

40,0 %

50,0 %

60,0 %

70,0 %

80,0 %

Pro

zent

vom

BIP

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 107 – Drucksache 16/XXXX

A b b i l d u n g 17

Entwicklung der Defizitquote1

1 Unter Berücksichtigung der vom Statistischen Bundesamt veröffentlichten Ergebnisse der Revision der VGR; Defizitquote 2000: Ohne Berück-sichtigung der Erlöse aus der Versteigerung der Mobilfunklizenzen (rund 50,8 Mrd. Euro); 2006: Schätzung (Stand: August 2006).

3,0 %

2,3 %

3,2 %3,3 %

2,6 %

2,2 %

1,5 %

1,2 %

2,8 %

3,7 %

4,0 %

3,7 %

3,3 %

3,1 %

50,9 40,9 59,1 62,5 50,6 42,7 29,3 23,7 59,6 86,6 81,279,6 74,5 rd. 72

Defizit in Mrd. Euro

3,0%: Referenzwert

1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006Jahr

0,0 %

0,5 %

1,0 %

1,5 %

2,0 %

2,5 %

3,0 %

3,5 %

4,0 %

4,5 %

Pro

zent

vom

BIP

Die öffentlichen Haushalte in Deutschland sind nach wie Der Rat hat Deutschland aufgefordert,

vor weit vom Ziel eines in konjunkturellen Normallagennahezu ausgeglichenen oder Überschüsse aufweisendenHaushalts entfernt. Der ECOFIN-Rat hat in seiner Stel-lungnahme vom 14. März 2006 zum aktualisierten Stabi-litätsprogramm Deutschlands für 2005 bis 2009 (Rats-dokument 2006/C 82/02) festgestellt, dass die darinaufgezeigten Vorschläge zur Haushaltskonsolidierung mitder Korrektur des übermäßigen Defizits bis zum Jahre2007 vereinbar scheinen, die Erreichung der Haushalts-ziele und die langfristige Tragfähigkeit der öffentlichenFinanzen jedoch mit Risiken behaftet sind. Die Sozialaus-gaben, deren Eindämmung wesentlich zur Haushaltskon-solidierung beitragen soll, sind nach Auffassung desRates einer der Hauptgründe dafür, dass die in den Stabi-litätsprogrammen der Vorjahre festgelegten Haushalts-ziele verfehlt wurden. Der Rat bemängelt, dass das aktua-lisierte Stabilitätsprogramm Deutschlands Lücken bei denim neuen Verhaltenskodex35 vorgeschriebenen Angabenaufweist. Insbesondere fehlten Daten zur Arbeitslosigkeitsowie eine Aufschlüsselung der Steuereinnahmen.

● zu gewährleisten, dass die vorgesehenen Maßnahmenzur Veränderung des strukturellen Defizits um mindes-tens einen Prozentpunkt in den Jahren 2006 und 2007durchgeführt werden, um das gesamtstaatliche Defizitspätestens im Jahre 2007 nachhaltig unter 3 % desBruttoinlandsprodukts zu senken;

● nach der Korrektur des übermäßigen Defizits das mit-telfristige Haushaltsziel durch eine Reduzierung desstrukturellen Saldos um jährlich mindestens 0,5 Pro-zentpunkte rasch zu erreichen. Dazu sind insbesonderedie geplante Ausgabenbeschränkung durch denAbbau von Subventionen sowie Kürzungen bei denSozialausgaben rigoros umzusetzen, damit die vorge-sehene Entlastung der sozialen Sicherungssystemeeingeleitet werden kann.36 Gleichzeitig ist sicherzustel-len, dass die angekündigte Reform der Körperschafts-steuer die Finanzkonsolidierung nicht gefährdet;

35 Vgl. Richtlinien zu Form und Inhalt der Stabilitäts- und Konvergenzpro-gramme („Verhaltenskodex“), im Rahmen der Reform des Stabilitäts-und Wachstumspaktes überarbeitete Fassung vom September 2005.

36 Eine nachhaltige Konsolidierungsstrategie und stärkere Anstrengun-gen beim Defizitabbau gerade in Ländern mit übermäßigen Haus-haltsdefiziten sowie Reformen im Sozialversicherungsbereich for-dert auch die Europäische Zentralbank, vgl. Monatsbericht Juni2006, S. 77–79.

Drucksache 16/XXXX – 108 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

● die geplante Föderalismusreform durchzuführen, umsicherzustellen, dass die Haushaltsziele auf allen staat-lichen Ebenen erreicht werden.

In seiner Entscheidung vom 14. März 2006 hat derECOFIN-Rat Deutschland mit der Maßgabe in Verzuggesetzt, das bestehende übermäßige Defizit spätestens imJahre 2007 zu beenden. Auf Vorschlag der EU-Kommis-sion wurde damit das seit mehr als zwei Jahren ruhendeDefizitverfahren verschärft, um eine langfristige Defizit-Korrektur zu garantieren. Deutschland hat der EU-Kom-mission bis zum 14. Juli 2006 sowie zu vier Folgetermi-nen jeweils einen Bericht über die Maßnahmen zur Kor-rektur des Defizits vorzulegen.

Nach dem Umsetzungsbericht vom 5. Juli 2006 (vgl.Fn. 34) rechnet die Bundesregierung mit einem Staatsde-fizit von voraussichtlich 3,1 % für das Jahr 2006 und2,5 % für das Jahr 2007. Aufgrund der von Bund undLändern auf den Weg gebrachten Konsolidierungsmaß-nahmen soll das strukturelle Defizit in den Jahren 2006und 2007 um insgesamt rund einen Prozentpunkt gesenktwerden. Nach Auffassung der Bundesregierung sind da-mit die Auflagen erfüllt, die der ECOFIN-Rat am14. März 2006 gestellt hat. Die EU-Kommission hat vor-geschlagen, das verschärfte Defizitverfahren gegenDeutschland ruhen zu lassen; die sich aus diesem Verfah-ren ergebende Verpflichtung zu regelmäßiger Bericht-erstattung besteht aber fort.

2.7.2 Innerstaatliche Regelungen zur Erfüllung der Stabilitätsverpflichtungen

Der Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktverpflichtet alle Mitgliedstaaten, ihre innerstaatlichenHaushaltsverfahren so auszugestalten, dass sie die finanz-wirtschaftlichen Stabilitätsvorgaben erfüllen. Der Bun-desrechnungshof hat seit Jahren empfohlen, dass Bundund Länder ihrer gemeinsamen Verantwortung für dieEinhaltung der Haushaltsdisziplin nachkommen und nochvorhandene Regelungslücken im Nationalen Stabilitäts-pakt schließen. Dies betrifft insbesondere

● verbindliche Regelungen, wie mögliche Sanktionszah-lungen an die Europäische Union zwischen Bund undLändern sowie unter den Ländern aufzuteilen sind,

● die Möglichkeit des Finanzplanungsrates, Bund undLändern verbindliche Vorgaben zur Wahrung derHaushaltsdisziplin zu machen.

2.7.2.1 Innerstaatliche Sanktionsaufteilung

Die zum 1. Juli 2002 in Kraft getretene Regelung des§ 51a Haushaltsgrundsätzegesetz sieht ein Verfahrenzur innerstaatlichen Umsetzung der Vorgaben des Euro-päischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes vor. Hiernachstreben Bund und Länder eine Rückführung der Netto-neuverschuldung mit dem Ziel ausgeglichener Haushaltean. Mit der im Rahmen der Föderalismusreform verab-schiedeten Vorschrift des Artikels 109 Abs. 5 Grundge-setz (nF) wird bestimmt, dass eine gemeinsame Verant-wortung von Bund und Ländern zur Einhaltung der

Haushaltsdisziplin besteht (Satz 1); des weiteren wirdfestgelegt, wie die Kosten möglicher Sanktionszahlun-gen Deutschlands an die Europäische Union wegen einesübermäßigen Defizits zwischen den Gebietskörperschaf-ten aufgeteilt werden (Sätze 2 und 3). Damit wird die ge-samtstaatliche Verantwortung der Gebietskörperschaftenfür die Erfüllung der europäischen Stabilitätsvorgabenerstmals verfassungsrechtlich verankert. Die Schaffungeines Nationalen Stabilitätspaktes entspricht einer lang-jährigen Forderung des Rechnungsprüfungsausschussesdes Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestagesaufgrund entsprechender Empfehlungen des Bundesrech-nungshofes. In Artikel 109 Abs. 5 Grundgesetz (nF) undin den Ausführungsbestimmungen (Sanktionszahlungs-Aufteilungsgesetz) ist festgelegt, dass mögliche Sank-tionszahlungen zwischen Bund und der Gesamtheit derLänder im Verhältnis 65 % zu 35 % aufzuteilen sind.35 % des Länderanteils tragen die Länder entsprechendihrer Einwohnerzahl. Die restlichen 65 % tragen diejeni-gen Länder, deren Haushalte ein Finanzierungsdefizitausweisen. Die Höhe bemisst sich dabei nach dem Anteildes Finanzierungsdefizits des jeweiligen Landes an derSumme der Finanzierungsdefizite aller Länder (Verursa-chungsbeitrag). Damit besteht nunmehr eine klareRegelung für den Fall, dass Deutschland unverzinslicheEinlagen oder Geldbußen wegen Verletzung der Haus-haltsdisziplin zu leisten hat.

Durch die Normierung fester Aufteilungsquoten zwischenBund und Ländern wird allerdings darauf verzichtet, eineverursachungsbezogene Aufteilung der Sanktionen vorzu-schreiben. Diese Aufteilung wäre sachgerechter, würdeaber ein Verfahren zur Bestimmung der Quoten erfordern,an das sich alle Beteiligten halten. Angesichts der jahre-langen Weigerung der Länder, sich an möglichen Sank-tionszahlungen zu beteiligen, bestehen erheblicheZweifel, ob ein derartiges Defizit- und Sanktionsauftei-lungsverfahren überhaupt Aussicht auf Realisierung hat.Die Vorab-Aufteilung möglicher Sanktionen zwischenBund und Länder erscheint daher als vertretbare Kompro-misslösung.

Der gemäß Artikel 109 Abs. 5 Satz 2 Grundgesetz (nF)vom Bund an Sanktionszahlungen zu tragende Anteil von65 % gegenüber einem Länderanteil von 35 % wird derbestehenden Haushalts- und Verschuldungslage nachAuffassung des Bundesrechnungshofes nicht ganz ge-recht. Zwar entfielen auf den Bund (einschließlich Sozial-versicherung) im Zehnjahreszeitraum 1996 bis 2005durchschnittlich 68 % des gesamtstaatlichen Defizits. Derhohe Anteil des Bundes am gesamtstaatlichen Defizit(und an der Gesamtverschuldung) hat allerdings beson-dere Gründe:

● Der Bund hat seit Jahren z. T. deutlich niedrigereDeckungsquoten37 als die Länder (vgl. Nr. 2.6.2).

37 Anteil der Ausgaben, die durch so genannte laufende, d. h. nicht kre-ditfinanzierte Einnahmen abgedeckt sind.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 109 – Drucksache 16/XXXX

Seinen Anspruch gemäß Artikel 106 Abs. 3 Satz 4Nr. 1 Grundgesetz auf zusätzliche Umsatzsteueranteilehat er aber bislang gegenüber den Ländern nichtdurchsetzen können mit der Folge, dass er sich ent-sprechend höher verschuldete.

● Der Bund macht seit Jahren erhebliche finanzielle Zu-geständnisse gegenüber den Ländern und Gemeinden,nicht zuletzt um deren Zustimmung zu wesentlichenReformvorhaben zu gewinnen (u. a. Solidarpakt I undII, Familienleistungsausgleich, Regionalisierung desSchienenpersonennahverkehrs im Zuge der Bahnre-form, Vorziehen der letzten Stufe der Steuerreform imJahre 2004, Arbeitsmarktreformen). Diese finanzrele-vanten Folgen früherer Reformprojekte haben denBundeshaushalt in erheblichem Umfang zusätzlich be-lastet (vgl. Nr. 2.3.2).

● Zudem müsste im Rahmen der Defizit- und Sanktions-aufteilung angemessen berücksichtigt werden, dassBundeshaushalt und Sozialversicherung in besonde-rem Maß von konjunkturellen Schwankungen ab-hängen. So muss der Bundeshaushalt die Folgen desschwachen Wirtschaftswachstums und der hohen Ar-beitslosenzahlen in Form erheblicher Mehrausgabenfür den Arbeitsmarkt und für die Rentenversicherungtragen.38

Vor diesem Hintergrund wäre eine niedrigere Beteili-gungsquote des Bundes an möglichen Sanktionszahlun-gen durchaus gerechtfertigt gewesen. Es ist allerdingsunwahrscheinlich, dass die Länder eine abweichendeQuotenaufteilung zu ihren Ungunsten akzeptiert hätten.

2.7.2.2 Innerstaatliche Wahrung der Haushaltsdisziplin

Wesentliche Eckpunkte für die Beachtung innerstaatli-cher Verschuldungsgrenzen sowie ein Verfahren zur Er-kennung, Vermeidung bzw. Beseitigung übermäßiger De-fizite in den öffentlichen Haushalten werden durchArtikel 109 Abs. 5 Grundgesetz (nF) nicht explizit gere-gelt. Allerdings könnte die verfassungsmäßige Veranke-rung des Nationalen Stabilitätspakts dazu beitragen, daseinfachgesetzlich geregelte Verfahren zur Einhaltung der

Haushaltsdisziplin von Bund und Ländern (§ 51a HGrG)aufzuwerten. Dies könnte auch die Umsetzung gemeinsa-mer Konsolidierungsziele von Bund und Ländern för-dern.

Bei der Durchsetzung der von allen Beteiligten als not-wendig erkannten Haushaltskonsolidierung bestehen je-doch immer noch Regelungserfordernisse:

● So sind die Empfehlungen des Finanzplanungsrats zurEinhaltung der Haushaltsdisziplin in Bund und Län-dern bislang nicht sanktionsbewehrt.

● Zudem fehlt es an einem „Frühwarnsystem“ zur recht-zeitigen Erkennung von Haushaltskrisen sowie an ver-bindlichen Vorgaben zur Einhaltung bzw. Wieder-erlangung stabilitätskonformer Haushalte. Dies umfasstauch die Aufteilung eines von Bund und Ländern zubeachtenden Höchstwerts für das Defizit.

● Keine Abstimmung zwischen Bund und Ländern be-steht bislang auch bei der Vorstufe von Sanktions-zahlungen, nämlich die Erfüllung von Auflagen desECOFIN-Rates zur Korrektur des als überhöht festge-stellten Defizits.

Die Länder haben unter Hinweis auf die in Artikel 109Abs. 1 Grundgesetz statuierte Haushaltsautonomie bis-lang entsprechende Regelungen abgelehnt.

Aus Sicht des Bundesrechnungshofes wäre die vorgesehenezweite Stufe der Föderalismusreform, die insbesondere aufeine Neuregelung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen ab-zielt, eine geeignete Plattform, um ein innerstaatlichesDefizitverfahren einzurichten. In diesem Rahmen könn-ten die bisherigen Regelungen zum Nationalen Stabili-tätspakt konkretisiert und damit gewährleistet werden,dass die gemeinschaftsrechtlichen Stabilitätskriterien um-fassend im innerstaatlichen Bereich umgesetzt werden.Hierzu gibt es bereits eine Reihe von fundierten Vorschlä-gen von Experten aus Wissenschaft und Praxis39, auf diebei der Ausarbeitung entsprechender Regelungen zurück-gegriffen werden könnte.

38 Vgl. dazu auch die Deutsche Bundesbank (DefizitbegrenzendeHaushaltsregeln und nationaler Stabilitätspakt in Deutschland – Mo-natsbericht April 2005, S. 36): Danach ist bei der Aufteilung von De-fizitobergrenzen zu berücksichtigen, dass der Bund einen zyklischvolatileren Haushalt hat, da sich hier neben den konjunkturellenSchwankungen bei den Steuereinnahmen insbesondere die zykli-schen Defizite bei der Bundesagentur für Arbeit niederschlagen. We-gen der höheren Konjunkturanfälligkeit wäre deshalb prinzipiell eingrößerer Anteil des Bundes (am Defizit) angezeigt. Dem steht freilichdie Verpflichtung zu entsprechend höheren Überschüssen in einergünstigen konjunkturellen Lage gegenüber. Gleicher Auffassung istwohl auch der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamt-wirtschaftlichen Entwicklung, vgl. Jahresgutachten 2004/05, Bun-destagsdrucksache 15/4300, Tz. 810.

39 Vgl. u. a. Verbesserungsvorschläge für die Umsetzung des Deut-schen Stabilitätspaktes – Gutachten des Wissenschaftlichen Beiratsbeim Bundesministerium der Finanzen, Band 75, Juli 2003; Haus-haltskrisen im Bundesstaat – Gutachten des WissenschaftlichenBeirats beim Bundesministerium der Finanzen, Band 78, April 2004;Nationaler Stabilitätspakt zur Begrenzung von Verschuldungs-anreizen – Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirt-schaftlichen Entwicklung, Jahresgutachten 2004/05, Tz. 803–814;Zur finanziellen Stabilität des Deutschen Föderalstaates – Gut-achten des Wissenschaftlichen Beirats beim BMWi, BMWA-Doku-mentation 551, Juli 2005; Den Stabilitäts- und Wachstumspakthärten – Studien des Kronberger Kreis, Band 43, S. 58–69, StiftungMarktwirtschaft, März 2005; Defizitbegrenzende Haushaltsregelnund nationaler Stabilitätspakt in Deutschland – Deutsche Bundes-bank, Monatsbericht April 2005, S. 23–38; Zur Lage der Länder-finanzen in Deutschland – Deutsche Bundesbank, MonatsberichtJuli 2006, S. 51–54.

Drucksache 16/XXXX – 110 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

3 Schwachstellen bei Hartz IV beseitigen und Vollzug verbessern

3.0

Der Bundesrechnungshof hat bei der Grundsicherung fürArbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch(Hartz IV-Gesetz) erhebliche Mängel festgestellt. Sie be-trafen insbesondere den Bezug von Leistungen, die Be-treuung der Arbeitsuchenden, die so genannten Ein-Euro-Jobs sowie die Verwaltungsorganisation und die Steue-rung der Aufgabenerledigung. Der Gesetzgeber hat mitdem Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung fürArbeitsuchende das SGB II in zahlreichen Punkten nach-gebessert. Aus Sicht des Bundesrechnungshofes sind je-doch weitere Regelungen notwendig, um die Leistungender Grundsicherung wirksam und wirtschaftlich zu er-bringen.

3.1 Aufgabe und Ziel der Grundsicherung für Arbeitsuchende

Zum 1. Januar 2005 wurden die Arbeitslosenhilfe und dieSozialhilfe für erwerbsfähige Personen zu einer staatlichenFürsorgeleistung – der Grundsicherung für Arbeitsuchende(Grundsicherung) mit dem Arbeitslosengeld II – zusam-mengefasst. Rechtsgrundlage dieser Grundsicherung istdas Zweite Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Die Grundsicherung soll nach dem Willen des Gesetzge-bers die Eigenverantwortung der erwerbsfähigen Hilfe-bedürftigen (Hilfebedürftige) stärken. Ziel ist, dass dieHilfebedürftigen und die mit ihnen in einer Bedarfge-meinschaft lebenden Personen ihren Lebensunterhalt zu-künftig unabhängig von staatlichen Transferleistungenbestreiten können (Hilfe zur Selbsthilfe). Die Grundsi-cherung folgt deshalb den Grundsätzen des „Forderns“und des „Förderns“. Danach müssen die Hilfebedürftigenaktiv an ihrer Eingliederung in Arbeit mitwirken. DieTräger der Leistungen der Grundsicherung haben sie da-bei umfassend zu unterstützen und sollen unter Beach-tung der Grundsätze von Wirtschaftlichkeit und Sparsam-keit alle im Einzelfall dafür notwendigen Leistungenerbringen.

Die Hilfebedürftigen sollen möglichst unmittelbar – ggf.unter Nutzung finanzieller Eingliederungshilfen oder Maß-nahmen der beruflichen Qualifizierung – in den allgemei-nen Arbeitsmarkt integriert werden. Ist dies in absehbarerZeit nicht möglich, sind sie verpflichtet, zumutbare Ar-beitsgelegenheiten im öffentlich geförderten (zweiten) Ar-beitsmarkt – so genannte Ein-Euro-Jobs – anzunehmen(Arbeitsgelegenheiten). Scheitert auch dies, sollen die In-tegrationschancen durch flankierende Leistungen verbes-sert werden (z. B. durch Hilfen bei der Betreuung vonKindern, Schuldner- und Suchtberatung). Soweit keinedirekte Integration in den Arbeitsmarkt möglich ist, sol-len zumindest Integrationsfortschritte erzielt werden.

3.2 Organisation, Aufsicht und Finanzierung

Träger der Grundsicherung sind die Bundesagentur fürArbeit (Bundesagentur) und die kreisfreien Städte undKreise (Kommunen). Die Bundesagentur ist dabei verant-wortlich für die Leistungen zur Eingliederung in Arbeitund das Arbeitslosengeld II. Die Kommunen sind verant-wortlich für die Leistungen für Unterkunft und Heizung,einmalige Bedarfe für den Lebensunterhalt sowie dieflankierenden Eingliederungsleistungen.

Im Bereich einiger Kommunen erbringen die jeweiligenTräger, d. h. die Agenturen für Arbeit und die Kommu-nen, die Leistungen getrennt.

Im Regelfall erbringt hingegen eine Grundsicherungs-stelle alle Leistungen aus einer Hand, damit die Hilfebe-dürftigen nur einen Ansprechpartner haben. Als Grundsi-cherungsstellen haben die Kommunen und die Agenturen350 so genannte Arbeitsgemeinschaften errichtet. Dane-ben wurde 69 Kommunen auf Antrag gestattet, für einenZeitraum von sechs Jahren alle Aufgaben der Grundsi-cherungsstelle und des Trägers der Leistungen zu über-nehmen (zugelassene kommunale Träger). Damit sollenalternative Modelle der Eingliederung von Hilfebedürfti-gen erprobt werden.

Die Bundesagentur unterliegt im Bereich der Grundsiche-rung der Rechts- und Fachaufsicht des Bundesministe-riums für Arbeit und Soziales (Bundesministerium). DieAufsicht über die Arbeitsgemeinschaften führt die zustän-dige oberste Landesbehörde im Benehmen mit dem Bun-desministerium. Die Aufsicht über die zugelassenen kom-munalen Träger obliegt den zuständigen Landesbehörden.

Die Kosten der Leistungen der Grundsicherungsstellensowie die Verwaltungskosten tragen Bund und Kommu-nen jeweils für diejenigen Leistungen, bei denen sie Trä-ger sind. Als Ausnahme von diesem Prinzip beteiligt sichder Bund allerdings derzeit zusätzlich mit 29,1 % an denKosten für Unterkunft und Heizung, um die Kommunenum jährlich 2,5 Mrd. Euro zu entlasten.

Ende Juli 2006 hatten rund 7 Millionen Personen in rund3,9 Millionen Bedarfsgemeinschaften Anspruch auf Leis-tungen der Grundsicherung. Davon bezogen rund 5 Mil-lionen Hilfebedürftige Arbeitslosengeld II. Da der größteTeil der Leistungen der Grundsicherungsstellen in Träger-schaft der Bundesagentur steht, trägt der Bund den weitüberwiegenden Teil der Kosten. Er wendete im Jahre2005 rund 35,2 Mrd. Euro für die Grundsicherung auf.Für das Jahr 2006 hat er rund 38,3 Mrd. Euro veran-schlagt, davon rund 24,4 Mrd. Euro für Arbeitslosen-geld II und rund 6,5 Mrd. Euro für Leistungen zur Ein-gliederung in Arbeit.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 111 – Drucksache 16/XXXX

3.3 Schwachstellen beim Gesetzesvollzug

Der Bundesrechnungshof hat die Grundsicherung mit Un-terstützung der Prüfungsämter des Bundes Berlin, Hanno-ver, Köln, München und Stuttgart in einer Vielzahl vonPrüfungen untersucht. Er hat dabei insbesondere in fol-genden Bereichen erhebliche Schwachstellen festgestellt:

● Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug von Leis-tungen,

● Leistungen zur Eingliederung in Arbeit,

● Organisation einschließlich Rechts- und Fachaufsicht.

Die Mängel lassen sich im Wesentlichen auf folgende Ur-sachen zurückführen:

● Unzureichende Bearbeitungsqualität,

● materielle Defizite des Gesetzes im Hinblick auf ein-zelne Tatbestandsvoraussetzungen bei der Leistungs-gewährung und bei den Sanktionsmöglichkeiten,

● strukturelle Probleme der Organisation,

● das Auseinanderfallen von Finanz- und Fachverant-wortung.

Die Schwachstellen haben dazu geführt, dass die Leistun-gen der Grundsicherung teilweise nicht wirksam undnicht wirtschaftlich erbracht wurden. Sie gefährden dieZielerreichung des Hartz IV-Gesetzes.

Im Mai 2006 hat der Bundesrechnungshof dem Parlamentüber die Mängel bei der Grundsicherung berichtet undVerbesserungsvorschläge gemacht.1 Der Gesetzgeber haterste Optimierungsmaßnahmen eingeleitet und dabeiauch Anregungen des Bundesrechnungshofes aufgegrif-fen: So wurde ein verbindlicher Maßstab zur Genehmi-gung von Abwesenheitszeiten und zur Leistungsgewäh-rung bei fehlender Erreichbarkeit eingeführt. Zudemwurde eine Ermächtigungsgrundlage für Verwaltungsvor-schriften zur Abrechnung von Verwaltungskosten ge-schaffen.2

Der Bundesrechnungshof hat im Verlauf des Jahres 2006weitere Prüfungen durchgeführt. Aufgrund seiner Prü-fungserkenntnisse hält er ergänzende gesetzliche Ände-rungen und eine Verbesserung des Vollzugs der Grundsi-cherung für unverzichtbar. Vor diesem Hintergrundnimmt er seine diesjährigen Bemerkungen zum Anlass,über ausgewählte Prüfungsfeststellungen und Empfehlun-gen aus dem Bereich der Grundsicherung zusammenfas-send zu berichten.

3.4 Leistungen zur Eingliederung in Arbeit

3.4.1 Vermittlungsgespräche und Eingliederungsvereinbarungen

Ein wesentliches Ziel des Hartz IV-Gesetzes ist dieschnelle und passgenaue Vermittlung der Hilfebedürfti-gen in Arbeit. Verfahrenstechnisches Kernelement ist dasFallmanagement, bei dem zunächst die konkrete Bedarfs-lage des Betroffenen erhoben wird (sog. Profiling);darauf aufbauend soll dann ein individuelles Angebotunter aktiver Mitarbeit des Hilfebedürftigen geplant undgesteuert werden (Eingliederungsvereinbarung).3

Nach den Prüfungserkenntnissen des Bundesrechnungs-hofes waren die Eingliederungsaktivitäten der Grundsiche-rungsstellen unzureichend. Sie schöpften ihre Möglichkei-ten nicht aus, Hilfebedürftige in Arbeit zu integrierenoder zumindest Integrationsfortschritte zu erzielen. Sohatten sie mit einem Drittel der Hilfebedürftigen nochkeine Beratungsgespräche geführt, um Vermittlungshemm-nisse aufzudecken und ggf. eine Vermittlungsstrategie ab-zustimmen. Die betroffenen Personen bezogen seit durch-schnittlich siebeneinhalb Monaten Leistungen zurSicherung des Lebensunterhalts. In etwa der Hälfte dergeprüften Fälle hatten die Grundsicherungsstellen entge-gen der gesetzlichen Verpflichtung keine Eingliederungs-vereinbarungen abgeschlossen. Die Hilfebedürftigen war-teten durchschnittlich drei Monate auf ein qualifiziertesErstgespräch zur Abstimmung einer Vermittlungsstrate-gie und vier Monate auf eine Eingliederungsvereinba-rung.

Selbst in Fällen, in denen Eingliederungsvereinbarungenabgeschlossen worden waren, unterbreiteten die Grundsi-cherungsstellen häufig keine Vermittlungsvorschläge undunterließen es, die Ergebnisse von Bewerbungen und Vor-stellungen auszuwerten. Auch die Gruppe der unter25jährigen Hilfebedürftigen wurde nicht ausreichend be-treut, obwohl die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeitim Prüfungszeitraum zu den besonderen geschäftspoliti-schen Schwerpunkten gehörte.

Die festgestellten Mängel waren teilweise auf eine unzu-reichende Qualifikation der Vermittlungsfachkräfte zu-rückzuführen. Bei den Grundsicherungsstellen war einhoher Anteil befristet Beschäftigter tätig, der keine ein-schlägige Ausbildung besaß und mit den Eingliederungs-instrumenten nicht vertraut war. Zudem herrschte einestarke Personalfluktuation. Die geprüften zugelassenenkommunalen Träger schnitten bei den Vermittlungsaktivi-täten etwas schlechter ab als die Arbeitsgemeinschaften.Den Beschäftigten halfen häufig die bei der Bundesagen-tur gesammelten Erfahrungen auf dem Gebiet der Ar-beitsförderung.

Das Bundesministerium hat die Bedeutung der Eingliede-rungsvereinbarungen für die Integration in Arbeit bestä-tigt. Es habe im Dezember 2005 mit den kommunalenSpitzenverbänden und der Bundesagentur Mindeststan-

1 Vgl. Bericht des Bundesrechnungshofes nach § 88 Abs. 2 BHO anden Haushaltsausschuss und an den Ausschuss für Arbeit und Sozia-les des Deutschen Bundestages „Durchführung der Grundsicherungfür Arbeitsuchende – Wesentliche Ergebnisse der Prüfungen imRechtskreis des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch“; Haushaltsaus-schussdrucksache 16/1253.

2 Vgl. Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeit-suchende vom 20. Juli 2006, BGBl. I, S. 1706.

3 Vgl. Begründung Hartz IV-Gesetz, Allgemeiner Teil (II 1. a), Bun-destagsdrucksache 15/1516, S. 44.

Drucksache 16/XXXX – 112 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

dards für die Vermittlungstätigkeit der Arbeitsgemein-schaften definiert. Diese enthielten konkrete Zeitvorgaben,innerhalb derer Eingliederungspläne mit den Hilfebedürf-tigen vereinbart oder zumindest vorbereitet werden soll-ten. Zudem seien Qualifizierungsmaßnahmen für dieFach- und Führungskräfte der Arbeitsgemeinschaften inPlanung. Das Bundesministerium geht im Übrigen davonaus, dass die unzureichenden Vermittlungsaktivitäten derAufbauphase der Grundsicherungsstellen geschuldetseien.

Folgeprüfungen des Bundesrechnungshofes im Verlaufdes Jahres 2006 belegen jedoch weiter bestehende Män-gel bei den Initiativen zur Eingliederung in Arbeit. DasBundesministerium sollte deshalb die eingeleiteten Ver-besserungsmaßnahmen zügig umsetzen und sicherstellen,dass in diesem Bereich stärker als bisher kontrolliertwird. Eine wirksame Steuerung wird jedoch dadurch er-schwert, dass der Aufsicht des Bundesministeriums engeGrenzen gesetzt sind und insbesondere die angeführtenMindeststandards für die zugelassenen kommunalen Trä-ger nicht verbindlich sind (vgl. Nr. 3.5.3).

3.4.2 Arbeitsgelegenheiten

Bei der Einrichtung von Arbeitsgelegenheiten, den so ge-nannten Ein-Euro-Jobs, unterliefen den Grundsicherungs-stellen zahlreiche, teilweise gravierende Fehler. Die För-derung war in diesen Fällen nicht rechtmäßig oderbereitete die Hilfebedürftigen nicht ausreichend auf einedauerhafte Eingliederung in den Arbeitsmarkt vor.

Arbeitsgelegenheiten sollen dazu dienen, die Beschäfti-gungs-Chancen auf dem ersten Arbeitsmarkt zu erhöhen.Sie werden von öffentlich-rechtlichen Trägern wie Kom-munen und deren Beschäftigungsgesellschaften oder vonprivaten Organisationen wie Pflegeeinrichtungen durch-geführt (Maßnahmeträger). Arbeitsgelegenheiten sind dasletzte Mittel zur Überwindung von Arbeitslosigkeit, dür-fen reguläre Beschäftigung nicht verdrängen und denWettbewerb nicht verzerren. Sie sollen daher nur denjeni-gen Hilfebedürftigen angeboten werden, denen Arbeitzwar zumutbar ist, die derzeit aber keine Aussicht auf Be-schäftigung im ersten Arbeitsmarkt haben. Im Jahre 2005traten rund 630 000 Personen in Arbeitsgelegenheitenein. Der Bund wendete hierfür zusätzlich zu den Arbeits-losengeld II-Leistungen rund 1,1 Mrd. Euro auf.

Die Bundesagentur hat unter Beteiligung des Bundes-ministeriums und der Kommunalen Spitzenverbände eineArbeitshilfe zur Umsetzung von Arbeitsgelegenheiten er-lassen, die Eckpunkte, Empfehlungen und Vorschlägeenthält.

Der Bundesrechnungshof hat festgestellt, dass bei fast ei-nem Viertel der geprüften Maßnahmen mit Arbeitsgele-genheiten die Förderungsvoraussetzungen nicht vorlagen,weil die Tätigkeiten nicht im öffentlichen Interesse, nichtzusätzlich oder nicht wettbewerbsneutral waren. Bei wei-teren knapp 50 % der geprüften Fälle hatten die Grundsi-cherungsstellen keine Kenntnis über Art und Umfang derauszuübenden Tätigkeiten und möglicher Qualifizierun-gen. Die Förderungsfähigkeit war damit zweifelhaft. Die

Grundsicherungsstellen überließen häufig wesentlicheTeile des Fallmanagements, wie das Profiling und dieAuswahl der konkreten Maßnahme, den beauftragtenMaßnahmeträgern. Sie waren nicht ausreichend überMaßnahmeinhalte und Einsatzorte informiert.

Die Grundsicherungsstellen gewährten Maßnahmeträgernüberwiegend eine monatliche Kostenpauschale für dieBeschäftigung in Höhe von durchschnittlich 255 Euro proArbeitsgelegenheit. Sie unterließen es aber, eine Kalkula-tion der Kosten anzufordern und die Notwendigkeit dergeltend gemachten Kosten zu prüfen.

Neben den übrigen Kosten der Grundsicherung fiel beieiner Beschäftigung in Arbeitsgelegenheiten damit eineKostenpauschale für den Maßnahmeträger an. Hinzu kamdie Mehraufwandsentschädigung von in der Regel ein biszwei Euro pro Stunde, die die Hilfebedürftigen erhielten.Insgesamt waren Arbeitsgelegenheiten damit nicht zwin-gend kostengünstiger als Arbeitsbeschaffungsmaßnah-men.

Zudem unterbreiteten die Grundsicherungsstellen Hilfe-bedürftigen, die in Arbeitsgelegenheiten beschäftigt wur-den, nur selten Vermittlungsvorschläge und führten kaumstrategische Gespräche mit ihnen. Damit klärten sie nicht,ob die Arbeitsgelegenheiten arbeitsmarktpolitisch sinn-voll waren und die Hilfebedürftigen dem Integrationszielnäher brachten oder ob andere Hilfsangebote hätten ge-wählt werden müssen.

Der Bundesrechnungshof hält es im Interesse eines wirk-samen und wirtschaftlichen Einsatzes von Haushaltsmit-teln für notwendig, in Zukunft nur noch Arbeitsgelegen-heiten unter Einhaltung der gesetzlichen Voraussetzungenzu fördern. Andernfalls ist nicht auszuschließen, dassPflichtaufgaben der örtlichen öffentlichen Verwaltungbzw. Aufgaben privater Einrichtungen auf Kosten desBundeshaushaltes durchgeführt oder reguläre Arbeits-plätze durch Eingriffe in den Wettbewerb verdrängt wer-den. Das Bundesministerium sollte eine Arbeitshilfe miteindeutigen Vorgaben erlassen, die die bundeseinheitlichegesetzmäßige Durchführung von Arbeitsgelegenheiten si-cherstellt. Zudem sollte es – schon mit Rücksicht auf daserhebliche Haushaltsvolumen – seine Fachaufsicht ver-stärken und bessere Kontrollen sicherstellen.

Das Bundesministerium hat zugestanden, dass es nachder Einführung des SGB II zu einer Vielzahl von Fehlerngekommen ist, die bei konsequenter Beachtung der Ar-beitshilfe teilweise hätten vermieden werden können. Ambloßen Empfehlungscharakter der fortzuschreibenden Ar-beitshilfe will es jedoch festhalten, um den „weitgehenderzielten Konsens der beteiligten Akteure“ über das In-strument der Arbeitsgelegenheiten im Hinblick auf einezielorientierte Umsetzung nicht zu gefährden und um dielokale Gestaltungsfreiheit nicht zu beschränken. Es wolleallerdings stärker als bisher auf eine Beachtung der Emp-fehlungen „hinwirken“.

Nach Ansicht des Bundesrechnungshofes hat die lokaleGestaltungsfreiheit und Entscheidungskompetenz dortihre Grenze, wo beim Einsatz arbeitsmarktpolitischer

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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 113 – Drucksache 16/XXXX

Leistungen gegen gesetzliche Fördervoraussetzungenverstoßen wird und die Leistungen nicht wirksam undnicht wirtschaftlich erbracht werden. Er empfiehlt weiter-hin eindeutige Vorgaben für die Grundsicherungsstellenund stärkere Kontrollen.

3.4.3 Eigenbemühungen und Eingliederungs-bereitschaft

Eigenbemühungen und die Bereitschaft, eine zumutbareBeschäftigung oder Eingliederungsmaßnahme anzuneh-men, sind keine zwingenden Voraussetzungen für dieLeistungsgewährung. Die Grundsicherungsstellen könnennur dann Leistungen kürzen oder einstellen, wenn sie denHilfebedürftigen in der Eingliederungsvereinbarung kon-krete Eigenbemühungen aufgegeben oder wenn sie einezumutbare Beschäftigung oder Eingliederungsmaßnahmeangeboten haben. Das Recht der Grundsicherung für Ar-beitsuchende unterscheidet sich damit grundlegend vomArbeitsförderungsrecht nach dem Dritten Buch Sozialge-setzbuch. Eigenbemühungen und die Arbeits- und Ein-gliederungsbereitschaft sind dort zwingende Vorausset-zung für die Gewährung von Arbeitslosengeld I.4

Der Bundesrechnungshof hat festgestellt, dass Eingliede-rungsvereinbarungen oft nicht zeitnah und nicht ausrei-chend präzise geschlossen und Arbeits- oder Eingliede-rungsangebote häufig nicht mit der erforderlichenRechtsfolgenbelehrung unterbreitet wurden. Leistungs-kürzungen wären in diesen Fällen nicht oder nur zeitver-zögert möglich gewesen. Empfänger von Leistungen derGrundsicherung sind damit gegenüber Beziehern von Ar-beitslosengeld I deutlich begünstigt. Hierfür besteht keinsachlicher Grund. Der Bundesrechnungshof hat vor-geschlagen, die Leistungen der Grundsicherung bei zuaktivierenden Hilfebedürftigen von vornherein vonEigenbemühungen und vom Vorliegen einer Arbeits- undEingliederungsbereitschaft abhängig zu machen. Er hateine entsprechende gesetzliche Änderung und die Schaf-fung zusätzlicher Anspruchsvoraussetzungen für den inRede stehenden Personenkreis angeregt. Der Eingliede-rungsprozess kann dadurch gestärkt und dem Gesichts-punkt des „Forderns“ in der Praxis mehr Nachdruck ver-liehen werden.

Der Einwand des Bundesministeriums, das SGB II wendesich als „letztes soziales Netz“ auch z. B. an Personen,denen die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit wegen derBetreuung pflegebedürftiger Angehöriger nicht zugemu-tet wird, trifft nicht zu. Die empfohlenen zusätzlichen An-spruchsvoraussetzungen gelten nur für die Hilfebedürfti-gen, denen Arbeit zuzumuten ist.

3.5 Verwaltungsorganisation und Steuerung der Aufgabenerledigung

Die genannten Schwachstellen bei der Leistungsgewäh-rung (vgl. Nrn. 3.4.1 und 3.4.2) beruhen nicht allein aufVollzugsdefiziten, sondern auch auf strukturellen Män-

geln und auf unklaren Befugnissen der beteiligten Ak-teure.

3.5.1 Verantwortung der Bundesagentur gegenüber Arbeitsgemeinschaften

Die Kommunen und die Agenturen für Arbeit haben350 Arbeitsgemeinschaften errichtet, die alle Leistungender Grundsicherung aus einer Hand erbringen(vgl. Nr. 3.2). Dies geschieht im Rahmen eines gesetzli-chen Auftragsverhältnisses, da die Agenturen für Arbeitund die Kommunen als Leistungsträger gemäß § 6 SGBII verantwortlich sind. Die Bundesagentur hat dabei Ver-antwortung für die wesentlichen Instrumente der Grund-sicherung, da sie für die Leistungen zur Eingliederung inArbeit und das Arbeitslosengeld II zuständig ist. Dement-sprechend trägt der Bund auch den größten Teil der Kos-ten der Grundsicherungsleistungen durch die Arbeitsge-meinschaften (vgl. Nr. 3.2).

Entscheidungsgremien der Arbeitsgemeinschaften sinddie sogenannten Trägerversammlungen. In diesen Träger-versammlungen verfügen die Agenturen für Arbeit unddie Kommunen über die gleiche Anzahl an Stimmen, ob-wohl die Bundesagentur Träger der meisten Leistungen ist.In vielen Trägerversammlungen kam es schon frühzeitig zuDifferenzen zwischen der Bundesagentur und den Kom-munen. Gegenstand waren wichtige geschäftspolitischeEntscheidungen, z. B. über Förderschwerpunkte bei Ein-gliederungsleistungen, die Mittelverwendung oder allge-meine fachliche Weisungen zur Aufgabenerledigung. We-gen der Pattsituation in den Trägerversammlungen spitztesich der Kompetenzstreit zu: Es stellte sich die grundsätz-liche Frage, inwieweit die Kommunen Einfluss auf dieGeschäftsführungen der Arbeitsgemeinschaften ausübenkönnen und in welchen Bereichen diese unabhängig vonder Bundesagentur agieren dürfen.

Um die Befugnisse von Kommunen und Bundesagenturin den Arbeitsgemeinschaften eindeutig zu bestimmen,schlossen das Bundesministerium, die Bundesagenturund kommunale Spitzenverbände im August 2005 eineRahmenvereinbarung.5 Sie sieht vor, dass ihre Regelun-gen nur für diejenigen der 350 Arbeitsgemeinschaftengelten, die die Rahmenvereinbarung anerkannt haben:6

● Nach der Rahmenvereinbarung können die Kommu-nen die Führung der Arbeitsgemeinschaften überneh-men. Verzichten sie ausdrücklich darauf, übernehmendie Arbeitsagenturen diese. Bis zum 31. Juli 2006 wurdein 104 Arbeitsgemeinschaften, die die Rahmenverein-barung anerkannt haben, geklärt, wer die Führung über-nimmt. Dies waren in 102 Fällen die Kommunen undin zwei Fällen die Agenturen für Arbeit. In den übri-

4 Vgl. § 119 Abs. 1 Nr. 2 und 3, Abs. 4 und Abs. 5 Nr. 3 und 4 DrittesBuch Sozialgesetzbuch.

5 Rahmenvereinbarung zur Weiterentwicklung der Grundsätze der Zu-sammenarbeit der Träger der Grundsicherung in den Arbeitsgemein-schaften vom 1. August 2005.

6 Die Rahmenvereinbarung hat keinen bindenden Charakter, wenn dieeinzelnen Arbeitsgemeinschaften ihre Geltung nicht anerkennen.Nach Einschätzung der Bundesagentur dürfte etwa die Hälfte der Ar-beitsgemeinschaften aus unterschiedlichen Gründen die Rahmenver-einbarung als nicht für sie verbindlich ansehen.

Drucksache 16/XXXX – 114 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

gen 246 Arbeitsgemeinschaften blieb es bei derGleichheit der Stimmen in der Trägerversammlung.

● Die Rahmenvereinbarung definiert die fachlichen Ein-flussmöglichkeiten der Bundesagentur neu und weistihr die so genannte Gewährleistungsverantwortung zu.Danach hat sie die Rechtmäßigkeit der Leistungser-bringung und Mittelverwendung sowie das Erreichengemeinsam mit dem Bundesministerium vereinbarterZiele sicherzustellen. Die Arbeitsgemeinschaften ha-ben demgegenüber die so genannte Umsetzungsver-antwortung. Sie gestalten eigenständig die konkreteUmsetzung der Leistungen vor Ort und können selbst-ständig Maßnahmen zur Zielerreichung festlegen.

Nach Ansicht des Bundesrechnungshofes hat die Rah-menvereinbarung die gesetzlich definierte Verantwortungvon Kommunen und Agenturen für Arbeit als Träger derGrundsicherungsleistungen verwischt. Sie trägt damit zurRechtsunsicherheit der beteiligten Akteure bei. Sie hatdie Bundesagentur daran gehindert, ihre gesetzliche Zu-ständigkeit für die Aufgabenerledigung durch die Ar-beitsgemeinschaften zu übernehmen. Darin liegt eine derwesentlichen Ursachen für die dargestellten Vollzugsdefi-zite (vgl. Nrn. 3.4.1 und 3.4.2).

Das Bundesministerium will die Rechtmäßigkeit undWirtschaftlichkeit der Leistungserbringung allein durchein von der Arbeitsgemeinschaft selbst errichtetes „Ver-waltungs- und Kontrollsystem“ sicherstellen, das von derzuständigen Agentur für Arbeit geprüft werden könne.Ein eigenverantwortliches Verwaltungs- und Kontrollsys-tem sei auch mit den zugelassenen kommunalen Trägernvereinbart worden (vgl. Nr. 3.5.3). Es sei nicht erforder-lich, dass die Agenturen für Arbeit selbst „repräsentativ/stichprobenartig ausgewählte Einzelfälle“ prüften.

Diese Position des Bundesministeriums kann nicht über-zeugen, da der Bundesrechnungshof erhebliche Vollzugs-defizite bei den Arbeitsgemeinschaften festgestellt hat.Nach seinen Prüfungsfeststellungen beruhen die Mängelgerade auf fehlenden verbindlichen Festlegungen, wie dieArbeitsgemeinschaften Rechtsvorschriften der Grundsi-cherung auszulegen haben und welche Qualitätsmaßstäbefür die Aufgabenerledigung gelten. Bei den Arbeitsge-meinschaften stehen Bundesministerium und Bundes-agentur anders als bei den zugelassenen kommunalenTrägern unmittelbar in der Verantwortung. Sie können esdamit nicht der Eigenverantwortung der 350 Arbeitsge-meinschaften überlassen, dass Bundesmittel in zweistelli-ger Milliardenhöhe rechtmäßig und wirtschaftlich ausge-geben werden.

Die Rahmenvereinbarung entspricht nicht der rechtlichenStellung der Bundesagentur als Leistungsträgerin und alsAuftraggeberin im Rahmen eines gesetzlichen Auftrags-verhältnisses. Nach Auffassung des Bundesrechnungsho-fes lässt diese Verantwortung auch Weisungen gegenüberden Arbeitsgemeinschaften zur operativen Umsetzung zu,die die Rahmenvereinbarung aber ausdrücklich aus-schließt. Zum Wesen eines sozialrechtlichen Auftragsver-hältnisses gehört zudem, dass der Auftraggeber die Aus-führung des Auftrags jederzeit kontrollieren und den

Beauftragten an seine Auffassung binden kann (§ 89Abs. 3 und 5 SGB X). Die umfassende Umsetzungsver-antwortung, die die Rahmenvereinbarung den Arbeitsge-meinschaften zubilligt, ist damit nicht vereinbar.

Die im Gesetz vorgesehene Aufgabenverteilung ist zu be-achten. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollte die Ar-beitsgemeinschaft Regelmodell der Grundsicherungsstellesein. Im Rahmen der sogenannten Experimentierklauselwollte er zudem eine auf 69 beschränkte Zahl von kom-munalen Trägern zulassen, um dieses alternative Organi-sationsmodell im Wettbewerb zu erproben (vgl. Nr. 3.2).Die entscheidenden Gestaltungsspielräume der Bundes-agentur werden durch die Rahmenvereinbarung aber be-reits während der Erprobungsphase zunichte gemacht,wenn die Kommunen auch in den Arbeitsgemeinschaftendie Führung übernehmen können. Entgegen der gesetzge-berischen Intention wird neben den 69 zugelassenen kom-munalen Trägern damit de facto weiteren Kommunenderselbe Status eingeräumt.

Der Bundesrechnungshof spricht sich deshalb für eineKorrektur der Rahmenvereinbarung aus, die die Kompe-tenzen eindeutig festlegt, welche die Bundesagentur alsLeistungsträgerin und als Auftraggeberin im Rahmeneines gesetzlichen Auftragsverhältnisses hat. Da eineVielzahl von Arbeitsgemeinschaften die Rahmenverein-barung nicht anerkannt hat, reicht eine solche Korrekturalleine jedoch nicht aus. Vielmehr sollte der Gesetzgeberentsprechend seiner ursprünglichen Absicht7 klarstellen,dass zwischen der Bundesagentur und den Arbeitsge-meinschaften ein gesetzliches Auftragsverhältnis besteht.

3.5.2 Steuerung der Bundesagentur und der Arbeitsgemeinschaften

Der Gesetzgeber hat dem Bundesministerium aufgege-ben, mit der Bundesagentur bundesweit jährliche Zielver-einbarungen zu schließen (§ 48 SGB II). Zielvereinbarun-gen streben eine Optimierung des Gesetzesvollzuges anund sollen dazu beitragen, Haushaltsmittel möglichstwirksam und wirtschaftlich zu verwenden. Als neuesSteuerungsmodell soll die Zielvereinbarung eine stärkereIdentifikation des Leistungsträgers mit den angestrebtenZielen schaffen. Als Gegenleistung für den Abschluss derZielvereinbarung erhält die Bundesagentur eine größereFlexibilität und Freiheit bei der Bewirtschaftung derHaushaltsmittel (§ 48 Satz 2 Nr. 2 SGB II).

Dem Bundesministerium war es bis August 2006 nichtgelungen, sich mit der Bundesagentur über die Inhalte ei-ner Zielvereinbarung für das Jahr 2006 zu verständigen.Aufgrund des vorangeschrittenen Zeitablaufes gab esschließlich ganz auf, für das laufende Jahr noch eine Ziel-vereinbarung zu schließen.

Nach den Feststellungen des Bundesrechnungshofes sinddie Vollzugsdefizite bei den Arbeitsgemeinschaften (vgl.Nrn. 3.4.1 und 3.4.2) auch auf Steuerungsmängel zurück-

7 Vgl. Entwurf zum Gesetz zur Fortentwicklung des SGB II, Bundes-tagsdrucksache 16/1410, S. 9.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 115 – Drucksache 16/XXXX

zuführen. Das Bundesministerium hat es pflichtwidrigunterlassen, der Bundesagentur und den Arbeitsgemein-schaften seine konkreten Erwartungen an die Qualität derAufgabenerledigung aufzuzeigen. So fehlt es z. B. an ei-nem einheitlichen, verbindlichen Qualitätsmaßstab fürdie Wartezeiten auf eine Eingliederungsvereinbarung, diedurchschnittliche Dauer der Hilfebedürftigkeit und dieBerechnung der Betreuungsschlüssel.

Nachdem die Gelegenheit einer einvernehmlichen Ziel-vereinbarung zwischen den Vertragspartnern vertanwurde, wird das Bundesministerium unverzüglich imRahmen seiner Aufsicht Weisungen mit dem Ziel erteilenmüssen, die mangelhafte Aufgabenerledigung durch dieArbeitsgemeinschaften zu beenden.

Für das Jahr 2007 ist ebenfalls zweifelhaft, ob eine Steue-rung der Arbeitsgemeinschaften über Zielvereinbarungenzustande kommt und die beabsichtigte Wirkung entfaltenkann:

● Nach den bislang erstellten Entwürfen sollte die Bun-desagentur lediglich auf eine wirksame und wirtschaft-liche Aufgabenerledigung in den Arbeitsgemeinschaf-ten „hinwirken“. Ihre Befugnisse und Pflichten alsLeistungsträgerin würden damit jedoch unzulässig re-duziert (vgl. Nr. 3.5.1).

● Die bislang erstellten Entwürfe einer Zielvereinbarunglassen zudem wesentliche Qualitätsmerkmale unbe-achtet. Ein Beispiel bildet die Bekämpfung der Ju-gendarbeitslosigkeit. Hier sollte das Ziel „Verbesse-rung der Eingliederung unter 25jähriger“ nur amMerkmal „Anteil der Abgänge Hilfebedürftiger amBestand erwerbsfähiger Hilfebedürftiger unter 25 Jah-ren“ gemessen werden. Demnach hätte für die Zielver-einbarung keine Rolle gespielt, wie lange es gedauerthat, einen Jugendlichen zu integrieren bzw. ob dieserin den ersten Arbeitsmarkt oder nur in eine öffentlichgeförderte Beschäftigung vermittelt wurde.

Die Rahmenvereinbarung trägt bei der gesetzlich geforder-ten Zielvereinbarung zu Steuerungsdefiziten bei. Da dieBundesagentur nur in zwei von 350 Arbeitsgemeinschaftendie Führung hat (vgl. Nr. 3.5.1), kann sie bundesweite Zielein den Arbeitsgemeinschaften nicht durchsetzen. Dies stehtnach Auffassung des Bundesrechnungshofes im Wider-spruch zum Gesetz, da die Bundesagentur verantwortli-che Leistungsträgerin ist. Diese Funktion kann sie abernur ausüben, wenn die zwischen ihr und dem Bundesmi-nisterium vereinbarten Ziele die Arbeitsgemeinschaftenauch unmittelbar binden.

Das Bundesministerium vertritt dazu die Auffassung,dass nicht die Trägerversammlung die Zielvereinbarungmit der Geschäftsführung der Arbeitsgemeinschaftschließe, sondern der einzelne Träger. Die Mehrheitsver-hältnisse seien daher nicht erheblich. Der Bundesrech-nungshof hält diese Argumentation nicht für überzeu-gend, da die Geschäftsführung nicht gegen die Mehrheitder Trägerversammlung entscheiden wird. Durch eineKlarstellung der Befugnisse der Bundesagentur in der

Rahmenvereinbarung und im Gesetz kann die gegenwär-tige Unsicherheit beseitigt werden.

Für das Jahr 2007 wird das Bundesministerium frühzeitigZiele vereinbaren müssen, die die Qualität der Aufgaben-erledigung umfassend abbilden. Dabei ist es notwendig,geeignete und messbare Zielindikatoren zu definieren.Solange eine wirksame Steuerung über bindende Zielenicht funktioniert, sollte das Bundesministerium mit ver-stärkten aufsichtsrechtlichen Maßnahmen sicherstellen,dass die Arbeitsgemeinschaften rechtmäßig und wirt-schaftlich arbeiten.

3.5.3 Steuerung von zugelassenen kommunalen Trägern

Die Aufsicht über die zugelassenen kommunalen Trägerobliegt den zuständigen Landesbehörden (vgl. Nr. 3.2).Der Bund hat keine unmittelbaren Steuerungsmöglichkei-ten, obwohl er die Kosten der Grundsicherung für Arbeit-suchende einschließlich der Verwaltungskosten trägt, so-weit es sich nicht um originäre kommunale Aufgabenhandelt. Damit fallen die Finanz- und Fachverantwortungauseinander. Für die zugelassenen kommunalen Trägerbestehen kaum oder nur geringe Anreize, die Aufgabenmit hoher Qualität und sparsamen Mitteleinsatz zu erledi-gen.

Zur Überwindung der fehlenden Einflussmöglichkeitenhat der Bund mit den zugelassenen kommunalen TrägernVerwaltungsvereinbarungen getroffen. Darin wurde die-sen ein wirtschaftlicher und sparsamer Einsatz der Bun-desmittel aufgegeben. Das Bundesministerium ist fernerberechtigt, Auskünfte einzuholen und Unterlagen einzu-sehen. Zudem sind die zugelassenen kommunalen Trägerverpflichtet, ein Verwaltungs- und Kontrollsystem einzu-richten und sein Funktionieren zu überwachen.

Der Bundesrechnungshof hat jedoch wiederholt festge-stellt, dass die zugelassenen kommunalen Träger und dieArbeitsgemeinschaften Eingliederungs- und Geldleistun-gen nach unterschiedlichen Maßstäben gewähren. DerBundesrechnungshof führt dies auch auf die unterschied-liche Aufsicht im Bereich der Grundsicherung zurück.Die Länder stimmen sich bei ihrer Aufsicht über die zu-gelassenen kommunalen Träger nicht mit dem Bund abund haben wenig eigenes finanzielles Interesse an einerwirtschaftlichen Arbeit der zugelassenen kommunalenTräger. Unter diesen Voraussetzungen ist ein einheitlicherQualitätsmaßstab der Aufgabenerledigung für Arbeitsge-meinschaften und zugelassene kommunale Träger erfor-derlich, um eine bundeseinheitliche Rechtsanwendungsicherzustellen.

Der vom Gesetzgeber beabsichtigte Wettbewerb zwi-schen den Organisationsmodellen Arbeitsgemeinschaftund kommunaler Träger (vgl. Nr. 3.5.1) erfordert eben-falls einheitliche Qualitätsmaßstäbe. Nur ein einheitlicherMaßstab kann Grundlage einer späteren sachgerechtenEvaluierung sein, welches Organisationsmodell sich alswirtschaftlicher und wirksamer erwiesen hat.

Drucksache 16/XXXX – 116 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Ein Weg, um trotz der organisatorischen Vielfalt einebundeseinheitliche Rechtsanwendung sicherzustellen undeinheitliche Maßstäbe für den Vollzug zu schaffen, ist derErlass von Verwaltungsvorschriften, die alle Grundsiche-rungsstellen binden. Der Bundesrechnungshof hat des-halb empfohlen, eine Ermächtigung für den Erlass allge-meiner Verwaltungsvorschriften für die Leistungen zurEingliederung in Arbeit und zur Sicherung des Lebensun-terhalts zu schaffen. Solange eine solche Ermächtigungfehlt, sollte das Bundesministerium mit den Ländern ein-heitliche Arbeitsmaßstäbe für zugelassene kommunaleTräger vereinbaren.

Das Bundesministerium hält einheitliche Maßstäbe derAufgabenerledigung für kommunale Träger und Arbeits-gemeinschaften für nicht erforderlich. Der Gesetzgeberhabe sich mit der Experimentierklausel bewusst für eine„organisatorische Vielfalt“ entschieden. Diese Argumentedes Bundesministeriums überzeugen indes nicht. Einheit-liche Maßstäbe sollen nicht die organisatorische Vielfaltbei der Aufgabenerledigung einengen. Sie sollen viel-mehr eine einheitliche Rechtsanwendung im Bundesge-biet sicherstellen und helfen, die teilweise erheblichenQualitätsmängel bei der Grundsicherung abzustellen.

3.6 Weitere Schritte

Der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages hatdas Bundesministerium im Zusammenhang mit dem Be-richt des Bundesrechnungshofes aufgefordert, die beste-henden Vollzugsdefizite schnellstmöglich zu beseitigenund alle administrativen und aufsichtsrechtlichen Mög-lichkeiten zur Effizienzsteigerung zu nutzen. Er hat an dieTräger der Grundsicherung und die Grundsicherungsstel-len appelliert, die Umsetzung der Arbeitsmarktreform zuverbessern. In verschiedenen Bereichen, insbesondere beider Qualifikation der Beschäftigten, der Datenverarbei-tung, der Missbrauchsbekämpfung, der Steuerung undbeim Einsatz von Eingliederungsmitteln seien weiterhinerhebliche Anstrengungen erforderlich.

Die vom Gesetzgeber eingeleiteten Optimierungsmaß-nahmen sind ein Schritt in die richtige Richtung. Im Hin-blick auf die zuvor dargestellten Prüfungsfeststellungenhält der Bundesrechnungshof weitere Verbesserungenaber für unverzichtbar. Er empfiehlt folgende Schritte:

● Die Grundsicherungsstellen müssen die Eingliederungin den Arbeitsmarkt verbessern. Das Instrument derEingliederungsvereinbarung sollte entsprechend demWillen des Gesetzgebers zügig und zielgerichtet ge-nutzt werden, um die erwerbsfähigen Hilfebedürftigenin den Arbeitsmarkt zu integrieren oder zumindest In-tegrationsfortschritte zu erzielen.

● Im Bereich Ein-Euro-Jobs sind verbindliche Durch-führungsregeln erforderlich, um zu verhindern, dassmit diesen Maßnahmen Pflichtaufgaben der örtlichenöffentlichen Verwaltung oder Aufgaben privater Ein-richtungen auf Kosten des Bundeshaushalts durchge-führt werden oder reguläre Arbeitsplätze durch Ein-griffe in den Wettbewerb verdrängt werden.

● Das Gesetz sollte für diejenigen Arbeitslosengeld II-Empfänger ergänzt werden, denen Arbeit zumutbarist: Ebenso wie beim Arbeitslosengeld I sollten auchGrundsicherungsleistungen für diese Gruppe voraus-setzen, dass Arbeits- und Eingliederungsbereitschaftsowie Eigenbemühungen bestehen.

● Der Bund trägt die Aufwendungen der wesentlichenLeistungen der Grundsicherung einschließlich derVerwaltungskosten. Er muss sicherstellen können,dass die Haushaltsmittel bundesweit rechtmäßig undwirtschaftlich eingesetzt werden. Dazu sollte durcheine Gesetzesänderung klargestellt werden, dass dieBundesagentur für Arbeit für ihren Zuständigkeitsbe-reich den Arbeitsgemeinschaften verbindliche Wei-sungen erteilen kann.

● Im Gesetz sollte eine Ermächtigung für den Erlass all-gemeiner Verwaltungsvorschriften für Grundsiche-rungsleistungen geschaffen werden, um einheitlicheVollzugsmaßstäbe vorgeben zu können. Solange einesolche Ermächtigung fehlt, sollte das Bundesministe-rium mit den Ländern einheitliche Arbeitsmaßstäbefür zugelassene kommunale Träger vereinbaren. DieseMaßstäbe sind notwendig, um zu gegebener Zeit beur-teilen zu können, ob das Organisationsmodell „Ar-beitsgemeinschaft“ oder das Organisationsmodell„Zugelassener kommunaler Träger“ die Grundsiche-rungsleistungen wirksam und wirtschaftlich erbringt.

● Im Jahre 2007 muss das Bundesministerium mit derBundesagentur für Arbeit frühzeitig Ziele vereinbaren,die die Qualität der Aufgabenerledigung umfassendabbilden. Dazu ist es notwendig, geeignete und mess-bare Zielindikatoren zu definieren, mit denen der Er-folg der Arbeit objektiv beurteilt werden kann. So-lange eine wirksame Steuerung über bindende Zielenicht funktioniert, sollte das Bundesministerium mitverstärkten aufsichtsrechtlichen Maßnahmen sicher-stellen, dass die Arbeitsgemeinschaften rechtmäßigund wirtschaftlich arbeiten.

Der Bundesrechnungshof wird die Fortentwicklung derGrundsicherung für Arbeitsuchende weiter durch Prüfun-gen begleiten. Insbesondere wird er untersuchen, welchenErfolg Verbesserungsmaßnahmen innerhalb des Systemshaben und ggf. weitere Vorschläge zur Reform derGrundsicherung unterbreiten.

Chef
Hervorheben

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 117 – Drucksache 16/XXXX

Teil II

Feststellungen zur Haushalts- und Wirtschaftsführung

Bundesministerium des Innern(Einzelplan 06)

4 Unterbringung des Bundes-ministeriums des Innern(Kapitel 0601 Titel 518 01)

4.0

Das Bundesministerium des Innern hat entschieden, einneues Dienstgebäude errichten zu lassen und im Jahre2013 umzuziehen. Seit sieben Jahren nutzt es in Berlin einzu ungünstigen Konditionen gemietetes Gebäude. Ob derUmzug in den Neubau wirtschaftlich ist, hat es bishernicht nachgewiesen.

4.1

Im Mai 1997 schloss das Bundesministerium des Innern(Bundesministerium) einen Mietvertrag zur Unterbrin-gung seines Berliner Dienstsitzes. Es zog im Sommer1999 in das neu errichtete Gebäude ein. Der Vertrag hateine Laufzeit von 30 Jahren und ist frühestens zum30. Juni 2016 kündbar. Bei einem Auszug vor Ablauf dervereinbarten Mietdauer von 30 Jahren hat das Bundes-ministerium zwei Jahresnettomieten an den Vermieter zuzahlen. Aufgrund einer inflationsbezogenen Mietanpas-sungsklausel zahlt das Bundesministerium seit Oktober2005 für die Fläche von rund 35 000 m2 jährlich8 Mio. Euro Nettomiete (19,73 Euro je m2 monatlich).Die Miete liegt damit um nahezu 100 % über dem derzei-tigen Niveau für Büromieten in Berlin.

Das Bundesministerium stellte nach Vertragsschluss eineReihe von Nachteilen und baulichen Mängeln fest, vondenen die meisten vor Vertragsschluss oder bei Abnahmeerkennbar gewesen waren. Bereits vor dem Einzug ließdas Bundesministerium das Gebäude baulich seinen Be-dürfnissen anpassen. Es gab dafür mehr als 8 Mio. Euroaus. Beim Auszug ist es verpflichtet, die von ihm veran-lassten Änderungen zurück zu bauen.

Im Jahre 2001 erwog das Bundesministerium bereits eineanderweitige Unterbringung. Dennoch mietete es im Ok-tober 2001 im Wesentlichen zu den gleichen ungünstigenKonditionen weitere Flächen in demselben Gebäude an.

Im Januar 2005 entschied das Bundesministerium im Ein-vernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen,„aus Wirtschaftlichkeits- und Sicherheitsgründen“ bald-möglichst einen Neubau auf einem bundeseigenen

Grundstück im Spreebogen am Kanzlergarten errichtenzu lassen. Es rechnet mit Ausgaben von ca. 220 Mio.Euro. Das Bundesministerium will das neue Gebäude imJahr 2013 beziehen. Im Herbst 2005 leitete das Bundes-amt für Bauwesen und Raumordnung in Abstimmung mitdem Bundesministerium für ein Neubauvorhaben amKanzlergarten einen städtebaulichen Wettbewerb ein. ImFrühjahr 2006 wählte es für die zweite Phase des Wettbe-werbs, die Entwicklung konkreter Entwürfe, mehrere Ar-chitekturbüros aus. Das Bundesministerium bereitetderzeit die Unterlagen für eine Entscheidung des Haus-haltsgesetzgebers über das Bauvorhaben vor.

4.2

Der Bundesrechnungshof hat beanstandet, dass das Bun-desministerium schon die Auswahl seines BerlinerDienstsitzes nicht sorgfältig vorbereitet hatte. Der Ab-schluss des Mietvertrages unter Außerachtlassung erkenn-barer Mängel und Nachteile war wirtschaftlich nicht ver-tretbar. Das Gebäude entsprach schon vor Bezug wederden Sicherheitsanforderungen noch den räumlichen Be-dürfnissen des Bundesministeriums; auch ist die Mietenicht marktgerecht.

Der Bundesrechnungshof hat darauf hingewiesen, dassein Auszug bereits im Jahre 2013 zu Ausgaben von rund36 Mio. Euro führen wird, da der Mietzins bis Juni 2016und darüber hinaus zwei weitere Jahresnettomieten zuzahlen sein werden. Hinzu kommt der teure Rückbau.Ferner ist wegen des überhöhten Mietzinses keine wirt-schaftliche Zwischennutzung der Mietflächen denkbar.

Zu kritisieren ist auch, dass das Bundesministerium wei-tere Räume zu den ungünstigen Konditionen im selbenGebäude mietete, obwohl es bereits eine anderweitigeUnterbringung erwog.

Der Bundesrechnungshof vermisst angesichts der frühenEntscheidung für einen Neubau und der nachträglichenErarbeitung der Unterlagen für den Haushaltsgesetzgebererneut die gebotene ergebnisoffene Analyse und Abwä-gung aller Unterbringungsalternativen.

Der Bundesrechnungshof hat angemahnt, das Bundes-ministerium solle nunmehr objektiv und sachgerecht un-tersuchen, welche Alternativen zum jetzigen Standort be-stehen und ob sie wirtschaftlich sind.

Drucksache 16/XXXX – 118 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

4.3

Das Bundesministerium hat geltend gemacht, es habe beiAbschluss des Mietvertrages davon ausgehen können,dass das Gebäude den Anforderungen entsprechen werde.Auch beim Einzug, so das Bundesministerium, sei dasGebäude noch geeignet gewesen. Mängel hätten sich erstin der täglichen Praxis herausgestellt. Die bei vorzeitigemAuszug anfallenden Gesamtausgaben seien noch nichtbezifferbar.

Die Anmietung weiterer Flächen habe sich aufgrund einerOrganisationsuntersuchung, insbesondere der verändertenPersonal- und Stellenstruktur des Bundesministeriums inden Jahren 2000 und 2001, ergeben.

Der vorzeitige Auszug aus dem Mietobjekt sei aus Wirt-schaftlichkeits- und Sicherheitsgründen geboten. Bei derSuche nach einer neuen Unterbringung habe das Bundes-ministerium von Beginn an die Grundsätze der Wirt-schaftlichkeit und Sparsamkeit beachtet.

4.4

Der Bundesrechnungshof hält an seinen Beanstandungenfest. Der Abschluss des Mietvertrages und die nachträgli-che Anmietung weiterer Flächen im selben Gebäude wa-ren wirtschaftlich nicht vertretbar. Insbesondere hätte sichdas Bundesministerium nicht erneut auf die ungünstigenMietkonditionen einlassen dürfen. Die frühe Entschei-dung für den Neubau auf einem bundeseigenen Grund-stück im Spreebogen und der Architektenwettbewerbbeeinträchtigen eine sachgerechte Wirtschaftlichkeits-untersuchung aller möglichen Unterbringungsvariantenwie Bau, Kauf oder Miete eines Gebäudes, Verbleib amStandort oder Nutzung einer vorhandenen bundeseigenenLiegenschaft, die auch den bedeutsamen Sicherheits-aspekten Rechnung trägt.

Der Bundesrechnungshof hält es für dringend geboten,dass das Bundesministerium nunmehr sorgfältig und er-gebnisoffen prüft, welche Unterbringungsmöglichkeitenseinen funktionalen und sicherheitstechnischen Anforde-rungen genügen und wirtschaftlich sind. Es hat auch zuerläutern, warum ihm der Verbleib im derzeitigen Dienst-gebäude bis mindestens Juni 2016 unmöglich sein soll.

5 Bundespolizei mietet in Flug- und Seehäfen zu viele Flächen zu teuer an(Kapitel 0625 Titel 518 01 und 671 01)

5.0

Die Bundespolizei hat in Flug- und Seehäfen mehr Flä-chen angemietet, als sie für ihre Aufgaben benötigt. Nachden gesetzlichen Bestimmungen dürfen die Mieten dieSelbstkosten der Vermieter nicht überschreiten. Vielfachzahlte die Bundespolizei aber erheblich höhere Mieten.Allein in den vom Bundesrechnungshof geprüften Fällenentstehen dem Bund jährliche Mehrausgaben von min-destens 4 Mio. Euro.

5.1

Die Bundespolizei benötigt in Flug- und Seehäfen zahl-reiche Büros, Technikräume, Lager und Stellplätze, umihre polizeilichen Aufgaben wahrnehmen zu können. AnFlughäfen nutzt sie zudem Flächen, um Geräte für dieKontrolle der Luftsicherheit wie Torsonden und Gepäck-prüfanlagen aufzustellen. Diese Räume und Flächen sindüberwiegend Eigentum der jeweiligen Betreiber der Flug-und Seehäfen. Mit ihnen hat die Bundespolizei bundes-weit etwa 120 Mietverträge mit einem Volumen von jähr-lich 17 Mio. Euro abgeschlossen.

Nach dem Bundespolizeigesetz (BPolG; früher: Bundes-grenzschutzgesetz) vom 19. Oktober 1994 haben die Be-treiber einen Anspruch darauf, dass die BundespolizeiKosten für die von ihr genutzten Räume und Flächen er-stattet. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen die Be-treiber aber keinen Gewinn daraus erzielen und dürfendaher maximal die entstandenen Selbstkosten geltend ma-chen (§ 62 BPolG). Wenn die Betreiber der Bundespoli-zei in den Mietobjekten mehr Ausstattung zur Verfügungstellen, als sie üblicherweise benötigt, besteht dafür keinVergütungsanspruch.

Der Bundesrechnungshof prüfte mit Unterstützung desPrüfungsamtes des Bundes Magdeburg die Mietverträgeder Bundespolizei in Flug- und Seehäfen. Er stellte fest,dass die Bundespolizei für etwa drei Viertel ihrer Miet-verträge die Selbstkosten bislang nicht oder nicht regel-mäßig ermittelte.

Am Flughafen Frankfurt/Main zahlte die Bundespolizeifür angemietete Räume jährlich 3,2 Mio. Euro auf derGrundlage eines im Jahre 1997 abgeschlossenen Vertra-ges. Danach hatte sie – je nach Lage der Räume – eineMonatsmiete zwischen 20 Euro und 25 Euro pro m2 ver-einbart. Ob diese Beträge den Selbstkosten des Flugha-fenbetreibers entsprachen, prüfte die Bundespolizei we-der bei Vertragsabschluss noch in den darauf folgendenJahren. Die Zollverwaltung nutzte für ihre Aufgaben amFlughafen Frankfurt/Main ebenfalls Räume – teilweise indenselben Gebäuden und denselben Etagen wie die Bun-despolizei. Die Zollverwaltung zahlte für die genutztenFlächen je nach Gebäude monatlich rund 8 Euro pro m2

weniger als die Bundespolizei. Diese Mietpreise entspra-chen nach den regelmäßigen Prüfungen des Zolls denSelbstkosten des Flughafenbetreibers. Seit dem Jahre1997 zahlte die Bundespolizei am Flughafen Frankfurt/Main jährlich rund 1,1 Mio. Euro mehr, als nach den ge-setzlichen Vorgaben zulässig gewesen wäre.

Auch am Flughafen München hatte die Bundespolizeijahrelang die Selbstkosten des Betreibers nicht geprüftund insgesamt 700 000 Euro zu viel gezahlt. Als die Bun-despolizei die Selbstkosten schließlich doch prüfen ließ,bestätigte der Flughafenbetreiber die Differenz. Er wei-gerte sich aber zurückzuzahlen, da die Ansprüche inzwi-schen verjährt seien.

Im Flughafen Stuttgart mietete die Bundespolizei je Luft-sicherheitskontrollgerät Flächen bis zu einer Größe von

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 119 – Drucksache 16/XXXX

20 m2 an. Im Flughafen Frankfurt/Main mietete sie hinge-gen je Gerät bis zu 83 m2 an. Dort hatte sie neben denAufstellflächen für die Geräte zusätzlich Warteflächen fürdie Passagiere angemietet. Dieselben Warteflächen nutz-ten auch die Fluggesellschaften und der Flughafenbetrei-ber als allgemeine Verkehrsflächen. Die Bundespolizeihatte keine bundesweit einheitlichen Kriterien, um denFlächenbedarf für Geräte zur Luftsicherheitskontrolle zubestimmen.

Im Jahre 2004 hatte die Bundespolizei im FlughafenFrankfurt/Main 7 600 m2 Nutzflächen für das Aufstellenvon Geräten, davon 1 800 m2 als Warte- und Nachkon-trollbereiche gemietet. Während der Zoll entsprechendden von ihm ermittelten Selbstkosten höchstens 20 Europro m2 und Monat zahlte, gab die Bundespolizei dafürdurchschnittlich 48 Euro aus. Die Bundespolizei vergü-tete dem Flughafenbetreiber für die Aufstellflächen jährlichmindestens 1,9 Mio. Euro mehr als gesetzlich zulässig.Für die zusätzlich angemieteten Warteflächen veraus-gabte sie weitere 1 Mio. Euro.

In den Seehäfen nutzt die Bundespolizei so genannteKontrollboxen, um den Fährverkehr grenzpolizeilich ab-zufertigen. In Rostock und an weiteren Grenzübergängenwaren die Kontrollboxen nicht überdacht oder allenfallsmit einem Vordach als Witterungsschutz versehen. InKiel und Cuxhaven waren die Boxen hingegen großflä-chig überdacht. Für die zusätzlichen Dächer erstattet dieBundespolizei den Hafenbetreibern über die gesamteLaufzeit der Mietverträge etwa 1 Mio. Euro.

5.2

Der Bundesrechnungshof hat beanstandet, dass die Bun-despolizei in einer Vielzahl von Fällen über Jahre hinwegMietzahlungen in Millionenhöhe leistete, ohne die Selbst-kosten der Betreiber zu prüfen. Allein am FlughafenFrankfurt/Main hat die Bundespolizei so jährlich 3 Mio.Euro zuviel gezahlt.

Der Bundesrechnungshof hat kritisiert, dass die für dieLuftsicherheitskontrollen angemieteten Flächen bei ähnli-chen Verhältnissen unterschiedlich groß waren. Dies istauch auf fehlende einheitliche Kriterien für den Flächen-bedarf zurückzuführen. An einzelnen Flughäfen hat siedaher jährlich mindestens 1 Mio. Euro unnötig veraus-gabt.

Der Bundesrechnungshof hat ferner bemängelt, dass dieBundespolizei die für ihre Einrichtungen übliche und an-gemessene Ausstattung bislang nicht festgelegt hat.

Er hat dem Bundesministerium des Innern (Bundesminis-terium) empfohlen,

● in Fällen vergleichbarer Mietobjekte die Entgelte zu-nächst denen der Zollverwaltung anpassen zu lassen,

● die Selbstkosten zu bislang ungeprüften Mietverträgenprüfen und Zahlungen daran ausrichten zu lassen,

● die Anmietung von Flächen für Luftsicherheitskon-trollgeräte einheitlich zu regeln und im Wesentlichenauf die Aufstellfläche für die Geräte zu begrenzen so-wie

● die für Einrichtungen der Bundespolizei erforderlicheAusstattung zu definieren und ausschließlich diese denKostenerstattungen zugrunde zu legen.

Damit keine weiteren Rückerstattungsansprüche verjäh-ren, hat der Bundesrechnungshof Bundesministerium undBundespolizei aufgefordert, unverzüglich tätig zu wer-den.

5.3

Das Bundesministerium hat zugesichert, die Selbstkostender Betreiber für Räume und Flächen, die die Bundespoli-zei angemietet hat, zeitnah zu prüfen. Das Bundesminis-terium hat eingeräumt, dass die Miete am FlughafenFrankfurt/Main das Ergebnis von Verhandlungen war undnicht auf Selbstkosten des Vermieters basierte. Mit demFlughafen München sei zwischenzeitlich ein Vergleichabgeschlossen worden, wonach ein Teil der überzahltenBeträge verrechnet werden soll.

Die Mietentgelte des Zolls hält das Bundesministeriumnicht für eine geeignete Vergleichsgröße und die vomBundesrechnungshof bezifferten Überzahlungen folglichfür zu hoch. Die Mietpreise der Bundespolizei würdenauch polizeispezifische Sonderausstattungen und Neben-kosten mit abdecken.

Das Bundesministerium hat mitgeteilt, dass es den Flä-chenbedarf für Luftsicherheitskontrollgeräte – abhängigvon Art und Bauweise – bundesweit einheitlich regelnwill. Es hält allerdings daran fest, bei Bedarf zusätzlicheFlächen in Abhängigkeit von den örtlichen Gegebenhei-ten anzumieten.

Das Bundesministerium hat zugesagt, dass es die für dieBundespolizei erforderliche Ausstattung in Flug- undSeehäfen festlegen wolle. In den großflächigen Überda-chungen in einzelnen Seehäfen könne es allerdings keineunangemessene Ausstattung erkennen. Diese seien auf-grund örtlicher Besonderheiten konzipiert worden. EinAbweichen von der einheitlichen Ausstattung müsse imEinzelfall möglich sein.

5.4

Der Bundesrechnungshof erkennt an, dass das Bundes-ministerium nunmehr bundesweit Selbstkostenprüfungenveranlassen will. Er befürwortet, dass einheitliche Stan-dards für den Flächenbedarf und die Ausstattung der Miet-objekte festgelegt werden sollen. Er erwartet, dass dasBundesministerium die beabsichtigten Maßnahmen kurz-fristig umsetzt.

Dessen unbeschadet hält der Bundesrechnungshof dieEntgelte der Zollverwaltung in Fällen vergleichbarerMietobjekte für einen guten Vergleichsmaßstab. Die Ein-

Drucksache 16/XXXX – 120 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

wände des Bundesministeriums hierzu sind nicht stich-haltig. Die Büroräume der Bundespolizei weisen über-wiegend keine polizeispezifischen Einbauten auf – soferndoch, wurden sie durch einmalige Baukostenzuschüsseabgegolten. Des Weiteren enthalten die Mietverträge desZolls – im Gegensatz zu denen der Bundespolizei – be-reits sämtliche Nebenkosten. Das Einsparpotenzial für dieBundespolizei ist daher noch größer, wenn sie die Ver-tragskonditionen des Zolls übernimmt.

Der Bundesrechnungshof hält an seiner Empfehlung fest,die Anmietung von Flächen für Luftsicherheitskontroll-geräte einheitlich zu regeln und grundsätzlich auf dieAufstellfläche für die Geräte zu begrenzen.

6 Unzweckmäßige Dienstzeitregelungen bei der Bundespolizei führen jährlich zu Überstunden in Millionenhöhe(Kapitel 0625)

6.0

Arbeitszeitregelung und Schichtpläne der Bundespolizeisind verbesserungsbedürftig. Jährlich fallen rund drei

Millionen vermeidbare Überstunden an. Für Überstun-den, die nicht durch Freizeit ausgeglichen wurden,wandte die Bundespolizei in einzelnen Jahren über 1 Mio.Euro auf. Darüber hinaus ist die Verwaltung der zahlrei-chen Überstunden sehr aufwendig.

6.1

Mehr als 20 000 Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamteder Bundespolizei verrichten ihren Dienst in Inspektionenund Abteilungen. Inspektionen sind kleinere Polizeiein-heiten, beispielsweise an Bahnhöfen und Flughäfen. Ab-teilungen sind größere Polizeieinheiten mit rund 500 Be-amtinnen und Beamten, die für Sondereinsätze, z. B. beiDemonstrationen, benötigt werden.

In den Inspektionen und Abteilungen der Bundespolizeifielen seit Jahren sehr viele Überstunden an. Der Bundes-rechnungshof prüfte die Ursachen für das hohe Überstun-denaufkommen mehrerer Jahre. In der Tabelle sind dieDienstzeiten und Überstunden am Beispiel des Jahres2002 dargestellt. Auch zum Jahresende 2004 und zumJahresende 2005 bestanden jeweils noch mehr als eine Mil-lion Überstunden.

Ta b e l l e

Dienstzeiten und Überstunden bei der Bundespolizei(Basisjahr 2002; alle Zahlenangaben gerundet)

Inspektionen Abteilungen

Anzahl Polizeikräfte 18 300 6 500

von der angeführten Dienstzeit-regelung betroffen

13 600 6 000

regelmäßige wöchentliche Arbeits-zeit gemäß Arbeitszeitverordnung

38,5 Stunden 38,5 Stunden

Dienstzeiten 7-Tage-Woche mit Wechselschichten nach festen Dienstplänen

5-Tage-Woche (Mo-Fr) mit festen Dienstzeiten; in der Regel von 7 Uhr bis 15:30 Uhr (Fr: 14:00 Uhr);Sondereinsätze auch an Wochenenden und Feiertagen

neu erworbene Überstunden im Kalenderjahr

1 Million(~ 625 Personenjahre)

2 Millionen(~ 1 250 Personenjahre)

durchschnittliche Anzahl Überstunden je Person

74 333

durch Bezahlung ausgeglichene Überstunden

[nicht ermittelt] 81 000

Gesamtaufwand für bezahlte Überstunden

[nicht ermittelt] 1,08 Mio. Euro

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 121 – Drucksache 16/XXXX

In den Inspektionen stellte der Bundesrechnungshof fest,dass die Schichten im Wesentlichen starr organisiert wa-ren. Sie waren stets mit der gleichen Personalstärke be-setzt. Das Arbeitsaufkommen änderte sich je nach Tages-zeit oder Wochentag erheblich. Die Personalstärke wardem Arbeitsaufkommen daher nicht immer angepasst.

Die Dienstpläne deckten Zeiträume von fünf bis zehnWochen ab. Sie berücksichtigten die im laufenden Jahrauf Werktage fallenden Feiertage nicht. Die Dienstplänebasierten konstant auf der regelmäßigen wöchentlichenArbeitszeit von 38,5 Stunden; ein 10-Wochen-Plan um-fasste daher immer genau 385 Stunden. Über das gesamteJahr betrachtet war die abzuleistende Stundenzahl daherzu hoch. So kam eine Beamtin oder ein Beamter system-bedingt auf etwa 90 Überstunden pro Jahr.

An Erkrankungstagen wurde den Polizeikräften die imDienstplan festgelegte Arbeitszeit voll angerechnet.Durch die systembedingten Überstunden des Dienstplansentstanden somit auch bei erkrankten PolizeikräftenÜberstunden.

Wenn Polizeikräfte im Schichtdienst tätig waren, wurdendie nach der Arbeitszeitverordnung vorgesehenen Pausenauf die Arbeitszeit angerechnet. Nach der Verordnungwerden 8,5 Stunden Dienstzeit normalerweise nur zu8 Stunden abgegolten. Den Schichtdienstleistenden wur-den hingegen 8,5 Stunden vergütet, da ihnen die halbstün-dige (Zwangs-)Pause nicht abgezogen wurde.

In den Abteilungen stellte der Bundesrechnungshof fest,dass die Polizeikräfte die in der Arbeitszeitverordnungfestgelegte Wochenarbeitszeit bereits in der regulärenDienstzeit von Montag bis Freitag vollständig ableisteten.Durch die häufigen Einsätze an Wochenenden und Feier-tagen fielen somit regelmäßig Überstunden an. Diesewurden überwiegend durch Freizeiten während der regu-lären Dienstzeit wieder abgebaut.

In Inspektionen und Abteilungen stellte der Bundesrech-nungshof fest, dass Polizeivollzugsbeamtinnen oder -be-amte, denen Freizeitausgleich für Überstunden gewährtworden war, häufig vertreten wurden. So erwarben dieVertreter ihrerseits wieder Überstunden.

Die Bundespolizei hatte einen hohen Aufwand, um dieÜberstunden zu verwalten.

6.2

Der Bundesrechnungshof hat aufgezeigt, dass die Bun-despolizei den überwiegenden Teil der Überstunden ver-meiden könnte. Die Dienstpläne sind bislang so gestaltet,dass sie regelmäßig zu Überstunden führen. VerschiedeneFestlegungen, wie die Anrechnung von Pausenzeiten aufdie Arbeitszeit im Schichtdienst, erhöhen zudem den Per-sonalbedarf.

Der Bundesrechnungshof hat dem Bundesministeriumdes Innern (Bundesministerium) empfohlen, die weitge-hend unflexiblen Schichtdienst- und Arbeitszeitmodelleaufzugeben und die Lage und Dauer der Arbeitszeit stär-ker am tatsächlichen Einsatzbedarf auszurichten.

Dazu hat der Bundesrechnungshof verschiedene Vor-schläge gemacht:

● Die Schichtpläne der Inspektionen sollen die aufWerktage fallenden Feiertage berücksichtigen, indemdurchschnittliche Wochenarbeitszeiten entsprechendgekürzt werden. Dazu sind die Schichten entspre-chend dem tatsächlichen Einsatzbedarf flexibel zu be-setzen.

● Polizeikräfte sollten während ihrer Erkrankung keineÜberstunden erwerben können.

● Die in der Arbeitszeitverordnung vorgeschriebenenPausenzeiten sollten grundsätzlich nur dann als Ar-beitszeit anerkannt werden, wenn der jeweilige Ein-satz im Schichtdienst keine Pause zulässt.

● Die Dienstzeiten der Abteilungen sollten flexibilisiertwerden. Da die Einsätze der Abteilungen zumeist anWochenenden stattfinden und größtenteils im Vorausbekannt sind, könnte die Bundespolizei die überwie-gende Anzahl der Überstunden so vermeiden.

● Die Planung und Steuerung der flexibilisierten Dienst-zeiten sollte durch geeignete Informationstechnik un-terstützt werden.

Die aufgezeigten Maßnahmen sind geeignet, neue Über-stunden weitgehend zu vermeiden und die vorhandenenÜberstunden zurückzuführen. Auf diesem Wege kannauch der Aufwand für die Verwaltung der Überstundenwirksam vermindert werden. Eine Rückführung des ho-hen Überstundenaufkommens führt zudem zu einem rea-listischeren Bild des Gesamtpersonalbedarfs der Bundes-polizei.

6.3

Das Bundesministerium hat anerkannt, dass die Bundes-polizei ihre Arbeitszeiten und den Schichtdienst besserorganisieren muss. Dazu werde die Bundespolizei ihreInspektionen bundesweit mit einem IT-gestütztenSchichtdienstmanagement ausstatten. Der Zeitpunkt derEinführung richte sich jedoch nach den verfügbarenHaushaltsmitteln.

Das Bundesministerium will die Empfehlung des Bun-desrechnungshofes aufgreifen, die auf Werktage fallen-den Feiertage in den Schichtplänen der Inspektionen zuberücksichtigen. Es will allerdings im Krankheitsfall wei-terhin Überstunden gut schreiben und stützt sich dabei aufaktuelle Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerich-tes. Ebenso will das Bundesministerium die Pausenzeitenim Schichtdienst weiter auf die Arbeitszeit anrechnen.Hierzu beruft es sich auf die neue Arbeitszeitverordnung,die am 28. Februar 2006 in Kraft getreten ist. Als weite-ren Grund führt es einen von ihm befürchteten adminis-trativen Aufwand an.

An der festen Arbeitszeitregelung für die Abteilungenwill das Bundesministerium festhalten. Bei einer Verlage-rung von Regeldienstzeiten auf Wochenenden sehe es dieGefahr, während der Werktage nicht genügend Einsatz-

Drucksache 16/XXXX – 122 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

kräfte zu haben. Die anfallenden Überstunden wolle esaber eindämmen. Hierzu wolle es bei planbaren Einsätzenan Wochenenden den zustehenden Freizeitausgleich inzeitlicher Nähe zum Einsatztermin gewähren.

6.4

Der Bundesrechnungshof hält die vom Bundesministe-rium vorgesehenen Maßnahmen für einen wichtigenSchritt, organisationsbedingte Überstunden in den Inspek-tionen zu vermeiden. Die Wochenfeiertage sollte die Bun-despolizei möglichst umgehend in ihren Dienstplänenberücksichtigen. Wegen der Haushaltswirksamkeit derMaßnahme sollte die Bundespolizei damit nicht warten,bis das IT-gestützte Schichtdienstmanagement in Betriebist.

Nach Auffassung des Bundesrechnungshofes ist es erfor-derlich, das Arbeitszeitrecht sachgerecht so zu regeln,dass im Krankheitsfall keine Überstunden mehr erworbenwerden können. Da die Bundespolizei ihre Dienstplänekünftig so gestalten will, dass sie nicht automatisch zuÜberstunden führen, wird dies auch die von Erkranktenerworbenen Überstunden verringern.

Dem Bundesrechnungshof ist bewusst, dass die neue Ar-beitszeitverordnung vorsieht, Pausenzeiten im Schicht-dienst auf die Arbeitszeit anzurechnen. Bis zum Februar2006 war dies hingegen nicht gestattet. Die Regelung die-ser Frage beeinflusst den Personalbedarf erheblich: Schonwenn täglich nur 15 Minuten Pause als Arbeitszeit an-gerechnet werden, erhöht sich der Personalbedarf derBundespolizei für den Schichtdienst um etwa 500 Polizei-kräfte. Der Bundesrechnungshof empfiehlt dem Bundes-ministerium daher, Pausenzeiten nur dann auf die Ar-beitszeit anzurechnen, wenn der Dienstbetrieb nachweis-lich keine Pause zuließ. Die Arbeitszeitverordnung wäredazu anzupassen.

Der Bundesrechnungshof fordert weiterhin, die Dienst-zeiten in den Abteilungen der Bundespolizei zu flexibili-sieren. Da sich die Einsätze auf die Wochenenden kon-zentrieren, sind die Einwände des Bundesministeriumsnicht stichhaltig. Das angekündigte Vorgehen ist nichtwirtschaftlich. Es wäre besser, Überstunden erst gar nichtentstehen zu lassen, als sie mit einem erheblichen Auf-wand wieder abbauen zu müssen. Im Übrigen zeigen Er-fahrungen bei Landespolizeien, dass von flexiblen Ar-beitszeiten nicht nur die Dienststellen sondern auch diePolizeibeamtinnen und -beamten profitieren.

7 Bund kann seine Pensionsfestsetzung und -regelung effizienter organisieren

7.0

Der Bund hat die Zuständigkeit für die Festsetzung undRegelung der Beamtenversorgung auf zu viele Behördenverteilt, sodass Synergien ungenutzt bleiben. MangelndeKoordinierung und das Fehlen einer planvollen Organi-sationsentwicklung führen zu Parallelarbeiten und Insel-

lösungen. Die Geschäftsprozesse können vor allem mit-hilfe besserer IT-Unterstützung optimiert werden.

7.1

Die Versorgung der Beamtinnen und Beamten umfasstLeistungen, die der Alterssicherung, der Fürsorge beiDienstunfähigkeit und Dienstunfällen sowie der Hinter-bliebenenfürsorge dienen (Versorgungsbezüge, Pensio-nen). Sie werden i. d. R. bei Eintritt des Versorgungsfallserstmalig festgesetzt (Erstfestsetzung). In laufenden Fäl-len sind versorgungsrechtliche Regelungen umzusetzen,die sich auf die zu gewährenden Leistungen auswirken(Regelungsangelegenheiten). Das Bundesministerium desInnern (Bundesministerium) ist auf Bundesebene nichtnur für die Fortentwicklung des materiellen Versorgungs-rechts, sondern im Grundsatz auch für Verwaltungsorga-nisation und Verwaltungsmodernisierung zuständig.

Der Bundesrechnungshof hat querschnittlich die Organi-sation der Pensionsfestsetzungs- und -regelungsbehördendes Bundes (Behörden) geprüft. Dabei hat er auch die Ge-samtstruktur der Versorgungsbearbeitung im Bundesbe-reich einschließlich der Zusammenarbeit zwischen denBehörden untersucht und im Wesentlichen festgestellt:

● Zahlreiche Behörden verschiedener Größe nehmenmit unterschiedlichem Aufwand weitgehend gleicheAufgaben wahr. Die Bundesressorts führen die Erst-festsetzung für ihre Beamtinnen und Beamten über-wiegend selbst durch. Ihre damit befassten Stellen ha-ben i. d. R. relativ wenige Fälle zu bearbeiten und sinddementsprechend klein.

● Die meisten Behörden berechnen die Pensionen mit-hilfe spezieller Programme privater Softwareentwick-ler, von denen sie entsprechende Lizenzen erwerben.Bei der Arbeit mit den Programmen kam es mitunterzu Berechnungsfehlern, deren Ursachen im Rahmenvon Updates behoben werden mussten. Außerdem istteilweise die Möglichkeit zum Abspeichern von Bear-beitungsfällen eingeschränkt. Andere Behörden habenselbst Software zur Pensionsberechnung entwickelt.Manche Eigenentwicklungen sind sehr komplex, an-dere stoßen aufgrund ihres Alters und der zahlreichenVersorgungsrechtsänderungen der vergangenen Jahrezunehmend an Kapazitätsgrenzen. Bei allen IT-Ver-fahren müssen die notwendigen Berechnungsdatenüber verschiedene Eingabemasken manuell erfasstwerden.

Für die Auszahlung der Pensionen nutzen die Behör-den häufig ihr jeweiliges Personalabrechnungsverfah-ren, über das auch die Gehälter der Beschäftigten aus-gezahlt werden. Die zahlungsrelevanten Daten sinddabei ganz überwiegend erneut manuell einzugeben.

● Die Gesamtstruktur der Versorgungsbearbeitung desBundes ist nicht homogen: Die Behörden nehmen ihre(weitgehend gleichen) Aufgaben auf verschiedene Artund Weise und mit unterschiedlichen Hilfsmittelnwahr. Größtenteils handeln sie dabei auch isoliert von-einander. Fachlicher und organisatorischer Austauschoder regelmäßige Kommunikation untereinander feh-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 123 – Drucksache 16/XXXX

len weitestgehend. Arbeitsorganisatorische Standards(z. B. Prozessmodelle oder Benchmarks) sind nichtdefiniert. Die Behörden haben stattdessen zum großenTeil Insellösungen entwickelt, die insgesamt betrach-tet zu Parallelarbeiten und erheblichem Mehraufwandführen. Beispiele hierfür sind neben den IT-Eigenent-wicklungen die erforderlichen Formulare, Musterbe-scheide, Formschreiben und Merkblätter, die die meis-ten Stellen eigenständig entwerfen und aktualisieren.Ein weiteres Beispiel sind zusätzliche Organisations-einheiten für grundsätzliche und spezielle fachlicheFragen, die bei fast jeder Behörde eingerichtet sind.

7.2

Die Aufgaben der Pensionsfestsetzung und -regelung zer-splittert von vielen Behörden mit teilweise nur wenigenBearbeitungsfällen wahrnehmen zu lassen, ist nicht effi-zient. Synergieeffekte, die mit optimierten Arbeitsprozes-sen bei großen Fallzahlen zu erzielen wären, bleiben hier-bei ungenutzt. Auch muss die notwendige hoheFachkompetenz an zahlreichen Stellen vorgehalten wer-den. Dies führt besonders bei kleinen Behörden zuSchwierigkeiten. Außerdem ist die Erstfestsetzung derVersorgungsbezüge durch die Ressorts keine ministerielleKernaufgabe, die diese selbst durchführen müssten.

Der Bundesrechnungshof hat dem Bundesministeriumempfohlen, hinsichtlich der Pensionsfestsetzung und -re-gelung ein Gesamtkonzept für ein übergreifendes, kun-denorientiertes Dienstleistungsangebot zu entwickeln.Dabei wird auch zu prüfen sein, wie sich die Bearbeitungstärker zentralisieren lässt.

