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541.12 : 536.44 UEBER BINARE SALZSYSTEME MIT SUBLIMIERENDEN KOMPONENTEN. von ERNST JANECKE. Im zweiten Bande seiner Phasenlehre gibt ROOZEBOOM l) acht verschiedene Diagramme fur das Verhalten von binaren Systemen an, die sich auf die Beziehungen zwischen Temperatur und Zusammen- setzung bei verschiedenen Drucken beziehen. Die Zustandsdiagramme gelten fur solche Komponenten, die nur in einer festen Form vor- kommen, die keine Verbindungen oder Mischkristalle miteinander bil- den, die im flussigen Zustande vollkommene Mischbarkeit zeigen und eine einfache kontinuierliche kritische Kurve mit einander bilden. Von den acht moglichen Diagrammen sind besonders fur die Sy- steme 5 und 6, bei welchen beide Komponenten unter dem angegebenen Druck als Flussigkeiten vorkommen, eine Fiille von Beispielen bekannt. Es sind dieses besonders die wasserigen Salzlosungen, die Schmelzen von Metall- oder Salzgemischen, sowie andere bei Atmospharendruck schmelzbare Gemische anorganischer oder organischer Stoffe. In vielen FSlen sind allerdings die Siedeverhdtnisse, oft wegen experimenteller Schwierigkeiten, nicht untersucht worden. Die ubrigen sechs Diagramme enthalten unter dem betreffenden Druck nicht mehr schmelzbare, sondern nur sublimierbare Komponenten. Fur sie gibt es nur wenige experimentell untersuchte Beispiele. M'eist sind nur Teile der Zustands- diagramme bekannt, wie z. B. die binaren Systeme mit fester Kohlen- saure. In den Gemischen von Kupferchloriir und Lithiumchlorid rnit Chlo- rammonium hat HACHMEISTER z, in einer von mir veranlassten Untersuchung Beispiele fur zwei (4 und 3) der oben erwahnten acht Zustandsdiagramme gefunden, die wohl bisher die vollstandigsten dieser Art sind. Die folgenden Systeme von Kupferchloriir und Silber- chlorid mit Quecksilberchlorur, sowie von Silber-Chlorid mit Chloram- monium ergeben ebenfalls derartige Zustandsdiagramme. Das System Quecksilberchlorur-Chlorammonium fuhrt aber zu einem Zustands- Diagramm (7), fur welches bisher ein experimentelles Beispiel fchlte. 1) s. 333/334. ') Dissertation 1919, Hannover, Z. anorg. Chem. 109, 165, 167 (1920).

Ueber Binäre Salzsysteme mit Sublimierenden Komponenten

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Page 1: Ueber Binäre Salzsysteme mit Sublimierenden Komponenten

541.12 : 536.44

UEBER BINARE SALZSYSTEME MIT SUBLIMIERENDEN KOMPONENTEN.

von

ERNST JANECKE.

Im zweiten Bande seiner Phasenlehre gibt ROOZEBOOM l) acht verschiedene Diagramme fur das Verhalten von binaren Systemen an, die sich auf die Beziehungen zwischen Temperatur und Zusammen- setzung bei verschiedenen Drucken beziehen. Die Zustandsdiagramme gelten fur solche Komponenten, die nur in einer festen Form vor- kommen, die keine Verbindungen oder Mischkristalle miteinander bil- den, die im flussigen Zustande vollkommene Mischbarkeit zeigen und eine einfache kontinuierliche kritische Kurve mit einander bilden.

Von den acht moglichen Diagrammen sind besonders fur die Sy- steme 5 und 6, bei welchen beide Komponenten unter dem angegebenen Druck als Flussigkeiten vorkommen, eine Fiille von Beispielen bekannt. Es sind dieses besonders die wasserigen Salzlosungen, die Schmelzen von Metall- oder Salzgemischen, sowie andere bei Atmospharendruck schmelzbare Gemische anorganischer oder organischer Stoffe. In vielen FSlen sind allerdings die Siedeverhdtnisse, oft wegen experimenteller Schwierigkeiten, nicht untersucht worden. Die ubrigen sechs Diagramme enthalten unter dem betreffenden Druck nicht mehr schmelzbare, sondern nur sublimierbare Komponenten. Fur sie gibt es nur wenige experimentell untersuchte Beispiele. M'eist sind nur Teile der Zustands- diagramme bekannt, wie z. B. die binaren Systeme mit fester Kohlen- saure.