Die IT-Unterstützung der Behörden leidet an unzurei-chenden Funktionalitäten, mangelnden Verknüpfungenund teilweise auch an Qualitätsmängeln: So sind die Soft-wareprodukte häufig nur für einzelne Arbeitsschrittenutzbar. Außerdem enthalten sie überwiegend keine ge-eigneten elektronischen Schnittstellen, sodass automati-sierte Datenimporte oder -exporte kaum möglich sind.Dadurch kommt es zu Medienbrüchen und Mehraufwanddurch manuelle Datenübertragungen sowie in der Folgezu erhöhtem Kontrollaufwand. Berechnungsfehler, man-gelnde Speichermöglichkeiten, die zu Datenverlustenführen können, sowie komplexe, benutzerunfreundlicheProgramme fallen als weitere Defizite ins Gewicht. IT-Ei-genentwicklungen sind zudem nicht selten Behelfslösun-gen, deren Funktionsfähigkeit und Betriebssicherheitstark von dem vor Ort tatsächlich verfügbaren Fachperso-nal abhängt.

Der Bundesrechnungshof hat empfohlen, im Wege eineskoordinierten Vorgehens (z. B. „Einer-für-alle“-Modell)nach Maßgabe der einschlägigen Projektvorschriften einegrundlegend verbesserte IT-Unterstützung der Behördenanzustreben. Diese sollte insbesondere alle Funktionenbereitstellen, die nötig sind, um den Vorgang als Ganzeszu bearbeiten. Unumgängliche Datentransfers sollten au-tomatisiert über elektronische Schnittstellen abgewickeltwerden können. Eine bessere IT-Unterstützung kann soeinen wesentlichen Beitrag dazu leisten, die Geschäfts-prozesse der Behörden zu optimieren und manuellen Ar-beitsaufwand zu verringern.

Mit Blick auf die Gesamtstruktur der Versorgungsbear-beitung im Bereich des Bundes vermisst der Bundesrech-nungshof eine planvolle Organisationsentwicklung. DieArbeit der Behörden wird auch nicht übergreifend koordi-niert. Dies führt einerseits zu dem festgestellten Mehrauf-wand durch Parallelentwicklungen, z. B. im IT-Bereichund beim Formularwesen. Gleichzeitig erschwert es ver-gleichende Betrachtungen der Arbeitsorganisation undderen Verbesserung durch „Lernen vom Besten“. Auchfehlt es an verlässlichen Daten zu Kosten und Leistungen.

Ein Gesamtkonzept für ein übergreifendes Dienstleis-tungsangebot sollte daher auch Aussagen dazu enthalten,wie die Arbeit der verbleibenden Behörden wirksam zukoordinieren und fortzuentwickeln ist. Als Leitlinienhierfür können insbesondere dienen:

● das „Einer-für-alle“-Prinzip,

● die Bündelung von Sachverstand in einem Kompe-tenzzentrum, das zugleich der Qualitätssicherungdient,

● ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess im Bereichder Arbeitsorganisation.

7.3

Das Bundesministerium hat die Ausführungen des Bun-desrechnungshofes grundsätzlich begrüßt. Die Empfeh-lungen des Bundesrechnungshofes, die Gesamtorganisa-tion der Versorgungsbearbeitung zu straffen, die IT-Struktur zu harmonisieren und die Geschäftsprozesse zuoptimieren, fügten sich auch in die Strategie zur Moder-nisierung der Bundesverwaltung ein. Hinsichtlich über-greifender Dienstleistungsangebote lägen bereits Erfah-rungen in der Bundesverwaltung vor, die für neuekonzeptionelle Entwicklungen bei der Pensionsfestsetzunggenutzt werden könnten. Von Vorteil seien hierbei insbe-sondere die „Einer-für-alle“-Dienstleistungen. Die festge-stellten Mängel würden zum Anlass genommen, die Orga-nisation der Versorgungsbearbeitung grundlegend zuverbessern.

Auf Vorschlag des Bundesministeriums hat sich der inter-ministerielle Ausschuss für Organisationsfragen (AfO)mit dem Thema befasst. Dessen Mitglieder haben sichvorgenommen, gemeinsam Lösungsvorschläge für dieBundesverwaltung zu entwickeln. Das Bundesministe-rium hat dazu vorgeschlagen, eine ressortübergreifendeArbeitsgruppe einzurichten. Es will zu diesem Zwecknoch gesondert Kontakt mit den Ressorts aufnehmen.

7.4

Der Bundesrechnungshof sieht in der Einschaltung desAfO einen ersten Schritt dazu, die Pensionsfestsetzungund -regelung des Bundes effizienter zu organisieren. DerAfO bzw. eine Arbeitsgruppe dieses Ausschusses kannwichtige Beiträge zu einem Gesamtkonzept für ein über-greifendes Dienstleistungsangebot liefern. Dabei wirddarauf zu achten sein, dass nach Abschluss der Konzepti-onsphase binnen angemessener Zeit konkrete Verbesse-rungen, z. B. bei der IT-Unterstützung der Behörden, um-gesetzt werden. Allerdings können weder der AfO noch

Drucksache 16/XXXX – 124 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

eine Arbeitsgruppe auf Dauer selbst die Arbeit der ver-bleibenden, mit Versorgungsaufgaben befassten Behör-den koordinieren und fortentwickeln. Diese Gremienkönnen das Bundesministerium lediglich unterstützen, imRahmen seiner Grundsatzzuständigkeit für Verwaltungs-organisation und Verwaltungsmodernisierung geeigneteOrganisationsstrukturen zu entwickeln und umzusetzen.

Das Bundesministerium bleibt aufgefordert, den skizzier-ten Prozess grundlegender organisatorischer Verbesserun-gen aktiv und zielgerichtet voranzutreiben und hierbei dieEmpfehlungen des Bundesrechnungshofes zu berücksich-tigen. Hierzu sollten Meilensteine definiert werden, dieregelmäßig daraufhin zu überprüfen sind, ob sie zeitge-recht erreicht wurden. Besonderes Augenmerk wird dabeinicht nur auf das zu entwickelnde Gesamtkonzept, son-dern auch auf dessen konsequente Umsetzung zu legensein.

8 Bundesausgleichsamt muss Fach-aufsicht intensivieren, um das Risiko höherer Bundeszuschüsse zu mindern(Kapitel 0615 Titelgruppe 03)

8.0

Das Bundesausgleichsamt, das in der Lastenausgleichs-verwaltung die Fachaufsicht ausübt, hat diese seit fünfJahren nicht in dem gebotenen Maße wahrgenommen.Wesentliche Aufgabe der Landesausgleichsämter undAusgleichsämter bei den Kommunen ist heute die Rück-forderung von Ausgleichsleistungen. Mehrere Länderweisen eine erhebliche Anzahl unbearbeiteter Rückforde-rungsverfahren auf. Das Bundesausgleichsamt hat demnicht entgegengewirkt. Dies führt nicht nur zu Zinsverlus-ten und Einnahmeausfällen beim Entschädigungsfonds,sondern erhöht auch das Risiko des Bundes, in den kom-menden Jahren höhere Zuschüsse an den Entschädi-gungsfonds leisten zu müssen.

8.1

8.1.1

Durch den Lastenausgleich sollen Schäden und Verlustean Vermögen abgegolten werden, die Deutschen aufgrundund infolge des Zweiten Weltkrieges entstanden sind.Mehr als 50 Jahre nach seiner Einführung im Jahre 1952ist der Lastenausgleich nunmehr in seine Schlussphaseeingetreten. Parallel zum starken Rückgang der Fallzah-len verminderte sich die Zahl der Beschäftigten in derLastenausgleichsverwaltung von ehemals 25 000 aufheute 750.

Die Ausgleichsverwaltung ist seit ihrem Beginn dreistu-fig aufgebaut. Das Bundesausgleichsamt (Bundesamt) istals Bundesoberbehörde eingerichtet; darunter bestehenLandesausgleichsämter und Ausgleichsämter (Ausgleichs-ämter) bei den Kommunen. Die Ausgleichsämter führenim Auftrag des Bundes Aufgaben des Lastenausgleichsdurch. Dem Bundesamt obliegen innerhalb der Aus-gleichsverwaltung die Steuerung und die Fachaufsicht.Die Fachaufsicht übt es durch Einzelweisungen aus.

Nach dem 34. Gesetz zur Änderung des Lastenaus-gleichsgesetzes (34. Änderungsgesetz) geht ein Teil derAufgaben von den Ländern und Kommunen auf das Bun-desamt über. Es wird zum 1. Oktober 2006 die Durchfüh-rung der Kriegsschadenrente und zum 1. Januar 2010 dieRückforderung von Ausgleichsleistungen übernehmen,soweit der Schadensausgleich nach dem 30. Juni 2009bekannt wird. Seit 1. Januar 1994 fließen vereinnahmteRückflüsse nach dem Lastenausgleichsgesetz dem Ent-schädigungsfonds zu. Dieser soll nach der Finanzplanungab dem Jahre 2007 Zuschüsse aus dem Bundeshaushalterhalten, soweit seine Einnahmen die Ausgaben nicht de-cken. Die Arbeitsbelastung des Bundesamtes ab demJahre 2010 wird auch davon abhängen, wie viele Rück-forderungstatbestände die Ämter zur Regelung offenerVermögensfragen in den neuen Ländern der Ausgleichs-verwaltung noch bis zum 30. Juni 2009 melden.

8.1.2

Der Bundesrechnungshof prüfte in den Jahren 2004 und2005 mit Unterstützung des Prüfungsamtes des BundesStuttgart (Prüfungsamt) die Aufgabenerledigung in derLastenausgleichsverwaltung. Er kam zu folgenden Er-kenntnissen:

● Der Anteil unbearbeiteter Rückforderungsverfahrenlag in den einzelnen Ländern zum 31. Dezember 2005zwischen 7 % und 40 %. In vier Ländern lag der An-teil mit 21 % bis 40 % vergleichsweise hoch. Derdurchschnittliche Anteil unbearbeiteter Rückforde-rungsfälle betrug ohne diese vier Länder 13 %.

● Die Länder und die Kommunen haben im Bereich derAusgleichsverwaltung die Zahl der Beschäftigten un-terschiedlich reduziert.

● Die Ursachen für die unterschiedlichen Bearbeitungs-stände in den einzelnen Ländern bei den Rückforde-rungsverfahren sind dem Bundesamt nicht bekannt.

● Das Bundesamt hat Dienststellen der Ausgleichsver-waltung seit dem Jahre 2001 nicht mehr geprüft.

8.2

Der Bundesrechnungshof hat darauf hingewiesen, dassdas Risiko des endgültigen Einnahmeausfalls mit demZeitablauf steigen wird, weil Rückzahlungsverpflichtetenicht mehr ermittelbar oder insolvent sind. Er hat die un-terschiedliche Entwicklung für die Bearbeitung der Rück-forderungsfälle in den Ländern darauf zurückgeführt,dass das Bundesamt seine Fachaufsicht nicht in demgebotenen Maße wahrgenommen und seit fünf JahrenGeschäftsprüfungen im nachgeordneten Bereich nichtdurchgeführt hat.

Für den Bund steigt das Risiko, ab dem Jahre 2007 hö-here Zuschüsse an den Entschädigungsfonds leisten zumüssen. Es besteht zudem nicht nur die Gefahr, dassRückforderungen verjähren, auch die Einzelfallgerechtig-keit ist nicht mehr gewährleistet.

Der Bundesrechnungshof hat daher gefordert, mit geeig-neten Maßnahmen dieser Entwicklung entgegenzusteu-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 125 – Drucksache 16/XXXX

ern. Das Bundesamt sollte die Möglichkeiten der Fach-aufsicht intensiver nutzen. Dazu ist es erforderlich, dieUrsachen für die unterschiedliche Anzahl der unbearbeite-ten Rückforderungsverfahren im Einzelnen zu ermitteln.Maßgebliche Gründe könnten neben der unterschiedlichenPersonalausstattung auch die Anzahl der bearbeiteten Fällepro Sachbearbeiterin oder Sachbearbeiter oder auch dieMeldungen von Rückforderungstatbeständen durch dieÄmter zur Regelung offener Vermögensfragen in denneuen Ländern an die Ausgleichsverwaltung sein. MitPrüfungen bei den Dienststellen der Ausgleichsverwal-tung könnte das Bundesamt ggf. Defizite für die unter-schiedliche Entwicklung bei der Bearbeitung der Rück-forderungsfälle konkret feststellen. Dies ist deshalb vonwesentlicher Bedeutung, weil mit dem 34. Änderungsge-setz die Rückforderungsverfahren ab dem Jahre 2010 vonden Ausgleichsämtern auf das Bundesamt übergehen undes unter bestimmten Voraussetzungen auch bestehendeRückstände zu übernehmen hat.

8.3

Die Bundesministerien des Innern und der Finanzen(Bundesministerien) haben in ihrer abgestimmten Stel-lungnahme den Stand der Aufgabenerledigung im Lasten-ausgleich und den Personalabbau bei den Ländern undKommunen bestätigt.

Gegen die vom Bundesrechnungshof geforderten Maßnah-men haben sie Einwände erhoben. So habe das Bundesamtangesichts des vor allem im klassischen Lastenausgleicherreichten Erledigungsstands und seiner personellen Mög-lichkeiten von regelmäßigen Prüfungen abgesehen. Maß-geblich dafür sei auch gewesen, dass der Bundesrech-nungshof und das Prüfungsamt die Ausgleichsämtergeprüft hätten. Das Bundesamt könne außerdem derschleppenden Bearbeitung im Rahmen seiner Fachauf-sicht kaum entgegenwirken, da die Personal- und Organi-

sationshoheit über die Ausgleichsämter bei den Ländernund Kommunen liege. Auch hätten frühere Appelle desBundesamtes an den Deutschen Städte- und Gemeindetaggegen den schon seit langem anhaltenden Personalabbaukeinen Erfolg gehabt.

8.4

Die von den Bundesministerien erhobenen Einwendun-gen hält der Bundesrechnungshof nicht für stichhaltig. Erbefürchtet, dass Länder und Kommunen die Aufgabender Ausgleichsverwaltung nicht in angemessener Zeit er-ledigen werden.

Die dem Bundesamt zu Gebote stehende Fachaufsichtgreift nicht, weil es das Bundesamt seit Jahren unterlässt,Prüfungen bei den Dienststellen der Ausgleichsverwal-tung durchzuführen. Zwar kann das Bundesamt den Län-dern im Wege der Fachaufsicht keine Einzelweisungen inPersonal- und Organisationsangelegenheiten erteilen, dieFachaufsicht gibt ihm aber die Möglichkeit, Ursachenaufzugreifen und systematisch für deren Abhilfe zu sor-gen.

Der Bundesrechnungshof bleibt daher bei seiner Forde-rung, die Möglichkeiten der Fachaufsicht intensiver zunutzen. Ziel sollte sein, eine Lösung zu finden, die es er-möglicht, die verbliebenen Aufgaben der Lastenaus-gleichsverwaltung bis zum Jahre 2010 schneller abzuar-beiten. Damit könnten nicht nur das Ausfallrisiko für denEntschädigungsfonds reduziert, sondern auch die Mitteldem Fonds zügiger zugeführt werden. Der Bund könnteerforderliche Bundeszuschüsse dann auf das notwendigeMaß beschränken und den durch das 34. Änderungsge-setz vorgegebenen Aufgabenübergang auf das Bundesamtim Jahre 2010 möglichst gering oder jedenfalls in vertret-barem Umfang halten.

Bundesministerium der Finanzen(Einzelplan 08)

9 Steuerbegünstigung von Handels- 9.1

schiffen durch die Tonnage-besteuerung verfehlt wesentliche Ziele(Kapitel 6001 Titel 012 01 und 044 02)

9.0

Die Begünstigung von Handelsschiffen inländischerReeder im internationalen Verkehr durch die Tonnagebe-steuerung hat allein im Jahre 2004 zu geschätzten Steuer-mindereinnahmen von mindestens 1 Mrd. Euro geführt.Diese steuerliche Vergünstigung konnte nicht verhindern,dass inländische Reeder ihre Schiffe in erheblicher Zahlausflaggten und immer weniger EU-angehörige Seeleutebeschäftigten. Sondervergütungen an Gesellschafter fürdie Verwaltung eines Schiffes sollten ohne Einschränkun-gen gesondert versteuert werden.

Seit dem Jahre 1999 ermöglicht die Tonnagebesteuerungnach § 5a Einkommensteuergesetz (EStG) den Reedern,Gewinne aus dem Betrieb von Handelsschiffen im inter-nationalen Verkehr nach der eingesetzten Tonnage, alsodem Rauminhalt des Schiffes, zu ermitteln. Die Tonnage-besteuerung gilt für in Deutschland registrierte eigeneoder gecharterte Schiffe sowie in einem bestimmten Um-fang auch für gecharterte Schiffe, die nicht in einem in-ländischen Seeschiffsregister eingetragen sind. Die aufder Grundlage der Tonnagebesteuerung ermittelten Ge-winne liegen regelmäßig weit unter den Gewinnen, die inSteuerbilanzen auszuweisen sind. Die Reeder werden da-durch steuerlich unbeschränkt begünstigt. Außerdem be-günstigt die Tonnagebesteuerung auch Anleger, die sol-che Handelsschiffe über Fondsgesellschaften finanzieren.

Drucksache 16/XXXX – 126 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Der Bundesrechnungshof schätzt die Steuerminderein-nahmen infolge der Tonnagebesteuerung nach den derzei-tigen Fracht- und Charterraten auf mindestens 1 Mrd.Euro im Jahr.

Im Jahre 2004 hat die EU überarbeitete Leitlinien der Ge-meinschaft für steuerliche Beihilfen im Seeverkehr erlas-sen, um

● den Mitgliedstaaten einen Rahmen für Vergünstigun-gen des Betriebes von Handelsschiffen im internatio-nalen Verkehr zu setzen,

● die Flaggen der EU-Mitgliedstaaten zu stärken und

● die Beschäftigung von EU-Bürgern im maritimenWirtschaftsbereich zu fördern.

In diesen Leitlinien fordert die EU, dass sämtliche Steuer-erleichterungen grundsätzlich an das Führen einer Flaggeeines EU-Mitgliedstaates geknüpft sein sollten. Von die-ser Regel soll nur ausnahmsweise und unter bestimmtenVoraussetzungen abgewichen werden dürfen. Inzwischengewähren fast alle Mitgliedstaaten mit Seehäfen steuerli-che Vergünstigungen in Form der Tonnagebesteuerung.Die Verknüpfung mit nationalen Interessen ist allerdingsunterschiedlich gestaltet. So können in GroßbritannienUnternehmen die Vorteile der Tonnagebesteuerung nurnutzen, sofern deren Schiffe strategisch und gewerblichim Inland verwaltet werden. Dabei werden in die Ent-scheidung, die Tonnagebesteuerung zu gewähren, unter

anderem Flaggung, Klassifizierung, Versicherung oderFinanzierung im Inland sowie Beschäftigung und Ausbil-dung einbezogen.

Nach dem Willen des Gesetzgebers sollte die Tonnagebe-steuerung die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Ree-der innerhalb der EU verbessern und Deutschland als ma-ritimen Wirtschaftsstandort stärken. Auch erwartete dieBundesregierung zugunsten der deutschen Handelsflotte,dass die Tonnagebesteuerung der Ausflaggung von Han-delsschiffen inländischer Reeder entgegenwirken werde,obwohl die Inanspruchnahme der Steuervergünstigungnicht das Führen der deutschen Flagge, sondern grund-sätzlich nur die Eintragung in einem inländischen Schiffs-register voraussetzt. Auf einem Handelsschiff unterdeutscher Flagge sind Reeder verpflichtet, in einem be-stimmten Umfang EU-angehörige Seeleute nach inländi-schem Recht zu beschäftigen. Inländische Reeder befrei-ten sich von dieser Verpflichtung dadurch, dass sieHandelsschiffe befristet außer in einem inländischen auchin einem ausländischen Register unter dortiger Flaggeführen ließen. Die genehmigende Behörde verlängertesolche befristeten Ausflaggungen großzügig. Die Vorteileder Tonnagebesteuerung sicherten sich die Reeder gleich-wohl durch vertragliche Gestaltungen und indem sie ge-setzliche Sonderregelungen nutzten. NachstehendesSchaubild zeigt die Entwicklung des Verhältnisses inlän-disch beflaggter zu befristet ausgeflaggten Handelsschif-fen inländischer Reeder:

A b b i l d u n g

Entwicklung der Handelsschiffe deutscher Schifffahrtsgesellschaften

844

717 692605

549482 508

603 594651

748

890

1 075

1 203

1 469

1 592

1 7511 849

400500600700800900

1 0001 1001 2001 3001 4001 5001 6001 7001 8001 9002 000

Anz

ahl

Anzahl Schiffe unter deutscher Flagge Anzahl Schiffe befristet ausgeflaggt

31.12

.1998

31.12

.1999

31.12

.2000

31.12

.2001

31.12

.2002

31.12

.2003

31.12

.2004

31.12

.2005

31.03

.2006

Jahre

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 127 – Drucksache 16/XXXX

Nach dem Schaubild stieg zwar die Zahl der Handels-schiffe an, die inländische Reeder wirtschaftlich beherr-schen. Allerdings vermehrte dies nicht die deutsche Han-delsflotte:

Im Jahre 2003 führten rund 480 Schiffe die deutscheFlagge. Davon waren rund 300 in internationaler Fahrtund rund 180 Schiffe im Inlandsverkehr eingesetzt. Imselben Jahr schloss die Bundesregierung mit Reedern undGewerkschaft ein so genanntes Maritimes Bündnis. DieBundesregierung sagte zu, die Tonnagebesteuerung unterder Voraussetzung beizubehalten, dass die Reeder zusätz-lich mindestens 100 Schiffe wieder unter deutscherFlagge fahren ließen. Die Reeder hielten ihre Zusage ein.Allerdings flaggten sie gleichzeitig knapp 400 weitereSchiffe unter Beibehaltung der Tonnagebesteuerung aus.Vom steuerlich begünstigten Schiffsbestand führen zur-zeit nur etwa 15 % der Handelsschiffe die deutscheFlagge; der Rest ist befristet ausgeflaggt oder ausschließ-lich in Ländern außerhalb der EU registriert.

Die Anzahl EU-angehöriger Seeleute auf Handelsschiffeninländischer Reeder nahm seit dem Jahre 1999 ab. Insbe-sondere sank die Anzahl deutscher Seeleute von9 279 (im Jahre 1999) auf 8 075 (im Jahre 2005). DieNachfrage nach ausgebildeten deutschen Seeleuten kannderzeit nicht gedeckt werden. Die Zahl der Beschäftigten,die in den Landbetrieben der maritimen Wirtschaft (wieReedereien, Maklerbetrieben, Agenturen) eingesetzt sind,stieg nach Angaben des Bundesministeriums der Finan-zen (Bundesministerium) im Zeitraum von Ende 1999 bisEnde 2005 um rund 3 800.

Betreibt eine Personengesellschaft Seeschifffahrt, sinddie an einen Gesellschafter gezahlten Sondervergütungennicht im Tonnagegewinn enthalten. Sie sind somit ohneVergünstigung gesondert zu versteuern (§ 5a Abs. 4a S. 3EStG). Diese Regelung soll verhindern, dass sich Dienst-leister und Arbeitnehmer mit einem geringen Anteil ander Gesellschaft beteiligen, um so ihre sämtlichen Vergü-tungen der Regelbesteuerung zu entziehen. Dem entge-gen bestimmte das Bundesministerium in einer Verwal-tungsanweisung, dass die Vergütung eines Gesellschaftersfür die Bereederung mit der Tonnagesteuer steuerlichabgegolten ist. Die Steuerpflichtigen nutzten seitdem ver-schiedene Gestaltungen, um das durch die Tonnagebe-steuerung abgegoltene Bereederungsentgelt deutlich zuerhöhen und diesem auch andere Vergütungen zuzuord-nen. Das Entgelt für die Bereederung überstieg regelmä-ßig den Tonnagegewinn.

9.2

Nach Auffassung des Bundesrechnungshofes hat die steu-erliche Begünstigung die Ausflaggungen weder verhin-dern noch diese Entwicklung umkehren können. Diegesetzlichen und vertraglichen Möglichkeiten, die Tonna-gebesteuerung auch für solche Handelsschiffe zu erhal-ten, die befristet ausgeflaggt oder ohne Eintragung in eininländisches Register gechartert sind, verwässern viel-mehr das Ziel der Förderung der deutschen oder derFlagge eines anderen EU-Mitgliedstaates. Diese Gestal-

tungsmöglichkeiten nutzen inländische Reeder, um kos-tengünstiges Personal aus Nicht-EU-Ländern einzuset-zen. Vorrangig wegen der niedrigen Personalkostengelingt es den Reedern, sich am Markt erfolgreich zu be-haupten und Gewinne zu erwirtschaften. Das Zusammen-spiel der Tonnagebesteuerung, der befristeten Ausflag-gung und der Regelungen zur Schiffsbesetzung fördertden deutlichen Rückgang von Bordarbeitsplätzen für EU-angehörige Seeleute. Der Zuwachs der Landbeschäftigtenim maritimen Wirtschaftsbereich lässt sich nicht sicherauf die Tonnagebesteuerung zurückführen. Vielmehrdürften die lang anhaltenden hohen Fracht- und Charter-raten die Marktbelebung und die damit verbundene Nach-frage der maritimen Dienstleistungen an Land entschei-dend beeinflusst haben.

Die derzeitige Regelung der Tonnagebesteuerung bietetden Reedern weder Anreiz ihre Schiffe unter deutscheroder der Flagge eines anderen EU-Mitgliedstaates zu füh-ren, noch vermehrt EU-Bürger als Seeleute zu beschäfti-gen. Damit wird sie den europäischen Zielen, die Flaggender europäischen Staaten zu stärken und die Beschäfti-gung in der Gemeinschaft zu fördern, nicht gerecht. Diewirtschaftlichen Vorteile der steuerlichen Förderungwachsen mit steigenden Erträgen je Schiff. Wenn derMarkt hohe Erträge zulässt, sollte die steuerliche Ver-günstigung daher begrenzt werden.

Das Verhältnis zwischen Steuervergünstigung für Reederund Anleger einerseits sowie nationalem oder europäi-schem Nutzen andererseits ist nicht ausgewogen. Diesteuerliche Vergünstigung sollte deshalb enger mit natio-nalen und europäischen Interessen verknüpft werden. DerBundesrechnungshof hat daher empfohlen:

● Die Tonnagebesteuerung sollte in Übereinstimmungmit den EU-Leitlinien grundsätzlich nur für den Be-trieb solcher Handelsschiffe gewährt werden, die diedeutsche oder die Flagge eines anderen EU-Mitglied-staates führen.

● Die Begünstigung von Handelsschiffen, die nicht ineinem inländischen Seeschiffsregister eingetragensind, sollte eingeschränkt werden.

● Umfang und Höhe der Steuervergünstigung, die dieTonnagebesteuerung einräumt, sollten in geeigneterWeise begrenzt werden.

Darüber hinaus hält der Bundesrechnungshof die Ent-scheidung des Bundesministeriums, das Bereederungs-entgelt von einer gesonderten Besteuerung auszunehmen,für systemwidrig und missbrauchsanfällig. Zudem verur-sacht sie erhebliche Steuerausfälle. Der Bundesrech-nungshof hat empfohlen, das Bereederungsentgelt wieandere Sondervergütungen an Gesellschafter zu behan-deln und dem jeweiligen Gesellschafter als zu versteuern-der Gewinn zuzurechnen.

9.3

Das Bundesministerium hat erklärt, die Tonnagesteuergrundsätzlich beibehalten zu wollen. Auch nach seiner

Drucksache 16/XXXX – 128 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Einschätzung betragen die Steuerausfälle aufgrund derTonnagebesteuerung im Jahre 2004 mindestens 1 Mrd.Euro. Die Erfahrung zeige aber, dass die Frachtraten imZeitablauf erheblichen Schwankungen unterlägen. DieMehreinnahmen aus einer Abschaffung oder Änderungder Tonnagebesteuerung würden außerdem nicht den er-mittelten Steuermindereinnahmen durch die pauschaleBesteuerung der Schifffahrtsunternehmen entsprechen, daVerhaltensreaktionen auf geänderte steuerliche Rahmen-bedingungen dem entgegenwirken würden.

Nach Ansicht des Bundesministeriums sei es Ziel des Ge-setzgebers gewesen, den Unternehmensstandort Deutsch-land zu stärken. Eine Bindung an die deutsche Flagge seinicht gefordert worden. Die Tonnagesteuer stehe im Ein-klang mit den früheren „Leitlinien der Gemeinschaft fürstaatliche Beihilfen im Seeverkehr“ aus dem Jahre 1997.Ziele dieser Leitlinien seien u. a. die Sicherung von Ar-beitsplätzen in der Gemeinschaft (sowohl auf den Schif-fen als auch an Land), die Einhaltung von Schifffahrts-Know-how in der Gemeinschaft und die Weiterentwick-lung der beruflichen Fähigkeiten in diesem Bereich. ImÜbrigen habe die Tonnagebesteuerung einen wesentli-chen Beitrag zur Sicherung der Landarbeitsplätze im Ree-dereibereich geleistet. Auch würden in den vergangenenzwei Jahren wieder mehr EU-angehörige Seeleute be-schäftigt.

Der Empfehlung des Bundesrechnungshofes, die Tonna-gebesteuerung grundsätzlich an das Führen der deutschenoder der Flagge eines anderen Staates der EU zu knüpfen,könne nicht gefolgt werden. Bei Umsetzung dieser Emp-fehlung käme es zu massiven Verzerrungen im Steuer-wettbewerb zwischen den Mitgliedstaaten. Dies würdezulasten des Schifffahrtsstandortes Deutschland gehenund sei politisch nicht akzeptabel.

Man wolle die Empfehlung des Bundesrechnungshofesprüfen, die Einbeziehung von Handelsschiffen in die Ton-nagebesteuerung einzuschränken, die nicht in eineminländischen Seeschiffsregister eingetragen sind. Mög-lichkeiten, den Umfang und die Höhe der Steuervergüns-tigung zu begrenzen, wolle man ebenfalls untersuchen.

Auch die Empfehlung des Bundesrechnungshofes, dasBereederungsentgelt wie andere Sondervergütungen anGesellschafter zu behandeln, solle zusammen mit denobersten Finanzbehörden der Länder geprüft werden.

9.4

Der Bundesrechnungshof erkennt an, dass sich Änderun-gen bei der Tonnagebesteuerung nur unter Berücksichti-gung der Entwicklungen in den Mitgliedstaaten und nachintensiver Prüfung der Sachverhalte erzielen lassen. Er istjedoch unverändert der Auffassung, dass in Übereinstim-mung mit den EU-Leitlinien sämtliche Steuererleichte-rungen grundsätzlich an das Führen der Flagge eines EU-Mitgliedstaates geknüpft sein sollen. Hierfür sprechennicht nur die Vorgaben der Leitlinien, sondern auch dieBemühungen der Bundesregierung, Rückflaggungen imVereinbarungswege zu erreichen. Das Schaubild (s. Ab-

bildung) belegt, dass es sich bei den ausgeflaggten Schif-fen nicht um Ausnahmen, wie sie die Leitlinien unter be-stimmten Umständen zulassen, sondern um den Regelfallhandelt.

Der Bundesrechnungshof ist wie das Bundesministeriumder Auffassung, dass die Steuermindereinnahmen auf-grund der Tonnagebesteuerung jährlichen Schwankungenunterliegen. Unabhängig davon steht jedoch fest, dass essich bei der Tonnagebesteuerung um eine außerordentlichhohe steuerliche Subvention handelt. Rein rechnerischwurde im Jahre 2004 jeder inländische Arbeitsplatz derLandbetriebe der maritimen Wirtschaft durch die Tonna-gebesteuerung mit mehr als 50 000 Euro subventioniert.Selbst unter Einbeziehung der Seearbeitsplätze EU-ange-höriger Seeleute verringert sich dieser Betrag nur aufrund 35 000 Euro je Arbeitsplatz.

Nach Ansicht des Bundesrechnungshofes hat nicht dieTonnagebesteuerung, sondern die deutliche Marktbele-bung mit stark gestiegenen Fracht- und Charterraten dieNachfrage maritimer Dienstleistungen beeinflusst. Trotzdieser günstigen Umstände waren aber im Jahre 2005 im-mer noch deutlich weniger EU-angehörige Seeleute aufden der Tonnagebesteuerung unterliegenden Schiffen be-schäftigt als im Jahre 1999.

Der Bundesrechnungshof hält an seinen Empfehlungenfest:

● Die Tonnagebesteuerung sollte stärker den nationalenund europäischen Interessen gerecht werden.

● Bei Inanspruchnahme der Tonnagebesteuerung sollteim Regelfall die deutsche oder die Flagge eines ande-ren EU-Mitgliedstaates zu führen sein.

Das Bundesministerium ist aufgefordert, hierzu Vor-schläge zu erarbeiten.

10 Kontrolldefizite bei der Zollabfertigung von Reisegepäck im Flugverkehr(Kapitel 0804)

10.0

An einigen deutschen Flughäfen sind Abfertigungsstellendes Zolls mangels Personals nicht oder nur unzureichendbesetzt. Dadurch entstehen Lücken bei der Zollkontrolle.Die technische Ausstattung der Dienststellen ist teilweiseunzureichend und verhindert die sachgerechte Aufgaben-erledigung. Der Bundesrechnungshof hat empfohlen, diePersonal-, Sach- und IT-Ausstattung der Abfertigungs-stellen zu verbessern. Außerdem sollte der Zollverwal-tung Zugriff auf die von den Fluggesellschaften gespei-cherten Daten der beförderten Passagiere eingeräumtwerden.

10.1

Waren, die in das Zollgebiet der Europäischen Gemein-schaft verbracht werden, unterliegen der Zollkontrolle.Der Zoll kann Reisegepäck daraufhin kontrollieren, ob

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 129 – Drucksache 16/XXXX

mitgeführte Waren dem persönlichen Gebrauch dienen,innerhalb vorgeschriebener Mengen- und Wertgrenzenliegen und ob für sie ein Einfuhrverbot oder sonstige Be-schränkungen gelten. Zu Art und Umfang der Kontrollengibt es keine gesetzlichen Vorgaben. Auch das Bundes-ministerium der Finanzen (Bundesministerium) hat dazuweder Rechtsverordnungen noch Einzelweisungen erlas-sen, die Oberfinanzdirektionen aber angehalten, darauf zuachten, dass das Personal verstärkt nach „risikoorientier-ten Gesichtspunkten“ eingesetzt wird.

10.2

Der Bundesrechnungshof hat Verfahrensabläufe und Per-sonalausstattung bei der Zollabfertigung von im Luftver-kehr eingeführtem Reisegepäck am Flughafen Frankfurtam Main und fünf anderen deutschen Flughäfen geprüft.Diese Flughäfen bewältigen insgesamt rund 75 % desPassagieraufkommens in Deutschland. Er hat Folgendesfestgestellt:

10.2.1

Die Zollverwaltung hat ihre Aufgaben an den Flughäfenorganisatorisch in die Bereiche Fracht- und Reiseverkehraufgeteilt. Der Bereich Reiseverkehr wickelt die Kontrollevon Reisegepäck der Passagiere und Flugzeugbesatzungendurch uniformierte Bedienstete an Abfertigungsstationenmit den „Rot“ bzw. „Grün“ gekennzeichneten Kontroll-ausgängen ab. Zur gezielten Bekämpfung des Schmug-gels von Rauschgift, Waffen, radioaktiven Stoffen sowieder Geldwäsche mittels Bargeldkontrolle sind besondereÜberwachungsgruppen im Einsatz, die dabei von Spür-hunden und technischen Hilfsmitteln vor und nach derGepäckausgabe unterstützt werden. Das Flughafenvor-feld wird von der Arbeitsgruppe Vorfeldüberwachungkontrolliert. Die Steuerung der Einsatzkräfte vor Ort er-folgt nach Risikoanalysen, die von den Flughafenzoll-ämtern selbst erarbeitet werden. Zur Ermittlung und Be-wertung von Risiken sind Erkenntnisse auch andererZolldienststellen und Behörden heranzuziehen und Kon-takt zu inner- und außerdeutschen Flughäfen zu pflegen.

Der Bundesrechnungshof stellte fest, dass die Anzahl derim Bereich Reiseverkehr eingesetzten Bediensteten beiden untersuchten Flughafenzollstellen den anerkanntenund festgelegten Bedarf um 8,5 % bis 33,7 % unterschritt.Dies führte dazu, dass Abfertigungsstationen schicht-weise oder in Einzelfällen sogar tageweise nicht besetztwaren. Nach Risikogesichtspunkten besetzte Stationenwaren bei diesen Flughäfen ausnahmslos mit weniger alsvier Bediensteten besetzt. Dieses kann beim Festhalteneiner Person wegen der Vorgaben zur Eigensicherung– mindestens je zwei Bedienstete für den roten und grü-nen Kontrollausgang – dazu führen, dass geordnete Zoll-kontrollen nicht mehr möglich sind.

Der Bundesrechnungshof hat beanstandet, dass es derZollverwaltung bisher nicht gelungen ist, die Unterbeset-zung dauerhaft abzustellen. Er hat empfohlen, die unter-besetzten Abfertigungsstationen durch überzähliges Per-sonal aus anderen Zollstellen zu verstärken.

10.2.2

Aufgegebenes Reisegepäck wird nach der Landung jenach Risikobewertung vom Zoll angefordert und zu Kon-trollstellen transportiert. Dort wird es mit Spürhunden,Röntgengeräten oder auf chemotechnische Art unter-sucht. Während die Kontrollen selbst zügig verlaufen,nehmen das Auf- und Abladen sowie der Transport sämt-licher Gepäckstücke zu den Kontrollstellen mehr Zeit inAnspruch. Bei Reisegut von Transitpassagieren oder Um-steigern kann dies angesichts rasch folgender Anschluss-flüge zu Verspätungen, Versäumnissen und kostenträchti-gen Nachsendungen führen.

Der Bundesrechnungshof stellte fest, dass der Zeitauf-wand bei gezielter Kontrolle einzelner Gepäckstückeverringert werden könnte, wenn besonders zu kontrollie-rende Gepäckstücke schon vor der Landung des Flugzeu-ges durch die Zollstellen identifiziert und ausgewähltwerden. Er hat daher angeregt, dem Zoll die von denFluggesellschaften gespeicherten Passagierdaten recht-zeitig zur Verfügung zu stellen. Dieses würde zusammenmit den weiteren Auswahlkriterien ermöglichen, Risiko-analysen und danach ausgerichtete Gepäckkontrollendurchzuführen. Damit könnten auch den Abfertigungs-stellen und Überwachungsgruppen Hinweise auf perso-nenbezogenes Vorgehen gegeben werden, die die bisherangewandten Auswahlkriterien ergänzen.

10.2.3

Das vom Bundesministerium angestrebte risikoorientierteVorgehen ist auch davon abhängig, IT-gestützte Informa-tionen zu gewinnen und weiterzuverarbeiten. Der Bun-desrechnungshof stellte fest, dass Konzepte oder Vorga-ben für IT-Geräteausstattung und deren Nutzung nichtbestanden. Beschaffung und Konfigurierung der IT-Aus-stattung hingen im Wesentlichen von der Eigeninitiativeder einzelnen Flughafenzollstellen ab und waren unein-heitlich. Die Geräte und Programme ließen einen Daten-austausch zwischen den Flughafenzollstellen nur einge-schränkt zu. Mangels zeitgemäßer Geräteausstattungbenötigte z. B. die Überwachungsgruppe an einem Flug-hafen mehr als zwei Stunden, um ein von der Zollverwal-tung eines EU-Mitgliedstaates elektronisch übermitteltesTäterportrait auszudrucken. Auch waren Zugriffe auf daszolleigene Informationssystem INZOLL, auf Systeme derEinwohnermeldeämter oder Polizeidaten im Abferti-gungsbereich nicht möglich.

Der Bundesrechnungshof hat empfohlen, die IT-Ausstat-tung der Abfertigungsstellen zu verbessern und den Ab-fertigungsstellen einen Zugriff auf externe Personalaus-kunftssysteme zu ermöglichen.

10.3

Das Bundesministerium hat eingeräumt, dass teilweise zuwenig Personal bei der Abfertigung von Reisenden einge-setzt wird. Insbesondere beim Flughafen Frankfurt amMain habe es aber versucht, die Personallage nachhaltigzu verbessern.

Drucksache 16/XXXX – 130 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Auch das Bundesministerium hält es für notwendig, demZoll die von den Fluggesellschaften gespeicherten Passa-gierdaten rechtzeitig zur Verfügung zu stellen. Es beab-sichtige daher, die Zollverwaltung als weiteren Empfän-ger in das in Vorbereitung befindliche Gesetz über dieVerpflichtung von Beförderungsunternehmen zur Über-mittlung von Passagierdaten aufzunehmen.

Das Bundesministerium hat eine Arbeitsgruppe einge-setzt, um zu prüfen, wie den Flughafenzollstationen Zu-griff auf behördliche Informationssysteme eingeräumtund deren IT-Ausstattung verbessert werden kann.

10.4

Nach Erkenntnissen des Bundesrechnungshofes ist wegendes Ausbaus des Flughafens Frankfurt am Main der Per-sonalbedarf des Zolls weiter gestiegen, weil zusätzlicheAbfertigungsstationen entstanden sind. Der Bundesrech-nungshof bleibt daher bei seiner Anregung, die Defizitedurch Umschichtungen oder Versetzungen von Personalauszugleichen. Er hält es weiterhin für erforderlich, dieunterbesetzten Abfertigungsstationen durch überzähligesPersonal aus anderen Zollstellen zu verstärken.

Der Bundesrechnungshof begrüßt das Bemühen des Bun-desministeriums, der Zollverwaltung die benötigtenPassagierdaten bereitstellen zu lassen. Das Bundesminis-terium sollte aber nicht bis zur Aufnahme der Zollverwal-tung in das Gesetz über die Verpflichtung von Beförde-rungsunternehmen zur Übermittlung von Passagierdatenwarten, sondern die Daten schnellstmöglich auf derGrundlage des Zollkodexes einfordern. Dieser bietet nachAuffassung des Bundesrechnungshofes bereits jetzt dieRechtsgrundlage, Luftverkehrsgesellschaften als „an Vor-gängen im Rahmen des Warenverkehrs“ Beteiligte zuverpflichten, den Zollbehörden alle Unterlagen und An-gaben zur Verfügung zu stellen und jede erforderlicheUnterstützung zu gewähren.

Der Bundesrechnungshof hält es für erforderlich, die un-zureichend ausgestatteten Überwachungsgruppen umge-hend mit einer modernen IT auszustatten und damitErreichbarkeit, Austausch und Auswertung von Informa-tionen in Echtzeit sicherzustellen. Er ist sich bewusst,dass auch eine am Bedarf bemessene Personal-, Sach-und IT-Ausstattung nicht immer umfassende Zollkontrol-len garantieren wird. Seine Empfehlungen bieten abernoch Möglichkeiten, die Zollkontrollen ohne größerenFinanzaufwand zu verbessern.

11 Deutsche Beteiligung an europäischer Forschungs- und Beratungseinrichtung unwirtschaftlich(Kapitel 0802 Titel 544 01)

11.0

Deutschland beteiligt sich an der Finanzierung einesEuropäischen Zentrums für internationale Wirtschaft.Das Zentrum versteht sich als Denkfabrik (think tank)

nach US-Muster, dessen Ziel es ist, zur Qualität von wirt-schaftspolitischen Entscheidungen in Europa beizutragen.Vor dem Hintergrund der Vielzahl bereits existierendernationaler und supranationaler Wirtschaftsforschungs-institute und der Art der satzungsmäßig vorgesehenenMittelverwendung kritisiert der Bundesrechnungshof dieBeteiligung und empfiehlt Kündigung.

11.1

11.1.1

Deutschland ist Gründungsmitglied eines „EuropäischenZentrums für internationale Wirtschaft“ (Zentrum) mitSitz in Brüssel. Mitglieder sind 14 EU-Mitgliedstaatenund 27 europäische Unternehmen, davon sechs ausDeutschland.

Das Zentrum hat der Satzung nach in erster Linie auf derGrundlage eigener Forschung zu Themen von allgemei-nem Interesse auf dem Gebiet von Wirtschaft und Finan-zen Analysen und Empfehlungen für europäische Politik-entscheider bereitzustellen. Es versteht sich dabei alsVerstärkung bereits bestehender politikorientierter For-schung in Europa und soll zu diesem Zweck netzwerkbil-dend mit externen Forschern kooperieren.

11.1.2

Ein EU-Kommissar brachte die Idee eines solchen Zen-trums im Januar 2003 dem deutschen Außenministernahe. Er warb dabei mit der europäischen Orientierungund Ansiedlung des Zentrums an der Schnittstelle zwi-schen Politik und Wissenschaft. Als europäischer „thinktank“ zu internationalen Wirtschaftsfragen, an denen es inEuropa im Gegensatz zu den USA mangele, sollte eineMitgliedschaft zur Mitfinanzierung allen EU-Mitglied-staaten offen stehen.

Der Vorschlag fand vierzehn Tage später als „europäischeInitiative“ Eingang in eine gemeinsame Erklärung derRegierungschefs von Deutschland und dem Heimatlanddes Kommissars. Von deutscher Seite wurde das Bundes-ministerium der Finanzen (Bundesministerium) mit derKonkretisierung und Umsetzung betraut. Dazu holte eszunächst ein Gutachten ein, das Bedarf und Nutzen einessolchen Zentrums in Europa analysieren sollte. Dabei hobdas Bundesministerium hervor, dass es nicht darum gehe,eine neue Einrichtung zu schaffen. Vielmehr sollten be-stehende Forschungseinrichtungen vernetzt werden. DasGutachten weist nach, dass für neue Forschungseinrich-tungen zu wirtschafts- und finanzpolitischen Themen inEuropa kein Bedarf besteht und hier bereits ein viel dich-teres Netzwerk von wirtschaftspolitischen Forschungs-einrichtungen besteht als in den USA. Für empfehlens-wert hält es aber die Einrichtung eines gemeinsameneuropäischen Büros als Servicestelle für bestehende For-schungsinstitute, das vorhandene Forschungsergebnisseeuropaweit zugänglich macht, bei Übersetzungen und in-ternationaler Verbreitung hilft und Kontakte zu EU-Politi-kern vermittelt.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 131 – Drucksache 16/XXXX

Das Bundesministerium warb gleichwohl bei EU-Mit-gliedstaaten und auch Unternehmen, denen zwischenzeit-lich die Mitgliedschaft eröffnet wurde, um deren Beitritt.Dabei betonte es stets, dass es nicht darum gehe, eineneue Institution zu gründen, die mit bestehenden Kapazi-täten in Konkurrenz tritt. Ziel sei vielmehr die Vernetzungbestehender Strukturen, um einen Mehrwert zu schaffen,von dem insbesondere politische Entscheidungsträgerprofitieren.

Im Oktober 2003 legten sich die mit dem Vorhaben be-trauten Ministerien beider Staaten auf den Zentrumsleiterfest. Nachdem eine ausreichende Anzahl die Finanzie-rung sichernde Beitrittserklärungen vorlagen, wurde dieGründung beschlossen. Im August 2004 erlangte dasZentrum Rechtsfähigkeit.

11.1.3

Organe des Zentrums sind die Mitgliederversammlung,der Verwaltungsrat und als Exekutivorgan die Generaldi-rektion, bestehend aus Generaldirektor und seinem Stell-vertreter. Die Mitgliederversammlung ist das oberste Ent-scheidungsgremium. Die Stimmrechte richten sich nachden Finanzierungsbeiträgen, wobei die Höchststimmzahlpro Mitglied auf 15 % der Gesamtstimmen begrenzt ist.Der Verwaltungsrat wird von der Mitgliederversammlunggewählt. Eine seiner Funktionen ist die Wahl der General-direktion. Der Verwaltungsrat hat den Generaldirektor imJanuar 2005 gewählt, der Vertreterposten ist noch vakant.Der Generaldirektor ist nach Ausgestaltung der Satzungs-bestimmungen Lenker und Kopf des Zentrums, bestimmtdas Forschungsprogramm, trägt alleinige Verantwortungfür Inhalt und Erscheinen von Veröffentlichungen desZentrums, stellt Kontakte zu anderen Forschungsinstitu-ten her, bestimmt den Rahmen, in dem die Zentrumsfor-scher über ihre Arbeit mit der Öffentlichkeit kommuni-zieren dürfen und hat das alleinige Vorschlagsrecht fürdie Mitglieder des – zwischenzeitlich installierten – wis-senschaftlichen Beirats, der bei der Forschungsplanungberät und die Qualität der Zentrumsforschung zu evaluie-ren hat. Eine seiner ersten Aktionen war die Umfirmie-rung des Zentrums, das er im elektronischen Netz als„think tank“ präsentiert, dessen Anliegen sei es, sich alsneue Stimme in der europäischen wirtschaftspolitischenDiskussion zu Gehör zu bringen.

11.1.4

Die Mitgliedschaft ist an jährliche Beitragszahlungen ge-knüpft. Die Satzung sieht die Bildung eines Kapitalstocks(endowment) aus nicht verbrauchten Beiträgen vor. DerKapitalstock soll dem Zentrum ein dauerhaftes Vermögensichern. Während die Satzung jährliche Kündigungsmög-lichkeit einräumt, ergibt sich aus schriftlichen Neben-abreden der (staatlichen) Gründungsmitglieder für dieseZugehörigkeitspflicht bis zum Jahre 2009. Die Nebenab-reden werden als „non legal“ aber „politically binding“bezeichnet. Sie sehen außerdem – vom vorerwähntenKapitalstock unabhängig – den Aufbau einer Rücklage(working capital) vor. Vereinbart ist, dass sie in der Auf-bauphase auf rund ein Drittel der für das Jahr 2008 avi-

sierten Ausgaben anwachsen soll, die die Gründungsstaa-ten mit rund 3,5 Mio. Euro beziffern.

Weder die Satzung noch die von ihr abweichenden Ne-benabreden hat das Bundesministerium dem Haushalts-gesetzgeber zur Kenntnis gebracht. In den haushaltsbe-gründenden Unterlagen erfuhren die Berichterstatternichts von der „politisch bindenden“ Dauer der eingegan-genen Mitgliedschaft und ebenfalls nichts von Kapital-stock-/Rücklagenbildung.

Die Mitgliedsbeiträge finanziert das Bundesministeriumaus dem Titel „Forschungen, Untersuchungen und Ähn-liches“. In den Jahren 2004 und 2005 hatte es dazu Vor-sorge in Höhe von 500 000 Euro bzw. 300 000 Eurogetroffen. Die effektiv gezahlten Beiträge beliefen sich auf262 500 Euro bzw. 140 426 Euro. Ausweislich des zerti-fizierten Rechnungsabschlusses des Zentrums für 2004entstand ein Überschuss von 907 758,39 Euro.

11.2

Der Bundesrechnungshof hat dem Bundesministeriumseine Einschätzung vermittelt, dass Einrichtung und Be-trieb des Zentrums vor allem dem Zweck dienen, einemehemaligen Regierungsberater eines EU-Mitgliedstaateseine Institutsleitung zu verschaffen, die es ihm ermög-licht, eigene Forschungsinteressen mit von ihm handver-lesenem Forschungspersonal zu betreiben und von einemvon ihm ausgesuchten wissenschaftlichen Beirat evaluie-ren zu lassen. Er hat zudem in den – nicht in deutscherSprachfassung vorliegenden – Satzungsbestimmungendie gebührende Hervorhebung der Netzwerkbildung alsPrimärfunktion des Zentrums vermisst. Noch viel weni-ger vermag er sie in der Zentrumspraxis zu erkennen.

Der Bundesrechnungshof hat beanstandet, dass das Bun-desministerium die Ergebnisse des eingangs der Grün-dungsphase in Auftrag gegebenen Gutachtens bei denGründungsverhandlungen unzureichend berücksichtigthat. Es hat sich damit über objektive und auch von ihmnicht bestrittene Feststellungen zur europäischen For-schungslandschaft hinweggesetzt. Mit seiner Entschei-dung zur Gründung des Zentrums hat es eine Aufgabe in-stitutionalisiert, an deren Förderung kein den Einsatz vonSteuermitteln rechtfertigender Bedarf besteht. Die finan-zielle Beteiligung an einer Forschungseinrichtung, dieohne Konkurrenzfunktion in einem Themenbereich aktivwerden soll, der bereits in Deutschland und anderen EU-Mitgliedstaaten anerkanntermaßen bestens besetzt ist undwo sich auch das Bundesministerium außerstande sieht,konkrete Beratungsanliegen für das Zentrum zu formulie-ren, ist unwirtschaftlich.

Kritisiert hat der Bundesrechnungshof auch, dass wederdie Satzung noch die von ihr abweichenden Nebenabre-den dem Haushaltsgesetzgeber zur Kenntnis gebrachtwurden. Ihm wurde so die Entscheidung darüber vorent-halten, ob es dem Zentrum möglich sein soll, aus dem na-tionalen Mitgliedsbeitrag, also steuer- bzw. schulden-finanziert, ertragbringend Kapital zu bilden.

Drucksache 16/XXXX – 132 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Der Bundesrechnungshof hat dem Bundesministeriumden Austritt aus dem Zentrum empfohlen.

11.3

Das Bundesministerium teilt die Einschätzung und Be-wertung des Bundesrechnungshofes nicht. Es hält dasZentrum nicht für unwirtschaftlich. Die Orientierung anVernetzung und Kooperation mache vorhandenes Wissenfür Politikberatung verfügbar und gewährleiste dieGrundlage für weitere gemeinsame Forschung und Bera-tung. Die hohe Mitgliederzahl bestätige zudem Bedarfund Mehrwert für eine europäisch orientierte politiknaheForschung und Beratung.

Die Kapitalstockbildung (endowment) hänge von der Zu-stimmung der Mehrheit im Verwaltungsrat und der Mit-gliederversammlung ab. Diese hätten für die Überschüssedes Jahres 2005 beschlossen, sie für die weiter steigendenAusgaben zum Aufbau des Zentrums im Jahre 2006 zuverwenden.

Für die Vorlage von Satzung und Nebenabreden habekeine gesetzliche Notwendigkeit bestanden. Im Übrigen

sei im Rahmen des Haushaltsaufstellungsverfahren fürdas Jahr 2004 der Beitrag für die Einrichtung transparentausgewiesen worden.

11.4

Der Bundesrechnungshof bleibt bei seiner Bewertung undKritik. Die Ausführungen des Bundesministeriums zurOrientierung des Zentrums belegen die Notwendigkeitdes Zentrums nicht. Auch lässt sich aus der Anzahl derMitglieder kein unabweisbares und damit finanzierungs-begründendes Bundesinteresse ableiten. Zwar sind in denKapitalstock bisher keine Zahlungen geflossen. Er istaber unabhängig davon durch die Satzung vorgesehen.Deutschland hat – bei der aufgezeigten Verteilung derStimmrechte – nicht das Gewicht, eine Kapitalbildungbeim Zentrum zu verhindern. Im Übrigen sichern die Ne-benbestimmungen jährliche Kapitalansammlung aus Mit-gliedsbeiträgen auf andere Weise, nämlich durch Rückla-genbildung.

Der Bundesrechnungshof empfiehlt, die Mitgliedschaftzu beenden.

Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie(Einzelplan 09)

12 Förderung von Instituten für ● Das RKW ist ein bundesweites Netzwerk, bestehend

Mittelstandsforschung und Rationalisierungsförderung nicht bedarfsgerecht

12.0

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologiehat drei Einrichtungen für Mittelstandsforschung undRationalisierungsförderung institutionell gefördert unddieses nicht an dem Bedarf oder den Ergebnissen orien-tiert. Es hat seinen Informations- und Beratungsbedarf zuThemen und Fragestellungen des Mittelstands und derInnovation nicht hinreichend definiert. Es sollte ein Kon-zept entwickeln, wie diese Fragestellungen künftig be-darfs- und ergebnisorientiert bearbeitet werden können.Die institutionelle Förderung der drei Einrichtungensollte auf eine projekt- oder programmbezogene Förde-rung umgestellt werden.

12.1

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie(Bundesministerium) fördert institutionell seit vielen Jahrendrei Einrichtungen für Mittelstandsforschung und Ratio-nalisierungsförderung mit 7 Mio. Euro jährlich. Bei diesenInstitutionen handelt es sich um das Rationalisierungs-und Innovationszentrum der Deutschen Wirtschaft e. V.(RKW), die Arbeitsgemeinschaft für wirtschaftliche Ver-waltung e. V. (AWV) und das Institut für Mittelstandfor-schung Bonn (IfM Bonn).

aus einem Bundesverein und zwölf rechtlich selbst-ständigen Landesvereinen. Zu den Aufgaben desRKW gehören die Erforschung und die Verbreitungvon betrieblichen und wissenschaftlichen Erkenntnis-sen über Rationalisierungs- und Innovationsmöglich-keiten für Wirtschaftsunternehmen und andere Organi-sationen, insbesondere für kleine und mittlereUnternehmen. Darüber hinaus hat das RKW die Auf-gabe, die von Fachorganisationen und anderen Stellenauf dem Gebiet von Rationalisierung und Innovationgeleisteten Arbeiten aufeinander abzustimmen, zu-sammenzufassen, die Arbeitsergebnisse auszuwertenund sie für die Umsetzung in kleinen und mittlerenUnternehmen aufzubereiten. Die Tätigkeit des RKWist stark vom Zusammenwirken mit Sozialpartnern ge-prägt. Es versteht sich primär als Vordenker für Inno-vation und Effizienzsteigerung. Hierzu hat es eine the-matische Neuausrichtung durch die Einführung vonLeitthemen vorgenommen.

● Die AWV hat die Aufgabe, die Produktivität undWettbewerbsfähigkeit in den Dienstleistungsbereichender gewerblichen Wirtschaft und in der öffentlichenVerwaltung zu verbessern. Die AWV erfüllt eineSchnittstellenfunktion zwischen der privaten Wirt-schaft und der öffentlichen Verwaltung. Die AWV istin Arbeitskreisen tätig, in denen Fachleute aus den Be-reichen Wirtschaft, Wissenschaft und Verwaltung eh-renamtlich zusammenarbeiten. Die AWV bietetDienstleistern der gewerblichen Wirtschaft vielfältigeKommunikationsplattformen in Form von Fachaus-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 133 – Drucksache 16/XXXX

schüssen und Arbeitskreisen an, in denen die fachlicheArbeit geleistet wird. Diese Plattformen sind mit eh-renamtlichen Fachleuten aus den Bereichen Wirt-schaft, Wissenschaft und Verwaltung besetzt. DieLeistungen der AWV können daher kostengünstig er-bracht werden. Ein weiterer bedeutender Vorteil derAWV ist die ressortübergreifende Nutzung dieserPlattformen. Die Bundesministerien stellen unter-schiedliche thematische und inhaltliche Anforderun-gen an die Plattformen. Kleinere und mittlere Unter-nehmen, die die überwiegende Zahl der Unternehmenin Deutschland darstellen, sind in den Fachgremiender AWV wenig vertreten.

● Das IfM Bonn ist eine Stiftung des Bundes und desLandes Nordrhein-Westfalen. Ausschließlicher undunmittelbarer Zweck der Stiftung ist die Errichtungund Unterhaltung eines Instituts zur wissenschaftli-chen Erforschung der Situation des Mittelstandes. DasIfM hat die Aufgabe, Lage, Entwicklung und Pro-bleme des Mittelstandes zu erforschen und die For-schungsergebnisse der Öffentlichkeit zugänglich zumachen. Das IfM Bonn verfolgt das Ziel, die Daten-basis über die mittelständische Wirtschaft zu verbes-sern und zu erweitern. Darauf aufbauend will es dasZiel-, Maßnahmen- und Trägersystem der unterneh-mensgrößenbezogenen Wirtschaftspolitik durchleuch-ten. Durch seine Forschungstätigkeit will das Institutmittelbar zur Verbesserung der allgemeinen Rahmen-bedingungen des Mittelstandes beitragen. Die Tätig-keit des IfM wird jährlich von seinem Kuratorium, indem auch das Bundesministerium vertreten ist, mittelseines Forschungsprogramms festgelegt.

Seit der Gründung der drei Einrichtungen haben sich dieMöglichkeiten, Informationen über den Mittelstand zugewinnen, deutlich verbessert. Dies ist unter anderemdurch den technischen Fortschritt in der Informa-tionstechnologie und die größere Anzahl der Akteure, diesich mit Mittelstandsthemen befassen, begründet.

Das Bundesministerium fördert die drei Einrichtungenauf der Grundlage jährlicher Arbeitsplanungen. DiesePlanungen werden von den Zuwendungsempfängern erar-beitet und in der Regel vom Bundesministerium ohne we-sentliche Änderungen akzeptiert. Eigene Forschungs-schwerpunkte definiert das Bundesministerium nicht. Dievon den Einrichtungen regelmäßig erstellten Sachberichtegeben weder Hinweise auf die Wirkungen ihrer Tätigkeitnoch geben sie Aufschluss über den Nutzen, den das Bun-desministerium hieraus zieht oder ziehen könnte. DasBundesministerium hat die Notwendigkeit der institutio-nellen Förderung der Einrichtungen nicht begründet. Eskonnte darüber hinaus die Bedeutung der Tätigkeit der In-stitutionen für Politik und Wirtschaft nicht darlegen.

12.2

Der Bundesrechnungshof hat die wenig bedarfs- und er-gebnisorientierte Förderung von RKW, AWV und IfMBonn beanstandet.

Das Bundesministerium konnte ein erhebliches Bundes-interesse an der institutionellen Förderung der drei Ein-

richtungen nicht begründen. Wesentliche Ursache hierfürist, dass es seinen Informations- und Beratungsbedarfhinsichtlich Themen und Fragestellungen des Mittel-stands und der Innovation bislang nicht exakt definierthat. Die der Förderung zugrunde liegende jährliche Ar-beitsplanung der drei Einrichtungen ist nicht geeignet,eine Festlegung des Bundesministeriums zu ersetzen. Dievon den Instituten bearbeiteten Themen sind von allge-meiner Natur, die keinen nachvollziehbaren Bezug zuFragestellungen des Bundesministeriums aufweisen. Da-rüber hinaus sind keine Wirkungen der Arbeitsergebnisseder Institute auf das Handeln des Bundesministeriums er-kennbar. Auch haben sich die Möglichkeiten kleiner undmittlerer Unternehmen zur Gewinnung von Informatio-nen heute deutlich verbessert. Im Gegensatz zur Ver-gangenheit beschäftigen sich heute neben den drei ge-förderten Zuwendungsempfängern eine Vielzahl vonwissenschaftlichen Einrichtungen und anderen Organisa-tionen mit mittelstands- und innovationsbezogener For-schung.

Der Bundesrechnungshof hält daher eine institutionelleFörderung der drei Einrichtungen für Mittelstandsfor-schung und Rationalisierungsförderung für nicht mehr er-forderlich. Sofern das Bundesministerium weiteren Be-darf für eine Forschungstätigkeit der Einrichtungenerkennt, sollte dieser im Rahmen von Einzelprojekten ge-fördert werden.

12.3

Das Bundesministerium hat die Notwendigkeit einer stär-keren ergebnisorientierten Förderung der drei Einrichtun-gen zwar grundsätzlich anerkannt, will jedoch an der in-stitutionellen Förderung festhalten. Eine Förderung imRahmen von Einzelprojekten lehnt das Bundesministe-rium ab. Es habe allerdings die AWV, das IfM Bonn unddas RKW aufgefordert, ein Konzept für ein mehrjährigesProgrammbudget zu entwickeln. Darin sollen diese ihreZiele sowie ihre Leistungen für das Bundesministeriumfestlegen. Das Bundesministerium beabsichtige darüberhinaus, die Tätigkeit der drei Einrichtungen und ihre Wir-kung auf Politik und Wirtschaft ab dem Jahre 2009 eva-luieren zu lassen.

12.4

Das Bundesministerium hat das erhebliche Bundesinte-resse an einer institutionellen Förderung dieser Einrich-tungen nicht begründet. Auch hat es die Bedeutung derTätigkeit dieser Institutionen für Politik, Wirtschaft undGesellschaft nicht dargelegt. Der Bundesrechnungshofhält seine Empfehlung aufrecht, die institutionelle Förde-rung der drei Einrichtungen für Mittelstandsforschungund Rationalisierungsförderung einzustellen. Darüber hi-naus hält er an seiner Forderung fest, dass das Bundes-ministerium seinen Informations- und Beratungsbedarfhinsichtlich Themen und Fragestellungen des Mittel-stands und der Innovation neu definiert und ein Konzeptentwickelt, wie diese zukünftig bedarfs- und ergebnis-orientiert bearbeitet werden können. Das Konzept solltedie Kompetenzen anderer Organisationen und wissen-

Drucksache 16/XXXX – 134 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

schaftlicher Einrichtungen außerhalb der drei Institute an-gemessen berücksichtigen.

Sofern sich aus diesem Konzept eine weitere Forschungs-tätigkeit der drei Einrichtungen ableiten lässt, sollte dasBundesministerium auf eine projekt- oder programmbe-zogene Finanzierung umstellen. Damit könnte auch dievom Bundesministerium geplante Evaluierung entfallen.

13 Beratungsbedarf bei Sicherheitsfragen der Kerntechnik nicht ausreichend definiert(Kapitel 0902 Titel 686 22)

13.0

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologiehat eine Gesellschaft als Kompetenzzentrum des Bundesin Fragen der nuklearen Sicherheit finanziert ohne denBeratungsbedarf des Bundes bei Sicherheitsfragen derKerntechnik hinreichend genau zu definieren. Die bishe-rige Finanzierung im Wege der freihändigen Vergabe vonEinzelaufträgen erlaubt keine ausreichende Planung füreine mittelfristig angemessene Personalausstattung derGesellschaft. Der Bundesrechnungshof hat empfohlen,die Aufgaben der Gesellschaft festzulegen und daraus ab-zuleiten, für welchen Zeitraum er welche Leistungen be-nötigt und wie diese finanziert werden sollen.

13.1

Der Bund ist neben den Ländern Nordrhein-Westfalenund Bayern sowie den Technischen Überwachungsverei-nen der Länder und einer gewerblichen Prüfungs- undZertifizierungsgesellschaft an einer gemeinnützigen Ge-sellschaft mit beschränkter Haftung beteiligt. Diese sollals Sachverständigenorganisation für den Bund jederzeitverfügbaren technisch-wissenschaftlichen Sachverstandzur Beurteilung von Sicherheitsfragen im Bereich derKerntechnik bereitstellen und dafür Personal- und Sach-mittel vorhalten. Die Gesellschaft führt im Auftrag desBundesministeriums für Wirtschaft und Technologie(Bundesministerium) Forschungsvorhaben im Bereichder nuklearen Sicherheitsforschung selbst durch. Zusätz-lich betreut sie Vorhaben der Reaktorsicherheitsfor-schung. Dabei wirkt sie an der Beschreibung von Förder-zielen und -inhalten mit und trifft eigenverantwortlicheFörderentscheidungen. Darüber hinaus unterstützt dieGesellschaft das Bundesministerium bei der forschungs-politischen und fachlichen Gestaltung der internationalenZusammenarbeit. Sie berät außerdem das Bundesministe-rium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit inFragen der kerntechnischen Sicherheit.

Nach den Zielen des Bundes, die er in der Vereinbarungmit den Energieversorgungsunternehmen über die Rest-laufzeiten der Kernkraftwerke (Atomkonsens) festgelegthat, und den Leitlinien für die nukleare Sicherheitsfor-schung sollen ausreichende finanzielle und personelleMittel für Sachverständige bereitgestellt werden. Damithat der Bund zwar angegeben, auf welchen Gebieten erden Sachverstand der Gesellschaft erwartet; er hat aber

nicht definiert, welche Leistungen er im Einzelnen erwar-tet und was er als ausreichende Mittel für Sachverstän-dige ansieht.

Die Gesellschaft finanziert sich größtenteils durch Auf-träge des Bundesministeriums und des Bundesministe-riums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit.Aufträge von Dritten kann sie nur in begrenztem Maßeübernehmen, da sie als wissenschaftliche und gutachterli-che Beratungsinstitution unabhängig bleiben soll. DieGesellschaft ist dauerhaft auf die Finanzierung aus Bun-desmitteln angewiesen.

Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz undReaktorsicherheit hielt die finanzielle Ausstattung derGesellschaft in den vergangenen Jahren weitgehendkonstant. Im Einzelplan des Bundesministeriums wurdendie Ansätze für die kerntechnische Sicherheitsforschunghingegen von 35 Mio. Euro im Jahre 1998 auf 24 Mio.Euro im Jahre 2005 zurückgeführt. Darüber hinaus griffdas Bundesministerium zur Finanzierung von globalenMinderausgaben auf den Titel zurück. Weil das Bundes-ministerium der Gesellschaft wegen geringerer Haus-haltsmittel weniger Aufträge erteilte, standen der Gesell-schaft im Jahre 2004 etwa ein Drittel weniger Mittel zurVerfügung als im Jahre 1998. Die Gesellschaft musstedeshalb ihr Personal von 525 auf 390 Beschäftigte verrin-gern. Aufgrund der Altersstruktur bei den wissenschaftli-chen Kräften, von denen die Mehrzahl über 50 Jahre altist, werden viele Beschäftigte in den nächsten Jahren aus-scheiden; rund 60 % der Beschäftigten waren Mitte 2005über 50, rund 20 % unter 40 Jahre alt.

13.2

Der Bundesrechnungshof hat beanstandet, dass der Bundnicht festgelegt hat, welche Leistungen er von der Gesell-schaft erwartet. Anhand dieser Festlegungen hätte er ab-leiten können, ob er die Gesellschaft dauerhaft für seineZwecke benötigt und welche Mittel er hierfür für notwen-dig hält. Dazu fehlt es an einer strategischen Forschungs-planung sowie einer tragfähigen Aufgabenverteilungzwischen den Ressorts. Zwar erwartet der Bund von derGesellschaft jederzeit abrufbaren Sachverstand; bei ihrerFinanzierung handelt er jedoch widersprüchlich. Wäh-rend das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutzund Reaktorsicherheit der Gesellschaft Planungssicher-heit bietet, hat das Bundesministerium durch Kürzung desAuftragsvolumens wesentlich zur Verringerung des Per-sonalbestands beigetragen. Der Gesellschaft fehlt eine ge-sicherte Grundlage für ihre Personalentwicklungspla-nung. Es besteht die Gefahr, dass sie so ihre Kompetenzim Bereich Reaktorsicherheit nicht erhalten kann. Esbleibt unklar, ob aufgrund der finanziellen Rahmenbedin-gungen bereits ein so erheblicher Kompetenzverlust beider Gesellschaft eingetreten ist, dass der nach dem Atom-konsens und den Leitlinien des Bundes erforderlicheSachverstand nicht mehr bereitsteht und dadurch dieZiele des Bundes nicht mehr erreicht werden können.

Der Bundesrechnungshof hat empfohlen, die Aufgabender Gesellschaft neu festzulegen und daraus abzuleiten,welche ihrer Leistungen er wie lange benötigt. Falls er die

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 135 – Drucksache 16/XXXX

Gesellschaft dauerhaft erhalten will, sollte der Bund prü-fen, ob er ein so erhebliches Interesse an den Aufgabender Gesellschaft hat, dass eine institutionelle Förderunggerechtfertigt ist.

13.3

In einer abgestimmten Stellungnahme haben die Bun-desministerien die Bedeutung der Gesellschaft alsunabhängige technisch und wissenschaftliche Sachver-ständigenorganisation des Bundes herausgestellt. Eineressortübergreifende Evaluierungskommission habe imJahre 2000 die Aufgabe der Gesellschaft als zentrale Si-cherheitsorganisation des Bundes mit Methodenkompe-tenz zur Sicherheitsbewertung von Leichtwasserreaktorenim Rahmen von Genehmigungs- und Aufsichtsverfahrenbestätigt. Es sei geplant, die Aufgaben der Gesellschaftauf dem Gebiet der nuklearen Sicherheitsforschung in re-gelmäßigen Abständen erneut an geänderte Randbedin-gungen bei Politik und Technik anzupassen. Dabei sei be-reits jetzt abzusehen, dass die Aufgabe der Atomaufsichtüber die vorgesehene Laufzeit der Reaktoren hinaus er-forderlich bleibe. Auch die Reaktorsicherheitsforschungsei darüber hinaus zu fördern, damit der Bund weiterhineigenständig nukleare Entwicklungen im Ausland, vor al-lem den Bau von Reaktoren in Nachbarländern, insbeson-dere auf ihre Sicherheitseigenschaften hin, fachlich beur-teilen könne. Die bisherige Bewirtschaftungspraxis habesich als zweckmäßig erwiesen. Die besondere Aufgaben-stellung der Gesellschaft werde am wirkungsvollstendurch ausreichende finanzielle Kontinuität und Planungs-sicherheit gewährleistet. Die Ressorts haben angekündigt,die Grundfinanzierung der Gesellschaft zu prüfen.

13.4

Der Bundesrechnungshof begrüßt die angekündigtenMaßnahmen. Das Bundesministerium sollte jedoch zu-nächst untersuchen, ob und in welchem Umfang die Auf-gaben der Gesellschaft einer Anpassung bedürfen. Solltesich dabei das hohe Bundesinteresse an der Tätigkeit derGesellschaft als zentrale unabhängige Sachverständigen-organisation bestätigen, sind die Ressorts aufgefordert,eine ausreichende Kompetenz der Gesellschaft zu erhal-ten und eine entsprechende Finanzierung anzustreben.

14 Zusammenwirken bei der Endlager-forschung mangelhaft(Kapitel 0902 Titel 686 22)

14.0

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologieund andere Bundesministerien haben Forschungsvorha-ben zur Endlagerung radioaktiver Abfälle finanziert. DieGrenzen der Ressortzuständigkeiten für die Vorhaben wa-ren streitig. Meinungsverschiedenheiten der Bundesmi-nisterien über ein Endlagerkonzept führten zu inhaltlichnicht miteinander zu vereinbarenden Forschungsvorha-ben. Eine ressortübergreifende Rahmenplanung für dieEndlagerforschung gibt es nicht. Der Bundesrechnungs-

hof hat empfohlen, einen Konsens hinsichtlich der Orga-nisation der Endlagerforschung herbeizuführen.

14.1

Der Bund ist nach § 9a Abs. 3 Atomgesetz verpflichtet,Anlagen zum dauerhaft sicheren Verbleib radioaktiverAbfälle (Endlager) einzurichten und zu betreiben. Er istgehalten, die Forschungs- und Entwicklungsarbeiten zuveranlassen, die Voraussetzung für die Errichtung vonEndlagern sind. Hierzu gehört auch die Klärung allerkonzeptionellen und sicherheitstechnischen Fragen fürdie Standortauswahl eines Endlagers. Der Deutsche Bun-destag hat mit seiner Entschließung vom 14. Dezember2001 auf die besondere Bedeutung der sicheren Endlage-rung für hochradioaktive Abfälle hingewiesen. Er hat dieErwartung geäußert, dass die Verantwortlichen zügig aufdie Schaffung der Voraussetzungen für eine sichere End-lagerung hinarbeiten. Bis zum Jahre 2010 soll Klarheitüber den oder die zu erkundenden Standorte für Endlagerbestehen; bis spätestens zum Jahre 2030 soll ein Endlagerin Betrieb genommen sein.

Aufgrund der unterschiedlichen Zuständigkeit innerhalbder Bundesregierung finanzieren drei BundesministerienForschungs- und Entwicklungsarbeiten im Bereich derEndlagerung radioaktiver Abfälle:

● Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technolo-gie (Bundesministerium) finanziert Forschungs- undEntwicklungsvorhaben mit dem Ziel, Endlagerkon-zeptionen unter Sicherheitsgesichtspunkten weiterzu-entwickeln. Ferner sollen die Instrumentarien für die Si-cherheitsbewertung von Endlagern verbessert werden.Im Geschäftsbereich des Bundesministeriums betreibtdie Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffeanwendungsorientierte Grundlagenforschung auf demGebiet der sicheren Endlagerung radioaktiver Abfälle.Sie führt hierzu auch Forschungsvorhaben im Auftraganderer Bundesbehörden durch.

● Das Bundesministerium für Bildung und Forschungfinanziert Forschungs- und Entwicklungsarbeiten imBereich der Endlagerforschung durch die Förderungder Forschungszentren Karlsruhe, Jülich und Rossen-dorf. Das Bundesministerium stimmt seine For-schungsvorhaben mit den Forschungszentren ab.

● Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz undReaktorsicherheit betreibt Ressortforschung, um fürdie Endlagerung fachliche Konzeptionen und Regel-werke zu erarbeiten sowie Aufsichtsfunktionen wahr-nehmen zu können. U. a. hat es für die Erstellung einesnationalen Entsorgungsplans mit langfristigem Entsor-gungskonzept Forschung zur Weiterentwicklung vonEignungskriterien und die Vorbereitung der Standort-auswahl betrieben. Das in seinem Geschäftsbereich an-gesiedelte Bundesamt für Strahlenschutz hat den ge-setzlichen Auftrag, die in Deutschland notwendigenEndlager einzurichten. Die hierfür benötigten wissen-schaftlich-technischen Erkenntnisse gewinnt es durchForschungsvorhaben.

Drucksache 16/XXXX – 136 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Alle genannten Forschungs- und Entwicklungsarbeitendienen dem Ziel, Endlager in Deutschland zu errichten.

Ende 1994 hatte die Bundesregierung dem Haushaltsaus-schuss des Deutschen Bundestages eine Ressortvereinba-rung zur Aufgabenabgrenzung und Zusammenarbeit derBundesministerien angekündigt. Bis Anfang 2006 wardiese nicht abgeschlossen, da zwischen dem Bundes-ministerium und dem Bundesministerium für Umwelt,Naturschutz und Reaktorsicherheit grundlegende Auffas-sungsunterschiede zur Zuständigkeitsabgrenzung bestan-den. Beide Ressorts definierten ihre Zuständigkeit anhandunterschiedlicher Abgrenzungskriterien. Bei Forschungs-und Entwicklungsvorhaben stritten die Bundesministe-rien über die fachliche Zuständigkeit und die inhaltlicheAusrichtung der Forschung. Teilweise verweigerte einBundesministerium dem anderen Bundesministerium diegewünschte fachliche Mitwirkung. Ein jahrelangerSchriftwechsel und Besprechungen sowie Initiativen aufLeitungsebene führten zu keiner Klärung der Zuständig-keitsfragen.

Auch die wesentlichen fachlichen Eckpunkte eines End-lagerkonzeptes waren seit dem Jahre 2002 zwischen demBundesministerium und dem Bundesministerium für Um-welt, Naturschutz und Reaktorsicherheit streitig:

● Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz undReaktorsicherheit verfolgte die Zielsetzung, alle Artenradioaktiver Abfälle in nur einem Endlager zu entsor-gen (Ein-Endlager-Konzept). Es plante, ein neuesStandortauswahlverfahren mit Untersuchung weitereralternativer Standorte durchzuführen.

● Das Bundesministerium lehnte das Ein-Endlager-Kon-zept ab und hielt die alternative Standorterkundung fürnicht erforderlich. Es verfolgte das Ziel, schwach- undmittelradioaktive Abfälle im „Schacht Konrad“ zu ent-sorgen und die im Jahre 2000 unterbrochenen Arbei-ten zur Erkundung des Salzstocks Gorleben als Endla-ger für vor allem hochradioaktive Abfälle wiederaufzunehmen.

Auch eine Einbindung des Bundeskanzleramtes im Jahre2003 führte zu keiner Klärung der unterschiedlichen Auf-fassungen der beiden Bundesministerien.

Die Bundesministerien verwendeten über Jahre hinweg ei-nen Teil der Haushaltsmittel für Vorhaben, die dem fachli-chen Standpunkt des jeweils anderen Ressorts zuwider lie-fen. Außerdem verzichteten die Bundesministerienteilweise auf die Koordinierung ihrer Forschungs- und Ent-wicklungsvorhaben. Sie planten ihre Vorhaben zur Endla-gerforschung eigenverantwortlich. Zwar leitete ein Bun-desministerium sein mehrjähriges Forschungsprogramm inden vergangenen Jahren dem anderen Bundesministeriumzu, es erhielt jedoch von dort keine Rückäußerung. Das an-dere Bundesministerium plante seine Forschungsvorha-ben im Wesentlichen jährlich. Bis Anfang des Jahres2006 band es die anderen Geschäftsbereiche nicht inseine Planungen ein. Es gab daher keinen Rahmenplan,der alle geplanten Forschungsarbeiten des Bundes ent-hielt und mit den betroffenen Bundesministerien einver-

nehmlich abgestimmt war. Forschungs- und Entwick-lungsvorhaben wurden auch dann fortgesetzt, wenn einBundesministerium im Rahmen der FrühkoordinierungEinsprüche erhoben oder fachliche Bedenken geäußerthatte.

Außerdem bestanden zwischen den beiden Bundesminis-terien Auffassungsunterschiede hinsichtlich der Nutzungvon Forschungskapazitäten der Bundesanstalt für Geo-wissenschaften. So hatte die Bundesanstalt für Geowis-senschaften gegenüber dem Bundesamt für Strahlen-schutz bemängelt, dass das Bundesamt für StrahlenschutzEndlagerforschungsvorhaben im öffentlichen Teilnahme-wettbewerb vergebe und nicht zuerst die bei der Bundes-anstalt für Geowissenschaften vorhandenen Kapazitätenmit rund 90 Beschäftigten im Aufgabenbereich „Geowis-senschaftliche Untersuchungen zur Endlagerung radioak-tiver Abfälle“ einbinde. Sie bat darum, künftig frühzeitigin die Planung entsprechender Ausschreibungen einge-bunden zu werden. Das Bundesamt für Strahlenschutzentsprach dem Anliegen nicht und begründete dies mitdem Vergaberecht. Der Bundesanstalt für Geowissen-schaften stünde eine Beteiligung im Teilnahmewettbe-werb offen.

14.2

Der Bundesrechnungshof hat die Bundesministerien anden Beschluss des Deutschen Bundestages erinnert, dassalle verantwortlichen Bundesstellen die notwendigen Ar-beiten zur Einrichtung eines Endlagers zügig und mitNachdruck voranbringen sollen. Er hat die Aufgabenver-teilung mit unklaren Zuständigkeiten, widersprüchlichenZielen der beteiligten Bundesministerien sowie fehlendemZusammenwirken bei der Koordinierung der Forschungs-maßnahmen beanstandet. Außerdem hat er bemängelt, dasszwischen den Ressorts keine angemessene Regelung hin-sichtlich der Forschungskapazitäten der Bundesanstalt fürGeowissenschaften besteht. All dies verhindert, dass dieVorgaben des Parlaments zeitgerecht, wirkungsvoll undwirtschaftlich umgesetzt werden.

Der Bundesrechnungshof hat empfohlen, die Aufgabensoweit wie möglich in einem Geschäftsbereich zu bün-deln, um Reibungsverluste auszuschließen. Sofern diesesnicht umgesetzt werden kann, sollten bei einer arbeitstei-ligen Organisation möglichst rasch die Voraussetzungenfür eine koordinierte Endlagerforschung geschaffen wer-den. Um dieses sicherzustellen, wäre mindestens erfor-derlich:

● eine Ressortvereinbarung zwischen den betroffenenBundesministerien über eine eindeutige und einver-nehmliche Aufgabenabgrenzung abzuschließen,

● Einvernehmen über die Eckpunkte eines Endlagerkon-zepts als wesentliche Grundlage für die Planung derForschungs- und Entwicklungsarbeiten zu erzielen,

● den Forschungs- und Entwicklungsbedarf in den Ge-schäftsbereichen zu ermitteln und einen mehrjährigenRahmenforschungsplan und dessen Umsetzung ressort-übergreifend abzustimmen sowie

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 137 – Drucksache 16/XXXX

● die eigenen Forschungskapazitäten des Bundes zu nut-zen, sofern dies sachlich und wirtschaftlich sinnvollist.

14.3

Die Bundesministerien haben die Mängel bei der Zusam-menarbeit eingeräumt. Die Empfehlungen des Bundes-rechnungshofes gehörten bereits seit Jahren zu ihren prio-ritären Zielen. Diese hätten aber leider nicht in vollemUmfang verwirklicht werden können. Im Juli 2006 bestä-tigte das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutzund Reaktorsicherheit nochmals die beim Zusammenwir-ken der Bundesressorts bei der Endlagerforschung beste-henden Probleme. Sie seien Ausfluss der noch fehlendeneinheitlichen Auffassung der Bundesregierung zur Lö-sung der Endlagerfrage. In der Koalitionsvereinbarungvom 11. November 2005 hätten die die Bundesregierungtragenden Parteien vereinbart, die Lösung der Endlager-frage zügig und ergebnisorientiert anzugehen und ihreAbsicht bekundet, in dieser Legislaturperiode zu einerLösung zu kommen. Bis zur Herstellung einer einheitli-chen Auffassung der Bundesregierung zur Lösung derEndlagerfrage könne nicht ausgeschlossen werden, dasssich die insoweit zuständigen Bundesressorts zur Wahr-nehmung ihrer Aufgaben Unterstützung durch externenSachverstand beschaffen müssten. Die aufgrund derunterschiedlichen Auffassungen bei den Ressorts beste-henden Probleme seien nicht durch Vorgaben an dieArbeitsebene lösbar. Zur effektiven Steuerung der Endla-gerforschung sei deshalb ein umfassender ressortüber-greifender Konsens in der Endlagerfrage erforderlichoder die klare Zuweisung der fachlichen Kompetenz anein Ressort. Beide Ressorts erklärten, sie würden sichweiterhin intensiv bemühen, den Anregungen des Bun-desrechnungshofes zu folgen. Im Übrigen rechtfertigtedas Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Re-aktorsicherheit die Praxis des Bundesamtes für Strahlen-schutz bei der Verteilung von Forschungsaufträgen. DieBundesanstalt für Geowissenschaften verfüge bei den an-lage- und standortspezifischen Forschungsarbeiten überkeine Monopolstellung, könne daher bei der Vergabe vonVorhaben nicht privilegiert werden, sondern müsse sichdem Wettbewerb stellen. Ferner habe ihr Angebot nur inTeilen den geforderten Anforderungen entsprochen.

14.4

Der Bundesrechnungshof erkennt an, dass die Bundesmi-nisterien beabsichtigen, seine Empfehlungen umzusetzen.Er hält eine Verbesserung der Endlagerforschung vor demHintergrund der Bedeutung, die das Parlament einer zügi-gen Bearbeitung der Endlagerfrage beimisst, für be-sonders vordringlich. Er hat empfohlen, einen Konsenszwischen den Bundesministerien hinsichtlich der Organi-sation der Endlagerforschung herbeizuführen.

Der Bundesrechnungshof verweist zur Notwendigkeitdieser Entscheidung auf die Ergebnisse einer Evaluierungdes von Bund und Ländern getragenen Wissenschaftsratsvom Mai 2006. Dieser hatte aufgrund der Untersuchungverschiedener Ressortforschungseinrichtungen festge-

stellt, dass es auf den Gebieten der nuklearen Ver- undEntsorgung Überschneidungen bei der Ressortforschungdes Bundesministeriums und des Bundesministeriums fürUmwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit gebe. Eineklare Aufgabenabgrenzung fehle, eine nach wissenschaft-lichen und wirtschaftlichen Kriterien vorgenommene Ab-stimmung und Koordination von Forschungsvorhaben beider Suche nach einem Endlager für radioaktive Abfällesei nicht erkennbar. Vielmehr herrsche bei der Definitionvon Forschungsthemen eine offene Konkurrenz zwischenden beiden Geschäftsbereichen. Gefordert sei eine strate-gische Ausrichtung nationaler Forschungsanstrengungen.

Nach Auffassung des Bundesrechnungshofes sollten dieMeinungsunterschiede zwischen Bundesministerien überdie Lösung der Endlagerfrage einer verbesserten Endla-gerforschung nicht im Wege stehen. Die organisatori-schen Grundlagen für eine effektive und effiziente Endla-gerforschung sollten daher ohne weitere Verzögerunggeschaffen werden.

Die Bundesanstalt für Geowissenschaften sollte künftigfrühzeitig in die Planung entsprechender Ausschreibun-gen eingebunden werden. Der Bundesbeauftragte für dieWirtschaftlichkeit in der Verwaltung hat bereits in seinenFeststellungen und Empfehlungen zur Bearbeitung vonRessortforschungsvorhaben darauf hingewiesen, dassRessorts bei Forschungsanliegen vor einer externen Ver-gabe prüfen sollen, ob das Projekt von einer bundeseige-nen Forschungseinrichtung als eigene Aufgabe wirt-schaftlicher übernommen werden kann. Dies setzt einerechtzeitige Einbindung bundeseigener Forschungsinsti-tute schon in der Planungsphase voraus.

15 Zuwendungen an ein Unternehmen der Energieberatung fehlerhaft(Kapitel 0902 Titel 686 35)

15.0

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologiehat für Maßnahmen zur Förderung des Exports erneuer-barer Energien einem Unternehmen des Bundes Zuwen-dungen gegeben, ohne zu prüfen, ob Dritte die Aufgabenwirtschaftlich hätten erledigen können. Zudem hat esnicht verhindert, dass die überwiegend mit öffentlichenMitteln geförderte Zuwendungsempfängerin ihr Personalbesser bezahlte als der Bund vergleichbare Bedienstete.Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologiehat darüber hinaus höhere Zuwendungen gewährt alsnotwendig waren.

15.1

15.1.1

Die Bundesregierung hat aufgrund eines Beschlusses desDeutschen Bundestages die „Bundesinitiative Erneuer-bare Energien Weltweit - Global Renewable Network“(Exportinitiative) geschaffen. Um diese umzusetzen, hatsie dem im Herbst 2000 gegründeten bundeseigenen Un-ternehmen der Energieberatung eine zentrale Rolle über-

Drucksache 16/XXXX – 138 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

tragen. Das Unternehmen sollte die Aktivitäten derExportinitiative koordinieren, Datenbanken und ein Inter-netportal aufbauen, Publikationen herausgeben sowieAusstellungen und Seminare organisieren. Darüber hi-naus band das Bundesministerium für Wirtschaft undTechnologie (Bundesministerium) das Unternehmen inweitere Maßnahmen zur Unterstützung des Exports vonTechnologien im Bereich erneuerbarer Energien ein.Dazu zählten Auslandsmessebeteiligungen des Bundes,Veranstaltungen der Auslandshandelskammern (AHK)oder andere Informations- und Kontaktveranstaltungensowie Projekte des Studienfonds Außenwirtschaft oderinternationale Klimaschutzprojekte. Das Bundesministe-rium gewährte dem Unternehmen zur Wahrnehmung die-ser Aufgaben projektbezogene Zuwendungen. Mittelfris-tig war vorgesehen, dass es sich am Markt behauptet.

Die dem Unternehmen übertragenen Aufgaben werdenauch von zahlreichen anderen angeboten, zu denen es imWettbewerb steht. Auch das Unternehmen vergab die vonihm zu erbringenden Leistungen zu einem großen Teil anDritte. Das Bundesministerium prüfte nicht, ob es dieLeistungen zur Unterstützung der Exportinitiative und zurFörderung des Technologieexports im Bereich erneuerba-rer Energien wirtschaftlich auf andere Weise als über Zu-wendungen an das Unternehmen hätte erbringen lassenkönnen.

15.1.2

Die Einnahmen des Unternehmens aus Zuwendungen wa-ren bis zum Jahre 2002 höher als ihre Umsatzerlöse mitDritten; ab dem Jahre 2003 lagen sie geringfügig darun-ter. Der Bundesrechnungshof stellte fest, dass ein Teil dervon dem Unternehmen ausgewiesenen Umsatzerlöse mitDritten aus Einnahmen von ebenfalls vom Bundesminis-terium geförderten Projekten anderer Zuwendungsemp-fänger stammten. Diese waren vom Bundesministeriumim Zuwendungsbescheid verpflichtet worden, das Unter-nehmen in die geförderten Projekte einzubeziehen.

So erhielt der Deutsche Industrie- und Handelskammer-tag Zuwendungen für die Durchführung von Geschäfts-reisen oder Kontaktveranstaltungen. Im Zuwendungsbe-scheid gab das Bundesministerium verbindlich vor: „Fürdie Durchführung des Projekts hat die AHK mit dem Un-ternehmen einen privatrechtlichen Vertrag zu schließen,mit dem sie dem Unternehmen den Auftrag erteilt, die an-gebotenen Leistungen zu erbringen“. Die Einnahmen ausdiesem und weiteren Aufträgen verbuchte das Unterneh-men unter „Umsatzerlöse mit Dritten“. Durch die Vor-gabe des Bundesministeriums konnte es mehr als 50 %seiner Erträge als Umsatzerlöse mit Dritten ausweisen.

Nach den Bestimmungen des Zuwendungsbescheidsdurfte das Unternehmen seine Beschäftigten nicht besserstellen als vergleichbare Bundesbedienstete, solange dieEinnahmen überwiegend aus Zuwendungen des Bundesstammten (Besserstellungsverbot). Das Bundesministe-rium der Finanzen hatte einer vorübergehenden Aus-nahme vom Besserstellungsverbot zugestimmt, weil dasUnternehmen sich von Anfang an teilweise durch nicht-öffentliche Mittel finanziere und es zu anderen Konditio-

nen kein hinreichend qualifiziertes Personal gewinnenkönne.

Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit gab es je-doch genügend qualifizierte Bewerber der benötigtenFachrichtungen.

Obwohl das Unternehmen seinen Sitz im Tarifbereich Osthat, bezahlte es sein Personal grundsätzlich entsprechenddem Bundesangestelltentarif West. Mitarbeiterinnen undMitarbeitern, die im Leitungsbereich beschäftigt waren,zahlte es noch höhere Gehälter als vergleichbaren Be-diensteten des Bundes.

15.1.3

Nach der Bundeshaushaltsordnung dürfen bei einer Pro-jektförderung auf Kostenbasis Selbstkosten nur dann überZuwendungen erstattet werden, wenn sie angemessensind. Dabei ist eine Abrechnung auf der Grundlage dernachgewiesenen Kosten vorgeschrieben. Das Bundesmi-nisterium billigte dem Unternehmen zu, nach fiktiven,von ihm als marktgängig bezeichneten Preisen abzurech-nen. Es rechnete daher die Zuwendungen nicht nach dentatsächlichen Personalkosten, sondern mit höheren Perso-nalkostensätzen ab. Diese waren mehr als doppelt so hochwie die Kosten für vergleichbares Personal des öffentli-chen Dienstes.

15.2

Der Bundesrechnungshof hat beanstandet, dass das Bun-desministerium seine Exportinitiative über Zuwendungenan das Unternehmen abwickelte, ohne vorher zu prüfen,ob die Leistungen nicht wirtschaftlicher von Dritten hät-ten erbracht werden können. Da die von dem Unterneh-men erbrachten Leistungen auch von zahlreichen Drittenangeboten werden, hätte das Bundesministerium die Leis-tungen wirtschaftlich im Wettbewerb vergeben können.Zwar gilt das Ausschreibungsgebot formal nicht für Zu-wendungen. Gleichwohl liegt es im Interesse einer wirt-schaftlichen Förderung bei Zuwendungen Wettbewerbzuzulassen.

Weiterhin hat der Bundesrechnungshof kritisiert, dass dasBundesministerium andere Zuwendungsempfänger undVertragspartner des Bundes verpflichtet hat, dem Unter-nehmen Aufträge zu erteilen. Damit hat das Bundes-ministerium dem Unternehmen ermöglicht, Zuwendun-gen an Dritte, die unter Umgehung des Wettbewerbsweitergeleitet worden sind, als eigene Umsatzerlöse aus-zuweisen. Dadurch ist der Anschein erweckt worden, alswürde sich das Unternehmen überwiegend aus Umsatz-erlösen finanzieren und wäre nicht an das Besserstellungs-verbot gebunden. Die Erklärung des Bundesministeriumsder Finanzen, eine Ausnahme vom Besserstellungsverbotsei vorübergehend zulässig gewesen, weil das Unterneh-men anders kein hinreichend qualifiziertes Personal hatgewinnen können, ist nicht sachgerecht gewesen, denndie Kräfte der benötigten Fachrichtungen sind auf demdeutschen Arbeitsmarkt vorhanden gewesen.

Mit der Entscheidung, die Abrechnung nach fiktiven, vondem Unternehmen als marktgängig bezeichneten Preisen

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 139 – Drucksache 16/XXXX

zuzubilligen, hat das Bundesministerium ihm einen er-heblichen finanziellen Vorteil verschafft. Es hat nicht ge-prüft, ob nicht Wettbewerber Leistungen gleicher Güteinsgesamt preiswerter erbracht hätten. Diese Entschei-dung des Bundesministeriums verstößt gegen das Zuwen-dungsrecht und ist unwirtschaftlich.

Der Bundesrechnungshof hat empfohlen, künftig die vomBundesministerium gewünschten und bisher dem Unter-nehmen angetragenen Projekte und Dienstleistungen inder Regel durch öffentliche Aufträge im Wettbewerb zuvergeben. Das Bundesministerium sollte die Förderungvon Maßnahmen der Exportinitiative zumindest auch an-deren Wettbewerbern anbieten. Im Übrigen hat der Bun-desrechnungshof das Bundesministerium aufgefordert,bei den Zuwendungen die Angemessenheit der Kosten zuprüfen und sicherzustellen, dass das Unternehmen dasBesserstellungsverbot beachtet.

15.3

Das Bundesministerium hat auf die zentrale Rolle desUnternehmens als Kompetenzzentrum und Koordinatorder Exportinitiative verwiesen, die durch die Beschlüssedes Deutschen Bundestages im Jahre 2002 begründet undim Jahre 2005 bestätigt worden sei. Es habe dennoch dieAnregung des Bundesrechnungshofes, Ausschreibungs-oder Interessenbekundungsverfahren durchzuführen, auf-genommen und teilweise umgesetzt.

Zum Besserstellungsverbot hat das Bundesministeriumdarauf hingewiesen, dass die Tätigkeit bei dem Unterneh-men Berufserfahrung erfordere, die es ihm ermöglichenmüsse, in unmittelbare Konkurrenz zu großen Unterneh-men der Energiewirtschaft, öffentlichen Arbeitgebernoder politischen Institutionen zu treten. Die Abweichun-gen vom Besserstellungsverbot hätten lediglich das Zielgehabt, nach dem Bundesangestelltentarif West zu bezah-len und seien zulässig gewesen, weil das Unternehmensich nicht überwiegend aus Zuwendungen finanzierthabe.

Die Zuwendungen seien auch nicht unangemessen hochgewesen, weil der Markt die von dem Unternehmenberechneten Kostensätze akzeptiert habe. Das Bundes-ministerium werde jedoch die Anmerkungen des Bundes-rechnungshofes aufgreifen und die Angemessenheit derKostensätze nochmals intensiv prüfen.

15.4

Der Bundesrechnungshof hält es für zielführend und wirt-schaftlich, wenn das Bundesministerium Maßnahmen derExportinitiative und der Exportförderung neuer Techno-logien im Bereich erneuerbarer Energien im Wettbewerbvergeben will. Um die wirtschaftlichen Vorteile hinrei-chend auszuschöpfen, sollte es das Verfahren nicht aufEinzelfälle beschränken, sondern grundsätzlich anwen-den.

Der Bundesrechnungshof sieht jedoch keine Notwendig-keit für das Unternehmen vom Besserstellungsverbotabzuweichen. Das Bundesministerium hat dem Unterneh-men ermöglicht, Zuwendungen an Dritte als eigene Um-

satzerlöse auszuweisen. Dadurch wurde der Anscheinerweckt, als wäre das Unternehmen nicht an das Besser-stellungsverbot gebunden. Außerdem war ein ausreichen-des Angebot fachlich qualifizierter Arbeitsuchendervorhanden. Das Bundesministerium sollte künftig sicher-stellen, dass das Unternehmen das Besserstellungsverboteinhält, solange es sich überwiegend aus Zuwendungenfinanziert.

Die Begründung des Bundesministeriums, die erhöhtenPersonalkosten seien angemessen gewesen, weil derMarkt die berechneten Kostensätze akzeptiert habe, ent-spricht nicht dem Zuwendungsrecht. Der Bundesrech-nungshof hält deshalb daran fest, bei der Ermittlung derZuwendungen nur angemessene Personalkosten zugrundezu legen.

Das Bundesministerium hat dem Unternehmen eine Son-derstellung eingeräumt, obwohl es sich marktwirtschaftli-chen Herausforderungen stellen soll. Der Bundesrech-nungshof hält es wirtschaftlich und rechtlich nicht fürvertretbar, das Unternehmen von den Einschränkungendes Zuwendungsrechts zu befreien ohne es zugleich demWettbewerb auszusetzen.

16 Erfolgskontrolle bei der Gemein-schaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ unzureichend (Kapitel 0902 Titel 882 81)

16.0

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologiehat den Erfolg der für die Gemeinschaftsaufgabe „Verbes-serung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ eingesetztenBundesmittel unzureichend kontrolliert und das Parla-ment nur unvollständig über die Wirkung der Förderungunterrichtet. Angaben der Länder über die Anzahl neu ge-schaffener Dauerarbeitsplätze, die für eine effektiveErfolgskontrolle notwendig gewesen wären, lagen nichtvor. Gescheiterte Vorhaben und Angaben zu Mehrfachför-derungen oder zur Wirkung der Infrastrukturförderungflossen nicht in die Unterrichtung des Parlaments ein.Ohne diese Informationen fehlen dem Parlament Grund-lagen, die zur Ausübung seines Budgetrechts wesentlichsind. Der Bund trägt die Hälfte der Ausgaben der Ländernach einem gemeinsamen Rahmenplan. Er stellte hierfürin den letzten fünf Jahren allein im Einzelplan 09 Mittel inHöhe von rund 4,4 Mrd. Euro bereit.

16.1

Der Bund wirkt an der Planung der Gemeinschaftsauf-gabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“(Gemeinschaftsaufgabe) mit und erstattet jedem Land dieHälfte der diesem hierfür entstandenen Ausgaben. DerHaushaltsgesetzgeber stellte für die Gemeinschaftsauf-gabe im Zeitraum 2001 bis 2005 im Einzelplan 09 insge-samt rund 4,4 Mrd. Euro zur Verfügung (s. Tabelle).

Drucksache 16/XXXX – 140 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Ta b e l l eHaushalts-Ist der Bundesmittel für die Gemeinschaftsaufgabe

(in Mio. Euro)

2001 2002 2003 2004 2005 2001 - 20051 132,3 958,4 852,3 820,4 637,9 4 401,3

Hauptziel der Gemeinschaftsaufgabe ist die Schaffung von Gleichzeitig wurden um 13,1 % mehr Arbeitsplätze ein-

dauerhaft wettbewerbsfähigen Arbeitsplätzen in struktur-schwachen Regionen. Die Gemeinschaftsaufgabe umfasst ● die Förderung der gewerblichen Wirtschaft bei der Er-

richtung, dem Ausbau, der Umstellung oder der grund-legenden Rationalisierung von Gewerbebetrieben sowie

● die Förderung des Ausbaus der öffentlichen Infra-struktur, soweit diese für die Entwicklung der gewerb-lichen Wirtschaft erforderlich ist.

Der gemeinsame Planungsausschuss des Bundes und derLänder (Planungsausschuss) stellt einen Rahmenplan auf,der verbindliche Grundlage aller Maßnahmen im Rahmender Gemeinschaftsaufgabe ist und den jeweiligen Finanz-planungszeitraum umfasst. Der Rahmenplan wird jährlichaktualisiert und beschreibt u. a. die Ziele, die Vorausset-zungen und die bisherigen Ergebnisse der Förderungen.Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie(Bundesministerium) führt den Vorsitz im Planungsaus-schuss, der zur Vorbereitung seiner Entscheidungen einenUnterausschuss eingerichtet hat. Die Durchführung derRahmenpläne ist Aufgabe der Länder. Die Kontrolle desErfolgs der Gemeinschaftsaufgabe ist eine gemeinsameAufgabe des Bundes und der Länder. Sie besteht aus● einer Kontrolle der Wirtschaftlichkeit des Vollzugs auf

der Ebene der einzelnen Projekte, ● einer Zielerreichungskontrolle und ● einer Wirkungskontrolle.Der Rahmenplan, in den auch statistische Daten einflie-ßen, die das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhr-kontrolle (Bundesamt) auf der Grundlage von Länder-informationen zusammenstellt, enthält Erkenntnisse ausder Vollzugs- und Erfolgskontrolle. Die Bundesregierungliefert damit dem Haushaltsgesetzgeber Informationen,die für die Ausübung des parlamentarischen Budgetrechtsbedeutsam sind. Der Haushaltsgesetzgeber entnimmt demRahmenplan den Stand, die Entwicklung und die Wir-kung der Gemeinschaftsaufgabe und stellt auf dieserGrundlage die entsprechenden Haushaltsmittel bereit.Der 33. Rahmenplan (Bundestagsdrucksache 15/2961 vom22. April 2004) führte zum Erfolg der Gemeinschaftsauf-gabe für den Zeitraum 1991 bis 2001 u. a. Folgendes aus:„Die zusammengefassten Ergebnisse für die bis Ende2003 bereits im Rahmen der Verwendungsnachweiskon-trolle überprüften Vorhaben aus den Jahren 1991 bis 2001weisen aus, dass (bei einer Quote von kontrollierten Fäl-len von 81,2 %) mit weniger Fördermitteln als ursprüng-lich bewilligt deutlich mehr Arbeitsplätze eingerichtetwurden als dies zum Zeitpunkt der Bewilligung vorgese-hen war. So wurden im gesamten Betrachtungszeitraumdie bewilligten GA-Zuschüsse um 8 % unterschritten.

gerichtet als die Investoren zunächst geplant hatten.“Der Bundesrechnungshof stellte fest, dass die vom Bun-desamt für den Rahmenplan erstellten Statistiken über dieErgebnisse der Fördermaßnahmen im Rahmen der Ge-meinschaftsaufgabe unvollständig waren: ● Zu den Fördervoraussetzungen und Erfolgsindikatoren

der Gemeinschaftsaufgabe gehört, dass „mit den In-vestitionsvorhaben in den Fördergebieten neue Dauer-arbeitsplätze geschaffen oder vorhandene gesichertwerden. … Für eine Überwachungszeit von mindes-tens fünf Jahren nach Abschluss des Investitionsvor-habens müssen die Arbeitsplätze tatsächlich besetztoder zumindest auf dem Arbeitsmarkt dauerhaft ange-boten werden.“ Die Länder haben zu überprüfen, obdie Arbeitsplatzziele während dieses Zeitraums einge-halten werden. Bis Ende des Jahres 2005 hatte dasBundesministerium nicht darauf hingewirkt, dass dieLänder ihre Kontrollergebnisse an das Bundesamt zurAuswertung übermitteln. Einige Länder verzichtetenganz auf diese Überprüfung. So prüfte ein Land dieEinhaltung der Arbeitsplatzziele nur in Fällen, in de-nen der Gewerbebetrieb erneut Fördermittel bean-tragte. Bei einem anderen Land beruhten die Angabenzur Umsetzung der Arbeitsplatzziele nicht auf eigenenFeststellungen, sondern ausschließlich auf nicht über-prüften Angaben der geförderten Unternehmen.

● Ab dem Jahre 1999 bereinigte das Bundesamt die Sta-tistik um Projekte, bei denen die geförderten Betriebeliquidiert oder die geförderten Projekte abgebrochenworden waren. Es handelte sich dabei um mehr als3 000 Förderprojekte mit einem Fördervolumen vonrund 6,6 Mrd. Euro. Diese Ergebnisse gingen weder indie Erfolgsbetrachtung des Bundesministeriums nochin die Unterrichtung des Parlaments ein.

Außerdem enthielt der Rahmenplan keine Angaben zuAnschluss- und Mehrfachförderungen von Gewerbe-betrieben. Nach dem Gesetz über die Gemeinschaftsauf-gabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“werden Gewerbebetriebe nur durch Start- und Anpas-sungshilfen gefördert, wenn zu erwarten ist, dass diesesich im Wettbewerb behaupten können. Deshalb sieht derRahmenplan vor, dass bei der Prüfung des Antrages öf-fentliche Finanzhilfen zu berücksichtigen sind, die demAntragsteller in früheren Jahren gewährt wurden. Einvom Unterausschuss der Gemeinschaftsaufgabe in Auf-trag gegebenes Gutachten aus dem Jahre 2004 kam zudem Ergebnis, dass etwa 40 % aller Fördervorgänge aufMehrfachförderungen beruhten. Nach einer Auswertungdes Bundesministeriums betrug der Anteil der Mehrfach-förderungen an den Gesamtförderfällen für den Zeitraum1999 bis 2005 etwa 30 %.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 141 – Drucksache 16/XXXX

Über die Wirkungen und Ergebnisse der Infrastrukturför-derung enthielt der Rahmenplan ebenfalls keine Angaben.

16.2

Der Bundesrechnungshof hat beanstandet, dass die bishe-rigen Darstellungen in den Rahmenplänen einen unzutref-fenden Eindruck vom Erfolg der Gemeinschaftsaufgabeerwecken und wesentliche Informationen fehlen. Dies istbesonders problematisch, weil das Parlament auf dieserunzureichenden Grundlage über die in den Haushaltsplaneinzustellenden Jahresleistungen der Gemeinschaftsauf-gabe entscheidet. Da Angaben der Länder über die An-zahl der Dauerarbeitsplätze nach Ablauf des fünfjährigenÜberwachungszeitraumes nicht vorgelegen haben und ge-scheiterte Vorhaben nicht in die Statistiken eingeflossensind, konnte das Bundesministerium nicht zutreffend be-werten, inwieweit die Ziele der Gemeinschaftsaufgabe ef-fektiv und effizient erreicht worden sind. Das Bundesmi-nisterium hat damit unvollständige Erfolgsindikatoren inseine Bewertungen einfließen lassen. Aussagen wie die,dass mit 8 % weniger Mitteln 13,1 % mehr Arbeitsplätzeals geplant geschaffen worden seien, sind nicht haltbar,wenn alle Erfolgsindikatoren berücksichtigt werden.Ferner hat der Bundesrechnungshof bemängelt, dass derRahmenplan keine Informationen zu Mehrfachförderungenund zu Ergebnissen der Infrastrukturförderung enthält. DerBundesrechnungshof hat deshalb das Bundesministeriumaufgefordert, im Zusammenwirken mit den Ländern mög-lichst rasch die Mängel bei der Erfolgskontrolle auszuräu-men und das Parlament künftig umfassend zu unterrichten.

16.3

Das Bundesministerium hat angekündigt, auf der Grund-lage der Hinweise des Bundesrechnungshofes die Erfolgs-kontrollen verbessern zu wollen. Es plane gemeinsam mitden Ländern, die bisherigen Auswertungen um eine Un-tersuchung der Arbeitsplatzeffekte fünf Jahre nach Ab-schluss des Investitionsvorhabens zu ergänzen. DieseMaßnahme wolle es nach Erörterung mit den Ländern bisEnde 2006 umgesetzt haben. Im Übrigen sehe es keinenVeränderungsbedarf. Die von ihm seit dem Jahre 1999praktizierte Bereinigung der Statistik um Projekte, bei de-nen die geförderten Betriebe liquidiert oder die gefördertenProjekte abgebrochen werden, sei methodisch sachgerecht.Die Aufhebung des Bewilligungsbescheides in diesen Fäl-

len führe dazu, dass entweder keine Mittel ausgezahlt wür-den oder das betreffende Land bereits ausgezahlte Mittelvom Empfänger zurückfordere. Ferner hat das Bundesmi-nisterium die Mehrfachförderung von Gewerbebetriebenbestätigt. Es handele sich dabei jedoch um jeweils eigen-ständige neue Vorhaben, deren Förderungswürdigkeit vonden Ländern geprüft werde. Die ihm von den Ländernübermittelten Erkenntnisse zur Infrastrukturförderungseien nicht zur Aufnahme in den Rahmenplan vorgesehen.

16.4

Der Bundesrechnungshof sieht in den angekündigtenMaßnahmen zur Kontrolle der realisierten Arbeitsplatz-ziele einen wichtigen Schritt zu einer sachgerechten Be-wertung des Erfolgs der Gemeinschaftsaufgabe. Eine Un-terrichtung des Haushaltsgesetzgebers über die mit denFördermaßnahmen erreichten Arbeitsplatzeffekte setzt al-lerdings voraus, dass die Länder ihren Kontrollpflichtennachkommen und die Kontrollen effektiv ausgestalten.Hierauf sollte das Bundesministerium hinwirken. Die fürdie negativen Projektentwicklungen verantwortlichen Ur-sachen und der Umfang der durch Insolvenzen auf Dauerverlorenen Bundesmittel sind im Rahmen der Erfolgsbe-wertung und künftigen Planung der Gemeinschaftsauf-gabe relevant. Der Bundesrechnungshof hält es daher fürangezeigt, Informationen zu der hohen Anzahl abgebro-chener Projekte in die Erfolgsbewertung der Gemein-schaftsaufgabe einfließen zu lassen und das Parlamententsprechend zu unterrichten. Außerdem sind Angaben zurEntwicklung und Wirkung von Mehrfachförderungen so-wie die Ergebnisse der Infrastrukturförderung wichtigeInformationen für die Bewertung der Gemeinschaftsauf-gabe. Sie sollten dem Parlament nicht vorenthalten bleiben.Die unzutreffenden bzw. unvollständigen Angaben lassenes zu, dass das Parlament auf einer nicht alle wesentlichenInformationen enthaltenden Grundlage über das Einstellender Jahresleistungen in den Haushaltsplan entscheidet.Dies beeinträchtigt das Budgetrecht des Parlaments.Das Gesetz über die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesse-rung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ sieht auch nachder Föderalismusreform eine Rahmenplanung und Unter-richtungen der Bundesregierung und des Bundesratesüber die Durchführung der Gemeinschaftsaufgabe vor.Das Bundesministerium sollte deshalb auf eine Ergän-zung des Rahmenplanes hinwirken, die die angesproche-nen Defizite beseitigt.

Bundesministerium für Arbeit und Soziales(Einzelplan 11)

17 Prüfungsrecht bei Zuschüssen des der Werkstätten hinreichend geprüft zu haben. Eine ord-

Bundes zu Rentenversicherungs-beiträgen neu regeln (Kapitel 1113 Titel 636 85)

17.0Die Länder haben Bundeszuschüsse zu den Rentenver-sicherungsbeiträgen für Beschäftigte in Werkstätten fürbehinderte Menschen gezahlt, ohne die Abrechnungen

nungsgemäße Prüfung der Abrechnungen ist wegen derzur Verfügung stehenden kurzen Bearbeitungszeit imAbrechnungsverfahren kaum möglich. Der Bundesrech-nungshof geht von ungerechtfertigten Zahlungen zulastendes Bundes in Millionenhöhe aus. Deshalb sollte derBund das Prüfungsrecht umgehend so regeln, dass denLändern eine Prüfung auch nach bestandskräftiger Fest-setzung der Zuschüsse möglich ist.

Drucksache 16/XXXX – 142 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

17.1

17.1.1

Behinderte Menschen, die in anerkannten Werkstätten fürbehinderte Menschen oder in anerkannten Blindenwerk-stätten (Werkstätten) tätig sind, erhalten zu ihren Renten-versicherungsbeiträgen einen Zuschuss des Bundes. DenZuschuss zahlen die nach Landesrecht zuständigen Stel-len (Landesdienststellen) aus.

Die Rentenversicherungsbeiträge werden nach dem mo-natlichen, mindestens aber nach einem fiktiven Arbeits-entgelt in Höhe von 80 % der Bezugsgröße berechnet.Die Bezugsgröße wird aus dem durchschnittlichen Ent-gelt aller Rentenversicherten im vorvergangenen Kalen-derjahr abgeleitet, also für das Jahr 2006 aus den Durch-schnittsentgelten des Jahres 2004. Beiträge, die sich ausdem Unterschiedsbetrag zwischen dem tatsächlich erziel-ten Arbeitsentgelt und dem (höheren) fiktiven Arbeitsent-gelt ergeben, übernimmt der Bund. Für das Jahr 2006 ver-anschlagte der Bund Ausgaben von 1 Mrd. Euro.

Die Werkstätten haben den Zuschuss für ein Kalenderjahrmit den Landesdienststellen nach der maßgeblichen Ver-ordnung bis zum 31. März des folgenden Jahres abzu-rechnen. Die Landesdienststellen haben über die Abrech-nung bis zum 31. Mai zu entscheiden und den Zuschussauszuzahlen.

17.1.2

Eine Landesdienststelle hatte seit dem Jahre 2000 diejährlichen Abrechnungen der Werkstätten nicht nur aufihre rechnerische Richtigkeit geprüft, sondern auch in88 Werkstätten örtliche Erhebungen durchgeführt. Dabeistellte sie häufig fehlerhaft berechnete Bundeszuschüsseund weitere Unstimmigkeiten in den Abrechnungen fest.Bis Mitte 2003 forderte sie insgesamt rund 840 000 Eurozu Unrecht erstattete Bundeszuschüsse zurück odermachte Forderungen gegen Dritte aus Schadensersatzan-sprüchen geltend.

Der Bundesrechnungshof prüfte aus diesem Anlass imJahre 2003 das Verwaltungsverfahren der Landesdienst-stellen in den anderen Ländern. Er stellte fest, dass nurnoch ein weiteres Land die Abrechnungen der Werkstät-ten hinreichend kontrollierte. Die anderen Länder prüftendie Angaben der Abrechnungen nur rechnerisch und aufSchlüssigkeit, ohne die tatsächlichen Grundlagen für dieBerechnung der zu erstattenden Rentenversicherungsbei-träge – wenigstens stichprobenweise – ermittelt zu haben.Sie forderten von den Werkstätten weder Lohnunterlagenfür Prüfzwecke an, noch führten sie Prüfungen vor Ortdurch. Ob die in den Abrechnungen aufgeführten Perso-nen zuschussberechtigt waren, prüften sie ebenso wenigwie das von ihnen tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt, vondem die Höhe der zu erstattenden Rentenversicherungs-beiträge entscheidend abhängt.

Der Bundesrechnungshof schätzt, ausgehend von denoben dargestellten Rückforderungen, ungerechtfertigteZahlungen zulasten des Bundes in Millionenhöhe beibundesweit 710 Werkstätten (Stand 2003).

Die Länder begründeten die unzureichenden Prüfungendurch die Landesdienststellen mit dem vorgeschriebenenAbrechnungsverfahren, das für die Abrechnung und Aus-zahlung der Erstattungsbeiträge einen Zeitraum von zwei,höchstens drei Monaten vorsieht. In diesem Zeitraum seiangesichts der großen Zahl an Werkstätten und behinder-ten Menschen sowie aus personellen Gründen eine Prü-fung durch die Landesdienststellen in dem notwendigenUmfange weder am Sitz der Dienststelle noch vor Ort inden Werkstätten möglich. Sie bezweifelten, ob ein Prü-fungsrecht noch bestehe, nachdem sie die Zuschüsse be-standskräftig festgesetzt hätten.

17.2

Auch der Bundesrechnungshof sieht ein nicht unerhebli-ches rechtliches Risiko, die Prüfung auch nach Bestands-kraft der Entscheidungen über die Zuschüsse durchzufüh-ren. Er hat dem Bundesministerium für Arbeit undSoziales (Bundesministerium) deshalb im März 2004 vor-geschlagen, durch eine eindeutige Rechtsgrundlage denLandesdienststellen die Prüfung in den Werkstätten auchnach Festsetzung der Zuschüsse zu ermöglichen. Dadurchkönnten die Landesdienststellen eine ordnungsgemäßeAbrechnung der Rentenversicherungsbeiträge für behin-derte Menschen sicherstellen und zu Unrecht erstatteteBeiträge zurückfordern. Die personalwirtschaftlichen Überlegungen der Ländersind im Vergleich zu den erheblichen finanziellen Aus-wirkungen auf den Bundeshaushalt kein hinreichenderGrund, von entsprechenden Prüfungen abzusehen. DiePrüfungen müssen nicht jährlich in allen Werkstättendurchgeführt werden. Es ist auch nicht erforderlich, alleEinzelfälle einer Abrechnung zu prüfen. Es genügt, dieWerkstätten in einem mehrjährigen Turnus zu prüfen,sich auf bestimmte Schwerpunkte zu konzentrieren undStichproben durchzuführen. Auf diese Weise wird sicher-gestellt, dass Fehlerquellen erkannt, fehlerhafte Abrech-nungen für zurückliegende Zeiträume berichtigt undÜberzahlungen zurückgefordert werden können.

17.3

Das Bundesministerium hat sich den Feststellungen desBundesrechnungshofes grundsätzlich angeschlossen. ImJuni 2006 hat es zudem mitgeteilt, aufgrund veränderterMehrheiten im Bundesrat könnte eine Gesetzesinitiativedes Bundesministeriums zur Einführung eines erweitertenPrüfungsrechts der Landesdienststellen in den Werkstät-ten Erfolg haben.

17.4

Obwohl das Bundesministerium den Feststellungen desBundesrechnungshofes bereits vor zwei Jahren zu-stimmte, hat es die für eine Neuregelung erforderlichenMaßnahmen bislang nicht veranlasst. Wegen der erhebli-chen finanziellen Bedeutung erachtet der Bundesrech-nungshof die Absichtserklärung des Bundesministeriumsvom Juni 2006 als nicht ausreichend und erwartet, dassdie Bundesregierung unverzüglich eine Gesetzesinitiativeergreift.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 143 – Drucksache 16/XXXX

18 Aufgaben bei der Deutschen Rentenversicherung Bund bündeln(Kapitel 1113)

18.0

Die Deutsche Rentenversicherung Bund hat nicht alle ihrzugewiesenen Grundsatz- und Querschnittsaufgaben derDeutschen Rentenversicherung übernommen. So nehmenneben der Deutschen Rentenversicherung Bund auch dieDeutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See unddie Tarifgemeinschaft der Deutschen Rentenversicherungtarif- und arbeitsrechtliche Aufgaben wahr. Dies wider-spricht dem Ziel des Gesetzgebers, mit dem Gesetz zurOrganisationsreform in der gesetzlichen Rentenversiche-rung wirtschaftliche Verwaltungsstrukturen zu schaffen.

Der Bundesrechnungshof sieht in einer konsequentenorganisatorischen Zusammenführung der Arbeitgeber-

interessen bei der Deutschen Rentenversicherung Bunddie Möglichkeit, die vom Gesetzgeber beabsichtigte Ein-heitlichkeit der Rentenversicherung herzustellen und ih-ren wirtschaftlichen Betrieb zu stärken.

18.1

18.1.1

Der Gesetzgeber erwartete, dass mit der Organisations-reform in der gesetzlichen Rentenversicherung Verwal-tungsstrukturen moderner und wirtschaftlich werden. Zielwar u. a., die Einheitlichkeit der Rentenversicherung zustärken, gleichartige Aufgaben zusammenzuführen undEntscheidungsabläufe zu verschlanken. Die nachstehen-den Schaubilder verdeutlichen den Aufbau der gesetzli-chen Rentenversicherung vor und nach der Organisa-tionsreform. Die Reform trat am 1. Oktober 2005 inKraft.

A b b i l d u n g

Organisation der Deutschen Rentenversicherung bis 30. September 2005

A b b i l d u n g

Organisation der Deutschen Rentenversicherung seit 1. Oktober 2005

VDRVerband Deutscher Rentenversicherungsträger e. V.

BfABundes-

versicherungs- anstalt

für Angestellte

LVA22 Landes-

versicherungs- anstalten

Bundes- knappschaft

Seekasse Bahn- versicherungs-

anstalt

Deutsche Rentenversicherung

DRVBund

DRVKnappschaft-

Bahn- See

DRV17 Regional-

träger

Drucksache 16/XXXX – 144 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Alle 19 Rentenversicherungsträger (Träger) treten seitdem 1. Oktober 2005 als „Deutsche Rentenversicherung“auf. Die Aufgaben der gesetzlichen Rentenversicherungnehmen zwei Bundesträger, die Deutsche Rentenversi-cherung Bund (DRV Bund) und die Deutsche Renten-versicherung Knappschaft-Bahn-See (KBS), sowie 17 Re-gionalträger (Regionalträger) wahr. Die Regionalträgersind die früheren Landesversicherungsanstalten.

Die DRV Bund hat eine Doppelfunktion. Sie betreut alsBundesträger Versicherte, und als Spitzenverband nimmtsie darüber hinaus für die gesamte Deutsche Rentenver-sicherung die gesetzlich festgelegten Grundsatz- undQuerschnittsaufgaben wahr. Dazu gehört nach § 138Abs. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch u. a. die Vertre-tung der Rentenversicherung in ihrer Gesamtheit gegen-über den Sozialpartnern. Sozialpartner sind Arbeitnehmer-und Arbeitgeberverbände, die Tarifverträge aushandeln.

An den übergreifenden Aufgaben wirken alle Träger mit.Die Regionalträger verfügen in den Entscheidungsgre-mien über 55 % der Stimmen, die DRV Bund und dieKBS über 45 %. Beschlüsse sind mit einer qualifiziertenMehrheit von zwei Dritteln aller Stimmen zu fassen. Da-durch können weder die Bundesträger noch die Regional-träger dominieren. Die Entscheidungen sind für alle Trä-ger verbindlich.

18.1.2

Daneben besteht die Tarifgemeinschaft der DeutschenRentenversicherung (Tarifgemeinschaft). Sie wurde imJahre 1983 als nicht rechtsfähiger Verein gegründet undsteht außerhalb der Organisation der Deutschen Renten-versicherung. Mitglieder dieses freiwilligen Zusammen-schlusses sind die Regionalträger. Sie finanzieren die Ta-rifgemeinschaft mit rund 430 000 Euro jährlich ausBeitragsmitteln und Bundeszuschüssen. Die Tarifgemein-schaft vertritt die gemeinsamen Arbeitgeberinteressen ih-rer Mitglieder auf tarif- und arbeitsrechtlichem Gebiet ge-genüber Gewerkschaften, staatlichen Stellen und anderenOrganisationen. Nach ihrer Satzung hat sie u. a. dieGrundsätze der Tarifpolitik für die gesetzliche Rentenver-sicherung festzulegen und Tarifverträge oder sonstigeVereinbarungen abzuschließen.

Die DRV Bund und die KBS nehmen bislang ihre tarif-und arbeitsrechtlichen Aufgaben jeweils selbst wahr.

18.1.3

Der Bundesrechnungshof hatte bereits im Jahre 2000 ge-fordert, die tarif- und arbeitsrechtlichen Aufgaben inner-halb der Rentenversicherung zu bündeln und dem Ver-band Deutscher Rentenversicherungsträger als demdamaligen Dachverband zu übertragen. In seinen Bemer-kungen 2005 hatte er festgestellt, dass Tarifkräfte bei ei-nigen Regionalträgern höhere Vergütungen erhielten alsbei anderen. Er sah eine wesentliche Ursache dafür in ei-nem nicht abgestimmten Vorgehen der Regionalträger inder Tarifgemeinschaft.

18.2

Der Bundesrechnungshof hat beanstandet, dass es in derVerwaltung der Deutschen Rentenversicherung Struktu-ren gibt, die unwirtschaftlich sind und im Widerspruch zuder vom Gesetzgeber beabsichtigten Einheitlichkeit derRentenversicherung stehen.

Nach der Gesetzeslage ist es geboten, die Aufgaben derTarifgemeinschaft bei der DRV Bund zu konzentrieren.Der Bundesrechnungshof hat deshalb angeregt, die Tarif-gemeinschaft aufzulösen. Die neue Organisation in derRentenversicherung sichert den Ausgleich etwaiger un-terschiedlicher Interessen zwischen Bundes- und Regio-nalträgern.

18.3

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Bundes-ministerium) hat eine einheitliche Wahrnehmung dertarif- und arbeitsrechtlichen Arbeitgeberinteressen befür-wortet. Allerdings sei diese nur auf freiwilliger Grund-lage möglich. Weder nach der Gesetzeslage noch durchGesetzesänderungen könne eine Auflösung der Tarifge-meinschaft durchgesetzt werden. Der Abschluss von Ta-rifverträgen sei zwar in Konzepten zum Gesetzesentwurfim Katalog der Grundsatz- und Querschnittsaufgaben ent-halten gewesen. Darauf sei aber beim auf Staatssekretärs-ebene ausgehandelten Kompromiss im Hinblick auf dasInteresse der Länder am Fortbestand der Tarifgemein-schaft verzichtet worden. Die Deutsche Rentenversiche-rung Bund repräsentiere zwar die Rentenversicherung inihrer Gesamtheit sowohl gegenüber den Arbeitgebern alsauch den Gewerkschaften, aber nicht in ihrer Funktion alsArbeitgeber.

Das Bundesministerium, die DRV Bund, die KBS und dieTarifgemeinschaft haben es inhaltlich übereinstimmend alsmittel- bis langfristiges Ziel bezeichnet, die arbeits- und ta-rifrechtlichen Arbeitgeberinteressen in der Deutschen Ren-tenversicherung einheitlich wahrzunehmen. Die Bildungeiner Verhandlungsgemeinschaft zwischen den Bundesträ-gern und der Tarifgemeinschaft sei ein erster Schritt indiese Richtung. Die Tarifgemeinschaft hat darüber hinausmitgeteilt, angestrebt werde, die Arbeitgeberinteressen al-ler Träger in einem Arbeitgeberverband zusammenzufüh-ren. Die tarifrechtlichen Aufgaben würden so wirksam undsparsam wahrgenommen werden. Einen Zeitpunkt, wanndies geschehen solle, nannte sie nicht.

18.4

Der Bundesrechnungshof hält an seiner Auffassung fest,die Aufgaben der Tarifgemeinschaft bei der DRV Bundzu konzentrieren. Dies verlangt die neue Organisation,wonach es Grundsatz- und Querschnittsaufgabe der DRVBund ist, die Rentenversicherung in ihrer Gesamtheit ge-genüber den Sozialpartnern zu vertreten. Diese Vertre-tung umfasst insbesondere auch die Aufgabe, Tarifver-handlungen zu führen und Verträge abzuschließen. DerGesetzgeber hat mit der Bündelung der Grundsatz- und

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 145 – Drucksache 16/XXXX

Querschnittsaufgaben sowie der gemeinsamen Angelegen-heiten der Träger bei der DRV Bund den dazu notwendigenrechtlichen und organisatorischen Rahmen geschaffen.Die vom Gesetz vorgesehenen Entscheidungsstrukturentragen dazu bei, dass einerseits die Belange einzelner Trä-ger umfassend gewahrt werden. Andererseits schaffen siedie Voraussetzungen, um zu einer wirtschaftlichen undeinheitlichen Aufgabenwahrnehmung zu gelangen.

Der Bundesrechnungshof erkennt den Willen des Bun-desministeriums, der Bundesträger und der Tarifgemein-schaft an, in arbeits- und tarifrechtlichen Fragen zu einemeinheitlichen Verfahren zu kommen. Die gegenwärtigeVerhandlungsgemeinschaft kann aber nur ein Zwischen-schritt sein. Das Ziel muss sein, die Wahrnehmung derArbeitgeberinteressen bei der DRV Bund zu konzentrie-ren.

Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung(Einzelplan 12)

19 Bund zahlt für neues Bahn-Funknetz im Dezember 2002 mit dem Unternehmen eine Vereinba-

mehr als 20 Mio. Euro zu viel(Kapitel 1222)

19.0

Der Bund finanziert einen zu hohen Anteil am neuen digi-talen Funknetz für die bundeseigenen Schienenwege. Erhatte für seine Kostenbeteiligung eine andere Nutzungdes Netzes unterstellt, als nunmehr realisiert wird. Zudemhat sich das zuständige Bundesministerium für Verkehr,Bau und Stadtentwicklung vor Abschluss der Finanzie-rungsvereinbarung keine ausreichende Planung für dasProjekt vorlegen lassen.

Für den Betrieb des Funknetzes sind weitere Komponen-ten notwendig, die der Bund ebenfalls finanziert. Diedafür anfallenden Kosten – und damit seinen Gesamtauf-wand für das neue Funknetz – konnte das Bundesministe-rium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung nicht ange-ben.

19.1

Der Bund gewährt aufgrund des Bundesschienenwe-geausbaugesetzes Zuwendungen für Investitionen in diebundeseigenen Schienenwege. Grundlage für die Finan-zierung ist eine jeweils abzuschließende Finanzierungs-vereinbarung. Ein Unternehmen, das Schienennetze undandere Eisenbahninfrastruktur anbietet, plante den Auf-bau eines digitalen Funknetzes für das rund 33 000 kmlange bundeseigene Schienennetz. Das digitale Funknetzsoll die bisherigen analogen Funksysteme ersetzen. Dane-ben soll das digitale Funknetz die technische Grundlagefür ein neues Signalsystem bilden. Damit soll ein europa-weit standardisiertes, funkgestütztes System zur Siche-rung und Steuerung von Zügen geschaffen werden. DasUnternehmen will das Funknetz auch für nicht dem un-mittelbaren Betrieb dienende, kommerzielle Zwecke nutzen.

Der Bundesrechnungshof prüfte im Jahre 2005 mit Unter-stützung des Prüfungsamtes des Bundes Stuttgart (Prü-fungsamt) die Finanzierung des digitalen Funknetzesdurch den Bund. Das Bundesministerium für Verkehr,Bau und Stadtentwicklung (Bundesministerium) schloss

rung über die gemeinsame Finanzierung des neuen Funk-netzes. Für die Höhe seines Anteils ging es von dengeplanten Nutzungsanteilen aus. Der Bund trägt demzu-folge die auf rein betriebliche Dienste entfallenden 65 %der Kosten. Hierfür wandte er zunächst 280 Mio. Euroauf. Die Vereinbarung setzt voraus, dass alle Dienste aufdem gesamten Streckennetz angeboten werden. Das Un-ternehmen beabsichtigt entgegen der Vereinbarung, nuretwa 10 % seiner Schienenwege bis zum Jahre 2020 fürdas europaweite Signalsystem auszurüsten.

Die Kosten der Umstellung auf digitalen Funk sind imWesentlichen abhängig von den Kosten für die Funkzen-tralen sowie von der Anzahl der Masten, Antennen undFunkstationen des Netzes. Dem Bundesministerium lagendiese Informationen bei Unterzeichnung der Finanzie-rungsvereinbarung nicht vor. Es konnte somit nichthinreichend genau ermitteln, in welcher Höhe die Zuwen-dungen notwendig und angemessen sind. Das Bundesmi-nisterium schloss die Finanzierungsvereinbarung, ohnesich vollständige Planungen und Kostenaufstellungenvorlegen zu lassen. Eineinhalb Jahre nach Abschluss derVereinbarung beantragte das Unternehmen einen höherenBeitrag des Bundes. Daraufhin erhöhte das Bundesministe-rium seine Zuwendungen um 65 Mio. Euro auf 345 Mio.Euro. Es begründete dies mit Mengensteigerungen undzusätzlichen Aufwendungen.

Damit das Funknetz für Bahnzwecke in Betrieb genom-men werden kann, sind weitere Investitionen, z. B. fürTelefongeräte, erforderlich. Diese weiteren Komponentenwaren bei Abschluss der Vereinbarung zum digitalenFunknetz teilweise noch nicht zugelassen.

Die zusätzlichen Komponenten finanziert der Bund überandere Vereinbarungen nahezu vollständig. Das Bundes-ministerium konnte die insgesamt vom Bund zu tragen-den Kosten für den Wechsel auf das digitale Netz nichtbenennen.

Das Unternehmen bietet seine Masten anderen Mobil-funkbetreibern als Antennenstandorte an. In einer Wirt-schaftlichkeitsberechnung kalkulierte das Unternehmendie jährlichen Einnahmen daraus in zweistelliger Millio-nenhöhe. Nach dem Haushaltsrecht sind solche Erlöse aufdie Zuwendungen des Bundes anzurechnen. Dem Bun-

Drucksache 16/XXXX – 146 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

desministerium waren die Vermarktungsabsichten vorAbschluss der Vereinbarung bekannt. Die Erlöse fordertees im Rahmen der Vereinbarung aber nicht ein.

19.2

Das Prüfungsamt hat die zwischen Bundesministeriumund Unternehmen vereinbarte Kostenaufteilung kriti-siert. Während das Unternehmen beabsichtigt, nur rund10 % des Schienennetzes mit dem neuen europäischenSignalsystem auszurüsten, geht die Vereinbarung von ei-ner Ausrüstung des gesamten Schienennetzes aus. Diezugrunde gelegte Aufteilung in betriebliche und kommer-zielle Nutzung des digitalen Funknetzes ist damit falsch.Der vom Bund zu tragende Kostenanteil ist zu hoch ange-setzt. Nach Berechnungen des Bundesrechnungshofes be-trägt der Anteil der betrieblichen Nutzung des Funknetzesauf den Strecken, die nicht mit dem neuen Signalsystemausgestattet werden, nur rund 46 %. Je nach dem wie sichdie Nutzung auf dem gesamten Schienennetz nunmehrtatsächlich zwischen betrieblichen und kommerziellenDiensten aufteilt, hat der Bund nach Abschätzung desBundesrechnungshofes zwischen 20 Mio. Euro und 40 Mio.Euro zu viel gezahlt.

Das Bundesministerium hat eine wesentliche Vorgabe desZuwendungsrechts missachtet, weil es vor Abschluss derVereinbarung den Gesamtfinanzierungsbedarf nicht aus-reichend geprüft hat. Dazu hätte es vor allem nähereAngaben über Mengen, Kosten und Aufbauorte von An-tennen einfordern müssen. Ohne Kenntnis des Gesamt-finanzierungsbedarfs ist der Bund vor nachträglichenKostensteigerungen nicht geschützt. Eine Kostensteige-rung ist bereits eingetreten und hat zu einer Mehrbelas-tung des Bundes geführt. Weitere Kostenerhöhungen zu-lasten des Bundes zeichnen sich ab.

Als das Bundesministerium die Vereinbarung abschloss,waren noch nicht alle Komponenten, die für den Betriebdes digitalen Funknetzes notwendig sind, zugelassen. Da-her war die Nutzbarkeit des Gesamtsystems für denBahnbetrieb nicht sichergestellt. Damit fehlte einewesentliche Voraussetzung, um diese Zuwendungen desBundes zu gewähren. Zudem hat der Rechnungsprüfungs-ausschuss des Hauhaltsausschusses des Deutschen Bundes-tages (Rechnungsprüfungsausschusses) am 22. Mai 2003beschlossen, dass nur solche Anlagenteile der Bahnfinanziert werden dürfen, die die erforderliche technischeZulassung besitzen.

Das Prüfungsamt hat beanstandet, dass das Bundesminis-terium die Gesamtkosten für das digitale Funknetz nichtvollständig und transparent darstellen kann. Dies liegt imWesentlichen an der Aufteilung der Finanzierung auf meh-rere Vereinbarungen. Um dieses Problem zu vermeiden,hätte das Bundesministerium den gesamten Systemwech-sel über eine einzige Vereinbarung finanzieren müssen.

Die Erlöse des Unternehmens aus der Vermarktung seinerMasten hätte das Bundesministerium nach geltendemRecht auf die Zuwendungen anrechnen müssen. In derFinanzierungsvereinbarung blieben diese Erlöse unbe-rücksichtigt.

19.3

Das Bundesministerium hat bestritten, dass der Bund imZusammenhang mit dem Aufbau des digitalen Funknet-zes zu hoch belastet wird. Es sei nicht maßgeblich, aufwelchem Anteil des gesamten Schienennetzes das euro-päische Signalsystem künftig zum Einsatz komme. In sei-ner Stellungnahme hat es die große Bedeutung des digita-len Funknetzes für das funkgestützte Signalsystemhervorgehoben, welches den internationalen Eisenbahn-verkehr fördere.

Das Bundesministerium hat eingeräumt, die Finanzie-rungsvereinbarung ohne eine Gesamtkostenübersicht unddetaillierte Planungsunterlagen geschlossen zu haben. Eshat darauf verwiesen, dass das durchführende Unterneh-men zu diesem Zeitpunkt selbst keine belastbare Planungfür das Gesamtnetz gehabt habe.

Das Bundesministerium hat angegeben, es habe nur zuge-lassene Anlagenteile mit Bundesmitteln finanziert. Des-sen ungeachtet führt es aus, es sei unrealistisch zu erwar-ten, dass alle Komponenten beim Abschluss derFinanzierungsvereinbarung bereits zugelassen seien. Di-gitalfunk sei schließlich ein „technisch hoch innovativesGeschäftsfeld“.

Die Finanzierung sei auf mehrere Vereinbarungen aufge-teilt worden, weil die Fördersätze unterschiedlich hochgewesen seien. Es beabsichtige aber, das Funknetz gemäßder Empfehlung des Prüfungsamtes künftig nur noch übereine Vereinbarung zu finanzieren.

Das Bundesministerium hat mitgeteilt, dass es bei Ab-schluss der Finanzierungsvereinbarung keine Erkennt-nisse über die Vermarktung von Funkmasten gehabt habe.Inzwischen habe das Unternehmen ein Vermarktungskon-zept vorgelegt. Dieses sehe eine Abrechnung für jedeneinzelnen Funkmast vor; der Bund würde gemäß seinemAnteil jeweils zu 65 % an den Einnahmen beteiligt. BisMitte 2006 hätten die Erlöse rund 250 000 Euro betragen;sie zeigten steigende Tendenz.

19.4

Der Bundesrechnungshof erkennt die Bedeutung desfunkgestützten Signalsystems für den grenzüberschreiten-den Verkehr an. Gleichwohl muss das Bundesministeriumsicherstellen, dass der Bund finanziell nur entsprechendder tatsächlichen Nutzung des neuen Signalsystems be-ziehungsweise des digitalen Funknetzes insgesamt be-lastet wird. Er regt an, den geplanten Umfang der betrieb-lichen Nutzung des Funknetzes festzustellen und dieFinanzierungsquote entsprechend neu festzulegen.

Der Hinweis des Bundesministeriums auf fehlende Pla-nungen seitens des durchführenden Unternehmens ent-bindet das Bundesministerium nicht von den Vorgabendes Zuwendungsrechts. Bundesmittel dürfen erst dannzugesagt werden, wenn eine ausreichende Planung vor-liegt und Kostenrisiken weitgehend ausgeschlossen wer-den können.

Zudem hält es der Bundesrechnungshof gemäß dem Be-schluss des Rechnungsprüfungsausschusses für unab-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 147 – Drucksache 16/XXXX

dingbar, dass das Bundesministerium künftig nur nochsolche Maßnahmen finanziert, deren vollständige Funk-tionsfähigkeit zweifelsfrei feststeht.

Der Bundesrechnungshof hält es für erforderlich, dass dasBundesministerium den Gesamtaufwand des Bundes fürden Funk-Systemwechsel vollständig ermittelt und trans-parent darstellt.

Anstatt die Erlöse aus der Vermarktung von Funkmasteneinzeln zu verrechnen, sollte das Bundesministerium prü-fen, ob diese Einnahmen auch pauschal abgegolten wer-den können. Hierzu müssten beide Seiten zunächst dasVermarktungspotenzial übereinstimmend ermitteln. DasUnternehmen erhielte so einen Anreiz, das Vermark-tungspotenzial der Masten auszuschöpfen. Der Verwal-tungsaufwand würde erheblich geringer.

20 Bund zahlt jährlich 8 Mio. Euro für weitgehend nutzlose Maßnahmen zur Zivilen Verteidigung bei der Deutschen Bahn AG

20.0

Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtent-wicklung stellt der Deutschen Bahn AG jährlich 8 Mio.Euro für die Zivile Verteidigung zur Verfügung, ohne dasses den Bedarf an die veränderte sicherheitspolitischeLage angepasst hat. Es finanziert damit u. a. Schutz-räume, die mangels Vorwarnzeit nicht mehr aufgesuchtwerden können, und die Lagerung von Ersatzmaterial,das veraltet und unbrauchbar ist.

20.1

Mit dem Verkehrssicherstellungsgesetz aus dem Jahre1965 werden der Deutschen Bahn AG (DB AG) Aufga-ben der Zivilen Verteidigung auf dem Gebiet des Eisen-bahnverkehrs übertragen. Die Zivile Verteidigung um-fasst die Planung, Vorbereitung und Durchführung allerzivilen Maßnahmen, die erforderlich sind, um die Ver-sorgung der Bevölkerung und der Streitkräfte mit not-wendigen Gütern und Leistungen im Verteidigungsfallsicherzustellen. Insbesondere sieht das Gesetz vor, dieArbeitsplätze des betriebswichtigen Personals sowieBahnanlagen und Einrichtungen durch bauliche Maßnah-men so zu schützen, dass der Eisenbahnbetrieb im Kri-senfall aufrechterhalten werden kann. Im Jahre 2005stellte der Bund hierfür 8 Mio. Euro zur Verfügung.

Der Bundesrechnungshof hatte bereits im Jahre 1998 fest-gestellt, dass das Bundesministerium für Verkehr, Bauund Stadtentwicklung (Bundesministerium) keine aktuel-len Konzepte hatte, die begründen, warum die Ausgabenfür Zivile Verteidigung notwendig und angemessen sind.Die Vorratslager enthielten große Mengen an signal- undfernmeldetechnischen Materialien, die nicht mehr ver-wertbar waren. Das Bundesministerium hatte zugesagt,zügig ein Gesamtkonzept zu erarbeiten, das die Aufgaben

der DB AG für die Zivile Verteidigung an die verändertesicherheitspolitische Lage anpassen sollte.

Im Jahre 2000 forderte der Rechnungsprüfungsaus-schuss des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundes-tages (Rechnungsprüfungsausschuss) das Bundesministe-rium auf, die Gesamtkonzeption der Bundeseisenbahnenzur Zivilen Verteidigung zu überprüfen. Der Bundesrech-nungshof untersuchte im Jahre 2006 mit Unterstützungdes Prüfungsamtes des Bundes Hannover (Prüfungsamt),inwieweit das Bundesministerium den Beschluss desRechnungsprüfungsausschusses umgesetzt hat. Dabei stell-te er fest, dass das Bundesministerium erste Schritte un-ternommen hatte, um die Aufgaben zu rationalisieren unddie Ausgaben zu verringern. Die Gesamtkonzeption zurZivilen Verteidigung hatte es nicht überprüft. Das Bun-desministerium fördert weiterhin den Bau und die In-standhaltung von Schutzräumen. Es verpflichtet dieDB AG außerdem, umfangreiche Vorratslager mit Hilfs-brücken, mobilen Stellwerken und nachrichtentechni-schen Materialien zu unterhalten. Die Hälfte der Haus-haltsmittel für die Zivile Verteidigung – rund 4 Mio. Euro –entfallen auf Personal- und Verwaltungskosten.

Das Prüfungsamt stellte fest, dass der Bund im Zustän-digkeitsbereich der DB AG rund 700 Schutzraumanlagenunterhält. Dazu gehören im Wesentlichen Schutzräumefür betriebswichtiges Personal, Stellwerkschutzräumeund baulich geschützte Befehlsstellen. Die Mehrzahl derRäume hat weniger als 50 Plätze. Viele Schutzräume be-finden sich in Betriebsgebäuden der DB AG, in denenkein Personal mehr eingesetzt wird. In einem Lager wer-den rund 400 Hilfsbrücken aufbewahrt. In zwei weiterenLagern werden 14 mobile Container-Stellwerke bevorra-tet. Diese Stellwerke sind noch mit herkömmlicher Tech-nik ausgestattet. Sie können daher die heute auf denHauptstrecken eingesetzten elektronischen Stellwerke imBedarfsfall nicht ersetzen. Die vorhandenen nachrichten-technischen Materialien wurden vor mehr als 25 Jahrenbeschafft. Sowohl Brücken als auch Stellwerke werdenregelmäßig für Baumaßnahmen an die DB AG vermietet.Damit erzielt der Bund jährlich Einnahmen in Höhe vonrund 500 000 Euro. Gleichzeitig erhält die DB AG Zu-wendungen des Bundes, um diese Brücken und Stell-werke anzumieten.

In den Jahren zwischen 2002 und 2005 ersuchte dieDB AG mehrfach das Bundesministerium, den konven-tionellen Schutzraumbau einzustellen und zu prüfen, obdie Schutzräume noch benötigt werden. Dabei wies dieDB AG darauf hin, dass das bisherige Schutzraumkon-zept die veränderte Bedrohungslage nicht berücksichtigt.Nach Einschätzung aus militärischen Kreisen sei ein kon-ventioneller Krieg mit flächendeckenden Bombenangrif-fen heute unwahrscheinlich. Vielmehr bestehe die Gefahrvon punktuellen Anschlägen und anderen nicht vorher-sehbaren Schadensereignissen. Dabei bliebe die Infra-struktur im Wesentlichen erhalten. Mögliches Ziel vonAnschlägen seien zudem nicht mehr einzelne Bahnstre-cken sondern die Betriebszentralen, da sich Leit- undSicherungstechnik dort konzentrieren.

Drucksache 16/XXXX – 148 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Wenn die DB AG beantragte, Schutzräume nicht zubauen, lehnte das Bundesministerium dies in der Regelab. Ausnahmen machte es nur, wenn die betreffendenSchutzräume ganz offensichtlich unnötig waren. DasBundesministerium wies darauf hin, dass ein neuesSchutzraumkonzept erst erstellt werden könne, wenn be-kannt sei, inwieweit das Bundesministerium des Innerndie vorhandenen Kapazitäten für den zivilen Bevölke-rungsschutz nutzen wolle.

20.2

Der Bundesrechnungshof hat beanstandet, dass das Bun-desministerium sechs Jahre hat verstreichen lassen, ohneden Beschluss des Rechnungsprüfungsausschusses umzu-setzen und sein Gesamtkonzept zur Zivilen Verteidigungzu überprüfen.

Angesichts der veränderten Bedrohungslage teilt derBundesrechnungshof die Einschätzung der DB AG, dasses nicht mehr notwendig ist, in deren Zuständigkeitsbe-reich 700 Schutzräume zu unterhalten. Schutzräume sindheute grundsätzlich ungeeignet, das Personal vor An-schlägen zu schützen. Da zu befürchtende Formen vonAnschlägen keine nennenswerte Vorwarnzeit lassen, kön-nen Schutzräume nicht mehr rechtzeitig aufgesucht wer-den. Kleinere Schutzräume in Gebäuden, in denen keinBetriebspersonal mehr eingesetzt ist, sollten sofort aufge-geben werden. In einem Krisenfall würde der Bahn-betrieb von speziellen Bedienplätzen in den Betriebs-zentralen gesteuert. Bei größeren Schutzräumen sollte dasBundesministerium des Innern prüfen, ob diese für denzivilen Bevölkerungsschutz verwendet werden können.

Der Bundesrechnungshof hat auch empfohlen, die Vor-ratslager aufzugeben und die Bestände soweit wie mög-lich zu veräußern. Die gelagerten Signal- und Fernmelde-materialien sind ebenso wie die Container-Stellwerkeveraltet. Sie entsprechen nicht der heute eingesetztenelektronischen Sicherungs- und Nachrichtentechnik undsind daher nur noch sehr eingeschränkt nutzbar.

Der Bundesrechnungshof hat im Übrigen die Auffassungvertreten, dass die DB AG als Infrastrukturbetreiberinselbst verpflichtet ist, für Ausfälle der Infrastruktur Vor-sorge zu treffen. Entsprechende Vorsorgemaßnahmenwerden ohnehin vom Bund nach dem Bundesschienenwe-geausbaugesetz finanziert. Dazu gehört beispielsweisedie Einrichtung von Notbedienplätzen auf ferngesteuertenStellwerken, um den Betrieb bei Ausfall einer Betriebs-zentrale aufrechterhalten zu können. Hilfsbrücken undStellwerke sollten nicht als Ausgaben für Zivile Verteidi-gung finanziert werden, wenn die DB AG diese weitüberwiegend für planmäßige Baumaßnahmen nutzt. DieEinnahmen aus der Vermietung bieten dem Bund keinenfinanziellen Vorteil, weil die DB AG Hilfsbrücken undStellwerke mit Bundesmitteln mietet.

Nach Auffassung des Bundesrechnungshofes sollte daherder gesamte Haushaltsmittelansatz für die Zivile Verteidi-gung bei der Bahn in Höhe von 8 Mio. Euro für wirksameMaßnahmen zur zeitgemäßen Zivilen Verteidigung odersachgerecht anderweitig verwendet werden.

20.3

Das Bundesministerium ist der Auffassung, dass es ange-sichts der veränderten sicherheitspolitischen Gegebenhei-ten nicht möglich sei, ein „jederzeit aktuelles Gesamtkon-zept“ zu haben. Das Bundesministerium gehe davon aus,dass der Bundesrechnungshof die veränderte Sicherheits-lage nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001nicht berücksichtigt habe. Es stütze seine eigenen grund-sätzlichen Überlegungen und Zielvorstellungen auf einenBericht des Bundesministeriums des Innern aus demJahre 1995. Bei einer Gesamtkonzeption sei auch der Be-darf anderer Ressorts, z. B. Eisenbahntransporte für dieStreitkräfte, zu berücksichtigen. Im Übrigen habe dasBundesministerium die Ausgaben für die Zivile Verteidi-gung der DB AG im Hinblick auf die Haushaltslage desBundes bereits deutlich gekürzt.

Das Bundesministerium hat mitgeteilt, mit einem For-schungsvorhaben klären zu wollen, welche Schutzräumenoch notwendig seien. Erst dann könne ein eigenes Kon-zept erstellt werden. Das Bundesministerium der Vertei-digung habe inzwischen mitgeteilt, auf welchen Schie-nenwegen es Transportkapazität benötige. Daher könntennoch im Jahre 2007 etwa 120 Schutzräume aufgegebenwerden. Außerdem würden neue Schutzräume nur nochin den neuen Ländern errichtet. Grundsätzlich seienSchutzräume weiterhin geeignet, betriebsnotwendigesPersonal zu schützen. Nach Angaben der DB AG würden644 von 732 Schutzraumanlagen kostenpflichtig unter-halten. Die Kritik des Bundesrechnungshofes, Schutzraum-anlagen seien überwiegend in Gebäuden, in denen keinbetriebsnotwendiges Personal mehr arbeite, treffe nichtzu. Nach seiner Prüfung existierten 244 Schutzräume fürbetriebswichtiges Personal.

Der Bundesrechnungshof hatte kritisiert, dass die DB AGfür planmäßige Bauarbeiten Material nutzt, das für dieZivile Verteidigung bevorratet wird. Dazu hat das Bun-desministerium entgegnet, den anfallenden Unterhal-tungskosten stünden Mieteinnahmen gegenüber.

20.4

Das Bundesministerium hatte sechs Jahre Zeit, seineMaßnahmen zur Zivilen Verteidigung auf ihre Notwen-digkeit hin zu überprüfen. Ein kostenintensiver und lang-wieriger Forschungsauftrag zum Einfluss der verändertenBedrohungslage auf die Zivile Verteidigung ist nicht nochzusätzlich notwendig. Die Ereignisse des 11. September2001 sowie ihre Folgen fallen nicht unter das Verkehrssi-cherstellungsgesetz, sind dem Bundesrechnungshof aberdurchaus bewusst. Nicht zuletzt deshalb fordert er, end-lich ein Gesamtkonzept zu erstellen, dass diese neuen Er-kenntnisse berücksichtigt.

Es ist nicht mehr zu rechtfertigen, Bundesmittel fürSchutzräume und Vorratslager im Bereich des Eisenbahn-verkehrs aufzuwenden. Schutzräume sind wegen geringerVorwarnzeiten nicht geeignet, Betriebspersonal zu schüt-zen und den Eisenbahnbetrieb im Krisenfall aufrecht zuerhalten. Die für die Zivile Verteidigung gelagerten Mate-rialien sind entweder überaltert oder werden durch die

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 149 – Drucksache 16/XXXX

DB AG zweckfremd verwendet. Die dafür vorgesehenenBundesmittel können also eingespart werden. Die Vermie-tung dieses Materials erbringt letztendlich keinen finan-ziellen Vorteil für den Bund, da er selbst die Mieten trägt.

Der Bundesrechnungshof hält daher an seiner Auffassungfest. Der Bund sollte nur dann Zuschüsse an die DB AGfür die Zivile Verteidigung gewähren, wenn damit Vor-kehrungen getroffen werden, die auch bei heute zu erwar-tenden Bedrohungsszenarien wirksamen Schutz bietenoder der Nachsorge dienen.

21 Weiterbau einer Eisenbahnneubau-strecke ohne gesicherte Gesamt-finanzierung unwirtschaftlich(Kapitel 1222)

21.0

Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtent-wicklung stellt bei der Finanzierung eines mehrere Milli-arden Euro teuren Schienenwegebauvorhabens nicht si-cher, dass die Bundesmittel wirtschaftlich und sparsamverwendet werden. Für zwei wesentliche Abschnitte einerEisenbahnstrecke, an denen bereits seit dem Jahre 1996gebaut wird, hat es die Finanzierung derzeit nicht annä-hernd gesichert. In den letzten Jahren ließ es wegen knap-per Haushaltsmittel vor allem punktuelle Maßnahmendurchführen, um das Baurecht zu erhalten. Damit nahmes erhebliche Bauverzögerungen und Mehrkosten inKauf. Es untersuchte bisher nicht, in welchem Umfangdiese die Wirtschaftlichkeit des Gesamtvorhabens beein-trächtigen.

21.1

Der Bund finanziert Investitionen in die Schienenwegeseiner Eisenbahnen. Im Regelfall legt das Parlament mitdem Bedarfsplan Schiene fest, welche Bauvorhabendurchgeführt werden sollen. Das Bundesministerium fürVerkehr, Bau und Stadtentwicklung (Bundesministe-rium) bereitet diese Parlamentsentscheidung vor. Es prüftdabei vor allem, welche Vorhaben wirtschaftlich sind,d. h. einen Nutzen versprechen, der möglichst deutlichüber den Investitionskosten liegt.

Für die Umsetzung der im Bedarfsplan Schiene vorgese-henen Vorhaben schließt das Bundesministerium Finan-zierungsvereinbarungen mit den Eisenbahninfrastruktur-unternehmen (Unternehmen) ab. Dabei muss es den Bau-und Planungsstand der Vorhaben berücksichtigen und si-cherstellen, dass genügend Haushaltsmittel verfügbarsind. Die mittelfristige Finanzplanung des Bundes vomFebruar 2006 sieht für Schienenbauvorhaben des Be-darfsplans bis zum Jahre 2009 rund 1 Mrd. Euro pro Jahrvor. Für die Umsetzung des Bedarfsplans Schiene biszum Jahre 2015 müssten Bundesmittel von mehr als1,5 Mrd. Euro jährlich zur Verfügung stehen.

Der Bundesrechnungshof hat das Verwaltungshandelndes Bundesministeriums bei der Finanzierung von Vorha-ben aus dem Bedarfsplan Schiene geprüft. Am Beispielvon zwei Abschnitten der Eisenbahnneubaustrecke Nürn-

berg−Halle/Leipzig hat er insbesondere untersucht, wiedas Bundesministerium bei erheblichen Bauverzögerun-gen vorgeht. Die Neubaustrecke ist Bestandteil des Be-darfsplans Schiene aus dem Jahre 1992. Sie gehört zu denVerkehrsprojekten Deutsche Einheit, die die damaligeBundesregierung im April 1991 beschlossen hatte, umdas Zusammenwachsen der alten und neuen Länder zufördern. Nach dem Bericht des Bundesministeriums zumAusbau der Schienenwege gingen die Unternehmen An-fang des Jahres 2005 von 7 Mrd. Euro Gesamtkosten fürdie Strecke aus.

Der Bau der Abschnitte begann im Jahre 1996. Im Jahre1999 verhängte das Bundesministerium wegen knapperHaushaltsmittel und veränderter Verkehrsprognosen ei-nen Baustopp. Da ein Gutachten die Wirtschaftlichkeitder Maßnahmen erneut belegte, ließ das Bundesministe-rium im Jahre 2002 weiterbauen. Konkrete Angaben da-rüber, wann die Abschnitte fertig werden und wie der Baufinanziert wird, machte es dabei jedoch nicht.

Wegen des Baustopps sowie anhaltend knapper Haus-haltsmittel, die keine geordnete Bautätigkeit zuließen,drohte das Baurecht teilweise zu verfallen. Nach dem Ge-setz ist eine einmalige Verlängerung des Baurechts mög-lich. Diese nahmen die Unternehmen in Anspruch.Danach führten sie in Abstimmung mit dem Bundes-ministerium punktuelle Maßnahmen durch, um einenVerfall des Baurechts zu umgehen. Dabei handelte es sichum Bauten ohne eigene Nutzungsmöglichkeiten, wiez. B. eine nicht an das Streckennetz angeschlossene Ei-senbahnbrücke.

Dem Bundesministerium ist bewusst, dass es mit diesenpunktuellen Maßnahmen den Bau weder geordnet imSinne der gesetzlichen Bestimmungen noch wirtschaft-lich durchführt. Es ist sich auch darüber im Klaren, dassverlängerte Bauzeiten zu Mehrkosten führen, da z. B.Baustellen erneut eingerichtet und zusätzlich gesichertwerden müssen. Bei einem Streckenabschnitt sind bisAnfang 2001 wegen der zeitlichen Verzögerungen bereitsMehrkosten von 170 Mio. Euro angefallen. WelcheMehrkosten für beide Abschnitte insgesamt zu erwartensind, ist dem Bundesministerium nicht bekannt. Es kannnach eigenen Angaben auch nicht abschätzen, wie sichdie Bauverzögerungen auf den erwarteten gesamtwirt-schaftlichen Nutzen auswirken.

Die bis zum Herbst 2004 gültigen Finanzierungsvereinba-rungen für die beiden Streckenabschnitte stellten mit zu-gesagten Bundesmitteln von 4,1 Mrd. Euro eine Gesamt-finanzierung dieser Abschnitte zunächst sicher. JeweilsEnde der Jahre 2004 und 2005 passten das Bundesminis-terium und die Unternehmen die Finanzierungsvereinba-rungen an. Wie sich aus der Tabelle ergibt, verringerte dasBundesministerium das zugesagte Finanzierungsvolumenum 73 % auf 1,2 Mrd. Euro; bis Ende des Jahres 2005 in-vestierte es davon bereits 500 Mio. Euro. Damit stehenfür die Jahre 2006 bis 2013 für beide Streckenabschnittezusammen Bundesmittel in Höhe von 700 Mio. Euro zurVerfügung, das sind durchschnittlich knapp 90 Mio. Eurojährlich.

Den vollständigen Bau der gesamten Eisenbahnstreckestrebt das Bundesministerium nach wie vor an.

Drucksache 16/XXXX – 150 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Ta b e l l e

Finanzierungsbeiträge des Bundes

*) Finanzierungsbeitrag bis 2005: rund 40 Mio. Euro.

Angaben in Mrd.Euro (gerundet)

Finanzierungsver-einbarungen 2005

davon bis 2005 be-reits investiert

2006–2013 noch zu investieren

ursprüngliche Finanzierungsver-

einbarungen bis 2004

Abschnitt 1 0,8 0,5 0,3 2,2Abschnitt 2 0,4 0,0* 0,4 1,9Summe 1,2 0,5 0,7 4,1

21.2 fen lassen. Diese Ergebnisse sollte es den politischen Ent-

Der Bundesrechnungshof hat beanstandet, dass die Finan-zierung der beiden Streckenabschnitte derzeit nicht gesi-chert ist. Die aktuellen Finanzierungsvereinbarungen de-cken nur Investitionen von rund 1,2 Mrd. Euro bis zumJahre 2013 ab. Für den nach bisherigen Planungen ver-bleibenden Investitionsbedarf des Bundes von knapp3 Mrd. Euro gibt es keine Finanzierungsgrundlage.

Er hat weiter bemängelt, dass mit einer Fertigstellung derAbschnitte erst Mitte dieses Jahrhunderts zu rechnen ist,falls es bei einem Bedarf an Bundesmitteln von insgesamtrund 4 Mrd. Euro und einem Finanzierungsbeitrag desBundes von knapp 90 Mio. Euro im Jahr auch in den Jah-ren nach 2013 bleibt. Wenn das Bundesministerium dieStreckenabschnitte bis zum Jahre 2015 fertig stellenwollte, müsste es den jährlichen Finanzierungsbeitragmindestens vervierfachen und damit allein für diese Ab-schnitte mehr als ein Drittel der 1 Mrd. Euro binden, diefür Schienenneu- und Ausbauvorhaben insgesamt proJahr verfügbar sind. Dies würde die Möglichkeiten zurRealisierung anderer Vorhaben aus dem Bedarfsplan starkeinschränken.

Der Bundesrechnungshof hat kritisiert, dass das Bundes-ministerium Einzelmaßnahmen durchführen ließ, um dasBaurecht zu erhalten, obwohl es die Gefahr einer unwirt-schaftlichen Baudurchführung selbst erkannte. Dabei istzu berücksichtigen, dass die bereits eingetretenen sowiedie schon jetzt nicht mehr vermeidbaren Bauverzögerun-gen zu erheblichen Mehrkosten und einer deutlich verspä-teten Inbetriebnahme der Bahnstrecke führen. Beide Ef-fekte verschlechtern das Verhältnis zwischen Nutzen undKosten. Zudem ist nicht sicher, ob aktuelle Prognosen zurVerkehrsentwicklung den geplanten Neubau der Gesamt-strecke noch erfordern.

Der Bundesrechnungshof hat dem Bundesministeriumdaher empfohlen, für die betrachteten Streckenabschnittedie zu erwartenden Mehrkosten zu ermitteln und ein Ge-samtfinanzierungskonzept zu erstellen. Zudem sollte dasBundesministerium die Wirtschaftlichkeit des Gesamt-vorhabens unter Berücksichtigung der verlängerten Bau-zeiten, der voraussichtlichen Mehrkosten sowie aktuellerEinschätzungen zur Verkehrsentwicklung erneut überprü-

scheidungsträgern vorlegen.

21.3

Das Bundesministerium hat darauf verwiesen, dass dasGesamtvorhaben eine große Bedeutung für eine angemes-sene Anbindung der ostdeutschen Länder habe undzudem Bestandteil der Europäischen Nord-Süd-Hochge-schwindigkeitsachse Berlin−München−Verona−Palermosei. Die Finanzierung der Teilstrecke Nürnberg−Erfurt seivertraglich gesichert gewesen, bis im Juli 1999 der vor-läufige Baustopp verhängt worden sei. Im März 2002habe der damalige Bundeskanzler entschieden, dieGesamtstrecke weiter bauen zu lassen. Das Bundesminis-terium habe daraufhin mit den Unternehmen Finanzie-rungsvereinbarungen abgeschlossen, die eine Realisie-rung beider Streckenabschnitte bis zum Jahre 2015vorgesehen hätten. Diese Vereinbarungen hätten infolgeder Entscheidung des Vermittlungsausschusses zum Sub-ventionsabbau vom Dezember 2003, wie alle anderenVereinbarungen für Schienenwegeinvestitionen auch, andie deutlich abgesenkte Finanzierungslinie angepasstwerden müssen. Gleichzeitig sei politisch entschiedenworden, an dem Projekt weiterhin festzuhalten. Das Bun-desministerium habe daher nicht willkürlich eine be-stimmte Vorgehensweise gewählt, sondern die politischeEntscheidung für eine Weiterverfolgung des Projekts mitden verringerten Haushaltsmitteln in Übereinstimmungbringen müssen. Hätte man nicht die Baumaßnahmen ge-streckt, wäre das Baurecht in einzelnen Abschnitten ver-loren gegangen. Dies käme einer Projektaufgabe gleich,da in verschiedenen Abschnitten eine neuerliche erfolg-reiche Planfeststellung zweifelhaft bis ausgeschlossen seioder zu erheblichen zeitlichen Verzögerungen und Kosten-erhöhungen führen würde.

Das Bundesministerium hat die Auffassung vertreten,dass eine Überprüfung des Gesamtvorhabens nicht not-wendig sei. Bisher seien noch keine nutzbaren Abschnittefertig, der Bund habe jedoch bereits erhebliche Mittel in-vestiert. Insofern gebe es zu einer Fortsetzung des Bauskeine Alternative, wenn man verlorene Investitionen inHöhe eines hohen dreistelligen Millionenbetrages undBauruinen vermeiden wolle. Mehrfach durchgeführte Un-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 151 – Drucksache 16/XXXX

tersuchungen und Bewertungen des Gesamtvorhabenshätten den Nachweis der Wirtschaftlichkeit erbracht. Zu-dem sei festgestellt worden, dass es zur Erreichung derverkehrspolitischen Ziele, d. h. höherer Reisegeschwin-digkeiten und zusätzlicher Kapazitäten sowie verbesserterTransportzeiten für den Güterverkehr, keine Alternativegebe. Mit der Verkehrsprognose des Bundesverkehrswe-geplans 2003 sei ein Nutzen ermittelt worden, der mehrals das Dreifache der Investitionskosten betrage. Eine ak-tuelle Verkehrsprognose werde erst im Jahre 2008 vorlie-gen. Aufgrund der derzeitigen Entwicklung des Verkehrs-aufkommens sei nicht zu erwarten, dass durch diesePrognose die Strecke Nürnberg−Halle/Leipzig infrage ge-stellt werde müsse.

Eine verspätete Fertigstellung der Bahnstrecke könne dasVerhältnis zwischen Nutzen und Kosten sogar verbessern,da sie ein höheres Verkehrsaufkommen im Personen- undGüterverkehr zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme erwar-ten lasse. Im Übrigen sei derzeit geplant, die Bahnstreckeschneller fertig zu stellen. In den Medien seien hierzuschon Jahreszahlen von 2015 bis 2017 veröffentlicht wor-den. Der Bund strebe an, rund 300 Mio. Euro bis400 Mio. Euro jährlich in die beiden Streckenabschnittezu investieren.

21.4

Der Bundesrechnungshof verkennt die besondere politi-sche Bedeutung der Bahnstrecke nicht. Gleichwohl hälter es für dringend notwendig, dass das Bundesministe-rium geeignete Voraussetzungen für den wirtschaftlichenEinsatz der knappen Bundesmittel schafft. Hierzu musses umfangreiche Schienenwegebauvorhaben, die überviele Jahre hinweg erhebliche Haushaltsmittel binden, re-gelmäßig überprüfen und die politischen Entscheidungs-träger über die Ergebnisse in Kenntnis setzen. Dies giltinsbesondere, wenn eine Gesamtfinanzierung nicht mehrgesichert ist und die Bautätigkeit nur sehr schleppend ver-läuft.

Der Hinweis des Bundesministeriums, dass eine Fortset-zung der geplanten und bereits begonnenen Maßnahmennicht infrage gestellt werden könne, da sonst verloreneInvestitionen drohen, kann in diesem Zusammenhangnicht vollständig überzeugen. Der Bund hat bis zum Jahre2005 für die beiden Streckenabschnitte 0,5 Mrd. Euro be-reitgestellt. Ausgehend von den ursprünglichen Planun-gen, die Bundesmittel von 4,1 Mrd. Euro gesehen haben,muss er in den nächsten Jahren noch 3,6 Mrd. Euro finan-zieren. Solange die Gesamtfinanzierung nicht gesichertist, steigt die Gefahr verlorener Investitionen stetig weiteran. Mit den angekündigten 300 Mio. Euro bis 400 Mio.Euro jährlich könnte das Bundesministerium die Ab-schnitte nur dann bis zum Jahre 2015 fertig stellen, wenndie Mehrkosten sowie auch Preissteigerungen überschau-bar bleiben. Ob diese Mittel tatsächlich zur Verfügungstehen werden, ist noch nicht gesichert.

Zur Frage, wann mit einer Fertigstellung der Strecke ge-rechnet werden kann, hat das Bundesministerium auf Me-dienberichte verwiesen, diese jedoch weder bestätigtnoch dementiert. Seine Einschätzung, aufgrund der der-

zeitigen Entwicklung des Verkehrsaufkommens sei nichtzu erwarten, dass eine neue – noch nicht vorliegende –Prognose die Bahnstrecke nicht infrage stellen werde, hatdas Bundesministerium nicht begründet.

Das Bundesministerium hat den Vorwurf nicht entkräftenkönnen, dass die „gestreckte Realisierung“ der beidenStreckenabschnitte eine unwirtschaftliche Baudurchfüh-rung und damit eine unwirtschaftliche Verwendung vonBundesmitteln zur Folge hat. Es hat lediglich auf dieZwänge verwiesen, die sich aus politischen Vorgaben zurProjektumsetzung in Verbindung mit Haushaltsengpässenergeben. Dem Bundesrechnungshof liegen aber bisherkeine Hinweise darauf vor, dass das Bundesministeriumdie politischen Entscheidungsträger umfassend über dieKonsequenzen der „gestreckten Realisierung“ unterrich-tet hat.

Der Bundesrechnungshof vertritt daher nach wie vor dieAuffassung, dass das Bundesministerium systematischuntersuchen muss, welche Investitionen für eine Inbe-triebnahme der Bahnstrecke noch erforderlich sind, wiediese finanziert werden und wann mit einer Fertigstellunggerechnet wird. Es sollte den politischen Entscheidungs-trägern seine Untersuchungsergebnisse vorlegen und da-bei auch erläutern, inwieweit die verzögerte Umsetzungdas Verhältnis zwischen Nutzen und Kosten belastet.

22 Bund finanziert zu viele Beschäftigte eines privaten Unternehmens(Kapitel 1203 Titel 745 11)

22.0

Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtent-wicklung hat es versäumt darauf hinzuwirken, dass einmit dem Ausbau der Bundeswasserstraße Donau beauf-tragtes Unternehmen, dessen Personalkosten der Bundmit trägt, seinen Personalbestand reduziert und damitden tatsächlichen Erfordernissen anpasst.

22.1

Der Bund und der Freistaat Bayern (Bayern) lassen denAusbau der Bundeswasserstraße Donau von einem Unter-nehmen durchführen, das in den 20er-Jahren gegründetwurde und schon den Bau des Main-Donau-Kanals be-treute. Ursprünglich befand es sich im Besitz des Bundesund Bayerns, die es im Jahre 1994 an einen privaten In-vestor verkauft haben. Der Ausbau der Donau wird mitder Verbesserung der Schifffahrtsbedingungen zwischenStraubing und Vilshofen abgeschlossen sein. Danach wirdder Bund auch diese Bundeswasserstraße in die Obhutseiner Wasser- und Schifffahrtsverwaltung geben und dieZusammenarbeit mit dem Unternehmen beenden.

Für die Donau zwischen Straubing und Vilshofen kom-men grundsätzlich der Ausbau mit Staustufen oder dersanfte Ausbau ohne Staustufen in Betracht. Bayern be-vorzugt den Ausbau mit Staustufen, weil dieser derSchifffahrt größere Vorteile bringe. Der Deutsche Bun-destag hatte dagegen mit Beschluss vom 7. Juni 2002 die

Drucksache 16/XXXX – 152 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Bundesregierung aufgefordert, die Ausbauvariante ohneStaustufen zu wählen. Für beide Varianten wurden Raum-ordnungsverfahren durchgeführt. Eine einvernehmlicheEntscheidung für eine der Varianten, die ursprünglich be-reits im Jahre 2000 erwartet worden war und einen Bau-beginn im Jahre 2005 ermöglicht hätte, ist nicht in Sicht.

Die Kosten des Personals, das das Unternehmen für denAusbau der Donau benötigt, tragen der Bund und Bayerngemeinsam. Im Jahre 1998, und damit lange vor der Ab-lehnung der Staustufenlösungen durch den DeutschenBundestag, haben der Bund und Bayern dem Unterneh-men in einer Vereinbarung Personal in einem Umfang zu-gestanden, der mit 125 Vollzeitbeschäftigten dem Perso-nalbedarf nach Beginn der Bauarbeiten für eineStaustufenlösung entspricht. Der Personalbedarf des Un-ternehmens für die Realisierung des sanften Ausbaus istum etwa 55 Vollzeitbeschäftigte geringer. Die Beteiligtenhaben die Vereinbarung ausdrücklich vor dem Hinter-grund einer noch nicht absehbaren Entscheidung über dieArt und Weise des weiteren Ausbaus im Jahre 2000 undin der erklärten Absicht abgeschlossen, keine Vorent-scheidung über das Jahr 2000 hinaus zu treffen.

Das Personal des Unternehmens ist befristet bis Ende desJahres 2007 mit Hochwasserschutzmaßnahmen beschäf-tigt, die im Zusammenhang mit dem Ausbau der Donaustehen und bei beiden Planungsvarianten erforderlichsind.

22.2

Der Bundesrechnungshof hat zur Kenntnis genommen,dass das Unternehmen, solange mit einer schnellen Ent-scheidung gerechnet werden konnte, personell für einesofortige Aufnahme der Arbeiten für die Staustufenlö-sung gerüstet sein sollte. Spätestens mit der Entscheidungdes Deutschen Bundestages zugunsten eines sanften Aus-baus hätte das Bundesministerium für Verkehr, Bau undStadtentwicklung (Bundesministerium) aber eine Kurs-korrektur anstreben müssen. Es ist dem Bund nicht zuzu-muten, Personal für eine bauliche Lösung zu finanzieren,die er ausdrücklich ablehnt. Da der Bund die von ihm be-vorzugte Lösung nicht gegen den Willen Bayerns durch-setzen kann, ist zudem nicht absehbar, wann eine ab-schließende Entscheidung über den Donauausbaumöglich ist. Womit das Personal des Unternehmens bisdahin beschäftigt werden kann, ist unklar. Das Bundesmi-nisterium sollte also darauf hinwirken, dass das Unter-nehmen seinen Personalbestand abbaut. Dies ist in derRegel im arbeits- und sozialrechtlichen Rahmen nur mitVerzögerungen möglich. Das Unternehmen sollte daherkeine neuen Beschäftigten einstellen und so die Möglich-keiten nutzen, sein Personal sozialverträglich abzubauen.

22.3

Das Bundesministerium hat darauf verwiesen, dass mitder endgültigen Entscheidung über den DonauausbauStraubing/Vilshofen, die von Bund und Bayern gemein-sam getroffen werden müsse, die künftige Personalstärkedes Unternehmens erneut festzulegen sei. Die Alters-

struktur der Beschäftigten bei dem Unternehmen eröffnedabei die Möglichkeit zu einer raschen Anpassung auf diefür die Zukunft festzulegenden Zielgrößen. Derzeit be-stehe keine Handlungsmöglichkeit, da das vorhandenePersonal bis Ende des Jahres 2007 ausgelastet sein werdeund Bayern unter Hinweis auf die Vertragssituation da-rauf bestehe, dass ein Personalstand vorzuhalten sei, deres zulasse, beide im Raumordnungsverfahren erörtertenVarianten umzusetzen.

Das Bundesministerium werde auch künftig darauf ach-ten, dass das Unternehmen alle Möglichkeiten zur Perso-naleinsparung nutzt. Dabei müsse ihm aber vor allem imInteresse der Auftraggeber Bund und Bayern die Mög-lichkeit eröffnet bleiben, sein Know-how durch Nachbe-setzung frei werdender Schlüsselstellen zu erhalten, umeine ordnungsgemäße Auftragsabwicklung zu gewähr-leisten.

22.4

Im Hinblick auf das klare Votum des Deutschen Bundes-tages zugunsten einer Variante ohne Staustufen ist nichtzu erwarten, dass ab dem Jahre 2008 die Donau mit Stau-stufen ausgebaut wird. Deshalb sieht der Bundesrech-nungshof nach wie vor die Gefahr, dass das Personal desUnternehmens dann nicht mehr ausgelastet werden kann.

Das heutige Personalsoll basiert auf einer Vereinbarung,mit der der Bund, Bayern und das Unternehmen aus-drücklich keine Vorentscheidungen über das Jahr 2000 hi-naus treffen wollten. Der Bundesrechnungshof sieht des-halb kein vertragliches Hindernis, das Verhandlungen mitBayern über das heute sinnvolle Personalsoll ausschließt.Das Bundesministerium sollte daher mit Bayern und demUnternehmen eine neue Vereinbarung mit dem Ziel ab-schließen, dass das Unternehmen Personalabgängegrundsätzlich nicht ausgleicht. Ausschließlich Schlüssel-positionen sollten zur Sicherung des Know-how von die-ser Nachbesetzungssperre ausgenommen sein.

23 Folgen unzureichender Fachaufsicht bei der Umsetzung eines Projektes(Kapitel 1203 Titel 811 21)

23.0

Vor neun Jahren begannen Wasser- und Schifffahrtsämter,moderne Peilsysteme zu beschaffen. Bis heute können siedie gewonnenen Peildaten nur unzureichend nutzen, weiljahrelange, unkoordinierte Bemühungen um die erforder-liche Software erfolglos blieben. Das Bundesministeriumfür Verkehr, Bau und Stadtentwicklung hätte dies im Rah-men seiner Fachaufsicht nicht zulassen dürfen.

23.1

Die Sicherheit des Schiffsverkehrs ist ohne genaueKenntnis von Verlauf und Gestalt der Fahrrinnen nichtgewährleistet. Die erforderlichen Daten ermittelt die Was-ser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes in der Regel

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 153 – Drucksache 16/XXXX

durch „Linien-Peilung“. Bei jeder Fahrt erfasst das Peil-schiff die Gestalt der Fahrrinne längs einer Linie. Um Da-ten für die gesamte Fahrrinne zu erhalten, sind viele je-weils seitlich versetzte Fahrten erforderlich. DieVerwaltung nutzt das Programm TIMPAN (Technischeinteraktive Verarbeitung von Messwerten auf dem Gebietdes Peilwesens, der Archivierung und des Nachweiseszum Datenbestand), um die Messdaten auszuwerten undzu archivieren.

Seit dem Jahre 1997 beschafften einzelne Wasser- undSchifffahrtsämter (Ämter) „Fächerecholotsysteme“ ein-schließlich der vom Hersteller angebotenen Erfassungs-und Auswertungssoftware. Diese Peilsysteme ermögli-chen mit einer Fahrt des Peilschiffes die flächige Auf-nahme von Peildaten, sodass mit weniger Fahrten die Ge-stalt der Fahrrinne genauer erfasst wird als mit derLinienpeilung. Die Bundesanstalt für Gewässerkunde(Bundesanstalt) hatte zuvor im Auftrag des Bundesminis-teriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (Bundes-ministerium) bestätigt, dass die Fächerecholotsystemegrundsätzlich für den Einsatz auf Bundeswasserstraßengeeignet und die Übergabe der ausgewerteten Daten anTIMPAN ohne großen Aufwand möglich seien.

In der Praxis stellte sich heraus, dass die mit den Fächer-echolotsystemen gelieferte Software für die Belange derVerwaltung ungeeignet war. Im April 1999 informiertedie für die Betreuung von TIMPAN zuständige Fachstellefür Informationstechnik (Fachstelle) das Bundesministe-rium darüber, dass die Übernahme der FlächenpeildatenÄnderungen und Ergänzungen in TIMPAN erforderlichmache.

Die Bundesanstalt entwickelte bis zum Jahre 2002 dasDatenverarbeitungsprogramm HyDAP (HydrologischeDatenauswertung und -präsentation), mit dessen Hilfe dieFächerpeildaten ausgewertet werden können. Die eben-falls erforderliche Archivierung der Daten und die Wei-terverarbeitung für bautechnische Zwecke lässt HyDAPnicht zu.

Anfang des Jahres 2000 forderte das Bundesministeriumdrei Wasser- und Schifffahrtsdirektionen (Direktionen)auf, ein „abgestimmtes Konzept“ darüber zu erstellen,wie die Fächerpeilsysteme eingesetzt und die ermitteltenDaten ausgewertet und archiviert werden können. Die Di-rektionen richteten daraufhin im Mai 2000 eine Projekt-gruppe ein. Ihr Zeitplan sah die Erstellung des Konzeptsbis zum Ende des Jahres 2001 vor. Die Projektgruppe er-stellte keine Status-, Meilenstein- und Abweichungsbe-richte. Derartige Berichte hat das Bundesministerium inseinen Mindestqualitätsstandards für Projekte vorgegeben.

Im Februar 2002 entschied sich die Projektgruppe dafür,HyDAP in TIMPAN zu integrieren. Das Bundesministe-rium forderte die beteiligten Stellen im August 2002 auf,dieses Konzept mit der Maßgabe umzusetzen, dass TIM-PAN als Basissystem erhalten bleibt. Dementsprechendsetzte die Fachstelle die Arbeiten an der Erweiterung vonTIMPAN fort.

Zwei Jahre später kam die Projektgruppe zu dem Zwi-schenergebnis, dass die Auswertungs- und Archivie-rungssoftware neu entwickelt werden sollte. Das Bundes-

ministerium teilte jedoch in einem Schreiben vomNovember 2004 an die Direktionen mit, dass vor demAbschluss der Projektarbeit keine Einzelmaßnahmen imVorgriff auf die endgültigen Arbeitsergebnisse umgesetztwerden sollten. Es wies die Bundesanstalt und die Fach-stelle an, nicht weiter an TIMPAN und HyDAP zu arbei-ten, bis der Schlussbericht der Projektgruppe vorliege undgenehmigt sei. Die Fachstelle stellte daraufhin die Arbeitein. Die Bundesanstalt hielt sich nicht an die Weisungund erweiterte das Programm HyDAP.

Im Mai 2005 wies das Prüfungsamt des Bundes Frankfurtam Main das Bundesministerium auf Fehler in der Wirt-schaftlichkeitsberechnung hin, die dem Vorschlag derProjektgruppe zugrunde lag. Im September 2005 legte dieProjektgruppe den Schlussbericht vor, der unverändertdas bereits vorgeschlagene Zwischenergebnis aus demJahre 2004 enthielt, die Auswertungs- und Archivie-rungssoftware neu zu entwickeln. Im März 2006 be-schloss das Bundesministerium, den Vorschlag der Pro-jektgruppe nicht zu übernehmen. Stattdessen wies es dieFachstelle an, eine einheitliche Peildatenauswertungs-Software zu entwickeln, die „die bau- und vermessungs-technischen Anforderungen des Binnen- und des Küsten-bereichs in der notwendigen Weise“ berücksichtigt. Dabeisollten große Teile von TIMPAN und HyDAP in amMarkt vorhandene Programmpakete integriert werden.

23.2

Der Bundesrechnungshof hat beanstandet, dass neunJahre nach der Beschaffung des ersten Fächerecholotsys-tems die gewonnenen Daten nur unzureichend genutztwerden können. Das Bundesministerium hätte die Direk-tionen bereits unmittelbar nach den ersten Einsatzver-suchen im Jahre 1997 und nicht erst im Jahre 2000 auffor-dern müssen, ein Konzept zur Nutzung der neuenFächerecholotsysteme zu entwickeln. Es hätte auch nichthinnehmen dürfen, dass die Direktionen ihren Zeitplanfür den Abschluss des Projekts nicht einhalten, sondern esjahrelang verschleppen. Auch hätte es dafür sorgen müs-sen, dass die Direktionen die von ihm selbst festgelegtenMindeststandards für ein wirksames Projektmanagementeinhalten und die Bundesanstalt seine Weisungen befolgt.Das Bundesministerium hat seine Fachaufsicht hier nurunzureichend wahrgenommen.

Der Bundesrechnungshof hat das Bundesministerium auf-gefordert, das neue und ehrgeizige Projekt, eine umfas-sende, einheitliche Peildatenauswertungs-Software zuentwickeln, angemessen zu begleiten und so einen zügi-gen Projektverlauf sicher zu stellen.

23.3

Das Bundesministerium hat eingeräumt, es habe das Pro-blem der Einbindung der Fächerecholotdaten in TIMPANunterschätzt. Die aufgetretenen Schwierigkeiten hätte esdurch Weisung und Fachaufsicht nicht ausräumen kön-nen. Deshalb habe es die Direktionen beauftragt, zur Lö-sung der Probleme die Projektgruppe einzurichten. Diebeanstandete Dauer der Projektgruppenarbeit sei auf diebesonderen Schwierigkeiten zurückzuführen.

Drucksache 16/XXXX – 154 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

23.4

Der Bundesrechnungshof bleibt bei seiner Auffassung,dass das Bundesministerium es versäumt hat, seine Fach-aufsicht konsequent gegenüber allen Beteiligten auszu-üben. Insbesondere bei anfangs unterschätzten Projektenist es erforderlich, dass sich das Bundesministerium denunerwarteten Schwierigkeiten mit allem Nachdruck stelltund die notwendigen Entscheidungen fällt. Eine Projekt-gruppe kann nur Entscheidungen vorbereiten. Insoweitüberzeugt der Hinweis des Bundesministeriums nicht, dieProbleme seien nicht durch Weisung und Fachaufsicht,sondern durch die Einrichtung einer Projektgruppe zulösen gewesen. Hätte das Bundesministerium die Arbeitder Projektgruppe begleitet, wäre die Notwendigkeit ei-ner umfassenden, alle Belange der Verwaltung berück-sichtigenden Lösung nicht erst nach neun Jahren erkanntund der uneingeschränkte Einsatz von Fächerecholotsys-temen nicht jahrelang verzögert worden.

Die Ämter müssen die Peildaten uneingeschränkt nutzenkönnen. Der Bundesrechnungshof bekräftigt daher seineForderung an das Bundesministerium, das neue Projekt,eine umfassende, einheitliche Peilauswertungs-Softwarezu entwickeln, angemessen zu begleiten und einen zügi-gen Projektverlauf sicher zu stellen.

24 Länder und Gemeinden verlagern Kosten beim Bau von Geh- und Rad-wegen unzulässig auf den Bund(Kapitel 1210)

24.0

Die Straßenbauverwaltungen der Länder bauten mit Bun-desmitteln an innerörtlichen Bundesstraßen überwiegendgemeinsame Geh- und Radwege, obwohl dies wegen dergegenseitigen Behinderung und Gefährdung der unter-schiedlichen Verkehrsteilnehmer die Ausnahme sein soll.Das ist für die betroffenen Gemeinden von Vorteil, weilsie keine eigenen Gehwege finanzieren müssen. Zudemnehmen die Straßenbauverwaltungen der Länder die Wei-gerung vieler Gemeinden hin, die auf sie entfallendenUnterhaltungskosten zu tragen. Allein in den geprüftenFällen trägt der Bund zu Unrecht Unterhaltungskostenvon rund 1,9 Mio. Euro, bezogen auf die geschätzte Nut-zungsdauer der Wege. Das Bundesministerium für Ver-kehr, Bau und Stadtentwicklung kontrolliert in diesem Be-reich die Arbeit der Straßenbauverwaltungen nichtausreichend.

24.1

Der Bund finanziert Radwege an Bundesstraßen mit demZiel, durch die Trennung des Radverkehrs vom motori-sierten Verkehr insbesondere die Verkehrssicherheit zuerhöhen.

Auf innerörtlichen Hauptverkehrsstraßen kann der Rad-verkehr auf der Fahrbahn, auf gemeinsamen Geh- undRadwegen oder auf gesonderten Radwegen geführt wer-den. Verkehrsuntersuchungen zeigen, dass bei gemeinsa-men Geh- und Radwegen sowohl für Fußgängerinnen und

Fußgänger als auch für Radfahrerinnen und Radfahrer dasUnfallrisiko gegenüber getrennten Geh- und Radwegenhöher ist. Insbesondere durch die unterschiedlichen Ge-schwindigkeiten behindern sich beide Gruppen oft gegen-seitig. Gemeinsame Geh- und Radwege dürfen deshalbnach den bundeseinheitlichen Richtlinien nur in Ausnah-mefällen, z. B. bei beengten Platzverhältnissen, gebautwerden.

An Bundesstraßen in Ortsdurchfahrten trägt der Bund inGemeinden mit bis zu 80 000 Einwohnern bei getrenntenGeh- und Radwegen die Herstellungskosten und späterdie Baulastkosten (Unterhalt, Instandsetzung, Verkehrs-sicherung) für den Radweg. Die Gemeinde trägt die Kos-ten für den Gehweg. Bei gemeinsamen Geh- und Radwe-gen sollen der Bund und die Gemeinde nach denbundeseinheitlichen Richtlinien die Kosten so aufteilen,dass der Bund die Herstellungskosten und die Gemeindedie Baulastkosten trägt. Bei dieser Variante erspart sichdie Gemeinde also die Kosten für die Herstellung einesGehweges.

Der Bundesrechnungshof hat bei seinen Prüfungen in denJahren 2004 und 2005 festgestellt, dass die im Wege derAuftragsverwaltung für den Bund tätigen Straßenbauver-waltungen bundesweit die Hälfte aller Wege für Radfah-rerinnen und Radfahrer an Bundesstraßen in Ortsdurch-fahrten als gemeinsame Geh- und Radwege bauten. In derRegel prüften die Straßenbauverwaltungen nicht, ob auchAlternativen möglich waren. Bei jedem zweiten geprüf-ten gemeinsamen Geh- und Radweg in Ortsdurchfahrtensetzten die Straßenbauverwaltungen die Übernahme derBaulastkosten durch die Gemeinden nicht durch. DerBund trägt also hier nicht nur die Herstellungs-, sondernauch die Baulastkosten. Er übernimmt allein für die35 geprüften gemeinsamen Geh- und Radwege zu Un-recht Baulastkosten in Höhe von 1,9 Mio. Euro bezogenauf die geschätzte Nutzungsdauer der Radwege von25 Jahren. Statistiken zeigen, dass der Bund bundesweitsogar für über 80 % der gemeinsamen Geh- und Radwegean Bundesstraßen die Baulastkosten trägt.

Die Straßenbauverwaltungen umgingen zudem in einigenFällen die Regelung, nach der die Gemeinden die Bau-lastkosten zu tragen haben, indem sie zunächst einen„Radweg“ neben der Fahrbahn zulasten des Bundes bau-ten. Später wiesen sie den Radweg nach Anordnungdurch die zuständigen Verkehrsbehörden als gemeinsa-men Geh- und Radweg aus.

24.2

Der Bundesrechnungshof hat beanstandet, dass die Stra-ßenbauverwaltungen bei der Planung und Ausführungvon Wegen für Radfahrerinnen und Radfahrer die bun-deseinheitlichen Richtlinien nicht strikt anwandten unddas Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtent-wicklung (Bundesministerium) dies auch nicht durch ge-eignete Kontrollmaßnahmen sicherstellte. Offenkundigist der Bau von gemeinsamen Geh- und Radwegen in denOrtsdurchfahrten nicht die in den geltenden Richtlinienvorgesehene Ausnahme. Vielmehr ist er inzwischen na-hezu zur Regellösung geworden.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 155 – Drucksache 16/XXXX

Der Bundesrechnungshof hält diese Entwicklung fürsachwidrig. Auch aus Gründen der Verkehrssicherheitund um attraktive Radwegeverbindungen anbieten zukönnen, ist es erforderlich, dass die Straßenbauverwaltun-gen – wie dies die bundeseinheitlichen Richtlinien vorse-hen – nur in begründeten Ausnahmefällen gemeinsameGeh- und Radwege bauen.

Eine wesentliche Ursache für das Missachten der Richtli-nien sieht der Bundesrechnungshof darin, dass der Baugemeinsamer Geh- und Radwege für die Gemeinden eineMöglichkeit darstellt, die erheblichen Herstellungskostenfür sonst erforderliche Gehwege zu vermeiden. Dies istbesonders dann erfolgreich, wenn die Straßenbauverwal-tung des Landes und die Gemeinde in dieser Hinsichtzusammenwirken. Der Bundesrechnungshof hält dieseEntwicklung für nicht hinnehmbar. Er hat daher vomBundesministerium gefordert sicherzustellen, dass dieStraßenbauverwaltungen die geltenden Richtlinien an-wenden.

Der Bundesrechnungshof hat eine Änderung der Richtli-nien über die Kostenverteilung beim Bau von gemeinsa-men Geh- und Radwegen in Ortsdurchfahrten vorgeschla-gen, um den Missbrauch der Ausnahmeregelung wenigerattraktiv zu machen. Er hält eine hälftige Teilung sowohlder Bau- als auch der Unterhaltskosten für ausgewogen.Das Bundesministerium muss allerdings auch hierbeidurch geeignete Kontrollen sicherstellen, dass die Stra-ßenbauverwaltungen eine derartige Regelung umsetzen.

24.3

Das Bundesministerium hat die Beanstandungen des Bun-desrechnungshofes weitgehend bestätigt und eingeräumt,dass die derzeitige Praxis beim Bau von gemeinsamenGeh- und Radwegen mit dem Wortlaut der Richtliniennicht in Einklang steht. Wie vom Bundesrechnungshofvorgeschlagen, will das Bundesministerium in Abstim-mung mit den Ländern die bestehenden Richtlinien än-dern. Ein gemeinsamer Geh- und Radweg soll nur dannzulässig sein, wenn die Gemeinde zusagt, die Hälfte derKosten zu tragen. Es hat weiter angekündigt, mit einemRundschreiben an die Straßenbauverwaltungen der Län-der auf die Umsetzung der Richtlinien zu dringen.

Darüber hinaus will das Bundesministerium die Straßen-bauverwaltungen beauftragen, die als gemeinsame Geh-und Radwege in Ortsdurchfahrten ausgewiesenen Ver-kehrsflächen zu erfassen und zu prüfen, ob der Bund dieBaulastkosten trägt. In diesem Zusammenhang sollen dieStraßenbauverwaltungen darlegen, warum von den Richt-linien abgewichen wurde und statt eines gesondertenRadweges ein gemeinsamer Geh- und Radweg gebautwurde. Zudem sollen die Straßenbauverwaltungen klären,in welchen Fällen die als Radweg geplanten Wege nachFertigstellung von den Gemeinden als gemeinsame Geh-und Radwege ausgewiesen wurden.

24.4

Das Bundesministerium hat angekündigt, die Richtlinienzum Bau von gemeinsamen Geh- und Radwegen nach dernotwendigen Abstimmung mit den Ländern zu ändern.

Dies wird dazu beitragen, bei der Entscheidung über denBau von Wegen für Radfahrerinnen und Radfahrer derVerkehrssicherheit einen angemessenen Stellenwert ein-zuräumen.

Der Blick in die Vergangenheit zeigt aber, dass allein dieNeufassung der Richtlinien ihre strikte Anwendung durchdie Straßenbauverwaltungen aller Länder nicht sicher-stellt. So hat die Änderung der Richtlinien keinen unmit-telbaren Einfluss auf die Praxis der Straßenbauverwaltun-gen, den Bau von gemeinsamen Geh- und Radwegennicht als Ausnahme, sondern als Regellösung zu planen.Die vorgesehene Änderung verhindert auch nicht, dassStraßenbauverwaltungen zunächst Radwege planen undbauen, diese dann als gemeinsame Geh- und Radwegeausweisen und auf diesem Weg dem Bund die Baulast-kosten zu Unrecht anlasten.

Das Bundesministerium muss daher die Straßenbauver-waltungen stärker als bisher, z. B. durch Stichproben,kontrollieren lassen. Ein Abweichen einzelner Straßen-bauverwaltungen von den Richtlinien darf es nicht hin-nehmen. Es muss dafür sorgen, dass die Straßenbauver-waltungen zügig die Altfälle erfassen, in denen der Bundungerechtfertigt die Baulastkosten für gemeinsame Geh-und Radwege trägt. Der Bundesrechnungshof erwartet,dass die Straßenbauverwaltungen sich mit Nachdruck da-für einsetzen, dass in diesen Fällen die Gemeinden dieBaulastkosten übernehmen.

Der Bundesrechnungshof wird weiter beobachten, ob dieMaßnahmen des Bundesministeriums greifen werden.

25 Unzureichende Vorbereitung von Straßenbaumaßnahmen verursacht Mehrausgaben beim Bund in zweistelliger Millionenhöhe(Kapitel 1210)

25.0

Straßenbauverwaltungen der Länder bereiteten Baumaß-nahmen des Bundes nicht mit der gebotenen Sorgfalt vor.Insbesondere nahmen sie vor Baubeginn den Bestandnicht umfassend auf oder erkundeten den Boden nichtausreichend; sie planten die Maßnahmen nicht sorgfältiggenug und vergaben deshalb die Leistungen nur lücken-haft oder zu aufwendig, oder sie legten eine überholteVerkehrsprognose zugrunde. Infolgedessen wurden Um-planungen und zusätzliche Leistungen erforderlich; eskam zu Störungen der vertraglich vereinbarten Bau-abläufe. Dies führte bei den geprüften Großprojekten zuerheblichen Ausgabensteigerungen, unwirtschaftlichenNachtragsvereinbarungen sowie Vergütungen für Leis-tungen, die bei einwandfreier Bauvorbereitung nicht er-forderlich gewesen wären. Insgesamt summierten sich dievermeidbaren Mehrausgaben zu einem hohen zweistelli-gen Millionenbetrag.

Begünstigt wurde die mangelhafte Leistung der Straßen-bauverwaltungen dadurch, dass sie im Wege der Auf-tragsverwaltung für den Bund tätig sind und daher an-dere Interessen verfolgen als der Bund. Hinzu kam, dassdas Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtent-

Drucksache 16/XXXX – 156 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

wicklung die fachliche Qualität der Bauvorbereitungenunzureichend beaufsichtigte.

25.1

25.1.1

Die Länder bauen und betreiben im Auftrag des Bundesdie Bundesfernstraßen. Der Bund, dem die Fachaufsichtobliegt, trägt die Bauausgaben. Die vom Bund gefordertewirtschaftliche und sparsame Baudurchführung setzt vo-raus, dass die Straßenbauverwaltungen der Länder

● die Baumaßnahmen sorgfältig vorbereiten. Dazu ge-hören eine umfassende Bestandsaufnahme und Boden-erkundung sowie eine darauf aufbauende Planung undvollständige Leistungsbeschreibung. Nach einer sorg-fältigen Bauvorbereitung dürften während der Bauaus-führung Planung und Leistungsbeschreibung – wennüberhaupt – nur noch geringfügig geändert oder er-gänzt werden, um ein nach den allgemein anerkanntenRegeln der Technik erstelltes Bauwerk zu erhalten.

● Die erforderlichen Leistungen ordnungsgemäß aus-schreiben und vergeben.

● Die Ausführung der Straßenbaumaßnahmen sorgfäl-tig überwachen.

Das ordnungsgemäße Erbringen der genannten Leistun-gen erfordert einen angemessenen personellen und finan-

ziellen Aufwand bei den Straßenbauverwaltungen. DieLänder haben nach Art. 104a Grundgesetz die bei ihrenStraßenbauverwaltungen entstehenden Verwaltungsaus-gaben zu tragen. Der Bund beteiligt sich an den Zweck-ausgaben, die bei der Entwurfsbearbeitung und Bauauf-sicht entstehen, pauschal mit 3 % der Bauausgaben.Daher haben die Länder erhebliches Interesse, den Auf-wand ihrer Verwaltung so gering wie möglich zu gestalten.

Diesen Zielkonflikt hat der Präsident des Bundesrech-nungshofes als Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeitin der Verwaltung (Bundesbeauftragter) bereits in seinemGutachten vom Oktober 2004 zur Neuordnung der Ver-waltung im Bundesfernstraßenbau dargelegt. Er hat da-rauf hingewiesen, dass die zunehmende Finanznot derLänder dazu führt, dass die Länder immer mehr Personalabbauen werden.

25.1.2

Der Bundesrechnungshof prüfte sieben große Projekteauch hinsichtlich der Qualität der Bauvorbereitung. Da-von waren fünf Projekte privat vorfinanziert.

Die Straßenbauverwaltungen der Länder hatten für diegeprüften sieben Projekte insgesamt Leistungen für rund1,5 Mrd. Euro abgerechnet (s. Tabelle). Zum Zeitpunktder Prüfungen standen noch erhebliche Forderungen derAuftragnehmer im Raum. Entsprechend werden sich dieAbrechnungssummen noch erhöhen.

Ta b e l l e

Baukostensteigerung und Nachtragsvolumen

lfd.Nr.

Bezeichnung der Maßnahme(zuständige Straßenbauverwaltung)

Hauptauftrag NachträgeBisher

abgerechnete Summe

Steigerung gegenüber

Hauptauftrag

in Mio. Euro(Änderung gegenüber Hauptauftrag)

1 A 81, Engelberg-Basistunnel(Baden-Württemberg)

309 89(+ 29 %)

455 146(+ 47 %)

2 B 437, Weserquerung(Niedersachsen)

194 63(+ 33 %)

264 70(+ 36 %)

3 A 44, Rheinquerung Ilverich(Nordrhein-Westfalen)

229 75(+ 33 %)

259 30(+ 13 %)

4 A 17, Dresden–tschechische Grenze(Sachsen)

141 59(+ 42 %)

200 59(+ 42 %)

5 B 2n, Ortsumgehung Farchant (Bayern)

101 38(+ 25 %)

153 52(+ 51 %)

6 B 31, Ortsumgehung Freiburg-Ost(Baden-Württemberg)

112 37(+ 33 %)

135 23(+ 21 %)

7 A 15, Cottbus–Forst(Brandenburg)

60 11(+ 18 %)

72 12(+ 20 %)

Summen 1 146 372(+ 32 %)

1 538 392(+ 34 %)

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 157 – Drucksache 16/XXXX

Der Bundesrechnungshof stellte bei den sieben Großpro-jekten durchgängig Mängel bei der Bauvorbereitung fest.Das folgende Beispiel (lfd. Nr. 4 der Tabelle) zeigt diesbesonders anschaulich:

Im Bereich von Dresden führt die Trasse der AutobahnA 17 durch den Tunnel Dölzschen, quert anschließendauf einer 200 m langen Brücke das Weißeritztal undtaucht dann in den Tunnel Coschütz ein. Die DölzschenerWand, eine Felswand im Weißeritztal, ist rund 60 m hoch,nahezu senkrecht und hängt teilweise über. Der TunnelDölzschen tritt in ungefähr halber Höhe aus dieser Fels-wand heraus (s. Abbildung).

A b b i l d u n g

Autobahn A 17, Blick auf Tunnelportal in der Dölzschener Wand

Foto: Michael Fehlauer, picture pool

Die Straßenbauverwaltung verzichtete in der Planungs-phase auf Horizontalbohrungen in die Dölzschener Wand,da sie schwer zugänglich war. Die Straßenbauverwaltungging davon aus, die Felswand sei mit einfachen Mittelnzu sichern. Als der Tunnelvortrieb die Wand erreichte,machte der Auftragnehmer Bedenken hinsichtlich derStabilität geltend. Die daraufhin vorgenommenen Hori-zontalbohrungen legten nahe, dass das Gebirge hinter derWand stark zerklüftet war. Aufwendige Maßnahmen wieVerankerungen, Injektionen und Steinschlagschutznetzeim Auftragswert von rund 3,3 Mio. Euro wurden notwen-dig.

Die umfangreiche Sicherung der Felswand beeinträch-tigte den vertraglich vereinbarten Bauablauf. Insbeson-dere konnte der Auftragnehmer mit dem Gegenvortriebdes Tunnels Coschütz erst sieben Monate später beginnenals ursprünglich geplant. Wegen des gestörten Bauablaufsmusste die Straßenbauverwaltung ihm rund 3,2 Mio.Euro vergüten. Aufgrund der 7-monatigen Unterbrechungmachte der Auftragnehmer zudem Aufwendungen vonrund 0,5 Mio. Euro für die zusätzliche Einarbeitung sei-ner Vortriebsmannschaft beim Gegenvortrieb im TunnelCoschütz geltend. Da sich die Bauzeit wesentlich verlän-gerte, konnte der Auftragnehmer weitere Forderungenvon rund 7 Mio. Euro wegen gestiegener Löhne und Ma-terialpreise durchsetzen.

Weitere typische Mängel zeigen die folgenden Feststel-lungen:

● Der Dimensionierung des Autobahndreiecks Leonberg(lfd. Nr. 1 der Tabelle) hatte die Straßenbauverwaltungeine überholte Verkehrsprognose mit einer zu geringenVerkehrsmenge zugrunde gelegt. Sie wählte einen – wiesich kurz nach Inbetriebnahme bestätigte – zu kleinenQuerschnitt für die Verbindungsrampe Richtung Mün-chen einschließlich der dazugehörigen Brücken. ImSommer 2005 erweiterte die Straßenbauverwaltungdie Verbindungsrampe für 1,5 Mio. Euro von zwei aufdrei Fahrstreifen, indem sie den Standstreifen in An-spruch nahm. Bei einer Ausführung zusammen mitdem Autobahndreieck hätte der dritte Fahrstreifennach Angaben der Straßenbauverwaltung stattdessen1 Mio. Euro gekostet.

● Bei der Ausschreibung des Tunnels im Zuge derOrtsumgehung Farchant (lfd. Nr. 5 der Tabelle) gingdie Straßenbauverwaltung von vereinzelten Findlin-gen im Bereich der Tunneldecke aus, obwohl nachdem Bodengutachten dort mit vielen Felsblöcken zurechnen war. Bei der Ausführung traf der Auftragneh-mer das 50fache an Findlingen an, als bei der Aus-schreibung angenommen. Deshalb musste die Stra-ßenbauverwaltung nachträglich eine aufwendigeHohlraumsicherung für rund 6 Mio. Euro beauftragen.

● Bei der Planung der Ortsumgehung Freiburg-Ost(lfd. Nr. 6 der Tabelle) hatte die Straßenbauverwaltungdie vorhandenen Ver- und Entsorgungsleitungen nurlückenhaft dokumentiert. Der Auftragnehmer stießbeim Tunnelvortrieb an unerwarteter Stelle auf Leitun-gen. Infolgedessen kam es zu Störungen und Unter-brechungen des Bauablaufes. Der Auftragnehmermachte zusätzliche Aufwendungen mit einem Finanz-volumen von über 26 Mio. Euro geltend. Davon er-kannte die Straßenbauverwaltung bisher rund 5 Mio.Euro unter Vorbehalt an.

Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtent-wicklung (Bundesministerium) genehmigte bei den ge-nannten Großprojekten die Entwürfe vor Einleitung derPlanfeststellungsverfahren, prüfte ansonsten die Qualitätder Bauvorbereitung aber nicht näher.

Eine Straßenbauverwaltung erklärte zu den Feststellun-gen gegenüber dem Bundesrechnungshof, dass durch dieEntscheidung, die Straßenbauvorhaben privat vorfinan-zieren zu lassen, enorme, zuvor nicht planbare Termin-zwänge entstanden seien. Infolge dessen habe sie zweiProjekte unter außergewöhnlichem Zeitdruck planenmüssen und nicht optimal ausschreiben können. Eineweitere Straßenbauverwaltung führte aus, sie habe bei derKomplexität des Projekts nicht alle erforderlichen Leis-tungen planen können.

25.2

Der Bundesrechnungshof hat aufgezeigt, dass die Stra-ßenbauverwaltungen die Baumaßnahmen nicht mit dergebotenen Sorgfalt vorbereiteten. Dem Bund entstanden

Drucksache 16/XXXX – 158 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

durch Umplanungen, hohe Nachtragsvolumen und ge-störte Bauabläufe vermeidbare Mehrausgaben in einemhohen zweistelligen Millionenbetrag.

Hohe Nachtragsvolumen – hier waren es bis zu 42 % derVergabesumme – bewirken grundsätzlich ein höheresPreisniveau, da die Preise für Nachtragsleistungen nichtoder nur bedingt unter Wettbewerbsbedingungen zu-stande kommen. Bei den geprüften Großprojekten dürftendie Mehrkosten einen mittleren zweistelligen Millionen-betrag erreichen. Die Straßenbauverwaltungen vergütetenaber nicht nur zusätzliche, ohnehin erforderliche Leistun-gen, sondern auch solche, die bei einer einwandfreienBauvorbereitung gar nicht erforderlich gewesen wären.Hierzu zählen beispielsweise Ausgaben infolge gestörterBauabläufe. Allein bei der Baumaßnahme Autobahn A 17summierten sich diese Mehrausgaben auf rund 10,7 Mio.Euro, für die der Bund keinen bleibenden Gegenwert er-hielt.

Im Hinblick auf die unterschiedlichen Interessenlagenvon Bund und Ländern verkennt der Bundesrechnungshofnicht, dass der Bund z. B. durch kurzfristige Finanzie-rungsentscheidungen selbst zeitliche Zwänge verursacht.Eine sorgfältige Bauvorbereitung erfordert bei verkürztenPlanungszeiten regelmäßig mehr Aufwand, dem das ver-ständliche Bestreben der Länder entgegensteht, den Ver-waltungsaufwand zu minimieren sowie Personal abzu-bauen. Dies hat bei den geprüften Baumaßnahmen nachAuffassung des Bundesrechnungshofes zu der auch vonden Straßenbauverwaltungen eingeräumten unzureichen-den Bauvorbereitung beigetragen. Die Wahrung des Bun-desinteresses war zudem durch die unzureichende Fach-aufsicht des Bundesministeriums erschwert, da es dieStraßenbauverwaltungen bei diesen Großprojekten ge-währen ließ, ohne sich ein Bild über die Qualität der Bau-vorbereitung zu machen.

Nach den Erfahrungen des Bundesrechnungshofes be-steht gerade bei Großprojekten ein hohes Risiko, dass sieunzureichend vorbereitet werden. Er befürchtet, dass esauch künftig zu vergleichbaren Baukostensteigerungen,erheblichen Nachträgen sowie zu Vergütungen für ge-störte Bauabläufe kommen wird, für die der Bund keinenbleibenden Gegenwert erhält. Insbesondere gilt dies fürStraßenbauprojekte auf der Grundlage einer ÖffentlichPrivaten Partnerschaft (ÖPP-Projekte), deren Bausum-men ausnahmslos dreistellige Millionenbeträge erreichen.Anders als bei den geprüften privat vorfinanzierten Pro-jekten will der Bund bei ÖPP-Projekten nicht nur privatesKapital beteiligen, um staatliche Aufgaben zu erfüllen.Beim Bundesfernstraßenbau vergibt er bei einer Öffent-lich Privaten Partnerschaft neben der Finanzierung unddem Bau auch den zeitlich befristeten Betrieb der Stra-ßen. Es handelt sich um eine langfristig vertraglich gere-gelte Zusammenarbeit zwischen öffentlicher Hand undPrivatwirtschaft. Mangelhafte Leistungsbeschreibungenwürden in diesen Fällen vermeidbare Ausgaben überlange Zeit verursachen, da die Öffentlich Private Partner-schaft bei den vorgesehenen Modellen für einen Zeitraumvon bis zu 30 Jahren bestehen soll.

Der Bundesrechnungshof hat dem Bundesministeriumdaher empfohlen, die Vergabeunterlagen vor der Aus-schreibung eingehender zu prüfen und bei Bedarf zusätz-liche organisatorische Maßnahmen zu treffen.

25.3

Das Bundesministerium hat die erheblichen Mehrkosteneingeräumt. Allerdings könnten die Beanstandungennicht für den gesamten Bundesfernstraßenbau verallge-meinert werden. Es sei nicht Aufgabe des Bundes, Aus-schreibungsunterlagen zu prüfen. Die Länder hätten, so-weit sie nicht zusätzliches Personal dafür einsetzenkönnen, als Ausgleich andere Maßnahmen beziehungs-weise Qualitätssicherungssysteme zu schaffen und anzu-wenden. Das Bundesministerium erwägt eine Gesetzes-änderung, damit der Bund die Länder bei der Umsetzungfinanziell unterstützen kann.

Das Bundesministerium werde im Jahre 2006 in einemModellvorhaben zum Thema Qualitätssicherung ausge-wählte Ausschreibungsunterlagen durch Dritte prüfen las-sen, um zu ermitteln, ob solche Prüfungen zur Qualitäts-steigerung beitragen können.

Für die ÖPP-Projekte stimme das Bundesministerium dieAusschreibungsunterlagen frühzeitig mit den Straßenbau-verwaltungen ab. Dies gelte jedoch im Wesentlichen fürden vertragsrechtlichen Teil. Einzelne Leistungsbeschrei-bungen könne es nur kursorisch prüfen. Insofern werdenach Auffassung des Bundesministeriums die Empfeh-lung des Bundesrechnungshofes, das Handeln der Stra-ßenbauverwaltungen früher zu kontrollieren, bereits um-gesetzt.

25.4

Auch zusätzliche Maßnahmen der Straßenbauverwaltun-gen, wie landesspezifische Qualitätssicherungssystemeund die Einschaltung Dritter für Prüfungen, dienen derunmittelbaren Erfüllung ihrer Aufgaben aus der Auftrags-verwaltung. Im Hinblick auf die vom Bundesministeriumerwogene Gesetzesänderung sieht der Bundesrechnungs-hof daher keinen Anlass für den Bund, landesinterne Auf-wendungen zu übernehmen.

Das Bundesministerium hat im Rahmen seiner Fachauf-sicht auf eine sorgfältige Bauvorbereitung hinzuwirken.Insofern weisen die vorgenannten Maßnahmen der Stra-ßenbauverwaltungen und das Modellvorhaben des Bun-desministeriums in die richtige Richtung. Auch könnte esnoch zu entwickelnde Instrumente, z. B. übergreifendeQualitätssicherungssysteme, einsetzen.

Dies wird allerdings nicht den aufgezeigten Zielkonfliktzwischen dem Interesse des Bundes an einer sorgfältigenBauvorbereitung und dem Interesse der Länder an einerkostengünstigen Auftragsverwaltung dauerhaft lösenkönnen. Schon der Bundesbeauftragte hat in seinem Gut-achten darauf hingewiesen, dass ausgeweitete Informa-tions- und Kontrollsysteme die systembedingten Pro-bleme der Auftragsverwaltung nicht beseitigen. Er hat

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 159 – Drucksache 16/XXXX

vorgeschlagen, der Bund solle die Bundesautobahnen ineigener Verantwortung bauen und betreiben. Der Bundes-rechnungshof hält den Vorschlag des Gutachtens, die Ein-flussbereiche von Bund und Ländern stärker zu trennenund Verantwortung und Aufgaben klarer zuzuordnen, fürgeeignet, auch den hier aufgezeigten Zielkonflikt zu lö-sen.

26 Bund übernimmt finanzielles Risiko der Sanierung pechhaltiger Baustoffe aus Landesstraßen(Kapitel 1210)

26.0

Die Straßenbauverwaltungen der Länder haben in denJahren 1997 bis 2002 insgesamt mehr pechhaltige Stra-ßenbaustoffe in Bundesfernstraßen eingebaut, als sie ausdiesen ausbauten. Der Mehreinbau stammte aus Landes-straßen. Die beim künftigen Wiederausbau dieser um-weltschädlichen Stoffe entstehenden Sanierungskostenvon mehreren Millionen Euro jährlich muss der Bund alsEigentümer der Bundesfernstraßen tragen. Er übernimmtdamit ein erhebliches finanzielles Risiko. Der Bund solltemit den Ländern vereinbaren, dass sie entweder nichtmehr belastete Stoffe in Bundesfernstraßen einbauen alssie aus diesen ausbauen oder dass sie sich angemessenan den Sanierungskosten beteiligen.

26.1

Das Kreislaufwirtschaft- und Abfallgesetz verpflichtetdie öffentliche Hand, den Kreislauf wieder verwertbarerAbfallstoffe zur Schonung der natürlichen Ressourcenund zur Sicherung der umweltverträglichen Beseitigungder Abfälle zu fördern. Daher sind pechhaltige Straßen-baustoffe in erster Linie wieder zu verwerten. Diese Bau-stoffe sind im ausgebauten Zustand gesundheits- und um-weltschädlich.

Pechhaltiges Material wurde bis in die 80er-Jahre imStraßenbau verwendet. Bei Baumaßnahmen an Asphalt-straßen des Bundes und der Länder werden zurzeit jähr-lich 800 000 Tonnen pechhaltige Stoffe ausgebaut, dienach entsprechender Aufbereitung als Recycling-Bau-stoff erneut im Straßenbau verwendet werden können.

Bund und Länder sind für den ordnungsgemäßen Um-gang mit pechhaltigen Baustoffen in ihren jeweiligenStraßen verantwortlich. Die Straßenbauverwaltungen derLänder sind für die Landesstraßen und im Auftrag desBundes auch für den Bau und die Unterhaltung der Bun-desfernstraßen zuständig. Im Umgang mit pechhaltigenStoffen als besonders überwachungsbedürftigem Abfallmüssen sie strenge Auflagen erfüllen. Zudem sind sieverpflichtet, Mengenbilanzen zu erstellen, aus denen er-sichtlich sein muss, wie viele Tonnen pechhaltiger Stra-ßenbaustoffe sie jährlich ausbauen und wo diese verblei-ben. Die jährlichen Ausgaben des Bundes und der Länderfür die Verwertung der pechhaltigen Straßenausbaustoffe,

d. h. für deren Ausbau, Lagerung, Aufbereitung und Wie-dereinbau, liegen geschätzt bei etwa 48 Mio. Euro.

Der Bundesrechnungshof hat den Umgang der Straßen-bauverwaltungen mit pechhaltigen Baustoffen bei Stra-ßenbaumaßnahmen des Bundes geprüft.

Er hat festgestellt, dass die überwiegende Zahl der Stra-ßenbauverwaltungen die Mengenbilanzen nicht in dervorgeschriebenen Weise führten. Sie wussten nicht, wieviel pechhaltiges Material sie jährlich aus Bundesfern-straßen aus- und wie viel sie wieder eingebaut haben. So-weit Unterlagen vorlagen, waren die Angaben über dieMengen der pechhaltigen Stoffe und deren Herkunft zumTeil fehlerhaft. Der Bundesrechnungshof hat Abweichun-gen von bis zu 30 000 Tonnen festgestellt. Die Straßen-bauverwaltungen einiger Länder haben bei der Prüfungangekündigt, ein spezielles Management für die pechhal-tigen Straßenausbaustoffe aufzubauen, um die problema-tische Situation im Umgang mit diesem Material zu lösen.

● Die Straßenbauverwaltungen bauten in den geprüftenJahren zwischen 1997 und 2002 mehr pechhaltigeStraßenbaustoffe in Bundesfernstraßen ein, als sie ausdiesen ausbauten. Der genaue Umfang des Mehrein-baus lässt sich nachträglich nicht mehr ermitteln. Beieinem künftigen Wiederausbau im Zuge einer Grund-sanierung gilt das pechhaltige Material erneut als be-sonders überwachungsbedürftiger Baustoff. Dannträgt der Bund die finanziellen Lasten für die umwelt-gerechte Aufbereitung des Materials, auch wenn es ur-sprünglich aus Landesstraßen stammt. Mit dem Wie-dereinbau verlieren die Länder die Verantwortung inder Abfallkette, denn beim erneuten Ausbau ist derje-nige zuständig, dem die Straße gehört. Es bestehenkeine Regelungen zwischen Bund und Ländern übereinen Ausgleich der künftigen finanziellen Lasten.Dem Bund entsteht so durch den Mehreinbau ein Sa-nierungsrisiko von mehreren Millionen Euro jährlich.

● In einem Land baute die Straßenbauverwaltung rund25 000 Tonnen pechhaltigen Materials aus Landesstra-ßen in Bundesfernstraßen ein. Dabei verlagerte sieKosten für die Aufbereitung von etwa 1 Mio. Euro,die das Land hätte tragen müssen, auf den Bund.

Um die Umwelt nicht zu gefährden, müssen pechhaltigeStoffe bei der Lagerung aufwendig gesichert werden. Ineinem Fall lagerte ein Unternehmen im Auftrag der Stra-ßenbauverwaltung rund 90 000 Tonnen pechhaltige Stra-ßenausbaustoffe aus Bundesfernstraßen in den Jahren1997 bis 2004 zwischen. Es lagerte das Material nur teil-weise provisorisch abgedeckt im Freien auf ungesicher-tem Grund und fing das Sickerwasser nicht auf. Damitverstieß das Unternehmen gegen die vertragliche Ver-pflichtung, das Material umweltgerecht zu lagern. DieStraßenbauverwaltung vergütete die Zwischenlagerungungekürzt mit 3,6 Mio. Euro aus Bundesmitteln.

26.2

Der Bundesrechnungshof hat wegen der hohen Kostenbeim Umgang mit pechhaltigen Stoffen gefordert, dass

Drucksache 16/XXXX – 160 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Bund und Länder grundsätzlich die aus ihren Straßenstammenden pechhaltigen Baustoffe in ihre eigenen Stra-ßen wiedereinbauen oder entsorgen sollten. Damit wäreeine Benachteiligung des Bundes ausgeschlossen. Wenndie Beteiligten diesen Grundsatz nicht einhalten können,der Bund also mehr pechhaltige Baustoffe von den Län-dern übernimmt als diese ihm abnehmen, hat der Bundes-rechnungshof empfohlen, dass die Länder das durch dieÜbernahme pechhaltiger Straßenbaustoffe entstehendeSanierungsrisiko durch Einmalzahlungen ausgleichen.

Um zu gewährleisten, dass Bund und Länder so weitmöglich pechhaltige Straßenbaustoffe in ihren eigenenStraßen wieder einbauen, hat der Bundesrechnungshofden Straßenbauverwaltungen empfohlen, die Mengenbi-lanzen differenziert nach Bundesfernstraßen und Landes-straßen zu führen.

Der Bundesrechnungshof hat es für nicht zulässig gehal-ten, dass der Bund die Aufbereitungskosten in Höhe von1 Mio. Euro für die aus einer Landesstraße ausgebauten25 000 Tonnen pechhaltigen Materials übernommen hat.Er hat zudem die Straßenbauverwaltung, die die pechhal-tigen Baustoffe nicht umweltgerecht lagern ließ, aufge-fordert zu prüfen, inwieweit die Zahlungen an das mit derLagerung beauftragte Unternehmen gekürzt werden kön-nen.

26.3

Das Bundesministerium hat anerkannt, dass die Angabender Straßenbauverwaltungen der Länder über den Aus-und Einbau pechhaltiger Stoffe in den Bundesfernstraßenmangelhaft und deren wirtschaftliche Folgen unbefriedi-gend sind. Es hielt es für wünschenswert, dass die Stra-ßenbauverwaltungen detaillierte Mengenbilanzen führen,mit denen die Herkunft des pechhaltigen Materials undinsbesondere der Ort der Wiederverwertung eindeutigidentifiziert und ein Mehreinbau von Material von ande-ren Baulastträgern vermieden werden könne. Welcherfinanzielle Ausgleich für den Mehreinbau in Bundesstra-ßen angemessen sei, müsse noch untersucht werden. DasBundesministerium hat zugesagt, Einzelheiten über dasweitere Vorgehen mit den Ländern zu erörtern, sobald de-ren Stellungnahme zu den Prüfungsfeststellungen desBundesrechnungshofes vorliegt.

Das Land, das die Kosten von 1 Mio. Euro für die Aufbe-reitung pechhaltigen Materials aus seiner Landesstraßeauf den Bund verlagert hatte, hat zugesagt, dem Bund die-sen Betrag zu erstatten. Zur nicht ordnungsgemäßen La-gerung räumte die zuständige Straßenbauverwaltungzwar ein, dass die Lagerung nicht sachgerecht gewesensei. Zur Frage einer Leistungskürzung äußerte sie sichaber nicht.

26.4

Das Bundesministerium und die Länder haben sich nochnicht geeinigt, wie sie zukünftig Kosten der Sanierungpechhaltiger Straßenbaustoffe aufteilen werden. Da diejetzige Verteilung der Sanierungsrisiken für den Bund

eher nachteilig und für die Länder eher vorteilhaft ist,liegt eine schnelle Klärung im Interesse des Bundes. DasBundesministerium muss mit deutlichem Nachdruck da-für sorgen, dass eine schnelle Verständigung mit den Län-dern zustande kommt. Zur Vorbereitung der Verhandlun-gen mit den Ländern muss das Bundesministerium zügigklären, wie hoch der finanzielle Ausgleich sein muss, umdas Sanierungsrisiko abzudecken.

Aus Sicht des Bundesrechnungshofes ist es notwendig,dass die Straßenbauverwaltungen umgehend beginnen, inden Mengenbilanzen nach Ein- und Ausbau bei Bundes-fern- und bei Landesstraßen zu differenzieren. Dazu soll-ten sich Bund und Länder auf möglichst bundesweit gel-tende und einheitliche Vorgaben verständigen.

Zudem fordert der Bundesrechnungshof das Bundes-ministerium auf darauf hinzuwirken, dass die Straßen-bauverwaltungen auf den umweltgerechten Umgang mitpechhaltigen Baustoffen achten. Die Verträge sollten sieso gestalten, dass den Unternehmen, die gegen die ent-sprechenden Umweltschutzvorschriften verstoßen, dieVergütung angemessen gekürzt wird.

Der Bundesrechnungshof wird die Angelegenheit weiterbeobachten.

27 Wasser- und Schifffahrtsdirektionen erstatten dem Lotsbetriebsverein ungerechtfertigt Personalkosten

27.0

Die Wasser- und Schifffahrtsdirektionen Nord und Nord-west haben dem Lotsbetriebsverein unter Verstoß gegenhaushaltsrechtliche Vorschriften die gesamten Personal-kosten erstattet. Der Lotsbetriebsverein zahlte tarifwidrigÜberstundenvergütung für bis zu 606 Überstunden proMann und Jahr (im Einzelfall bis zu 7 300 Euro), Unter-besetzungsvergütung sowie Verpflegungsgelder. Der Bun-desrechnungshof hat angemahnt, nur noch tariflich be-gründete Leistungen zu erstatten, die Zahlungen an denVerein an den Tarifverträgen für die deutsche Seefahrt zuorientieren oder eine vollständige Privatisierung anzu-streben.

27.1

27.1.1

Der Bund hat das Lotswesen an den Küsten der altenBundesländer der Bundeslotsenkammer übertragen. DieKammer hat den Lotsbetriebsverein e. V. (LBV) mit Zu-stimmung der Aufsichtsbehörden mit der Unterhaltungund dem Betrieb der Lotseinrichtungen beauftragt. DerVerein unterliegt der Rechts- und Fachaufsicht der Was-ser- und Schifffahrtsdirektionen Nord und Nordwest. Erverfügt über keine eigenen finanziellen Mittel. SeinenFinanzbedarf deckt er vollständig aus Bundesmitteln, dieihm auf Grundlage eines Wirtschaftsplans als Auf-wendungsersatz von den Aufsichtsbehörden zugewiesen

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 161 – Drucksache 16/XXXX

werden. Für den Betrieb und die Unterhaltung der Lots-einrichtungen erhebt der Bund zweckgebundene Lotsab-gaben von der Seewirtschaft.

Zur Bewirtschaftung und Verwendung der Haushaltsmit-tel hat das Bundesministerium für Verkehr, Bau undStadtentwicklung (Bundesministerium) „Besondere Be-wirtschaftungsgrundsätze“ in Kraft gesetzt, die den Ver-ein wie einen institutionellen Zuwendungsempfänger be-handeln. Der Verein besitzt als juristische Person desprivaten Rechts Tarifhoheit.

Der Bundesrechnungshof hatte die Anwendung des Tarif-rechts durch den Verein bereits im Jahre 1999 geprüft undin seinen Bemerkungen 2002 darüber berichtet. Er hattefestgestellt, dass die vom Verein abgeschlossenen Hausta-rifverträge höhere Leistungen als die Tarifverträge für diedeutsche Seefahrt und die Tarifverträge des öffentlichenDienstes gewähren. Der Verein zahlte dem Schiffsperso-nal der Lotsfahrzeuge tarifwidrig pauschalierte Überstun-denvergütungen, denen keine entsprechende Mehrarbeitzugrunde lag. Der Bundesrechnungshof hatte beanstan-det, dass der Verein sein Schiffspersonal besser stellte alsvergleichbare Bundesbedienstete. Er hatte auf die haus-haltsrechtlich und tarifrechtlich nicht zulässigen Vergü-tungen für nicht geleistete Überstunden und die sich da-raus ergebenden Erstattungen hingewiesen. Zusätzlichhatte er die unzureichende Aufsicht über die Wirtschafts-führung des Vereins bemängelt.

Der Rechnungsprüfungsausschuss des Haushaltsausschus-ses des Deutschen Bundestages (Rechnungsprüfungsaus-schuss) hatte die Bemerkung zustimmend zur Kenntnis ge-nommen und das Bundesministerium im Jahre 2003aufgefordert (Bundestagsdrucksache 15/1262 Nr. 47), beikünftigen Tarifverträgen auf eine zeitgemäße Abgeltungder Überstunden hinzuwirken.

27.1.2

Das Prüfungsamt des Bundes Hamburg (Prüfungsamt)hat im Jahre 2005 überprüft, ob das Bundesministeriumden Beschluss des Rechnungsprüfungsausschusses umge-setzt hat. Das Prüfungsamt hat festgestellt, dass weder dasBundesministerium noch die Wasser- und Schifffahrts-direktionen Nord und Nordwest Hinweise für die Tarif-verhandlungen gegeben haben. Die Haustarifverträge fürdas Schiffspersonal werden weiterhin angewendet. DieseVerträge stellen das Personal des Vereins erheblich besserals vergleichbare Beschäftigte in der deutschen Seefahrtund Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes. Zudem er-statten die Aufsichtsbehörden vollständig nach wie vordie vom Verein tarifwidrig vorgenommenen Abrechnun-gen von Überstunden (bis zu 606 Überstunden pro Mannund Jahr – im Einzelfall bis zu 7 300 Euro) sowie die Ver-gütungen für Unterbesetzung und die Verpflegungsgelder.

27.2

Der Bundesrechnungshof hat beanstandet, dass die Auf-sichtsbehörden den Beschluss des Rechnungsprüfungs-ausschusses nicht umgesetzt haben und der Verein sein

Schiffspersonal weiterhin erheblich besser stellt als ver-gleichbare Beschäftigte in der deutschen Seefahrt und Ar-beitnehmer des öffentlichen Dienstes. Dies ist dem Vereinnicht gestattet, da er vom Bund seine Aufwendungen er-setzt erhält und nach den „Besonderen Bewirtschaftungs-grundsätzen“ dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit undSparsamkeit sowie dem so genannten Besserstellungsver-bot unterliegt.

Das Bundesministerium und die Wasser- und Schiff-fahrtsdirektionen haben trotz Kenntnis der fehlerhaftenAnwendungen der tariflichen und gesetzlichen Bestim-mungen durch den Verein und der Aufforderung durchden Rechnungsprüfungsausschuss keine nachhaltigenAnstrengungen unternommen, die Situation zu verändern.Der LBV kann für sich günstige Tarifverträge abschlie-ßen, während der Bund die damit verbundenen finanziel-len Auswirkungen trägt.

Der Bundesrechnungshof hat kritisiert, dass die Übertra-gung von Bundesaufgaben auf einen tariffähigen Vereinohne gleichzeitigen Übergang der Arbeitgeber- und Kos-tenverantwortung, ein erhebliches finanzielles Risiko fürden Bund birgt.

Er hat angeregt, rechtliche Voraussetzungen zu schaffen,die Anreize für wirtschaftliches Handeln bieten oder demLBV das unternehmerische Risiko zu übertragen bzw.eine vollständige Privatisierung anzustreben. Kurzfristigsollten die Personalkostenerstattungen an den Verein bei-spielsweise gesetzlich durch die Tarifverträge für diedeutsche Seefahrt (Manteltarifvertrag und Heuertarifver-trag für die deutsche Seefahrt) begrenzt werden.

27.3

Die Wasser- und Schifffahrtsdirektionen Nord und Nord-west haben in ihrer gemeinsamen Stellungnahme ausge-führt, eine Einflussnahme auf die Tarifverträge des LBVsei in der Vergangenheit wegen der gewerkschaftlichenBerufung auf die Tarifautonomie gescheitert.

Durch die jetzt beabsichtigte Übernahme des Schleppta-rifs des VDR (Verband Deutscher Reeder) mit wenigenlotsspezifischen Besonderheiten werde erwartet, dass sichdie Beanstandungen erledigen. So werde die pauschaleAbgeltung von Überstunden durch den neuen Tarifvertragobsolet. Die bisherige Praxis der Überstundenvergütungwerde aber noch einmal kritisch hinterfragt. Die Hin-weise zur Zahlung von Unterbesetzungsvergütung undVerpflegungsgeld würden nunmehr umgesetzt.

Vor- und Nachteile einer privatwirtschaftlichen Träger-schaft der dem LBV übertragenen Aufgaben würden der-zeit ergänzend geprüft.

Das Bundesministerium hat keine Stellungnahme abgege-ben.

27.4

Der Bundesrechnungshof bleibt bei seiner Auffassung,dass dem so genannten Besserstellungsverbot am wir-

Drucksache 16/XXXX – 162 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

kungsvollsten Geltung verschafft werden kann, wenn dieErstattungen der Personalkosten an den Verein gesetzlichdurch die Tarifverträge für die deutsche Seefahrt begrenztwerden. Das Bundesministerium sollte die Haftungsfrageklären, da trotz der Aufforderung durch den Rechnungs-prüfungsausschuss und in Kenntnis der fehlerhaftenAnwendungen der tariflichen und gesetzlichen Bestim-mungen die Wasser- und Schifffahrtsdirektionen keinenachhaltigen Anstrengungen unternommen haben, um dieTarifverträge anzupassen.

Darüber hinaus regt der Bundesrechnungshof an, die voll-ständige Privatisierung des Lotsbetriebsvereins zu unter-suchen, um durch den Übergang der Arbeitgeber- undKostenverantwortung das finanzielle Risiko für den Bundzu verringern.

28 Erfolg eines teuren IT-Projektes fünf Jahre nach Beginn fraglich(Kapitel 1203)

28.0

Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtent-wicklung hat mehr als fünf Jahre lang kostenintensiv,aber weitgehend ergebnislos an einem Projekt zurOnline-Erfassung und -Abrechnung von Abgaben für dieBinnenschifffahrt arbeiten lassen. Allein für Sitzungenund Reisen sind mehr als 150 000 Euro an Kosten ent-standen. Die wesentlichen Inhalte dieses Projektes will esnunmehr zusammen mit einem neuen IT-Projekt verwirk-lichen lassen, ohne dessen Wirtschaftlichkeit geprüft zuhaben.

28.1

Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtent-wicklung (Bundesministerium) sagte Anfang des Jahres2000 den Schifffahrtsverbänden zu, den Binnenschiffernein einfach zu handhabendes IT-Verfahren zur Erhebungund Abrechnung von Schifffahrtsabgaben über das Inter-net zur Verfügung zu stellen. Das Bundesministerium er-wartete von dem geplanten IT-Projekt einen hohen volks-wirtschaftlichen Nutzen und wollte dafür etwa 1,4 Mio.Euro bereitstellen. Es beauftragte die Wasser- und Schiff-fahrtsverwaltung (WSV), bis zum Ende des Jahres 2000die Anforderungen an die zu entwickelnde Software zudefinieren. Das IT-Projekt sollte im Jahre 2003 abge-schlossen sein und im Einzelnen

● die Online-Tarifauskunft,

● den automatisierten Datenaustausch mit den Schleusen,

● die Online-Erfassung der Schifffahrtsabgaben und

● die elektronische Übermittlung der Abgabenbescheide

ermöglichen. Die Bundesregierung nahm es in ihre eGo-vernment-Initiative „BundOnline 2005“ auf. In seinerFunktion als Auftraggeber übernahm das Bundesministe-rium die Leitung einer eigens eingerichteten Projektlen-kungsgruppe, die über die weitere Planung entscheiden,

den Projektfortschritt verfolgen sowie Planungsabwei-chungen genehmigen sollte.

Der Bundesrechnungshof stellte fest, dass bis Ende desJahres 2003 bundesweit insgesamt 30 Projektsitzungender WSV mehr als 150 000 Euro Kosten verursachten; eswaren mehr als 70 % des für das gesamte Projekt geplan-ten Personalaufwands sowie mehr als 50 % des geplantenReisekosten-Budgets verbraucht. Bis dahin war es aller-dings nicht gelungen, auch nur die schon für Ende desJahres 2000 geplante Definition der Anforderungen andie Software abzuschließen.

Ende des Jahres 2005 entschied das Bundesministerium,das eGovernment-Projekt zu beenden. Es sollte mit einemanderen IT-Projekt zusammengelegt und der WSV in al-leiniger Verantwortung übertragen werden. Das Bundes-ministerium hatte bis zu diesem Zeitpunkt weder denErfolg und die Wirtschaftlichkeit des beendeten IT-Pro-jektes kontrolliert, noch untersuchte es die Wirtschaftlich-keit des neuen IT-Projektes.

28.2

Der Bundesrechnungshof hat bemängelt, dass das Bun-desministerium das IT-Projekt trotz des von ihm selbst fürdie Binnenschifffahrt hoch eingeschätzten Nutzens unzu-länglich gesteuert und die Projektfortschritte nicht über-wacht hat. Das Bundesministerium hat es auch drei Jahrespäter als vorgesehen nicht geschafft, die Anforderungenfür das IT-Projekt festlegen zu lassen. Darüber hinaus hates gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen, indemes bei kaum messbarem Projektfortschritt 30 Projektgrup-pensitzungen mit hohen Personal- und Sachkosten zuge-lassen hat.

Trotz seiner Projektverantwortung hat das Bundesminis-terium den Erfolg des mehrjährigen IT-Projektes nicht be-gleitend kontrolliert. Es ist außerstande gewesen zu beur-teilen, ob und gegebenenfalls wie das IT-Projektwirtschaftlich hätte fortgesetzt werden können.

Der Bundesrechnungshof hat außerdem die Entscheidungdes Bundesministeriums beanstandet, das bis dahin er-folglose IT-Projekt fortzuführen und mit einem anderenIT-Projekt der WSV zusammenzulegen, ohne dessenWirtschaftlichkeit untersucht zu haben.

28.3

Das Bundesministerium hat entgegnet, der Fortgang desIT-Projektes habe sich verzögert, weil es die bisherigeKonzeption mit dem Verfahren zur Erhebung der LKW-Maut und mit der Initiative „BundOnline 2005“ habe ab-stimmen müssen. Auch seien inzwischen neue europäi-sche Rechtsvorschriften und Standards zu berücksichti-gen gewesen. Als Ergebnis der bisherigen Arbeiten sei imJahre 2006 für die Online-Tarifauskunft „der Probe-betrieb … gestartet“ worden.

Das Bundesministerium hat ferner mitgeteilt, es sehe indem IT-Projekt auch weiterhin einen sehr hohen Nutzenfür die Schifffahrt. Es wolle daher die wesentlichen Pro-jektinhalte mit denen eines zweiten IT-Projektes kom-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 163 – Drucksache 16/XXXX

binieren und dabei Synergieeffekte realisieren. Es sehedarüber hinaus auch bei der WSV erhebliche Einspar-potenziale. Die eGovernment-Dienstleistung habe eine„Schlüsselstellung“, die u. a. eine einfachere Abgaben-erhebung, eine sicherere Verkehrsabwicklung sowie einebessere Auslastung ermöglichten. Daher sei das IT-Pro-jekt für alle Beteiligten von großem Vorteil.

Eine Wirtschaftlichkeitsuntersuchung für das neue IT-Vorhaben wolle das Bundesministerium aufgrund derForderung des Bundesrechnungshofes noch erstellen.

28.4

Die Kritik, bei dem IT-Projekt seine Steuerungsaufgabenvernachlässigt und zu hohe Personal- und Sachkostenohne entsprechende Ergebnisse zugelassen zu haben,kann das Bundesministerium nicht entkräften. Hätte dasIT-Projekt tatsächlich eine so hohe Bedeutung im Rah-men der eGovernment-Initiative „BundOnline 2005“ undso große wirtschaftliche Vorteile für die Binnenschifferund die WSV, wie das Bundesministerium behauptet,dann hätte es umso bestimmter die mit dem IT-Projektverbundenen Ziele nachhalten und die Entwicklungsar-beiten vorantreiben müssen. Stattdessen hat es das Pro-jekt nahezu ohne eigene Steuerungsleistungen fast sechsJahre nach seinem Beginn beendet und die Verwirkli-chung der wesentlichen, aber immer noch nicht erreichten

Projektinhalte einem neuen Vorhaben der WSV übertra-gen. Von der Vielzahl der von dem Projekt erwartetenLeistungen kann lediglich die Online-Tarifauskunft, aberauch diese erst im Probebetrieb, genutzt werden.

Die erhebliche Verzögerung des IT-Projektes und die da-mit verbundenen vermeidbaren Personal- und Sachkostenkönnen auch nicht überwiegend mit den nach Ansicht desBundesministeriums von ihm nicht beeinflussbaren Fak-toren wie Abstimmung mit dem LKW-Maut-Erhebungs-verfahren oder „BundOnline 2005“ sowie Änderungenvon Rechtsvorschriften und Standards begründet werden.Vor deren Hintergrund und der vom Bundesministeriumbestätigten strategischen und politischen Bedeutung des„BundOnline 2005“-Projektes hätte es steuernd eingrei-fen und insbesondere auf eine zielgerichtete Projektarbeithinwirken müssen. Ferner hätte es die Wirtschaftlichkeitdes IT-Projektes in Form einer begleitenden Erfolgskon-trolle prüfen und auf dieser Grundlage frühzeitig überdessen Fortführung entscheiden müssen.

Insgesamt sollte das Bundesministerium von ihm als be-deutsam angesehene IT-Projekte künftig aktiver steuern.In seinem Geschäftsbereich sollte es IT-Projekte mittelswirksamer Controllinginstrumente und insbesonderedurch Erfolgskontrollen begleiten. Delegiert es Projekt-arbeiten auf den nachgeordneten Bereich, hat es seineFachaufsicht effizient auszuüben und darauf hinzuwirken,dass die IT-Projekte wirtschaftlich umgesetzt werden.

Bundesministerium der Verteidigung(Einzelplan 14)

29 Neueinstellungen zum gehobenen Bundesministerium seinen Bedarf an Nachwuchskräften

Verwaltungsdienst übersteigen den Bedarf (Kapitel 1404)

29.0

Das Bundesministerium der Verteidigung hat in den Jah-ren 2005 und 2006 für die Laufbahn des gehobenen nicht-technischen Verwaltungsdienstes insgesamt 113 Nach-wuchskräfte über seinen Bedarf hinaus eingestellt. Überdie gesamte Ausbildungszeit entstehen dadurch Mehraus-gaben in Höhe von rund 6,3 Mio. Euro.

29.1

Der Bundesminister der Verteidigung ordnete im Jahre2003 an, den Umfang des zivilen Personals der Bundes-wehr bis zum Jahre 2010 auf 75 000 Dienstposten zu-rückzuführen. Gegenüber dem Stand des Jahres 2005 be-deutet dies eine Kürzung um rund ein Drittel.

Der Bundesrechnungshof prüfte, inwieweit das Bundes-ministerium der Verteidigung (Bundesministerium) diebeschlossenen Personalkürzungen bei seinen Planungenberücksichtigte. Dazu untersuchte er beispielhaft, wie das

für die Laufbahn des gehobenen nichttechnischen Ver-waltungsdienstes bestimmte.

Für die Jahre 2005 und 2006 betrachtete das Bundesmi-nisterium zwei unterschiedliche Annahmen zum künfti-gen Personalumfang:

Annahme 1: Die Zahl der Beamtinnen und Beamten desgehobenen nichttechnischen Dienstes bleibt nahezu un-verändert.

Annahme 2: Alle Laufbahngruppen werden gleicherma-ßen von den Kürzungen betroffen.

Die Annahme 1 ging von der Konzeption „Zielstruktur2006“ aus. Diese berücksichtigte die für das Jahr 2010 an-gestrebten umfangreichen Personalkürzungen noch nicht.Auf diese Weise errechnete das Bundesministerium fürdie Jahre 2005 und 2006 einen Bedarf von 1 308 bzw.1 078 Nachwuchskräften. Gemäß Annahme 2 ergab sichein Bedarf von 50 (2005) bzw. 97 (2006) Einstellungen.Das Bundesministerium stellte schließlich in beiden Jah-ren ohne nähere Begründung jeweils 130 Nachwuchs-kräfte ein. In den Jahren 2005 und 2006 überschritt es da-mit den die Personalreduzierungen berücksichtigendenBedarf um insgesamt 113 Nachwuchskräfte.

Drucksache 16/XXXX – 164 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

29.2

Der Bundesrechnungshof hat darauf hingewiesen, dassdiese Einstellungen nicht bedarfsgerecht sind und zuMehrausgaben führen. Bezogen auf die gesamte Ausbil-dungsdauer der Anwärterinnen und Anwärter addierensich diese auf insgesamt rund 6,3 Mio. Euro.

Der Bundesrechnungshof hat daher angemahnt, die be-reits beschlossenen Personalreduzierungen zu berück-sichtigen und auf dieser Grundlage bedarfsorientiert ein-zustellen.

29.3

Das Bundesministerium hat erklärt, dass zum Zeitpunktder Berechnung der Einstellungsquoten „die organisatori-sche Feinausplanung“ des Zielumfangs von 75 000 Dienst-posten noch nicht vorgelegen habe. Es sei daher nicht be-kannt gewesen, in welchem Maße die verschiedenenLaufbahnen von den Kürzungen betroffen seien.

Aus verschiedenen Gründen habe es bewusst mehr Perso-nal für die Ausbildung eingestellt, als sich bei der An-nahme gleichmäßiger Kürzungen ergeben hätten. AlsGründe hierfür benannte es:

● Bei früheren Personalkürzungen sei der gehobenenichttechnische Dienst jeweils nur unterproportionalgekürzt worden. Dies sei daher auch für die aktuellePersonalkürzung anzunehmen.

● Nach Auffassung des Bundesministeriums werdenkünftig mehr ausgebildete Anwärterinnen und Anwär-ter zu anderen Verwaltungen wechseln.

● Im Hinblick auf künftig möglicherweise wieder hö-here Anwärterzahlen habe es starke Schwankungen inden Ausbildungsquoten vermeiden wollen, da Infra-struktur und Personal der Ausbildungseinrichtungennicht sehr flexibel seien.

Im Übrigen halte es eine Übernahme des ausgebildetenPersonals für möglich, da aktuelle Berechnungen für dasJahr 2007 zeigten, dass die für die Jahre 2005 und 2006getroffenen Annahmen richtig gewesen seien.

29.4

Die „organisatorische Feinausplanung“ zu den beschlos-senen Personalreduzierungen mit konkreten Angabenzum künftigen Umfang der Laufbahngruppen liegt nochnicht vor. Um dennoch die nach den Grundsätzen derWirtschaftlichkeit und Sparsamkeit geforderte bestmögli-che Haushaltsvorsorge treffen zu können, ist die Einstel-lungsquote konservativ zu veranschlagen. Das Bundesmi-nisterium darf daher nur den geringsten zu erwartendenBedarf decken und diesen nicht anhand von Annahmenvergrößern. Dies gilt im Übrigen auch für den vom Bun-desministerium berechneten Bedarf für das Jahr 2007.Diese Kalkulation kann also nicht dazu dienen, frühereAnnahmen als zutreffend zu bezeichnen.

Auch die weiteren Gründe, die das Bundesministeriumanführt, beruhen auf Mutmaßungen:

● Der Anteil einer bestimmten Laufbahn an früherenStellenkürzungen ist kein belastbares Argument fürderen künftige Entwicklung. Grundsätzlich ist aucheine überproportionale Kürzung im gehobenen Dienstdenkbar. Der tatsächliche Bedarf würde sich in diesemFall noch unterhalb der vom Bundesministerium er-mittelten Bedarfsspanne bewegen.

● Wegen der schwierigen Lage der öffentlichen Haus-halte insgesamt dürfte ein Wechsel der über den Be-darf ausgebildeten Anwärterinnen und Anwärter zuanderen Verwaltungen kaum möglich sein.

● Das Vorgehen des Bundesministeriums, die vorhande-nen Ausbildungskapazitäten wegen eines möglichenkünftigen Anstiegs der Anwärterzahlen auszulasten,ist nicht sachgerecht. Es beachtet nicht die Grundsatz-entscheidung zur Verkleinerung der Bundeswehr undverkennt die Situation des Bundeshaushaltes. Stattdes-sen sollte das Bundesministerium prüfen, inwieweitnicht mehr ausgelastete Einrichtungen geschlossenwerden können.

30 Sanierung belasteter Böden auf dem Truppenübungsplatz Munster-Nord unwirtschaftlich und umwelt-gefährdend(Kapitel 1404, 1412 und 0813)

30.0

Der Boden des Truppenübungsplatzes Munster-Nord istdurch Kampfstoffe belastet. Die Bundeswehr plante, be-lastetes Erdreich in einer speziellen Verbrennungsanlagedurch sehr hohe Temperaturen unschädlich zu machen.Obwohl die Planungen für diese Anlage vor mehr als20 Jahren begannen und die Bundeswehr inzwischenmehr als 116 Mio. Euro ausgegeben hat, gibt es nochkeine Betriebsgenehmigung für die Anlage. Der Bundes-wehr fehlt auch ein Gesamtkonzept zur Behandlung derbelasteten Böden. Insbesondere hat sie nicht hinreichendgeprüft, ob andere Verfahren kostengünstiger und um-weltverträglicher sind.

30.1

Der 102 km2 große Truppenübungsplatz Munster-Nordist mit Kampfmitteln aus beiden Weltkriegen belastet. ImErdreich befinden sich Bomben, Granaten und andereMunition, die teilweise chemische Kampfstoffe enthalten.Hinsichtlich der Belastung der Böden und ihrer Beseiti-gung ist grundsätzlich zu unterscheiden in:

● Räumung und Beseitigung von Kampfmitteln.

● Behandlung von vergiftetem Erdreich.

Die Bundeswehr hat die auf dem Truppenübungsplatz be-findlichen Kampfmittel bis auf Restflächen von wenigenQuadratkilometern geräumt. Die geräumten Kampfmittel

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 165 – Drucksache 16/XXXX

lagern entweder noch in Bunkern oder wurden bereits ineiner seit dem Jahre 1980 betriebenen Verbrennungsan-lage vernichtet.

Durch Korrosion und andere Ursachen sind in denKampfmitteln enthaltene Chemikalien in den Boden ein-gedrungen. Der Truppenübungsplatz ist daher vor allemmit Arsen großflächig vergiftet. Auf etwa 2 km2 desTruppenübungsplatzes ist die Arsenbelastung als kritischzu bezeichnen. Würde der Boden auf dieser Fläche abge-tragen, wären rund 1,5 Millionen Tonnen belastetes Erd-reich zu behandeln.

Wegen früherer Baumaßnahmen hatte die Bundeswehrauf den dafür benötigten Flächen bereits 50 000 Tonnenbelastete Erde abgetragen. Diese lagert – zum überwie-genden Teil seit mehr als 25 Jahren – in Kunststoffbehäl-tern auf dem Truppenübungsplatz.

Belastetes Erdreich wollte die Bundeswehr in einem sogenannten Plasma-Ofen bei Temperaturen von 15 000Grad bis 20 000 Grad verglasen, um es unschädlich zumachen. Der Plasma-Ofen ist die zentrale Komponenteeiner Gesamtanlage, die auch eine Komponente zur Bo-denwäsche umfasst. Mit den Planungen für die Anlagebegann das Bundesministerium der Verteidigung (Bun-desministerium) im Jahre 1985. Die Anlage befindet sichseit dem Jahre 1994 im Bau und sollte im Jahre 1998 denBetrieb aufnehmen. Eine abschließende Betriebsgeneh-migung liegt noch nicht vor. Bis zu Beginn des Jahres2005 waren Ausgaben von mehr als 116 Mio. Euro ange-fallen. Durch noch anstehende Arbeiten wachsen dieKosten weiter an. Die geplante Jahreskapazität der An-lage beträgt rund 7 500 Tonnen.

Auf dem Gelände der ehemaligen Munitionsfabrik Hall-schlag in der Eifel liegt eine mit Munster-Nord vergleich-bar belastete Fläche. Dort wurde festgestellt, dass die füreine Sanierung notwendigen Erdarbeiten in erheblichemUmfang Chemikalien freisetzen und in das Grundwasserbefördern. Das Land Rheinland-Pfalz hat daher inzwi-schen davon abgesehen, den vergifteten Boden großflä-chig abzutragen und zu sanieren. Stattdessen werden diebelasteten Flächen gesichert. Dazu wird der Boden nuroberflächlich geräumt. Diese Fläche wird dann mit Erdeabgedeckt und begrünt. Um das Grundwasser zu schüt-zen, wird um die belastete Fläche eine Auffangvorrich-tung installiert. Ausgespültes Wasser wird aufgenommen,in einer Filteranlage gereinigt und seine Qualität von derzuständigen Behörde geprüft. Die so behandelten Flächenkönnen betreten werden.

30.2

Der Bundesrechnungshof hat die Beseitigung der Altlas-ten auf dem Truppenübungsplatz Munster-Nord mit Un-terstützung des Prüfungsamtes des Bundes Hannover ge-prüft. Er hat festgestellt, dass die Bundeswehr keinGesamtkonzept hat, wie sie die belasteten Böden behan-deln will. Sofern das hoch belastete Erdreich vollständigverglast werden soll, würde der vorgesehene Plasma-Ofen hierzu 200 Jahre benötigen. Dabei ist noch nicht ab-

sehbar, wann der Ofen überhaupt in Betrieb genommenwerden kann. Die erwarteten Betriebskosten würden jähr-lich mehr als 10 Mio. Euro betragen. Dies wäre etwazehnmal teurer als auf dem Markt verfügbare Angebotezur thermischen Behandlung belasteter Erde.

Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen in Hallschlag belegen,dass Sicherungsmaßnahmen allenfalls halb so viel kostenwie eine Komplettsanierung. Zudem können Sanierungs-kosten nicht exakt kalkuliert werden, weil die tatsächlicheDurchsetzung des Bodens mit Kampfmitteln und Kampf-stoffen erst beim Ausheben festgestellt werden kann. Daauf Bodenbewegungen weitgehend verzichtet werdenkann, schädigt es die Umwelt weit weniger, wenn belas-tete Flächen gesichert und nicht saniert werden. Untersu-chungsergebnisse in Munster-Nord zeigen zudem, dassdie Belastung des Erdreiches durch natürliche Einflüssemit der Zeit abnimmt.

Der Bundesrechnungshof hat beanstandet, dass die Bun-deswehr wirtschaftliche und umweltschonende Alternati-ven zur Komplettsanierung bzw. Verglasung des belaste-ten Erdreichs in Munster-Nord nicht geprüft hat. Eineweitere mögliche Alternative besteht darin, das belasteteMaterial in Endlagern zu deponieren.

30.3

Das Bundesministerium hat in seiner Stellungnahme ein-geräumt, bislang kein Gesamtkonzept zur Sanierung desTruppenübungsplatzes zu haben. Daher gebe es auchnoch keine verlässlichen Zahlen über die bei einer Boden-sanierung tatsächlich anfallenden Erdmassen.

Das Bundesministerium hat die erheblichen Verzögerun-gen beim Bau der Plasma-Anlage eingestanden und dieseauf die Insolvenz eines Auftragnehmers sowie technolo-gische Probleme zurückgeführt. Die Bundeswehr habeden Plasma-Ofen zwischenzeitlich im Rahmen eines Pro-bebetriebes erstmalig mit belastetem Material beschickt.

Nach den Angaben des Bundesministeriums habe es „zukeinem Zeitpunkt die Absicht gehabt, durch großflächigeAbtragung der oberflächennahen Erdmassen … eine Sa-nierung … herbeizuführen“. Die hierbei anfallenden Men-gen hätten die Lebenskapazität des Ofens überstiegen.

Das Bundesministerium sehe keine Möglichkeit, das be-lastete Material zu deponieren, da die Annahmekriterieninfrage kommender Deponien nicht erfüllt würden.

Das Bundesministerium hat in seiner Stellungnahme be-richtet, dass vermehrt Sanierungstechniken ohne Boden-bewegungen entwickelt würden. Ob solche Technikenauch in Munster-Nord erfolgreich sein könnten, müsse esaber noch prüfen.

30.4

Der Bundesrechnungshof erkennt in der Stellungnahmedes Bundesministeriums die grundsätzliche Bereitschaft,von einer großflächigen Sanierung abzusehen.

Drucksache 16/XXXX – 166 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Zunächst muss die Bundeswehr ein Gesamtkonzept zurBehandlung der Altlasten in Munster-Nord erarbeiten.Darin sollte sie auch die Kosten von Sicherungsmaßnah-men – ähnlich wie in Hallschlag – den Kosten einer Sa-nierung gegenüberstellen. Aus allen gesetzeskonformenund umweltschonenden Lösungen ist die wirtschaftlicheauszuwählen.

Nach Auffassung des Bundesrechnungshofes hat dieBundeswehr die Möglichkeiten, belastetes Material zudeponieren, noch nicht ausreichend geprüft und wesentli-che Betreiber von Endlagern noch nicht konsultiert.

Bezüglich der bereits abgetragenen und in Kunststoffbe-hältern aufbewahrten Erde sollte die Bundeswehr alsbaldklären, ob diese nach wirtschaftlichen und Umwelt-schutzkriterien

● im Plasma-Ofen verbrannt,

● in geeigneten Endlagern deponiert oder

● von privaten Anbietern in anderen geeigneten Verfah-ren entgiftet

werden sollte.

31 Erhebliches Einsparpotenzial bei den Fahrschulen der Bundeswehr (Kapitel 1403)

31.0

Die Bundeswehr könnte jährlich mindestens 17 Mio. Euroeinsparen, wenn zivile Fahrschulen die Kraftfahrgrund-ausbildung für PKW und LKW durchführten.

31.1

Um Radfahrzeuge der Bundeswehr führen zu dürfen,durchlaufen Soldatinnen und Soldaten in bundeswehr-eigenen Kraftfahrausbildungszentren die so genannte„Kraftfahrgrundausbildung (Rad)“. Die Ausbildung endetmit der Fahrerlaubnisprüfung. Die weiterführende militä-rische Kraftfahrausbildung liegt in der Verantwortung derjeweiligen Einheiten und Verbände. Diese erstreckt sichüber die gesamte Dienstzeit der Soldatinnen oder Solda-ten.

Der Bundesrechnungshof prüfte mit Unterstützung derPrüfungsämter des Bundes Hannover und Berlin dieKraftfahrgrundausbildung für Radfahrzeuge der Bundes-wehr.

Der Bundesrechnungshof stellte fest, dass die Ausbil-dungskapazität der Fahrschulorganisation nur zu 66 %ausgelastet war. Nach überschlägigen Berechnungen desBundesrechnungshofes beliefen sich allein die Personal-kosten sowie die Kosten für Betrieb und Unterhaltung derFahrschulfahrzeuge im Jahre 2004 auf rund 100 Mio.Euro. Weitere Kosten, beispielsweise für Informations-und Kommunikationstechnik sowie Gebäudenutzung,kommen hinzu.

Diesen Kosten hat der Bundesrechnungshof die Ausga-ben gegenübergestellt, die bei einer Ausbildung durch zi-vile Fahrschulen entstünden. Danach hätte die Bundes-wehr beispielsweise im Jahre 2004 über 17 Mio. Euroeinsparen können, wenn die Grundausbildung für die bei-den Fahrerlaubnisklassen B (PKW) und CE (LKW über7,5 t mit Anhänger) an zivilen Fahrschulen stattgefundenhätte (vgl. Tabelle). Weitere Kosten kann sie bei den übri-gen Fahrerlaubnisklassen (Motorrad, LKW bis 7,5 t,LKW über 7,5 t ohne Anhänger, Bus) einsparen.

Ta b e l l e

Kostenvergleich Kraftfahrgrundausbildung im Jahre 2004

(* Durchschnitt, vom BRH ermittelt)(** Werte gerundet)

Klasse B (Anfänger) Klasse CE

Anzahl Fahrschüler 2004 1 961 15 537

Kosten Fahrerlaubnis Bundeswehrfahrschule 3 270 Euro 4 074 Euro

Ausgaben Fahrerlaubnis zivile Fahrschule (*) 1 400 Euro 3 200 Euro

Einsparpotenzial 2004 je Klasse (**) 3,7 Mio. Euro 13,6 Mio. Euro

Einsparpotenzial 2004 gesamt 17,3 Mio. Euro

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 167 – Drucksache 16/XXXX

Bereits in den 90er-Jahren hatte die Bundeswehr in zweiModellversuchen erprobt, ob zivile Fahrschulen dieKraftfahrgrundausbildung übernehmen können. Beson-dere Unterschiede zur bundeswehreigenen Ausbildungstellte sie dabei nicht fest. Die Ergebnisse dieser Modell-versuche nahm die Bundeswehr jedoch nicht zum Anlass,ihr Ausbildungskonzept zu ändern.

31.2

Die Konzeption der Bundeswehr vom 9. August 2004verlangt, dass sich die Bundeswehr auf ihre Kernaufga-ben konzentriert. In diesem Zusammenhang ist auch die„anteilige Verlagerung von Ausbildungsgängen bzw.Lehrgängen an zivile Ausbildungsträger“ vorgesehen.Nach Auffassung des Bundesrechnungshofes gehört dieKraftfahrgrundausbildung – im Gegensatz zur weiterfüh-renden militärischen Kraftfahrausbildung – nicht zu denKernaufgaben der Streitkräfte.

Der Bundesrechnungshof hat beanstandet, dass die Bun-deswehr nicht konsequent geprüft hat, ob es wirtschaft-lich ist, wenn zivile Fahrschulen die Kraftfahrgrundaus-bildung durchführen. Er hat dem Bundesministerium derVerteidigung (Bundesministerium) empfohlen, sich beider Kraftfahrausbildung auf die militärischen Ausbil-dungsinhalte zu konzentrieren. Grundfertigkeiten zumErwerb von Fahrerlaubnissen können durch zivile Fahr-schulen kostengünstiger vermittelt werden.

31.3

Das Bundesministerium hat mitgeteilt, dass es die Anzahlder Dienstposten in den Fahrschulen ab Anfang 2006 umrund 300 verringern und so die Schulen besser auslastenwerde.

Nach den Angaben des Bundesministeriums habe dieBundeswehr wiederholt Möglichkeiten geprüft, die Kraft-fahrgrundausbildung an Privatunternehmen zu vergeben.Die vom Bundesrechnungshof angesprochenen Modell-versuche zur zivilen Kraftfahrgrundausbildung hätten nurgeringe Kostenvorteile erbracht, die durch organisatori-schen Mehraufwand wieder aufgezehrt worden wären.Die Bundeswehr beabsichtige nunmehr, ein optimiertesEigenmodell zur Kraftfahrausbildung einem Koopera-tionsmodell mit der Wirtschaft gegenüberzustellen. DasKooperationsmodell sieht den Einsatz ziviler Fahrlehrerin Bundeswehrfahrschulen vor. Falls dieser Vergleich zu-gunsten des Kooperationsmodells ausfalle, wolle dieBundeswehr noch im Jahre 2007 Pilotprojekte in zweiKraftfahrausbildungszentren durchführen.

31.4

Der Bundesrechnungshof erkennt an, dass die Bundes-wehr die Anzahl der Dienstposten in ihrer Fahrschulorga-nisation reduziert, um sie dadurch besser auszulasten.

Nach Auffassung des Bundesrechnungshofes ist der orga-nisatorische Mehraufwand bei einer Kraftfahrgrundaus-bildung an zivilen Fahrschulen unbedeutend. So ist bei-spielsweise der Verwaltungsaufwand, um Soldatinnenund Soldaten zeitweilig an eine zivile Fahrschule abzu-ordnen, nicht höher als für die Abordnung an eine Bun-deswehrfahrschule. In jedem Fall überwiegen die Ein-sparmöglichkeiten der zivilen Ausbildung deutlich.

Der Bundesrechnungshof hält eine eigene Fahrschulorga-nisation für die Kraftfahrgrundausbildung in der Bundes-wehr nicht für notwendig. Sofern die Bundeswehr dieKraftfahrgrundausbildung an zivile Fahrschulen gibt, re-duzieren sich die Kosten, ohne dass sich die Ausbildungs-qualität verschlechtert. Darüber hinaus werden diebislang in der Fahrschulorganisation beschäftigten Solda-tinnen und Soldaten frei für Kernaufgaben der Bundes-wehr.

Der Bundesrechnungshof empfiehlt, Interessenbekun-dungsverfahren durchzuführen und zu prüfen, welchewirtschaftlichen Vorteile sich ergeben, wenn die Bundes-wehr die Kraftfahrgrundausbildung vollständig an privateUnternehmen abgibt.

32 Zu lange Entwicklungszeiten für eine Einrichtung zur Dekontamination Verwundeter und für ein Hautentgiftungsmittel (Kapitel 1415)

32.0

Obwohl die Bundeswehr bereits im Juli 1992 mit Planun-gen für neue Einrichtungen zur Dekontamination vonVerwundeten begonnen hat, verfügt sie noch nicht übereine dem Stand der Technik entsprechende Einrichtung.Wegen Planungsmängeln fehlt der Bundeswehr seit demJahre 2000 ein Hautentgiftungsmittel.

32.1

Die Bundeswehr geht davon aus, dass Soldatinnen undSoldaten in einem Einsatzfall auch durch atomare, biolo-gische und chemische (ABC-)Kampfmittel bedroht sind.Werden Soldatinnen und Soldaten durch atomareKampfstoffe verstrahlt, durch biologische verseucht oderdurch chemische vergiftet, müssen sie möglichst schnellentstrahlt, entseucht bzw. entgiftet (dekontaminiert) wer-den.

Der Bundesrechnungshof prüfte gemeinsam mit dem Prü-fungsamt des Bundes Hannover die Planungen der Bun-deswehr zur Dekontamination Verwundeter.

Seit dem Jahre 1992 plante das Heer, eine Dekontamina-tionseinrichtung für Verwundete zu entwickeln. Im Jahre1999 beabsichtigte es, auf Grundlage einer so genannten„Technisch-Taktischen Forderung“ die „Dekontamina-tionsausstattung Sanitätseinheit 2000“ zu beschaffen.

Drucksache 16/XXXX – 168 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Im Jahre 2002 wurden die Streitkräftebasis und der Zen-trale Sanitätsdienst der Bundeswehr (Zentraler Sanitäts-dienst) neben Heer, Luftwaffe und Marine eigenständigeOrganisationsbereiche in der Bundeswehr.

Nachdem der Zentrale Sanitätsdienst für die Dekontami-nation von Verwundeten zuständig wurde, verfolgte dasHeer das Vorhaben nicht weiter. Der Zentrale Sanitäts-dienst begann im Jahre 2003 mit eigenen Planungen füreine Dekontaminationseinrichtung. Bereits vorliegendeErkenntnisse des Heeres ließ er weitgehend unberück-sichtigt. Das Vorhaben des Zentralen Sanitätsdienstes warim August 2005 in etwa auf dem Stand, den das Heer be-reits im Jahre 1999 erreicht hatte.

Im Jahre 2006 entschied die Streitkräftebasis zusammenmit dem Heer, eine mobile Einrichtung zu beschaffen, umnicht verwundete Soldatinnen und Soldaten sowie Gerätzu dekontaminieren. Der Zentrale Sanitätsdienst betei-ligte sich an dieser Entwicklung nicht.

Bisher verfügt die Bundeswehr noch nicht über eine zeit-gemäße Einrichtung, um verwundete Soldatinnen undSoldaten, die verstrahlt, verseucht oder vergiftet wurden,zu dekontaminieren.

Wenn die Haut von Soldatinnen und Soldaten durch C-Waf-fen benetzt wird, benötigen sie zur Dekontamination – zu-nächst durch Selbst- und Kameradenhilfe – Hautentgif-tungsmittel. Seit dem Jahre 2000 steht der Bundeswehrkein solches Mittel mehr zur Verfügung, nachdem der bisdahin eingesetzte Entgiftungspuder sein Haltbarkeitsda-tum überschritten hatte. Wegen zu großer Nebenwirkun-gen sollte er nicht weiter verwendet bzw. nicht wieder be-schafft werden. Dies war der Bundeswehr seit Jahrenbekannt. Ein von anderen NATO-Streitkräften genutztesHautentgiftungsmittel wollte die Bundeswehr im Jahre1999 nicht beschaffen, da es ungeeignet sei.

Im Jahre 2000 begann der Sanitätsdienst des Heeres, einneues Hautentgiftungsmittel zu entwickeln. Der ZentraleSanitätsdienst führt das Vorhaben fort; mit einem Ergeb-nis rechnet er frühestens in den Jahren 2010 bis 2015.Mitte des Jahres 2005 entschloss sich der Zentrale Sani-tätsdienst, das im Jahre 1999 für ungeeignet befundeneMittel als Übergangslösung einzuführen. Da die Bundes-wehr keine Ausnahmeregelung erwirken wollte, bean-tragte sie die Zulassung des Mittels nach dem deutschenMedizinproduktegesetz. Das Mittel wurde im Jahre 2006zugelassen, ist aber noch nicht eingeführt. Daher gehendie Soldatinnen und Soldaten weiterhin ohne Hautentgif-tungsmittel in den Einsatz.

32.2

Der Bundesrechnungshof hat beanstandet, dass

● die Bundeswehr bislang über keine dem Stand derTechnik entsprechende Einrichtung zur Dekontamina-tion Verwundeter verfügt,

● der Zentrale Sanitätsdienst sich nicht an der von Streit-kräftebasis und Heer entwickelten mobilen Varianteeiner Dekontaminationseinrichtung beteiligt hat, ob-wohl diese in abgeänderter Form in der Lage seinkönnte, Verwundete zu dekontaminieren,

● die Bundeswehr über kein Hautentgiftungsmittel ver-fügt und sich nicht früher für ein von anderen Natio-nen genutztes Hautentgiftungsmittel entschieden hat.

32.3

Das Bundesministerium der Verteidigung (Bundesminis-terium) hat eingeräumt, derzeit keine dem Stand derTechnik entsprechende Dekontaminationseinrichtung fürVerwundete zu haben. Diese „Fähigkeitslücke“ sei er-kannt und solle geschlossen werden. Zutreffend sei au-ßerdem, dass der Zentrale Sanitätsdienst an der Entwick-lung der mobilen Dekontaminationseinrichtung nichtbeteiligt gewesen sei. Das Bundesministerium hat denVorwurf einer überlangen Entwicklungszeit der Dekonta-minationseinrichtung zurückgewiesen. Erst als Folge derTerroranschläge vom 11. September 2001 habe die Ver-wundetendekontamination eine hohe Priorität erhalten.Die Annahme des Bundesrechnungshofes, im Jahre 1999habe die Beschaffung einer entsprechenden Einrichtungkurz bevor gestanden, sei falsch.

Das Bundesministerium hat bestätigt, dass die Bundes-wehr derzeit kein Hautentgiftungsmittel hat. Dem wollees aber abhelfen. Weiter hat das Bundesministerium mit-geteilt, dass es das ausländische Hautentgiftungsmittel imJahre 1999 nicht als „generell ungeeignet“ abgelehnthabe. Inzwischen habe es eine „weitere, ausführlicheAuswertung der Eignung“ des Mittels vorgenommen.

32.4

Der Bundesrechnungshof hält seine Beanstandungen auf-recht.

Die Bundeswehr verfügt nach jahrelangen, nicht hinrei-chend aufeinander abgestimmten Entwicklungen immernoch nicht über eine dem Stand der Technik entspre-chende Einrichtung zur Dekontamination von Verwunde-ten. Nach den Prüfungsfeststellungen des Bundesrech-nungshofes hatte die Industrie auf Grundlage derTechnisch-Taktischen Forderung aus dem Jahre 1999konkrete Angebote für eine Dekontaminationsausstattungvorgelegt. Bereits vor den Terroranschlägen vom11. September 2001 bestand damit aus militärischer Sichtdie Gefahr einer Bedrohung durch ABC-Angriffe. Solltedas ABC-Risiko seither, z. B. bei Antiterror- und Kri-seneinsätzen, noch weiter gestiegen sein, ist es nicht ver-ständlich, warum die Einsatzkräfte weitere fünf Jahrespäter immer noch nicht über die notwendigen Aus-stattungen verfügen, um Verwundete versorgen zu kön-nen.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 169 – Drucksache 16/XXXX

Schon im Jahre 1999 belegten mehrere Vergleichsstudiendie Eignung des in verschiedenen NATO-Streitkräfteneingeführten Hautentgiftungsmittels. Dennoch beantragtedie Bundeswehr damals keine Zulassung des Mittels nachdem deutschen Medizinproduktegesetz. Vielmehr begannsie erst dann ein eigenes Mittel zu entwickeln. Mitte desJahres 2005 hat sich die Bundeswehr schließlich doch ent-schlossen, das ausländische Hautentgiftungsmittel alsZwischenlösung zu verwenden.

Der Bundesrechnungshof fordert das Bundesministeriumauf, die Entwicklungs- und Beschaffungsprozesse für dieEinrichtungen zur Dekontamination Verwundeter und ei-nes Hautentgiftungsmittels zu beschleunigen. Dazu solltees insbesondere vorhandene Erkenntnisse aller Teilstreit-kräfte und Organisationsbereiche konsequent nutzen, umanerkannten Bedarf wirtschaftlich und schnell zu decken.

33 Bundeswehr investiert 17 Mio. Euro in nicht ausgelastete Galvanikanlage(verschiedene Kapitel)

33.0

Die Bundeswehr hat eine Anlage zur Behandlung vonOberflächen technischer Bauteile (Galvanikanlage) um-gebaut und erweitert, obwohl die Anlage seit Jahren nichtausgelastet ist. Der Bedarf an Galvanikleistungen wirdkünftig noch weiter abnehmen. Die Umbau- und Erweite-rungsarbeiten begannen im Jahre 1994 und sind nochnicht abgeschlossen; sie haben bislang rund 17 Mio.Euro gekostet. Die Planungen zum Umbau und zur Er-weiterung waren fehlerhaft und wurden auch währendder Bauzeit von mehr als zehn Jahren nicht korrigiert.Insgesamt betreibt die Bundeswehr sieben Galvanikanla-gen ohne ein gemeinsames Betriebskonzept.

33.1

Die Bundeswehr betreibt insgesamt sieben Anlagen zurchemisch-galvanischen Oberflächenbehandlung (Galva-nikanlagen). In solchen Anlagen werden Gegenstände inBädern u. a. mit metallischen Schichten überzogen. DieEinrichtung und der Betrieb derartiger Anlagen, die in derRegel aus mehreren Bädern und Badstraßen bestehen,sind sehr teuer. Die Bundeswehr setzt ihre Galvanikanla-gen im Rahmen der Instandsetzung von Geräten und Bau-teilen ein.

Der Bundesrechnungshof untersuchte mit Unterstützungdurch das Prüfungsamt des Bundes Berlin im Jahre 2005den Umbau und die Erweiterung einer Galvanikanlage inUmmendorf, Baden-Württemberg. Die Anlage ist Teil ei-ner Instandsetzungseinrichtung der Luftwaffe (Luftwaf-fenwerft).

Die wasserrechtliche Genehmigung der Galvanikanlagewar befristet. Die Bundeswehr begann daher im Jahre1989 mit Planungen zum Umbau und zur Erweiterung der

Anlage. Einzige Grundlage für den Umfang der beantrag-ten Baumaßnahmen war ein technisches Gutachten einesbeauftragten Privatunternehmens. Es sah u. a. vor, die be-stehende Anlage von sieben auf neun Badstraßen zu er-weitern. Außerdem sollten zusätzliche Galvanik-Verfah-ren eingeführt werden. Einzelne Bäder sollten auf etwa10-fache Kapazität erweitert werden. Das Gutachten be-zifferte die Kosten für den Umbau und die Erweiterungauf rund 10 Mio. Euro. Alle in der erweiterten Anlage be-triebenen Verfahren werden auch in der Industrie ange-wandt; entsprechende Galvanikleistungen können auchkommerziell erworben werden.

Die Bundeswehr selbst untersuchte den künftigen Bedarfan Galvanikleistungen und damit die Wirtschaftlichkeitder Baumaßnahmen zunächst nicht. Erst nachträglichprüfte sie, ob sie die in der Luftwaffenwerft benötigtenGalvanikarbeiten auch an Privatunternehmen vergebenkönnte. Diese Alternative erachtete sie dann als zu teuer.Die Luftwaffenwerft ergänzte zwei Jahre später das ex-tern erstellte Gutachten mit „militärischen Erläuterun-gen“. Dazu nahm sie pauschal an, dass alle Luftwaffen-werften, das Heer und die Rüstungsindustrie die neueAnlage mitnutzen würden, ohne diese Annahme bundes-wehrintern abzustimmen.

Im Jahre 1993 genehmigte die Bundeswehr die damalsmit rund 12,2 Mio. Euro veranschlagten Baumaßnahmen.Sie sollten im Jahre 1999 abgeschlossen sein. Bis zumJahre 2004 betrugen die Gesamtausgaben für den Umbauund die Erweiterung der Anlage rund 16,6 Mio. Euro.Weitere 520 000 Euro veranschlagte die Bundeswehr fürden Neubau der Sanitärräume in den Jahren 2006 und2007. Die Gesamtausgaben werden sich daher auf mehrals 17 Mio. Euro summieren.

Zu keiner Zeit konnte die Bundeswehr die Galvanik-anlage technisch auslasten. Die Badstraßen waren über-wiegend zu weniger als 50 %, in vielen Fällen nur zu10 %, in Einzelfällen noch geringer ausgelastet. Im Jahre2005 hatte die Instandsetzung der Kampfflugzeuge Phan-tom und Tornado einen Anteil von rund 80 % am gesam-ten Instandsetzungsvolumen der Werft. Da die Luftwaffeihre Kampfflugzeuge Phantom in Kürze außer Dienststellen und die Anzahl ihrer Kampfflugzeuge Tornadodeutlich verringern wird, wird sich die Auslastung derGalvanikanlage noch erheblich verschlechtern. Zudemwird die Galvanikanlage in Ummendorf nicht an der In-standsetzung des neuen Kampfflugzeugs Eurofighterbeteiligt sein. Bereits im Jahre 2002 hatte die Luftwaffen-werft selbst darauf hingewiesen, dass ihre Galvanik-anlage ungenügend ausgelastet ist, und Verbesserungenvorgeschlagen. Die vorgesetzte Dienststelle, das Luftwaf-fenmaterialkommando, griff diese jedoch nicht auf, son-dern empfahl stattdessen, vermehrt Arbeiten für privateUnternehmen auszuführen.

Die Kosten- und Leistungsrechnung der Luftwaffenwerftwar fehlerhaft; die Gesamtkosten der Galvanikanlagehatte sie um rund 3,1 Mio. Euro jährlich zu niedrig ange-setzt. Als Grundlage für Kostenvergleiche mit der Indus-

Drucksache 16/XXXX – 170 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

trie war sie nicht geeignet. Die Kostensätze für AufträgeDritter waren daher zu niedrig.

Die Bundeswehr betrieb ihre Galvanikanlagen ohne einbundeswehrübergreifendes Gesamtkonzept. Es fehlte da-her auch an übergreifenden Bedarfs- und Kapazitätspla-nungen für einen wirtschaftlichen Betrieb dieser Anlagen.

33.2

Der Bundesrechnungshof hat beanstandet, dass die Kos-ten für den Umbau und die Erweiterung der Galvanik-anlage in Ummendorf die ursprünglich vorgesehenenKosten weit übersteigen. Es ist unwirtschaftlich und ver-stößt gegen haushaltsrechtliche Vorschriften, wenn dieLuftwaffe Bedarfsanalysen, Kapazitätsberechnungen undWirtschaftlichkeitsbetrachtungen erst im Nachhinein er-stellt.

Nach Auffassung des Bundesrechnungshofes waren dieBaumaßnahmen nicht hinreichend begründet. Die völligunzureichende Auslastung der Anlage war anhand derPlanungen der Bundeswehr vorhersehbar. Spätestens alsdie Luftwaffenwerft selbst auf dieses Problem hinwies,hätten die vorgesetzten Dienststellen reagieren müssen.

Der Bundesrechnungshof hat angemahnt, die Kosten- undLeistungsrechnung der Luftwaffenwerft zu berichtigen,damit erforderliche Kostenvergleiche belastbar sind. Auf-träge Dritter – wenn diese überhaupt durchgeführt werdensollen – dürfen nicht unter den tatsächlichen Herstel-lungskosten abgerechnet werden.

Angesichts der hohen Kosten der bundeswehreigenenGalvanikanlagen hat der Bundesrechnungshof ein Ge-samtkonzept für diese Anlagen gefordert. Dieses Konzeptsoll insbesondere

● den Gesamtbedarf der Bundeswehr an Galvanikleis-tungen,

● die davon durch die Bundeswehr selbst und extern zudeckenden Anteile sowie

● die damit notwendige Anzahl und Kapazität der eige-nen Anlagen

festlegen.

Bis zur Vorlage des Konzepts sollte die Luftwaffenwerftin Ummendorf alle wirtschaftlichen Möglichkeiten aus-schöpfen, um ihre Galvanikanlage besser auszulasten.

33.3

Das Bundesministerium der Verteidigung (Bundesminis-terium) hat die Analysen und Bewertungen, die dazuführten, die Galvanikanlage in Ummendorf umzubauenund zu erweitern, gerechtfertigt. Ende der 80er-Jahre seider sinkende Bedarf nicht vorhersehbar gewesen. DerRückgang habe sich erst ab dem Jahre 2002 deutlich ab-gezeichnet. Vorher habe es die Bundeswehr auch noch als

militärisch notwendig angesehen, dass die Luftwaffe ihreInstandsetzungsprozesse selbst abwickeln kann. Dieshabe gegen eine weitergehende Auftragsvergabe an an-dere Organisationsbereiche der Bundeswehr oder an dieIndustrie gesprochen. Weiterhin habe die Bundeswehr dieWirtschaftlichkeit des Erweiterungsprojektes in Ummen-dorf mehrmals nachgewiesen. Das Bundesministeriumhabe daher während der Bauzeit keine Veranlassung ge-habt, die Planungen zu korrigieren.

Die pauschale Festlegung künftiger Nutzer der neuenGalvanikanlage sei nicht abstimmungsbedürftig gewesen.Der Luftwaffe sei als materialverantwortliche Teilstreit-kraft der Bedarf an Galvanikleistungen „für fliegerischesGerät“ bekannt gewesen.

Das Bundesministerium hat darüber hinaus die Ansichtvertreten, dass die Kapazität der Galvanikanlage habe er-weitert werden müssen, weil

● dies technisch zwangsläufig war,

● Arbeits- und Umweltschutzgründe dies erfordertenund

● die galvanischen Arbeiten als Teil des Gesamtprozes-ses „Instandhaltung und Fertigung“ zu betrachtenseien.

Bei der Auslastung der Anlage sei im Übrigen zwischender technischen und der personellen Kapazität zu unter-scheiden; das Personal sei regelmäßig voll ausgelastet ge-wesen.

Das Bundesministerium hat bestätigt, dass die Kosten-und Leistungsrechnung für die Galvanikanlage in Um-mendorf lückenhaft war. Sie sei bereits in Teilen korri-giert und solle noch im Jahre 2006 zu einer komplettenVollkostenrechnung ergänzt werden.

Das Bundesministerium hat das fehlende Gesamtkonzeptfür Galvanikleistungen eingeräumt. Deshalb beabsich-tige es, bis Ende 2006 ein Gesamtkonzept zu entwerfenund noch im Jahre 2007 umzusetzen.

33.4

Der Bundesrechnungshof erkennt an, dass die Bundes-wehr mit Vorarbeiten zu einem Gesamtkonzept für denBetrieb ihrer Galvanikanlagen begonnen hat und die Kos-ten- und Leistungsrechnung der Luftwaffenwerft vervoll-ständigen will.

Der Bundesrechnungshof bleibt bei seiner Kritik am Um-bau und an der Erweiterung der Galvanikanlage in Um-mendorf. Der zurückgehende Bedarf war schon zum Zeit-punkt des Baubeginns im Jahre 1994 klar erkennbar – imweiteren Verlauf der zehnjährigen Bauzeit immer mehr.Nach Auffassung des Bundesrechnungshofes ist es ohneGesamtkonzept für die Bundeswehr kaum möglich, allefür die Auslastung der Anlage infrage kommenden Nut-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 171 – Drucksache 16/XXXX

zer und ihre Auftragsvolumina zu bestimmen, ohne dieseDaten vorher abzustimmen.

Die schlechte Auslastung der technischen Kapazität derAnlage lässt sich nicht dadurch rechtfertigen, dass derenPersonal ausgelastet war oder die galvanischen ArbeitenTeil des Gesamtprozesses zur Instandsetzung sind. Allepersonellen und materiellen Komponenten müssen soaufeinander abgestimmt sein, das keine überlastet odernicht ausgelastet sind. Im Übrigen war die Abkehr vonder Vorgabe erkennbar, den gesamten Instandsetzungs-ablauf innerhalb der Luftwaffe sicherzustellen.

Es ist zwar zutreffend, dass ein Teil der Umbauarbeitenaus Gründen der Technik und des Umweltschutzes not-wendig war. Dies gilt jedoch nur unter der Voraussetzung,dass die Luftwaffenwerft überhaupt eine eigene Galva-nikanlage benötigte.

Der Bundesrechnungshof hält seine Empfehlungen daheraufrecht. Sie können die Bundeswehr in ihrer erklärtenAbsicht unterstützen, zugunsten dringend benötigter In-vestitionen in neue Waffen und Ausrüstung die Betriebs-kosten zu senken.

34 Einsparmöglichkeiten bei der Ausstattung mit Hubschraubern für bewaffnete Rettungs- und Spezialkräftemissionen (Kapitel 1419 und 1420)

34.0

Entgegen dem erklärten Ziel der Bundeswehr, bei ver-gleichbaren Aufgaben gemeinsame Lösungen für Heer,Luftwaffe und Marine zu suchen, hat sie es den einzelnenTeilstreitkräften überlassen, Fähigkeiten zur bewaffnetenRettung und Rückführung sowie zu Spezialeinsätzen imFeindgebiet mit Hubschraubern aufzubauen. Dies führtdazu, dass mehr Hubschrauber beschafft werden sollen,als insgesamt notwendig sind. Der wirtschaftliche Ein-satz der verfügbaren Haushaltsmittel ist nicht sicherge-stellt.

34.1

Die Bundeswehr baut derzeit Fähigkeiten zur bewaffne-ten Rettung und Rückführung sowie zu Spezialeinsätzenim Feindgebiet auf. Sie benötigt dazu besonders ausge-rüstete Hubschrauber und entsprechend ausgebildeteBesatzungen. Der Bundesrechnungshof prüfte im Jahre2004 die Planungen für den Einsatz von Hubschraubernfür diese Rettungs- und Spezialkräftemissionen undstellte fest:

Die Konzeption der Bundeswehr betont, dass gemein-same Lösungen der Teilstreitkräfte Heer, Luftwaffe undMarine („streitkräftegemeinsame Lösungen“) zur Wahr-nehmung vergleichbarer Aufgaben zu suchen sind. Fürdie Aufgabe, bewaffnete Rettung und Rückführung si-

cherzustellen sowie Spezialeinsätze im Feindgebietdurchzuführen, überließ sie die Federführung jedoch deneinzelnen Teilstreitkräften. Diese berücksichtigten primärihren eigenen Bedarf. Sie begannen, jeweils eigene Ver-fahren zu erarbeiten und eigene Anforderungen an die be-nötigten Hubschrauber und deren Besatzungen festzule-gen. Nicht die Vergleichbarkeit der Einsätze, sondern ihreUnterschiede wurden in den Vordergrund gestellt.

Die Luftwaffe entwickelte Verfahren zur bewaffneten Su-che und Rettung von Luftfahrzeugbesatzungen, die infeindlichem Gebiet abgeschossen wurden oder notlandenmussten. Sie plante, hierfür 16 eigene, speziell ausgestat-tete Hubschrauber der Gewichtsklasse 10 t des TypsNH 90 zu beschaffen. Dabei kalkulierte sie mit einem Be-darf von vier und einer Reserve von zwölf Hubschrau-bern. Ein Hubschrauber des Typs NH 90 kostet bereits inder Basisausstattung rund 23 Mio. Euro. Hinzu kommen6 Mio. Euro für dessen Sonderausstattung. Weiterhin sindrund 100 Mio. Euro für die Entwicklung der Sonderaus-stattung einzurechnen.

Die Spezialkräfte und die Division Spezielle Operationendes Heeres sind zuständig, wenn z. B. Zivilpersonen oderversprengte Soldatinnen und Soldaten aus feindlichemGebiet gerettet werden müssen oder Spezialeinsätze einenbewaffneten Lufttransport erforderlich machen. Auchdiese Verbände forderten eigene, speziell ausgestatteteHubschrauber in der Gewichtsklasse von 10 t.

Die Marine begann, ihre Hubschrauber in dieser Ge-wichtsklasse ebenso mit entsprechenden Fähigkeiten aus-zurüsten.

Die von den Teilstreitkräften geforderten, im Aufbau be-findlichen oder bereits vorhandenen Fähigkeiten warenvielfach ähnlich. Insbesondere waren die Anforderungenseitens der Luftwaffe und der Spezialkräfte des Heeres anihre jeweiligen Hubschrauber nahezu identisch. Dies galtauch für die von den Besatzungen zu beherrschenden flie-gerischen Verfahren.

Streitkräftegemeinsame Lösungen sahen die Planungennicht vor. So wurde beispielsweise nicht untersucht, obdie Spezialkräfte des Heeres für ihre Einsätze Hubschrau-ber der Luftwaffe nutzen könnten. Als Planungsgrund-lage für diese Entwicklungen wäre eine gebilligte, streit-kräftegemeinsame Konzeption für den militärischenLufttransport notwendig. Diese fehlte der Bundeswehr je-doch ebenso wie eine streitkräftegemeinsame Hubschrau-ber- und Personalbedarfsplanung.

34.2

Der Bundesrechnungshof hat darauf hingewiesen, dassfür derartige Einsätze ausgerüstete Hubschrauber wegenihrer hohen Beschaffungs- und Betriebskosten eine kriti-sche Ressource darstellen. Das Gleiche gilt wegen teurerZusatzausbildungen für die Hubschrauberbesatzungen.Umso mehr müsste die Bundeswehr den streitkräftege-meinsamen Ansatz beachten, den die Konzeption der

Drucksache 16/XXXX – 172 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Bundeswehr grundsätzlich verlangt. Diesen Ansatz hatder Bundesrechnungshof in den speziellen Teilkonzeptio-nen vermisst. Schon bei überschlägiger Berechnung ver-ringern streitkräftegemeinsame Lösungen den Bedarf anHubschraubern und Besatzungen deutlich. So reicht bei-spielsweise der von der Luftwaffe geltend gemachte Be-darf an speziell ausgestatteten Hubschraubern aus, umauch die Anforderungen der Spezialkräfte des Heeres inder Gewichtsklasse 10 t zu erfüllen. Das Heer könnte soerheblich entlastet werden.

Der Bundesrechnungshof hat empfohlen, schnell zu reagie-ren und die derzeitige Situation zu nutzen. Solange nochnicht alle Aufgaben, Zuständigkeiten, Verfahren sowiepersonelle und materielle Ausstattungen für die Spezial-einsätze festgeschrieben sind, besteht noch Raum für ge-meinsame Lösungen. Der von der Konzeption der Bun-deswehr geforderte streitkräftegemeinsame Ansatz sollteverwirklicht und der Aufbau von Mehrfachkapazitätenvermieden werden.

34.3

Das Bundesministerium der Verteidigung (Bundesminis-terium) hat eingeräumt, dass es vergleichbare Anforde-rungen der Teilstreitkräfte an die Hubschrauber und ihreBesatzungen bei der bewaffneten Rettung und Rückfüh-rung sowie bei den Spezialeinsätzen im Feindgebiet gebe.Es hat auch zugesagt, den streitkräftegemeinsamen An-satz im Rahmen der Transformation der Bundeswehr zu-künftig stärker zu beachten. Der Entwurf des Teilkonzep-tes „Militärischer Lufttransport in der Bundeswehr“ solleentsprechend fortgeschrieben werden.

Nach Auffassung des Bundesministeriums würden streit-kräftegemeinsame Lösungen im vorliegenden Fall aberausreichend berücksichtigt. So sei der teilstreitkraftüber-greifende Einsatz von Hubschraubern im Rahmen desEinsatzverbundes der Spezialkräfte ausdrücklich vorgese-hen. Weiterhin unterstreiche die Konzeption der Bundes-wehr den streitkräftegemeinsamen Ansatz und legegleichzeitig fest, dass die Luftwaffe Fähigkeiten für diebewaffnete Suche und Rettung bereitzustellen hat. DasHeer und die Marine leisteten dazu Beiträge.

Dessen ungeachtet hat das Bundesministerium in seinerStellungnahme verbleibende Unterschiede zwischen deneinzelnen Arten der bewaffneten Rettung und Rückfüh-rung sowie der Spezialeinsätze im Feindgebiet sehr breitdargestellt. Weiterhin hat es eine Reihe besonderer Rah-menbedingungen aufgezählt, die sich durch teilstreit-kraftspezifische nationale und internationale Einsatzver-bünde ergäben. Es sei damit „bei ganzheitlicherBetrachtung“ zu folgender Bewertung gekommen:

● Streitkräftegemeinsame Lösungen seien in den vor-handenen Konzeptionen ausreichend berücksichtigt.

● Die geplanten Hubschrauber seien erforderlich, umden militärischen Auftrag erfüllen zu können. Diesgelte insbesondere, um einen auftrags- und bedro-

hungsgerechten Schutz der Soldatinnen und Soldatenzu ermöglichen.

● Ausrüstungspakete für Hubschrauber der Teilstreit-kräfte stünden in unmittelbarem Zusammenhang mitder jeweiligen Aufgabe und seien zur Auftragserfül-lung notwendig. Weitergehende Optionen für streit-kräftegemeinsame Synergien würden sich aufgrundder spezifischen Aufgaben zurzeit nicht ergeben.

34.4

Der Bundesrechnungshof bedauert, dass die Bundeswehrseine Hinweise und Anregungen nur mit eher unverbind-lichen Absichtserklärungen aufgreifen will. Die Einlas-sungen des Bundesministeriums zeigen sehr deutlich, wa-rum der Vorrang streitkräftegemeinsamer Lösungen imkonkreten Fall nicht zur Wirkung kommt. Entgegen denkonzeptionellen Vorgaben scheitern streitkräftegemein-same Lösungsansätze spätestens dann, wenn Teilstreit-kräfte von ihrem geforderten Ausrüstungsumfang Abstri-che machen müssen. Auf diese Weise bleibt einer derHauptansätze der Konzeption der Bundeswehr zur Kon-zentration ihrer Fähigkeiten und zum wirtschaftlichenEinsatz ihrer Haushaltsmittel wirkungslos.

Der Bundesrechnungshof bleibt bei seiner Bewertung,dass sich die bewaffnete Rettung und Rückführung sowiedie Spezialeinsätze im Feindgebiet mit Hubschraubernwegen der vergleichbaren Aufgaben und Anforderungenzu einer streitkräftegemeinsamen Lösung eignen. Ent-sprechende Ansätze lohnen sich allein schon wegen derHöhe der für die Beschaffungen und den Betrieb notwen-digen Haushaltsmittel. Bei nur geringfügigen Unterschie-den in den jeweiligen Anforderungen der Teilstreitkräftesollten Mehrfachkapazitäten grundsätzlich vermiedenwerden.

Der Bundesrechnungshof erwartet insbesondere, dass ei-nem der Hauptansätze der Konzeption der Bundeswehr,dem Vorrang streitkräftegemeinsamer Lösungen, nichtnur auf dem Papier, sondern auch in der Beschaffungspla-nung mehr Rechnung getragen wird.

35 Einsatz militärischer Hubschrauber für den Such- und Rettungsdienst in Deutschland zu teuer (verschiedene Kapitel)

35.0

Historisch bedingt betreibt die Bundeswehr in Deutsch-land einen Such- und Rettungsdienst mit militärischenHubschraubern und Besatzungen. Dieser Dienst wurdeursprünglich für Notfälle von Militärflugzeugen ein-gerichtet. Inzwischen dienen die Einsätze hauptsächlichzivilen Notfällen. Diese Hilfe könnten zivile Rettungs-dienste kostengünstiger leisten, u. a. weil die von derBundeswehr eingesetzten Hubschrauber zum Teil wesent-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 173 – Drucksache 16/XXXX

lich teurer sind als die der zivilen Dienste. Der Such- undRettungsdienst sollte daher soweit als möglich zivilbetrieben werden. Militärhubschrauber sollten nur füroriginäre Aufgaben der Bundeswehr eingesetzt werden.

35.1

Die NATO fordert von ihren Mitgliedstaaten den Betriebeines Such- und Rettungsdienstes (SAR [Search and Res-cue]-Dienst) für vermisste und verunglückte militärischeLuftfahrzeuge. Dementsprechend unterhält die Bundes-wehr seit dem Jahre 1956 einen SAR-Dienst für Einsätzeüber dem Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland.Die Gesamtverantwortung für den SAR-Dienst wurde derLuftwaffe übertragen. Sie betreibt derzeit in Deutschlandacht SAR-Stützpunkte mit jeweils einem Hubschrauberdes Typs Bell UH-1D und koordiniert die Einsätze überLand mit einer Leitstelle in Münster. Die Marine betreibtzwei SAR-Stützpunkte mit jeweils einem Hubschrauberdes Typs Sea King MK 41. Sie koordiniert die Einsätzeüber Küste und See mit einer eigenen Leitstelle inGlücksburg.

Im Jahre 1956 wurde Deutschland Mitglied im Dachver-band der zivilen Luftfahrt (ICAO). Damit wurdeDeutschland verpflichtet, auf seinem Hoheitsgebiet über

Land und über See in Not befindliche zivile Luftfahr-zeuge zu suchen, deren Insassen zu retten und im Rahmendes Möglichen Fracht zu bergen. Zum damaligen Zeit-punkt verfügte allein die Bundeswehr über eine ausrei-chende Zahl von Hubschraubern. Außerdem war wegender Bedrohungslage ein militärischer SAR-Dienst ohne-hin notwendig. Mittels Verwaltungsvereinbarung wurdedie Aufgabe daher dem Bundesministerium der Verteidi-gung übertragen. Grundsätzlich zuständig ist das Bundes-ministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung.

Ab den 70er-Jahren bauten die Länder einen Luftret-tungsdienst für zivile Unfallopfer auf. Inzwischen sind anbundesweit 50 Rettungszentren Hubschrauber stationiert.Diese werden hauptsächlich kommerziell (u. a. ADAC,Deutsche Rettungsflugwacht) oder von der Bundespolizeibetrieben. Zusätzlich stehen an 25 weiteren Standortenebenfalls kommerziell betriebene Hubschrauber bereit,die für den Krankentransport auch über eine intensivme-dizinische Ausstattung verfügen.

Die Tabelle gibt eine Übersicht zu den Such- und Ret-tungsdiensten in Deutschland, die mit Hubschraubernoperieren. Daneben gibt es weitere Rettungsdienste, wiedie Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger,die nicht mit Hubschraubern ausgerüstet sind, aber auchSAR-Aufgaben wahrnehmen.

Ta b e l l e

Hubschraubergestützte Such- und Rettungsdienste in Deutschland(grundsätzliche Zuständigkeiten)

SAR-Dienst Luftrettungsdienst

Unfallbeteiligte zivil Militär zivil/Militär

Unfallfahrzeuge Luftfahrzeuge Luftfahrzeuge Landfahrzeuge

Zuständigkeit Bundesministerium für Ver-kehr, Bau und Stadtent-wicklung; durch Verwal-tungsvereinbarung an BMVg übertragen

Bundesministerium der Verteidigung (BMVg)

Bundesländer

Ausführung über Land: Luftwaffe an der Küste/auf See: Marine

zivile Dienste (u. a. ADAC, Deutsche Rettungsflug-wacht) und Bundespolizei

Anzahl Hubschrauber Luftwaffe:8Marine: 2

mehr als 100

Drucksache 16/XXXX – 174 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Der Bundesrechnungshof prüfte im Jahre 2004 den Ein-satz von Hubschraubern der Bundeswehr für den SAR-Dienst und stellte fest:

Es gibt weder eine militärische noch eine zivile Vor-schrift, wonach es zwingend Aufgabe militärischer Stel-len ist, im Frieden einen SAR-Dienst in Deutschland zuunterhalten. Es bleibt den Mitgliedstaaten von NATO undICAO überlassen, wen sie auf ihrem Hoheitsgebiet mitder SAR-Aufgabe betrauen. In Nachbarstaaten nehmenteilweise Privatunternehmen mit zivilen Hubschraubern– auch bei militärischen Notfällen – Such- und Rettungs-aufgaben wahr. Die Leitung verbleibt unter staatlicherVerantwortung, weitere militärische und zivile Stellensind in das Rettungssystem integriert.

Der SAR-Dienst soll flächendeckend rund um die Uhrverfügbar sein. Dazu benötigt die Bundeswehr insgesamtzehn einsatzbereite Hubschrauber mit je sechs Hub-schrauberbesatzungen. Der ganzjährige, vierundzwanzig-stündige Schichtbetrieb der SAR-Stützpunkte bindet so-mit rund 88 000 Bereitschaftsstunden pro Jahr. Auf zivileund militärische SAR-Einsätze entfielen davon rund 290

Flugstunden. Die Marine bezifferte ihre jährlichen Kos-ten für den SAR-Dienst auf rund 13,4 Mio. Euro. DieLuftwaffe erfasste für ihren Bereich die Kosten wedereinheitlich noch vollständig.

Die Verwaltungsvereinbarung zwischen dem Bundesmi-nisterium der Verteidigung und dem Bundesministeriumfür Verkehr, Bau und Stadtentwicklung wurde im Jahre2001 überarbeitet. Auch nach der neuen Fassung werdender Bundeswehr die Kosten für den zivilen SAR-Dienstdurch das grundsätzlich zuständige Verkehrsministeriumnicht erstattet.

Nachdem im Jahre 1966 die Grundsatzanweisung für dieAufgaben des SAR-Dienstes geändert worden ist, unter-stützen die SAR-Hubschrauber die zivilen Rettungs-dienste in Deutschland. Wegen der erheblich zurückge-gangenen militärischen Flugbewegungen haben Notfällemit Militärflugzeugen und -hubschraubern nur noch einensehr geringen Anteil an den gesamten Notfällen mit Luft-fahrzeugen. Daher werden die SAR-Hubschrauber derBundeswehr derzeit weit überwiegend bei zivilen Einsät-zen tätig (vgl. Abbildung 1).

A b b i l d u n g 1

Verteilung der Einsätze der SAR-Hubschrauber der Bundeswehr

militärisches SAR

ziviles SAR

Unterstützung der Rettungsdienste

sonstige Einsätze (u. a. Übungen)

1 %

16 %

74 %

9 %

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 175 – Drucksache 16/XXXX

Die Bundeswehr wird ab dem Jahre 2007 neue Hub-schrauber der Typen NH 90 und MH 90 (Marineausfüh-rung) beschaffen, die vorhandene Typen ablösen. NachAngaben der Bundeswehr reicht die nach den Verträgenvorgesehene Anzahl neu zu beschaffender Hubschrauberschon für den eigentlichen militärischen Einsatz, z. B. inKrisengebieten, kaum aus. Dennoch plant die Bundes-wehr, am SAR-Dienst mit Militärhubschraubern auchkünftig festzuhalten. Die jetzt genutzten Hubschrauberty-pen will sie durch die neuen Hubschraubertypen ersetzen(vgl. Abbildung 2). Die Beschaffungsausgaben für dieseHubschrauber für den SAR-Einsatz in Deutschland wer-den sich auf rund 282 Mio. Euro belaufen.

A b b i l d u n g 2

Haupttypen der SAR-Hubschrauber der Bundeswehr(© SKA I MZ Bw)

a) Bell UH-1D (aktuell)Stückpreis: 3 Mio. EuroKosten je Flugstunde: 3 300 Euro

b) NH 90 (geplant)Stückpreis: 23 Mio. EuroKosten je Flugstunde: 11 000 Euro

Die Militärhubschrauber sind im Betrieb schon jetzt deut-lich teurer als entsprechende zivile Typen, die z. B. in

Nachbarländern für den SAR-Dienst genutzt werden.Diese Kostendifferenz wird sich mit der Einführung derneuen Hubschrauber weiter vergrößern.

35.2

Nach Auffassung des Bundesrechnungshofes wird dervon der Luftwaffe und der Marine betriebene SAR-Dienstden heutigen Gegebenheiten nicht mehr gerecht, zumalder Anteil des militärischen Flugverkehrs am Gesamtluft-verkehr nur noch rund 4 % beträgt. Ein eigener militäri-scher SAR-Dienst in Deutschland ist daher nicht mehrnotwendig. In jedem Fall ist der SAR-Dienst in Deutsch-land keine Kernaufgabe der Bundeswehr. Dies gilt spätes-tens seit der Änderung der militärpolitischen Lage ab demJahre 1990. Ein Ausfall des zivilen SAR-Dienstes alsFolge einer militärischen Intervention ist seither nichtmehr zu befürchten. Für insgesamt zehn SAR-Hub-schrauber zwei Leitstellen in zwei Teilstreitkräften vorzu-halten, ist ohnehin nicht wirtschaftlich.

Da die SAR-Hubschrauber der Bundeswehr inzwischenweit überwiegend für zivile Zwecke eingesetzt werden,ist die Verwaltungsvereinbarung zwischen den Bundes-ministerien überholt. Die dort vereinbarte Übernahmevon SAR-Aufgaben für den zivilen Luftverkehr ohneKostenbeteiligung des zuständigen Ressorts steht im Wi-derspruch zu gesetzlichen Regelungen. Nach § 61 BHOsind Aufwendungen einer Dienststelle für eine andere zuerstatten.

Der Bundesrechnungshof hat daher eine grundlegendeReorganisation des SAR-Dienstes für erforderlich gehal-ten. Sie muss sich auf Aufgabenwahrnehmung, Strukturund Finanzierung des SAR-Dienstes erstrecken. Zwin-gende nationale oder internationale Vorgaben oder Vor-schriften stehen einer solchen Reorganisation nicht entge-gen. Die technischen und personellen Anforderungen anden SAR-Dienst werden auch von zivil organisiertenKräften erfüllt. Eine Reorganisation ist insbesondere ausKostengründen angezeigt. Bereits die derzeit eingesetztenmilitärischen Hubschraubertypen sind in Anschaffungund Betrieb deutlich teurer als zivile Hubschraubertypen,die für diesen Zweck ebenfalls geeignet sind. Mit den vonder Bundeswehr für den SAR-Dienst geplanten Hub-schraubern wächst der Kostenunterschied noch einmaldeutlich an: beim Anschaffungspreis um das 7fache, beiden Kosten je Flugstunde um mehr als das 3fache.

Nach Auffassung des Bundesrechnungshofes ist eine Re-organisation des SAR-Dienstes auch deshalb notwendig,weil die Bundeswehr zunächst ihre Kernaufgaben erfül-len muss; denn aus Sicht der Bundeswehr sind die ver-traglich vereinbarten Beschaffungszahlen der neuen Hub-schraubertypen schon kaum ausreichend für ihreneigentlichen Einsatzzweck. Ähnliches gilt für die militäri-schen Hubschrauberbesatzungen, soweit sie für Trans-port- und Rettungsaufgaben im Einsatz dringender als fürSAR-Aufgaben in Deutschland benötigt werden.

Drucksache 16/XXXX – 176 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Der Bundesrechnungshof hat daher empfohlen, den SAR-Dienst in Abstimmung zwischen den beiden Bundesmi-nisterien zu reorganisieren. Als Grundlage sollte eineWirtschaftlichkeitsanalyse dienen, die insbesondere fol-gende Punkte berücksichtigt:

● Die Kosten des SAR-Dienstes müssen vollständig er-mittelt werden.

● Die anfallenden Kosten müssen aufgabengerecht zu-geordnet und erstattet werden.

● Der SAR-Dienst sollte in Deutschland möglichst weit-gehend zivil betrieben werden. Auf militärisches Ge-rät und Personal sollte der SAR-Dienst grundsätzlichverzichten.

● Der SAR-Dienst sollte stärker in die nationalen Ret-tungsdienste integriert, Parallelstrukturen sollten ab-gebaut werden.

35.3

Das Bundesministerium der Verteidigung hat es nicht fürnotwendig gehalten, den SAR-Dienst umgehend zu über-prüfen oder zu reorganisieren. Die Bedarfsermittlung fürden neuen Hubschraubertyp NH 90 schließe auch den Be-darf für den SAR-Dienst in Deutschland ein. Es ist abernicht darauf eingegangen, dass aus Haushaltsgründen derso ermittelte Gesamtbedarf nur teilweise gedeckt werdenkann.

Das Bundesministerium der Verteidigung hat darauf ver-wiesen, dass der SAR-Dienst nicht nur für Such- und Ret-tungsaufgaben in Deutschland, sondern auch bei Aus-landseinsätzen benötigt werde. Insofern sei SAR eineKernaufgabe der Bundeswehr; der SAR-Dienst inDeutschland werde beibehalten. Es beabsichtige aller-dings, drei SAR-Stützpunkte zu schließen. Allenfalls imZusammenhang mit einer künftigen neuen Struktur derLufttransportkräfte werde auch die Organisation desSAR-Dienstes überarbeitet. Inwieweit hierbei zivile Be-treiber eingebunden werden könnten, würde es dann mitdem Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtent-wicklung erörtern. Durch die Entflechtung des zivilenund des militärischen SAR-Dienstes erwarte es jedochkeine finanzielle Entlastung des Bundeshaushaltes. DieVerwaltungsvereinbarung entspreche im Übrigen derBHO, da sie neben dem SAR-Dienst für Luftnotfälle auchden Seenotrettungsdienst regele. Letzterer obliege – eben-falls ohne Kostenerstattung – auch für militärische Fälledem Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtent-wicklung. Dieser Dienst werde unentgeltlich durch dieDeutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger wahr-genommen.

Das Bundesministerium der Verteidigung hat betont, dassdurch den SAR-Dienst in Deutschland ein gleich bleibendhoher Ausbildungsstand der Besatzungen gewährleistetwerde. Nichtmilitärische Besatzungen hätten nicht diefliegerischen Fähigkeiten, den SAR-Dienst in Deutsch-

land auch unter widrigen Wetterbedingungen und nachtswahrnehmen zu können. Die höheren Anschaffungs- undBetriebskosten der militärischen gegenüber den zivilenHubschraubern seien darin begründet, dass die Militär-hubschrauber verschiedene Aufgaben wahrnehmen könn-ten, von denen die SAR-Aufgabe nur eine sei.

Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtent-wicklung hat dagegen die Hinweise und Vorschläge desBundesrechnungshofes für diskussionswürdig gehaltenund eine Abstimmung zwischen beiden Ressorts über diekünftige Organisation und Aufgabenwahrnehmung desSAR-Dienstes in Deutschland angeregt. Es hat allerdingsdarauf verwiesen, dass eine Kostenerstattung nur dann inFrage käme, wenn zuvor die Haushaltsmittel, die derzeitim Verteidigungshaushalt für den SAR-Dienst bereit ge-stellt würden, in seinen Haushalt übertragen würden.

35.4

Der Bundesrechnungshof bleibt bei seiner Bewertung,dass der von der Bundeswehr mit militärischen Hub-schraubern und Besatzungen in Deutschland betriebeneSAR-Dienst nicht mehr notwendig und überdies un-wirtschaftlich ist. Die vom Bundesministerium der Ver-teidigung angeführten Gründe sind nicht tragfähig. DerBundesrechnungshof kann beispielsweise nicht nachvoll-ziehen, warum zivile Hubschrauberbesatzungen geringerefliegerische Fähigkeiten aufweisen sollten als militäri-sche, zumal ein erheblicher Teil der zivilen Hubschrau-berbesatzungen von der Bundeswehr ausgebildet wurde.Das Bundesministerium der Verteidigung sollte daher denSAR-Dienst möglichst schnell den neuen Einsatzbedürf-nissen anpassen.

Solange die Bundeswehr den SAR-Dienst in Deutschlandweiter betreibt, sind Hubschrauber und Besatzungen per-manent gebunden und stehen nicht für Auslandseinsätzezur Verfügung. Ohnehin ist der SAR-Dienst im Einsatz-land nur teilweise mit demjenigen in Deutschland zu ver-gleichen, da er je nach Einsatz auch bewaffnet (CombatSAR) durchgeführt werden muss. Das Verhältnis zwi-schen Bereitschafts- und Flugzeiten für den militärischenSAR-Dienst in Deutschland ist sehr ungünstig; es beträgtrund 300:1. Insofern ist es wenig effektiv, Hubschrauber-besatzungen für Auslandseinsätze durch den militäri-schen SAR-Dienst in Deutschland auszubilden.

Es würde den Bundeshaushalt um fast 300 Mio. Euro ent-lasten, wenn allein auf die teuren Militärhubschrauber fürden SAR-Dienst in Deutschland verzichtet würde. DieMehrrollenfähigkeit und Kampfausrüstung dieser Hub-schrauber ist für den SAR-Dienst in Deutschland nicht er-forderlich.

Zur Frage der Kostenverrechnung und -erstattung ver-weist der Bundesrechnungshof auf den Zweck des§ 61 BHO. Er soll insbesondere die Haushaltsklarheitund -wahrheit sicherstellen. Diese ist nicht gegeben,wenn die Kosten des SAR-Dienstes für Luftnotfälle

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 177 – Drucksache 16/XXXX

und diejenigen der Seenotrettung pauschal gegeneinan-der aufgerechnet werden.

Der Bundesrechnungshof hält daher weiterhin eine umge-hende Reorganisation des SAR-Dienstes auf der Grund-lage einer umfassenden Wirtschaftlichkeitsanalyse für ge-boten. Die Ergebnisse der Analyse sollten vorliegen,bevor die teuren Nachfolgemodelle für die SAR-Hub-schrauber beschafft werden.

36 Fehlerhafte Auswertung eines Pilot-projektes verteuert die Instandsetzung von Kampfflugzeugen(Kapitel 1419)

36.0

Aufgrund eines Pilotprojektes hat die Luftwaffe finanziellbedeutsame Rahmenverträge für Instandsetzungsarbeitengeändert, ohne die zwischenzeitlich stark gesunkene An-zahl von Kampfflugzeugen zu berücksichtigen. Das Pilot-projekt sollte untersuchen, ob Ersatzteile schneller in-stand gesetzt und damit Versorgungsengpässe beseitigtwerden können. Da die Luftwaffe ihre Kampfflugzeug-flotte während der Projektlaufzeit stark verkleinerte, wa-ren inzwischen ausreichend Ersatzteile verfügbar. EineVerkürzung der Instandsetzungszeiten war damit nichtmehr notwendig. Die geänderten Rahmenverträge hattenaber zu Preissteigerungen von teilweise über 50 % ge-führt.

36.1

Die Luftwaffe lässt hochwertige Ersatzteile von Kampf-flugzeugen – so genannte Austauschteile – auch bei zivi-len Unternehmen instand setzen. Dazu schloss sie Rah-menverträge mit den Unternehmen. Die Bundeswehrersetzt Austauschteile während der Dauer ihrer Instand-setzung durch gleiche Bauteile, die in einem Ersatzteil-kreislauf vorgehalten werden. Diese zusätzlichen Aus-tauschteile werden als „Kreislaufreserve“ bezeichnet. Fürdie Instandsetzung der Austauschteile wandte die Luft-waffe im Jahre 2005 rund 260 Mio. Euro auf.

Im Jahre 2000 startete die Luftwaffe ein Pilotprojekt, umzu prüfen, ob veränderte Instandsetzungsverfahren Vor-teile erbringen. Einerseits sollte untersucht werden, obdurch verkürzte Instandsetzungszeiten die Kreislaufreser-ven verringert werden können. Andererseits war es Ziel,die ständigen Versorgungsengpässe, insbesondere beimKampfflugzeug Tornado, zu beseitigen. Die Luftwaffeging davon aus, in den Jahren 2002 bis 2004 mit kleine-ren Kreislaufreserven insgesamt 6,4 Mio. Euro einsparenzu können.

Der Bundesrechnungshof prüfte das Pilotprojekt und dieFolgemaßnahmen im Jahre 2005 mit Unterstützung durchdas Prüfungsamt des Bundes Köln und stellte fest:

Die Luftwaffe beendete das Pilotprojekt mit einem Ab-schlussbericht vom 9. März 2004. Ohne die Wirtschaft-lichkeit im Einzelnen nachzuweisen, bewertete sie dasProjekt als Erfolg. Im Laufe des Pilotprojektes änderte siedrei ihrer Rahmenverträge zur Instandsetzung entspre-chend den Verfahrensansätzen des Projektes. Durch diegeänderten Verträge konnte die Luftwaffe die Instandset-zungszeiten für rund 240 Austauschteile verringern. DieVertragsänderungen führten zu 18 % bis 59 % höherenPreisen. Nach Projektende schloss die Luftwaffe dreineue Rahmenverträge nach den Projektvorgaben ab. DieLeistungen der sechs Verträge vergab sie ohne Wettbe-werb.

Während der Laufzeit des Pilotprojektes verringerte dieLuftwaffe die Anzahl ihrer Kampfflugzeuge erheblich. Sosank der Bestand an Kampfflugzeugen des Typs Tornadovon 294 Flugzeugen im Jahre 2003 auf 196 Flugzeuge imJahre 2005. Dadurch standen für die einzelnen Flugzeugeder verbleibenden Flotte bedeutend mehr Austauschteilezur Verfügung; sie waren damit kein Engpassartikel mehr.Die mit den geänderten Verträgen teuer finanzierte Ver-kürzung der Instandsetzungszeiten war somit nicht mehrim erzielten Umfang notwendig. Die Luftwaffe plante zu-dem, ihren Bestand an Kampfflugzeugen weiter zu redu-zieren.

Dessen ungeachtet passte die Luftwaffe seit dem Jahre2003 die Kreislaufreserve nicht an den sinkenden Flug-zeugbestand an; weder verkleinerte sie das Sortiment vor-zuhaltender Austauschteile noch deren jeweilige Anzahl.Die höheren Instandsetzungspreise konnte sie deshalbnicht kompensieren. Auch zwei Jahre nach dem Ab-schlussbericht des Pilotprojekts konnte die Bundeswehrnoch nicht mit Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen nach-weisen, dass sie die beabsichtigten Einsparungen erzielthatte.

36.2

Nach Auffassung des Bundesrechnungshofes hat dieLuftwaffe das Pilotprojekt fehlerhaft ausgewertet, da siedie zwischenzeitlich veränderten Rahmenbedingungen– insbesondere die stark sinkende Anzahl an Kampfflug-zeugen – nicht berücksichtigt hat. Der Bundesrechnungs-hof hat beanstandet, dass die Luftwaffe vorschnell ihrebestehenden Rahmenverträge abgeändert und neue Ver-träge abgeschlossen hat. Sie hätte vorher prüfen müssen,ob die geänderten Instandsetzungsverfahren notwendigund wirtschaftlich sind. Deutlich höhere Instandsetzungs-preise sind nun das Ergebnis. Der Bundesrechnungshofhat daher gefordert, dass die Luftwaffe die aktuell anfal-lenden, vermeidbaren Mehrausgaben feststellt und siealsbald zurückführt.

Der Bundesrechnungshof hat darüber hinaus bemängelt,dass die Bundeswehr die Instandsetzungsleistungen nichtim Wettbewerb vergeben und so dessen Vorteile nicht ge-nutzt hat.

Drucksache 16/XXXX – 178 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Der Bundesrechnungshof hat die Bundeswehr aufgefor-dert,

● die erforderlichen Instandsetzungszeiten und die not-wendige Höhe der Kreislaufreserve für Austauschteileregelmäßig zu ermitteln und ggf. umgehend Anpas-sungen vorzunehmen sowie

● beim Abschluss neuer und geänderter Rahmenverträgegrundsätzlich das Vergaberecht zu beachten und Leis-tungen im Wettbewerb zu vergeben.

36.3

Das Bundesministerium der Verteidigung (Bundesminis-terium) hat mitgeteilt, es werde künftig die Instandset-zungszeiten und die Höhe der Kreislaufreserve dem Be-darf anpassen. Die Luftwaffe ermittle seit Anfang desJahres 2006 monatlich die benötigte Höhe der Kreislauf-reserve an Austauschteilen.

Das Bundesministerium hat eingeräumt, dass der Nach-weis der tatsächlich durch das Pilotprojekt erzielten Ein-sparungen weiterhin fehle. Es könne diesen Nachweisnicht erbringen. Dennoch gehe es von Einsparungendurch das Projekt aus. Für das Jahr 2005 werde es einekaufmännische und technische Preisprüfung bei den In-standsetzungsfirmen durchführen lassen.

Die Preissteigerungen in den Rahmenverträgen seien da-rauf zurückzuführen, dass die Stückkosten gestiegenseien, weil das Instandsetzungsvolumen in den letztenJahren zurückgegangen sei.

Den Vorwurf, Leistungen ohne Wettbewerb vergeben zuhaben, hat das Bundesministerium zurückgewiesen. Nachdem „damals vorherrschenden Verständnis“ habe es sichbei den drei abgeschlossenen Rahmenverträgen nicht umeine Neuvergabe, sondern um eine „reine Optimierung“des bisherigen Instandsetzungsverfahrens gehandelt.

36.4

Der Bundesrechnungshof erkennt an, dass das Bundes-ministerium nunmehr die Instandsetzungszeiten und dieHöhe der Kreislaufreserve regelmäßig dem Bedarf anpas-sen will. Er hält es aber nach wie vor für erforderlichnachzuweisen, dass die Verfahrensänderungen bei der In-standsetzung von Austauschteilen nachhaltig wirtschaft-lich sind.

Der Bundesrechnungshof bezweifelt, dass die angekün-digten Preisprüfungen nennenswerte Einsparungen er-bringen werden. Wesentliche Ursache für die deutlich er-höhten Preise in den neuen Verträgen ist, dass dieLuftwaffe die Leistungen ohne Wettbewerb vergeben hat.Die Bundeswehr sollte jede Möglichkeit nutzen, denWettbewerb bei der Vergabe zu stärken. Schädlich ist hin-gegen, wenn neue Verträge durch zweifelhafte Sichtwei-sen („Optimierung bisheriger Verfahren“) nicht ausge-schrieben werden. Im Übrigen überzeugt es nicht, wenn

das Bundesministerium gestiegene Stückkosten als Grundfür die erhöhten Preise anführt. Es handelt sich um In-standsetzungsarbeiten, die seit Jahren in gleicher Weisedurchgeführt werden, und nicht um eine Neufertigung,bei der nachträglich die Stückzahl reduziert wurde.

Der Bundesrechnungshof legt dem Bundesministeriumdringend nahe, künftig die Ergebnisse von Pilotprojektenmit Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen zu überprüfen, be-vor es finanziell bedeutsame Maßnahmen daraus ableitet.

Das Bundesministerium muss dafür Sorge tragen, dassauch bei der Vergabe von Instandsetzungsleistungen dieeinschlägigen Vergabevorschriften beachtet und Vorteiledes Wettbewerbs genutzt werden. Der Bundesrechnungs-hof regt an zu prüfen, inwieweit Leistungspakete in Loseaufgeteilt werden können, um so den Wettbewerb zu ver-bessern.

37 Zu wenig Wettbewerb bei Luft-transporten nach Afghanistan (Kapitel 1403)

37.0

In den Jahren 2003 bis 2005 hat die Bundeswehr für Luft-transporte nach Afghanistan rund 100 Mio. Euro ausge-geben und dabei den Wettbewerb der Anbieter unnötigeingeschränkt. So grenzten überhöhte technische Forde-rungen in den Ausschreibungen die einsetzbaren Flug-zeugtypen stark ein. Da die Bundeswehr ihre Transport-aufträge nicht in Lose aufteilte, schloss sie kleinereAnbieter aus. Ähnliche Wirkung hatten auch überzogeneVorgaben zum Transportvolumen und für die Fristen zwi-schen Bestellung und Lieferung. Die Bundeswehr verhin-derte so einen intensiveren Wettbewerb, der zu günstige-ren Angeboten hätte führen können.

37.1

Der Bundesrechnungshof prüfte im Jahre 2002 die Ver-gabe ziviler Lufttransportleistungen für die Operation In-ternational Security Assistance Force (ISAF) der Bundes-wehr in Afghanistan. Er wies das Bundesministerium derVerteidigung (Bundesministerium) auf unnötige Wettbe-werbsbeschränkungen sowie auf unwirtschaftliche Ver-fahren hin. Wegen zu enger Vorgaben in der Ausschrei-bung kamen damals nur einige wenige Fluggesellschaftenzum Zuge. Am 6. Mai 2003 berichtete der Bundesrech-nungshof darüber auch dem Haushaltsausschuss desDeutschen Bundestages.

Im Rahmen einer Kontrollprüfung untersuchte der Bun-desrechnungshof mit Unterstützung durch das Prüfungs-amt des Bundes München im Jahre 2005 erneut dieTransportflüge der Bundeswehr nach Afghanistan undstellte fest:

In den Jahren 2003 bis 2005 ließ die Bundeswehr für rund100 Mio. Euro 1 770 Transportflüge für ISAF durchfüh-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 179 – Drucksache 16/XXXX

ren. Die Leistungsbeschreibungen zu den Ausschreibun-gen für die Lufttransporte waren gegenüber den Versio-nen, die der Bundesrechnungshof im Jahre 2002 geprüfthatte, nahezu unverändert. Sie sahen keine Aufteilung derGesamttransportleistung in Teilaufträge vor. Darüber hi-naus enthielten sie sehr hohe Vorgaben zum Transport-volumen und verlangten sehr kurze Reaktionszeiten zwi-schen Abruf und Ausführung der Transportleistungen.Die technischen Forderungen der Leistungsbeschreibun-gen konnten nur wenige Transportflugzeugtypen erfüllen.Die von der Bundeswehr beauftragten Unternehmen setz-ten für die Flüge daher nahezu ausschließlich die Flug-zeugtypen Antonov AN-124 (vgl. Abbildung 1) undIlyushin IL-76 (vgl. Abbildung 2) sowie im geringen Um-fang die Antonov AN-12 ein.

A b b i l d u n g 1

Antonov AN-124

(© SKA I MZ Bw)

A b b i l d u n g 2

Ilyushin IL-76

(© Oliver Matschke, Unternehmenskommunikation und Pressestelle/Berliner Flughäfen)

Ein Flug nach Afghanistan kostete – jeweils nur in eineRichtung – mit der AN-124 rund 200 000 Euro, mit derIL-76 rund 85 000 Euro. Die Transportflüge waren inbeide Flugrichtungen vielfach nicht ausgelastet. So warenbeispielsweise 65 % der AN-124 auf ihren Flügen nachDeutschland maximal zur Hälfte ausgelastet. AlternativeTransportrouten auf dem kombinierten See- und Land-weg über Pakistan in das Einsatzgebiet nutzte die Bun-deswehr kaum.

Die Vorschriften und Anweisungen der Bundeswehr fürden Lufttransport waren nicht aktuell oder nach Auskunftder Bundeswehr seit dem Jahre 2001 „in Überarbeitung“.

Um die Transportflüge zu organisieren, mussten zahlrei-che Bedienstete in mehreren Dienststellen der Bundes-wehr vielfach in Kontakt zu Unternehmen der privatenWirtschaft treten. Dennoch hatte die Bundeswehr dieRichtlinie der Bundesregierung zur Korruptionspräven-tion in diesen Zuständigkeitsbereichen nicht vollständigumgesetzt.

37.2

Der Bundesrechnungshof hat aufgezeigt, dass die Bun-deswehr den Kreis der potenziellen Bieter und damit denWettbewerb unnötig einschränkt, indem sie

● überhöhte Anforderungen in den Leistungsbeschrei-bungen vorgibt und

● eine Aufteilung von Aufträgen in Einzellose nicht zu-lässt.

Daher können möglicherweise günstigere Anbieter keineAngebote vorlegen. Würden die Leistungsbeschreibun-gen im Wesentlichen nur Transportkapazitäten verlangen,könnten auch die auf dem Markt mit anderen Flugzeugty-pen tätigen Lufttransportunternehmen mitbieten.

Es ist unwirtschaftlich, wenn die eingesetzten Transport-flugzeuge überwiegend schlecht ausgelastet sind. Bereitsein einziger eingesparter Flug einer AN-124 nach Afgha-nistan würde den Bundeshaushalt um 200 000 Euro ent-lasten. Darüber hinaus sollte der kombinierte See- undLandweg über Pakistan mehr in Betracht gezogen wer-den, da er bei gleicher Tonnage nur etwa ein Zehntel ei-nes Lufttransportes kostet.

Im Übrigen hat der Bundesrechnungshof die Auffassungvertreten, dass die Bundeswehr zwingend aktuelle Vor-schriften und Arbeitsanweisungen benötigt, um dieTransporte wirtschaftlich durchführen zu können.Schließlich hat er darauf hingewiesen, dass die Beschäf-tigten durch die vielfältigen Kontakte zu Firmenvertreternbesonders korruptionsgefährdet sind.

Der Bundesrechnungshof hat empfohlen, die Lufttrans-portleistungen möglichst schnell neu auszuschreiben. Da-bei sollte die Bundeswehr insbesondere auf Vorgaben derLeistungsbeschreibungen, die den Wettbewerb unnötigeinschränken, verzichten.

Drucksache 16/XXXX – 180 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

37.3

Nach Auffassung des Bundesministeriums liegen den ge-prüften Verträgen Leistungsbeschreibungen zugrunde, dieweder Flugzeugtypen benennen noch favorisieren. DieLeistungsbeschreibungen enthielten die Anforderungenan die anzubietenden Flugzeugmuster, die aus operativerund einsatzspezifischer Sicht erforderlich seien. Das Bun-desministerium beabsichtige jedoch, bei künftigen Leis-tungsbeschreibungen einschränkende Leistungsforderun-gen auf das unverzichtbare Mindestmaß zu begrenzen.

Das Bundesministerium hat eingeräumt, dass die Rah-menverträge für die Transportflüge im Allgemeinen nichtin Lose aufgeteilt gewesen seien. Da es die für ISAF be-nötigten Transporte jeweils eigenständig ausgeschriebenund separate Rahmenverträge abgeschlossen habe, seidie Gesamtleistung faktisch in fünf „Lose“ aufgeteilt ge-wesen. Es habe die benötigten Leistungen später jeweilsin einem Gesamtpaket zusammengefasst, weil es davonmehr Wettbewerb erwartet habe. Die Ausschreibungenhätten allerdings gezeigt, dass die erhofften wirtschaftli-chen Vorteile nicht eingetreten seien. Derzeit schreibe eseinen Rahmenvertrag neu aus, der ab Februar 2007 gel-ten solle. Dieser sehe eine Vergabe in Teillosen vor.

Das Bundesministerium hat dargelegt, dass die besondereCharakteristik der ISAF-Einsätze kurzfristig zu Bedarfs-schwankungen führen könne, die planerisch nicht zu er-fassen seien. Daher seien schlechte Auslastungen biswei-len nicht zu vermeiden. Es werde jedoch dasAnforderungsverhalten des Einsatzkontingentes prüfen.Um die Materialflüsse bei Auslandseinsätzen besser steu-ern zu können, wolle es eine eigene Lieferkette („SupplyChain Management“) aufbauen. Zudem habe es im Jahre2005 ein Transitabkommen mit Pakistan unterzeichnetund wolle nunmehr den kombinierten See- und Landwegstärker nutzen.

Weiterhin würden die wesentlichen Grundlagenvorschrif-ten derzeit überarbeitet. Eine Überprüfung der Vorschrif-ten- und Weisungslage solle folgen.

Das Bundesministerium hat sich der Bewertung des Bun-desrechnungshofes angeschlossen, dass insbesondere„Entscheider“ stärker korruptionsgefährdet sind. Es beab-sichtige daher, betroffene Dienstposten als „besonderskorruptionsgefährdet“ einzustufen und Präventionsmaß-nahmen wie Personalrotation anzuwenden.

37.4

Der Bundesrechnungshof bleibt bei seinen Feststellungenund Hinweisen. Er hält insbesondere an seiner Forderungfest, unnötige Wettbewerbsbeschränkungen abzubauen.Er erkennt insofern an, dass das Bundesministerium seineEmpfehlungen,

● Lufttransportunterstützungsleistungen neu auszu-schreiben,

● die Vorschriften und die Weisungslage zu aktualisie-ren und

● die Korruptionsgefahr zu verringern,

umsetzen will.

Der Bundesrechnungshof geht davon aus, dass die Bun-deswehr aufgrund seiner Hinweise zivile Lufttransport-leistungen nunmehr wirtschaftlich in Anspruch nimmt.Darüber hinaus sollten für alle nicht zeitkritischen Güterdie kostengünstigeren Land- und Seetransportwege ver-stärkt genutzt werden.

38 Kontinuierliches Verbesserungs-programm der Bundeswehr erzielt nur geringe Akzeptanz (verschiedene Kapitel)

38.0

Die Bundeswehr hat ab dem Jahre 1996 ein so genanntes„Kontinuierliches Verbesserungsprogramm“ eingeführt,das bei Führungskräften und Beschäftigten nur eine ge-ringe Akzeptanz erzielt hat. Die Anzahl der Verbesse-rungsvorschläge ging deutlich zurück. Den Übergangvom herkömmlichen Vorschlagwesen zum „Kontinuier-lichen Verbesserungsprogramm“ steuerte die Bundeswehrunzureichend. Sie ließ zu, dass die fünf militärischen Or-ganisationsbereiche unkoordiniert eigene Verfahren ent-wickelten.

38.1

Die Bundesverwaltung führte im Jahre 1961 ein Vor-schlagwesen ein. Danach sind alle Beschäftigten aufge-fordert, Ideen einzubringen, damit die Verwaltung effekti-ver und effizienter wird. Für die Bundeswehr hatte dasBundesministerium der Verteidigung (Bundesministe-rium) dazu ein eigenes Verfahren erarbeitet. Dieses Ver-fahren legte das Bundesministerium zuletzt im Jahre 1989mit der „Richtlinie für das Vorschlagwesen in der Bun-deswehr“ fest. Im Zusammenhang mit der Einführung derKosten- und Leistungsrechnung ersetzte es das Vor-schlagwesen ab dem Jahre 1996 durch den neuen Ansatzdes „Kontinuierlichen Verbesserungsprogramms“ (KVP).Dieser Ansatz betont besonders die Verantwortung derFührungskräfte und die Kontinuität der Verbesserungs-prozesse.

Auch die ressortübergreifende „Rahmenrichtlinie für einmodernes Ideenmanagement in der Bundesverwaltung“aus dem Jahre 2002 setzte ähnliche Schwerpunkte. DasInstrument des Vorschlagwesens sollte damit zu einemmodernen, dezentralen Ideenmanagement umgestaltetwerden. Ziel war, dass möglichst viele Mitarbeiterinnenund Mitarbeiter ihre Kreativität und Sachkunde einbrin-gen sollten, um die Aufgabenerfüllung und die Leistungs-fähigkeit der Bundesverwaltung stetig zu verbessern.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 181 – Drucksache 16/XXXX

Anfang 2003 passte das Bundesministerium diese Rah-menrichtlinie den spezifischen Verhältnissen seines Ge-schäftsbereichs an und gab wiederum eine eigene Richt-linie heraus. Statt des Begriffs „Ideenmanagement“behielt es jedoch die Bezeichnung „Kontinuierliches Ver-besserungsprogramm“ bei.

Der Bundesrechnungshof hatte im Jahre 2004 mit Unter-stützung des Prüfungsamtes des Bundes München dasKVP in der Territorialen Wehrverwaltung untersucht unddabei Schwächen hinsichtlich Wirtschaftlichkeit undWirksamkeit festgestellt. Daher erweiterte er die Prüfungim Jahre 2005 auch auf die militärischen Organisations-bereiche Heer, Luftwaffe, Marine, Streitkräftebasis undZentraler Sanitätsdienst der Bundeswehr.

Die Prüfung ergab, dass die Organisationsbereiche diebundeswehreigene Richtlinie mit Durchführungsbestim-mungen ergänzt hatten, die sich voneinander in Aufbau,Umfang und Aktualität stark unterschieden. Die Bundes-wehr plante zwar eine Zentrale Dienstvorschrift, die ein

einheitliches KVP gewährleisten sollte; sie hatte die Vor-schrift aber noch nicht herausgegeben. Sie liegt inzwi-schen als Entwurf vor und trägt die Bezeichnung 1/500„Das Kontinuierliche Verbesserungsprogramm in derBundeswehr“.

Für die Umsetzung des KVP richtete die Bundeswehr zu-sätzliche Strukturen ein. Dazu gehörten Koordinierungs-stellen, KVP-Moderatoren und Projektgruppen. Den Per-sonalbedarf für die Koordinierungsstellen ermittelte dieBundeswehr nicht anhand der für die Bundesverwaltungvorgeschriebenen Verfahren. Insgesamt betrieb die Bun-deswehr für das KVP einen wesentlich höheren Verwal-tungsaufwand als für das frühere Vorschlagwesen.

Seit dem Jahre 2000 ging die Anzahl der Vorschläge inden militärischen Organisationsbereichen der Bundes-wehr kontinuierlich zurück (vgl. Abbildung). Auch beiBeachtung des sinkenden Personalbestandes der Bundes-wehr waren die (relativen) Vorschlagshäufigkeiten rück-läufig.

A b b i l d u n g

Entwicklung der Anzahl der Vorschläge in den militärischen Organisationsbereichen der Bundeswehr

Anmerkung: Der Wert für das Jahr 2000 ist seitens der Bundeswehr mit Unsicherheiten behaftet.

6 600

2 313

1 743 1 6041 375

0

1 000

2 000

3 000

4 000

5 000

6 000

7 000

2000 2001 2002 2003 2004

Jahr

Anzahl Vorschläge

Drucksache 16/XXXX – 182 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Das KVP stieß bei vielen Beschäftigten – auch bei Füh-rungskräften und sogar beim Personal der KVP-Struktu-ren – auf Kritik. Die Beschäftigten störten sich insbesonderean Verfahrensmängeln, wie langen Bearbeitungszeitenund unzureichender Transparenz der Entscheidungen.Das Instrument der Projektgruppenarbeit, das die Kreati-vität der Beschäftigten hätte aktivieren können, setztendie Organisationsbereiche nur wenig ein.

Darüber hinaus stellte der Bundesrechnungshof fest:

● Die Fachaufsicht zum KVP war auf allen Ebenen un-einheitlich oder nicht geregelt.

● Die Bundeswehr hatte kein zentrales Berichtswesenmit steuerungsrelevanten Kennzahlen zum KVP. DieWeiterentwicklung des KVP verlief daher unkoordi-niert.

● Um zu entscheiden, welche Verbesserungsvorschlägeumgesetzt werden sollen, führten die zuständigen Be-schäftigten nicht immer Wirtschaftlichkeitsuntersu-chungen durch, obwohl die Bundeshaushaltsordnungund die KVP-Richtlinie dies vorschreiben.

● Die Beschäftigten in den KVP-Strukturen berücksich-tigten grundsätzlich die mit einem Verbesserungsvor-schlag zu erzielenden Einsparungen, um die Höhe derjeweiligen Prämie festzusetzen. Dabei zählten jedochnur unmittelbar haushaltswirksame Einsparungen.Künftige Personaleinsparungen sowie kalkulatorischeKosten blieben unberücksichtigt.

Neben dem KVP betrieb die Bundeswehr weitere Verfah-ren, die das Ideenpotenzial der Beschäftigten ausschöpfensollten. So richtete sie im November 2005 eine so ge-nannte „Konzepteingangsstelle“ beim Zentrum für Trans-formation der Bundeswehr ein. Diese Stelle sollte innova-tive Ideen für die Transformation der Bundeswehr undzur Verbesserung ihrer Einsatzfähigkeit aufnehmen. Ein-gehende Vorschläge sollten systematisch erfasst, bewertetund zur Weiterentwicklung an die dafür zuständigen Stel-len geleitet werden. Die verschiedenen Verfahren desIdeenmanagements in der Bundeswehr waren untereinan-der nicht abgestimmt.

38.2

Mit Blick auf das Finanzvolumen des Einzelplans und die– nach eigenen Angaben – vielfachen Engpässe der Bun-deswehr, ihre nötigsten Investitionen zu finanzieren,müsste das Vorschlagwesen gerade für das Verteidigungs-ressort besonders wichtig sein. Auch nach Auffassungdes Bundesrechnungshofes könnte die Kreativität der Be-schäftigten wirksam dazu beitragen, die hohen Betriebs-,Verwaltungs- und Personalkosten im Geschäftsbereich zuverringern, damit mehr Mittel für Investitionen frei wer-den.

Der Bundesrechnungshof hat anerkannt, dass das Bun-desministerium als eines der ersten Ressorts versucht hat,mit dem Übergang zum KVP das Vorschlagwesen effekti-ver zu machen. Er hat allerdings beanstandet, dass dielangfristige Wirksamkeit des neuen Ansatzes nicht si-

chergestellt ist, weil eine konsequente Fachaufsicht fürdas KVP fehlt. Verschiedene Schwachstellen im KVP-Ansatz hätte das Bundesministerium früher erkennen undabstellen müssen; dazu zählen

● unterschiedliche Verfahren in den Organisationsberei-chen wegen ungenügender Koordinierung,

● unzureichende Nutzung der vorgegebenen Instru-mente,

● sinkende Anzahl von Vorschlägen trotz steigendenAufwands und

● zunehmende Akzeptanzprobleme.

Der Bundesrechnungshof hat empfohlen, das KVP unterzentraler Leitung weiter zu entwickeln und die Fachauf-sicht zu verbessern. Die im Entwurf vorliegende Vor-schrift 1/500 „Das Kontinuierliche Verbesserungspro-gramm in der Bundeswehr“ sollte sobald als möglichfertig gestellt werden und in Kraft treten. SpezifischeDurchführungsbestimmungen für die einzelnen Organisa-tionsbereiche sollten sich auf das zwingend notwendigeMindestmaß beschränken. Die Bundeswehr sollte imÜbrigen den Verwaltungsaufwand für das KVP prüfenund ggf. anpassen.

Die Art und Weise, wie die Höhe von Prämien im KVPfestgesetzt wird, senkt nach Auffassung des Bundesrech-nungshofes die Motivation der Beschäftigten, sich aktiveram KVP zu beteiligen. Auch Hinweise auf nicht soforthaushaltswirksame Einsparmöglichkeiten sollten grund-sätzlich beachtet werden. Vor allem Rationalisierungs-vorschläge zum Personalbereich – dem weitaus größtenKostenblock der Bundeswehr – sollten prämiert werdenkönnen.

Darüber hinaus sollte das Bundesministerium nicht un-koordiniert weitere Verfahren zum Ideenmanagement ne-ben dem KVP betreiben, da solche Parallelstrukturen un-wirtschaftlich sind.

38.3

● Das Bundesministerium hat erklärt, dass die Untersu-chungsergebnisse und Bewertungen des Bundesrech-nungshofes zum KVP mit seinen eigenen Analysenübereinstimmen. Wesentliche Bereiche des KVP seiennoch nicht bundeswehreinheitlich. Mit der neuen Zen-tralen Dienstvorschrift 1/500 „Das KontinuierlicheVerbesserungsprogramm in der Bundeswehr“ sollendie aufgezeigten Mängel abgestellt werden. Der jetztvorliegende Entwurf dazu berücksichtige sämtlicheEmpfehlungen des Bundesrechnungshofes. Der Ent-wurf werde nun durch die fachlich zuständigen Stellengeprüft.

● Das Bundesministerium hat auf erste Maßnahmen ver-wiesen, die es inzwischen ergriffen habe, um das KVPzu verbessern. Es habe die zentrale Steuerung intensi-viert und die Organisationsbereiche würden nun stärkerzusammenarbeiten. Im Jahre 2005 seien fast 20 Prozentmehr Vorschläge eingereicht worden als im Vorjahr.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 183 – Drucksache 16/XXXX

Das Bundesministerium habe eine eigene Untersu-chung „Strategien zur Forcierung des KVP in der Bun-deswehr – Empfehlungen auf der Grundlage derErgebnisse der Streitkräftebefragung 2005“ durchge-führt. Diese habe die Gründe für die rückläufige An-zahl der Vorschläge analysiert; die Erkenntnisse seienin die neue Dienstvorschrift eingeflossen.

● Aus Sicht des Bundesministeriums diene die Konzept-eingangsstelle primär dem Zweck, Konzepte zu ent-wickeln, wie die Einsatzfähigkeit der Bundeswehrverbessert werden kann, und diese experimentell zutesten. Dies schließe nicht aus, dass Konzeptideen zu-gleich als Vorschläge zum KVP eingereicht würden.

38.4

Der Bundesrechnungshof befürwortet grundsätzlich dieMaßnahmen, die das Bundesministerium angekündigthat, um das KVP der Bundeswehr zu verbessern. Er wirdbeobachten, ob es der Bundeswehr damit gelingt, ihre Be-schäftigten zu motivieren, sich wieder mehr im KVP zuengagieren. Ziel muss es sein, die Anzahl der Vorschlägenachhaltig zu steigern.

Der Bundesrechnungshof legt dem Bundesministeriumaber dringend nahe, die Zentrale Dienstvorschrift als we-sentliches Instrument zur Stärkung und Standardisierungdes KVP in der Bundeswehr alsbald zu erlassen. Die neueVorschrift sollte auch dazu dienen, die Prämienberech-nung transparenter und effektiver zu gestalten.

Damit das KVP der Bundeswehr wirtschaftlich arbeitet,muss sein Verwaltungsaufwand – insbesondere der Perso-nalaufwand – so gering wie möglich gehalten werden.Daher bleibt das Bundesministerium aufgefordert, denPersonalbedarf für die KVP-Strukturen nach den aner-kannten Verfahren zu bemessen und zu bestimmen.

Grundsätzlich sollte die Bundeswehr neben dem KVPkeine weiteren Verfahren des Ideenmanagements betrei-ben. Falls doch, müssen die Strukturen des KVP und derparallelen Verfahren bestmöglich aufeinander abgestimmtsein.

39 20 Mio. Euro zu viel für die Beschaffung von Präzisionsbomben ausgegeben(Kapitel 1415 Titel 554 04)

39.0

Die Bundeswehr hat rund 20 Mio. Euro zu viel ausge-geben, weil sie Rüstsätze für Präzisionsbomben über ih-ren Bedarf hinaus beschaffte und nicht den günstigstenAnbieter auswählte. In den Jahren 2000 bis 2005 kauftedie Bundeswehr für rund 71 Mio. Euro in drei LosenRüstsätze, um herkömmliche Bomben für zielgenaue Ab-würfe auszurüsten. Im Jahre 2002 bestellte sie das dritteLos für 16 Mio. Euro, obwohl sie mehr als ein Jahr zuvorentschieden hatte, die Anzahl der Kampfflugzeuge, die

diese Bomben einsetzen sollten, in etwa zu halbieren. Zu-dem ließ die Bundeswehr die Rüstsätze in Deutschland inLizenz fertigen, obwohl sie beim amerikanischen Herstel-ler 3,6 Mio. Euro weniger gekostet hätten.

39.1

Die Bundeswehr beabsichtigte, einen Teil der für dasKampfflugzeug Tornado bevorrateten, ungelenkten Bom-ben mit Steuervorrichtungen für Präzisionsabwürfe auf-zurüsten. Die dazu benötigten Rüstsätze beschaffte sie inden Jahren 2000 bis 2005 für insgesamt 71 Mio. Euro.

Der Bundesrechnungshof untersuchte mit Unterstützungdurch das Prüfungsamt des Bundes Koblenz das Vergabe-verfahren sowie die Beschaffung der Rüstsätze und stelltefest:

Die Bundeswehr legte im Jahre 1994 in einer „Taktisch-Technischen Forderung“ den Bedarf an Rüstsätzen fest.Die Höhe des Bedarfs begründete sie nicht. Im Jahre1998 erhöhte die Bundeswehr diesen Bedarf in der „Ein-führungsgenehmigung“ auf nahezu das Doppelte. DieRüstsätze sollten in drei Losen beschafft werden. Derweit überwiegende Anteil war für zwei Jagdbomber-geschwader der Luftwaffe vorgesehen; die übrigen solltedie Marine erhalten. Anfang 2001 entschied das Bundes-ministerium der Verteidigung (Bundesministerium), einesder beiden Jagdbombergeschwader aufzulösen. Bis dahinhatte die Bundeswehr bereits zwei Lose mit insgesamtrund 80 % der Gesamtmenge beauftragt. Die Bundeswehrprüfte nicht, wie sich der starke Rückgang der mit derPräzisionsbombe zu bewaffnenden Flugzeuge auf denBedarf auswirkte. Im August 2002 orderte die Bundes-wehr auch das dritte Los mit einem Auftragswert vonrund 16 Mio. Euro.

Die Bundeswehr konnte die Rüstsätze vom amerikani-schen Hersteller oder als Lizenzbau eines deutschen Un-ternehmens beschaffen. Der deutsche Auftrag hätte weni-ger als 1 % der Gesamtproduktion des Herstellers andiesen Rüstsätzen betragen. Mitte des Jahres 1997 for-derte sie beide Unternehmen zu einem Angebot für einerstes Beschaffungslos auf. Das Angebot des Herstellerswar rund 3 Mio. Euro günstiger. Er hatte sich zudemschriftlich bereit erklärt, vor Ablauf der Angebotsbin-dungsfrist – sofern er dazu aufgefordert würde – ein neuesAngebot abzugeben. Außerdem bot der Hersteller zumAusgleich der Handelsbilanz Geschäfte für deutsche Un-ternehmen in voller Auftragshöhe an. Die Bundeswehrgab dem deutschen Unternehmen Gelegenheit, sein An-gebot nachzubessern. Obwohl das Angebot des Herstel-lers danach immer noch rund 1 Mio. Euro günstiger war,erhielt das deutsche Unternehmen am 30. Januar 1998den Auftrag. Die Lizenzfertigung erzielte rund ein Drittelihrer Wertschöpfung in Deutschland.

Der Hersteller forderte in seinem Angebot eine Voraus-zahlung von 50 % des Auftragswertes. Als dieses Ange-bot vorlag, waren die Zahlungsbedingungen mit demdeutschen Unternehmen noch nicht geklärt. Die Bundes-

Drucksache 16/XXXX – 184 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

wehr gewährte dem deutschen Unternehmen schließlichfinanzielle Vorleistungen in Höhe von rund 80 % desAuftragswertes vor Lieferung der ersten fertigen Rüst-sätze.

Der Kauf aller drei Lose in Deutschland kostete schließ-lich rund 3,6 Mio. Euro mehr als der Kauf beim Herstel-ler. Hiervon entfielen 1,5 Mio. Euro auf die Lizenzfer-tigung. Weitere 2,1 Mio. Euro kamen hinzu, weil dieBundeswehr mit dem deutschen Unternehmen eine Preis-gleitklausel vereinbart hatte. Der Hersteller hatte demge-genüber einen Festpreis über die gesamte Vertragslaufzeitangeboten.

39.2

Nach Auffassung des Bundesrechnungshofes hätte dieBundeswehr ihren Bedarf an Präzisionsbomben spätes-tens überprüfen müssen, bevor sie das dritte Los an Rüst-sätzen im Jahre 2002 in Auftrag gab. Dabei hätte sie be-rücksichtigen müssen, dass sie nach ihrer Entscheidungim Jahre 2001 die Kampfflugzeuge des Typs Tornado imgroßen Umfang ausmustern wollte; denn nur diese solltenmit den Bomben ausgerüstet werden. Das dritte Los fürrund 16 Mio. Euro war daher nicht mehr notwendig.

Der Bundesrechnungshof hat weiterhin das Vergabever-fahren, insbesondere die Mängel der Angebotsauswer-tung, beanstandet. Die Mehrausgaben von rund 3,6 Mio.Euro waren vermeidbar.

Der Bundesrechnungshof hat dem Bundesministeriumempfohlen zu klären, wer für die Mehrausgaben von ins-gesamt rund 20 Mio. Euro verantwortlich ist.

39.3

Das Bundesministerium hat eingeräumt, dass es seinenBedarf an Präzisionsbomben nicht nachvollziehbar mili-tärisch begründet hatte, als es die Beschaffung einleitete.Obwohl beschlossen worden sei, die Tornado-Flotte zuverkleinern, sei es aber richtig gewesen, auch das dritteLos Rüstsätze zu beschaffen. Der Bedarf an Präzisions-bomben werde von der NATO anhand verschiedener Ein-satzszenarien vorgegeben. Wesentlich seien dabei die zubekämpfenden Ziele und nicht die Anzahl der Flugzeuge,die für den Einsatz der Bomben vorgesehen seien. DerBedarf werde alle zwei Jahre aktuell berechnet. AufNachfrage erklärte das Bundesministerium, dass die frü-heren Berechnungsergebnisse mit jeder neuen Berech-nung überschrieben würden; ein Archiv existiere nicht.Der gegenwärtige Bedarf entspreche rund 30 % der be-schafften Menge.

Das Bundesministerium hat die Mehrausgaben von3,6 Mio. Euro bestätigt. Durch die Vergabe an das deut-sche Unternehmen habe der Bund aber 9,9 Mio. EuroMehrwertsteuer eingenommen. Zudem sei die Vergabeauch deshalb nicht zu beanstanden, weil die Bindungsfristdes amerikanischen Angebots zu diesem Zeitpunkt abge-

laufen gewesen sei. Außerdem hätte es die vom Herstellergeforderte Vorauszahlung in Höhe von 50 % des Auf-tragswertes wegen einer Haushaltssperre nicht finanzie-ren können. Wenn es den Hersteller später zu einem er-neuten Angebot aufgefordert hätte, wären höhereStückpreise verlangt worden. Insofern sei kein finanziel-ler Schaden entstanden; die Frage eines Regressverfah-rens stelle sich daher nicht.

39.4

Der Bundesrechnungshof bleibt bei seiner Bewertung,dass die erhebliche Verkleinerung der Tornado-Flotte er-fordert hätte, den Bedarf an Präzisionsbomben zu über-prüfen und zu verringern. Wenn die Anzahl der Flug-zeuge, die diese Waffe einsetzen sollen, nahezu halbiertwird, muss sich dies – bei ansonsten gleichen Parame-tern – auch auf den Bedarf an Bomben auswirken. Dervon der Bundeswehr mitgeteilte aktuelle Bedarf von rund30 % der beschafften Menge bestätigt dies eindrücklich.Da die Bundeswehr zum Zeitpunkt der Entscheidung überdie Auflösung des Jagdbombergeschwaders schon 80 %der Gesamtmenge beschafft hatte, hätte sie zumindest aufdas dritte Los mit den restlichen 20 % verzichten müssen.

Der Bundesrechnungshof hält auch seine Beanstandungaufrecht, dass die Bundeswehr die vorliegenden Ange-bote falsch ausgewertet hat. Bei korrekter Auswertunghätte der Hersteller den Zuschlag erhalten müssen, dasein Angebot (für das erste Los) – auch nach der Nach-besserung des deutschen Unternehmens – rund 1 Mio.Euro günstiger war. Wenn die Angebotsfrist des Herstel-lers abgelaufen war, hätte ihn die Bundeswehr – wie vonihm offeriert – um ein neues Angebot bitten müssen. Dader Auftrag für die Bundeswehr weniger als 1 % der Pro-duktion des Herstellers betragen hätte, teilt der Bundes-rechnungshof nicht die Befürchtung des Bundesministeri-ums, dass der Hersteller in Folgeangeboten höhereStückpreise gefordert hätte.

Ebenso wenig hätte die Bundeswehr den Hersteller we-gen der von ihm geforderten Vorauszahlung von der Ver-gabe ausschließen dürfen, da sie zu diesem Zeitpunkt dieZahlungsmodalitäten mit dem Konkurrenten noch nichtvereinbart hatte. Diesem gestand sie schließlich sogar we-sentlich höhere finanzielle Vorleistungen zu.

Die bei einer Vergabe an den amerikanischen Herstelleranfallende deutsche Einfuhrumsatzsteuer wäre in etwagenauso hoch wie die von dem deutschen Unternehmenfür den Auftrag zu entrichtende Mehrwertsteuer. Die fürden Bundeshaushalt zu erwartenden Steuereinnahmenwaren im Übrigen für die Vergabeentscheidung bedeu-tungslos.

Der Bundesrechnungshof bleibt bei seiner Empfehlung.Das Bundesministerium sollte der Verantwortlichkeit fürden Schaden von insgesamt rund 20 Mio. Euro nachge-hen, damit sich die aufgezeigten Mängel nicht wieder-holen.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 185 – Drucksache 16/XXXX

40 Fallschirmspringen künftig belastungs-gerecht abgelten(Kapitel 1403 Titel 423 01)

40.0

Die Bundeswehr zahlt Fallschirmspringerinnen und Fall-schirmspringern kontinuierlich eine Erschwerniszulage,obwohl die Erschwernisse nur zeitweise bestehen. Solda-tinnen und Soldaten der Bundeswehr müssen nur viermal,Beamtinnen und Beamte der Bundespolizei müssen dage-gen zwölfmal jährlich mit dem Fallschirm abspringen,um ihre Sprungberechtigung und ihren Zulagenanspruchzu erhalten.

Der Bundesrechnungshof empfiehlt, die Voraussetzungenfür die Erschwerniszulage einheitlich zu regeln und dabeidie jeweiligen Besonderheiten des Sprungdienstes ange-messen zu berücksichtigen. Erschwernisse beim Fall-schirmsprungdienst, die nur von Zeit zu Zeit bestehen,sollten künftig nur einzeln abgegolten werden.

40.1

Soldatinnen und Soldaten sowie Beamtinnen undBeamte, die als Fallschirmspringer oder entsprechendeAusbilder verwendet werden, erhalten nach der Er-schwerniszulagenverordnung eine Zulage in Höhe vonrund 115 Euro monatlich. Persönliche Voraussetzungenfür den Erhalt der Zulage sind für alle Soldatinnen undSoldaten der Nachweis der körperlichen Tauglichkeit, eingültiger Militärfallschirmspringerschein und jährlich vierFallschirmsprünge mit automatischer Auslösung des Fall-schirms (Automatiksprünge). Für die Erschwerniszulagewendet die Bundeswehr insgesamt rund 4,5 Mio. Eurojährlich auf, davon rund 0,4 Mio. Euro für Wehrsoldemp-fänger. Im Bereich der Bundespolizei sind für den Erhaltder Sprungberechtigung und der Zulage jährlich zwölfmanuelle Fallschirmsprünge gefordert, bei denen derSpringer die Öffnung des Fallschirms selbst auslöst.

Der Bundesrechnungshof hat festgestellt, dass fast dieHälfte der Soldatinnen und Soldaten in den Einsatzkom-panien der Fallschirmjägerbataillone der Bundeswehr nurdie vier vorgeschriebenen Automatiksprünge absolviert.Aufgrund dieser Zahl von Fallschirmsprüngen erhieltensie die Zulage für ein weiteres Jahr. Im Durchschnittsprangen die Soldatinnen und Soldaten der Luftlandeein-heiten im Zeitraum 2003 bis 2005 etwa fünf- bis sechsmalpro Jahr. Nur wenige erreichten zehn oder mehr Sprünge.Soldatinnen und Soldaten, die sich neben einer anderwei-tigen Verwendung oder während eines Lehrganges inÜbung halten müssen – so genannte Inübunghalter – ab-solvierten regelmäßig vier Automatiksprünge, erhieltenaber eine deutlich geringere Zulage. Die vier Automatik-sprünge der Soldatinnen und Soldaten der Luftlandeein-heiten und der Inübunghalter wurden oftmals nur an einemoder an zwei Terminen im Sommerhalbjahr durchgeführt.

Einige Soldatinnen und Soldaten erhielten insgesamt18 Monate ununterbrochen die Erschwerniszulage, nach-dem sie im Juli an der Luftlande-/Lufttransportschule derBundeswehr während des Fallschirmspringerlehrgangsvier Automatiksprünge absolviert hatten.

40.2

Der Bundesrechnungshof hält eine laufende monatlicheErschwerniszulage für nur vier Automatiksprünge an oft-mals nur wenigen Sprungtagen pro Jahr für nicht sachge-recht. Eine monatliche Zahlung der Zulagen erfordert,dass die Erschwernisse grundsätzlich in jedem Monatvorliegen. Unterschiedlich hohe Zulagen sollten durchunterschiedlich hohe Erschwernisse begründet sein. DerBundesrechnungshof hat das Bundesministerium der Ver-teidigung (Bundesministerium) daher aufgefordert, diebisherige Praxis zu überdenken und die besonderen Er-schwernisse des einzelnen Fallschirmsprungs angemes-sen zu berücksichtigen.

40.3

Das Bundesministerium hat die insgesamt geringeSprungzahl damit begründet, dass es zu wenig Transport-und Absprungmöglichkeiten gebe und dass die Fall-schirme teilweise von anderen Einheiten ausgeliehenwerden müssten. Außerdem lasse das Wetter häufig dasFallschirmspringen nicht zu. Die Anzahl der Sprung-dienste müsse sich an den veränderten Aufgaben der Bun-deswehr sowie an den Lufttransportkapazitäten messenlassen. Die Zahl der für Fallschirmsprünge vorzuhalten-den Flugzeuge und Hubschrauber sei abhängig von denfür Auslandseinsätze benötigten Kapazitäten, dem Um-fang der technisch und luftverkehrsrechtlich vorgeschrie-benen Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten und nichtvorhersehbaren kurzfristigen Ausfällen.

Das Bundesministerium hat ferner erläutert, dass die ab-zugeltenden Erschwernisse nicht allein durch die Anzahlder Sprünge, sondern auch durch die mit dem Fallschirm-sprung verbundenen physischen und psychischen Belas-tungen begründet seien. Aktive Fallschirmspringer müss-ten ständig in der Lage sein, im Fallschirmsprungdiensteingesetzt werden zu können. Es ergäben sich andere An-forderungen an das Herstellen und Halten der körperli-chen Leistungsfähigkeit als bei Soldatinnen und Soldaten,die zur Inübunghaltung verpflichtet seien. Es halte denVergleich zwischen Fallschirmspringern der Bundeswehrund der Bundespolizei vor dem Hintergrund der unter-schiedlichen Einsatzspektren für abwegig. Die körperli-che Belastung sei bei Sprüngen der Fallschirmjägertruppeaufgrund des eingesetzten Rundkappen-Fallschirms zu-dem höher als bei den von der Bundespolizei eingesetztenFlächenfallschirmen. Das gesundheitliche Risiko werdedurch mitgeführte Bewaffnung, Ausrüstung und Ausstat-tung erhöht. Das Bundesministerium hat ferner dargelegt,dass durch die Definition von vier Automatiksprüngen alsmilitärisch notwendiges Minimum die Betriebskosten(Flugstunden, Materialverschleiß usw.) begrenzt und da-mit ein wirtschaftlicher Ansatz erreicht würde.

40.4

Der Bundesrechnungshof verkennt nicht, dass das Fall-schirmspringen von vielen Faktoren abhängt und durchWitterungseinflüsse sowie Transportmöglichkeiten durchFlugzeuge in starkem Maße fremdbestimmt ist. Dies führt

Drucksache 16/XXXX – 186 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

dazu, dass die Zulagen begründenden Erschwernissenicht dauerhaft, sondern nur von Zeit zu Zeit vorliegen.

Der Bundesrechnungshof ist daher der Auffassung, dassdie militärischen Mindestanforderungen von vier Auto-matiksprüngen eine monatliche Zahlung der Zulagennicht rechtfertigen. Auch der Vergleich mit der Bundes-polizei zeigt deutlich, dass die Erschwernisse durch dasFallschirmspringen und nicht die jeweiligen Einsatzspek-tren den Anspruch auf die Zulage begründen. Der Bun-desrechnungshof hält eine körperliche Mehrbelastungdurch den Automatiksprung im Vergleich zu den bei derBundespolizei eingesetzten Flächenfallschirmen für mög-lich. Eine dauerhafte psychische Belastung der Soldatin-nen und Soldaten in den Einsatzkompanien der Fall-schirmjägerbataillone der Bundeswehr ist jedoch nichtbelegt. Die besondere körperliche und psychische Belas-tung des Fallschirmspringens sollte daher nur dann mit ei-ner Zulage abgegolten werden, wenn die Belastungen tat-sächlich vorliegen. Für Erschwernisse, die nur von Zeitzu Zeit vorliegen, bietet sich eine Abgeltung pro Fall-schirmsprung als sachgerecht an.

Soweit das Bundesministerium das militärische Mini-mum von vier Automatiksprüngen und die damit verbun-denen Sachausgaben für wirtschaftlich erachtet, lässt esdie jährlichen Personalausgaben für oftmals nur vierSprünge außer Acht. Die monatliche Fallschirmspringer-zulage von rund 115 Euro ergibt bei vier Sprüngen imJahr einen Betrag von rund 350 Euro je Sprung. Der Bun-desrechnungshof hält dieses für nicht gerechtfertigt, zumalsich bei der Bundespolizei bei 12 Sprüngen jährlich einBetrag von rund 115 Euro pro Fallschirmsprung errechnet.

Der Bundesrechnungshof empfiehlt daher, die monatlicheZulage durch eine Abgeltung für den einzelnen Fall-schirmsprung zu ersetzen und die Anzahl der abgeltungs-fähigen Fallschirmsprünge zu begrenzen. Damit könnteeine gesonderte monatliche Zulage für Inübunghalter ent-fallen. Die jeweiligen Besonderheiten des Fallschirm-sprungdienstes, wie die stärkere körperliche Belastungbeim Automatiksprung, können bei der Bemessung derZulagenhöhe angemessen berücksichtigt werden, ohnedass durch eine Neuregelung Mehrausgaben für den Bun-deshaushalt entstehen.

41 Gesundheitsmodernisierungsgesetz nicht wirkungsgleich auf das System der Beihilfe übertragen(Titel 441 01)

41.0

Das Bundesministerium der Verteidigung hat wesentlicheÄnderungen des Gesetzes zur Modernisierung der gesetz-lichen Krankenversicherung nicht wirkungsgleich auf dasSystem der Beihilfe für Beamtinnen und Beamte übertra-gen. Es ist damit einer Forderung des Deutschen Bundes-tages nicht nachgekommen. Die Abweichungen betreffeninsbesondere den Abzug der Praxisgebühr sowie die Er-stattung von Aufwendungen für nicht verschreibungs-pflichtige Medikamente. Allein im Bereich einer von vierWehrbereichsverwaltungen wurden dadurch jährlich Bei-

hilfeleistungen für nicht verschreibungspflichtige Arznei-mittel in Höhe von ca. 5,5 Mio. Euro gewährt, obwohldiese Aufwendungen nicht beihilfefähig waren.

41.1

41.1.1

Beamtinnen und Beamte haben gegenüber ihrem Dienst-herrn Anspruch auf Beihilfen im Krankheitsfall. DiesenAnspruch konkretisieren die Beihilfevorschriften desBundes. Beihilfeberechtigte schließen mit Dritten, z. B.niedergelassenen Ärzten, Verträge über Krankenbehand-lungen ab und bezahlen ärztliche und zahnärztliche Leis-tungen selbst. Von ihrem Dienstherrn erhalten sie einenTeil ihrer Ausgaben als Beihilfe erstattet. Der DeutscheBundestag hat die Bundesregierung aufgefordert, die„Be- und Entlastungen durch das GKV-Modernisierungs-gesetz“ wirkungsgleich in die Beihilfe- und Versorgungs-regelungen für Ministerinnen und Minister sowie für Be-amtinnen und Beamte zu übertragen. Mit der Änderungder Beihilfevorschriften des Bundes zum 1. Januar 2004werden Beihilfeberechtigte durch Zuzahlungen und Ei-genanteile vergleichbar belastet wie gesetzlich Kranken-versicherte. So ist die so genannte Praxisgebühr für jedenersten Besuch im Quartal bei einem Arzt oder Zahnarztzu erheben. Nach den Beihilfevorschriften des Bundesmüssen dessen Beihilfestellen bei jeder ersten Inan-spruchnahme der jeweiligen Leistung je Kalenderviertel-jahr die Beihilfe pauschal um den Eigenbehalt von10 Euro mindern. Besonderheiten hat das Bundesministe-rium des Innern im Rahmen seiner Grundsatzzuständig-keit für das Beihilferecht in seinen „Hinweisen“ geregelt.Danach können Beihilfeberechtigte – wie gesetzlich Ver-sicherte – in einem Quartal mit höchstens 20 Euro Eigen-behalt belastet werden. Seit dem 1. August 2004 sindgrundsätzlich nur verschreibungspflichtige Arzneimittelbeihilfefähig. Aufwendungen für nicht verschreibungs-pflichtige Arzneimittel sind nur noch im Ausnahmefallbeihilfefähig.

41.1.2

Der Bundesrechnungshof hat mit Unterstützung von vierPrüfungsämtern des Bundes festgestellt, dass im Ge-schäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung(Bundesministerium) die Vorschriften und Regelungenzum Eigenbehalt, der so genannten Praxisgebühr, und zuden Aufwendungen für nicht verschreibungspflichtigeArzneimittel nicht wirkungsgleich angewendet werden.

● Das Bundesministerium hat den Beihilfestellen derWehrbereichsverwaltungen vorgegeben, in einemQuartal nur für die jeweils erste Inanspruchnahme ei-ner Krankenbehandlung die Praxisgebühr, höchstens10 Euro, einzubehalten. Weitere im gleichen Quartalin Anspruch genommene ärztliche oder zahnärztlicheLeistungen mindern die Beihilfe nicht.

● Die Beihilfestellen der Wehrbereichsverwaltungen er-statten grundsätzlich alle ärztlich verordneten Medika-mente, auch wenn diese nicht verschreibungspflichtigsind. Bei der Festsetzung der Beihilfe wird nicht zwi-schen verschreibungspflichtigen und nicht verschrei-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 187 – Drucksache 16/XXXX

bungspflichtigen Arzneimitteln unterschieden. Da-durch werden Beihilfezahlungen für Medikamentegeleistet, die nach dem Leistungsstandard der gesetzli-chen Krankenversicherung auch dann nicht mehr er-stattet werden, wenn sie vom Arzt verordnet wordensind. Diese Praxis führt zu erheblich höheren Beihilfe-leistungen im Bereich des Bundesministeriums imVergleich zur übrigen Bundesverwaltung.

Das Prüfungsamt des Bundes Frankfurt am Main hat al-lein für den Bereich der Beihilfestelle der Wehrbereichs-verwaltung West für das Jahr 2004 eine Beihilfeleistungfür nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel in Höhevon ca. 5,5 Mio. Euro ermittelt. Diese wurden erstattet,obwohl die Aufwendungen nicht beihilfefähig waren. Daauch die übrigen drei Wehrbereichsverwaltungen entspre-chend dem Erlass des Bundesministeriums verfahren,geht der Bundesrechnungshof von einem erheblich höhe-ren Betrag an zu viel erstatteter Beihilfe aus.

41.2

Der Bundesrechnungshof hat das Bundesministerium da-rauf hingewiesen, dass es das Gesundheitsmodernisie-rungsgesetz in wesentlichen Punkten nicht wirkungs-gleich auf das System der Beihilfe übertragen hat. DerEinbehalt der Praxisgebühr und die Erstattung nicht ver-schreibungspflichtiger Medikamente entsprechen nichtdem Standard der gesetzlichen Krankenversicherung undbegünstigen die Beihilfeberechtigten im Bereich des Bun-desministeriums gegenüber denen der übrigen Ressorts.Der Bundesrechnungshof hat das Bundesministerium auf-gefordert, eine einheitliche Beihilfe konforme Erstattungs-praxis im Geschäftsbereich sicherzustellen und seine ent-gegenstehenden Erlasse zu ändern bzw. aufzuheben.

41.3

41.3.1

Das Bundesministerium hat darauf hingewiesen, dass dieFormulierung der Beihilfevorschriften vom Wortlaut hernicht eindeutig sei. Sie könne auch so verstanden werden,dass insgesamt nur ein Einbehalt je Kalendervierteljahranfallen dürfe. Die ergänzenden Hinweise des Bundes-ministeriums des Innern zu den Beihilfevorschriften seiennach Auffassung des Bundesministeriums für seinen Ge-schäftsbereich nicht bindend.

Soweit die Beihilfevorschriften zu den nicht verschrei-bungspflichtigen Arzneimitteln auf das Recht der gesetz-lichen Krankenversicherung (Sozialgesetzbuch V) sowieauf die Arzneimittelrichtlinien verweisen, hat das Bun-desministerium die Auffassung vertreten, dass dieseRichtlinien auf Vertragsärzte und gesetzliche Kranken-kassen ausgerichtet seien. Bei ärztlich verordneten Arz-neimitteln sei generell davon auszugehen, dass es sich ummedizinisch notwendige Maßnahmen nach Maßgabe derArzneimittelrichtlinien handele. Eine Einzelfallprüfungdurch die Beihilfesachbearbeitung erfordere erheblichemedizinische und pharmazeutische Fachkenntnisse, die inder Regel nicht vorhanden seien.

41.3.2

Der Bundesrechnungshof hat das für das Beihilferechtgrundsätzlich zuständige Bundesministerium des Innernauf die abweichende Beihilfepraxis und die unterschiedli-che Auslegung der Beihilfevorschriften im Bereich desBundesministeriums hingewiesen.

Das Bundesministerium des Innern hat die Notwendigkeiteiner einheitlichen Anwendungspraxis für den gesamtenBundesbereich hervorgehoben. Aus der Ermächtigung imBundesbeamtengesetz sei abzuleiten, dass nicht nur dieallgemeine Verwaltungsvorschrift selbst, sondern auchdie „Hinweise“ zu den Beihilfevorschriften für alle Res-sorts eine verbindliche Auslegung vorgeben. Zur Recht-mäßigkeit der Praxisgebühr haben zwischenzeitlich meh-rere Gerichte den Ansatz des Eigenbehalts und die vomBundesministerium des Innern vorgegebene Umsetzungbestätigt.

Das Bundesministerium ist demgegenüber der Auffas-sung, seine Auslegung werde durch einen Kommentar zuden Beihilfevorschriften des Bundes gedeckt und sei auchdurch einzelne gerichtliche Entscheidungen bestätigt wor-den. Eine Änderung des Verfahrens bringe daher auch einerhebliches Prozesskostenrisiko für den Bund mit sich.

41.4

Der Bundesrechnungshof hält die im Geschäftsbereichdes Bundesministeriums festgestellten Abweichungen beider Anwendung der Eigenbehalte und der Erstattung derKosten für nicht beihilfefähige Medikamente für nicht ak-zeptabel. Eine einheitliche Gewährung von Beihilfen fürBundesbeamtinnen und Bundesbeamte in Krankheitsfäl-len ist dadurch nicht mehr gegeben.

Der Bundesrechnungshof weist darauf hin, dass nach derRechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Bei-hilfevorschriften des Bundes nur noch für eine Über-gangszeit in ihrer bisherigen Form weiter gelten dürfen.Dementsprechend hat das Bundesministerium des Innerneinen Gesetzentwurf zu einer Neuregelung der Beihilfe-vorschriften auf den Weg gebracht. Grundlage des neuenBeihilferechts ist eine gesetzliche Regelung, die zum Er-lass einer Rechtsverordnung ermächtigt. Die derzeit gel-tenden Beihilfevorschriften werden in diese Beihilfever-ordnung übernommen; die allgemeinen Hinweise zu denBeihilfevorschriften sollen künftig als allgemeine Ver-waltungsvorschrift erlassen werden.

Der Bundesrechnungshof befürwortet diese Neuregelungdes Beihilferechts und unterstützt die Bestrebungen desBundesministeriums des Innern, den Abstimmungsprozessbei künftigen Änderungen des Beihilferechts zu verbessern.

Das Bundesministerium bleibt aufgefordert, zu einerbundeseinheitlichen Verfahrensweise zurückzukehren.Fehlende erforderliche Fachkenntnisse der Beihilfesach-bearbeiterinnen und -sachbearbeiter sollten durch Fort-bildungsmaßnahmen ausgeglichen werden. Die Festset-zung der Beihilfe sollte auf der Grundlage des neuenBeihilferechts vereinheitlicht werden. Dies wird auchProzessrisiken verringern.

Drucksache 16/XXXX – 188 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Bundesministerium für Gesundheit(Einzelplan 15)

42 IT-Insellösungen für die Personal- und dem musste jede Behörde bei übergreifenden Anfragen

Stellenverwaltung unwirtschaftlich(Titelgruppe 55 in allen Kapiteln von Einzelplan 15)

42.0

Das Bundesministerium für Gesundheit nutzt in seinemGeschäftsbereich für etwa 2 500 Beschäftigte sechsunterschiedliche Personal- und Stellenverwaltungssys-teme. Seine bereits vor fast zehn Jahren erklärte Absicht,ein standardisiertes Personal- und Stellenverwaltungs-system einzuführen, hat es nicht umgesetzt. Einheitliche,in der Bundesverwaltung bereits seit Jahren vorhandenestandardisierte Systeme könnten die Effizienz der Perso-nalverwaltung erhöhen.

42.1

Die Bundesregierung beschloss im Jahre 1996 im Rah-men ihres Programms zur Verschlankung des Staatesu. a., IT-gestützte Verfahren im Organisations- und Per-sonalbereich zu standardisieren und einzelne Ressortsfederführend mit der Entwicklung von entsprechendenProjekten zu beauftragen („Einer-für-Alle“; sog. EfA-Prinzip).

Das Bundesministerium für Gesundheit (Bundesminis-terium) beabsichtigte daraufhin, ein standardisiertes Per-sonal- und Stellenverwaltungssystem (PSV-System) inseinem Geschäftsbereich einzuführen. Der Interministe-rielle Koordinierungsausschuss für IT in der Bundesver-waltung (IMKA), in dem alle Ressorts vertreten sind, be-schloss im Mai 1999, dass Bundesbehörden, die ein IT-System zur Personal-, Organisations- und Stelleninforma-tion einführen wollen, eines von zwei in der Bundesver-waltung bis dahin entwickelten Systemen wählen sollten.Abweichende Auswahlentscheidungen sollten begründetund deren Wirtschaftlichkeit gesondert nachgewiesenwerden.

Der Bundesrechnungshof prüfte im Rahmen einer Quer-schnittsprüfung im Jahre 2005 den Einsatz von PSV-Sys-temen in der Bundesverwaltung. Er stellte fest, dass dasBundesministerium bis zu diesem Zeitpunkt nicht ent-schieden hatte, ein einheitliches PSV-System einzufüh-ren. Stattdessen setzte es im Jahre 2004 zusammen mitden sieben anderen Behörden seines Geschäftsbereichesfür etwa 2 500 Bedienstete insgesamt sechs unterschiedli-che PSV-Systeme ein. Das Bundesministerium verwalteteseine Personal-, Stellen- und Dienstpostendaten haupt-sächlich in verschiedenen einzelnen Datenbanken und mitHilfe von Tabellen. Da es mehrere Systeme nutzte, er-fasste es gleiche Daten mehrfach. Mehrere Behördenunterstützten die Personal-, Stellen- und Dienstpostenver-waltung nicht einmal durch Informationstechnik. Außer-

Dritter in ihrem System jeweils Einzelauswertungendurchführen, bevor die Ergebnisse im Bundesministeriummanuell zusammengefasst werden konnten.

42.2

Der Bundesrechnungshof hat bemängelt, dass das Bun-desministerium fast zehn Jahre lang nicht über die Ein-führung eines einheitlichen PSV-Systems in seinem Ge-schäftsbereich entschieden hat. Es hat dadurch dieVorteile des EfA-Prinzips nicht genutzt, die insbesonderein Effizienzgewinnen und Kosteneinsparungen durchzentrale Entwicklungen sowie in möglichen Qualitätsver-besserungen bestehen. Es hat zugelassen, dass sein Ge-schäftsbereich nicht kompatible Software entwickelt hatund die Personal-, Stellen- und Dienstpostenverwaltungteilweise nicht durch Informationstechnik unterstütztworden ist. Insoweit hat das Bundesministerium seineFachaufsicht und seine Koordinationsaufgaben vernach-lässigt. Es hat außerdem gegen das Wirtschaftlichkeitsge-bot verstoßen, weil seine Versäumnisse insbesondere zuvermeidbaren Doppelarbeiten und Medienbrüchen ge-führt haben.

42.3

Das Bundesministerium hat mitgeteilt, dass es die unter-schiedlichen Systeme vorerst beibehalten wolle, weil ihmdies wirtschaftlich erscheine. Die Einführung eines ein-heitlichen PSV-Systems verursache erhebliche Kosten,binde Ressourcen und habe für das Ressort nur geringenmessbaren Nutzen. Auch dürften die bisherigen Kostenfür die beschafften Einzellösungen nicht außer Acht ge-lassen werden.

Es handele sich bei den Behörden seines Geschäftsberei-ches um Institutionen, die einerseits wissenschaftlich, an-dererseits eher verwaltungsmäßig arbeiteten. Daher dürfenicht nur die Wirtschaftlichkeit eines einzelnen PSV-Systems betrachtet werden, sondern es bedürfe einer IT-Gesamtstrategie für die jeweilige Behörde. Das Bundes-ministerium hat die Auffassung vertreten, dass im Übri-gen die Wirtschaftlichkeit für die einzelnen Behörden un-tersucht werden müsse, bevor es ein einheitliches PSV-System einführe. Dazu müsse es die für die Einführungdes Systems entstehenden Kosten mit den zu erwartendenEffizienzgewinnen vergleichen.

42.4

Der Bundesrechnungshof hält die Gründe und Vorteile ei-ner standardisierten PSV-Lösung nach wie vor für tra-gend.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 189 – Drucksache 16/XXXX

PSV-Systeme gewährleisten unter Beachtung des Daten-schutzes den sicheren und schnellen Datenzugriff, unter-stützen die Kommunikation der verschiedenen Arbeitsbe-reiche, erlauben eine einheitliche und insbesondereredundanzfreie Datenhaltung und bieten neben flexiblenAuswertungsmöglichkeiten auch Planungshilfen für zu-künftige Maßnahmen.

Ein einheitliches PSV-System ist nach den Erfahrungendes Bundesrechnungshofes kostengünstig und mit einemakzeptablen Ressourceneinsatz zu realisieren, weil für dieBundesverwaltung bereits Standard-Entwicklungen nachdem EfA-Prinzip vorliegen. Die einheitliche Softwarebietet die Möglichkeit, z. B. alle Anwender gleicherma-ßen und kostengünstig zu schulen. Der einheitliche Da-tenbestand braucht nur einmal erfasst zu werden, kannleicht gepflegt werden und erlaubt einen Datenaustausch,der nicht durch unterschiedliche Technikstände behindertwird. Personaldaten stehen dem Geschäftsbereich auchim Falle von Versetzungen oder Abordnungen uneinge-schränkt zur Verfügung. Darüber hinaus sind zur Beant-wortung behördenübergreifender oder parlamentarischerAnfragen Auswertungen des Datenbestands in der Regelschnell und wenig aufwendig möglich, weil mehrfache

oder manuelle Arbeiten sowie ein umständliches Zusam-menfassen der Daten des Geschäftsbereiches im Bundes-ministerium entfallen können.

Darüber hinaus ist die Personalverwaltung eine Quer-schnittsaufgabe, die sowohl in einer wissenschaftlichagierenden Behörde als auch in einer eher verwaltungs-mäßig arbeitenden Behörde erfüllt werden muss und inihren wesentlichen Feldern weitgehend vergleichbar ist.Daher sind die hierfür entwickelten PSV-Systeme grund-sätzlich für alle Institutionen des Ressorts geeignet, selbstwenn ein solches System unterschiedliche Anforderungs-profile zu verarbeiten hat und ggf. hieran noch anzupas-sen wäre.

Das Bundesministerium sollte eine IT-Gesamtstrategiefür das Ressort erarbeiten, im Rahmen von dieser prüfen,ob eine kurzfristige oder eine mittelfristige Umstellungauf ein Standard-PSV-System wirtschaftlich ist, und die-ses ggf. unverzüglich einführen. Es sollte künftig bei sei-nen Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen über die Einfüh-rung von anderen IT-Systemen verstärkt bereits in derBundesverwaltung vorhandene Standard-IT-Entwicklun-gen berücksichtigen.

Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit(Einzelplan 16)

43 Lieferung zu teurer Informations- Dienstleistungsvertrag enthielt auch die Option, Hard-

technik auf der Grundlage eines IT-Dienstleistungsvertrages(Kapitel 1601 Titelgruppe 55)

43.0

Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz undReaktorsicherheit hat den größten Teil seiner Hard- undSoftware auf der Grundlage eines um werkvertraglicheAnteile ergänzten IT-Dienstleistungsvertrages beschafft.Es hat diese Lieferungen nicht mehr erneut ausgeschrie-ben. Zudem hat es die Geräte lediglich bis zu vier Jahregemietet und muss hierfür insgesamt über 2,3 Mio. Eurozahlen. Funktional gleichwertige Geräte hätte es nachden geltenden Rahmenverträgen des Bundes für etwa1,8 Mio. Euro kaufen können.

43.1

43.1.1 Lieferung von Hard- und Software auf Basis eines IT-Dienstleistungsvertrages

Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz undReaktorsicherheit (Bundesministerium) schloss im Jahre2001 nach einer beschränkten Ausschreibung mit einemGeneralunternehmer einen Vertrag über IT-Dienstleistun-gen im Auftragswert von mehr als 530 000 Euro. Der

ware bereit zu stellen. Es fragte im Rahmen der vorange-gangenen Ausschreibung der IT-Dienstleistungen diePreise für die Lieferungen von zwei Servern und 20 Com-putern an. Daneben holte es unverbindliche Angebote fürdie Option ein, den vollständigen Betrieb seines IT-Sys-tems zu übernehmen, die gesamte Hardware bereitzustel-len und zu betreuen sowie alle drei Jahre zu erneuern.Verbindliche Leistungsinhalte oder Anforderungen zudieser Eventualposition legte es in den Verdingungsunter-lagen nicht fest. Ohne die das Hauptangebot übersteigen-den Lieferungen erneut auszuschreiben, übte es in derFolgezeit seine Option aus dem IT-Dienstleistungsvertragaus und bestellte mehr als 30 Server, hunderte von Com-putern und andere IT-Ausstattung für über 800 Arbeits-plätze.

43.1.2 Entscheidung über Kauf oder Miete

Daneben vereinbarte das Bundesministerium mit demGeneralunternehmer, die beschafften Geräte bis zu vierJahre zu mieten anstatt zu kaufen. Die Arbeitsanleitungdes Bundesministeriums der Finanzen zur Durchführungvon Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen für die Bundes-verwaltung sieht für solche Vergleiche grundsätzlich vor,den Kapitalwert der künftigen Mietzahlungen dem Kauf-preis gegenüberzustellen (Kapitalwertmethode). Zu die-sem Zweck sind die Mietzahlungen auf das gewählte Be-

Drucksache 16/XXXX – 190 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

schaffungsjahr abzuzinsen. Das Bundesministerium trafseine Entscheidung über Kauf oder Miete auf der Grund-lage einer Wirtschaftlichkeitsuntersuchung, in der es dieSumme der anfallenden Mietzahlungen mit den Kaufprei-sen zzgl. Zinsen verglich.

Mit seinem Berechnungsverfahren kam das Bundesminis-terium in allen untersuchten Fällen zu dem Ergebnis, dassdie Miete der Geräte günstiger als deren Kauf sei. DieSumme der für alle Verträge vereinbarten Mietzahlungenbetrug mehr als 2,3 Mio. Euro. Nach der vom Bundes-ministerium der Finanzen vorgesehenen Berechnungsme-thode lag die kapitalisierte Miete um etwa 250 000 Euroüber den vom Generalunternehmer angegebenen Kauf-preisen.

Die Kaufpreise der Geräte hatte der Generalunternehmerdem Bundesministerium gegenüber mit etwa1,9 Mio. Euro angegeben. Die zum fraglichen Zeitraumgeltenden Rahmenverträge des Bundes hätten es in denvom Bundesrechnungshof geprüften Fällen ermöglicht,funktional gleichwertige Computer, Monitore und Note-books anderer Hersteller um insgesamt 140 000 Euro undim Mittel um 23 % günstiger zu kaufen.

43.2

Der Bundesrechnungshof hat beanstandet, dass das Bun-desministerium den Generalunternehmer mit Lieferungenvon Informationstechnik in Millionenhöhe beauftragte,ohne diese Leistungen vorher ausgeschrieben zu haben.Indem das Bundesministerium nahezu über seine gesamteIT-Ausstattung ausschließlich mit dem Auftragnehmerfür die IT-Dienstleistungen verhandelte und diese bei ihmbestellte, fand kein wettbewerbliches Verfahren statt. In-soweit hat es die Einzelaufträge hierüber außerhalb desVergaberechts erteilt.

Weiter hat der Bundesrechnungshof kritisiert, dass dasBundesministerium Preise akzeptierte, die sowohl imFalle der Miete als auch im Falle des Kaufs erheblichüber den Kaufpreisen lagen, die nach den Rahmenverträ-gen des Bundes für funktional gleichwertige Gerätetypenzu zahlen gewesen wären. Hätte es funktional gleichwer-tige Geräte gekauft, hätte es für seine Gesamtausstattunghochgerechnet etwa 390 000 Euro weniger als für dieMiete der Geräte ausgeben müssen.

Darüber hinaus hat der Bundesrechnungshof bemängelt,dass das Bundesministerium bei seiner Wirtschaftlich-keitsuntersuchung eine fehlerhafte Methode und nicht diefür solche Fälle übliche Kapitalwertmethode anwandte.Eine sachgerechte Vergleichsrechnung hätte in allen Fäl-len zu dem Ergebnis geführt, dass der Kauf der Gerätekostengünstiger als deren Miete gewesen wäre.

Der Bundesrechnungshof hat das Bundesministerium da-rauf hingewiesen, dass die Bundesverwaltung verpflichtetist, ihre Geräte fünf, aber nicht nur drei Jahre zu nutzen.

43.3

Das Bundesministerium hat der Auffassung des Bundes-rechnungshofes widersprochen. Es hat sich berechtigtund teilweise dazu verpflichtet gesehen, die Einzelauf-träge für die Hardware an den Generalunternehmer ohneerneute Ausschreibung zu vergeben. So habe

● der Generalunternehmer im Rahmen der Ausschrei-bung der IT-Dienstleistungen für die Beschaffung vonzwei Servern und 20 Computern die günstigstenPreise genannt und hohe Rabatte in Aussicht gestellt;dies habe sich in einer späteren beschränkten Aus-schreibung über mehr als 100 Computer bestätigt,

● der vom Bundesministerium geschlossene Dienstleis-tungsvertrag auch werkvertragliche Lieferungen vor-gesehen,

● es teilweise Computer (sog. „green“-Computer) be-schaffen wollen, für die es nur einen Hersteller gege-ben habe.

Das Bundesministerium hat inzwischen eingeräumt, dassseine Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen über Miete oderKauf „unzureichend und fehlerhaft“ gewesen seien. Essei allerdings zweckmäßig, die Wirtschaftlichkeit der IT-Ausstattungen über einen Zeitraum von bis zu 20 Jahrenzu untersuchen, denn in diesem Zeitraum sei Miete diewirtschaftliche Alternative. Das Bundesministerium werdedaher nach seinen bisherigen Maßstäben auch künftighandeln. Es beabsichtige, die IT-Ausstattung entspre-chend den Empfehlungen des Bundesrechnungshofesfünf Jahre zu nutzen, will sie aber künftig weiterhin mie-ten.

43.4

Der Bundesrechnungshof bleibt bei seiner Auffassung,dass das Bundesministerium nicht nur die zu erbringen-den IT-Dienstleistungen, sondern auch die zu lieferndeHard- und Software funktional spezifizieren sowie inmehreren Losen oder getrennt voneinander im Wettbe-werb vergeben musste. Es darf sich nicht auf den werk-vertraglichen Bestandteil des IT-Dienstleistungsvertragesberufen, weil es als öffentlicher Auftraggeber unmittelbaran das Vergaberecht gebunden ist und eine Beschaffunggrundsätzlich auszuschreiben hat. Dadurch, dass der Auf-tragswert der beschafften Hardware die Hauptleistung derAusschreibung, die IT-Dienstleistung, um ein Vielfachesüberstieg, wurde die Beschaffung der IT-Ausstattungselbst zur Hauptleistung und hätte gesondert und beiÜberschreiten des Schwellenwertes EU-weit ausgeschrie-ben werden müssen. Im Übrigen war bereits die Even-tualposition zur Übernahme des vollständigen IT-Betrie-bes in der vorgenommenen Ausschreibung in diesemUmfang unzulässig.

Das Bundesministerium war auch keineswegs verpflich-tet, auf der Grundlage des IT-Dienstleistungsvertragesvon dem Generalunternehmer IT-Ausstattungen zu be-schaffen, weil es sich hierbei lediglich um eine Optionhandelte. Dass der Generalunternehmer die günstigsten

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 191 – Drucksache 16/XXXX

Preise für einen kleinen Teil der benötigten IT-Ausstat-tung genannt und hohe Rabatte in Aussicht gestellt hat,lässt es nicht zu, dies als Ergebnis einer erneuten Aus-schreibung vorwegzunehmen und auf einen Wettbewerbzu verzichten.

Das Bundesministerium hätte auch die von ihm geforder-ten „green“-Computer im Wettbewerb beschaffen kön-nen. Der Umstand, dass es zum damaligen Zeitpunkt nureinen Hersteller gab, schließt nicht aus, dass das Produktvon mehreren Händlern zu unterschiedlichen Preisen an-geboten wurde.

Der Bundesrechnungshof bleibt außerdem bei seiner Auf-fassung, dass für die zu liefernden Geräte zunächst dieWirtschaftlichkeit der Alternativen Kauf, Miete und Lea-sing auf der Grundlage marktnaher Daten verglichen undanschließend nach einer Ausschreibung anhand der An-gebote die wirtschaftliche Variante ausgewählt werdensollte. Der Bundesrechnungshof erwartet, dass das Bun-desministerium hierzu

● die Wirtschaftlichkeit der Anschaffungen über die fürInformationstechnik übliche tatsächliche Nutzungs-dauer von fünf Jahren betrachtet und

● dabei die vom Bundesministerium der Finanzen emp-fohlenen Abzinsungsregelungen anwendet.

Einen Gesamtbetrachtungszeitraum von bis zu 20 Jahrenhält der Bundesrechnungshof nicht für sachgerecht, da

die technische und die preisliche Entwicklung der Infor-mationstechnik über eine so lange Zeit nicht vorhersehbarsind.

Aufgrund der absehbaren Mehraufwendungen für dieMiete seiner IT-Ausstattung erwartet der Bundesrech-nungshof, dass das Bundesministerium unter Beachtungdes Wirtschaftlichkeitsgebotes

● die Mietverträge frühestmöglich kündigt bzw. nichtverlängert,

● die gemietete Hard- und Software zu einem möglichstgünstigen Restkaufwert übernimmt und

● diese über die vereinbarte ursprünglich vorgeseheneMiet- und gewöhnliche Nutzungsdauer hinaus ein-setzt.

Das Bundesministerium sollte Ersatz für die vorhandeneHard- und Software zu gegebener Zeit nach dem gelten-den Vergaberecht durch öffentliche Ausschreibung be-schaffen und sodann jeweils nach Lieferung oder Dienst-leistung getrennte Verträge schließen. Soweit es bei derAusschreibung Miete oder Leasing als Angebotsalterna-tiven zulässt, ist anhand einer Wirtschaftlichkeitsunter-suchung auf Grundlage einer mindestens fünfjährigenNutzungsdauer die wirtschaftliche Lösung zu ermitteln.Das Bundesministerium sollte darüber hinaus sicherstel-len, dass auch in seinem Geschäftsbereich entsprechendverfahren wird.

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend(Einzelplan 17)

44 Vertrags- und Zuwendungsrecht 44.1

willkürlich angewendet(Kapitel 1702)

44.0

Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauenund Jugend hat Dritte beauftragt, Förderprogramme desKinder- und Jugendplans umzusetzen. Es hat dabei dieBestimmungen des Vertrags- und Zuwendungsrechts nichtausreichend beachtet.

Die Vergabe der Aufträge, Förderprogramme umzusetzenund zu verwalten, koppelte das Bundesministerium fürFamilie, Senioren, Frauen und Jugend mit Konzeptwett-bewerben für die Programmumsetzung. Aufgrund der un-terschiedlichen Konzepte war ein Vergleich der Angebotenicht möglich. Das Bundesministerium für Familie, Se-nioren, Frauen und Jugend erteilte zudem einem Auftrag-nehmer einen Zuwendungsbescheid. Der Bescheid sahvor, dass der Auftragnehmer Fördermittel über Verträgean einzelne Projektträger weiterleitet. Es umging damitnach Auffassung des Bundesrechnungshofes die Bestim-mungen des Zuwendungsrechts.

Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauenund Jugend (Bundesministerium) fördert über Zuwendun-gen Maßnahmen, durch die die Tätigkeit der Kinder- undJugendhilfe angeregt und gefördert werden soll. Das Bun-desministerium hat hierzu Richtlinien für den Kinder-und Jugendplan des Bundes entwickelt, die allgemeineGrundsätze und Ziele sowie förderfähige Maßnahmenvorgeben.

44.1.1

Das Bundesministerium beauftragte Dritte, Programme desKinder- und Jugendplans umzusetzen. Zu den Programmengehörten u. a. die Programmplattform „Entwicklung undChancen Jugendlicher in sozialen Brennpunkten“ und da-runter zusammengefasste Teilprogramme, wie z. B.„Freiwilliges soziales Trainingsjahr“. Die Auftragnehmersollten sogenannte Regiestellen betreiben. Sie sollten aufder Grundlage eines von ihnen selbst entwickelten detail-lierten Konzeptes die Programme organisatorisch undtechnisch verwalten sowie Fördermittel an einzelne Pro-jektträger weiterleiten.

Drucksache 16/XXXX – 192 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Das Bundesministerium vergab den Betrieb der Regie-stellen im Wettbewerb. Bei der Ausschreibung skizziertees die Schwerpunkte seines Förderprogramms und diegrundsätzlichen Aufgaben der Regiestelle (Grobkonzept).Es forderte die Wettbewerber auf, die Umsetzung desFörderprogramms und die Tätigkeiten der Regiestelle imEinzelnen zu entwickeln (Feinkonzept) sowie die Kostenfür den Betrieb der Regiestelle zu kalkulieren und beides ineinem Angebot zusammenzufassen. Das Bundesministe-rium wertete die Angebote maßgeblich nach der Qualitätder Feinkonzepte. Die Kosten des Betriebes der Regiestel-len bezog es nur nachrangig in die Wirtschaftlichkeitsbe-trachtung ein. Im Ergebnis erhielten die Bieter den Zu-schlag, die das umfassendste Feinkonzept angebotenhatten. Dieses Angebot war regelmäßig das teuerste. DieAngebote, die den Zuschlag erhielten, lagen um bis zu120 % über anderen grundsätzlich geeigneten Angeboten.Im Einzelfall bedeutete dies Mehrausgaben von bis zu2,3 Mio. Euro.

44.1.2

Das Bundesministerium beauftragte eine Arbeitsgemein-schaft in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts mitdem Betrieb einer Regiestelle. Die Arbeitsgemeinschaftwar von zwei Gesellschaftern für diesen Zweck gegrün-det worden. Nach dem Gesellschaftsvertrag war Ziel derbeiden Gesellschafter, „als Bietergemeinschaft an demAngebotsverfahren teilzunehmen und den Auftrag ge-meinsam umzusetzen“. Sie verpflichteten sich, sich so zuverhalten, dass der „angestrebte wirtschaftliche Zweckerreicht“ werde. Der Auftragswert lag bei 3,3 Mio. Euro.Das Bundesministerium nahm die in der Ausschreibungvorgesehene und im Umfang des Angebotes enthalteneLeistung „Weiterleiten von Fördermitteln“ nicht in denVertrag auf. Es reduzierte den Angebotspreis nicht ent-sprechend. Das „Weiterleiten von Fördermitteln“ um-fasste, Anträge von Projektträgern zu prüfen, eigene För-derentscheidungen zu treffen, Mittel auszuzahlen undderen Verwendung durch den Projektträger zu kontrollie-ren. Das Bundesministerium hatte zunächst beabsichtigt,die Arbeitsgemeinschaft für diese Aufgabe zu beleihen.Aus zeitlichen Gründen sah es hiervon aber ab.

Stattdessen bewilligte es der Auftragnehmerin Zuwen-dungen in Höhe von 55,3 Mio. Euro mit dem Zweck, dieMittel vollständig und in Form privatrechtlicher Verträgein eigenem Namen an Projektträger weiterzuleiten. DieVergütung der Aufgabe „Weiterleiten von Fördermitteln“regelte das Bundesministerium über die Zuwendungnicht.

44.2

Der Bundesrechnungshof hat beanstandet, dass das Bun-desministerium die Vergabe des Betriebes von Regiestel-len mit einem Konzeptwettbewerb zur Umsetzung desFörderprogramms koppelte. Das Bundesministeriumüberließ es den Bietern, das Feinkonzept für den Betriebder Regiestelle zu entwickeln und damit einen wesentli-chen Teil der Leistungsbeschreibung zu konkretisieren.

Dadurch waren die Angebote nicht mehr vergleichbar.Öffentliche Auftraggeber sind aber verpflichtet, Leistun-gen so eindeutig und erschöpfend zu beschreiben, dassdie Angebote auf vergleichbaren Leistungen beruhen.Das Vorgehen des Bundesministeriums führte dazu, dassdie Leistung „Betrieb der Regiestelle“ nach dem ausge-wählten Konzept teilweise doppelt so teuer war wie beianderen grundsätzlich ebenfalls geeigneten Angeboten.Der Bundesrechnungshof hat deshalb Zweifel an derWirtschaftlichkeit dieser Vorgehensweise.

Er hat das Bundesministerium aufgefordert, künftig dasFeinkonzept seiner Programme und damit die Leistungs-beschreibung für die Regiestelle selbst zu erarbeiten oderden Betrieb der Regiestelle erst nach einem Konzeptwett-bewerb zu vergeben. Nur auf gleichen Leistungen beru-hende Angebote können wirtschaftlich verglichen wer-den.

Der Bundesrechnungshof hat ferner beanstandet, dass dasBundesministerium – wie von Rechts wegen geboten –die Arbeitsgemeinschaft nicht beliehen hat. Es gewährteihr eine Zuwendung, obwohl es an den erforderlichen Vo-raussetzungen fehlte. Eine Zuwendung darf nur bewilligtwerden, wenn der Zuwendungsempfänger ein eigenesinhaltliches Interesse an der Erfüllung der vom Bundgeförderten Aufgabe hat. Nach Auffassung des Bundes-rechnungshofes war vorrangiges Ziel der Arbeitsge-meinschaft, mit der Umsetzung der FörderprogrammeEinnahmen zu erwirtschaften. Es lag somit ein Leistungs-austausch vor. Das Bundesministerium hätte deshalb andie Arbeitsgemeinschaft keine Zuwendung vergeben dür-fen. Es hätte die Arbeitsgemeinschaft beleihen müssen,damit sie Fördermittel an Projektträger bewilligenkonnte. Auch hätte diese Leistung Bestandteil des Vertra-ges mit der Arbeitsgemeinschaft als Auftragnehmerinbleiben müssen. Das Bundesministerium war zunächstauch der Ansicht, dass es diese Dienstleistung vertraglichvereinbaren musste. Ansonsten hätte es die Leistung nichtausgeschrieben.

44.3

Das Bundesministerium hat betont, die Regiestellen soll-ten die Förderprogramme für komplexe und voneinanderabhängende Probleme gestaltend umsetzen. Weil die Re-giestellen die Programme während ihrer Laufzeit ständigweiterentwickeln müssen, sei es nicht zweckmäßig undnicht wirtschaftlich gewesen, den Vergaben jeweils einenKonzeptwettbewerb vorzuschalten. Konzeptwettbewerbund Programmverwaltung könnten nicht klar getrenntwerden. Es halte seine Leistungsbeschreibung, Regiestel-len nach einem vom Bieter im Wettbewerb zu entwi-ckelnden Feinkonzept zu betreiben, für „ausreichend prä-zise formuliert“. Im Übrigen habe eine Vergabekammerden Antrag eines unterlegenen Bieters, ein Nachprü-fungsverfahren einzuleiten, zurückgewiesen. Die Anre-gung des Bundesrechnungshofes werde das Bundesminis-terium aufgreifen und in einem anstehenden Fall vor derAusschreibung der Regiestelle das Feinkonzept im Wett-bewerb entwickeln lassen.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 193 – Drucksache 16/XXXX

Das Bundesministerium hat zudem mitgeteilt, es sehe dieVorschrift zur Beleihung als „Kann-Vorschrift“. Nach sei-ner Auffassung habe es eine gewisse Gestaltungsfreiheitbeim Einschalten Dritter. Im Übrigen habe die für dieÜbernahme der Regiestelle geschlossene Arbeitsgemein-schaft ein unmittelbares eigenes Interesse an der Wahr-nehmung der Aufgaben gehabt, das über das wirtschaftli-che Interesse hinausgegangen sei.

Das Bundesministerium hat zugesichert, künftig die „Op-tion – Beleihung oder Zuwendungsbescheid und Weiter-leiten der Fördermittel durch den Zuwendungsempfängerin privatrechtlichen Verträgen“ – sorgfältig zu prüfen. ImFall des Weiterleitens in Form privatrechtlicher Verträgewolle es das Eigeninteresse des Zuwendungsempfängersausführlich darlegen. Es beabsichtige zudem, künftig dieLeistung „Weiterleiten“ als zuwendungsfähige Tätigkeitauszuweisen.

44.4

Der Bundesrechnungshof erkennt an, dass das Bundesmi-nisterium der Vergabe des Betriebes einer Regiestelle ineinem anstehenden Fall einen Konzeptwettbewerb vor-schalten will. Die weiteren Einlassungen des Bundes-ministeriums überzeugen allerdings nicht. Insbesondereseinem Argument, es sei nicht zweckmäßig und nichtwirtschaftlich gewesen, der Vergabe einen Konzeptwett-bewerb vorzuschalten, kann nicht gefolgt werden. DasBundesministerium hat auch bisher de facto Konzept-wettbewerbe durchgeführt. Es hat diese allerdings als

Vergaben des Betriebs einer Regiestelle deklariert und dieVergabeentscheidung auf seine qualitative Wertung derFeinkonzepte gestützt. Weil aber für jedes Feinkonzeptnur ein Angebot existierte, fand für den Betrieb der Re-giestelle kein Wettbewerb statt, obwohl genau daraus dievom Bund zu tragenden Kosten resultierten. Der Hinweisauf das Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammergeht fehl, da diese sich mit der Leistungsbeschreibung in-haltlich nicht auseinandergesetzt hat. Der Bundesrech-nungshof fordert das Bundesministerium daher auf, in al-len Fällen, in denen es das Feinkonzept nicht selbsterarbeitet, einen Konzeptwettbewerb vorzuschalten.

Der Bundesrechnungshof lässt dahin gestellt, ob das ei-gene inhaltliche Interesse der Arbeitsgemeinschaft an derUmsetzung des Förderprogramms tatsächlich überwog.Es kann somit nicht abschließend beurteilt werden, ob– wie das Bundesministerium meint – die Gewährung derZuwendung zulässig war oder nicht. Der Bundesrech-nungshof befürwortet daher die Absicht des Bundes-ministeriums, künftig das Eigeninteresse eines Zuwen-dungsempfängers ausführlich zu erläutern.

Der Bundesrechnungshof fordert das Bundesministeriumauf, die Bestimmungen des Vertrags- und des Zuwen-dungsrechts einzuhalten. Es sollte künftig sorgfältig prü-fen, ob die Voraussetzungen für die Bewilligung von Zu-wendungen und deren Weiterleitung an Dritte vorliegen,oder ob der Abschluss eines Vertrages über die Über-nahme von Verwaltungsaufgaben mit Beleihung des Auf-tragnehmers erforderlich ist. Mischformen sind unzuläs-sig.

Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Einzelplan 23)

45 Generalvertrag zwischen Bundes- 45.1

regierung und KfW Entwicklungs-bank neu fassen(Kapitel 2302 Titel 166 01, 186 01 und 866 01)

45.0

Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammen-arbeit und Entwicklung hat den Generalvertrag aus demJahre 1974 zwischen der Bundesregierung und der KfWEntwicklungsbank über die Finanzielle Zusammenarbeitmit Entwicklungsländern neu zu fassen. Bei Abschlussdes Vertrages hatte die Bank im Wesentlichen Darlehenfür Entwicklungsländer zu bearbeiten. Heute bereitet sieschwerpunktmäßig Projekte und Programme in Entwick-lungsländern vor, begleitet und kontrolliert sie; ferner be-rät sie die Bundesregierung in entwicklungspolitischenAngelegenheiten. Daher entspricht der Generalvertragnicht mehr dem heutigen Sachstand. Der Bund vergütetdiese Tätigkeit der Bank derzeit mit 84 Mio. Euro jähr-lich.

Die Bundesregierung hat die KfW Entwicklungsbank(Bank) beauftragt, die Finanzielle Zusammenarbeit (FZ)mit Entwicklungsländern durchzuführen. Dazu vergibtdie Bank Darlehen und Zuschüsse. Das Bundesministe-rium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwick-lung (Bundesministerium) stellt der Bank Haushaltsmittelzur Verfügung, damit diese die Darlehen und Zuschüsserefinanzieren kann. Dabei wird die Bank treuhänderischfür den Bund auf der Grundlage des Generalvertrages inder Fassung aus dem Jahre 1974 tätig.

45.1.1

Nach dem Generalvertrag besteht eine Hauptaufgabe derBank darin, auf der Grundlage von Regierungsvereinba-rungen und Entscheidungen der Bundesregierung Darle-hen für die Finanzierung von Vorhaben in Entwicklungs-ländern zu bewilligen, auszuzahlen und den Kapitaldienstabzuwickeln. Sie unterrichtet die Bundesregierung überdie Ergebnisse ihrer Projekt begleitenden Prüfungen so-wie über ihre Erfolgskontrollen.

Drucksache 16/XXXX – 194 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Anders als beim Abschluss des Generalvertrages finan-ziert die Bank heute Vorhaben zunehmend nicht mehr al-lein mit Darlehen, sondern in wesentlichem Umfang auchmit Zuschüssen. Über die im Generalvertrag genanntenAufgaben hinaus wirkt sie daran mit, Projekte vorzu-schlagen, auszuwählen und vorzubereiten. In der Phaseder Projektdurchführung betreut die Bank die Vorhabenfachlich selbstständig und eigenverantwortlich unter Be-achtung der inhaltlichen und finanziellen Vorgaben desBundesministeriums. Sie ist daran beteiligt, die Entwick-lungszusammenarbeit vor Ort in den Entwicklungslän-dern zu koordinieren. Die Bank berät im Übrigen dieBundesregierung in fachlichen und strategischen Fragender Entwicklungspolitik, nimmt an Sitzungen internatio-naler Gremien der Entwicklungszusammenarbeit teil undunterstützt das Bundesministerium bei seiner Öffentlich-keitsarbeit.

Das Bundesministerium hat bisher noch nicht systema-tisch untersucht, welche Aufgaben die Bank im Einzelnenfür das Ressort übernehmen soll und ob die Aufgaben-übertragung mit der Ressortverantwortung des Bundes-ministeriums für die Entwicklungszusammenarbeit ver-einbar ist.

45.1.2

Die Leistungen der Bank werden pauschal vergütet. DiePauschale basiert auf den ausstehenden Darlehen sowieauf den gewährten Zuschüssen und sonstigen Finanzie-rungen; diese werden fiktiv wie Darlehen behandelt. Inder Pauschale ist ein Gewinn- und Risikozuschlag von10 % enthalten. Die Vergütung, die derzeit jährlich84 Mio. Euro beträgt, ist ausschließlich für die FZ einzu-setzen. Sofern in einem Haushaltsjahr Überschüsse ausder Vergütung entstehen, verbleiben sie bei der Bank.

Das Bundesministerium hat die Höhe der Vergütung imVergleich zu den bei der Bank entstehenden tatsächlichenKosten für die FZ seit dem Jahre 1984 nicht mehr syste-matisch geprüft.

45.1.3

Die Vergütung der Bank wird nicht in einem Ausgabetiteldes Einzelplans 23 veranschlagt, sondern von den verein-nahmten Zinsen abgezogen. Dazu ermächtigt der beimEinnahmetitel ausgebrachte Haushaltsvermerk, wonachdie Kosten der eingeschalteten Institute – wie hier derBank – von den Einnahmen abgezogen werden dürfen.Im Haushaltsjahr 2005 entsprach die Vergütung 75 % derveranschlagten Zinseinnahmen aus den Darlehen.

45.1.4

Verwendet die Bank die ihr vom Bund zur Verfügung ge-stellten Mittel für andere als im Generalvertrag vorgese-hene Zwecke, ruft sie die Mittel vor Bedarf ab oder führtsie dem Bund zustehende Mittel nicht fristgerecht wiederzu, sind nach dem Generalvertrag die Beträge vom Tagder nicht vertragsmäßigen Verwendung an zu verzinsen.Seit dem Jahre 2002 liegt der Zinssatz rechnerisch 4,5-%-

Punkte über dem Basiszinssatz des Bürgerlichen Gesetz-buches.

Infolge einer Bemerkung des Bundesrechnungshofes ausdem Jahre 2003 sicherte das Bundesministerium für Um-welt, Naturschutz und Reaktorsicherheit dem Rechnungs-prüfungsausschuss des Haushaltsausschusses des Deut-schen Bundestages eine Regelung mit der Bank zu, nachder die Bank zu viel oder zu früh angeforderte Mittel un-verzüglich an den Bund zurückzuzahlen und mit jährlich8 %-Punkten über dem Basiszinssatz vom Zeitpunkt derEntnahme an zu verzinsen hat.

45.2

Der Bundesrechnungshof hat darauf hingewiesen, dassdie Bestimmungen des Generalvertrages nicht mehr demheutigen Sachstand entsprechen. Während bei Abschlussdes Generalvertrages der Aufgabenschwerpunkt der Bankauf der Bearbeitung der Darlehen lag, bereitet sie heutedie Projekte und Programme des Bundesministeriums in-haltlich vor, begleitet und kontrolliert sie und berät dieBundesregierung in entwicklungspolitischen Angelegen-heiten. Der Bundesrechnungshof hat das Bundesministe-rium aufgefordert, zunächst zu ermitteln, welche Aufga-ben die Bank künftig unter Berücksichtigung derVerantwortung des Ressorts für die Entwicklungszu-sammenarbeit wahrnehmen soll. Diese neu bewertetenAufgaben sowie die von der Bank eingesetzten Finanzie-rungsinstrumente sollten vollständig in den Generalver-trag aufgenommen werden.

Der Bundesrechnungshof hat ferner kritisiert, dass dasBundesministerium seit über 20 Jahren nicht systema-tisch prüfte, ob die Vergütung angemessen ist. Damit istdas Bundesministerium seiner finanzwirtschaftlichenVerantwortung als Treuhandgeber von Bundesmittelnnicht hinreichend nachgekommen. Bei der Vergütunghandelt es sich um Mittel aus dem Bundeshaushalt, dienicht für eine Quersubventionierung anderer Auftragsge-schäfte der Bundesregierung oder anderer Bankgeschäfteherangezogen werden dürfen. Deshalb kann nach Auffas-sung des Bundesrechnungshofes eine zu hohe Vergütungnicht damit gerechtfertigt werden, dass mögliche Über-schüsse anderen Bereichen der Bank zufließen. Das Bun-desministerium sollte die Angemessenheit der Vergütungin regelmäßigen Zeitabständen prüfen, sobald es die Auf-gaben der Bank in der FZ festgelegt hat.

Der Bundesrechnungshof hat außerdem kritisiert, dass dieVergütung im Bundeshaushalt nicht in einem Ausgabe-titel ausgewiesen wird. Sie wird lediglich von denZinseinnahmen aus FZ-Darlehen abgezogen (Netto-Ver-anschlagung). Haushaltsrechtlich sind Einnahmen undAusgaben des Bundeshaushalts grundsätzlich in vollerHöhe und getrennt voneinander zu veranschlagen und zubuchen (Brutto-Veranschlagung). Durch die Netto-Veran-schlagung werden die geplanten Ausgaben für die Vergü-tung dem Haushaltsgesetzgeber nicht bekannt und die tat-sächlichen Ausgaben in der Rechnungslegung nichtausgewiesen. Zudem bietet die derzeitige Veranschlagungkeinen Anreiz für das Bundesministerium, die Angemes-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 195 – Drucksache 16/XXXX

senheit der Vergütung regelmäßig zu prüfen. Denn dieVergütung belastet nicht den Haushalt des Bundesminis-teriums. Sie geht wegen des Abzugs vom Einnahmetitelzulasten des Gesamthaushalts, dem dadurch weniger Ein-nahmen zufließen.

Der Bundesrechnungshof hat schließlich angemahnt, dieRegelungen zu den Straf- und Verzugszinsen im General-vertrag zu aktualisieren und an die entsprechenden Be-stimmungen in anderen Verträgen zwischen der Bundes-regierung und der Bank anzupassen.

45.3

Das Bundesministerium hat zugesichert, den Generalver-trag zeitnah zu überarbeiten. Die aktuelle Aufgabenwahr-nehmung der Bank sei sinnvoll, weil ein enger Bezugdieser Aufgaben zum entwicklungspolitischen Finanzie-rungsgeschäft bestehe. Außerdem verfüge die Bank überunverzichtbare Wissensvorteile bei den Finanzierungs-leistungen. Das Bundesministerium werde dafür sorgen,dass der Generalvertrag künftig das tatsächliche entwick-lungspolitische Aufgabenspektrum der Bank enthalte. Eshat angekündigt, die gegenwärtigen und künftigen Aufga-ben der Bank zu ermitteln, nachdem Ergebnisse einer Stu-die zu den künftigen Durchführungsstrukturen der staatli-chen bilateralen Entwicklungszusammenarbeit vorliegen.Eine zweijährige Prüfung und ggf. Anpassung erscheinesinnvoll, um den Aufwand in vertretbaren Grenzen zuhalten.

Das Bundesministerium werde auch die bisher geltendenRegelungen zur Vergütung überarbeiten. Es wolle in an-gemessenen Zeitabständen feststellen, ob und ggf. in wel-chem Umfang die Vergütung zu einer „Überdeckung“ dertatsächlichen Kosten führen würde.

Das Bundesministerium hat den Vorwurf zurückgewie-sen, es habe die Vergütungsregelung seit dem Jahre 1984nicht mehr systematisch geprüft. Die Pauschalregelungsollte dazu beitragen, die Vergütung langfristig planen zukönnen, Anreize für wirtschaftliches Handeln der Bankzu schaffen und unternehmerische Risiken auf die Bankzu verlagern. Deshalb habe die Bundesregierung derBank auch einen Gewinn- und Risikozuschlag zugestan-den. Eine Prüfung wäre nur dann erforderlich gewesen,wenn Überschüsse bei der Bank entstanden wären. DasBundesministerium sei darüber informiert, dass dies inden letzten Jahren nicht der Fall gewesen sei. Es habeseine Informationen allerdings nicht dokumentiert.

Das Bundesministerium hat mitgeteilt, es werde ab demBundeshaushalt 2007 die Vergütung der Bank zusammenmit den Ausgaben für die bilaterale FZ veranschlagen.Die Höhe der Vergütung werde es allerdings nicht geson-dert ausweisen.

Das Bundesministerium hat zugesichert, die Frage eineshöheren Zinssatzes für Straf- und Verzugszinsen prüfenzu wollen. Es gehe aber davon aus, dass der derzeit imGeneralvertrag vorgesehene Zinssatz die Refinanzie-rungskosten des Bundes am Kapitalmarkt abdecke. Einhöherer Zinssatz, wie ihn der Bundesrechnungshof for-

dere, würde zu größeren unternehmerischen Risiken fürdie Bank führen. Dies könnte steigende Kosten der FZnach sich ziehen.

45.4

Der Bundesrechnungshof hält die vom Bundesministe-rium angekündigte Maßnahme, den Generalvertrag mög-lichst bald und umfassend zu überarbeiten, für geboten.

Allerdings sollte das Bundesministerium darauf hinwir-ken, dass der Generalvertrag zügig angepasst und die Er-gebnisse der genannten Studie eingearbeitet werden. So-fern es aufgrund dieser Studie die deutsche bilateralestaatliche Zusammenarbeit neu ordnen will, würde dieUmsetzung eines solchen Prozesses einen nicht unerheb-lichen Zeitraum beanspruchen.

Das Bundesministerium sollte ebenso entsprechend sei-ner Ankündigung regelmäßig prüfen, ob die Vergütungder Bank angemessen ist, und den Inhalt und das Ergeb-nis dieser Prüfung dokumentieren. Der Bundesrech-nungshof weist darauf hin, dass die Bundeshaushaltsord-nung begleitende Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen alsInstrument der Erfolgskontrolle zwingend vorsieht. AusGründen der Haushaltsklarheit sollte das Bundesministe-rium zudem die Höhe der Vergütung im Bundeshaushaltausdrücklich in den Titelerläuterungen ausweisen.

Um den Sanktionscharakter der Straf- und Verzugszinsenzu unterstreichen, sollten die Zinssätze deutlich über denRefinanzierungskosten des Bundes liegen. Der Bundes-rechnungshof geht davon aus, dass die Bank ihre Sorg-faltspflichten erfüllen muss. Außerdem erhält sie zur De-ckung ihrer Risiken auch einen erheblichen Gewinn- undRisikozuschlag. Der Bundesrechnungshof erwartet des-halb, dass das Bundesministerium die Zinssätze entspre-chend anhebt.

46 Methodisch fehlerhafte Wirtschaftlich-keitsuntersuchung führte zu kostspieliger Miete von Arbeitsplatzcomputern(Kapitel 2301 Titelgruppe 55)

46.0

Aufgrund einer methodisch fehlerhaften Wirtschaftlich-keitsuntersuchung hat sich das Bundesministerium fürwirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung füreine jeweils dreijährige Miete seiner Arbeitsplatzcom-puter entschieden. Gegenüber einem Kauf und einer inder Bundesverwaltung jetzt üblichen fünfjährigen Nut-zung muss es daher für seine zurzeit 730 Computer etwa600 000 Euro mehr ausgeben.

46.1

Bei seinen Planungen für die Neuausstattung seiner Ar-beitsplätze mit Informationstechnik in den Jahren 2001bis 2003 verglich das Bundesministerium für wirtschaftli-

Drucksache 16/XXXX – 196 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

che Zusammenarbeit und Entwicklung (Bundesminis-terium) den Kauf von Computern mit deren Miete. In sei-nen Vergleichsrechnungen zinste es alle künftigenMietzahlungen einschließlich derjenigen für das ersteJahr um ein Jahr mehr ab, als dies nach der geltenden Ar-beitsanleitung für Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen desBundesministeriums der Finanzen vorgesehen war. Au-ßerdem ließ das Bundesministerium Mietzahlungen fürmehrere Monate unberücksichtigt, die es für Installations-und Austauschzeiten vor Beginn und nach Ablauf desvorgesehenen Nutzungszeitraumes zu zahlen hatte. Sokam das Bundesministerium zu dem Ergebnis, dass eswirtschaftlich sei, die Computer zu mieten anstatt zu kau-fen. Das Bundesministerium entschloss sich daraufhin,seine derzeit 730 Arbeitsplatzcomputer zu mieten undnach einer Nutzungszeit von drei Jahren zu ersetzen.

Der Bundesrechnungshof stellte fest, dass die der Mietefür die Computer zugrunde gelegten Preise stets über denKaufpreisen lagen, die nach den entsprechenden Rah-menverträgen des Bundes zu zahlen gewesen wären. DasBundesministerium hätte durch den Kauf gleicher oderfunktional gleichwertiger Geräte Mehrausgaben von rund120 000 Euro pro Jahr und über die Laufzeit aller Miet-verträge von insgesamt rund 600 000 Euro vermeidenkönnen.

46.2

Der Bundesrechnungshof hat beanstandet, dass das Bun-desministerium über Kauf oder Miete der Computer aufder Grundlage einer fehlerhaften Wirtschaftlichkeitsun-tersuchung entschieden hat. Er hat darüber hinaus bemän-gelt, dass es die Computer nicht kaufte, sondern jeweilsnur für drei Jahre mietete. Er hat das Bundesministeriumauf die haushaltsrechtlichen Grundsätze der Wirtschaft-lichkeit und Sparsamkeit hingewiesen und ihm empfoh-len, Computer in vergleichbaren Fällen künftig zu kaufenstatt zu mieten.

Weiter hat er gefordert, Computer mindestens fünf Jahrezu nutzen, wie es die Koordinierungs- und Beratungs-stelle der Bundesregierung für Informationstechnik in derBundesverwaltung (KBSt) im Bundesministerium des In-nern im Februar 2004 in einer an alle Bundesressorts ge-richteten Rahmenrichtlinie festgelegt hat. Die KBSt hat indieser Rahmenrichtlinie eine Forderung des Rechnungs-prüfungsausschusses des Haushaltsausschusses des Deut-schen Bundestages umgesetzt.

46.3

Das Bundesministerium hat Verbesserungsmöglichkeitenbei seinen Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen eingeräumtund zugesagt, die Kritik des Bundesrechnungshofes künf-tig zu berücksichtigen. Auch treffe es zu, dass bei einemWirtschaftlichkeitsvergleich über eine fünfjährige Nut-zung der Kauf wirtschaftlich sei. Das Bundesministeriumhabe allerdings die Nutzungsdauer seiner Informa-tionstechnik bewusst auf drei Jahre festgelegt, weil es

● sich in den Jahren 2001 bis 2003 an der allgemeinenAbschreibungsdauer für Computer von drei Jahrenorientiert habe,

● in früheren Jahren festgestellte verstärkte Ausfälle äl-terer Computer vermeiden wollte,

● seine Geräte einer höheren Abnutzung unterlägen, dadiese auch außerhalb der Arbeitszeiten im Ruhezu-stand betrieben werden müssten, um etwaige Arbeitenim Netzwerksystem durchführen zu können, und

● Kosten für Instandhaltung, Reparatur und Teile-Lage-rung habe einsparen können.

Es müsse zusätzlich berücksichtigt werden, dass das Bun-desministerium bei der Kommunikation mit seinen Part-nern, z. B. der Weltbank, der OECD, Vorfeldorganisatio-nen, Entwicklungs- und Schwellenländern, auf eine gutfunktionierende Informationstechnik und damit auf einehohe Qualität angewiesen sei. Es sei daher nicht sachge-recht und nicht wirtschaftlich, wenn der Bundesrech-nungshof in seinen Vergleichsberechnungen die preis-günstigsten Geräte berücksichtige, denen darüber hinausgeforderte spezielle Ausstattungsdetails fehlten.

Das Bundesministerium halte daher aufgrund der erfor-derlichen hohen Verfügbarkeit der Informationstechnikweiterhin einen dreijährigen Nutzungszeitraum fürzweckdienlich und werde auch künftig die Miete vonqualitativ höherwertigen Geräten gegenüber dem Kaufder preisgünstigsten Geräte bevorzugen.

46.4

Der Bundesrechnungshof bleibt bei seiner Auffassung,dass der Kauf funktional gleichwertiger Computer zu denPreisen der Rahmenverträge des Bundes im Vergleich zurMiete die wirtschaftliche Beschaffungsalternative gewe-sen wäre. Nach dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeitsollten Vermögensgegenstände bis zum Ablauf der tech-nisch möglichen Nutzungsdauer und nicht nach Abschrei-bungsregeln, die für die Privatwirtschaft gelten, verwen-det werden.

Über einen vermehrten Ausfall von Computern, die län-ger als drei Jahre genutzt werden, liegen keine belastba-ren Untersuchungsergebnisse vor. Nach den Prüfungser-fahrungen des Bundesrechnungshofes wurden vonanderen Behörden selbst vier Jahre alte Computer gekauftund ohne größere Ausfälle weiter genutzt. Darüber hinausunterliegen die Computer des Bundesministeriums in derZeit, in der sie über die Betriebszeiten hinaus mit demNetzwerksystem verbunden sind, keiner höheren Abnut-zung als die Geräte anderer Bundesministerien. Die dabeianfallenden IT-Arbeiten sind in der Regel auch dort undin vergleichbarer Weise vorzunehmen. Zudem beträgt dieGewährleistungsfrist auch beim Kauf von Computernnicht selten drei Jahre. Außerdem bieten Lieferanten ihreServiceleistungen oftmals so an, dass gesonderte Kostenfür Instandhaltung, Reparatur oder Teile-Lagerung beimKunden entfallen. Auch rechtfertigt das Argument, dasBundesministerium sei aufgrund seiner Kommunikation

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 197 – Drucksache 16/XXXX

mit internationalen Partnern auf eine besonders hoheQualität und geringe Anfälligkeit der Computer angewie-sen, nicht, diese nur drei Jahre zu nutzen und damit vomGrundsatz der Wirtschaftlichkeit abzuweichen. Auf einefunktionierende Kommunikation mit ihren Ansprechpart-nern sind schließlich auch diejenigen Bundesbehördenangewiesen, die ihre Computer mindestens fünf Jahrelang nutzen.

Der Einwand des Bundesministeriums, die vom Bundes-rechnungshof für seinen Kostenvergleich herangezogenepreisgünstigere Arbeitsplatzausstattung entspreche nicht dengestellten Anforderungen und sei wirtschaftlich nicht sinn-voll, geht fehl. Der Bundesrechnungshof hat mit dem Zieleiner einheitlichen Vergleichsbasis eigens die funktionalenDaten der vom Bundesministerium gemieteten Computerseinem Wirtschaftlichkeitsvergleich zugrunde gelegt.

In Anbetracht der vermeidbaren Mehrausgaben von jähr-lich etwa 120 000 Euro sollte das Bundesministeriumseine bisherige Verfahrensweise umgehend ändern. Essollte die bestehenden Mietverträge alsbald kündigen unddie Geräte, sofern wirtschaftlich möglich, zum Restwerterwerben. Neue Miet- oder Leasingverträge sollte es nurabschließen, wenn diese gemäß den nach den geltendenVorgaben des Bundesministeriums der Finanzen und derKBSt erstellten Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen nach-vollziehbar und wirtschaftlich sind. Vor dem Hintergrundanhaltender Haushaltsprobleme sollte es seine Computerin Abhängigkeit von Einsatzort und Verwendungszweckmöglichst länger als fünf Jahre nutzen. Es sollte darüberhinaus darauf hinwirken, dass sich die ihm zugeordnetenDurchführungsorganisationen der staatlichen Entwick-lungszusammenarbeit gleichermaßen verhalten.

Allgemeine Finanzverwaltung(Einzelplan 60)

47 Behinderungsbedingte Aufwendungen Der Pauschbetrag ist nach dem Grad der Behinderung

teilweise doppelt berücksichtigt (Kapitel 6001 Titel 01 201 und 04 402)

47.0

Die Finanzämter haben behinderungsbedingte Krank-heitskosten als außergewöhnliche Belastungen teilweisedoppelt berücksichtigt. Sie konnten wegen Abgrenzungs-schwierigkeiten nicht prüfen, ob durch den Pauschbetragabgegoltene Kosten noch einmal in den sonstigen Krank-heitskosten enthalten waren. Sie übernahmen die An-gaben der Steuerpflichtigen für die Besteuerung ohneBeanstandungen oder Rückfragen und gewährten denPauschbetrag neben allen geltend gemachten Krankheits-kosten.

47.1

47.1.1

Erwachsen einem Steuerpflichtigen Aufwendungen un-mittelbar infolge einer Behinderung, so gewährt das Ein-kommensteuergesetz ein Wahlrecht:

● Der Steuerpflichtige kann die behinderungsbedingtenAufwendungen entweder durch einen steuermindern-den Pauschbetrag abgelten lassen (§ 33b Einkommen-steuergesetz – EStG) oder

● die behinderungsbedingten Aufwendungen anhandvon Einzelnachweisen und unter Anrechnung einerzumutbaren Eigenbelastung als außergewöhnliche Be-lastungen steuermindernd geltend machen (§ 33EStG).

gestaffelt; er beträgt jährlich zwischen 310 Euro und3 700 Euro. Er soll Aufwendungen abgelten, die typisch,laufend und unmittelbar durch die Behinderung verur-sacht sind. Dabei kann es sich sowohl um Aufwendungenhandeln, die mit der Heilung oder Linderung der Behin-derung zusammenhängen, wie Kosten für Heilbehand-lungen oder Medikamente, als auch um andere behinde-rungsbedingte Aufwendungen, wie Kosten für Wäscheoder Hilfeleistungen. Ein behinderter Steuerpflichtigerwird statt des Pauschbetrages seine Aufwendungen alsaußergewöhnliche Belastungen anhand von Einzelnach-weisen geltend machen, wenn die behinderungsbedingtenAufwendungen den Pauschbetrag übersteigen.

Verwaltung und Rechtsprechung lassen zu, dass ein be-hinderter Mensch bestimmte behinderungsbedingte Auf-wendungen zusätzlich zum Pauschbetrag geltend machenkann. Die Rechtsprechung hat über Jahre hinweg anhandvon Einzelfällen behinderungsbedingte Aufwendungenbenannt, die ein Steuerpflichtiger als außergewöhnlicheBelastungen zusätzlich geltend machen darf, z. B. Kostenfür Operationen, Heilkuren, medizinische Hilfsmittel oderFahrtkosten. Er muss diese Aufwendungen einzeln nach-weisen und einen bestimmten Teil im Rahmen der zumut-baren Eigenbelastung selbst tragen. Erforderlich ist, dassder Steuerpflichtige und die Finanzämter diese Aufwen-dungen von denen trennen können, die durch den Pausch-betrag abgegolten sind.

47.1.2

Der Bundesrechnungshof hat mit Unterstützung des Prü-fungsamtes des Bundes München für das Jahr 2002 invier Ländern untersucht, wie Finanzämter Aufwendungenbehinderter Steuerpflichtiger berücksichtigen.

Drucksache 16/XXXX – 198 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

In den eingesehenen Fällen machten rund 35 % der be-hinderten Menschen neben dem beanspruchten Pauschbe-trag Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastungengeltend, die sowohl behinderungsbedingt als auch unab-hängig davon entstanden sein konnten. Die Steuerpflich-tigen trennten in keinem Fall unmittelbar behinderungs-bedingte – durch den Pauschbetrag abgegoltene –Aufwendungen von den Krankheitskosten, die danebenberücksichtigt werden können. Weder anhand der einge-reichten Aufstellungen noch anhand der Belege ließ sichmit Gewissheit erkennen, ob die geltend gemachtenKrankheitskosten behinderungsbedingt waren oder ob essich um sonstige Krankheitskosten handelte. Die Finanz-beamtinnen und Finanzbeamten konnten schon mangelsmedizinischer Kenntnisse nicht prüfen, ob durch denPauschbetrag abgegoltene Kosten noch einmal in densonstigen Krankheitskosten enthalten waren. Bereits dasLesen und Verstehen von Arzneimittelverordnungen oderArztrechnungen erforderte medizinische Fachkunde. DieFinanzämter konnten Krankheitskosten einer Behinde-rung auch deshalb nicht zweifelsfrei zuordnen, weil sieden Bescheiden der Versorgungsämter regelmäßig nurden Grad der Behinderung, nicht aber das Krankheitsbilddes Steuerpflichtigen entnehmen konnten. Selbst in denFällen, in denen das Krankheitsbild dem Bescheid desVersorgungsamtes ausnahmsweise zu entnehmen war,fehlte den Finanzbeamtinnen und Finanzbeamten das me-dizinische Wissen, um die Aufwendungen zutreffend zu-zuordnen. Im Ergebnis übernahmen sie die Angaben derSteuerpflichtigen für die Besteuerung ohne Beanstandun-gen oder Rückfragen und gewährten jedem Steuerpflich-tigen den Pauschbetrag neben allen geltend gemachtenKrankheitskosten. Sie nahmen dabei eine etwaige dop-pelte steuerliche Berücksichtigung von Aufwendungendurch Pauschbetrag und Einzelnachweis zulasten des Fis-kus hin.

47.2

Gesetz und Rechtsprechung überfordern die Finanzämterdamit, typisch, laufend und unmittelbar durch die Behin-derung verursachte Aufwendungen, die bereits durch denPauschbetrag abgegolten sind, von solchen Krankheits-kosten zu unterscheiden, die zusätzlich als außergewöhn-liche Belastungen anzuerkennen sind. Von den Finanzbe-amtinnen und Finanzbeamten können die medizinischenKenntnisse nicht erwartet werden, die für eine zutref-fende Zuordnung der Aufwendungen notwendig sind.Deshalb ist es den Finanzämtern nicht möglich, das gel-tende Recht ordnungsgemäß zu vollziehen.

Der derzeitige Vollzug der Vorschriften bringt mit sich,dass behinderungsbedingte Aufwendungen doppelt steuer-mindernd berücksichtigt werden. Nach dem Zweck desGesetzes sollten solche außergewöhnlichen Belastungendas jährliche zu versteuernde Einkommen nur einmalmindern – entweder durch den Pauschbetrag nach § 33bEStG oder durch Einzelnachweis der Aufwendungennach § 33 EStG.

47.3

Das Bundesministerium der Finanzen hat eingeräumt,dass es in den meisten Fällen nicht möglich sei, dieKrankheitskosten in behinderungsbedingte und nicht be-hinderungsbedingte Aufwendungen aufzuteilen. Auchseien die Steuerpflichtigen oft selbst nicht in der Lage,die Aufwendungen entsprechend zuzuordnen.

47.4

Der Bundesrechnungshof empfiehlt, die Gesetzesvor-schrift so zu ändern, dass die Finanzämter sie ordnungs-gemäß anwenden können.

Er sieht dazu folgende Möglichkeiten:1. Der Pauschbetrag deckt sowohl behinderungsbedingte

als auch sonstige Aufwendungen ab. Übersteigendiese Aufwendungen den Pauschbetrag, so wäre wahl-weise ihre Berücksichtigung anhand von Einzelnach-weisen zulässig.

2. Der Gesetzgeber lässt zu, dass behinderte Menschenalle Krankheitskosten stets neben dem Pauschbetraggeltend machen dürfen.

In beiden Fällen wäre die Anrechnung unabhängig davon,ob die Kosten durch die Behinderung bedingt oder durchsonstige Krankheiten verursacht sind.

48 Keine Erfolgskontrolle der Steuer-freiheit von Zuschlägen für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit(Kapitel 6001 Titel 011 01)

48.0

Die Steuerfreiheit von Zuschlägen für Sonntags-, Feier-tags- oder Nachtarbeit (§ 3b Einkommensteuergesetz) hatzu jährlichen Steuerausfällen von mehr als 1,7 Mrd. Eurogeführt. Die Vorschrift ist schwierig, verwaltungsaufwen-dig und steuerlich nicht systemgerecht. Sie verstößt gegenden Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung undwird für unerwünschte Gestaltungen missbraucht. EineErfolgskontrolle dieser Vorschrift ist bislang nicht durch-geführt worden.

48.1 Geschichtliche Entwicklung

Zuschläge, die Arbeitgeber an Arbeitnehmer für tatsäch-lich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeitzahlen, sind begrenzt lohnsteuerfrei (§ 3b Einkommen-steuergesetz – EStG). Die im Jahre 1940 eingeführteSteuerbefreiung wurde nach dem Krieg mit kurzer Unter-brechung beibehalten und mit dem volkswirtschaftlichenInteresse an den Diensten zu besonderen Zeiten sowieden persönlichen Belastungen der zu diesen Zeiten arbei-tenden Menschen begründet.

Seit dem Jahre 1954 sprachen sich verschiedene Bundes-regierungen – ebenso wie Wissenschaftler und die Bun-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 199 – Drucksache 16/XXXX

dessteuerberaterkammer – dafür aus, die Steuerbefreiungabzuschaffen.

48.2 Rechtslage

§ 3b EStG begünstigt ausschließlich Arbeitslöhne. DieHöhe der steuerbefreiten Zuschläge ist auf Prozentsätzedes Grundlohnes begrenzt und gestaffelt. Die Staffelungbeginnt mit einem steuerbefreiten Zuschlag in Höhe von25 % des Grundlohnes für Nachtarbeit ab 20 Uhr undreicht bis zu einem steuerbefreiten Zuschlag in Höhe von150 % des Grundlohnes an hohen Feiertagen. Als Grund-lohn gilt der laufende Arbeitslohn, der dem Arbeitnehmernach der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeitfür den jeweiligen Lohnzahlungszeitraum zusteht. Seitdem Jahre 2004 sind Stundengrundlöhne bis höchstens50 Euro begünstigt. Der Gesetzgeber wollte dadurchMissbräuche durch Fußballvereine der Bundesliga be-kämpfen, die ihren Spielern einen Teil der hohen Gehälterals steuerbegünstigte Sonntags- und Nachtarbeitszu-schläge ausbezahlten.

Weitere Zuschläge zum Arbeitslohn, z. B. Überstunden-zuschläge, Schmutz- oder Gefahrenzulagen, sind steuer-lich nicht begünstigt. Nicht begünstigt sind auch Einnah-men selbstständig Tätiger für vergleichbare Leistungen,z. B. im Alten- und Pflegedienst an Sonn- und Feiertagenoder zu Nachtzeiten.

48.3 Feststellungen des Bundesrechnungshofes

48.3.1 Mindereinnahmen bei Steuer und Sozialversicherung

Arbeitnehmer leisten Schicht- und Nachtarbeit über-durchschnittlich häufig im verarbeitenden Gewerbe undbei personenbezogenen Dienstleistungen im Gesundheits-wesen, Verkehrs- und Nachrichtenwesen oder im Sozial-wesen. Sonntagsarbeit leisten vor allem Beschäftigte imHotel- und Gaststättengewerbe, im Kulturbereich, imSport, in der Unterhaltung sowie im Gesundheitsbereich.

Die Summe der jährlich gezahlten steuerfreien Zuschlägein Deutschland lässt sich mangels gesicherter Daten nichtgenau ermitteln. Nach Angaben des Statistischen Bundes-amtes gab es im Jahre 2001 in Deutschland rund9 Millionen Arbeitnehmer, die zumindest gelegentlichbegünstigte Arbeit leisteten. Es ist allerdings nicht be-kannt, wie viele dieser Arbeitnehmer hierfür steuerfreieZuschläge aufgrund von Tarifverträgen oder Betriebsver-einbarungen erhielten. Das Bundesministerium der Finan-zen (Bundesministerium) legte seinen Steuerausfallberech-nungen die Angaben des Statistischen Bundesamtes ausdem Jahre 2001 zugrunde und schätzte die Summe dersteuermindernd wirkenden Zuschläge mit 5,88 Mrd.Euro. Bei der Lohnsteuer geht es von Steuerausfällen vonmehr als 1,7 Mrd. Euro pro Jahr aus.

Für die steuerfrei gezahlten Zuschläge sind keine Sozial-versicherungsbeiträge abzuführen. Das mindert die Ein-nahmen der Sozialversicherungsträger. Der Bundesrech-nungshof konnte keine belastbaren Zahlen über die Höheder Mindereinnahmen feststellen. Die Mindereinnahmen

dürften aber im Milliardenbereich liegen. Der Gesetzge-ber hat inzwischen im Haushaltsbegleitgesetz 2006 dieSozialversicherungsfreiheit derartiger Zuschläge auf ei-nen Stundengrundlohn von 25 Euro begrenzt.

48.3.2 Begünstigte der Steuerbefreiung

Arbeitnehmer sparen für die Zuschläge nach § 3b EStGdie Lohnsteuer, den Solidaritätszuschlag zur Lohnsteuer,ggf. Kirchenlohnsteuer und anteilige Sozialversiche-rungsbeiträge. Arbeitgeber sparen den Arbeitgeberanteilzur Sozialversicherung auf die steuerfreien Zuschlägeund mindern dadurch ihre Lohnnebenkosten. Darüber hi-naus können sie durch Veränderung der Lohnbestandteile– geringerer Grundlohn, höhere steuerbefreite Zuschläge –ihre Lohnkosten insgesamt verringern. Insbesondere fürden Gastronomiebereich werden IT-Systeme angeboten,die als so genannte steuerliche Optimierungsprogrammedie Vorzüge der Zuschläge für Arbeitgeber ungeachtet dertatsächlichen Gestaltung der Arbeitszeit bestmöglich nut-zen, um z. B. aus einem Bruttostundenlohn von 5 Euromit Hilfe steuerfreier Zuschläge den mit dem Arbeitneh-mer vereinbarten Nettolohn von 6,50 Euro zu ermitteln.

48.3.3 Steuervergünstigung

Die Steuerfreiheit der Zuschläge stellt nach dem 20. Sub-ventionsbericht der Bundesregierung die fünftgrößteSteuervergünstigung dar. Nach dem Bericht sind Steuer-vergünstigungen als Subventionstatbestände einer konti-nuierlichen Überprüfung zu unterziehen, um Abbaupoten-ziale und Anpassungsbedarf zu erkennen. Im Rahmeneiner effizienten Erfolgskontrolle sei auch zu prüfen, obund in welchem Umfang die betrachtete Maßnahme tat-sächlich das gewünschte Ziel erreicht. Die Bundesregie-rung geht davon aus, dass die Begünstigung Einzelner zu-lasten der Allgemeinheit in der Regel schädliche Folgenhat, da sie durch Veränderung relativer Preise gesamtwirt-schaftliche Verzerrungen nach sich zieht und Fehlalloka-tionen von Ressourcen verursachen kann. Deshalb sollauch geprüft werden, inwieweit bestehende Steuerver-günstigungen in Finanzhilfen überführt werden können,die nur befristet und grundsätzlich degressiv ausgestaltetwerden sollen.

48.3.4 Anwendungsschwierigkeiten, Verwaltungs-aufwand, Nachprüfbarkeit

Innerhalb der Finanzämter ist es Aufgabe der Lohnsteuer-Außenprüfung, die von den Arbeitgebern ermitteltensteuerfreien Zuschläge zu prüfen. Der Bundesrechnungs-hof stellte fest, dass § 3b EStG schwierig anzuwenden ist.Das galt sowohl für die Anerkennung der Steuerfreiheitdem Grunde nach als auch für die Berechnung der höchst-möglich steuerfreien Beträge. Die Lohnsteuer-Außenprü-fer stellten verhältnismäßig oft fehlerhafte Berechnungenzulasten des Fiskus fest bei

● der Ermittlung des Grundlohns,

● dem Zusammentreffen mehrerer steuerpflichtiger Zu-schläge (z. B. Mehrarbeitszuschläge, Gefahrenzula-gen, Schmutzzulagen) mit steuerfreien Sonntags-, Fei-ertags- oder Nachtzuschlägen,

Drucksache 16/XXXX – 200 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

● der Häufung steuerbefreiter Tatbestände (z. B. Nacht-arbeit an Feiertagen).

Die steuerfreien Zuschläge ließen sich vielfach nur mit-hilfe von Datenverarbeitungsprogrammen zutreffend be-rechnen. All das verursachte bei Arbeitgebern undFinanzverwaltung erheblichen Aufwand.

Die Lohnsteuer-Außenprüfer legten dar, dass sie falscheAngaben der Arbeitgeber über Art und Umfang der steu-erbegünstigten Tätigkeiten selbst bei Zweifeln nur seltenaufdeckten. Formell ordnungsgemäße Aufzeichnungender Arbeitgeber über die Arbeitszeiten der Arbeitnehmerzu Nachtzeiten und an Sonn- und Feiertagen seien kaumzu widerlegen. Vor allem die Beschäftigung naher Ange-höriger in kleineren Betrieben, Familienbetrieben und inEhegattenarbeitsverhältnissen könne zu falschen Auf-zeichnungen führen. Die Lohnsteuer-Außenprüfer be-gnügten sich auch wegen solcher Ermittlungsgrenzen mitstichprobenweisen Prüfungen.

Gleichwohl ist die Anwendung der Vorschrift des § 3bEStG streitanfällig. Dies zeigen zahlreiche Urteile derFinanzgerichte und anhängige Revisionsverfahren.

48.4 Würdigung

Nachstehende Gründe sprechen dagegen, die steuerlicheLenkungsvorschrift des § 3b EStG beizubehalten.

48.4.1 Anwendungs- und Vollzugsschwierigkeiten

Die Anwendung des § 3b EStG ist schwierig, fehler- undstreitanfällig. Sie verursacht einen erheblichen Arbeits-aufwand bei den Arbeitgebern und belastet auch dieFinanzverwaltung. Die Steuerbefreiung ist zudem miss-brauchsanfällig, weil sie nur eingeschränkt überprüfbarist. Deshalb hat sich z. B. die Bundessteuerberaterkam-mer dafür ausgesprochen, § 3b EStG als Beitrag zur Steu-ervereinfachung und zur Entbürokratisierung des Lohn-steuer- und Sozialversicherungsrechts zu streichen.

48.4.2 Unerwünschte Gestaltungen

Arbeitgeber nutzen die Steuerbefreiung des § 3b EStGhäufig, um Lohnkosten zulasten des Fiskus zu mindern.Der Arbeitslohn wird gezielt in Grundlohn und steuer-freie Zuschläge aufgeteilt. Zusätzlich werden Beiträgezur gesetzlichen Sozialversicherung eingespart.

48.4.3 Systemwidrigkeit

Gegen die Steuerbefreiung der Zuschläge für Sonntags-,Feiertags- und Nachtarbeit bestehen steuersystematischeBedenken:

● Die Steuerfreistellung von Lohnteilen, die für Arbei-ten zu bestimmten Zeiten gewährt werden, wider-spricht dem Grundsatz der Besteuerung nach derwirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Für die wirt-schaftliche Leistungsfähigkeit ist es unerheblich, zuwelchen Zeiten ein Steuerpflichtiger seine Einkünfteerzielt.

● Die Steuerbefreiung gilt nur für Einkünfte aus nicht-selbstständiger Arbeit. Steuerpflichtige, die andereEinkünfte durch Tätigkeiten an Sonn- und Feiertagenoder nachts erzielen (z. B. Land- und Forstwirte, Ge-werbetreibende und Freiberufler wie Ärzte oder Apo-theker im Nachtdienst), können eine entsprechendeSteuerbefreiung nicht in Anspruch nehmen; dies ver-stößt gegen die Gleichmäßigkeit der Besteuerung.

● Es sind nur Zuschläge für Arbeit zu bestimmten Zei-ten steuerfrei gestellt, während andere Lohnzuschläge(z. B. Mehrarbeitszuschläge, Gefahrenzuschläge oderSchmutzzulagen) steuerpflichtig sind. Auch diese– durch sachliche Gründe nicht gerechtfertigte – Aus-wahl entspricht nicht dem Gebot der Gleichmäßigkeitder Besteuerung und lässt sich allein mit volkswirt-schaftlichen Erwägungen nicht rechtfertigen.

● Entsprechendes gilt, soweit nur Zuschläge steuerfreigestellt sind. Arbeitnehmer, die zwar Arbeit an Sonn-oder Feiertagen oder zur Nachtzeit leisten, dafür aberarbeitsvertraglich keine Zuschläge durchsetzen kön-nen, sind steuerlich schlechter gestellt.

48.4.4 Subventionsberechtigung

Es ist zweifelhaft, ob das volkswirtschaftliche Interessean den Diensten zu besonderen Zeiten und die Berück-sichtigung persönlicher Belastungen der zu diesen Zeitenarbeitenden Menschen die Steuervergünstigung rechtfer-tigen. Das volkswirtschaftliche Interesse an Diensten zubesonderen Zeiten und die Berücksichtigung persönlicherBelastungen lassen sich zum einen schwerlich auf Ein-künfte aus nicht selbstständiger Arbeit begrenzen. Zumanderen ist nicht ersichtlich, weshalb ein solches In-teresse steuerlich bei einem Stundengrundlohn von50 Euro und sozialversicherungsrechtlich schon bei ei-nem Stundengrundlohn von 25 Euro endet. Wenn derStaat gezielt die Kosten für Arbeitsleistungen zu be-stimmten Zeiten steuerlich subventioniert, verzerrt diesesdie Preisbildung. Sofern Kunden zu solchen Zeiten Leis-tungen nachfragen, sollten sie dafür den steuerlich nichtgeförderten Marktpreis zahlen.

48.5 Stellungnahme des Bundesministeriums

Das Bundesministerium hat den Ausführungen des Bun-desrechnungshofes gegen die Berechtigung der Subven-tion aus fachlicher Sicht weitgehend zugestimmt. Es hatjedoch darauf verwiesen, dass der Koalitionsvertrag vom11. November 2005 vorsieht, die Steuerfreiheit der Zu-schläge für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit beizu-behalten.

48.6 Abschließende Würdigung und Empfehlung des Bundesrechnungshofes

Der Bundesrechnungshof empfiehlt, die Steuerbefreiungvon Zuschlägen für Sonntags-, Feiertags- oder Nacht-arbeit entsprechend den Kriterien im 20. Subventions-bericht der Bundesregierung und in der Gemeinsamen

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 201 – Drucksache 16/XXXX

Geschäftsordnung der Bundesministerien daraufhin zuüberprüfen,

● ob die beabsichtigten Wirkungen erreicht worden sind,

● ob die entstandenen Kosten in einem angemessenenVerhältnis zu den Ergebnissen stehen und

● welche Nebenwirkungen eingetreten sind.

Je nach Ausgang dieser Prüfung sollte auch eine Abschaf-fung der Steuerfreiheit nicht gescheut werden. Eine Ab-schaffung dieser Steuervergünstigung könnte über einenZeitraum von einigen Jahren gestreckt werden, um so-ziale Härten zu vermeiden.

49 Zu geringe Prüfungsquote der Umsatzsteuer-Sonderprüfungen (Kapitel 6001 Titel 015 01)

49.0

Die Finanzverwaltung hat durchschnittlich 2 % der Un-ternehmen in einem Jahr einer Umsatzsteuer-Sonderprü-fung unterzogen. Diese Prüfungsquote ist zu gering, umeinen den Erfordernissen der Betrugsbekämpfung genü-genden Gesetzesvollzug zu gewährleisten. Rechnerischunterliegt danach ein Unternehmen alle 50 Jahre einerUmsatzsteuer-Sonderprüfung. Auch in verschiedenenLändern bestehen beachtliche Unterschiede; in einemLand unterliegen Unternehmen rechnerisch alle 35 Jah-re, in einem anderen nur alle 77 Jahre einer Prüfung. DiePrüfungsquoten der Länder sollten einander auf gleich-mäßig hohem Niveau angeglichen werden. Hierzu sindeinheitliche Maßstäbe festzulegen und es ist auf eine risi-koorientierte Fallauswahl zu achten.

49.1

Die Umsatzsteuer der Unternehmen wird nicht nur durchregelmäßige Betriebsprüfungen, sondern auch anlassbe-zogen durch Umsatzsteuer-Sonderprüfungen geprüft.Diese Prüfungen sind wegen der Betrugsanfälligkeit derUmsatzsteuer eilbedürftig und dulden keinen Aufschubbis zur nächsten Betriebsprüfung. Von diesen Prüfungensind jährlich durchschnittlich 2 % der Unternehmen be-troffen. Rechnerisch unterliegt danach ein Unternehmenalle 50 Jahre einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung. Die Prü-fungsquote ist in den einzelnen Ländern sehr unterschied-lich und reichte im Jahre 2005 von 1,3 % bis 2,8 %. Da-mit werden Unternehmen in einem Land rechnerisch alle35 Jahre, in einem anderen Land nur alle 77 Jahre ge-prüft. Besonders wirtschaftsstarke und große Länder wei-sen die geringste Prüfungsdichte auf.

Die Ergebnisse je Prüfung sind bundesweit sehr unter-schiedlich. Die durchschnittliche Umsatzsteuernachzah-lung von 15 389 Euro je Prüfung wird durch einzelneSpitzenergebnisse beeinflusst. Tatsächlich liegen die Er-gebnisse in acht Ländern erheblich darunter. Auch wei-chen die Ergebnisse je Prüfung in Ländern mit vergleich-barer Wirtschaftskraft erheblich voneinander ab. Der

Personaleinsatz in den Ländern weist ebenfalls große Un-terschiede auf. Die Anzahl der tatsächlich eingesetztenUmsatzsteuer-Sonderprüfer ist in den neuen Ländern so-gar rückläufig. Ein Land hat das eingesetzte Personal bin-nen zehn Jahren halbiert. In den alten Ländern wurde dasPersonal zwar nicht unerheblich aufgestockt, erreichtaber nicht das zahlenmäßige Niveau der neuen Länder.Bei der Auswahl der zu prüfenden Unternehmen habensich die Finanzbehörden teilweise zu schematisch an derHöhe der Erstattungsbeträge orientiert und die Gefahr desBetrugs vernachlässigt.

Die zum 1. Januar 2004 eingeführte Umsatzsteuer-Nach-schau ermöglicht unter erleichterten Umständen einestichprobenartige Prüfung steuerlicher Sachverhalte. Siewird vor allem bei neu gegründeten Unternehmen durch-geführt, insbesondere dann, wenn Vorsteuern erstattetwerden sollen. Im Rahmen eines Pilotprojekts wurdenvon verschiedenen Finanzämtern systematisch alle in Be-tracht kommenden Neugründungsfälle überprüft. Infolgeder Nachschau wurden zahlreiche verdächtige Unterneh-mer, die den Innendiensten nicht aufgefallen wären, unterBeobachtung gestellt.

49.2

Eine Prüfungsquote von 2 % im Bereich der Umsatz-steuer-Sonderprüfung ist nach Ansicht des Bundesrech-nungshofes nicht ausreichend, um nicht erklärte Umsatz-steuern flächendeckend zu ermitteln. Darüber hinausgefährden der unterschiedliche Personaleinsatz, die ab-weichenden Prüfungsquoten und die dadurch bedingtendifferierenden Ergebnisse die Gleichmäßigkeit der Be-steuerung im Bundesgebiet. Da das Bundesministeriumder Finanzen (Bundesministerium) bisher auf eine Kon-trolle der Gesetz- und Zweckmäßigkeit des Verwaltungs-handelns der Länder beschränkt war, konnte es zu weniggestaltend und lenkend auf die Prüfungstätigkeit einwir-ken. Das Bundesministerium sollte zumindest einheitli-che Maßstäbe zu Fallauswahl und Prüfungsdichte festle-gen können. Der Bundesrechnungshof hat empfohlen, dieRechtsposition des Bundes im Bereich der Auftragsver-waltung bei der Umsatzsteuer zu stärken.

Die Umsatzsteuer-Nachschau ist ein wirkungsvolles In-strument bei der Prüfung von Existenzgründern und istzweckdienlich, um kurzfristig das tatsächliche Wirkendes Unternehmens vor Ort (Geschäftseinrichtung, Lager-haltung, Beschäftigte usw.) zu untersuchen. Allerdingsbindet eine flächendeckende Kontrolle zu große Personal-kapazitäten, ohne dass diesem Aufwand ein entsprechen-der Nutzen gegenüber steht. Eine flächendeckende Über-prüfung sämtlicher Neugründungsfälle ist daher nichtzweckmäßig.

49.3

Das Bundesministerium teilt die Auffassung des Bundes-rechnungshofes, dass im Interesse einer Verbesserung derEffizienz u. a. der Prüfungsdienste eine Stärkung derRechtsposition des Bundes im Bereich der Auftragsver-waltung erforderlich sei. Dieser Ansatz werde mit der so

Drucksache 16/XXXX – 202 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiod

genannten kleinen Lösung im Rahmen des Föderalismus-reform-Begleitgesetzes verfolgt. Insbesondere werde nundie Einführung eines bundesweit einheitlichen Risiko-managementsystems leichter umsetzbar sein, das nichtzuletzt bei der Umsatzsteuerbetrugsbekämpfung für mehrEffektivität und Effizienz sorgen dürfte.

49.4

Um die Effektivität der Umsatzsteuer-Sonderprüfung zuerhöhen, sollte bei der Auswahl von Fällen verstärkt aufdas Gefahrenpotenzial geachtet und risikoorientiert ge-prüft werden. Der Bundesrechnungshof befürwortet, dassmit dem Föderalismusreform-Begleitgesetz die Kompe-tenzen des Bundesministeriums erweitert wurden. Es hatdamit die Möglichkeit, den Ländern Vorgaben zur Ar-beitserledigung, zur Fallauswahl und zum Personalein-satz zu machen.

Der Bundesrechnungshof empfiehlt dem Bundesministe-rium, von den neuen Kompetenzen verstärkt Gebrauch zumachen, um die Prüfungsquoten der Länder einander aufgleichmäßig hohem Niveau anzugleichen. Dabei solltedie Prüfungsquote deutlich über 2 % der Unternehmenliegen. Das Bundesministerium sollte hierfür einheitlicheMaßstäbe festlegen und auf eine risikoorientierte Fallaus-wahl achten. Insbesondere sollte es bei den alten Ländernmit vergleichbarer Wirtschaftskraft auf eine angemesseneZahl der Prüfungen dringen. Auch sollte es der sich unter-schiedlich entwickelnden Personalausstattung der neuenund alten Länder entgegenwirken. Der Bundesrechnungs-hof regt an, dafür Sorge zu tragen, den Personalabbau inden neuen Ländern im Bereich der Umsatzsteuer-Sonder-prüfung zu stoppen und stattdessen die Personalausstat-tung in den alten Ländern der in den neuen Ländern anzu-passen.

Die Möglichkeit zur Umsatzsteuer-Nachschau sollte in-tensiv genutzt werden. Es muss aber, wie allgemein inder Umsatzsteuer-Sonderprüfung erforderlich, eine risi-koorientierte Fallauswahl vorausgehen, um die knappenPersonalkapazitäten auf betrugsrelevante Fälle und solchezu beschränken, bei denen hohe Erstattungen geltend ge-macht werden. Außerdem sollte die Umsatzsteuer-Nach-schau auch in anderen Fällen als bei Neugründungendurchgeführt werden.

50 Besteuerung ausländischer Bus-unternehmen nicht gesichert(Kapitel 6001 Titel 015 01)

50.0

Die Finanzbehörden haben die Umsätze ausländischerBusunternehmen in Deutschland nur lückenhaft besteu-ert. EU-weite Vorgaben wie auch die Kontrollmechanis-men des nationalen Besteuerungsverfahrens können keinegleichmäßige Umsatzbesteuerung gewährleisten. Da einekurzfristige Veränderung der EG-Richtlinie nicht zu er-warten ist, hat der Bundesrechnungshof empfohlen, einst-weilen das nationale Kontrollverfahren zu verbessern.

50.1

50.1.1

Führt ein im Ausland ansässiges Unternehmen grenzüber-schreitende Fahrten mit Reise- oder Linienbussen durch,ist es mit dem in Deutschland zurückgelegten Strecken-anteil umsatzsteuerpflichtig. Diese Umsatzsteuerpflichtresultiert aus Vorgaben der EU-weit gültigen 6. EG-Richtlinie. Danach muss ein international tätiges Bus-unternehmen bei jeder grenzüberschreitenden Fahrt fest-stellen, welcher Streckenanteil auf welchen Staat entfällt.Dazu muss es ermitteln, wie die Personenbeförderung imjeweiligen Staat zu besteuern ist. Es muss also die steuer-lichen Regelungen aller durchfahrenen Staaten kennen.

Um die Fahrten ausländischer Busunternehmen inDeutschland besteuern und überwachen zu können, erhal-ten die Finanzämter Kontrollmaterial von anderen Behör-den:

● Die Mobilen Kontrollgruppen der Zollverwaltung(MKG) sind berechtigt, durch zeitlich und örtlich be-grenzte Kontrollen die ausländischen Busse anzuhal-ten, für die Umsatzbesteuerung maßgebende Datenfestzustellen und entsprechende Kontrollmitteilungenzu fertigen (Kontrollverfahren nach § 18 Abs. 11UStG).

● Erbringt ein ausländisches Busunternehmen Personen-beförderungsleistungen im Linienverkehr, sind diese– entweder in Deutschland oder einem anderen EU-Mitgliedstaat – genehmigungspflichtig. Wird der Li-nienverkehr von einer deutschen Behörde genehmigt,soll diese Genehmigungsbehörde dem zuständigenFinanzamt eine Kopie der Genehmigungsurkundeübermitteln.

Zusätzlich haben die ausländischen Busunternehmen seitdem 1. Januar 2005 die erste grenzüberschreitende Fahrtvorher bei dem zuständigen Finanzamt anzuzeigen. DasFinanzamt soll dem Unternehmen daraufhin eine – für einJahr gültige – Bescheinigung über die umsatzsteuerlicheErfassung ausstellen (Bescheinigungsverfahren nach § 18Abs. 12 UStG). Diese soll während jeder Fahrt inDeutschland mitgeführt und auf Verlangen den MKG vor-gelegt werden, anderenfalls können die MKG eine Si-cherheitsleistung in Höhe der voraussichtlich zu erwar-tenden Umsatzsteuer verlangen, die auf die aktuelle Fahrtentfällt. Die entrichtete Sicherheitsleistung kann im Rah-men der Umsatzsteuer-Jahreserklärung auf die zu entrich-tende Steuer angerechnet werden.

50.1.2

Der Bundesrechnungshof hat untersucht, wie sich dieVorgaben der 6. EG-Richtlinie auf die deutsche Besteue-rungspraxis auswirken und wie Deutschland seinen Be-steuerungsanspruch durchsetzt.

In den vier Finanzämtern, die für Unternehmen aus denStaaten Italien, Niederlande, Österreich, Polen, Rumä-nien, Slowakei, Slowenien und Tschechien zuständigsind, betrug die festgesetzte Umsatzsteuer für die Veran-lagungszeiträume 2000 bis 2003 insgesamt rund 17 Mio.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 203 – Drucksache 16/XXXX

Euro. Dabei waren in den Veranlagungszeiträumen 2002und 2003 die festgesetzten Umsatzsteuern um jährlich1 Mio. Euro rückläufig.

Will das Finanzamt die Personenbeförderungsleistungenbesteuern, ist es weitgehend auf die Mitwirkung der aus-ländischen Busunternehmen angewiesen. Manche Busun-ternehmen erklären neben den kontrollierten auch weitereumsatzsteuerpflichtige Fahrten. Andere geben nur diekontrollierten Fahrten an. Einige verschweigen selbst dieFahrten, bei denen sie kontrolliert wurden. In einemFinanzamt blieb in 50 % dieser Fälle selbst mehrmaligesAnschreiben des Busunternehmens nach Eingang einerKontrollmitteilung erfolglos.

Die Busunternehmer waren entweder im Linien- oder Ge-legenheitsverkehr tätig. Im Jahre 2004 beförderten sieknapp 90 % ihrer Fahrgäste im Gelegenheitsverkehr. Diein den Finanzämtern geführten Busunternehmen warenjedoch zu weniger als 50 % im Gelegenheitsverkehr tätig.

Beim Kontrollverfahren (§ 18 Abs. 11 UStG) wirkenmehrere Behörden mit. Die MKG senden die ausgefülltenKontrollmitteilungen in Papierform an das Bundeszen-tralamt für Steuern. Dieses leitet die Kontrollmitteilungenan die zuständigen Finanzämter weiter. Nach Berechnun-gen des Bundesrechnungshofes kontrollieren die MKGweniger als 1 % der in Deutschland mit ausländischenBussen durchgeführten Fahrten.

Die Anzahl der bei den Finanzämtern eingehenden Ko-pien der Genehmigungsurkunden zum Linienverkehr istrückläufig. Aufgrund einer Regelungslücke beim Linien-verkehr haben die Finanzämter keine Kenntnis über dievon anderen EU-Mitgliedstaaten genehmigten Buslinien,die durch Deutschland führen.

Beim Bescheinigungsverfahren (§ 18 Abs. 12 UStG)müssen die Finanzämter für jeden ausländischen Bus, derfür grenzüberschreitende Fahrten eingesetzt werden soll,eine gesonderte Bescheinigung erstellen. So wurden fürein Busunternehmen 255 Bescheinigungen für ein Jahrerteilt. Diese gelten auch nur für dieses Jahr. Eine Be-scheinigung wird selbst dann erstellt, wenn die ausländi-schen Unternehmen ihre steuerlichen Pflichten verletzen.

Die festgesetzten Umsatzsteuerbeträge sind für dieFinanzämter bei ungenügender Zahlungsmoral ausländi-scher Busunternehmen schwer beizutreiben, da inländi-sche Vermögenswerte fehlen. Bundesweit schlugen dieFinanzämter bis zu 21 % der festgesetzten Umsatzsteuernnieder. Ein Bundesland erzielte durch die koordinierteZusammenarbeit der Finanzämter mit anderen Behörden(Hauptzollämtern, Polizei) und einer Steuerfahndungs-stelle Steuermehreinnahmen von mehr als einer halbenMillion Euro innerhalb eines Jahres. Auf säumige Steuer-pflichtige wirkte die konsequente Verfolgung des Steuer-anspruchs so erzieherisch, dass sie in der Folgezeit ihrensteuerlichen Pflichten besser nachkamen.

50.2

Nach Feststellungen des Bundesrechnungshofes sind dieVorgaben der 6. EG-Richtlinie die Ursachen des verwal-

tungsaufwendigen und ineffizienten Verfahrens. Nachdieser ist eine Beförderungsleistung auf Grundlage derzurückgelegten Strecke in mehreren EU-Mitgliedstaatenzu besteuern. Eine Änderung dieser Besteuerungspraxiskann nur EU-weit durch eine Anpassung der Richtlinieerreicht werden. Obwohl die EU-Kommission eine Verla-gerung der Besteuerung auf den Ort des Beginns derFahrt als Lösung favorisiert, hat sie sich in ihrem jüngstenRichtlinienvorschlag dafür ausgesprochen, die derzeitigeBesteuerung beizubehalten. Dennoch sollte das Bundes-ministerium der Finanzen (Bundesministerium) langfris-tig das Ziel verfolgen, EU-weit eine praktikablere Besteu-erung der Personenbeförderungsleistungen (z. B. durcheine Besteuerung am Abgangsort) zu erreichen.

Bis zu einer Änderung der EU-Vorgaben sollte das Bun-desministerium die Durchsetzung des Besteuerungsan-spruchs in Deutschland verbessern. Dem hohen Aufwandder Finanzämter stehen relativ geringe Steuereinnahmengegenüber. Zudem sind die Steuereinnahmen rückläufig.Die Kontrollmechanismen zur Besteuerung von ausländi-schen Busunternehmen greifen nur bedingt und sind sehraufwendig. Ursächlich hierfür sind beim Kontrollverfah-ren die geringe Kontrolldichte, die Übermittlung derKontrollmitteilungen in Papierform und die Zwischen-schaltung des Bundeszentralamtes für Steuern.

Dieses Kontrollverfahren gewährleistet nur eine Versteu-erung der kontrollierten Fahrten. Weitere Fahrten könnendem ausländischen Unternehmen selten nachgewiesenwerden. Der Bundesrechnungshof empfiehlt daher, einehöhere Kontrolldichte bei vertretbarem Aufwand zu ge-währleisten. Vorstellbar wäre, das bestehende LKW-Mautsystem zu nutzen, um bundesweite Informationenüber zurückgelegte Fahrten ausländischer Busse zumin-dest auf deutschen Autobahnen zu erhalten. Der Informa-tionsaustausch zwischen den Finanzämtern und denGenehmigungsbehörden sollte verbessert werden. Außer-dem sollte eine Rechtsgrundlage geschaffen werden, nachder die Finanzämter auch über die von ausländischen Be-hörden erteilten Genehmigungen informiert werden. Zu-dem sollten die MKG und die Finanzämter ihre Datenelektronisch austauschen. Es ist nicht erforderlich, dasBundeszentralamt für Steuern zu beteiligen.

Das zum 1. Januar 2005 eingeführte Bescheinigungsver-fahren nach § 18 Abs. 12 UStG ist aus Sicht des Bundes-rechnungshofes ebenfalls sehr aufwendig, da jährlich fürjeden ausländischen Bus eine gesonderte Bescheinigungerstellt werden muss. Den Aufwand rechtfertigende Steu-ermehreinnahmen sind dagegen nicht zu erwarten. DieSicherheitsleistungen werden nur in der Höhe der zuerwartenden Umsatzsteuer für die kontrollierte Fahrt fest-gesetzt und können deshalb weitere Steuerhinterziehun-gen nicht verhindern. Nach Auffassung des Bundes-rechnungshofes sollten künftig nur noch UnternehmenBescheinigungen erhalten, die ihre steuerlichen Ver-pflichtungen erfüllen. Zusätzlich sollten die MKG er-mächtigt werden, Geldbußen in empfindlicher Höhe fest-zusetzen und einzubehalten, wenn die Bescheinigung beieiner Kontrolle nicht vorgelegt werden kann.

Drucksache 16/XXXX – 204 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Das Bundesministerium sollte die Steuerfestsetzung unddie Steuererhebung verbessern. Der Bundesrechnungshofempfiehlt, flächendeckend eine gezielte Zusammenarbeitder Finanzämter mit den Hauptzollämtern und der Polizeieinzuführen.

50.3

Das Bundesministerium hat auf die Rechtslage nach der6. EG-Richtlinie verwiesen und angekündigt, mit allenbeteiligten Stellen auf eine Verbesserung des unbefriedi-genden Verfahrens hinzuwirken.

50.4

Der geschilderte Sachverhalt ist ein Beispiel für die Kom-pliziertheit des in Deutschland geltenden Steuerrechts.Der Aufwand der Finanzämter, um die Sachverhalte zuermitteln, die Steuern festzusetzen und sie zu erheben,steht in keinem angemessenen Verhältnis zum Ertrag. DerGrund hierfür ist eine europäische Richtlinie. Daher kanndie nationale Steuerverwaltung hiervon grundsätzlichnicht abweichen und auf eine Besteuerung verzichten, nurweil diese nicht wirtschaftlich ist.

Neben den Schwierigkeiten, die die Regelung der Ver-waltung bereitet, haben auch die international tätigenBusunternehmen Grund zur Klage. Sie müssen sich EU-weit mit 25 verschiedenen Besteuerungsverfahren befas-sen und unterschiedliche Vordrucke ausfüllen, deren In-halt ihnen kaum verständlich ist.

Eine Lösung wäre relativ einfach: Jeder versteuert dieReisen in dem Land, in dem sie beginnen. Diese europäi-sche Lösung scheint derzeit aus übergeordneten Gesichts-punkten nicht erreichbar, denn die unterschiedlichenSteuersätze könnten nach Auffassung der EU-Kommis-sion den Wettbewerb beeinträchtigen. Deshalb bleibt dasBundesministerium aufgefordert, das nationale Verfah-ren kurzfristig zu verbessern und eine Methode zu entwi-ckeln, die zu einer besseren Erkennung der Steuerschuld-ner, der vollständigen Festsetzung und Erhebung derSteuern führt.

51 Zahlungen aus öffentlichen Kassen unzureichend besteuert(Kapitel 6001 Titel 015 01)

51.0

Amtlich bestellte Betreuungspersonen haben von den Jus-tizkassen gezahlte Vergütungen gegenüber den Finanzbe-hörden nicht vollständig erklärt. Dem Fiskus entstand da-durch ein beträchtlicher Steuerschaden. Darüber hinausbefürchtet der Bundesrechnungshof weitere Steueraus-fälle bei anderen Berufsgruppen, die ebenfalls Vergütun-gen aus den Justizkassen erhalten (z. B. Sachverständige,Dolmetscher und Übersetzer). Eine zutreffende und voll-ständige Besteuerung von Zahlungen aus öffentlichenKassen ist nicht sichergestellt. Gerichte und Staatsan-waltschaften sollten den Finanzbehörden diese Zahlun-gen anzeigen.

51.1

Ein Volljähriger, der aufgrund einer psychischen Krank-heit oder einer geistigen oder seelischen Behinderungnicht in der Lage ist, seine Angelegenheiten ganz oderteilweise zu besorgen, kann amtlich betreut werden. Indiesem Fall kann das Vormundschaftsgericht für ihn eineberufsmäßige Betreuungsperson bestellen. In Deutsch-land sind insgesamt rund 9 000 derartige Betreuungsper-sonen tätig. Für die Einrichtung und Durchführung sol-cher Betreuungen haben die Justizkassen der Länderallein im Jahre 2003 rund 395 Mio. Euro an Vergütungenausgezahlt.

Um eine zutreffende und vollständige Besteuerung vonZahlungen aus öffentlichen Kassen sicherzustellen, ver-pflichtet die Mitteilungsverordnung zu § 93a Abgaben-ordnung Behörden dazu, den Finanzbehörden bestimmteZahlungen an nebenamtlich tätige Dritte mitzuteilen. Zuden Behörden im Sinne der Mitteilungsverordnung gehö-ren auch Gerichte und Staatsanwaltschaften, soweit sieVerwaltungsmaßnahmen im fiskalischen Bereich durch-führen. Dies wurde durch einen Beschluss der Abtei-lungsleiter (Steuer) der obersten Finanzbehörden desBundes und der Länder im Jahre 2000 bestätigt. Danachsind Zahlungen, die unmittelbar durch die Recht spre-chende Tätigkeit der Gerichte veranlasst sind, grundsätz-lich mitteilungspflichtig. Die Justizverwaltung lehnt je-doch eine Anwendbarkeit der Mitteilungsverordnungmehrheitlich ab.

Der Bundesrechnungshof überprüfte anhand der Steuer-akten 160 Fälle, in denen die Justizkassen Honorarzah-lungen zwischen 51 000 Euro und 1,1 Mio. Euro an Be-treuungspersonen geleistet hatten. Er stellte dabei fest,dass Betreuungspersonen von den Justizkassen gezahlteVergütungen gegenüber den Finanzbehörden nicht voll-ständig erklärt hatten. Die Mitteilungsverordnung blieb indiesen Fällen wirkungslos, weil die Justizverwaltung sieweitgehend nicht vollzogen hatte. Soweit die Mitteilungs-verordnung im Ausnahmefall angewendet wurde, warenden Finanzbehörden grundsätzlich nur solche Zahlungenmitzuteilen, die die Zahlungsempfänger im Rahmen einerNebentätigkeit erhalten hatten. Da sich die Betreuungstä-tigkeit oft als Haupttätigkeit des Steuerpflichtigen dar-stellte, lief die Mitteilungsverordnung auch insoweit insLeere. Eine zutreffende und vollständige Besteuerungvon Betreuungsvergütungen war damit nicht sicherge-stellt.

51.2

Der Bundesrechnungshof geht aufgrund seiner Feststel-lungen im Bereich der Betreuungspersonen bundesweitvon beträchtlichen Steuerausfällen aus. Darüber hinausbefürchtet er weitere Steuerausfälle bei anderen Berufs-gruppen, die ebenfalls Vergütungen aus den Justizkassenerhalten (z. B. Sachverständige, Dolmetscher und Über-setzer). Er hat dem Bundesministerium der Finanzen(Bundesministerium) mitgeteilt, dass dieser Zustand nichthinnehmbar ist. Die Finanzverwaltung muss bei Zahlun-gen aus öffentlichen Kassen ein besonderes Interesse an

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 205 – Drucksache 16/XXXX

deren zutreffender und vollständiger Besteuerung haben.Angesichts der steuerrechtlichen Auslegungsstreitigkei-ten mit der Justiz hätte auch das Bundesministerium da-ran interessiert sein müssen, eine klare und eindeutigerechtliche Grundlage zu schaffen. Der Bundesrechnungs-hof hat empfohlen, die Mitteilungsverpflichtung derGerichte und Staatsanwaltschaften künftig auf eine ein-deutige gesetzliche Grundlage in § 93a Abs. 1 Abgaben-ordnung zu stellen.

Vor dem Hintergrund der festgestellten Steuerausfälle beiden Betreuungspersonen hält der Bundesrechnungshofauch eine Unterscheidung der Mitteilungspflichten beiHaupt- und Nebentätigkeiten nicht mehr für gerechtfer-tigt. Die Ausnahme der Haupttätigkeiten wurde seinerzeitdamit begründet, dass diese Tätigkeiten einer regelmäßi-gen Außenprüfung unterliegen und insoweit eine weitereMitteilungsverpflichtung nicht notwendig sei. In Anbe-tracht der angespannten Situation bei den Prüfungsdiens-ten der Finanzverwaltung und den damit verbundenenlangen prüfungsfreien Zeiträumen kann allerdings beihauptberuflichen Betreuungspersonen nicht von einer re-gelmäßigen Prüfung ausgegangen werden. Die Gefahrder unvollständigen Erfassung zu steuerlichen Zweckenist damit bei Zahlungen im Rahmen von Haupttätigkeitenals ebenso hoch einzuschätzen wie bei Zahlungen imRahmen von Nebentätigkeiten. Hinzu kommt, dass diesteuerlichen Auswirkungen bei Zahlungen im Rahmen ei-ner Haupttätigkeit regelmäßig wesentlich höher sind alsbei Zahlungen im Rahmen einer Nebentätigkeit. DerBundesrechnungshof hat deshalb über die gesetzlicheKlarstellung hinaus empfohlen, die allgemeinen Mittei-lungspflichten in der Mitteilungsverordnung auf be-stimmte Haupttätigkeiten auszuweiten. Er erachtet esdabei für zweckmäßig, ein bundesweit abgestimmtes au-tomatisiertes Mitteilungsverfahren zur elektronischen Da-tenübermittlung an die Finanzbehörden einzurichten.

51.3

Das Bundesministerium hat die Feststellungen des Bun-desrechnungshofes, insbesondere dass die Mitteilungs-verordnung im Bereich der Justiz weitgehend nicht voll-zogen wird, als zutreffend bestätigt. Es hat angekündigtzu prüfen, inwieweit unstreitige Regelungen geschaffenwerden können. Der Vollzugsmangel bei den Justizbehör-den könne jedoch grundsätzlich nicht als mitursächlichfür die Steuerausfälle im Bereich der Betreuungspersonenangesehen werden, da sich die Betreuungstätigkeit über-wiegend als Haupttätigkeit darstelle. Insoweit sehe dieMitteilungsverordnung keine Mitteilungspflicht vor. Ge-gen den Vorschlag des Bundesrechnungshofes, die Mit-teilungspflichten künftig auf Haupttätigkeiten auszuwei-ten, hat das Bundesministerium erhebliche Bedenkengeäußert. Die vorgeschlagene Regelung hätte eine „Flut“von Kontrollmitteilungen zur Folge, deren Erstellung,Weiterleitung und Auswertung letztlich zur Lähmung derJustiz- und Finanzverwaltung führen würde. Ein derarti-ges Kontrollverfahren stünde im Widerspruch zur ange-strebten Entbürokratisierung der Verwaltung. Die Ein-richtung eines bundesweit abgestimmten automatisierten

Mitteilungsverfahrens hat das Bundesministerium als der-zeit weder durchsetzbar noch technisch realisierbar be-zeichnet.

51.4

Der Bundesrechnungshof bleibt bei seiner Auffassung,dass die Steuerausfälle bei konsequenter Anwendung derMitteilungspflichten durch die Gerichte und Staats-anwaltschaften und den damit einhergehenden Kontroll-möglichkeiten der Finanzverwaltung verringert werdenkönnen. Er hält eine konsequente Anwendung der Mittei-lungspflichten durch die Justizbehörden für dringend er-forderlich. Nur so kann die zutreffende und vollständigeBesteuerung von Zahlungen aus den Justizkassen hinrei-chend gesichert werden. Der Bundesrechnungshof be-grüßt, dass das Bundesministerium die rechtlichen Vorga-ben überprüfen will.

Die Mitteilungspflicht erstreckt sich grundsätzlich aufalle Zahlungen von Behörden an nebenamtlich tätigeDritte, bei denen die Gefahr der unvollständigen Erfas-sung zu steuerlichen Zwecken als hoch einzuschätzen ist.Da diese Gefahr bei Zahlungen im Rahmen von Haupttä-tigkeiten nach Auffassung des Bundesrechnungshofes alsebenso hoch einzuschätzen ist wie bei Zahlungen im Rah-men von Nebentätigkeiten, widerspricht die generelleAusnahme der Haupttätigkeiten dem Zweck der Mittei-lungsverordnung. Die Unterscheidung führt dazu, dassdie steuerliche Erfassung von Nebentätigkeiten mit gerin-ger Auswirkung (z. B. Honorarvergütungen der Volks-hochschulen an ihre Dozenten) in höherem Maße abgesi-chert ist, als die von Haupttätigkeiten, bei denen dieAuswirkungen regelmäßig wesentlich höher sind (z. B.Vergütungen an Betreuungspersonen, Sachverständigeoder Dolmetscher). Der Bundesrechnungshof hält es des-halb für geboten, den bisherigen Anwendungsbereich derMitteilungsverordnung auf Haupttätigkeiten zu erweitern.

Um den zusätzlichen Kontrollaufwand, der mit einer sol-chen Ausweitung der Mitteilungspflichten verbunden ist,möglichst gering zu halten, könnten nach Auffassung desBundesrechnungshofes die Mitteilungspflichten z. B. aufbestimmte Haupttätigkeiten begrenzt und die Übermitt-lung von Jahresmitteilungen vorgesehen werden. Darüberhinaus sollte das Bundesministerium alsbald die techni-schen und organisatorischen Möglichkeiten zur Einrich-tung eines automatisierten Mitteilungsverfahrens prüfen,zumal dieses auch in anderen Bereichen des Besteue-rungsverfahrens erforderlich ist.

52 Hohe Umsatzsteuerausfälle in der Fast-Food-Gastronomie (Kapitel 6001 Titel 015 01)

52.0

In der Fast-Food-Gastronomie kommt es zu Umsatz-steuerausfällen in zweistelliger Millionenhöhe, weil„In-Haus“-Umsätze statt mit 16 % Umsatzsteuer bewusstals „Außer-Haus“-Umsätze mit 7 % Umsatzsteuer erfasst

Drucksache 16/XXXX – 206 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

werden. Obwohl der Finanzverwaltung das Problem seitJahren bekannt ist, konnte sie die Missbräuche bislangnicht konsequent und nachhaltig bekämpfen. An dieserunzulänglichen Situation wird sich nach Einschätzungdes Bundesrechnungshofes ohne eine Gesetzesänderungauch nichts ändern.

52.1

Die Abgabe von Speisen zum Verzehr an Ort und Stelle(sog. Restaurationsumsätze oder „In-Haus“-Umsätze) un-terliegt dem allgemeinen Umsatzsteuersatz von 16 %.Werden dieselben Speisen „zum Mitnehmen“ abgegeben,sind sie hingegen als „Außer-Haus“-Umsätze mit dem er-mäßigten Steuersatz von 7 % – wie auch bei Lebensmit-teln – zu besteuern.

Nach den Feststellungen des Bundesrechnungshofeskommt es in der Fast-Food-Gastronomie seit Jahren zuerheblichen Umsatzsteuerausfällen, weil „In-Haus“-Um-sätze statt mit 16 % bewusst als „Außer-Haus“-Umsätzemit 7 % erfasst werden. Der Bundesrechnungshof gehtdavon aus, dass diese Problematik grundsätzlich auch inanderen Bereichen der Gastronomiebranche besteht undUmsatzsteuerverkürzungen flächendeckend auftreten.

Der steuerliche Vorteil aus der falschen Erfassung derUmsätze kommt ausschließlich dem Unternehmen zuguteund ist umso größer, je höher der Anteil der „Außer-Haus“-Verkäufe ausfällt. Der „Außer-Haus“-Kunde wirddurch die Steuerermäßigung selten begünstigt, weil erhäufig für das einzelne Produkt denselben Bruttopreiszahlen muss, unabhängig davon, ob er es an Ort undStelle verzehrt oder mitnimmt.

Aufgrund seiner Erkenntnisse rechnet der Bundesrech-nungshof allein im Fast-Food-Bereich mit jährlichen Um-satzsteuerausfällen in zweistelliger Millionenhöhe. Durchdie Erhöhung des allgemeinen Steuersatzes auf 19 %wird der Anreiz zur falschen Erfassung der Umsätze wei-ter ansteigen.

Der Finanzverwaltung ist das Problem zwar schon seitJahren bekannt, sie konnte aber den Missbrauch bislangnicht konsequent und nachhaltig bekämpfen. Dies lag vorallem daran, dass die Prüfungen selbst bei Einsatz vonmodernen Prüfungsmethoden sehr schwierig und mit ei-nem hohen Aufwand verbunden waren. Zudem führtensie immer wieder zu unbefriedigenden Ergebnissen, weilder tatsächliche Anteil der „Außer-Haus“-Verkäufe imNachhinein nicht oder nur ungenau festgestellt werdenkonnte. Folge hiervon war, dass Änderungen regelmäßignicht oder nur in geringem Umfang durchgesetzt werdenkonnten. Die Verfahren endeten in den meisten Fällen miteiner tatsächlichen Verständigung und „niedrigen“ Nach-zahlungsbeträgen.

52.2

Nach Einschätzung des Bundesrechnungshofes wird sichan dieser unzulänglichen Situation bei unveränderter Ge-setzeslage nichts ändern. Die bestehende gesetzliche Re-

gelung, die gleiche Leistungen mit unterschiedlichenSteuersätzen belegt, lädt zu Steuerhinterziehungen ein.Ein erhöhter Prüfungs- bzw. Fahndungsdruck durch kon-zentrierte Prüfungen und speziell geschultes Personalwürde lediglich zu einer geringfügigen Verbesserung dergegenwärtigen Situation führen und über Jahre hinwegviele Bedienstete der Außendienste und Fahndungsstellennur für diesen Teilbereich binden.

Der Bundesrechnungshof ist der Auffassung, dass dieProblematik nur durch eine Gesetzesänderung befriedi-gend gelöst werden kann. Er hat deshalb empfohlen, denermäßigten Umsatzsteuersatz auf „Außer-Haus“-Ver-käufe aufzuheben und eine gesetzliche Regelung einzu-führen, nach der alle Restaurationsumsätze unabhängigvom Kriterium „Verzehr an Ort und Stelle“ einheitlich demallgemeinen Steuersatz unterliegen. Dies würde bei einemSteuersatz von 16 % zu einem höheren Umsatzsteuer-aufkommen von 400 Mio. Euro jährlich führen. Der Bun-desrechnungshof hat das Bundesministerium der Finanzen(Bundesministerium) aufgefordert, den Missbräuchen un-verzüglich entgegenzuwirken und sich für die notwendi-gen gesetzlichen Änderungen einzusetzen.

52.3

Das Bundesministerium hat gegen diese Bemerkunggrundsätzlich keine Einwendungen erhoben. Es hält aller-dings weitere Abstimmungen und Gespräche für erforder-lich.

52.4

Obwohl dem Bundesministerium das Problem seit Jahrenbekannt war, hat es die Missbräuche bislang nicht konse-quent und nachhaltig bekämpft. Da allein im Fast-Food-Bereich von jährlichen Umsatzsteuerausfällen in zwei-stelliger Millionenhöhe auszugehen ist, sollte das Bun-desministerium auf eine kurzfristige Änderung des Um-satzsteuergesetzes hinwirken. Alle Restaurationsumsätzesollten unabhängig vom Kriterium „Verzehr an Ort undStelle“ einheitlich dem allgemeinen Steuersatz unterlie-gen.

53 Steuerliche Kontrolle des Internets ohne durchschlagenden Erfolg(Kapitel 6001 Titel 015 01)

53.0

Das Bundeszentralamt für Steuern durchsucht seit dem1. Oktober 2003 das Internet nach steuerlich nicht erfass-ten unternehmerischen Aktivitäten. Die Ergebnisse derDatenrecherche sind bislang hinter den Erwartungen zu-rück geblieben. Sie haben nicht wesentlich dazu beigetra-gen, wirksam Personen zu identifizieren, die den Finanz-behörden Umsätze und Gewinne aus im Internetangebotenen Waren und Dienstleistungen verschwiegenhaben.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 207 – Drucksache 16/XXXX

53.1

Das Internet wird mangels effektiver steuerlicher Kon-trolle zur Steuerhinterziehung genutzt. Vereinzelte vonden Steuerfahndungsstellen aufgegriffene Fälle habendies bestätigt. Um die Steuerhinterziehung im Internetwirksamer als bisher zu bekämpfen, erhielt das Bundes-zentralamt für Steuern (Bundeszentralamt) durch dasSteuerverkürzungsbekämpfungsgesetz vom 19. Dezember2001 neue Kompetenzen. Es soll elektronisch angeboteneDienstleistungen beobachten und die Landesfinanzver-waltungen bei der Besteuerung des elektronischen Han-dels unterstützen. Hierzu wurde eine zentrale Inter-netstelle beim Bundeszentralamt eingerichtet. Sie setztseit Oktober 2003 eine Suchsoftware namens X-PIDERein, mit der das Internet nach steuerlich verdächtigen Per-sonen durchsucht wird. X-PIDER soll in Deutschlandsteuerpflichtige Personen identifizieren, die gewerbsmä-ßig elektronischen Handel betreiben, ohne die daraus er-zielten Einnahmen dem Finanzamt anzugeben. Die Datenwerden automatisiert an die jeweils zuständige Landes-finanzbehörde übermittelt.

53.2

Seit Beginn der Datenrecherche im Oktober 2003 erhiel-ten die Länder Tausende von Datensätzen. Zu Jahres-beginn 2006 hatten die Länder die überwiegende Zahl derDaten ausgewertet. Der Erfolg war gering. Nur in weni-gen Einzelfällen ergaben sich Hinweise auf nicht versteu-erte unternehmerische Aktivitäten.

Die Gründe für den geringen Erfolg waren:

● Mangelnde Qualität der X-PIDER-Daten

Die Qualität der X-PIDER-Daten entsprach nicht denVorstellungen der Länder. Aus den Daten konnten nurwenige Erfolg versprechende Fälle herausgefiltertwerden. Nicht selten kam es vor, dass Datensätze dop-pelt vorhanden waren, nicht zweifelsfrei zugeordnetwerden konnten, andere Zuständigkeiten betrafen odereinfach nur unbrauchbar waren. Die X-PIDER-Soft-ware war nur bedingt geeignet, den Namen des anbie-tenden Unternehmers herauszufiltern.

● Unzureichende Maßnahmen der Länder

Nur ein Land hat von Anfang an die notwendigen or-ganisatorischen und personellen Voraussetzungen ge-schaffen, die zur Auswertung der X-PIDER-Daten er-forderlich waren. Dieser Umstand führte dazu, dassdieses Land weitaus mehr X-PIDER-Datensätze alsdie übrigen Länder erhielt und auswertete. Einige Län-der haben bis heute nicht die erforderlichen Vorausset-zungen zur Verarbeitung der X-PIDER-Daten geschaf-fen. Da es an einer breiten Unterstützung des Projektsdurch die Länder mangelte, erhielt das Bundeszentral-amt nur vereinzelt Rückmeldungen aus den übermit-telten Daten.

● Geringes Engagement des Bundesministeriums der Fi-nanzen (Bundesministerium)

Um den Datentransfer zwischen dem Bundeszentral-amt und den Steuerverwaltungen der Länder abzustim-men, wurde im November 2003 eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Steuerlicher Internetabgleich“ einge-richtet. Seitdem tagte diese Arbeitsgruppe mehrmals.Ein Vertreter des Bundesministeriums nahm an denArbeitsgruppensitzungen nicht teil. Eine Erörterungder Probleme mit den Ländern fand erstmalig im No-vember 2005 statt.

53.3

Bund und Länder hatten sich durch die zentrale Internet-recherche beim Bundeszentralamt erhebliche Fortschrittebei der Identifizierung von Personen erhofft, die den Fi-nanzbehörden Umsätze und Gewinne aus im Internet an-gebotenen Waren und Dienstleistungen verschwiegen ha-ben. Mittels X-PIDER sollten steuerlich unbekannteunternehmerische Aktivitäten im Internet wirksamer alsbisher aufgedeckt werden. Trotz mehrjähriger Daten-recherche ist bislang nicht gelungen, Steuerhinterziehungim Internet wirksam zu entlarven. Der Erfolg des Projektsbleibt damit deutlich hinter den Erwartungen zurück. DiePräventivwirkung des Projekts ist in Gefahr. Angesichtsder Bedeutung des Projekts hätte das Bundesministeriumdie bekannten Probleme frühzeitig aufgreifen und zumGegenstand von Besprechungen mit den Ländern machenmüssen. Da dies erst zu spät geschah, konnte das Bundes-ministerium nicht frühzeitig darauf hinwirken, dass alleLänder den für die Auswertung der Daten zwingend not-wendigen personellen Einsatz sicherstellen.

Der Bundesrechnungshof hat das Bundesministerium auf-gefordert, darauf hinzuwirken, dass die notwendigen or-ganisatorischen und personellen Maßnahmen zur Über-nahme und Weiterverarbeitung der X-PIDER-Daten inden Ländern umgesetzt werden. Er hat darüber hinaus dieVerbesserung der Datenqualität angemahnt. Der Bundes-rechnungshof hat gefordert, dass sich das Bundesministe-rium stärker als bisher in das Projekt einbringt und aufeine regelmäßige Erfolgskontrolle durch die Referats-leiter der obersten Finanzbehörden des Bundes und derLänder hinwirkt.

53.4

Das Bundesministerium hat erwidert, es stimme den Fest-stellungen des Bundesrechnungshofes grundsätzlich zu.Die Angelegenheit sei mit den Ländern mit dem Ziel er-örtert worden, dass diese die organisatorischen und perso-nellen Voraussetzungen zur Datenverarbeitung schaffen.Hinsichtlich der mangelnden Qualität der X-PIDER-Da-ten hat es darauf hingewiesen, dass nach den bisherigenErfahrungen die Mehrzahl der Suchergebnisse auf elek-tronische Geschäftsaktivitäten steuerlich bereits regis-trierter Unternehmen entfalle und damit Kontrollmaterialdarstelle. Zudem seien die künftigen Rückmeldungenüber die Ermittlungsergebnisse der Länder an das Bun-deszentralamt eine wesentliche Qualitätsverbesserung.

Drucksache 16/XXXX – 208 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Die Kritik des Bundesrechnungshofes, das Bundesminis-terium habe sich nicht ausreichend in das Projekt einge-bracht, werde nicht geteilt. Als absehbar gewesen sei,dass innerhalb der Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Steuer-licher Internetabgleich“ eine Übereinkunft über eine ge-meinsame Vorgehensweise nicht zu erzielen war, habedas Bundesministerium die Angelegenheit alsbald auf dienächste Sitzung der zuständigen Referatsleiter gebracht.Die bisherige Verfahrensweise sei daher weder inhaltlichnoch zeitlich zu beanstanden.

53.5

Der Bundesrechnungshof sieht es als richtigen Schritt an,dass die Angelegenheit auf Ebene der Referatsleiter mitden Ländern besprochen wurde. Das Bundesministeriumsollte stärker auf die Länder einwirken, um eine effektiveDatenbearbeitung zu gewährleisten. Dazu sind die not-wendigen organisatorischen und personellen Vorausset-zungen in allen Ländern zu schaffen. Die Verbesserungder Qualität der Daten ist dabei ein wesentlicher Schlüs-sel zum Erfolg des Projekts.

54 Erhebliche Steuerausfälle im Taxigewerbe(Kapitel 6001 Titel 015 01)

54.0

Steuerverfehlungen in der Taxibranche führen seit vielenJahren zu beträchtlichen Steuerausfällen. Unternehmenerklären Einnahmen gegenüber den Finanzbehörden un-vollständig. Sie zahlen Löhne, ohne hiervon Lohnsteuereinzubehalten. Eine Expertengruppe hatte bereits vorJahren Vorschläge erarbeitet, mit denen sich die Miss-stände zumindest teilweise beheben ließen. Diese Vor-schläge sind bis heute nicht verwirklicht worden.

54.1

54.1.1

Im Taxigewerbe gibt es eine große Zahl von Unterneh-men und Beschäftigten, die ihren steuerlichen Verpflich-tungen nicht nachkommen. Die Finanzbehörden stellenbei Kontrollen regelmäßig fest, dass ihnen die tatsächli-che Höhe der Einnahmen verschwiegen wurde. Außer-dem werden häufig Löhne ausgezahlt, ohne dass die Un-ternehmen Lohnsteuer einbehalten und abgeführt haben.Branchenexperten schätzen, dass Bund und Ländern jähr-lich Steuereinnahmen in mehrstelliger Millionenhöhe ent-gehen.

Der Nachweis über die tatsächlichen Einnahmen oder ein-gegangenen Beschäftigungsverhältnisse ist mangels aus-wertbarer Unterlagen oft nur schwer zu führen. Um dieSchäden auch nur einigermaßen genau bestimmen zukönnen, bedarf es eines erheblichen Ermittlungsauf-wands. Die letztlich rechtskräftig festgesetzten Steuern

werden häufig nicht gezahlt. Anfang des Jahres 2001 be-schäftigte sich erstmalig eine Bund-Länder-Arbeits-gruppe mit den steuerlichen Missständen im Taxige-werbe. Die Arbeitsgruppe sollte die Situation analysierenund Verbesserungsvorschläge unterbreiten. Die Arbeits-gruppe bestätigte, dass es unredlichen Unternehmen oderBeschäftigten relativ leicht gemacht werde, die gesetzli-chen Vorschriften nicht einzuhalten und daraus finan-zielle Vorteile zu erzielen. Behörden und andere öffentli-che Stellen seien mangels effektiver Möglichkeiten nichtin der Lage, ihren Kontrollauftrag hinreichend zu erfül-len. Die Höhe der nicht erklärten Umsätze im deutschenTaxi- und Mietwagengewerbe schätzte die Arbeitsgruppeauf jährlich zwischen 1 Mrd. Euro und 1,3 Mrd. Euro, dienicht gemeldeten Lohnsummen auf jährlich zwischen400 Mio. Euro und 750 Mio. Euro.

Die Arbeitsgruppe unterbreitete Vorschläge, um die Miss-stände einzudämmen. Sie forderte insbesondere eine ver-bindlich vorgeschriebene technische Mindestausstattungder Taxis. Diese sollte einen gesetzlich verankerten Da-tenzugriff ermöglichen, um insbesondere den in jedemFahrzeug vorhandenen Taxameter für die Zwecke der Fi-nanzbehörden nutzen zu können. Nach den Vorstellungender Arbeitsgruppe sollte das komplette Fahrgeschehen,das Fahrpersonal sowie die Einnahmen langfristig undauslesbar gespeichert werden. Außerdem schlug die Ar-beitsgruppe vor, den Informationsaustausch zwischen denEichämtern und den Finanzbehörden zu verbessern. DieEichämter sollten die in den Taxametern gespeichertenInformationen feststellen und in einem noch festzulegen-den Verfahren an die Finanzbehörden weiterleiten.

Mit Blick auf die Rechtsetzungskompetenz des Bundesbeschloss die Arbeitsgruppe im November 2001, dasBundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwick-lung zu bitten, gegenüber den anderen Bundesressortsinitiativ tätig zu werden, um die aufgezeigten Miss-brauchstatbestände mit Hilfe der von der Arbeitsgruppeentwickelten Verbesserungsvorschläge einzudämmen.

54.1.2

Weil eine gemeinsame Basis für eine Umsetzung der Vor-schläge zwischen den beteiligten Ressorts nicht herzu-stellen war, wurde eine interministerielle Arbeitsgruppe„Bekämpfung illegaler Beschäftigung im Taxi- und Miet-wagengewerbe“ (interministerielle Arbeitsgruppe) ge-gründet. Sie sollte die ressortübergreifende Initiative auf-greifen, die Vorschläge umfassend prüfen und einenBericht mit Handlungsoptionen vorlegen. Der Versuch,gesetzliche Maßnahmen im Personenbeförderungsgesetzim Zuge des Referentenentwurfs eines Gesetzes zur In-tensivierung der Bekämpfung der Schwarzarbeit und da-mit zusammenhängender Steuerhinterziehung einzubrin-gen, scheiterte. Schließlich verständigten sich dieVertreter der Bundesressorts darauf, nicht mehr solcheMaßnahmen in Erwägung zu ziehen, die ausschließlichauf das Taxigewerbe zugeschnitten seien. Vielmehr soll-ten die bereits bestehenden Überlegungen zur Einführung

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 209 – Drucksache 16/XXXX

einer allgemeinen Registrierkassenpflicht in Branchenmit überwiegend Bargeschäften abgewartet werden. Indiesem Zusammenhang käme den Ergebnissen der „Ar-beitsgruppe Registrierkassen“ – sie prüft die Bedingun-gen für einen Manipulationsschutz elektronischer Regis-trierkassen – erhebliche Bedeutung zu. Erst wenn diesevorlägen, sollte geprüft werden, welche Folgen sich ausetwaigen Rechtsänderungen gegenüber der Taxibrancheergäben.

Die „Arbeitsgruppe Registrierkassen“ hat in ihrem Ab-schlussbericht vom 28. Februar 2006 einen Weg aufge-zeigt, der ein Höchstmaß an Manipulationssicherheit beider Benutzung elektronischer Registrierkassen bietet. Da-nach soll es für die Finanzbehörden nachträglich möglichsein, nicht nur festzustellen, ob die Registrierkasse tat-sächlich manipuliert wurde, sondern auch, in welcherHöhe dadurch Einnahmen verkürzt wurden. Da den Taxa-metern ebenfalls eine Kassenfunktion zukomme, seigrundsätzlich vorstellbar, dass die ausgearbeiteten Lö-sungsvorschläge auch auf Taxameter übertragbar seien.Die Arbeitsgruppe hat jedoch auch darauf hingewiesen,dass keine höheren technischen Anforderungen an einTaxameter gestellt werden könnten, als dies zurzeit euro-päische Vorgaben vorsähen.

54.2

Die von den Kontrollbehörden aufgegriffenen Fälle stel-len nur die „Spitze des Eisbergs“ dar. Da das derzeitigeKontrollsystem nicht in der Lage ist, die Missstände wir-kungsvoll zu unterbinden, bleibt der größte Teil der unge-setzlichen Handlungen ungeahndet. Dadurch werden dieöffentlichen Haushalte ganz massiv geschädigt. DieserZustand trifft besonders die noch verbliebenen ehrlichenUnternehmen und deren Beschäftigte. Sie erleiden erheb-liche Wettbewerbsnachteile. Obwohl diese Problematikbereits lange bekannt ist, haben die Diskussionen aufBundesebene bisher nicht zu greifbaren Ergebnissen ge-führt.

Der Bundesrechnungshof hält es sowohl aus Gründen derSteuergerechtigkeit als auch aus haushälterischen Erwä-gungen für nicht länger hinnehmbar, dass Steuerausfällein Millionenhöhe in Kauf genommen werden. Er unter-stützt grundsätzlich die Überlegungen der Bundesminis-terien, eine lückenlose und nachprüfbare Einzelaufzeich-nung von Einnahmen branchenübergreifend zu lösen. Esist jedoch nicht akzeptabel, bis zu einer Entscheidunghierüber von weiteren Maßnahmen abzusehen. Der Bun-desrechnungshof hat deshalb Sofortmaßnahmen vorge-schlagen, um steuerliche Verfehlungen zügiger und um-fassender als bisher identifizieren zu können.

Er hat empfohlen, die im Taxameter gespeicherten Infor-mationen durch die Eichämter feststellen und der Arbeits-,Sozial- und Finanzverwaltung mitteilen zu lassen. Er hatweiterhin angeregt, Taxifahrer zur Führung von so ge-nannten Schichtzetteln zu verpflichten. Zusätzlich hat der

Bundesrechnungshof empfohlen, seine Vorschläge in derinterministeriellen Arbeitsgruppe zu diskutieren.

54.3

Das Bundesministerium der Finanzen (Bundesministe-rium) hat die vorgeschlagenen Sofortmaßnahmen grund-sätzlich begrüßt. Es hat jedoch zu bedenken gegeben,dass sie nur unter der Voraussetzung nicht manipulier-barer Daten wirklich weiterhelfen würden. Manipulations-sichere Aufzeichnungsgeräte, d. h. Taxameter, gebe eszurzeit jedoch noch nicht. Ebenfalls kritisch hat sich dasBundesministerium zu dem Vorschlag geäußert, die imTaxameter gespeicherten Informationen durch die Eich-ämter feststellen und der Arbeits-, Sozial- und Finanzver-waltung mitteilen zu lassen. Die Kompetenz der Eichäm-ter beziehe sich ausschließlich auf messtechnischeVorgänge und nicht auf steuerrechtliche Belange. DerVorschlag sei außerdem rechtlich zweifelhaft, weil steuer-lich relevante Daten dem Steuergeheimnis unterlägen. Obes darüber hinaus Sinn mache, die Fahrer zu verpflichten,Schichtzettel zu führen, könne nicht abschließend beant-wortet werden. Dieser Vorschlag bedürfe noch der nähe-ren Prüfung.

Das Bundesministerium hat überdies darauf hingewiesen,dass es den Vorschlag des Bundesrechnungshofes, die in-terministerielle Arbeitsgruppe wieder aufleben zu lassen,aufgegriffen habe. Die Arbeitsgruppe habe erneut getagt.Dabei sei eine weitere Lösungsmöglichkeit erörtert wor-den. Diese basiere auf der Richtlinie 2004/22/EG desEuropäischen Parlaments und des Rates vom 31. März2004 über Messgeräte. Darin seien die Anforderungen anein manipulationssicheres Taxameter beschrieben. An-hand eines solchen Taxameters ließe sich relativ sicherdie gefahrene Kilometerzahl des Taxis ablesen. Die inter-ministerielle Arbeitsgruppe werde diesen Lösungsansatzweiterverfolgen.

54.4

Der Bundesrechnungshof unterstützt sämtliche Maßnah-men, die dazu beitragen, steuerliche Missstände in der Ta-xibranche aufzudecken und die Besteuerung sicherzustel-len. Deshalb begrüßt er auch die Überlegungen derinterministeriellen Arbeitsgruppe, die insbesondere aufder neuen europäischen Richtlinie über Messgeräte basie-ren. Aus Sicht der Finanzkontrolle wäre es ein wesentli-cher Fortschritt, wenn die tatsächliche Laufleistung derFahrzeuge nachprüfbar wäre. Neben dem aus der neuenEU-Richtlinie herrührenden Lösungsansatz sollte die in-terministerielle Arbeitsgruppe ergänzende Maßnahmen inihre Überlegungen einbeziehen. Dabei sollten auch dieErgebnisse der „Arbeitsgruppe Registrierkassen“ in dieweiteren Überlegungen einfließen.

Der Bundesrechnungshof erwartet, dass umgehend Maß-nahmen eingeleitet werden, um den Steuerausfällen in derTaxibranche wirksam zu begegnen.

Drucksache 16/XXXX – 210 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

55 Auswirkungen von Steuergesetzen unzureichend abgeschätzt(Kapitel 6001 Titel 011 01 bis 015 01)

55.0

Das Bundesministerium der Finanzen hat die Auswirkun-gen von Steuergesetzen unzureichend abgeschätzt. Umdie Qualität der Steuergesetze zu verbessern, sollte es zu-nächst ein Konzept für die Abschätzung von Gesetzesfol-gen entwickeln. Auch sollte es die Ziele seiner Gesetzes-vorhaben klar bestimmen. Im Interesse der öffentlichenHaushalte empfiehlt der Bundesrechnungshof die Befris-tung von Steuervergünstigungen. Die finanziellen Auswir-kungen der Steuergesetze sollte das Bundesministeriumder Finanzen vorsichtig schätzen und dabei einen stren-gen Maßstab anlegen.

55.1

Die Bundesregierung hat Bundestag und Bundesrat überdie finanziellen Auswirkungen von Gesetzesvorlagen zuunterrichten. Hierzu hat sie ihren Gesetzesvorlagen einenÜberblick über die Auswirkungen auf den Haushaltsplanund die Finanzplanung von Bund, Ländern und Gemein-den beizufügen. Mit der Gemeinsamen Geschäftsordnungder Bundesministerien hat sich die Bundesregierung dar-über hinaus verpflichtet, die Wirkungen von Gesetzesvor-lagen umfassend abzuschätzen und in den Gesetzesbe-gründungen darzustellen. In den Begründungen sindinsbesondere darzulegen:

● die Zielsetzung und Notwendigkeit des Gesetzentwurfes,

● ob das Gesetz befristet werden kann, sowie

● die Gesetzesfolgen.

Zu den Gesetzesfolgen zählen unter anderem:

● die Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte,einschließlich der vollzugsbedingten Auswirkun-gen,

● die Angaben, worauf die Berechnungen und An-nahmen zu den finanziellen Auswirkungen beruhenund,

● ob und nach welchem Zeitraum die Wirkungen derVorschriften zu prüfen sind (Gesetzesfolgenbeob-achtung).

Ziel der Bundesregierung ist es, mit der Gesetzesfolgen-abschätzung die Qualität der Gesetze zu verbessern.

55.2

Der Bundesrechnungshof berichtete zuletzt in den Be-merkungen 2004 (Bundestagsdrucksache 15/4200 Nr. 6)über die Gesetzesfolgenabschätzung. Er kündigte an,diese Arbeit der Bundesministerien stichprobenweise zuprüfen. Im Jahre 2005 untersuchte er, ob das Bundesmi-nisterium der Finanzen (Bundesministerium) die Vorga-

ben zur Gesetzesfolgenabschätzung bei Steuergesetzenumgesetzt hat. Er stellte im Wesentlichen Folgendes fest:

Das Bundesministerium richtete in der zweiten Jahres-hälfte 2004 in der Steuerabteilung eine zentrale Stelle fürdie Gesetzesfolgenabschätzung ein. Diese beschränktesich auf die Abstimmung von Gesetzesvorhaben in derSteuerabteilung, mit anderen Bundesministerien, denLändern und Verbänden. Daneben unternahm sie nichtszur Abschätzung von Gesetzesfolgen. Insbesondere hatsie noch kein Konzept für die Gesetzesfolgenabschätzungentwickelt.

Die Gesetzesbegründungen enthielten nicht immer kon-krete Angaben zur Zielsetzung und Notwendigkeit dersteuerlichen Vorschriften. So war als Ziel des Eigenheim-zulagegesetzes lediglich die Förderung der Vermögens-bildung und der privaten Altersvorsorge durch selbstge-nutztes Wohneigentum angegeben. Auch wies keines dervom Bundesrechnungshof betrachteten Gesetze eine Be-fristung auf. Zwar enthielten alle untersuchten Gesetzent-würfe Übersichten zu den finanziellen Auswirkungen, esfehlten aber Angaben, auf welchen Annahmen die Be-rechnungen beruhten.

Das Bundesministerium stützt die Ermittlung der finan-ziellen Auswirkungen von Steuergesetzen vornehmlichauf Daten der amtlichen Statistiken für die Einkommen-,Körperschaft-, Gewerbe- und Umsatzsteuer. Sie basierenauf Kennzahlen in den Steuererklärungsvordrucken undden daraus abgeleiteten Veranlagungsergebnissen. FürTeilbereiche der Ertragsteuern gibt es keine oder nur we-nige Kennzahlen. So fehlen Daten zu den Betriebsergeb-nissen bei den Gewinneinkünften oder zu den Einkünftenaus Vermietung und Verpachtung.

Das Bundesministerium schätzte die finanziellen Auswir-kungen der Steuergesetze nicht immer vorsichtig genug.Zwar berücksichtigte es Verhaltensänderungen der Steuer-pflichtigen und steuerliche Wahlrechte. Es lässt aber außerAcht, dass die Steuerverwaltung häufig nicht mehr in derLage ist, das komplizierte Steuerrecht vollständig zu voll-ziehen (vgl. Gutachten des Bundesbeauftragten für Wirt-schaftlichkeit in der Verwaltung „Probleme beim Vollzugder Steuergesetze“ vom August 2006). Außerdem sinddie Daten aus den Steuererklärungen oft unzureichendund verursachen Schätzrisiken. Diese fing das Bundes-ministerium nur ungenügend durch Sicherheitsab- oder-zuschläge auf. Auch Änderungen der Gesetzentwürfe imparlamentarischen Verfahren berücksichtigte es nicht im-mer. Bei dem Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit,zu dem es im Vorfeld politische Festlegungen gab, bliebder Vorsichtsgedanke völlig unberücksichtigt. Dadurchstanden den geschätzten Einnahmen von 2,1 Mrd. Eurofür den Bund tatsächlich nur 0,6 Mrd. Euro gegenüber.Konnte das Bundesministerium die finanziellen Auswir-kungen wegen fehlender Daten nicht berechnen, bezif-ferte es die Auswirkungen einzelner Normänderungen inder Finanzübersicht nicht. Die Angaben aus der Finanz-übersicht übernahm es unverändert für den Bundeshaus-halt.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 211 – Drucksache 16/XXXX

Die Fachreferate der Steuerabteilung bekamen von derzentralen Stelle keine Vorgaben, wie sie die vollzugsbe-dingten Auswirkungen von Gesetzesvorhaben ermittelnsollen. In den untersuchten Steuergesetzen fand sichkeine konkrete Aussage zu den Kosten des Verwaltungs-vollzuges. Auch enthielten sie keine Angabe, ob undwann die Wirkungen der Normen zu prüfen sind. DasBundesministerium untersuchte bislang nicht systema-tisch, ob die mit den Steuernormen verfolgten Ziele er-reicht wurden. Für diese Aufgabe richtete es im Bundes-zentralamt für Steuern eine neue Arbeitseinheit ein undbeauftragte diese mit einem Pilotprojekt. Die Ziele desProjektes legte es nicht fest. Die tatsächlichen finanziel-len Auswirkungen einer Steuerrechtsänderung werden imRegelfall nicht gesondert erfasst. Die Mehr- oder Minder-einnahmen fließen in das Gesamtaufkommen der Steuer-art ein.

55.3

Der Bundesrechnungshof erachtet die Untersuchung derAuswirkungen von Steuergesetzen für unverzichtbar, umdie Qualität dieser Gesetze zu verbessern. Er hat daherbeanstandet, dass das Bundesministerium bisher lediglichdie organisatorischen Voraussetzungen für eine Gesetzes-folgenabschätzung geschaffen hat. Es sollte ein Konzeptfür die Abschätzung und Beobachtung der Auswirkungenvon Steuergesetzen entwickeln. Für eine fundierte Geset-zesfolgenabschätzung sollte das Bundesministerium ins-besondere die Ziele von Gesetzen klar bestimmen. Esmuss ableitbar sein, ob das Gesetz notwendig und ange-messen ist, um das verfolgte Ziel zu erreichen. Dies warz. B. beim Eigenheimzulagegesetz, dessen Begründunglediglich den Regelungsinhalt umschrieb, nicht möglich.Dadurch konnte auch nicht geprüft werden, ob das Zieldes Gesetzes erreicht war.

Außerdem hat der Bundesrechnungshof empfohlen, Steuer-vergünstigungen zu befristen. Damit kann der Gefahr,dass sich Steuervergünstigungen verfestigen und zu Dauer-subventionen werden, wirksam begegnet werden. Bei ei-ner Befristung entscheidet der Gesetzgeber bewusst überdie weitere Gewährung der Steuervergünstigung. Dabeisollte er sich auf die Ergebnisse einer Gesetzesfolgen-abschätzung und -beobachtung stützen können.

Das Bundesministerium sollte die finanziellen Auswir-kungen von Steuergesetzen vorsichtig schätzen und dabeieinen strengen Maßstab anlegen. Anderenfalls gehenBund, Länder und Gemeinden von höheren Einnahmenaus als ihnen tatsächlich zufließen. Das Bundesministe-rium sollte u. a. Abschläge vornehmen, die die Schätzrisi-ken wegen unsicherer Daten und einer unvollständigenUmsetzung berücksichtigen. Weiterhin sollte es zusätzli-che Daten erheben, um die finanziellen Auswirkungenvon Gesetzen sicherer zu ermitteln. Dazu sollte es dieSteuererklärungen um weitere Kennzahlen ergänzen.

Der Bundesrechnungshof hat angeregt, in künftigen Be-gründungen von Gesetzen die Grundlagen aufzunehmen,

auf denen die Berechnungen der finanziellen Auswirkun-gen beruhen. Damit der Gesetzgeber besser als bisherüber den zu erwartenden Vollzugsaufwand unterrichtetwird, sollten die Fachreferate im Bundesministerium eineAnleitung erhalten, wie diese Auswirkungen zu ermittelnsind.

Der Bundesrechnungshof hält es für erforderlich, die Ge-setzesfolgen und besonders die finanziellen Wirkungenvon Steuergesetzen zu beobachten. Ohne Kenntnis der fi-nanziellen Auswirkungen kann nicht sachgerecht beur-teilt werden, ob die angestrebten Ziele erreicht wurdenund ob die Norm beibehalten werden soll.

55.4

Das Bundesministerium hat in seiner Stellungnahme an-gekündigt, das vom Bundesrechnungshof geforderte Ge-samtkonzept mittelfristig und schrittweise zu erarbeiten.Dabei sei insbesondere Folgendes zu berücksichtigen:

● Die Gesetzesfolgenabschätzung lasse sich nur bedingtfür alle Gesetzgebungsverfahren standardisieren.

● Für eine solide Gesetzesfolgenabschätzung bestehewährend eines laufenden Gesetzgebungsverfahrenskeine ausreichende Zeit. Sie setze zudem eine entspre-chende personelle Ausstattung der Steuerabteilung vo-raus.

● Der Umfang einer Gesetzesfolgenabschätzung richtesich nach der Bedeutung der Regelung. So erscheineeine Gesetzesfolgenabschätzung bei Regelungen ohnegesetzgeberischen Gestaltungsspielraum entbehrlich.

Der Empfehlung, die finanziellen Auswirkungen vorsich-tig zu schätzen, hat das Bundesministerium zugestimmt.Es hat abgelehnt, die Berechnungsgrundlagen in den Ge-setzesbegründungen darzustellen. Es unterrichte bereitsjetzt die am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten jederzeit– auch bei den parlamentarischen Beratungen –, wie esdie finanziellen Auswirkungen berechnet habe. Überdiesführe die Angabe der wesentlichen Berechnungsgrundla-gen zu einer unverhältnismäßigen Aufblähung des Ge-setzentwurfes.

Das Bundesministerium sagte zu, die Aufnahme von wei-teren Kennzahlen in den Steuererklärungen zu prüfen.Dies löse allerdings zusätzlichen Aufwand bei den Steu-erbürgern aus und ließe das von der Bundesregierung ver-folgte Ziel des Bürokratieabbaues außer Acht.

Des Weiteren will das Bundesministerium die Empfeh-lungen, die vollzugsbedingten Auswirkungen konkreterin den Steuergesetzen anzugeben und die Gesetzesfolgen-beobachtung auf die finanziellen Auswirkungen zu erstre-cken, in dem Gesamtkonzept berücksichtigen. Es hält je-doch Festlegungen zur Gesetzesfolgenbeobachtung inArtikelgesetzen, die viele Einzelbestimmungen enthalten,nicht für sinnvoll.

Drucksache 16/XXXX – 212 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

55.5

Der Bundesrechnungshof erkennt an, dass das Bundes-ministerium die finanziellen Auswirkungen künftig vor-sichtiger schätzen will. Dabei erwartet er, dass es auch dieunvollständige Umsetzung der Gesetze angemessen be-rücksichtigt. Das Bundesministerium sollte künftig dieGrundlagen dafür, wie es die Auswirkungen von Geset-zesvorhaben berechnet, in der Gesetzesbegründung ange-ben. Damit wird sichergestellt, dass alle am Gesetzge-bungsverfahren Beteiligten unterrichtet werden.

Es reicht nach Auffassung des Bundesrechnungshofesnicht aus, das Gesamtkonzept für die Gesetzesfolgen-abschätzung mittelfristig zu entwickeln. Da die Steuer-verwaltung das komplizierte Steuerrecht nicht mehr voll-ständig vollziehen kann, sollte die Qualität derSteuergesetze umgehend verbessert werden. Das Bundes-ministerium sollte das Gesamtkonzept daher kurzfristigerarbeiten.

Der Bundesrechnungshof hält an seiner Forderung fest,die Gesetzesziele so klar zu bestimmen, dass die Auswir-kungen der Gesetze umfassend abgeschätzt und beobach-tet werden können. Er empfiehlt weiterhin, Steuerver-günstigungen zu befristen. Über ihre Weitergeltung solltenur entschieden werden, wenn die Auswirkungen abge-schätzt und beurteilt worden sind.

Der Bundesrechnungshof hält es für unverzichtbar, mitzusätzlichen Kennzahlen in den Steuererklärungen die fi-nanziellen Auswirkungen von Steuerrechtsänderungenbesser als bisher zu berechnen und zu überprüfen. WeitereKennzahlen für Angaben in den Steuererklärungen führennur bei zusätzlichen Angaben in den Steuererklärungenzu erhöhtem Aufwand der Steuerpflichtigen. Das Bun-desministerium sollte außerdem den Gesetzgeber umfas-send über die Folgen der Gesetzentwürfe für die Verwal-tung unterrichten.

Der Bundesrechnungshof hält es weiterhin für notwendig,in allen Gesetzentwürfen eine Aussage zu treffen, ob undwann die Wirkungen der Regelungen zu untersuchensind. Damit sollte bereits im Gesetzgebungsverfahrenentschieden werden und für den Gesetzgeber erkennbarsein, ob eine Erfolgskontrolle notwendig und beabsichtigtist.

56 Gleichmäßige Besteuerung beim Ent-lastungsbetrag für Alleinerziehende nicht gewährleistet(Kapitel 6001 Titel 011 01 und 012 01)

56.0

Die Finanzbehörden können nicht feststellen, ob der Ent-lastungsbetrag für Alleinerziehende zu Recht gewährtwird. Da sie in der Regel nicht prüfen können, ob Steuer-pflichtige allein stehend sind oder in einer Haushalts-gemeinschaft leben, ist die Gleichmäßigkeit der Besteuerung

nicht gewährleistet. Der Bundesrechnungshof empfiehlt,die Förderung von Alleinerziehenden auf eine Förderungaußerhalb des Steuerrechts umzustellen.

56.1

Allein stehende Steuerpflichtige können nach § 24b Ein-kommensteuergesetz (EStG) einen Entlastungsbetrag vonjährlich 1 308 Euro von der Summe ihrer steuerpflich-tigen Einkünfte abziehen, wenn zu ihrem Haushalt min-destens ein Kind gehört, für das ihnen ein Kinderfreibe-trag oder Kindergeld zusteht. Der Steuervorteil steigt mitdem persönlichen Steuersatz und beträgt durchschnittlich360 Euro, höchstens rund 650 Euro im Jahr. Der Entlas-tungsbetrag für Alleinerziehende löste zum 1. Januar2004 den Haushaltsfreibetrag nach § 32 Abs. 7 EStG ab.Der Haushaltsfreibetrag sollte die durch das Kind beding-ten erhöhten Wohnungskosten abgelten. Das Bundesver-fassungsgericht hatte die Regelung zum Haushaltsfreibe-trag für verfassungswidrig erklärt, da sie verheirateteEltern mit Kindern gegenüber unverheirateten Eltern mitKindern benachteiligte. Der Freibetrag stand Steuer-pflichtigen zu, die mit Kindern alleine oder in einer ehe-ähnlichen Lebensgemeinschaft lebten, nicht aber Ehegat-ten.

Das geltende Steuerrecht schränkt den Kreis der An-spruchsberechtigten für den Entlastungsbetrag auf Allein-erziehende ein, die keine Haushaltsgemeinschaft mit ei-ner anderen volljährigen Person bilden, für die sie wedereinen Kinderfreibetrag noch Kindergeld erhalten. Ehe-ähnliche Lebensgemeinschaften haben somit keinen An-spruch auf den Entlastungsbetrag. Ist eine weitere voll-jährige Person mit Haupt- oder Nebenwohnsitz in derWohnung des Anspruchsberechtigten gemeldet, vermutetder Gesetzgeber, dass sie mit dem Steuerpflichtigen ge-meinsam wirtschaftet und eine Haushaltsgemeinschaftbildet. Der Steuerpflichtige kann diese Vermutung durchglaubhafte Darstellungen widerlegen.

Ziel des Entlastungsbetrages ist nach der Gesetzesbegrün-dung, Alleinerziehende wegen ihrer „höheren Kosten fürihre Lebensführung“ zu unterstützen. Der Entlastungsbe-trag für Alleinerziehende wird beim Lohnsteuerabzugdurch die Steuerklasse II berücksichtigt.

Der Bundesrechnungshof untersuchte im Jahre 2005, wieGemeinden und Finanzämter § 24b EStG umsetzten. Erstellte Folgendes fest:

56.1.1

Bei Steuerpflichtigen mit minderjährigen Kindern tragendie Gemeinden die Lohnsteuerklasse II auf den Lohnsteuer-karten ein. Die Steuerpflichtigen müssen mit ihrem An-trag eine schriftliche Versicherung abgeben, dass siekeine Haushaltsgemeinschaft mit einer anderen volljähri-gen Person bilden. Sie müssen sich daneben verpflichten,die Lohnsteuerklasse von der Gemeinde ändern zu lassen,falls sie eine Haushaltsgemeinschaft begründen.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 213 – Drucksache 16/XXXX

Die Gemeinden übernahmen die Angaben ungeprüft. Sieverglichen die Angaben nicht mit dem Melderegister undprüften nicht, ob eine weitere Person im Haushalt gemel-det war. Das Melderegister ordnet die Einwohner nur ei-ner Hausanschrift zu, nicht aber einzelnen Wohnungen in-nerhalb eines Hauses. Es ist nicht erkennbar, ob eineandere Person in der Wohnung des Steuerpflichtigen oderin einer anderen Wohnung gleicher Anschrift wohnt. DasMelderegister enthält keine Informationen über die Elternvon volljährigen Kindern. Die Meldebehörden haben keinRecht, Wohnungen zu begehen.

56.1.2

Steuerpflichtige mit Kindern über 18 Jahren müssen zurEintragung der Steuerklasse II auf der Lohnsteuerkarte ei-nen Lohnsteuerermäßigungsantrag beim Finanzamt stel-len. Der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende kannauch ohne vorherige Berücksichtigung beim Lohnsteuer-abzug mit der Steuererklärung beantragt werden.

Auch die Finanzämter übernahmen die Angaben derSteuerpflichtigen ungeprüft. Sie lehnten in keinem dervom Bundesrechnungshof eingesehenen Fälle den Entlas-tungsbetrag für Alleinerziehende aufgrund eigener Er-mittlungen ab. Die Finanzämter verglichen die Angabenweder mit den Vorjahren noch mit den Melderegistern.Auch wenn ein Antrag keine Angaben über den anderenElternteil und dessen Anschrift enthielt, unterließen dieFinanzämter weitere Ermittlungen.

56.2

Der Bundesrechnungshof hat darauf hingewiesen, dassdie Voraussetzungen für die Gewährung des Entlastungs-betrages für Alleinerziehende nicht prüfbar sind. Es istden Gemeinden und den Finanzämtern nicht möglichfestzustellen, ob ein Steuerpflichtiger mit seinen Kinderntatsächlich alleine lebt. Auch dem Melderegister lässtsich dieses häufig nicht entnehmen. So ist darin nichtfeststellbar, ob beide Elternteile unter derselben Adressewie das Kind gemeldet sind. Dem Melderegister ist eben-falls nicht zu entnehmen, ob der Steuerpflichtige mit ei-ner unter derselben Adresse gemeldeten Person eineHaushaltsgemeinschaft bildet. Die Gemeinde oder dasFinanzamt werden allenfalls ausnahmsweise Kenntnisvon einer eheähnlichen Gemeinschaft, die auf eine Haus-haltsgemeinschaft schließen lässt, haben. Der Steuer-pflichtige hat zahlreiche Möglichkeiten, eine eheähnlicheLebensgemeinschaft nicht als solche erscheinen zu las-sen. Trägt er glaubhaft vor, die andere in der Wohnunggemeldete Person sei nur ein Untermieter, muss die Ge-meinde oder das Finanzamt den Gegenbeweis erbringen.Dies wird kaum gelingen. Das Entdeckungsrisiko bei fal-schen Angaben ist äußerst gering. Es kann auch nicht im-mer davon ausgegangen werden, dass die Steuerpflichti-gen daran denken, die Lohnsteuerkarte zu ändern, wennsie eine Haushaltsgemeinschaft begründen. Da das Vor-handensein einer Haushaltsgemeinschaft nicht oder allen-

falls mit unvertretbarem Aufwand prüfbar ist, ist eine ge-rechte und gleichmäßige Besteuerung nicht gewährleistet.

Der Bundesrechnungshof hält es nicht für vertretbar, eineSteuervergünstigung aufrecht zu erhalten, deren An-spruchsvoraussetzungen die Gemeinden und Finanzämternicht oder nur mit erheblichem Aufwand feststellen kön-nen. Steuervergünstigungen sollten nur gewährt werden,wenn sie auf den Personenkreis beschränkt werden kön-nen, für den sie bestimmt sind.

Der Bundesrechnungshof hat empfohlen, Alleinerzie-hende nicht über das Steuerrecht zu fördern.

56.3

Das Bundesministerium der Finanzen (Bundesministe-rium) hat angekündigt, den Vorschlag des Bundesrech-nungshofes mit den obersten Finanzbehörden der Länderund den betroffenen Ressorts zu erörtern. Auch nach denAngaben der obersten Finanzbehörden der Länder könnedas Vorliegen einer Haushaltsgemeinschaft nicht zufrie-den stellend geprüft werden; es werde in Zweifelsfällenden Angaben der Steuerpflichtigen gefolgt.

56.4

Das Gebot der Gleichmäßigkeit der Besteuerung erfordertes, dass die Finanzverwaltung die Voraussetzungen vonSteuervergünstigungen mit vertretbarem Aufwand prü-fen kann. Der Bundesrechnungshof empfiehlt der Bun-desregierung deshalb, auf eine Aufhebung der steuerli-chen Förderung von Alleinerziehenden hinzuwirken. DieFörderung von Alleinerziehenden sollte außerhalb desSteuerrechts gewährt werden.

57 Zu wenig Außenprüfungen bei Einkunftsmillionären führen zu Steuerausfällen (Kapitel 6001 Titel 012 01)

57.0

Die Finanzämter haben jährlich nur bei etwa 15 % derFälle mit bedeutenden Einkünften von mehr als 0,5 Mio.Euro, den so genannten Einkunftsmillionären, Außenprü-fungen durchgeführt. Diese niedrige Prüfungsquote führtzu Steuerausfällen. Das Bundesministerium der Finanzensollte auf eine deutlich höhere und einheitliche Prüfungs-dichte hinwirken. Um die Außenprüfungen zu erleichtern,sollte die Begründungspflicht bei Prüfungsanordnungenin diesen Fällen entfallen. Außerdem sollte eine Aufbe-wahrungspflicht für Belege eingeführt werden.

57.1

Im Jahre 2004 hatten ca. 15 600 von 27,7 Millionen Steuer-pflichtigen ein Einkommen von 0,5 Mio. Euro oder mehr.Die Finanzbehörden bezeichnen diese Fälle mit bedeuten-

Drucksache 16/XXXX – 214 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

den Einkünften auch heute noch als „Einkunftsmillio-näre“. Diese Steuerpflichtigen erzielen ihre Einkünftenicht aus unternehmerischer Tätigkeit, sondern aus nicht-selbstständiger Arbeit, Kapitalvermögen oder aus Vermie-tung und Verpachtung. Sie zahlten im Jahre 2001 ca.10 Mrd. Euro Einkommensteuer. Dies entspricht rund5,5 % des gesamten Aufkommens der Einkommensteuervon 177 Mrd. Euro. Im Durchschnitt zahlte jeder Ein-kunftsmillionär 570 000 Euro Einkommensteuer.

Nach einer bundeseinheitlichen Verordnung soll dieserPersonenkreis regelmäßig von der Außenprüfung der Fi-nanzämter geprüft werden. Es soll grundsätzlich keineprüfungsfreien Zeiträume geben. Eine regelmäßige Au-ßenprüfung ist vorgesehen, weil häufig erst die Einsicht-nahme in Bücher und Belege eine rechtliche Würdigungermöglicht. Die Anordnung einer Prüfung bei Einkunfts-millionären ist besonders zu begründen.

Der Bundesrechnungshof untersuchte im Jahre 2005 u. a.durch Erhebungen bei fünf Finanzämtern verschiedenerLänder, wie die Steuerverwaltung die bundeseinheitlicheRegelung umsetzte.

Bundesweit führten die Finanzämter in den Jahren 2000und 2001 jährlich bei 5 % der 15 600 EinkunftsmillionäreAußenprüfungen durch. Da in der Regel ein Zeitraum vondrei Jahren geprüft wird, ergab sich eine jährliche Prü-fungsquote von etwa 15 %. Eine genaue Angabe derPrüfungsdichte ist nicht möglich, weil diese Fälle in derStatistik des Bundesministeriums der Finanzen (Bundes-ministerium) nicht gesondert ausgewiesen werden. DiePrüfungsquote in den fünf vom Bundesrechnungshof auf-gesuchten Ländern lag nach deren Angaben im Jahre2004 zwischen 10 % und 60 %. Die Prüfungen führtendurchschnittlich zu Mehreinnahmen von 135 000 Europro Außenprüfung.

Der Bundesrechnungshof stellte fest, dass z. B. ein Finanz-amt, das für die Besteuerung von rund 100 Einkunftsmil-lionären zuständig ist, keinen davon prüfte. Die Prüfungunterblieb selbst in den Fällen, in denen die Notwendig-keit eindeutig erkennbar war. Die Steuern wurden häufigentsprechend der Erklärung des Steuerpflichtigen festge-setzt. Selbst Flüchtigkeitsfehler und Rechenfehler, die zuSteuermindereinnahmen in sechsstelliger Höhe führten,korrigierten die Finanzämter nicht.

Außenprüfungen bei Einkunftsmillionären sind teilweisesehr arbeitsintensiv, weil der Steuerpflichtige nicht ver-pflichtet ist, die steuererheblichen privaten Unterlagen,wie z. B. Nachweise und Rechnungen, nach der Abgabeder Steuererklärung aufzubewahren. Dadurch sind steuer-pflichtige Sachverhalte schwer erkennbar. Dies erschwertz. B. Prüfungen eines Vermögenszuwachses. Im Ein-zelfall führte dies zu erheblichen Steuerausfällen. DieAußenprüfungen verzögerten sich, weil die Steuerpflich-tigen keine Belege vorlegten. Der Zeitraum reichte vonwenigen Tagen bis zu mehreren Monaten. Vor diesemHintergrund wollte ein Finanzamt vorerst keine Prüfun-

gen bei diesem Personenkreis mehr durchführen, weildiese die Prüfungsstatistik verschlechtern.

Einkunftsmillionäre stehen im Regelfall in Verbindungmit einem Unternehmen. Häufig sind sie dort Gesell-schafter oder Geschäftsführer. Die Unternehmen werdenregelmäßig von einer Betriebsprüfungsstelle geprüft. Inmehreren Ländern fallen die Zuständigkeiten für die Be-triebsprüfung und die Prüfung des Einkunftsmillionärsauseinander. Ohne die Steuerakten des Unternehmens istes häufig nicht möglich, die für die Besteuerung des Ein-kunftsmillionärs relevanten Sachverhalte festzustellen.Für die Besteuerung des Unternehmens und des entspre-chenden Einkunftsmillionärs sind häufig unterschiedlicheFinanzämter zuständig.

57.2

Nach Auffassung des Bundesrechnungshofes ist eine Prü-fungsquote von bundesweit etwa 15 % viel zu gering.Wegen der langen prüfungsfreien Zeiträume wird eine derRechtslage entsprechende und gleichmäßige Besteuerungder Einkunftsmillionäre nicht erreicht. Es ist nicht hin-nehmbar, dass ein kleiner Personenkreis mit bedeutsamenEinkünften von mehr als 0,5 Mio. Euro kaum geprüft undin der Regel antragsgemäß veranlagt wird. Personen mithohem Einkommen und unterschiedlichen Einkunftsartenhaben Möglichkeiten ihr zu versteuerndes Einkommen zugestalten. Sie setzen ihr Vermögen auch dazu ein, weitereEinkünfte zu erzielen. Die Außenprüfungen dienen dazu,eine gerechte Veranlagung der Steuerpflichtigen zu ge-währleisten. Die Mehreinnahmen von 135 000 Euro proAußenprüfung belegen deren Notwendigkeit. Die nie-drige Prüfungsquote führt nach den Feststellungen desBundesrechnungshofes zu Steuerausfällen und -unge-rechtigkeiten. Der Bundesrechnungshof ist sich bewusst,dass diese Fälle aufgrund ihres Schwierigkeitsgrades undihrer Komplexität einen hohen Aufwand erfordern. Einezutreffende Besteuerung ist im Interesse der Steuerge-rechtigkeit anzustreben.

Der Bundesrechnungshof hält außerdem die Unterschiedebei den Prüfungsquoten in einzelnen Ländern von 10 %bis 60 % für zu groß. Die unterschiedlichen Prüfungsquo-ten bedingen, dass in einem Land die Mehrzahl der Ein-kunftsmillionäre geprüft werden, während sie in einemanderen Land – bei einem Prüfungszeitraum von drei Jah-ren – statistisch nur alle dreißig Jahre einer Außenprüfungunterliegen. Dies widerspricht dem Gebot der gesetzmä-ßigen und gleichmäßigen Besteuerung. Wenn alle Länderdie Außenprüfung stärken, könnten sie auch alle von denMehreinnahmen profitieren.

Der Bundesrechnungshof hat das Bundesministerium auf-gefordert, auf eine deutlich höhere und einheitliche Prü-fungsquote bei Einkunftsmillionären hinzuwirken.

Eine wesentliche Ursache für die niedrige Prüfungsquotesieht der Bundesrechnungshof darin, dass die Akzeptanzdieser Prüfungen bei den Finanzbehörden nicht hochgenug ist. Ein Hemmnis ist die Pflicht der Finanzbehör-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 215 – Drucksache 16/XXXX

den, die Außenprüfung besonders zu begründen. Die feh-lende Aufbewahrungspflicht von steuererheblichen priva-ten Belegen behindert die Außenprüfungen zusätzlich.Der Bundesrechnungshof hat empfohlen, eine Aufbewah-rungspflicht von steuererheblichen privaten Belegen ein-zuführen und den Begründungszwang für Außenprüfun-gen bei Einkunftsmillionären zu streichen.

In Unternehmen treten aufklärungsbedürftige Sachver-halte oft erst durch eine intensive und systematische Be-triebsprüfung zu Tage. Sofern Verträge oder sonstige Un-terlagen eingesehen werden, die auch für die Besteuerungder Gesellschafter oder Geschäftsführer von Bedeutungsind, sollten diese von einem Finanzamt bearbeitet wer-den. Dies wäre ein Beitrag zur Steuergerechtigkeit. Au-ßerdem könnte damit Doppelarbeit vermieden werden.Eine einheitliche Außenprüfung dieser oft bundesweitund international tätigen Unternehmen und der Gesell-schafter, Geschäftsführer oder Vorstandsmitglieder durcheine Bundesbehörde hilft, die Steuergerechtigkeit unab-hängig vom Sitz des zuständigen Finanzamtes zu gewähr-leisten. Der Bundesrechnungshof hat daher empfohlen,dass an Außenprüfungen der Einkunftsmillionäre Prüferdes Bundeszentralamtes für Steuern mitwirken.

57.3

Das Bundesministerium hat mitgeteilt, die Zahl derdurchgeführten Außenprüfungen bei Einkunftsmillionä-ren werde ab dem Jahre 2006 gesondert in der Bundessta-tistik ausgewiesen. Nur so könnten verlässliche Zahlenzur Prüfungsdichte bei diesem Personenkreis abgeleitetwerden.

Es hat zugesagt, wegen der allgemein erkannten steuer-lichen Bedeutung der Einkunftsmillionäre an die Länderzu appellieren, sich dieser Fälle nachhaltig anzunehmen.Es hat darauf hingewiesen, dass die Organisation der

Außenprüfung ausschließlich in die Hoheit der Länderfalle.

Die Empfehlungen des Bundesrechnungshofes, eine Be-legaufbewahrungspflicht einzuführen und den Begrün-dungszwang für die Anordnung der Außenprüfung beidiesem Personenkreis zu streichen, werde von allenobersten Finanzbehörden der Länder unterstützt. Dieskönne aber aus Gründen des vorgesehenen Bürokratieab-baus zurzeit nicht realisiert werden.

Das Bundesministerium hat eine verstärkte Mitwirkungdes Bundeszentralamtes für Steuern bei der Prüfung vonEinkunftsmillionären befürwortet. Hierfür müssten je-doch zuvor die gesetzlichen und personellen Rahmenbe-dingungen geschaffen werden.

57.4

Der Bundesrechnungshof erkennt an, dass das Bundes-ministerium bei den Ländern darauf hinwirken will, dieAußenprüfungen bei Einkunftsmillionären zu intensivie-ren. Dass diese Fälle gesondert in einer Statistik erfasstwerden sollen, ist ein erster Schritt zu einer einheitlichenund gleichmäßigen Besteuerung im Bundesgebiet.

Um künftig Außenprüfungen bei Steuerpflichtigen mitbedeutenden Einkünften zu erleichtern, hält der Bundes-rechnungshof an seinen Empfehlungen fest, auf einePflicht zur Begründung der Außenprüfung zu verzichten.Er sieht, entgegen der Auffassung des Bundesministe-riums, eine Aufbewahrungspflicht von steuererheblichenprivaten Belegen nicht im Widerspruch zu dem Ziel desBürokratieabbaus. Es sollen lediglich bereits vorhandeneBelege aufbewahrt werden. Zusätzliche Aufzeichnungs-und Erklärungspflichten sind damit nicht verbunden. EineAufbewahrungspflicht erleichtert die Außenprüfung undvereinfacht die Arbeit der Finanzämter.

Bundesagentur für Arbeit

58 Qualität beruflicher der Maßnahmen nicht frühzeitig erkennen, fachlichen

Weiterbildungsmaßnahmen unzureichend geprüft

58.0

Die Bundesagentur für Arbeit hat ihren gesetzlichen Auf-trag, die Qualität beruflicher Weiterbildungsmaßnahmenzu prüfen, nur unzureichend erfüllt. Sie kann keine ver-lässlichen Aussagen zur Qualität dieser Maßnahmen tref-fen. Die Bundesagentur für Arbeit legte keine Kriterienund Verfahrensregeln zur Qualitätsprüfung fest und über-wachte nicht die Umsetzung durch die Agenturen für Ar-beit. Dadurch konnte sie Mängel bei der Durchführung

Fehlentwicklungen nicht entgegenwirken und dem un-wirtschaftlichen Einsatz von Ressourcen nicht rechtzeitigbegegnen.

58.1

Seit dem Jahre 2003 gelten geänderte gesetzliche Vor-schriften für die Förderung beruflicher Weiterbildungs-maßnahmen. Die Bundesagentur für Arbeit (Bundesagen-tur) kann die Kosten unter folgenden Voraussetzungenübernehmen:

● Die Teilnehmerin oder der Teilnehmer muss durch ei-nen von der zuständigen Agentur für Arbeit (Agentur)

Drucksache 16/XXXX – 216 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

ausgestellten „Bildungsgutschein“ nachweisen, dassdie Fördervoraussetzungen erfüllt sind.

● Die Maßnahme und deren Träger müssen jeweils voneiner privaten Zertifizierungsstelle zugelassen sein.

● Die private Zertifizierungsstelle muss von der Bun-desagentur förmlich anerkannt werden, die dabei voneinem „Anerkennungsbeirat“ unterstützt wird.

Die Bundesagentur ist dazu verpflichtet, die Qualität derlaufenden Weiterbildungsmaßnahmen zu überprüfen undderen Erfolg zu beobachten (§ 86 Sozialgesetzbuch Drit-tes Buch – SGB III). Dazu können die Agenturen von denTrägern Auskunft über den Verlauf und den Eingliede-rungserfolg der Maßnahmen verlangen und Einsicht inUnterlagen nehmen. Stellen die Agenturen bei einerÜberprüfung Mängel fest, können sie deren Beseitigungverlangen oder in bestimmten Fällen die Geltung des Bil-dungsgutscheins für diesen Träger ausschließen. Außer-dem haben die Agenturen der verantwortlichen Zertifizie-rungsstelle die Ergebnisse ihrer Qualitätsprüfungenmitzuteilen.

Der Bundesrechnungshof prüfte im Jahre 2005, ob undwie die Bundesagentur ihren gesetzlichen Auftrag zurQualitätsprüfung laufender Maßnahmen der beruflichenWeiterbildung wahrnimmt. Er stellte Folgendes fest:

● Die Bundesagentur hatte die Qualitätskontrollen nichtden veränderten Strukturen in der beruflichen Weiter-bildung angepasst. Sie regelte insbesondere nicht, obdie Agentur am Wohnort, am Maßnahmeort oder eineüberregionale Stelle für die laufenden Qualitätsprü-fungen zuständig sein soll. Außerdem fehlten verbind-liche Qualitätskriterien, Bewertungsschemata undVerfahrensregeln für die Durchführung der Qualitäts-kontrollen. Die zuständigen Fachkräfte wurden wederüber die Verpflichtung zu Qualitätskontrollen infor-miert noch geschult, wie sie diese vornehmen sollten.

● Die Bundesagentur überwachte nicht, ob, in welchemUmfang und mit welchen Ergebnissen die AgenturenQualitätsprüfungen vornahmen. Ein entsprechendesFachcontrolling gab es nicht. Die Umsetzung bliebweitgehend der Eigeninitiative einzelner Personenüberlassen und war damit zufällig.

● Soweit die Agenturen Weiterbildungsmaßnahmenprüften, deckten sie teilweise erhebliche Mängel auf,z. B. fehlende Qualifikationsnachweise der Lehr-kräfte, eine unzureichende Betreuung von Teilnehme-rinnen und Teilnehmern während des Betriebsprakti-kums, fehlende Lehrpläne oder eine unzulänglichetechnische Ausstattung der Lehrstätten.

● Die Agenturen informierten die Zertifizierungsstellennicht über die Ergebnisse ihrer Qualitätskontrollen. Esgab auch keine Vereinbarungen, wie bei festgestelltenMängeln zu verfahren ist.

58.2

Die Bundesagentur ist ihrem gesetzlichen Auftrag, dieQualität der beruflichen Weiterbildungsmaßnahmen zuprüfen, nur unzureichend nachgekommen. Daher konntesie keine verlässlichen Aussagen zur Prozessqualität derberuflichen Weiterbildungsmaßnahmen treffen. Sie warnicht in der Lage, Mängel in der Durchführung der Maß-nahmen frühzeitig zu erkennen, fachlichen Fehlentwick-lungen entgegenzuwirken und den unwirtschaftlichenEinsatz von Ressourcen zu vermeiden.

Der Bundesrechnungshof hat die Bundesagentur aufge-fordert, ihre Handlungsempfehlungen zur Qualitätsprü-fung der geänderten Rechtslage anzupassen. Sie hat Kri-terien und Verfahren festzulegen, die die Ergebnisse derQualitätskontrollen bundesweit vergleichbar machen. DieBundesagentur muss im Rahmen ihrer Fachaufsicht si-cherstellen, dass alle Agenturen ihrem Kontrollauftraggleichermaßen nachkommen. Der Bundesrechnungshofhält es außerdem für erforderlich, dass die Bundesagenturdie mit den Qualitätsprüfungen beauftragten Mitarbeite-rinnen und Mitarbeiter schult und ihnen die notwendigeFachkompetenz vermittelt. Darüber hinaus ist es aus sei-ner Sicht unverzichtbar, dass die Bundesagentur mit denZertifizierungsstellen ein Verfahren zur Zusammenarbeitund zum Informationsaustausch vereinbart.

58.3

Die Bundesagentur hat eingeräumt, dass sie auf Regelun-gen zum Verfahren der Qualitätsprüfungen und auf einFachcontrolling verzichtet habe. Zur Begründung hat sieauf ihren neuen Steuerungsansatz verwiesen. Danach seieine Steuerung vornehmlich über die Ziele der Arbeits-förderung, aber nicht über Detailregelungen zu derenUmsetzung vorgesehen. Es ist nach Auffassung der Bun-desagentur die Aufgabe der Regionaldirektionen bzw. dereinzelnen Agenturen, Regelungen über Inhalte, Häufig-keit und Umfang von Prüfungen zu treffen.

Die Bundesagentur hat darauf hingewiesen, dass sie eineelektronische Informationsplattform plane. Diese könntez. B. Informationen über Teilnehmerbefragungen undEingliederungsquoten bei beruflichen Weiterbildungs-maßnahmen enthalten und damit dem Austausch zwi-schen Bundesagentur und Zertifizierungsstellen dienen.Solange dies nicht umgesetzt sei, sollen die Agenturenund Zertifizierungsstellen den Informationsaustausch ei-genverantwortlich regeln. Zudem erarbeite eine Projekt-gruppe derzeit Standards für die Qualitätssicherung ar-beitsmarktpolitischer Dienstleistungen. Deren Ergebnissewolle sie auch zur Qualitätssicherung beruflicher Weiter-bildungsmaßnahmen nutzen.

Im Übrigen könne sie die vom Bundesrechnungshof ge-forderte Umsetzung der ihr obliegenden Qualitätskontrol-len nicht zusichern. Die gesetzlich festgelegte Aufgaben-verteilung zwischen den Zertifizierungsstellen und denAgenturen erlaube es den Agenturen nicht, bei gravie-renden Qualitätsmängeln Trägern und Maßnahmen die

Drucksache 16/XXXX – 217 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Zulassung zu entziehen. Eine mögliche Lösung dieserProblematik sieht die Bundesagentur in einer Gesetzes-änderung.

Für den Umgang der Zertifizierungsstellen mit Maßnah-memängeln komme außerdem dem Anerkennungsbeirat,der die Bundesagentur bei der Zulassung der Zertifizie-rungsstellen unterstützt, eine Schlüsselfunktion zu. DieZertifizierungsstellen seien verpflichtet, fachliche Emp-fehlungen des Anerkennungsbeirates zu beachten.

58.4

Der Bundesrechnungshof sieht in der Einrichtung einerProjektgruppe in der Bundesagentur einen ersten Schrittzur Qualitätssicherung arbeitsmarktpolitischer Dienstleis-tungen. Damit die Ergebnisse der Projektgruppe Wirkungzeigen, müssen sie allerdings für berufliche Weiterbil-dungsmaßnahmen konkretisiert, an die Agenturen weiter-geleitet und mit verbindlichen Handlungsempfehlungenzur Umsetzung verbunden werden. Ob und wann dies ge-schieht, ist derzeit ungewiss.

Einheitliche Verfahren und die Vorgabe transparenterQualitätsmaßstäbe sind aus Sicht des Bundesrechnungs-hofes unverzichtbar, um die Verbindlichkeit und Verläss-lichkeit der Qualitätsprüfungen zu gewährleisten und dieErgebnisse vergleichbar zu machen. Der Bundesrech-

nungshof bleibt bei seiner Forderung, umgehend das Ver-fahren für die Qualitätskontrolle beruflicher Weiterbil-dungsmaßnahmen festzulegen und die Umsetzung imRahmen eines fachlichen Controllings sicherzustellen.Der neue Steuerungsansatz darf nicht dazu führen, dasssich die Bundesagentur dieser Aufgabe entzieht. Viel-mehr muss sie ihr Steuerungssystem so gestalten, dass eseine einheitliche Anwendung der Gesetzesnormen unter-stützt.

Zur Sicherung der Qualität laufender Maßnahmen der be-ruflichen Weiterbildung hält es der Bundesrechnungshofnicht für erforderlich, dass die Bundesagentur selbstMaßnahmen und Trägern die Zulassung entziehen kann.Die Frage nach einer entsprechenden Gesetzesänderungstellte sich erst dann, wenn die bislang noch nicht er-probte Zusammenarbeit zwischen Agenturen und Zerti-fizierungsstellen nicht erfolgreich wäre. Es ist im Übrigennicht überzeugend, wenn die Bundesagentur drei Jahrenach der gesetzlichen Neuordnung der Qualitätssicherungder Förderung der beruflichen Weiterbildung lediglichüber Pläne zum Informationsaustausch mit diesen Stellenverfügt. Da die Bundesagentur selbst für die Anerken-nung der Zertifizierungsstellen verantwortlich ist, könntesie bereits im Anerkennungsverfahren Regeln für die Zu-sammenarbeit vereinbaren. Außerdem sollte die Bun-desagentur mit dem Anerkennungsbeirat erörtern, wie beifestgestellten Maßnahmemängeln zu verfahren ist.

Drucksache 16/XXXX – 218 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

59 Baumanagement der Stiftung stand der Bausubstanz abschließend erfasst noch ein Ge-

Teil III

Weitere Prüfungsergebnisse

Bundeskanzlerin und Bundeskanzleramt(Einzelplan 04)

Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg in Potsdam wird verbessert(Kapitel 0405 Titel 894 21)

59.0

Der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur undMedien wird den Empfehlungen des Bundesrechnungs-hofes zum Baumanagement der Stiftung PreußischeSchlösser und Gärten Berlin-Brandenburg folgen. Insbe-sondere will er ein effizientes Überwachungsinstrumenteinführen und bei Baumaßnahmen das Bundesministe-rium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung beteiligen.Zudem sollen der Gebäudebestand systematisch erfasst,Ziele für Erhaltungsmaßnahmen definiert und Prioritätengesetzt werden.

59.1.1

Seit dem Jahre 1991 fördern der Bund und die LänderBerlin und Brandenburg (Zuwendungsgeber) die in Pots-dam ansässige Stiftung Preußische Schlösser und GärtenBerlin-Brandenburg (Stiftung) durch institutionelle Zu-wendungen. Der Zuwendungsbedarf der Stiftung beträgtjährlich rund 32 Mio. Euro, von denen der Bund mit zur-zeit 42 % den größten Anteil trägt. Wesentliche Aufgabeder Stiftung ist, die ihr übertragenen Schlösser und Gär-ten unter Beachten denkmalpflegerischer Belange baulichzu unterhalten, zu sanieren und zu restaurieren. Hierfürstehen ihr jährlich rund 13 Mio. Euro zur Verfügung. DasLand Brandenburg koordiniert das Zuwendungsverfah-ren.

59.1.2

Bereits im Jahre 2000 hatte der Bundesrechnungshof fest-gestellt, dass die Stiftung zahlreiche Baumaßnahmen– Neues Palais, Marmorpalais, Schloss und MarstallBabelsberg, Friedenskirche, Neue Orangerie und Sans-souci – durchgeführt hatte, ohne vorher deren Zustandgrundlegend erfasst und den Sanierungsbedarf bestimmtzu haben. Am Neuen Palais hatte die Stiftung mit Ausga-ben von bis dahin rund 7,7 Mio. Euro Baumaßnahmen anTeilen der Gebäudehülle durchgeführt; dennoch war dieseauch nach 10-jähriger Bauzeit nicht in einem langfristigeinwandfreien Zustand. Die Stiftung hatte weder den Zu-

samtkonzept zur Nutzung des Neuen Palais entwickelt.Gleichwohl plante sie einen aufwendigen unterirdischenBesuchereingang. Die Zuwendungsgeber hatten zugesi-chert, das Prüfungs- und Genehmigungsverfahren opti-mieren zu wollen. Ab dem Jahre 2002 sollte die staatlicheBauverwaltung des Landes Brandenburg (staatliche Bau-verwaltung) die Stiftung bereits beim Aufstellen der Bau-unterlagen unterstützen und beraten sowie die Baudurch-führung stichprobenweise prüfen.

Der Bundesrechnungshof hat nunmehr festgestellt, dassentgegen der Zusicherung die staatliche Bauverwaltungseit dem Jahre 2002 die Baumaßnahmen der Stiftungnicht oder nur in geringem Maße baufachlich begleitethat. So konnte die Stiftung noch im Jahre 2005 Baumaß-nahmen weiterführen, die teilweise weit vor dem Jahre2000 genehmigt waren, und mit Baumaßnahmen begin-nen, die nicht genehmigt waren. Baumaßnahmen zogensich bis zu neun Jahre hin, obwohl relativ geringe Bau-summen umzusetzen waren.

Auch am Neuen Palais führte die Stiftung eine im Jahre1997 genehmigte Baumaßnahme weiter. Die bewilligtenKosten von rund 1,1 Mio. Euro waren bis Ende 2004 umnahezu die Hälfte überschritten, doch waren die Ursachenfür die Schäden noch nicht erfolgreich behoben. Die Stif-tung hatte es unterlassen, die erheblichen Abweichungenvom genehmigten Bauvorhaben wie vorgeschrieben erneutbaufachlich prüfen zu lassen. Sie hatte weder ein Nut-zungskonzept noch ein Gesamtkonzept für die Grundsa-nierung des Neuen Palais fertig gestellt, obwohl sie in denletzten 15 Jahren Honorare in Höhe von 600 000 Euro fürentsprechende Planungen gezahlt hatte.

59.2

Der Bundesrechnungshof hat die unwirtschaftliche Ver-wendung von Zuwendungen für Baumaßnahmen der Stif-tung kritisiert. Eine Ursache sieht er darin, dass die staatli-che Bauverwaltung ihre Beratungs- und Kontrollaufgabennicht hinreichend wahrgenommen hat. Er hat daher demBeauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien(Bundesbeauftragter) empfohlen, das Baumanagement derStiftung zu verbessern und dabei den Sachverstand desBundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwick-lung (Bundesministerium) zu nutzen.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 219 – Drucksache 16/XXXX

59.3

Der Bundesbeauftragte hat sich der Auffassung des Bun-desrechnungshofes angeschlossen, dass die Betreuungdurch die staatliche Bauverwaltung und die Zuwendungs-geber optimiert werden müsse. Er hat mitgeteilt, dass sichdas Bundesministerium nach verbindlichen Absprachengrundsätzlich bereit erklärt habe, die Baumaßnahmen derStiftung baufachlich zu begleiten. Im November 2005habe es sich mit der staatlichen Bauverwaltung auf eingemeinsames Vorgehen verständigt, das vor allem dasAufstellen einer Zielplanung und das Setzen von Prioritä-ten betreffe. Darüber hinaus werde der Bestand erfasstund die bereits begonnenen Projekte evaluiert. Ziel sei es,Erhaltungsplanungen für alle Liegenschaften zu erstellen.

Weiter hat der Bundesbeauftragte mitgeteilt, dass die Mit-tel für Bauvorhaben, die noch nicht genehmigt waren, ge-sperrt seien. Die Zuwendungsgeber würden im Jahre2006 über ein effizientes Überwachungsinstrument ent-scheiden. In diesem Zusammenhang hätten sie sich da-rauf verständigt, die Ausgabetitel für Baumaßnahmen mit

Baukosten über 1 Mio. Euro ab dem Wirtschaftsplanjahr2006 gesondert zu verhandeln, um diesem Thema eineangemessene Bedeutung zu geben. Zudem sollen Bau-maßnahmen künftig über Einzelprojektförderung zweck-gebunden gefördert werden. Für neue Baumaßnahmenwerde dieser Weg bereits beschritten.

Zum Neuen Palais hat der Bundesbeauftragte mitgeteilt,dass die Stiftung Ende Dezember 2005 eine Zielplanungund eine Bauunterlage für die Grundsanierung zur bau-fachlichen Prüfung und Genehmigung vorgelegt habe.Planungen für einen unterirdischen Besuchereingangwürden nicht mehr verfolgt.

59.4

Der Bundesrechnungshof geht davon aus, dass die vonden Zuwendungsgebern eingeleiteten Maßnahmen nun-mehr sicherstellen, dass die Stiftung die Zuwendungenfür Baumaßnahmen wirtschaftlich verwendet. Er wird dieBaumaßnahmen der Stiftung auch künftig beratend be-gleiten.

Bundesministerium des Innern(Einzelplan 06)

60 Projekt „BOS-Digitalfunk“: Grundlagen Länder und der Finanzministerkonferenz den Bundes-

für wirtschaftliche Auftragsvergabe verbessert(Kapitel 0602 Titel 532 01)

60.0

Das Bundesministerium des Innern hat es erreicht, dassdas Bund-Länder-Projekt „BOS-Digitalfunk“ neu ausge-richtet und die Beschaffungskonzeption angepasst wurde.Es berücksichtigte damit die Empfehlungen des Bundes-rechnungshofes und verbesserte so die Grundlagen füreine wirtschaftliche Auftragsvergabe.

60.1

Die Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufga-ben (BOS) in der Bundesrepublik Deutschland sind mitanalogen Funknetzen ausgestattet. Im Interesse der imSchengener Durchführungsübereinkommen vom 19. Juni1990 vereinbarten grenzüberschreitenden Zusammenar-beit sowie aus wirtschaftlichen und einsatztaktischenGründen soll die analoge Technik durch Digitalfunk er-setzt werden. Ziel der Regierungen von Bund und Län-dern ist, mit dem Projekt „BOS-Digitalfunk“ ein bundes-weit einheitliches digitales Sprech- und Datenfunknetzeinzuführen. Das Bundesministerium des Innern (Bun-desministerium) richtete hierzu eine gemeinsame Projekt-organisation ein. Es bat im Einvernehmen mit der Ständi-gen Konferenz der Innenminister und -senatoren der

rechnungshof, die Projektorganisation ab dem Jahre 2002beratend zu begleiten. Für Planung, Aufbau und den zu-nächst zehnjährigen Netzbetrieb sind Kosten in Höhe von3,5 Mrd. Euro kalkuliert. Auf die Verteilung dieser Kos-ten hatten sich Bund und Länder noch nicht geeinigt. DasBeschaffungsamt des Bundesministeriums vergibt ent-sprechende Aufträge für Bund und Länder gemeinsam.

Die Projektorganisation im Bundesministerium bereitetein Zusammenarbeit mit den Ländern u. a. die Projektpla-nung und die Vergabeunterlagen vor. Bund und Länderplanten, das Vergabeverfahren für Netzaufbau und -be-trieb im Februar 2005 zu beginnen. Der Bundesrech-nungshof prüfte im Januar 2005 die vorbereiteten Verga-beunterlagen und die Beschlüsse zum geplantenProjektablauf.

Er stellte fest:

● In der Wirtschaftlichkeitsuntersuchung waren mögli-che weitere Lösungswege für den Aufbau und den Be-trieb eines bundeseinheitlichen digitalen Netzes nichtausreichend untersucht worden.

● Die Vergabeunterlagen für den Rahmenvertrag sahennicht vor, dass der Auftraggeber neben Standorten,z. B. für Sendemasten, andere Ressourcen zur Verfü-gung stellen konnte, z. B. vorhandene Teilnetze.

● Der vorgesehene Leistungsumfang blieb deutlich hin-ter dem Projektziel zurück.

Drucksache 16/XXXX – 220 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

60.2

Der Bundesrechnungshof hat darauf hingewiesen, dassdas Bundesministerium weitere Lösungswege, ein bun-deseinheitliches digitales Netz aufzubauen und zu betrei-ben, nicht ausreichend untersucht hatte. Das zunächstvorgesehene Vergabeverfahren hätte diese Lösungennicht berücksichtigen können. Daneben hat er weitereMöglichkeiten gesehen, die Kosten zu senken, z. B. in-dem Bund und Länder den Anbieter bereits vorhandeneRessourcen kostengünstig mitnutzen lassen. Darüber hi-naus hat der Bundesrechnungshof den vorgesehenenLeistungsumfang als unzureichend bewertet, weil damitdas Projektziel nicht wirtschaftlich erreicht werdenkonnte. Er hat auf die Gefahr hingewiesen, dass Bund undLändern für notwendige zusätzliche Leistungen Mehrkos-ten durch Risikozuschläge entstehen. Die Ursache hat derBundesrechnungshof auf die ungelöste Frage der Kosten-verteilung zwischen Bund und Ländern zurückgeführt.

Aufgrund dieser wirtschaftlichen Risiken hat der Bundes-rechnungshof empfohlen, das Vergabeverfahren noch nichtzu beginnen und wesentliche Entscheidungen zunächst zupräzisieren.

60.3

Das Bundesministerium hat die Empfehlungen des Bun-desrechnungshofes aufgegriffen. So hat es vor Beginn derAuftragsvergabe im Einvernehmen mit den Ländern imMärz 2005 auf eine Neuausrichtung des Bund-Länder-Projektes hingewirkt. Das Bundesministerium hat ausge-führt, es habe dabei einen angemessenen Ausgleich derwirtschaftlichen Aspekte und der Sicherheitsinteressenherbeigeführt. Weiterhin hat es die Beschaffungskonzep-tion angepasst, indem es die Vergabe von zwei Leistungs-paketen zur Lieferung der Systemtechnik und zum Netz-betrieb vorbereitet.

60.4

Die vom Bundesministerium eingeleiteten Maßnahmenverbessern die Grundlagen für eine wirtschaftliche Auf-tragsvergabe. Der Bundesrechnungshof wird die weitereUmsetzung des Bund-Länder-Projektes begleiten.

61 Bundeskriminalamt verringert bei IT-Projekt Abhängigkeit von externen Auftragnehmern(Kapitel 0610 Titel 532 55)

61.0

Das Bundeskriminalamt hat bei einem IT-Projekt, mitdem es seine kriminalpolizeilichen Kernaufgaben unter-stützen wollte, die vorher überwiegend externen Fach-kräfte zunehmend durch eigenes Personal ersetzt.Dadurch hat es die Empfehlungen des Bundesrechnungs-hofes umgesetzt, die Abhängigkeit vom externen Auftrag-nehmer zu verringern und die eigene Urteilsfähigkeit fürUmfang und Qualität der extern erbrachten Leistung zusichern.

61.1

Das Bundesministerium des Innern (Bundesministerium)führte nach Aufforderung durch den Rechnungsprüfungs-ausschuss des Haushaltsausschusses des Deutschen Bun-destages „Empfehlungen zur Inanspruchnahme von exter-nen Unterstützungsleistungen durch Bundesbehörden imIT-Bereich“ für die Bundesverwaltung verbindlich ein.Diese sehen u. a. vor,

● unverzichtbare Aufgaben grundsätzlich durch eigeneKräfte wahrzunehmen und

● die Urteilsfähigkeit der Bundesverwaltung für externerbrachte Leistungen zu erhalten.

Das Bundeskriminalamt (BKA) benötigte für die Unterstüt-zung seiner Kernaufgaben ein System, mit dem kriminal-polizeiliche Vorgänge bearbeitet werden (sog. „Vorgangs-bearbeitungssystem“). Es setzte für dessen EntwicklungAnfang des Jahres 2003 eine vorläufige Projektgruppemit zwei eigenen und mehreren externen Fachkräften ein,für die es die Leitung übernahm. Die Projektgruppe sollteim Laufe des ersten Jahres auf 18 eigene Beschäftigte an-wachsen und danach ohne weitere externe Beteiligungdas Vorgangsbearbeitungssystem entwickeln. Tatsächlichstand dem BKA das ursprünglich geplante eigene Perso-nal nicht zur Verfügung. Bis Mitte des Jahres 2005 warendrei eigene Mitarbeiter in der Projektgruppe tätig. DasSystem entwickelte weitgehend ein externer Auftragneh-mer, der die Projektleitung bei deren Abwesenheit vertrat.Das BKA schloss mit den externen AuftragnehmernDienstverträge ab, in denen es die zu erbringende Leis-tung nicht detailliert beschrieben hatte.

61.2

Der Bundesrechnungshof hat das BKA aufgefordert, dieverbindlich eingeführten Empfehlungen des Bundesminis-teriums umzusetzen. Er hat aufgezeigt, dass das BKA sichdurch den geringen Einsatz eigenen Personals vom exter-nen Auftragnehmer abhängig gemacht hatte. Er hat u. a.bemängelt, dass das Entwicklungsrisiko durch den Ab-schluss von Dienstverträgen ausschließlich beim Bundlag.

Der Bundesrechnungshof hat empfohlen, die starke Ab-hängigkeit vom externen Auftragnehmer zu reduzieren.Zu diesem Zweck hat er das BKA aufgefordert,

● die Projektgruppe um eigenes Personal zu verstärken,

● ausreichend eigenes Wissen aufzubauen, um künftigdas System selbst pflegen zu können,

● für die Projektleitung und deren Vertretung aus-schließlich eigenes Personal einzusetzen und

● künftig Werkverträge abzuschließen, die die von ei-nem externen Auftragnehmer zu erbringende Leistungmöglichst genau beschreiben.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 221 – Drucksache 16/XXXX

61.3

Das BKA hat die Projektgruppe entsprechend den Emp-fehlungen des Bundesrechnungshofes neu strukturiert. Esnimmt mittlerweile die Projektleitung und deren Vertre-tung ausschließlich selbst wahr. Zudem hat es die Projekt-gruppe um sieben eigene Beschäftigte verstärkt. Es hatden Wissenstransfer zwischen externen Fachkräften undeigenen Beschäftigten verbessert und kann das Systemkünftig selbst pflegen. Außerdem hat das BKA zugesagt,die Leistung von externen Auftragnehmern, soweit dieVoraussetzungen gegeben sind, nach Möglichkeit detail-

liert zu beschreiben, um vorrangig Werk- statt Dienstver-träge abschließen zu können. Umfang und Qualität derextern erbrachten Leistung kann es nun genauer beurtei-len.

61.4

Der Bundesrechnungshof wird weiter darauf hinwirken,dass das BKA bei IT-Projekten zur Unterstützung polizei-licher Kernaufgaben vermehrt Wissen erwirbt, indem eseigenes Personal einsetzt.

Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie(Einzelplan 09)

62 Bessere Abstimmung von Förder- lungen an die Unternehmen ausgeschlossen werden

programmen vermeidet überhöhte Zuschüsse

62.0

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologiewird nach einer Empfehlung des Bundesrechnungshofeszwei Förderprogramme zur Stärkung der Wettbewerbs-fähigkeit von mittelständischen Unternehmen so mitei-nander abstimmen, dass überhöhte Zahlungen künftigvermieden werden können.

62.1

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie(Bundesministerium) fördert Forschungsvorhaben mittel-ständischer Unternehmen zur Stärkung ihrer Wettbe-werbsfähigkeit. Hierzu erhalten Unternehmen aus denProgrammen „Förderung von Forschung und Entwick-lung bei Wachstumsträgern in benachteiligten Regionen(INNO-WATT)“ und „Innovationskompetenz mittelstän-discher Unternehmen (ProInno)“ Zuschüsse zu For-schungsprojekten. Es ist zulässig, dass Unternehmen zeit-gleich Zuschüsse aus beiden Förderprogrammen erhalten,wenn jeweils unterschiedliche Projekte gefördert werden.

Der Bundesrechnungshof prüfte mit Unterstützung desPrüfungsamtes des Bundes Köln das FörderprogrammINNO-WATT. Er untersuchte dabei Fälle, in denen Unter-nehmen Zuwendungen aus beiden Förderprogrammen fürunterschiedliche Projekte erhalten haben. Der Bundes-rechnungshof hat festgestellt, dass das Bundesministe-rium in einigen Fällen für in die Projekte eingebundeneBeschäftigte höhere Zuschüsse gezahlt hat, als es nachden Förderprogrammen zulässig war.

62.2

Der Bundesrechnungshof hat das Bundesministerium da-rauf hingewiesen, dass durch eine verbesserte Abstim-mung zwischen den Förderprogrammen überhöhte Zah-

können. Er hat weiterhin empfohlen, dass das Bundesmi-nisterium die zu hohen Zuschüsse von den Unternehmenzurückfordert.

62.3

Das Bundesministerium hat die Hinweise des Bundes-rechnungshofes anerkannt. Es hat zugesagt, Regelungenzur Vermeidung überhöhter Förderungen zu treffen. Da-rüber hinaus hat es bereits mit der Überprüfung der in denvergangenen Jahren in den beiden genannten Förderpro-grammen abgerechneten Personalkosten und der Rück-forderung überzahlter Beträge begonnen. Einige Beträgesind schon zurückgeflossen.

63 Beschaffungszyklus der Computer des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle folgt künftig wirtschaftlichen Gesichtspunkten(Kapitel 0904 Titelgruppe 55)

63.0

Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle willseine Beschaffungspraxis künftig entsprechend den Emp-fehlungen des Bundesrechnungshofes stärker an wirt-schaftlichen Gesichtpunkten ausrichten, ein aktuellesInventarverzeichnis führen und ausgesonderte Gerätezeitnah verwerten.

Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle er-setzte seit dem Jahre 2002 mehr als 60 % seiner Compu-ter vor Ablauf der üblichen Nutzungsdauer. Kurz zuvorhatte es erst deren technische Ausstattung erheblich ver-bessert. Außerdem schrieb es neue Computer mit verga-berechtlich unzulässigen Vorgaben von Produkten ausund bestellte unnötige Zusatzausstattungen. Da es keinInventarverzeichnis führte, ließen sich neuwertige Com-puter und Flachbildschirme nicht mehr auffinden. Über-dies lagerte es jahrelang ausgesonderte, jedoch funk-tionsfähige Geräte in seinen Räumen, ohne diese anderen

Drucksache 16/XXXX – 222 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Stellen in der Bundesverwaltung zu überlassen oder an-derweitig zu verwerten.

63.1

Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle(Bundesamt) nimmt mit seinen knapp 600 Beschäftigtendie Aufgaben wahr,● die Ein- und Ausfuhr von Waren der gewerblichen

Wirtschaft zu überwachen,● verschiedene energiepolitische Programme der Bun-

desregierung durchzuführen, ● den Mittelstand zu fördern und ● Beiträge zur Beschäftigungspolitik, zu Existenzgrün-

dungen und zur Anpassung an den Strukturwandel zuleisten.

Der Bundesrechnungshof hat den Einsatz der IT beimBundesamt geprüft. Er stellte fest, dass das Bundesamt inden Jahren 2002 und 2003 mehr als 60 % seiner rund600 Arbeitsplatzcomputer dreieinhalb bis vier Jahre nachderen Anschaffung ersetzt hatte. Diese waren kurz zuvornoch mit größeren Arbeitsspeichern und neuen Netzwerk-karten nachgerüstet worden. Im Rahmen der Ausschrei-bung für die Lieferung der neuen Computer gab das Bun-desamt Einzelkomponenten bestimmter Hersteller oderkonkrete Komponenten-Typen vor. Den Zuschlag erhielteine Firma, die diese Produktvorgaben vollständig be-rücksichtigte und deshalb um mehr als 10 % teurer warals andere Firmen mit Produkten vergleichbarer Leis-tungsdaten. Für knapp die Hälfte seiner neuen Computer bestellte dasBundesamt gegen Aufpreis Computer-Gehäuse, die einehöhere Qualität als die zunächst geforderten Standard-gehäuse aufweisen sollten. Danach ließ es in die bereitsabschließbaren Gehäuse zusätzlich Vorhängeschlössereinbauen. So standen die neuen Computer vollständig erstnach Abschluss dieser Umbauarbeiten, die annäherndsechs Monate dauerten, zur Verfügung, während in dieserZeit bereits die Gewährleistungsfrist lief. Das Bundesamtführte kein Inventarverzeichnis über seine Informa-tionstechnik. Zum Zeitpunkt der Prüfung konnte es des-halb den gesetzlich geforderten Vermögensnachweis fürmehr als 10 % seiner Computer nicht erbringen. Schließ-lich lagerte das Bundesamt in seinen Räumen über Jahrezahlreiche ausgesonderte, aber funktionsfähige IT-Kom-ponenten, z. B. Computer, Monitore und Drucker. Für siehätten am Markt noch Einnahmen erzielt werden können.

63.2

Der Bundesrechnungshof hat den vorzeitigen Austauschvon nahezu zwei Dritteln der Arbeitsplatzcomputer, derenAusstattung kurz zuvor noch verbessert worden war, alsunwirtschaftlich kritisiert. Er hat das Bundesamt daraufhingewiesen, dass der Rechnungsprüfungsausschuss desHaushaltsausschusses des Deutschen Bundestages gefor-dert hat, in der Bundesverwaltung eingesetzte Computermindestens fünf Jahre zu nutzen. In der Ausschreibungzur Beschaffung der Computer hätten deren Anforderun-gen nur funktional, nicht aber produktbezogen festgelegt

werden dürfen. Dadurch hätten Ausgaben von mehr als10 % der Anschaffungskosten vermieden werden können. Der Bundesrechnungshof hat außerdem bemängelt, dass esunnötig war, von der ursprünglichen Leistungsbeschrei-bung abweichende Gehäuse zu bestellen. Deren Nachrüs-tung hat jeweils hohe Wertverluste der Rechner und eineum bis zu sechs Monate verringerte Gewährleistungszeitverursacht. Das Bundesamt hat seinen IT-Bestand nur un-zureichend verwaltet und dadurch das Abhandenkommenvon Geräten begünstigt. Der Bundesrechnungshof hat u. a.empfohlen, ausgesonderte, aber voll funktionsfähige Ge-räte nicht unnötig lange zu lagern, sondern andere Stellender Bundesverwaltung weiter nutzen zu lassen oder amMarkt zu verwerten, um Wertverluste zu vermeiden.

63.3

Das Bundesamt hat zugesagt, die vom Bundesrechnungs-hof festgestellten Mängel abzustellen und seinen Empfeh-lungen zu folgen. Es will künftig seine Computer grund-sätzlich fünf Jahre nutzen und bei seinen Ausschreibungennur noch funktionale Anforderungen an die IT-Gerätestellen. Die Nachrüstung neuer Computer mit Vorhänge-schlössern habe es für notwendig erachtet und als den üb-lichen Sicherheits-Standards entsprechend angesehen.Aufgrund der Prüfung des Bundesrechnungshofes habedas Bundesamt eine Bestandsaufnahme veranlasst. Dabeihätte der Verbleib von nur noch drei Computern und zweiFlachbildschirmen nicht geklärt werden können. DasBundesamt werde unverzüglich ein für den Vermögens-nachweis geeignetes Werkzeug einführen und in Zukunftden Datenbestand aktuell halten. Es hat außerdem einge-räumt, dass die langjährige Lagerung ausgesonderter Ge-räte unwirtschaftlich gewesen sei und will künftig ausge-sonderte Geräte zeitnah einer Anschlussverwendungzuführen oder verwerten.

63.4

Der Bundesrechnungshof erkennt an, dass das Bundesamtseinen Empfehlungen folgen will.

Das Bundesamt wird bereits durch die bis zu zwei Jahrelängere Nutzung seiner rund 600 Computer mehr als 30 %an Ersatzbeschaffungen einsparen. Vor dem Hintergrundanhaltender Haushaltsprobleme geht der Bundesrech-nungshof davon aus, dass das Bundesamt die Nutzungs-dauer seiner Computer zukünftig nicht ausschließlich amempfohlenen Mindestzeitraum von fünf Jahren ausrichtet,sondern diese bedarfsweise und abhängig vom Einsatzortund Verwendungszweck möglichst noch verlängert. Al-lein durch Verzicht auf Produktvorgaben kann es beimKauf neuer Computer weitere rund 10 % einsparen. Dieaktuelle IT-Bestandsverwaltung wird die Grundlage füreine wirtschaftliche Verwertung ausgesonderter Geräte sein.

Insgesamt kann das Bundesamt für die Beschaffung sei-ner Computer jährlich mehr als ein Drittel seiner bisheri-gen Aufwendungen einsparen. Dies sollte im nächstenHaushaltsvoranschlag zum Ausdruck kommen. Der Bun-desrechnungshof wird in einer Kontrollprüfung untersu-chen, inwieweit das Bundesamt seine Zusagen eingehal-ten hat.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 223 – Drucksache 16/XXXX

Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (Einzelplan 10)

64 Förderung zentraler Informationsver- 64.2

anstaltungen auf ressortbezogene Inhalte begrenzt(Kapitel 1002 Titel 686 04 und Titel-gruppe 07, Titel 686 71 Nr. 2.3)

64.0Das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaftund Verbraucherschutz wird die Mittel zur Förderungzentraler Informationsveranstaltungen zweckentspre-chend und effektiver einsetzen, indem es die Maßnahmenauf ressortbezogene Inhalte zurückführt.

64.1Das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft undVerbraucherschutz (Bundesministerium) gewährt nichtstaat-lichen Organisationen jährlich Zuschüsse von mehr als1 Mio. Euro für zentrale Informationsveranstaltungen (Ver-anstaltungen). Die Veranstaltungen sollen der ländlichen Be-völkerung Informationen zum Verbraucherschutz, zur Agrar-und Forstwirtschaft sowie zu Ernährungsfragen vermitteln. Der Bundesrechnungshof prüfte mit Unterstützung desPrüfungsamtes des Bundes Köln die Gewährung und Ver-wendung der Zuschüsse. Er stellte fest, dass das Bun-desministerium in erheblichem Umfang Veranstaltungenförderte, die überwiegend persönliche Fähigkeiten ver-bessern sollten. Dazu gehörten Seminare zur freien Rede,zu Team-Konflikten und zum Moderatoren-Training. Daneben förderte das Bundesministerium Veranstaltun-gen mit familien- oder arbeitsmarktpolitischen Schwer-punkten, wie „Familienpolitik: Stiefkind oder Herzstück“,„Traditionen bewahren und weitergeben: Alte Spiele wiederentdecken“ oder „Auswirkungen der Hartz-Beschlüsseauf den Arbeitsmarkt in den neuen Bundesländern“. Andere Veranstaltungen wurden von regionalen Organi-sationen geplant und in deren Interesse durchgeführt oderbefassten sich mit regional begrenzten Fragestellungen,z. B. zum „künftigen Einsatz der Forstwirtschaftsmeisterin der Bayerischen Staatsverwaltung“.

Der Bundesrechnungshof hat die Auffassung vertreten,dass das Bundesministerium die Förderung auf Veranstal-tungen mit ressortbezogenen Inhalten zu begrenzen hat. Veranstaltungen, die vorrangig persönliche Fähigkeitenstärken oder arbeitsmarkt- und familienpolitische The-men vermitteln, haben keinen Bezug zur Verbraucher-schutz-, Agrar-, Ernährungs- oder Forstpolitik. So dienenSchulungen über Konfliktmanagement und Gesprächs-führung vor allem der individuellen Weiterbildung. Zu-dem gehören die Familien- und die Arbeitsmarktpolitiknicht in die Ressortzuständigkeit des Bundesministe-riums. Darüber hinaus fehlt Veranstaltungen regionalerOrganisationen die vom Bundesministerium gefordertebundespolitische Ausrichtung, wenn deren Inhalte auf dieBelange der Region abgestimmt sind. Der Bundesrechnungshof hat daher angeregt, die Förde-rung solcher Veranstaltungen einzustellen.

64.3

Das Bundesministerium ist der Anregung des Bundes-rechnungshofes gefolgt und wird keine Veranstaltungenmehr fördern, die ● ausschließlich oder überwiegend der Vermittlung per-

sönlicher Fähigkeiten dienen, ● nicht in seine Ressortzuständigkeit fallen oder● regionalen Charakter haben. Das Bundesministerium wird zu diesem Zweck seine För-dergrundsätze für Veranstaltungen überarbeiten.

64.4

Die Entscheidung des Bundesministeriums, seine Förder-praxis im Bereich der zentralen Informationsveranstaltun-gen auf unmittelbar ressortbezogene Inhalte zu be-grenzen, wird dazu beitragen, dass die Zuschüsse künftigzweckentsprechend und effektiver eingesetzt werden.

Bundesministerium für Arbeit und Soziales(Einzelplan 11)

65 Deutsche Rentenversicherung len, dass sie Fehler in den ihr gemeldeten Daten früh-

Knappschaft-Bahn-See wird Fehler in den Versicherungs-konten frühzeitig aufspüren(Kapitel 1113)

65.0Die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-Seewird auf Anregung des Bundesrechnungshofes sicherstel-

zeitig erkennt. Damit kann sie die für die Rentenhöhemaßgeblichen Daten rechtzeitig berichtigen und vermei-den, dass sie die Rente für Auskünfte oder für den Leis-tungsfall falsch berechnet.

Nach Hinweisen des Bundesrechnungshofes ermittelte sieüber 30 000 Versicherungsfälle, bei denen Pflichtbeiträgefür Entgeltersatzleistungen falsch erfasst waren.

Drucksache 16/XXXX – 224 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

65.1

Die Sozialleistungsträger zahlen für Versicherte, die Ent-geltersatzleistungen wie Krankengeld oder Arbeitslosen-geld erhalten, Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung. Siemelden die Zeiten, in denen die Versicherten Entgelt-ersatzleistungen erhalten haben, an die Rentenversiche-rungsträger in einem gesetzlich geregelten, automatisier-ten Verfahren. Dabei sind sie verpflichtet, die Zeitenjeweils für das Beitrittsgebiet und das übrige Bundesge-biet zu kennzeichnen. Maßgebend ist der Rechtskreis(Ost oder West), in dem zuvor die versicherungspflichtigeBeschäftigung ausgeübt wurde, nach deren Entgelt sichdie Ersatzleistung bemisst. Fehlerhafte Zuordnungen füh-ren zu falschen Rentenberechnungen.

Die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See (KBS) hat, wie alle Rentenversicherungsträger, da-rauf hinzuwirken, dass die in den Versicherungskontengespeicherten Daten vollständig und zutreffend sind. DieDaten müssen jederzeit für Auskünfte oder für den Leis-tungsfall verfügbar sein.

Der Bundesrechnungshof stellte verschiedentlich fest,dass in den Versicherungskonten Pflichtbeitragszeitenaufgrund von Entgeltersatzleistungen dem falschenRechtskreis (Ost statt West und umgekehrt) zugeordnetwaren.

65.2

Der Bundesrechnungshof hat beanstandet, dass die KBSFehler in den Beitragsmeldungen nicht erkannt hat. Er hatgefordert sicherzustellen, dass die im Versicherungskontogespeicherten Daten für Auskünfte oder den Leistungsfallselbst richtig sind. Er hat empfohlen, bereits bei Eingangder Beitragsmeldungen automatisiert zu prüfen, ob derRechtskreis für die Entgeltersatzleistungen mit demRechtskreis der vorangegangenen Beschäftigungszeitenübereinstimmt.

Weiterhin hat der Bundesrechnungshof vorgeschlagen,die KBS solle ihren Prüfdienst anweisen, bei den Sozial-leistungsträgern verstärkt die Beitragsmeldungen für Ent-geltersatzleistungen zu prüfen.

65.3

Die KBS hat die Empfehlungen des Bundesrechnungs-hofes aufgegriffen. Zuvor hatte sie auf seine Anregungrund 1,6 Mio. Versicherungskonten ermittelt, in denenZeiten im Rechtskreis Ost ausgewiesen waren. Wie hochder Anteil der Konten mit Beiträgen für Entgeltersatzleis-tungen war, konnte sie nicht mitteilen. Sie fand jedoch31 615 Versicherungsfälle, in denen der Rechtskreis fürdie Beitragszeit aus einer Entgeltersatzleistung mit demder vorangegangenen Beschäftigung nicht überein-stimmte.

Die KBS wird Meldungen von den Sozialleistungsträgernbereits bei Zugang auf Fehler automatisiert prüfen. Einentsprechender Fehlerhinweis im Versicherungskonto sollerst gelöscht werden, wenn der Fehler bereinigt ist. Diesstellt sicher, dass die Fehler erkannt und die für die Ren-tenhöhe maßgeblichen Daten rechtzeitig berichtigt wer-den.

Die KBS wird zudem ihren Betriebsprüfdienst anweisen,bei den Sozialleistungsträgern die Beitragsmeldungenverstärkt zu prüfen. Auch die insoweit betroffene Bun-desagentur für Arbeit werde sie ausdrücklich bitten, dieZeiten, in denen Versicherte Entgeltersatzleistungen er-hielten, richtig zu kennzeichnen.

65.4

Der Bundesrechnungshof hält die von der KBS eingelei-teten Maßnahmen für geeignet, Fehler in den Versiche-rungskonten und damit falsche Rentenberechnungen zuvermeiden. Er wird die Angelegenheit weiterverfolgen.

Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung(Einzelplan 12)

66 Eisenbahn-Bundesamt hat seine Buch- 2,6 Mio. Euro hat ein Eisenbahninfrastrukturunterneh-

führung korrigiert und 2,6 Mio. Euro von einem Eisenbahninfrastruktur-unternehmen zurück erhalten(Kapitel 1222)

66.0

Das Eisenbahn-Bundesamt hat nach Hinweis durch denBundesrechnungshof seine Buchführung korrigiert, mitder es die von den Eisenbahninfrastrukturunternehmenabgerufenen Bundesmittel mit dem Nachweis über dieVerwendung vergleicht. Einen überzahlten Betrag von

men inzwischen erstattet.

66.1

Der Bund finanziert Investitionen in das Schienennetzseiner Eisenbahninfrastrukturunternehmen (Unterneh-men). Diese sind für den Bau, die Unterhaltung und denBetrieb des Schienennetzes zuständig. Die Unternehmensind berechtigt, Bundesmittel entsprechend dem Baufort-schritt bei der Bundeskasse abzurufen. Gegenüber demEisenbahn-Bundesamt (Bundesamt) müssen sie die Mit-telverwendung zum Jahresende nachweisen. Das Bundes-amt ist verpflichtet, über die abgerufenen und die nachge-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 225 – Drucksache 16/XXXX

wiesenen Mittel Buch zu führen. Eine am Jahresendeeventuell auftretende Differenz zwischen abgerufenenund nachgewiesenen Mitteln wird ausgeglichen.

Ein Unternehmen hatte im Jahre 2000 mehr Bundesmittelabgerufen als es anschließend nachweisen konnte. ImJahre 2001 zahlte es 2,6 Mio. Euro an den Bund zurück.Das Bundesamt berücksichtigte diese Rückzahlung nichtfür das Jahr 2000. Es bezog sie in seine Vergleichsrech-nung für das Jahr 2001 ein, indem es die abgerufenenBundesmittel um 2,6 Mio. Euro verringerte.

66.2

Der Bundesrechnungshof prüfte mit Unterstützung desPrüfungsamtes des Bundes Stuttgart die Buchführung desBundesamtes für das Jahr 2001. Er stellte fest, dass dasvom Bundesamt verwendete Verfahren, das im Wesentli-chen auf einer Tabellenkalkulation beruht, fehleranfälligist.

Der Bundesrechnungshof hat die Buchführung des Bun-desamts beanstandet. Er hat insbesondere darauf hinge-wiesen, dass das Bundesamt die abgerufenen Mittel fürdas Jahr 2001 zu niedrig ansetzte, weil es die Rückzah-lung unzulässig verbuchte. Dadurch musste das Unter-nehmen im Jahre 2001 für abgerufene Bundesmittel von2,6 Mio. Euro keine Verwendung nachweisen und hatalso diesen Betrag vom Bund zu viel erhalten. Der Bun-desrechnungshof hat empfohlen, die 2,6 Mio. Euro vondem Unternehmen zurückzufordern und das bei den Ver-gleichsrechnungen angewendete Verfahren zu überden-ken.

66.3

Nach der Erörterung der Angelegenheit hat sich das Bun-desamt der Auffassung des Bundesrechnungshofes ange-schlossen. Es hat die Vergleichsrechnung 2001 korrigiertund den überzahlten Betrag in Höhe von 2,6 Mio. Eurovon dem Unternehmen zurückerhalten. Zudem hat dasBundesamt angekündigt, dass es der Anregung des Bun-desrechnungshofes folgen und die Verfahrensweise zurFeststellung der nachzuweisenden Bundesmittel mit denUnternehmen zusammen erörtern wird. Der Bundesrech-nungshof erwartet, dass im Ergebnis dieser Erörterungdie Fehleranfälligkeit des Verfahrens künftig reduziertwerden kann. Er wird die Angelegenheit weiter verfol-gen.

67 1,3 Mio. Euro Einsparungen bei einer Wasser- und Schifffahrtsdirektion(Kapitel 1203 Titel 811 11)

67.0

Die Wasser- und Schifffahrtsdirektion Süd hat auf Emp-fehlung des Bundesrechnungshofes auf den Kauf nichtbenötigter Peilgeräte und eines nicht erforderlichenArbeitsschiffes verzichtet und so Ausgaben von 1,3 Mio.Euro vermieden.

67.1

Die Wasser- und Schifffahrtsdirektion Süd (Direktion)plante im Jahre 2002 die Beschaffung eines zusätzlichenArbeitsschiffes für 500 000 Euro.

Sie entwickelte ferner ein Peilkonzept, das den Kauf vonvier elektroakustischen Peilgeräten für 800 000 Euro vor-sah. Mit den Peilgeräten ermittelt die Direktion Gestaltund Verlauf der Fahrwasserrinnen. Dass sie vier hydrau-lische Peilgeräte besitzt, die ebenfalls für die geplantenAufgaben geeignet sind, berücksichtigte sie in ihremKonzept nicht.

67.2

Der Bundesrechnungshof hat – gestützt auf Prüfungs-erkenntnisse des Prüfungsamtes des Bundes Frankfurt amMain – aufgezeigt, dass

● die bereits vorhandenen Arbeitsschiffe ausreichen und

● der Kauf neuer Peilgeräte nicht plausibel ist.

Er hat deshalb empfohlen, auf die vorgesehenen Beschaf-fungen zu verzichten.

67.3

Die Direktion ist den Empfehlungen des Bundesrech-nungshofes gefolgt. Sie hat auf die Beschaffung des Ar-beitsschiffes verzichtet. Weiter hat sie zugesagt, im Peil-konzept die vorhandenen hydraulischen Peilgeräte zuberücksichtigen und keine neuen Peilgeräte anzuschaffen.Damit werden rund 1,3 Mio. Euro eingespart.

68 Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie stellt die Herausgabe von Seekarten für fremdländische Küsten ein(Kapitel 1208 Titel 119 01)

68.0

Das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie wirdauf Empfehlung des Bundesrechnungshofes keine amt-lichen Seekarten und Seehandbücher für fremdländischeKüsten mehr herausgeben.

68.1

Nach dem Gesetz über die Aufgaben des Bundes auf demGebiet der Seeschifffahrt ist der Bund insbesondere fürdie Abwehr von Gefahren für die Sicherheit und Leichtig-keit des Seeverkehrs zuständig. Das Bundesamt für See-schifffahrt und Hydrographie (Bundesamt) gibt daheramtliche Seekarten und Seehandbücher heraus. Das See-kartenwerk des Bundesamtes besteht aus rund 560 See-karten. Davon betreffen 85 Karten deutsche Küsten unddas unmittelbar angrenzende Seegebiet und 475 Kartenfremdländische Küsten und die hohe See.

Drucksache 16/XXXX – 226 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Die anderen hydrographischen Dienste in Europa fertigenim Wesentlichen Seekarten für ihre nationalen Gewässer.Nur der hydrographische Dienst in Großbritannien gibtein amtliches Seekartenwerk heraus, das alle Meere ab-deckt.

Das Bundesamt erstellt die Seekarten für die deutschenKüsten aus Daten, die es im Rahmen der Seevermessungund Wracksuche selbst erhebt. Für die Seekarten fremd-ländischer Küsten greift es dagegen auf die Daten derjeweils nationalen hydrographischen Dienste oder desbritischen hydrographischen Dienstes zurück, die es un-geprüft übernimmt. Es beschränkt sich im Wesentlichendarauf, Beschreibungen und Texte ins Deutsche zu über-setzen.

Im Jahre 2004 verkaufte das Bundesamt 69 000 Seekar-ten. Davon betrafen 31 000 die deutschen Küstengewäs-ser und 38 000 fremdländische Küsten. In allen Fällenstand das Bundesamt mit seinen amtlichen Seekarten inKonkurrenz zu einem umfassenden Angebot anderer hy-drographischer Dienste oder Privater. Die internationaleBerufsschifffahrt nutzt heute überwiegend amtliche briti-sche Seekarten. Begründet wird dies mit deren weltweiterAbdeckung und der Verkehrssprache Englisch.

Im Jahre 2002 hatte das Bundesamt Einnahmen aus demVerkauf von amtlichen Seekarten ohne Sportbootkarten inHöhe von 1,1 Mio. Euro erzielt. Dem standen die vomBundesamt selbst ermittelten Aufwendungen von 3 Mio.Euro gegenüber. Damit ergab sich gemittelt über alle See-karten eine Kostendeckung von durchschnittlich 36 %.

68.2

Der Bundesrechnungshof hat das Bundesamt darauf hin-gewiesen, dass die weitere Herausgabe von Seekarten fürfremdländische Küsten angesichts der fehlenden Kosten-deckung nur zu rechtfertigen ist, wenn sie, wie gesetzlichgefordert, der Abwehr von Gefahren für die Sicherheitund Leichtigkeit des Seeverkehrs dient. Der Bundesrech-nungshof hat dem Bundesamt empfohlen, sich aus diesemBereich zurückzuziehen, wenn diese Voraussetzung nichterfüllt ist.

68.3

Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtent-wicklung hat dargelegt, dass die Deutsche Marine alsgrößter Kunde für Papierseekarten angekündigt habe, biszum Ende des Jahres 2008 auf die papierlose elektroni-sche Navigation umzustellen. Zielgruppe für das Karten-werk des Bundesamtes sei künftig in erster Linie dieKlein- und Küstenschifffahrt, deren Operationsgebiet,von der deutschen Küste ausgehend, die angrenzendenSeegebiete in Nord- und Ostsee seien. Seekarten und See-handbücher für die Seegebiete Mittelmeer, SchwarzesMeer, Rotes Meer, britische Ostküste, norwegische Süd-küste, Bottnischer Meerbusen und alle atlantischen See-gebiete werde das Bundesamt der Empfehlung des Bun-desrechnungshofes folgend nicht mehr herausgeben.

69 Kleinere Tunneldurchmesser verringern die Baukosten um 50 Mio. Euro

69.0

Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtent-wicklung und die Straßenbauverwaltung Baden-Württem-berg haben bei der Planung des Neubaus „Albaufstieg“der Bundesautobahn A 8 zwischen Stuttgart und Ulm aufStandstreifen in den Tunneln verzichtet und stattdessenPannenbuchten vorgesehen. Sie sind damit der Empfeh-lung des Bundesrechnungshofes gefolgt. Dadurch verrin-gern sich die Baukosten um 50 Mio. Euro.

69.1

Im Auftrag des Bundes plant die StraßenbauverwaltungBaden-Württemberg den Neubau des „Albaufstiegs“ derBundesautobahn A 8 zwischen Stuttgart und Ulm. DieGesamtkosten für das Bauvorhaben berechnete die Stra-ßenbauverwaltung im Jahre 2002 mit 388 Mio. Euro. Da-rin enthalten waren die Baukosten für zwei Tunnel inHöhe von 269 Mio. Euro.

Der „Albaufstieg“ erhält zwei zweiröhrige Tunnel mitLängen von 1 170 m und 1 670 m. Nach einem für dieStraßenbauverwaltung verbindlichen Rundschreiben desBundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwick-lung (Bundesministerium) sollen Autobahntunnel mitzwei Röhren grundsätzlich ohne Standstreifen aber mitPannenbuchten geplant werden. Abweichend von dieserRegelung können die Straßenbauverwaltungen Stand-streifen bauen, wenn sie nachweisen, dass der in Geld be-wertete Nutzen des Standstreifens höher ist als die zusätz-lichen Kosten.

Der von der Straßenbauverwaltung ermittelte Nutzen fürdie Standstreifen in den beiden Tunneln des „Albauf-stiegs“ lag bei etwa einem Drittel der zusätzlichen Bau-und Betriebskosten. Gleichwohl hielten das Bundesminis-terium und die Straßenbauverwaltung zunächst an derPlanung der Standstreifen fest. Sie begründeten dieseEntscheidung mit der vergleichsweise großen Steigungdes „Albaufstiegs“, der besseren Verkehrsführung in Not-fällen und mit der zweimal im Jahr notwendigen Tunnel-reinigung. Wegen der Verkehrssicherheit und des stö-rungsfreien Betriebs der Tunnel seien die Standstreifensinnvoll.

Durch die Standstreifen hätte sich der Durchmesser jederTunnelröhre erheblich vergrößert. Die Mehrkosten für diebeiden Tunnel berechneten das Bundesministerium undder Bundesrechnungshof unabhängig voneinander mit50 Mio. Euro.

69.2

Der Bundesrechnungshof hat das Bauprojekt „Albauf-stieg“ geprüft. Nach seiner Auffassung hätten das Bun-desministerium und die Straßenbauverwaltung bei einer

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 227 – Drucksache 16/XXXX

sachgerechten Abwägung des Nutzens und der Kosten dieStandstreifen nicht planen dürfen.

Die vom Bundesministerium und der Straßenbauver-waltung für die Standstreifen vorgebrachten Argumentewie steiler Anstieg, Verkehrssicherheit und betrieblicheAspekte sind bereits in die Gegenüberstellung von Nut-zen und Kosten der Standstreifen eingeflossen. BeimNutzen der zusätzlichen Standstreifen werden gerade dieErsparnisse an Zeit und an Unfallkosten sowie die Vor-teile beim Betrieb der Tunnel berücksichtigt. Da der Nut-zen dennoch geringer ist als die Kosten, sind die Stand-streifen unwirtschaftlich und hätten nicht geplant werdendürfen.

Der Bundesrechnungshof hat dem Bundesministeriumund der Straßenbauverwaltung daher empfohlen, beim„Albaufstieg“ auf die Standstreifen in den Tunneln zuverzichten und stattdessen, wie im Rundschreiben vorge-sehen, Pannenbuchten zu bauen.

69.3

Das Bundesministerium und die Straßenbauverwaltungsind der Empfehlung des Bundesrechnungshofes gefolgtund werden auf Standstreifen in den Tunneln verzichten.Die Straßenbauverwaltung hat während des laufendenPlanfeststellungsverfahrens die Tunnel entsprechend um-geplant. Sie sieht nun Pannenbuchten vor. Dadurch lassensich die Baukosten um 50 Mio. Euro verringern.

70 Empfehlungen, wie Zuwendungen des Bundes beim Hochbau wirtschaftlich verwendet werden

70.0

Der Bund gewährt jährlich 2 Mrd. Euro Zuwendungenfür Hochbaumaßnahmen. Der Bundesrechnungshof hatimmer wieder Mängel bei der Planung, Ausführung undAbrechnung der geförderten Baumaßnahmen festgestellt.Der Präsident des Bundesrechnungshofes als Bundes-beauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung hatdeshalb im Jahre 2005 Empfehlungen herausgegeben, diedazu beitragen sollen, dass geförderte Baumaßnahmenwirtschaftlich durchgeführt werden.

70.1

Der Bund fördert Hochbaumaßnahmen außerhalb derBundesverwaltung mit Zuwendungen. Schwerpunktesind die Bereiche Forschung, Technologie, Kultur, Wirt-schaft, Sport sowie Gesundheit und Soziales. Zuwen-dungsempfänger können Länder und Gemeinden, öffent-liche und private Institutionen sowie Projektträger ausWirtschaft und Gesellschaft sein. Der Bund fördert dieBaumaßnahmen allein oder zusammen mit den Ländern,Gemeinden oder Dritten. Zuwendungsgeber sind Bundes-ministerien oder der Beauftragte der Bundesregierung fürKultur und Medien.

Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtent-wicklung (Bundesministerium) ist Oberste Technische In-stanz für die vom Bund geförderten Baumaßnahmen. Indieser Funktion ist es verantwortlich für die Herausgabeund Pflege des einschlägigen Richtlinienwerks sowie fürdie baufachliche Begleitung der geförderten Baumaßnah-men. Bei der baufachlichen Begleitung bedient es sichder Bauverwaltungen der Länder und des Bundesamtesfür Bauwesen und Raumordnung (BBR).

Die Zuwendungsempfänger und Zuwendungsgeber habenin der Regel wenig Erfahrung mit Bauvorhaben. Die Zu-wendungsempfänger beauftragen deshalb freiberuflichTätige mit der Planung, Ausführung und Abrechnung vongeförderten Baumaßnahmen. Auf der Seite der Zuwen-dungsgeber bringen die Bauverwaltungen und das BBRihren Sachverstand ein. Für die Planung und Umsetzungder Baumaßnahmen entsprechend den Zuwendungsbe-scheiden sind die Zuwendungsempfänger als Bauherrenverantwortlich.

Das Zusammenwirken der Beteiligten bei gefördertenBaumaßnahmen ist kompliziert. Zahlreiche Gesetze, Ver-ordnungen, Verwaltungsvorschriften, Richtlinien, Neben-bestimmungen sowie maßnahmebezogene Auflagen sindzu beachten.

70.2

Der Bundesrechnungshof stellte immer wieder Mängelbei der Durchführung geförderter Baumaßnahmen fest.Vor allem unterschätzten die Bauverwaltungen und Zu-wendungsgeber die Bedeutung der Baumaßnahmen undnahmen ihre Mitwirkungs- und Prüfungspflichten nichtim notwendigen Umfang wahr. So versäumten es dieBauverwaltungen in zahlreichen Fällen, mit ausreichen-dem und qualifiziertem Personal Baumaßnahmen von Be-ginn an entsprechend den einschlägigen Vorschriften bau-fachlich zu begleiten.

In vielen Fällen kritisierte der Bundesrechnungshof An-zahl, Größe und Ausstattung der geplanten Räume, dieunprofessionelle Gestaltung und Abrechnung von Verträ-gen mit freiberuflich Tätigen, unwirtschaftliche Planun-gen mit häufig zu aufwendiger Gestaltung der Gebäude,zahlreiche Verstöße gegen die Vorschriften bei der Aus-schreibung, Vergabe und Abrechnung von Bauleistungen,die vorzeitige und überhöhte Anforderung von Fördermit-teln sowie die verspätete Prüfung der Verwendung derZuwendungen. Von mehreren Zuwendungsgebern ge-meinsam geförderte Baumaßnahmen waren wegen deserhöhten Verwaltungs- und Koordinierungsaufwandes be-sonders anfällig für Fehler.

Zuwendungen des Bundes von derzeit jährlich 2 Mrd.Euro für Hochbaumaßnahmen erfordern bei deren Durch-führung wirtschaftliche Verfahrensweisen. Der Präsidentdes Bundesrechnungshofes als Bundesbeauftragter fürWirtschaftlichkeit in der Verwaltung hat daher im Jahre2005 als Band 12 seiner Schriftenreihe die Empfehlungen„Zuwendungen des Bundes für Hochbaumaßnahmen“veröffentlicht. Sie sollen dazu beitragen, dass geförderte

Drucksache 16/XXXX – 228 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Baumaßnahmen wirtschaftlich geplant, ausgeführt undabgerechnet werden.

Die Empfehlungen schildern typische Mängel, gebenHinweise, wie diese reduziert oder vermieden werdenkönnen und zeigen Einsparmöglichkeiten auf. Sie umfas-sen von der Bewilligung der Zuwendung über die Reali-sierung der Maßnahme bis zum Verwendungsnachweisalle Phasen einer geförderten Baumaßnahme. Im Vorder-grund stehen bauliche Empfehlungen für die Festlegungdes Raumbedarfs sowie für die Planung, Ausführung undAbrechnung von Baumaßnahmen.

Die Veröffentlichung hat das Ziel, alle an einer geförder-ten Baumaßnahme Beteiligten dabei zu unterstützen, re-gelgerecht und wirtschaftlich zu handeln. Sie richtet sichdaher nicht nur an die Beschäftigten in der öffentlichenVerwaltung, die mit Zuwendungen des Bundes für Hoch-baumaßnahmen befasst sind, sondern auch an Zuwen-dungsempfänger. Ebenso ist sie für die freiberuflich Täti-

gen gedacht, die mit der Realisierung einer gefördertenHochbaumaßnahme betraut sind oder Interesse daran ha-ben.

Das Bundesministerium hat in seiner Stellungnahme denEmpfehlungen zugestimmt. Es hat mitgeteilt, es werdedie einschlägigen Regelwerke mit dem Ziel einer Verfah-rensstraffung und -vereinfachung überarbeiten. Zustän-digkeit und Verantwortlichkeit der am Verfahren Beteilig-ten sollen klarer festgelegt werden als bisher.

70.3

Der Bundesrechnungshof erwartet nun, dass das Bundes-ministerium als Oberste Technische Instanz die Einhal-tung der Empfehlungen durch die Bauverwaltungen unddas BBR sicherstellt, um dem Bund vermeidbare Ausga-ben bei seinen Zuwendungen für Hochbaumaßnahmen zuersparen.

Bundesministerium der Verteidigung(Einzelplan 14)

71 Bundeswehr stattet ihre technischen Technischen Betriebsdienste bundesweit mit solchen

Betriebsdienste künftig bedarfs-gerecht mit Werkstattwagen aus(Kapitel 1415 u. a.)

71.0

Die Bundeswehr hat Empfehlungen des Bundesrech-nungshofes aufgegriffen und stellt sicher, dass die Techni-schen Betriebsdienste der Standortverwaltungen künftigbedarfsgerecht mit Werkstattwagen ausgestattet sind. DerBundesrechnungshof hatte festgestellt, dass die über2 000 für rund 26 Mio. Euro beschafften Fahrzeuge invielen Fällen nicht ausgelastet waren. Die Bundeswehrverzichtet auf die Beschaffung weiterer Werkstattwagen.Sie wird den Bedarf unter Berücksichtigung der bisheri-gen Erfahrungen und der Feststellungen des Bundesrech-nungshofes überprüfen. Der Bedarf wird künftig nachentsprechender Beratung durch ein Dienstleistungsunter-nehmen auf Mietbasis gedeckt.

71.1

Im Jahre 1998 führte die Bundeswehr in einer Standort-verwaltung ein Pilotprojekt zur Optimierung des Techni-schen Betriebsdienstes durch. Das Projekt untersuchteauch den möglichen Einsatz von Werkstattwagen. Hierbeihandelt es sich um mit Werkzeugen und Ersatzteilen aus-gestattete Kombi-Fahrzeuge und Kleinlieferwagen. DieBundeswehr kam zu der Erkenntnis, dass sie durch denEinsatz von Werkstattwagen Personal und Werkstattflä-chen einsparen kann. Sie nahm dies zum Anlass, die

Fahrzeugen auszustatten.

Die Bundeswehr wies die Standortverwaltungen an, mitHilfe eines Anwenderhandbuches Optimierungspoten-ziale in den Technischen Betriebsdiensten zu identifizieren.Dabei sollten sie auch den Einsatz von Werkstattwageneinbeziehen.

Die Standortverwaltungen meldeten den so ermitteltenBedarf an Werkstattwagen an die Wehrbereichsverwal-tungen. Diese folgten den Beschaffungswünschen, wennsich im Rahmen einer gesamtheitlichen Betrachtung vonvorgeschlagenen Einsparungen und Ausgaben ein Opti-mierungsgewinn ergab.

Insgesamt beschaffte die Bundeswehr auf dieser Grund-lage in den Jahren 1998 bis 2004 für rund 26 Mio. Euromehr als 2 000 Werkstattwagen.

71.2

Der Bundesrechnungshof hat mit Unterstützung des Prü-fungsamtes des Bundes München den Betrieb der Werk-stattwagen durch die Technischen Betriebsdienste derStandortverwaltungen geprüft. Er hat festgestellt, dassTechnische Betriebsdienste über ihren tatsächlichen Be-darf hinaus Fahrzeuge vorhielten, die sie vielfach nichtauslasteten.

Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass die Wehr-bereichsverwaltungen die Beschaffungsvorschläge alleinanhand der Betrachtung der vorgeschlagenen Einsparun-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 229 – Drucksache 16/XXXX

gen und Ausgaben geprüft und umgesetzt hatten. Hierbeiblieb offen, wie viele Werkstattwagen die einzelnen Tech-nischen Betriebsdienste tatsächlich für ihre Aufgaben be-nötigten.

Der Bundesrechnungshof hat empfohlen, keine weiterenWerkstattwagen zu beschaffen und den tatsächlichen Be-darf standortspezifisch zu überprüfen.

71.3

Das Bundesministerium der Verteidigung (Bundesminis-terium) hat die Empfehlungen des Bundesrechnungshofesaufgegriffen und die Beschaffung von Werkstattwagen imJahre 2005 eingestellt. Den Fahrzeugbestand hat es an dieBundeswehrFuhrparkService GmbH übertragen. Diesestellt die Werkstattwagen den Technischen Betriebsdiens-ten nunmehr auf Mietbasis zur Verfügung. Das Unterneh-men soll die Standortverwaltungen künftig auch hinsicht-lich des Bedarfs beraten.

Das Bundesministerium hat darüber hinaus zugesagt, dieAusstattung der Technischen Betriebsdienste, die derBundesrechnungshof in seine Prüfung einbezogen hatte,gesondert zu untersuchen.

71.4

Der Bundesrechnungshof hält die zugesagten Maßnah-men des Bundesministeriums in ihrer Gesamtheit für ge-eignet, die bedarfsgerechte Ausstattung der TechnischenBetriebsdienste mit Werkstattwagen sicherzustellen. Ergeht davon aus, dass überzählige Fahrzeuge verwertetwerden.

Der Bundesrechnungshof wird beobachten, inwieweit dieMaßnahmen greifen.

72 Bundeswehr verbessert Organisation des Mess- und Prüfwesens(Kapitel 1403, 1414, 1415, 1419)

72.0

Die Bundeswehr hat zugesichert, bislang eigenständigeKalibriereinrichtungen in den Streitkräften und der Ver-waltung zusammenzulegen, um ihre Mess- und Prüfgerätekostengünstiger auf Anzeigefehler zu kontrollieren undggf. zu justieren (kalibrieren). Die jährlichen Ausgabenfür das Kalibrieren betragen rund 30 Mio. Euro.

72.1

Die Bundeswehr muss ihre Mess- und Prüfgeräte regel-mäßig oder nach Bedarf auf Anzeigefehler kontrollierenund ggf. justieren (kalibrieren). Der Bundesrechnungshofstellte im Jahre 1995 fest, dass sowohl die einzelnen Teil-streitkräfte Heer, Luftwaffe und Marine, als auch derRüstungsbereich eigene Kalibrierlabore hatten. Zum Rüs-

tungsbereich gehören die Hauptabteilung Rüstung im Bun-desministerium der Verteidigung (Bundesministerium),das Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung sowiedessen nachgeordnete Dienststellen. Allein die Teilstreit-kräfte besaßen damals 112 000 Mess- und Prüfgeräte undsetzten über 600 Bedienstete ein, um sie zu kalibrieren.

Der Bundesrechnungshof zeigte auf, wie Personal redu-ziert oder für andere Aufgaben freigesetzt und zugleichmehr Geräte kalibriert werden können. Dazu schlug ervor, die Kalibriereinrichtungen der einzelnen Teilstreit-kräfte und des Rüstungsbereiches zusammenzulegen. DasBundesministerium hatte dies im Jahre 1996 zugesagt. ImJahre 2000 ordnete es an, eine gemeinsame Kalibrier-organisation in der Bundeswehr einzurichten. Weiterhinsollte die Bundeswehr diese personell und materiell demBedarf anpassen und vorhandene Kapazitäten auslasten.

Im Jahre 2004 prüfte der Bundesrechnungshof gemein-sam mit dem Prüfungsamt des Bundes Köln das Kali-brierwesen erneut. Er stellte fest, dass die Bundeswehrdie Kalibriereinrichtungen der drei Teilstreitkräfte zusam-mengelegt und dadurch den Bedarf für Kalibrierpersonalum rund 200 Stellen verringert hatte. Rüstungs- undStreitkräftebereich kalibrierten aber weiterhin eigenstän-dig. Die jährlichen Ausgaben für das Kalibrieren betru-gen noch rund 30 Mio. Euro.

72.2

Der Bundesrechnungshof hat das Bundesministerium auf-gefordert,

● die Kalibriereinrichtungen des Streitkräfte- und desRüstungsbereiches zusammenzulegen,

● festzulegen, in welchem Umfang die Bundeswehr ihreGeräte selbst kalibrieren muss und welchen Anteil siean private Unternehmen vergeben kann, und

● die personelle und materielle Ausstattung der Kali-brierorganisation an den tatsächlichen Bedarf anzu-passen.

72.3

Das Bundesministerium hat mitgeteilt, den Forderungendes Bundesrechnungshofes nachzukommen. Dazu will esbis Ende des Jahres 2006 ein verbessertes Modell für denEigenbetrieb einem Kooperationsmodell mit zivilen Part-nern gegenüberstellen. Die neue Kalibrierorganisation derBundeswehr soll bis Mitte des Jahres 2007 ihre Arbeitaufnehmen.

72.4

Der Bundesrechnungshof sieht in der Zusammenlegungder Kalibriereinrichtungen einen wesentlichen Schritt hinzu einem wirtschaftlichen Kalibrierwesen in der Bundes-wehr. Er wird die weiteren Fortschritte beobachten.

Drucksache 16/XXXX – 230 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

73 Bundeswehr verringert Anzahl der Transportfahrzeuge erheblich(Kapitel 1415)

73.0

Die Bundeswehr hat zugesagt, den Empfehlungen desBundesrechnungshofes zu folgen und ihren Bestand anTank- und Schwerlasttransportfahrzeugen deutlich zuverringern. Auf die Beschaffung von Tankfahrzeugen imWert von 20 Mio. Euro verzichtet sie.

73.1

Die Bundeswehr besaß im Jahre 2005 rund 1 000 Trans-portfahrzeuge für Betriebsstoffe und Schwerlasten. Rund700 Transportfahrzeuge setzte die Bundeswehr ein, umBetriebsstoffe zu transportieren und Flugzeuge, Hub-schrauber, Fahrzeuge sowie Schiffe zu betanken. Siebeabsichtigte, für rund 50 Mio. Euro 168 neue Tankfahr-zeuge zu beschaffen. Rund 300 Schwerlasttransportfahr-zeuge dienten dem Transport von Großgerät wie Panzernund Containern. Für den Transport von Betriebsstoffenund Großgerät nimmt die Bundeswehr auch zivile Anbie-ter in Anspruch.

Der Bundesrechnungshof prüfte gemeinsam mit dem Prü-fungsamt des Bundes München den Einsatz von Tank-und Schwerlasttransportfahrzeugen in der Bundeswehr.Er stellte u. a. fest, dass die vorhandenen Fahrzeuge kaumausgelastet waren. Rund ein Drittel der Schwerlasttrans-portfahrzeuge stand ungenutzt in Depots und in so ge-nannten Geräteeinheiten, die nur im Verteidigungsfall ak-tiviert werden. Während der Bestand an Kampfpanzern inden letzten Jahren auf nahezu ein Zehntel des ursprüngli-chen Bestandes gesunken war, verringerte die Bundes-wehr die Anzahl der Schwerlasttransporter nur unwesent-lich. Die Bundeswehr hatte zudem kein plausiblesKonzept, wie sie den künftigen Bedarf an Transportfahr-zeugen ermitteln und decken wollte.

73.2

Der Bundesrechnungshof hat empfohlen, den Bestand anTank- und Schwerlasttransportfahrzeugen deutlich zuverringern. Darüber hinaus sollte die Bundeswehr Kon-zepte für den künftigen Bedarf erstellen. Grundsätzlichsollten im Inland zivile Anbieter den Grundbetrieb ge-währleisten. Die Bundeswehr sollte ihre eigenen Trans-portkapazitäten auf militärische Einsatz- und Ausbil-dungszwecke beschränken.

73.3

Das Bundesministerium der Verteidigung hat zugesagt,den Empfehlungen des Bundesrechnungshofes zu folgen.Es beabsichtigt, die Bestände an Tank- und Schwerlast-transportfahrzeugen erheblich zu verringern. Bei den

Schwerlasttransportern hat die Bundeswehr ihren ur-sprünglichen Bedarf von 318 Stück bis April 2006 bereitsauf 178 reduziert. Überzählige Fahrzeuge würden ver-wertet.

Neue Fahrzeuge will die Bundeswehr nunmehr bedarfs-gerecht beschaffen. Dazu verzichtet sie auf die Beschaf-fung von 68 Tankfahrzeugen mit einem Wert von insge-samt 20 Mio. Euro.

Für den Grundbetrieb will die Bundeswehr auch Ange-bote ziviler Anbieter berücksichtigen. Eigene Fahrzeugewill sie lediglich für Einsatz und Ausbildung vorhalten.

73.4

Der Bundesrechnungshof sieht in den angekündigten Re-duzierungen einen wichtigen Schritt hin zu einem wirt-schaftlichen Transportwesen in der Bundeswehr. Er wirdweiterhin verfolgen, wie die Bundeswehr ihre Beständeabbaut und ihre Beschaffungen plant.

74 Bundeswehr stellt Röntgenreihen-untersuchungen ein(Kapitel 1408)

74.0

Das Bundesministerium der Verteidigung hat nach einerEmpfehlung des Bundesrechnungshofes die Röntgen-reihenuntersuchungen an Grundwehrdienstleistenden ein-gestellt. Die dafür vorgehaltenen Busse mit Röntgenaus-stattungen hat es ausgesondert und auf bereits geplanteErsatzbeschaffungen für insgesamt rund 3 Mio. Euroverzichtet. Durch die entfallenden Aufgaben können jähr-lich Personal- und Betriebsausgaben von mindestens1 Mio. Euro eingespart werden.

74.1

Die Bundeswehr führte zur Tuberkulosebekämpfung seitOktober 1955 Röntgenreihenuntersuchungen an Grund-wehrdienstleistenden durch. Zuständig war das Institutfür Wehrmedizinalstatistik und Berichtswesen, das siebenRöntgentrupps für die Aufgabe einsetzte. Jeder Truppverfügte über einen Omnibus mit entsprechender radio-logischer Ausrüstung (Röntgenbus). Insgesamt waren24 Dienstposten für die Tuberkulosevorsorge eingerich-tet.

Das Deutsche Zentralkomitee zur Bekämpfung der Tu-berkulose hatte zuletzt im Jahre 1981 empfohlen, Rönt-genreihenuntersuchungen einzustellen, wenn weniger alsvier Erkrankte auf 10 000 Untersuchte auftreten. Dannsollten gezielt nur noch Risikogruppen untersucht wer-den. Aufgrund der gesunkenen Infektionsrate stellten alleLänder bis zum Jahre 1986 die Röntgenreihenuntersu-chungen ein. Dem schloss sich zwei Jahre später auch dieBundespolizei (damals: Bundesgrenzschutz) an, die ebensowie die Bundeswehr Gemeinschaftsunterkünfte nutzt.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 231 – Drucksache 16/XXXX

Der Bundesrechnungshof prüfte im Jahre 2004 mit Unter-stützung des Prüfungsamtes des Bundes München Aufga-ben und Organisation der Röntgentrupps. Er stellte dabeiu. a. fest:

● Die Bundeswehr führte immer noch Röntgenreihen-untersuchungen durch, obwohl die Infektionsrateschon seit Jahren unter dem empfohlenen Richtwertlag.

● Die für die Untersuchungen eingesetzten Röntgen-busse näherten sich dem Ende ihrer Nutzungszeit.Aufgrund ihres Alters erfüllten sie nicht mehr die ge-setzliche Vorgabe, jede Strahlenbelastung entspre-chend dem Stand von Wissenschaft und Technik sogering wie möglich zu halten.

● Die Bundeswehr plante, zwei neue Busse mit digitalerRöntgentechnik für insgesamt rund 3 Mio. Euro zu be-schaffen.

74.2

Der Bundesrechnungshof hat empfohlen, die bisherigePraxis der Röntgenreihenuntersuchungen zu überdenken.Würde die Bundeswehr gezielt nur noch Risikogruppenuntersuchen, könnte sie ihre Organisation straffen und aufdie geplanten Investitionen verzichten. Risikofälle kön-nen beispielsweise durch eine verbesserte Befragung zurgesundheitlichen Vorgeschichte im Rahmen der Muste-rung erkannt werden.

74.3

Das Bundesministerium der Verteidigung hat die Anre-gungen aufgegriffen und die Röntgenreihenuntersuchun-gen eingestellt. Die vorhandenen Röntgenbusse hat esausgesondert und auf Ersatzbeschaffungen verzichtet.

74.4

Der Bundesrechnungshof erwartet, dass durch die entfal-lenden Aufgaben nicht nur die Ausgaben für die Ersatz-beschaffungen, sondern auch noch jährlich mindestens1 Mio. Euro Personal- und Betriebsausgaben eingespartwerden.

75 Bundeswehr verringert den Personalumfang des Militärmusikdienstes (Kapitel 1403)

75.0

Die Bundeswehr hat entschieden, den Personalumfangdes Militärmusikdienstes um rund 30 % zu verringernund vier Musikkorps aufzulösen. Dadurch können jähr-lich über 10 Mio. Euro im Militärmusikdienst eingespartwerden.

75.1

Die Militärmusik soll dienstlichen Veranstaltungen einfestliches Gepräge geben und das Gefühl der Zusammen-gehörigkeit in der Truppe stärken. Darüber hinaus soll siedie Bindungen zwischen den Streitkräften und der Bevöl-kerung festigen sowie das Ansehen der Bundeswehr imIn- und Ausland fördern. Der Militärmusikdienst hat der-zeit eine Sollstärke von rund 1 600 Soldatinnen und Sol-daten. Er umfasst 20 Musikkorps, ein Ausbildungsmusik-korps und die Bigband der Bundeswehr. Den meistenMusikkorps ist zusätzlich je ein Spielmannszug angeglie-dert. Die jährlichen Ausgaben für den Militärmusikdienstbetragen rund 50 Mio. Euro.

Der Bundesrechnungshof prüfte den Militärmusikdienstder Bundeswehr und stellte dabei u. a. fest:

● Während sich die Personalstärke der Bundeswehr inden letzten Jahren erheblich verringerte, behielt derMilitärmusikdienst seine Stärke in etwa bei. Das Stel-lenverhältnis des Musikdienstes zur übrigen Bun-deswehr verdoppelte sich daher. Die Aufgaben derMilitärmusik waren in diesem Zeitraum nicht ange-wachsen.

● Die Musikkorps sollen drei Viertel ihrer Auftritte in-nerhalb der Bundeswehr wahrnehmen, konnten dieseVorgabe jedoch zumeist nicht erfüllen. Ein Grundhierfür war, dass in den letzten Jahren zahlreiche Ein-heiten und Standorte aufgelöst wurden. Die freien Ka-pazitäten nutzten die Musikkorps für vermehrte Auf-tritte in der Öffentlichkeit.

● Die Marinemusikkorps verfügten über jeweils 14 Stel-len mehr als die anderen Musikkorps, obwohl sie imWesentlichen dasselbe Repertoire spielen.

● Die Spielmannszüge waren überwiegend unterbesetztund damit nicht voll einsatzbereit.

75.2

Der Bundesrechnungshof hat empfohlen, die Zahl derMusikkorps zu verringern und die überhöhte Personalaus-stattung der Marinemusikkorps abzusenken. Außerdemhat er angeregt zu prüfen, ob die Spielmannszüge aufge-löst werden können. Insgesamt ließen sich dadurch beimMilitärmusikdienst jährlich Ausgaben in Millionenhöheeinsparen.

75.3

Das Bundesministerium der Verteidigung (Bundesminis-terium) hat mitgeteilt, es löse vier Musikkorps auf. DiePersonalstärke der Marinemusikkorps wolle es um je-weils 14, die der Spielmannszüge um jeweils zehn Stellenverringern. Dadurch können insgesamt etwa 470 Stellen,d. h. rund ein Drittel aller Stellen im Militärmusikdienst,eingespart werden.

Drucksache 16/XXXX – 232 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

75.4

Der Bundesrechnungshof wird beobachten, wie das Bun-desministerium die angekündigten Änderungen umsetzt.Er geht davon aus, dass durch die geplanten Maßnahmenjährlich über 10 Mio. Euro allein an Personalausgabenbeim Militärmusikdienst eingespart werden können.

76 Bundesmarine stellt Schulboot NORDWIND vorzeitig außer Dienst(Kapitel 1418)

76.0

Die Bundesmarine stellt aufgrund einer Empfehlung desBundesrechnungshofes das Schulboot NORDWIND vor-zeitig außer Dienst. Dadurch spart sie rund 4 Mio. Euroan Personal- und Betriebsausgaben ein.

76.1

Das Motorsegelboot NORDWIND (vgl. Abbildung)wurde im Jahre 1946 fertig gestellt. Seit 50 Jahren nutztes die Marine als so genanntes Seemannschaftsschulboot.Auf ihr sollen vor allem Offiziersanwärterinnen und -an-wärter den praktischen Teil ihrer Ausbildung in Füh-rungslehre, Nautik und seemännischen Grundfertigkeitenerhalten. Zu diesen Fertigkeiten gehören beispielsweiseKenntnisse über bestimmte Manöver wie An- und Able-gen, Knotenkunde oder auch der Umgang mit der Sicher-heitsausrüstung eines Bootes. In den vergangenen Jahrennahmen durchschnittlich 18 Personen an den Ausbil-dungsgängen teil. Die NORDWIND hat eine vierköpfigezivile Stammbesatzung. Nach dem Nutzungskonzept derMarine sollte das Schulboot noch bis zum Jahre 2010 ein-gesetzt werden.

A b b i l d u n g

Schulboot NORDWIND

(© Presse- und Informationszentrum Marine)

76.2

Der Bundesrechnungshof hatte den Betrieb des Schul-bootes erstmals im Jahre 2000 geprüft. Dabei hatte erfestgestellt, dass die NORDWIND überwiegend nicht für

Ausbildungszwecke eingesetzt worden war und kosten-intensive Instandsetzungsmaßnahmen bevorstanden. DerBundesrechnungshof hatte daher für den weiteren Betriebeine Wirtschaftlichkeitsuntersuchung und eine bessereAuslastung gefordert. Das Bundesministerium der Vertei-digung (Bundesministerium) hatte daraufhin ein Nut-zungskonzept und weitere Schritte angekündigt, die dieAuslastung der NORDWIND erhöhen und einen wirt-schaftlichen Betrieb sicherstellen sollten.

Als sich der Bundesrechnungshof im Jahre 2004 vom Er-folg dieser Maßnahmen überzeugen wollte, stellte er fest,dass die Auslastung zwar leicht gestiegen, insgesamt aberimmer noch unzureichend war. Zudem hatte die Marineden im Nutzungskonzept für die NORDWIND festgeleg-ten Anteil an Ausbildungseinsätzen weit unterschrittenund das Boot mitunter zweckfremd eingesetzt. Ohne vor-herige Wirtschaftlichkeitsuntersuchung hatte die Marinerund 1,7 Mio. Euro für Instandsetzungsarbeiten an derNORDWIND ausgegeben; weitere kostspielige Investi-tionen standen an.

Der Bundesrechnungshof hat daraufhin empfohlen, dieNORDWIND nicht länger als Schulboot einzusetzen undaußer Dienst zu stellen.

76.3

Das Bundesministerium hat die Empfehlung des Bundes-rechnungshofes aufgegriffen und entschieden, dieNORDWIND Ende 2006 außer Dienst zu stellen. Die aufdem Boot vermittelte Ausbildung will es auf andereWeise gewährleisten. Die Marine wird durch die um vierJahre vorgezogene Außerdienststellung rund 4 Mio. EuroPersonal- und Betriebsausgaben einsparen. Zudem istnoch ein Erlös aus der Verwertung des Bootes zu erwarten.

77 Trennungsgeld bei Gemeinschafts-verpflegung angepasst

77.0

Das Bundesministerium der Verteidigung hat auf Empfeh-lung des Bundesrechnungshofes das Trennungsgeld fürdie Beschäftigten ermäßigt, die an einer kostengünstigenGemeinschaftsverpflegung teilnehmen können. Das Bun-desministerium der Verteidigung wendet nunmehr Rege-lungen an, die denen der übrigen Ressorts entsprechen,und kann dadurch Trennungsgeld von voraussichtlich4 Mio. Euro jährlich sparen.

77.1

Soldatinnen und Soldaten sowie die übrigen Beschäftig-ten des Bundes erhalten Trennungsgeld, wenn sie auf-grund einer dienstlichen Maßnahme ihren Dienstortwechseln müssen. Die Höhe ist in der Trennungsgeldver-ordnung festgelegt. Entstehen den Beschäftigten amneuen Dienstort erfahrungsgemäß geringere Auslagen fürVerpflegung, ist die oberste Dienstbehörde gehalten, ent-sprechend den notwendigen Auslagen ein ermäßigtesTrennungsgeld festzusetzen.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 233 – Drucksache 16/XXXX

In ihren Truppenküchen stellt die Bundeswehr eine Ge-meinschaftsverpflegung bereit, die in der Regel kosten-günstiger als eine normale Kantinenverpflegung ange-boten wird. Das Bundesministerium der Verteidigung(Bundesministerium) hatte daher z. B. bei Lehrgängendas Trennungsgeld unabhängig von der tatsächlichen In-anspruchnahme ermäßigt, wenn die Möglichkeit zur Teil-nahme an einer Gemeinschaftsverpflegung bestand. Beianderen dienstlichen Maßnahmen, wie z. B. Versetzun-gen, ermäßigte das Bundesministerium das Trennungs-geld nur dann, wenn die Berechtigten an mindestens zweiTeilmahlzeiten pro Tag teilnahmen. Insofern stellte es aufdas individuelle Verhalten der Bediensteten ab. Die Tren-nungsgeldstellen mussten in jedem Einzelfall monatlichprüfen, an welchen Mahlzeiten die Berechtigten teilge-nommen hatten.

In anderen Bereichen des Bundes, z. B. bei der Bundes-polizei, wird das Trennungsgeld unabhängig vom indivi-duellen Verhalten ermäßigt, wenn die Möglichkeit be-steht, an einer Gemeinschaftsverpflegung teilzunehmen.

77.2

Der Bundesrechnungshof hat die Auffassung vertreten,dass beim Angebot einer Gemeinschaftsverpflegung einermäßigtes Trennungsgeld festzusetzen ist. Dies gilt auchdann, wenn die Berechtigten die Gemeinschaftsverpfle-gung nicht nutzen. Er hat darauf hingewiesen, dass dasbeim Bundesministerium praktizierte Verfahren von denanderen Bereichen des Bundes abweicht und mit einemerheblichen Verwaltungsaufwand verbunden ist. Zudem

hat der Bundesrechnungshof in einer anderen Prüfungfestgestellt, dass Truppenküchen der Bundeswehr nichtausgelastet waren. Damit steht fest, dass auch zusätzlicheTrennungsgeldempfänger im Geschäftsbereich des Bun-desministeriums an der Gemeinschaftsverpflegung teil-nehmen könnten. Nehmen Trennungsgeldberechtigte die-ses Angebot nicht an, dürfen über die Kosten derGemeinschaftsverpflegung hinausgehende Auslagen fürVerpflegung nicht zu einem höheren Trennungsgeld füh-ren.

Der Bundesrechnungshof hat dem Bundesministeriumempfohlen, an den Standorten, in denen eine Gemein-schaftsverpflegung angeboten wird, das Trennungsgeldzu ermäßigen und entsprechend den geringeren Aufwen-dungen für Verpflegung festzusetzen.

77.3

Das Bundesministerium hat die Empfehlungen des Bun-desrechnungshofes aufgegriffen. Es berücksichtigt bei derGewährung von Trennungsgeld seit Januar 2006 nichtmehr, ob die Berechtigten an der Gemeinschaftsverpfle-gung teilgenommen haben. Unabhängig von der Art derdienstlichen Maßnahme wird ein ermäßigtes Trennungs-geld bereits dann festgesetzt, wenn die Möglichkeit be-steht, an einer Gemeinschaftsverpflegung teilzunehmen.

Die vom Bundesministerium ergriffenen Maßnahmenführen zur Gleichbehandlung von Trennungsgeldempfän-gern. Nach Einschätzung des Bundesrechnungshofeskann die Bundeswehr dadurch Trennungsgeld in Höhevon voraussichtlich 4 Mio. Euro pro Jahr sparen.

Bundesministerium für Gesundheit(Einzelplan 15)

78 Entwicklung des Beitragssatzes und die gesetzlichen Krankenkassen (Kassen) auf Dauer

der Verschuldung der gesetzlichen Krankenkassen seit dem Jahre 2004(Kapitel 1513 Titel 636 05)

78.0

Das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Kran-kenversicherung sollte die gesetzlichen Krankenkassen indie Lage versetzen, die Beiträge der Versicherten umdurchschnittlich einen Beitragssatzpunkt zu senken. Tat-sächlich sank der Beitragssatz nur um durchschnittlich0,17 Punkte, weil sich Einnahmen und Ausgaben andersentwickelten als geschätzt. Bei unveränderten Rahmenbe-dinungen haben die gesetzlichen Krankenkassen keinenSpielraum für Beitragssatzsenkungen.

78.1

Das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Kran-kenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz) trat am1. Januar 2004 in Kraft. Der Gesetzgeber beabsichtigte,

finanziell zu entlasten, damit sie ihre Beitragssätze sen-ken und ihre Verschuldung abbauen können. Die gesetzli-chen Maßnahmen sollten die Kassen im Jahre 2004 um9,8 Mrd. Euro und im Jahre 2005 um 11,8 Mrd. Euro ent-lasten (jeweils im Vergleich zum Jahre 2003). Deshalbverpflichtete der Gesetzgeber die Kassen, einzelne durchdas Gesetz bewirkte Einsparungen und Mehreinnahmenzum Teil in vollem Umfang, zum Teil mindestens zurHälfte zur Senkung des allgemeinen Beitragssatzes zuverwenden. Der Gesetzgeber ging davon aus, der Bei-tragssatz werde von durchschnittlich 14,3 % der beitrags-pflichtigen Einnahmen der Versicherten am Ende des Jah-res 2003 auf 13,3 % dieser Einnahmen am Ende desJahres 2005 sinken. Ferner gab er den Kassen auf, ihreVerschuldung spätestens bis zum 31. Dezember 2007 ab-zubauen.

78.2

Aufgrund des GKV-Modernisierungsgesetzes zahlt derBund den Kassen pauschale Beträge, um deren Aufwen-

Drucksache 16/XXXX – 234 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

dungen für versicherungsfremde Leistungen abzugelten.Dieser Bundeszuschuss begründet das Prüfungsrecht desBundesrechnungshofes.

Der Bundesrechnungshof hat untersucht, ob die Kassender im Gesetz enthaltenen Verpflichtung nachgekommensind, die Beiträge zu senken und die Verschuldung abzu-bauen. Er hat dem Ausschuss für Gesundheit und demHaushaltsausschuss des Deutschen Bundestages im März2006 Folgendes berichtet:

● Der Beitragssatz sank nicht, wie vom Gesetzgeber er-wartet, um durchschnittlich einen Beitragssatzpunkt,sondern lediglich um 0,17 Punkte. Ein Grund hierfürwar, dass die Basis für die Prognose, der Beitragssatzdes Jahres 2003, die Ausgaben im Jahre 2003 nichtdeckte. Ferner blieb der Entlastungseffekt des GKV-Modernisierungsgesetzes deutlich hinter den Erwar-tungen zurück, nämlich im Jahre 2004 um 2,3 Mrd.Euro und im Jahre 2005 um 8,5 Mrd. Euro.

● Die Kassen insgesamt bauten ihre Verschuldung biszum 31. Dezember 2005 nahezu vollständig ab. In derEinzelbetrachtung waren einige Kassen verschuldet,während andere Überschüsse aufwiesen. Mangels Li-quidität sind nur wenige Kassen in der Lage, Einnah-

men- und Ausgabenschwankungen oder gar dauer-hafte Ausgabensteigerungen aufzufangen.

Eine Umkehr des negativen Trends ist nach einhelligerAuffassung aller maßgeblichen Akteure im Gesundheits-wesen nicht in Sicht. Die Ausgaben der Kassen werdenstärker ansteigen als die Einnahmen. Auf die Kassen wer-den zusätzliche Ausgaben zukommen. Außerdem müssensie ihre Rücklagen spätestens ab dem 1. Januar 2008 auf-füllen. Den Kassen verbleibt somit bei unverändertenRahmenbedingungen kein Spielraum für Beitragssatzsen-kungen.

78.3

Das Bundesministerium für Gesundheit hat den Feststel-lungen des Bundesrechnungshofes nicht widersprochen.Der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages hatden Bericht des Bundesrechnungshofes im Mai 2006 zurKenntnis genommen.

Am 12. Juli 2006 hat das Bundeskabinett „Eckpunkte zueiner Gesundheitsreform 2006“ beschlossen, die unter an-derem die Finanzlage der Kassen verbessern sollen. DerBundesrechnungshof begleitet das bevorstehende Gesetz-gebungsverfahren beratend und wird die neuen Regelun-gen in seine Prüfungsplanung einbeziehen.

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend(Einzelplan 17)

79 Bundesamt für den Zivildienst reduziert Beschäftigungsstelle, Zivildienstpflichtige und Beschäfti-

Verwaltungskostenerstattung(Kapitel 1704 Titel 671 04)

79.0

Das Bundesamt für den Zivildienst hat auf Anregung desBundesrechnungshofes mit Verbänden der Freien Wohl-fahrtspflege die Erstattung von Verwaltungskosten neuvereinbart. Ab dem Jahre 2008 wird dies zu einer Einspa-rung von knapp 40 % des bisherigen Erstattungsbetragesführen, das sind mehr als 3 Mio. Euro jährlich.

79.1

Das Bundesamt für den Zivildienst (Bundesamt) ist eineselbstständige Bundesbehörde, die dem Bundesministe-rium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Bundes-ministerium) untersteht. Es ist nach dem Zivildienstge-setz dafür zuständig, Zivildienstpflichtige heranzuziehenund zu betreuen sowie Beschäftigungsstellen anzuerken-nen und zu betreuen. Das Bundesamt hat Verbände derFreien Wohlfahrtspflege (Verbände) mit der Wahrneh-mung einiger dieser Aufgaben betraut. Sie beraten bei-spielsweise Einrichtungen bei der Anerkennung als

gungsstellen bei der Einberufung und bei der Abordnungzum verbandsspezifischen Einführungsdienst sowie beider Besetzung von Dienstplätzen in der individuellenSchwerstbehindertenbetreuung. Das Bundesamt hat imEinvernehmen mit dem Bundesministerium mit den Ver-bänden öffentlich-rechtliche Verträge zur Durchführungder übertragenen Verwaltungsaufgaben (Verträge) ge-schlossen. Soweit die Beschäftigungsstellen keinem Ver-band angehören, nimmt das Bundesamt die Aufgabendurch regionale Zivildienstgruppen selbst wahr.

Das Bundesamt hat den Verbänden die Verwaltungskos-ten in angemessenem Umfang zu erstatten. Um den zu er-stattenden Betrag zu ermitteln, vereinbaren das Bundes-amt und die Verbände eine Schlüsselzahl. Sie drückt aus,wie viele Zivildienstleistende eine Arbeitskraft eines Ver-bandes durchschnittlich betreut.

79.1.2

Der Bundesrechnungshof prüfte mit Unterstützung desPrüfungsamtes des Bundes Frankfurt am Main (Prüfungs-amt) die Erstattung der Verwaltungskosten. Es stellte Fol-gendes fest:

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 235 – Drucksache 16/XXXX

● Die Zahl der von den Verbänden zu betreuenden Zivil-dienstleistenden fiel von 94 088 im Jahre 1999 auf60 180 im Jahre 2004. Im selben Zeitraum stiegen diejährlichen Erstattungen an die Verbände von 12,0 Mio.Euro auf 13,1 Mio. Euro an.

● Die vereinbarte Schlüsselzahl ist nicht mit einer aner-kannten personalwirtschaftlichen Methode ermitteltworden.

● Die zu Vergleichszwecken ermittelte Schlüsselzahl derregionalen Zivildienstgruppen des Bundesamtes istdeutlich höher.

● Die Verbände nehmen die übertragenen Verwaltungs-aufgaben auch in einer Vielzahl kleiner Verwaltungs-stellen wahr. Hier liegt das Betreuungsverhältnis häu-fig unter der Schlüsselzahl.

● Die Besetzung von Zivildienststellen in der Schwerst-behindertenbetreuung ist nicht mit Mehraufwand ver-bunden.

79.2

Das Prüfungsamt hat beanstandet, dass Bundesministe-rium und Bundesamt die Verwaltungskostenerstattungnicht den quantitativen Veränderungen im Zivildienst an-gepasst haben. Sie haben den Personalbedarf für einewirtschaftliche Erledigung der übertragenen Aufgabenund somit eine angemessene Schlüsselzahl nicht ermit-telt. Die vertraglich festgelegte Schlüsselzahl war viel-mehr das Ergebnis von Verhandlungen. Sie ist offensicht-lich zu niedrig. Zudem ist die Vielzahl kleinerVerwaltungsstellen bei den Verbänden unwirtschaftlichund die besondere Vergütung bei der Schwerstbehinder-tenbetreuung nicht gerechtfertigt.

Es hat dem Bundesministerium Ende 2004 empfohlen,

● die mit den Verbänden geschlossenen Verträge zu kün-digen und neu zu verhandeln mit dem Ziel, die Schlüs-

selzahl zunächst der Schlüsselzahl der regionalen Zi-vildienstgruppen des Bundesamtes anzunähern,

● den Personalbedarf durch eine unabhängige Stelle er-mitteln zu lassen und

● die übertragene Verwaltungsaufgabe bei der Schwerst-behindertenbetreuung künftig nicht mehr gesondert zuvergüten.

79.3

Das Bundesministerium hat mitgeteilt, es habe das Bun-desamt angewiesen, den Empfehlungen zu folgen. DasBundesamt habe im Frühjahr 2005 die Verträge mit denVerbänden gekündigt. Die neuen Verträge sehen eine ge-stufte Anhebung der Schlüsselzahl in den Jahren 2006 bis2008 vor. Die Verwaltungsaufgabe bei der Schwerstbe-hindertenbetreuung werde nicht mehr gesondert vergütet.Insgesamt werde dies nach Auffassung des Bundesminis-teriums ab dem Jahre 2008 zu einer Einsparung vonknapp 40 % des bisherigen Erstattungsbetrages oder3,15 Mio. Euro jährlich führen. Das Bundesministerium hat darüber hinaus mitgeteilt, inden neuen Verträgen sei festgelegt, dass ein sachkundigesUnternehmen beginnend ab dem Jahre 2006 den Perso-nalbedarf ermitteln werde. Ziel sei zu klären, welcheSchlüsselzahl angemessen ist.

79.4

Der Bundesrechnungshof erkennt an, dass das Bundes-ministerium veranlasst hat, in neuen Verträgen eine ge-ringere Verwaltungskostenerstattung auszuhandeln. DieVerträge basieren aber weiterhin nicht auf einer nachvoll-ziehbaren Personalbedarfsermittlung. Der Bundesrech-nungshof geht davon aus, dass die vorgesehene Be-darfsermittlung im Ergebnis den Bund weiter entlastenwird. Er wird beobachten, welche Konsequenzen dasBundesministerium aus der Bedarfsermittlung ziehenwird.

Bundesministerium für Bildung und Forschung(Einzelplan 30)

80 Schaden des Bundes aus dem Kauf geeigneten Palais entstanden ist. So soll insbesondere

eines repräsentativen, aber nur bedingt geeigneten Palais soll gemindert werden(Kapitel 3007 Titel 894 16)

80.0

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung willEmpfehlungen des Bundesrechnungshofes folgen und denSchaden mindern, der dem Bund durch den Kauf einesrepräsentativen, aber für die wissenschaftliche Arbeit desDeutschen Historischen Instituts in Warschau nur bedingt

vermieden werden, dass das Gebäude zunächst provi-sorisch an die Belange der Bibliothek des Instituts ange-passt und später mit erheblichem Aufwand um- und aus-gebaut wird.

80.1

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung(Bundesministerium) erwarb für 6,3 Mio. Euro ein imNeorenaissancestil errichtetes repräsentatives Palais alsneuen Sitz des Deutschen Historischen Instituts in War-schau.

Drucksache 16/XXXX – 236 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Das Institut war zuvor in der 17. Etage des WarschauerKulturpalastes untergebracht, wo es seiner Auffassungnach nur unzureichend wahrgenommen wurde und vor al-lem für die von ihm als „Herzstück“ bezeichnete ständigwachsende Bibliothek keine Expansionsmöglichkeitenmehr sah. Das Institut hatte vor dem Kauf die Eignungdes Palais hervorgehoben und betont, dass das Palais denBelangen des Instituts zur Unterbringung der Bibliothek„in idealer Weise“ entspreche. Die Bibliothek habe unterbenutzerfreundlichen Bedingungen Entwicklungsmög-lichkeiten für mindestens zwei bis drei Jahrzehnte. Auchwürde das bisher eher anonym untergebrachte Institut„äußerlich ganz anders als bisher sichtbar“. Der nicht benö-tigte Teil des 2. Obergeschosses könne vermietet werden.

A b b i l d u n g

Das Palais

Auch das Bundesministerium sah Vorteile des repräsenta-tiven Gebäudecharakters für die BundesrepublikDeutschland insgesamt. Das Bundesministerium der Fi-nanzen bezweifelte, dass der Erwerb des Palais wirt-schaftlich sei. Zudem liege der repräsentative Charakterdes Gebäudes weit über dem für ein solches Institut erfor-derlichen Standard. Es stimmte dem Erwerb nur unter derBedingung zu, dass ein Teil der Nutzfläche kostende-ckend vermietet werde und begründete dies mit dem un-verhältnismäßig hohen Kaufpreis und der den zugestan-denen Raumbedarf übersteigenden Fläche.

Nur wenige Monate nach dem Umzug teilte das Institutdem Bundesministerium mit, dass die Raumaufteilungdes Palais seinen Bedürfnissen nicht entspreche. Vor al-lem sei ausreichender Platz für die Bibliothek nur durcheine Unterkellerung des Innenhofs (zusätzliche Ausgabenbis zu 1 Mio. Euro) zu schaffen. Außerdem habe sich he-rausgestellt, dass die zu vermietende Fläche aufgrund derräumlichen Begebenheiten „unvermietbar“ sei. Das Bun-desministerium der Finanzen zog daraufhin seine Zustim-mung zum Erwerb des Gebäudes zurück, der Kauf konnteaber nicht mehr rückgängig gemacht werden.

Das Bundesministerium stimmte der Unterkellerung desHofs nicht zu. Stattdessen sollte durch eine geänderte

Nutzung weiterer Raum für den Bedarf der Bibliothek inden nächsten acht bis zehn Jahren geschaffen werden. DieKosten dafür wurden auf etwa 200 000 Euro geschätzt.Die nicht vermietete Fläche wird nach Angaben des Insti-tuts mittlerweile für eigene Zwecke genutzt. Nach einerörtlichen Begehung im Juli 2005 unter Beteiligung desBundesministeriums und des Bundesministeriums der Fi-nanzen verständigten sich die Beteiligten auf eine „Kom-promisslinie“, nach der noch eine rechnerische Über-hangfläche von etwa 15 % der gesamten Hauptnutzflächedes Gebäudes bestand.

80.2

Der Bundesrechnungshof hat kritisiert, dass das Palaisgekauft wurde, obwohl das Institut und das Bundesminis-terium nur unzureichend untersucht haben, ob es für dievorgesehene Nutzung geeignet ist. Dadurch ist dem Bundein erheblicher Schaden entstanden. Unverständlich ist,dass das Institut die Aufgabe seines bisherigen Mietver-hältnisses in erster Linie mit der unzureichenden Unter-bringung seiner Bibliothek begründete, dieses Problemaber auch nach dem Umzug in das Palais weiterhin unge-löst bleibt. Dies legt nahe, dass der Kauf maßgeblichdurch den repräsentativen Charakter des Gebäudes be-stimmt gewesen ist. Der Bundesrechnungshof hat auf dieGefahr hingewiesen, dass durch die jetzt geplanten Maß-nahmen zur Unterbringung der Bibliothek lediglich einProvisorium geschaffen und in einigen Jahren die auf-wendige Unterkellerung des Innenhofs erneut zur Diskus-sion stehen wird.

Der Bundesrechnungshof hat das Bundesministerium auf-gefordert, die notwendigen Maßnahmen einzuleiten, umzumindest den eingetretenen Schaden zu mindern. DasBundesministerium sollte

● ein langfristiges Bibliothekskonzept entwickeln unddies durch unabhängigen wissenschaftlichen Sachver-stand begutachten lassen,

● daraufhin prüfen, ob das Palais langfristig für die Un-terbringung der Bibliothek und die wissenschaftlicheArbeit des Instituts geeignet ist und auch dies einerunabhängigen wissenschaftlichen Bewertung unterzie-hen,

● Um- und Ausbaumaßnahmen nur vorzunehmen, wenndiese gegenüber dem Verkauf des Gebäudes und derAnmietung oder dem Kauf einer neuen Liegenschaftwirtschaftlich sind,

● Schadensersatzforderungen gegenüber den Verant-wortlichen prüfen und ggf. durchsetzen.

80.3

Das Bundesministerium hat zugesagt, den Empfehlungendes Bundesrechnungshofes zu folgen und umgehend mitder schrittweisen Umsetzung begonnen. Der Bundesrech-nungshof wird die Angelegenheit weiterverfolgen.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 237 – Drucksache 16/XXXX

Allgemeine Finanzverwaltung(Einzelplan 60)

81 Steuerordnungswidrigkeiten künftig errechnet hatten. Die Steuerverkürzungen blieben in die-

konsequenter verfolgen(Kapitel 6001)

81.0

Das Bundesministerium der Finanzen will auf Empfeh-lung des Bundesrechnungshofes auf eine konsequenteVerfolgung von Steuerordnungswidrigkeiten durch dieFinanzämter hinwirken. Die Ahndung von Steuerord-nungswidrigkeiten leistet einen wichtigen Beitrag, um dasSteueraufkommen zu sichern und eine gleichmäßigeBesteuerung zu gewährleisten.

81.1

Das Steuerstraf- und Steuerordnungswidrigkeitenrechtdient insbesondere der Sicherung des Steueraufkommensund der Gleichmäßigkeit der Besteuerung durch Abschre-ckung.

Innerhalb der Steuerverwaltung sind die Bußgeld- undStrafsachenstellen der Finanzämter dafür zuständig, Steuer-straftaten zu verfolgen und Steuerordnungswidrigkeitenzu ahnden. Die Statistiken dieser Stellen zeigen, dass inden zurückliegenden Jahren 40 % bis 50 % der Steuer-strafverfahren mangels hinreichenden Tatverdachts ein-gestellt wurden. In höchstens 2,1 % dieser Fälle habendie Bußgeld- und Strafsachenstellen Bußgeldverfahrendurchgeführt. Der Bundesrechnungshof stellte mit Unter-stützung des Prüfungsamtes des Bundes Berlin fest, dasssie häufig nicht prüften, ob der Verdacht einer Ordnungs-widrigkeit, insbesondere einer leichtfertigen Steuerver-kürzung oder Steuergefährdung nach §§ 378, 379 Abga-benordnung sowie § 26a Umsatzsteuergesetz, vorlag.Eine solche Prüfung ist zwar gesetzlich nicht vorge-schrieben; die Verfolgung ist aber in das Ermessen derzuständigen Behörde gestellt. Die Verwaltungsanweisun-gen sehen Bagatellgrenzen vor, unterhalb derer die Fi-nanzämter von der Einleitung eines Bußgeldverfahrensabsehen dürfen. Die Bußgeld- und Strafsachenstellenverfolgen Steuerordnungswidrigkeiten bei nicht nach-weisbarem Vorsatz auch oberhalb dieser Betragsgrenzenselten.

Die Untersuchungen des Bundesrechnungshofes habengezeigt, dass die Finanzämter die Sachverhalte nicht im-mer hinreichend ermittelten. Vermerke zum Abschlussdes Verfahrens fertigten die Bußgeld- und Strafsachen-stellen häufig schematisch, nicht immer nachvollziehbarund teilweise widersprüchlich. Außerdem stellten sie ei-nige Verfahren wegen Strafverfolgungsverjährung ein,nachdem sie zum Teil mehrere Jahre untätig gebliebenwaren oder fehlerhaft einen zu frühen Verjährungstermin

sen Fällen ohne straf- und bußgeldrechtliche Folgen.

81.2

Die Bußgeldtatbestände bieten der Finanzverwaltung we-sentliche Möglichkeiten, präventiv tätig zu werden. An-ders als die Straftat der Steuerhinterziehung erfordern diegenannten Ordnungswidrigkeiten keinen Vorsatznach-weis; vielmehr genügt hier bereits die leichtfertige Tat-begehung. Diese Schuldform ist wesentlich einfachernachzuweisen als der Vorsatz. Die Ordnungswidrigkei-ten sind Auffangtatbestände und können zur Steuerge-rechtigkeit und Gleichmäßigkeit der Besteuerung beitragen,wenn Steuerzuwiderhandlungen konsequent geahndetwerden.

Die Bußgeld- und Strafsachenstellen der Finanzämtersollten deshalb bei der Einstellung oder Nichteinleitungvon Steuerstrafverfahren wegen mangelnder Nachweis-barkeit des Vorsatzes stets prüfen, ob der Verdacht einerOrdnungswidrigkeit nahe liegt und deshalb ein Bußgeld-verfahren einzuleiten ist.

Der Bundesrechnungshof hat dem Bundesministeriumder Finanzen (Bundesministerium) empfohlen, bei denLändern darauf hinzuwirken, dass sie in den bundesein-heitlichen Verwaltungsanweisungen eine Pflicht aufneh-men, die Einleitung eines Bußgeldverfahrens zu prüfen,sofern die Bagatellgrenzen überschritten sind. Außerdemhat er die Einführung eines einheitlichen Musters für ei-nen Einstellungs- und Nichteinleitungsvermerk angeregt.Aus dem Vermerk sollten sowohl die Einstellungsgründehervorgehen als auch die Prüfung der in Betracht kom-menden Ordnungswidrigkeitentatbestände nachzuvollzie-hen sein. Der Bundesrechnungshof hat das Bundesminis-terium gebeten, bei den obersten Finanzbehörden derLänder darauf hinzuwirken, dass diese die Mängel bei derstraf- und bußgeldrechtlichen Verfolgungsverjährung ab-stellen.

81.3

Das Bundesministerium hat zugesagt, sich bei den obers-ten Finanzbehörden der Länder und der zuständigenBund-Länder-Arbeitsgruppe für die Regelung in den bun-deseinheitlichen Verwaltungsanweisungen einzusetzen.Es will sich außerdem für ein einheitliches Muster derVermerke zum Abschluss des Verfahrens einsetzen. Da-neben will es die Länder bitten, sich weiterhin zu bemü-hen, die Mängel bei der Strafverfolgungsverjährung zubeseitigen. Der Bundesrechnungshof wird zu gegebenerZeit eine Kontrollprüfung durchführen.

Drucksache 16/XXXX – 238 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Bundesagentur für Arbeit

82 Bundesagentur für Arbeit will das ob die gewünschte Bildungsmaßnahme im konkreten

Bildungsgutscheinverfahren verbessern

82.0

Die Bundesagentur für Arbeit will das Bildungsgut-scheinverfahren durch neue Vorgaben für die Vermittlungund Beratung von Arbeitsuchenden verbessern. Über sogenannte Handlungsprogramme will sie sicherstellen,dass Arbeitsuchende Bildungsgutscheine nur erhalten,wenn berufliche Weiterbildung im Einzelfall erforderlichist, um sie wieder in den Arbeitsmarkt einzugliedern. Siesetzt damit Empfehlungen des Bundesrechnungshofes um.

82.1

Arbeitnehmer können durch Übernahme der Weiterbil-dungskosten gefördert werden, wenn die Weiterbildungnotwendig ist,

● um sie bei Arbeitslosigkeit beruflich einzugliedern,

● um eine ihnen drohende Arbeitslosigkeit abzuwendenoder

● weil bei ihnen ein Berufsabschluss fehlt.

Im Jahre 2003 wurde der so genannte Bildungsgutscheineingeführt. Mit dem Bildungsgutschein bescheinigt dieAgentur für Arbeit (Agentur) dem Arbeitnehmer, dass erdie Fördervoraussetzungen für ein konkretes Bildungszielerfüllt und die Bundesagentur für Arbeit (Bundesagentur)die Weiterbildungskosten übernimmt. Der Bildungsgut-schein enthält u. a. das Bildungsziel und die Qualifizie-rungsschwerpunkte sowie die vorgesehene maximaleWeiterbildungsdauer. Der Teilnehmer kann den Bildungs-gutschein bei einem zugelassenen Träger einlösen, um aneiner zugelassenen Maßnahme mit entsprechendem Bil-dungsziel teilzunehmen. Der Arbeitnehmer wählt dieMaßnahme selbst aus.

Der Bildungsgutschein soll den Weiterbildungswilligengrößere Wahlfreiheit als bisher einräumen und ihre Ei-genverantwortlichkeit stärken. Zudem soll der Wettbe-werb zwischen den Bildungsträgern erhöht und die Quali-tät des Bildungsangebots verbessert werden.

Der Bundesrechnungshof prüfte im Frühjahr 2005 beisechs Agenturen das Bildungsgutscheinverfahren undstellte fest:

● In einer Vielzahl von Fällen gaben die Agenturen Bil-dungsgutscheine für Bildungsziele aus, die die indivi-duellen Merkmale der Arbeitsuchenden, wie berufli-cher Werdegang, Vorkenntnisse, Motivation undMobilität, nicht hinreichend berücksichtigten. Häufigbestimmten die Arbeitsuchenden ihr Bildungszielselbst. Die Agenturen überprüften überwiegend nicht,

Fall die Eingliederungsmöglichkeiten der Arbeitneh-mer erhöhte.

● In rund einem Drittel der geprüften Fälle hatten dieAgenturen die Ausgabe der Bildungsgutscheine nurunzureichend begründet. Waren Begründungen vor-handen, waren sie ganz überwiegend allgemein gehal-ten und nicht auf den jeweiligen Arbeitsuchenden be-zogen.

● Eine der in die Erhebungen einbezogenen Agenturenstellte Bildungsgutscheine für Bildungsziele aus, diekonkret auf die Bedürfnisse bestimmter Arbeitgeberausgerichtet waren. Die Arbeitgeber hatten sich derAgentur gegenüber bereit erklärt, im AgenturbezirkArbeitsplätze einzurichten, sofern die Agentur Bewer-ber für bestimmte Aufgaben bei ihnen fortbilde. DieseFortbildungsmaßnahmen enthielten neben allgemeinverwertbaren Teilen auch Bestandteile, die individuellauf einen bestimmten Arbeitgeber zugeschnitten wa-ren. Für andere Arbeitgeber waren die Fortbildungendadurch – wenn überhaupt – nur eingeschränkt nutz-bar.

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der untersuchtenBildungsmaßnahmen waren zu rund 30 % ein halbes Jahrnach Abschluss der Maßnahmen in Arbeit. Von den Ab-solventen, die Arbeit gefunden hatten, übten rund dieHälfte eine dem Bildungsziel entsprechende Tätigkeitaus. Die Agenturen werteten die Erfolge der Bildungs-maßnahmen in vielen Fällen weder in Bezug auf die Qua-lität der Maßnahme noch in Bezug auf die künftige Ver-mittlungsfähigkeit des Arbeitnehmers aus.

82.2

Der Bundesrechnungshof hat beanstandet, dass die Agen-turen häufig Bildungsgutscheine ausgaben, ohne dabei in-dividuelle Merkmale, wie beruflichen Werdegang, Vor-kenntnisse, Motivation und Mobilität der Arbeitnehmerzu berücksichtigen. Die Agenturen sollen Bildungsgut-scheine nur für solche Bildungsziele ausstellen, die imkonkreten Einzelfall die beruflichen Eingliederungschan-cen des Arbeitsuchenden auf dem ersten Arbeitsmarkt er-höhen. Auch wenn Arbeitsuchende ihre Weiterbildungs-maßnahme selbst auswählen, haben die Agenturen zuüberprüfen, ob die gewählte Maßnahme für die beruflicheWiedereingliederung notwendig ist. Nach Auffassung desBundesrechnungshofes sollten die Agenturen das Ergeb-nis ihrer Prüfung und damit die wesentlichen Erwägun-gen für die Ausgabe eines Bildungsgutscheins in jedemEinzelfall individuell und auf die konkrete Situation be-zogen dokumentieren.

Ferner hat der Bundesrechnungshof beanstandet, dasseine der in die Erhebungen einbezogenen Agenturen Bil-dungsgutscheine für Bildungsziele ausstellte, die ganz

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 239 – Drucksache 16/XXXX

überwiegend auf einzelne Arbeitgeber zugeschnitten wa-ren. Es ist zwar verständlich, wenn Agenturen sich dafürengagieren, dass Arbeitgeber in ihrem Bezirk Arbeits-plätze schaffen. Dies darf aber nicht dazu führen, dass sieMaßnahmen fördern, die unmittelbar der Wiedereinglie-derung bei einem bestimmten Arbeitgeber dienen. DieLeistungen der Bundesagentur werden in erster Linie ausBeitragsmitteln finanziert. Sie sollen gleichermaßen allenBeteiligten des Arbeitsmarktes zugute kommen und nichtverzerrend in den Wettbewerb eingreifen. Eine solcheWettbewerbsverzerrung ist gegeben, wenn Unternehmenaußerhalb der gesetzlich vorgegebenen Leistungen bevor-zugt werden, indem sie Aus- oder Fortbildungskosten zu-lasten der Versichertengemeinschaft einsparen. Dadurchentstehen auch Mitnahmeanreize. Solange es der Bun-desagentur nicht gelingt, Wettbewerbsverzerrungen undMitnahmeanreize auszuschließen, hält der Bundesrech-nungshof Weiterbildungsmaßnahmen, die nur bestimmtenArbeitgebern dienen, nicht für zulässig.

Der Bundesrechnungshof hat schließlich darauf hinge-wiesen, dass der Anteil der Teilnehmer an Fortbildungs-maßnahmen, die ein halbes Jahr nach Abschluss der Maß-nahme in Arbeit waren, mit nur rund 30 % recht geringwar. Er hat die Bundesagentur aufgefordert, die Gründedafür zu untersuchen, um auf dieser Grundlage Effektivi-tät und Effizienz der Förderung der beruflichen Weiterbil-dung bewerten und verbessern zu können. Hierzu hat erder Bundesagentur empfohlen, detaillierte Kennzahlenzum Planungs- und Auswahlprozess der Agenturen undzum Verbleib der Teilnehmerinnen und Teilnehmer nachBeendigung der Maßnahmen zu erheben.

82.3

Die Bundesagentur hat die Feststellungen des Bundes-rechnungshofes im Wesentlichen bestätigt. Sie hat erklärt,die aufgezeigten Schwachstellen seien bei der Entwick-lung der Handlungsprogramme der Bundesagentur aufge-griffen worden. Künftig haben die Agenturen den indi-viduellen Weiterbildungsbedarf der Arbeitsuchendenfestzulegen und zu dokumentieren. Sie orientieren sichdabei an Engagement und Motivation, Fähigkeiten, Qua-lifikationen und Hemmnisse der Arbeitsuchenden sowiean den konkreten Arbeitsmarktbedingungen. Die Bun-desagentur will damit eine passgenaue und Erfolg ver-sprechende Weiterbildung sicherstellen.

Ebenso wie der Bundesrechnungshof ist die Bundesagen-tur der Auffassung, dass Weiterbildungen, die auf spe-zielle Belange eines Arbeitgebers ausgerichtet sind, we-gen der Gefahr einer Wettbewerbsverzerrung nicht zufördern sind. Solche Förderungen seien mit dem Wesendes Bildungsgutscheins nicht vereinbar.

Die Bundesagentur will darauf hinwirken, dass die Re-gionaldirektionen und die Agenturen dem Erfolg der be-ruflichen Weiterbildung größere Aufmerksamkeit als bis-her widmen. Die operative Steuerung in den Agenturenwerde künftig durch ein Führungsinformationssystem un-terstützt. Dieses soll Analysen zu Zielindikatoren undRichtgrößen ermöglichen und damit Leistungssteigerun-

gen vor Ort erleichtern. Die Bundesagentur will auch prü-fen, ob sie ihren bisherigen Kennzahlenkatalog erweiternmuss.

82.4

Der Bundesrechnungshof hält die von der Bundesagenturmit der Entwicklung und Einführung der Handlungspro-gramme eingeleiteten Schritte und Verbesserungengrundsätzlich für geeignet, eine erfolgreiche Anwendungdes Bildungsgutscheinverfahrens zu gewährleisten. Er er-wartet, dass die Bundesagentur den Erfolg der berufli-chen Weiterbildung stärker als bisher überwacht, um dieangestrebte Effizienz und Effektivität sicherzustellen. DerBundesrechnungshof wird die weitere Entwicklung be-obachten.

83 Vermittlung von Fach- und Führungs-kräften sowie von schwerbehinderten Akademikern verbessert

83.0

Die Bundesagentur für Arbeit wird nach einer Empfeh-lung des Bundesrechnungshofes die Vermittlung vonschwerbehinderten Akademikern und Führungskräftensowie von Fach- und Führungskräften auf dem interna-tionalen Arbeitsmarkt verbessern. Sie beabsichtigt, dieZentralstelle für Arbeitsvermittlung neu zu organisieren.Dabei will sie auf eine bessere Zusammenarbeit mit denAgenturen für Arbeit und den Trägern der Grundsiche-rung für Arbeitsuchende hinwirken. Bei schwerbehin-derten Arbeitsuchenden wird die Zentralstelle für Ar-beitsvermittlung künftig die Notwendigkeit und dieAngemessenheit einer Eingliederungsförderung sorgfälti-ger prüfen.

83.1

Nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) ist eswesentliche Aufgabe der Agenturen für Arbeit (Agen-turen), arbeitsuchende, arbeitslose und von Arbeitslosig-keit bedrohte Arbeitnehmer in Arbeit zu vermitteln.Erwerbsfähige Hilfebedürftige im Sinne des ZweitenBuches Sozialgesetzbuch (SGB II) können diese Vermitt-lungsdienstleistungen von den Trägern der Grundsiche-rung für Arbeitsuchende (Grundsicherungsträger) erhalten.Neben den Agenturen und den Grundsicherungsträgernbietet auch die Zentralstelle für Arbeitsvermittlung (ZAV)Beratungs- und Vermittlungsdienstleistungen für Fach-und Führungskräfte sowie für schwerbehinderte Akade-miker und Führungskräfte an. Als besondere Dienststelleder Bundesagentur für Arbeit (Bundesagentur) berät undvermittelt die ZAV Arbeitsuchende bundesweit und aufWunsch auch auf dem internationalen Arbeitsmarkt. Siekann die Eingliederung der Arbeitsuchenden durch Leis-tungen an diese oder an Arbeitgeber fördern. Das Gesetzzur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeit-suchende vom 20. Juli 2006 (BGBl. I S. 1706) stellt si-

Drucksache 16/XXXX – 240 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

cher, dass künftig auch erwerbsfähige Hilfebedürftige dieZAV in Anspruch nehmen können.

Der Bundesrechnungshof prüfte im Jahre 2005 mit Unter-stützung des Prüfungsamtes des Bundes Köln die Ver-mittlung von Fach- und Führungskräften und die Vermitt-lung schwerbehinderter Akademiker und Führungskräftedurch die ZAV. Die Vermittlung ins Ausland war Teil derUntersuchung. Er stellte dabei Folgendes fest:

Die Bundesagentur grenzte die Vermittlungsaufgaben derZAV von denen der Agenturen und der Grundsicherungs-träger nicht eindeutig ab. Sie regelte auch nicht die Zu-sammenarbeit dieser Stellen bei der Vermittlung und derFörderung der Eingliederung Arbeitsuchender. So be-treute die ZAV teilweise dieselben Personen wie dieAgenturen oder die Grundsicherungsträger, ohne dieseStellen über ihre Vermittlungsbemühungen zu unterrich-ten oder deren Bemühungen zu kennen.

Die ZAV nutzte ein bundesweites IT-Verfahren der Bun-desagentur zur Vermittlung nur unzureichend und setztestattdessen eigene Vermittlungsverfahren ein. Dabei be-rücksichtigte die ZAV die Neigung, Eignung und Leis-tungsfähigkeit der schwerbehinderten Akademiker oderFührungskräfte sowie die konkreten Anforderungen derStellen nicht ausreichend. Sie erstellte weder umfassendeBewerber- noch aussagekräftige Stellenprofile. Auchdokumentierten die Vermittlungsfachkräfte der ZAV ihreVermittlungsvorschläge nur unvollständig. Sie konntendaher den aktuellen Stand von Bewerbungsverfahren häu-fig nicht verfolgen. Vielfach kannten die Mitarbeiterinnenund Mitarbeiter der ZAV das Ergebnis ihrer Vermittlungs-vorschläge nicht.

Darüber hinaus beschränkte sich die ZAV bei der Bewilli-gung von Eingliederungsleistungen im Wesentlichen auffinanzielle Leistungen an Arbeitgeber, teilweise ohne de-ren Notwendigkeit und Angemessenheit hinreichend zuprüfen. Sie achtete außerdem nicht darauf, dass alle An-tragsunterlagen vollständig vorlagen, und beobachteteauch nicht die Wirkung und den Erfolg ihrer Vermitt-lungsverfahren.

83.2

Der Bundesrechnungshof hat die Bundesagentur aufge-fordert, die Zuständigkeit der ZAV eindeutig zu regelnund deren Zusammenarbeit mit den Agenturen und denGrundsicherungsträgern zu klären. Darüber hinaus hatder Bundesrechnungshof der Bundesagentur empfohlen,die ZAV anzuhalten, künftig alle vermittlungsrelevantenInformationen über die Arbeitsuchenden und die Anfor-derungskriterien der Arbeitgeber umfassend und markt-orientiert zu erheben, um aussagekräftige Bewerber- undStellenprofile erstellen zu können. Dies ist notwendigeVoraussetzung für die Passgenauigkeit und den Erfolgvon Vermittlungsvorschlägen.

Der Bundesrechnungshof hat die Bundesagentur zudemaufgefordert sicherzustellen, dass die ZAV künftig die Er-gebnisse ihrer Vermittlungsaktivitäten ausreichend doku-

mentiert. Dies ermöglicht es allen beteiligten Stellen, sichjederzeit über den aktuellen Stand des Vermittlungspro-zesses zu informieren. Außerdem hat die ZAV die Wir-kung und den Erfolg ihrer Vermittlungsaktivitäten mit ge-eigneten Instrumenten zu überwachen. Dadurch kann siedie Qualität ihrer Eingliederungsbemühungen verbessern.

Bevor die ZAV Arbeitsuchende fördert, sollte sie die An-tragsunterlagen auf Vollständigkeit prüfen. Bei ihren För-derentscheidungen muss sie das ihr vom Gesetzgeber ein-geräumte Ermessen pflichtgemäß ausüben und dieNotwendigkeit und die Angemessenheit der Förderungim Einzelfall sorgfältig prüfen.

83.3

Die Bundesagentur hat die Empfehlungen des Bundes-rechnungshofes im Wesentlichen aufgegriffen und zuge-sagt, die Organisation und die Zuständigkeiten der ZAVnach einer umfassenden Aufgabenkritik noch im Jahre2006 neu festzulegen. Dabei werde sie auch auf eine bes-sere Zusammenarbeit der ZAV mit den Agenturen undden Grundsicherungsträgern hinwirken.

Die ZAV werde künftig ein neues IT-Verfahren der Bun-desagentur zur Vermittlung nutzen. Darin werde sie alleStellenangebote und Informationen über die Arbeitsu-chenden erfassen. Die einzelnen Informationen werde sienach einheitlichen Qualitätsstandards zu aussagekräftigenStellen- und Bewerberprofilen aufbereiten. Auf diesesVerfahren könnten alle am Vermittlungsverfahren betei-ligten Stellen bundesweit zugreifen; ferner könnten siedarin ihre Vermittlungsaktivitäten dokumentieren. Hier-durch werde das Vermittlungsverfahren transparent.

Die Bundesagentur hat außerdem zugesagt, künftig dieWirkung und den Erfolg der Vermittlungsaktivitäten derZAV bundeseinheitlich zu kontrollieren, um die Qualitätder Vermittlung zu sichern.

Auch werde die ZAV ihren Förderentscheidungen künftigvollständige Antragsunterlagen zugrunde legen und in je-dem Förderfall die Notwendigkeit und die Angemessen-heit der Förderung prüfen. Sofern im Einzelfall über dievon der ZAV zu gewährende Eingliederungsförderung hi-naus Förderbedarf bestehe, stimme sich die ZAV künftigverstärkt mit den Agenturen und den Grundsicherungsträ-gern ab.

83.4

Der Bundesrechnungshof hält die von der Bundesagenturzugesagten Verbesserungen für geeignet, die festgestell-ten Mängel zu beseitigen und die Vermittlung vonschwerbehinderten Akademikern und Führungskräftensowie von Fach- und Führungskräften auf dem internatio-nalen Arbeitsmarkt zu verbessern. Die Bundesagentur hatbereits begonnen, die zugesagten Verbesserungen umzu-setzen. Der Bundesrechnungshof wird in einer Kontroll-prüfung untersuchen, inwieweit die Bundesagentur ihreZusagen eingehalten hat.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 241 – Drucksache 16/XXXX

84 Beschäftigte der Bundesagentur für Arbeit erhielten ungerechtfertigt Zulagen

84.0

Die Bundesagentur für Arbeit ist den Empfehlungen desBundesrechnungshofes gefolgt und wird künftig unge-rechtfertigte Zahlungen bei der Gewährung der so ge-nannten Hauptstellenzulage vermeiden. Angestellte derZentrale erhielten diese Zulage, obwohl die tarifrecht-lichen Bestimmungen dies nicht vorsahen. Die Bundes-agentur für Arbeit gewährte ihren Beschäftigten, die vonder Zentrale zu einer anderen Dienststelle der Bundes-agentur für Arbeit versetzt oder abgeordnet wurden, dieHauptstellenzulage oder eine Ausgleichszulage. DieGewährung dieser Zulagen war unzulässig.

84.1

Beamtinnen und Beamte der Bundesagentur für Arbeit(Bundesagentur) erhalten als Teil ihrer Bezüge nach demBundesbesoldungsgesetz eine so genannte Hauptstellen-zulage, solange sie bei der Zentrale der Bundesagenturbeschäftigt sind. Die Zulage soll ein zusätzlicher Anreizfür besonders qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitar-beiter sein, die herausgehobene Funktionen in der Zen-trale der Bundesagentur wahrnehmen. Die Höhe der Zu-lage ist nach Besoldungsgruppen gestaffelt und beträgtzwischen 12,78 Euro und 71,58 Euro monatlich. Für An-gestellte, die bei der Zentrale der Bundesagentur beschäf-tigt sind, sieht der Tarifvertrag dagegen keine Hauptstel-lenzulage vor. Beschäftigte, die von der Zentrale zu eineranderen Dienststelle der Bundesagentur versetzt werden,dürfen weder die Hauptstellenzulage noch aufgrund ihresWegfalls eine Ausgleichszulage erhalten.

Das Prüfungsamt des Bundes Stuttgart prüfte im Jahre2004 die Zulage für Beschäftigte, die bei der Zentrale derBundesagentur eingesetzt werden. Es stellte fest, dass dieAngestellten die Hauptstellenzulage ohne rechtlicheGrundlage erhielten. Außerdem gewährte die Bundes-agentur ihren Beschäftigten, die von der Zentrale zu eineranderen Dienststelle der Bundesagentur versetzt oder ab-geordnet wurden, weiterhin die Hauptstellenzulage odereine Ausgleichszulage. Sie zahlte Beschäftigten in Alters-teilzeit einen zu hohen Zuschlag in ihren Altersteilzeitbe-zügen, indem sie die Hauptstellenzulage bei der Berech-nung berücksichtigte. Die fehlerhafte Anwendung derRegelungen führte in den Jahren 2004 und 2005 zu Mehr-ausgaben von insgesamt 500 000 Euro.

84.2

Der Bundesrechnungshof hat die Bundesagentur und dasfür die Rechtsaufsicht zuständige Bundesministerium fürArbeit und Soziales (ehemals Bundesministerium fürWirtschaft und Arbeit – Bundesministerium) darauf hin-gewiesen, dass in den in Rede stehenden Fällen die Zah-lung der Hauptstellen- oder der Ausgleichszulage recht-lich nicht zulässig war. Er hat empfohlen, die Zulagen nurentsprechend den rechtlichen Grundlagen zu zahlen.

84.3

Das Bundesministerium hat hierzu mitgeteilt, es habe imEinvernehmen mit dem für Grundsatzfragen im Besol-dungsrecht zuständigen Bundesministerium des Innerngegenüber der Bundesagentur auf die fehlerhafte Rechts-anwendung hingewiesen. Die Bundesagentur habe daraufhin die bisherige Verfahrensweise aufgegeben und mitge-teilt, sie werde die Hauptstellenzulage an Angestellteauch im Hinblick auf die neue Tarifstruktur ab dem Jahr2006 nicht mehr zahlen. Die Bundesagentur werde ihrenBeschäftigten, die von der Zentrale zu einer anderenDienststelle der Bundesagentur versetzt oder abgeordnetwerden, künftig weder die Hauptstellenzulage noch Aus-gleichszulagen gewähren. Sie werde außerdem dieHauptstellenzulage beim Altersteilzeitzuschlag nichtmehr berücksichtigen. Die bereits gezahlten Zulagenkönne sie aus rechtlichen Gründen nicht mehr zurückfor-dern. Das Bundesministerium hat die Bundesagentur auf-gefordert, auch die Haftungsfrage für den entstandenenSchaden zu prüfen und ihm über das Ergebnis zu berich-ten. Die Bundesagentur hat dem Bundesministerium dazumitgeteilt, sie habe die Umstände der rechtlich nicht zu-lässigen Zulagengewährung geprüft und keine Anhalts-punkte für vorsätzliches oder grob fahrlässiges Handelnfestgestellt.

84.4

Das Bundesministerium und die Bundesagentur sind derForderung des Bundesrechnungshofes gefolgt. Die abdem Jahre 2006 geltende Tarifstruktur der Bundesagentursieht für Angestellte keine Hauptstellenzulage vor. ImBereich der Beamtinnen und Beamten werden künftigFehlzahlungen zulasten des Haushalts der Bundesagenturin Höhe von mindestens 50 000 Euro jährlich vermieden.Das Bundesministerium sollte im Rahmen seiner Auf-sicht künftig genauer beobachten, wie die Bundesagenturdie Zulagenregelungen für die Beschäftigten umsetzt. DerBundesrechnungshof behält sich vor, das weitere Vorge-hen der Bundesagentur und des Bundesministeriums, ins-besondere hinsichtlich der Haftungsfrage, erneut zu prüfen.

Die Bemerkungen sind am 7. September 2006 vom Großen Senat des Bundesrechnungshofes beschlossen worden.

Bonn, den 13. November 2006

Bundesrechnungshof

Prof. Dr. Dieter Engels

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ISSN 0722-8333