In den Gemischen von Kupferchloriir und Lithiumchlorid rnit Chlo- rammonium hat HACHMEISTER z, in einer von mir veranlassten Untersuchung Beispiele fur zwei (4 und 3) der oben erwahnten acht Zustandsdiagramme gefunden, die wohl bisher die vollstandigsten dieser Art sind. Die folgenden Systeme von Kupferchloriir und Silber- chlorid mit Quecksilberchlorur, sowie von Silber-Chlorid mit Chloram- monium ergeben ebenfalls derartige Zustandsdiagramme. Das System Quecksilberchlorur-Chlorammonium fuhrt aber zu einem Zustands- Diagramm (7), fur welches bisher ein experimentelles Beispiel fchlte.

1) s. 333/334. ') Dissertation 1919, Hannover, Z. anorg. Chem. 109, 165, 167 (1920).

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Allerdings sind die Systeme mit Quecksilberchloriir noch kompliziert durch teilweise Zersetzung der Komponenten, wie unten angegeben ist. Das letzte der untersuchten Gemische Quecksilberchlorid-Ammonium- chlorid zeigt ein komplizierteres Verhalten unter Bildung zweier che- mischer Verbindungen.

I. CuC1-HgC1 und AgC1-HgCl.

Beide Systeme zeigen die Eigentumlichkeit, dass bei langerem und starkerem Erhitzen der Gemische bis zum Schmelzen oder Sieden eine teilweise Zersetzung unter Bildung von metallischem Kupfer oder Sil- ber eintritt. Bei dem System mit Chlorsilber enthalt das Sublimat auch noch metallisches Quecksilber. Die Untersuchung hatte beson- ders bei AgCl-HgC1 mehr orientierenden Charakter. Es wurden Gemische bestimmter Zusammensetzg. erhitzt, das Sieden beobachtet und Abkiihlungskurven aufgenommen. Aus den Versuchen last sich fur CuCl-HgC1 das nebenstehende Zustandsdiagramm I konstruieren. Die Schmelzen waren dunkel gefarbt. Mikroskopisch konnten in den erstarrten Gemischen, besonders in dem System mit Kupfer, deutlich kleine, schwarze Bestandteile neben den Salzen erkannt werden. Das erstarrte Gemisch war bei CuCl---HgCl dunkelrotbraun gefarbt, bei AgClL HgCl hatte es eine braune oder graue Farbe. Die Ausscheidung der Metalle veranlasst naturlich eine teilweise Bildung von stiirker chlorhaltigen Verbindungen.

Im System CuCl ~HgCl liegt das Eutektikum bei 330' und etwa 65 Gew. Prozent HgCl. Die Sublimationstemperatur von HgCl ist in den Gemischen nur wenig erniedrigt. Im System AgC---HgCl liegt die eutektische Temperatur etwa bei 250' und 55 Gew. Prozent HgC1. Die Siedekurven und Erstarrungskurven sind bei Gemischen von etwa 25 Gew Prozcnt HgCl einander am starksten benachbart. In den HgC1-armen Gemischen wurden keine Siedepunkte mehr beobachtet. Die beiden Systeme gehoren zu dem Zustandsdiagramm 4 von Roozeboom.

11. AgC1-NHhC1.

Das System AgC1- --~NH,Cl unterscheidet sich von den vorhergehen- den dadurch, dass bei Atmospharendruck ein Durchschneiden der Siede und Erstarrungskurve stattfindet, sodass das Gebiet des Flus- sigen in zwei Teile zerlegt wird. Dieses System entspricht damit dem Diagramm 3 von ROOZEBOOM. Die gefundenen Siede- und Erstarrungs- punkte geben das nebenstehende Zustandsdiagramm 11. Das Eutekti- kum liegt bei 245' und 80 Gew. Prozent NH,Cl. Die Sublima- tionstemperatur des Chlorammoniums wird um etwa 5 Grad ernie- drigt. Zwischen 375" und 455' werden die Erstarrungskurve fur AgCl und die Siedekurve labil. Dieses Temperaturintervall ist so klein, dass bei nicht vie1 hiiheren Drucken als einer Atmosphare eine kontinuier- liche Schmelzkurve von AgCl moglich sein wird. Der zweite Siede- punkt (455') wurde festgestellt, indem NH,C1 in geringer Menge zu geschmolzenem AgCl hinzugefugt und das Erstarren beobachtet wurde.

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In den Abkuhlungskurven konnte auch die Umwandlung von NH4C1 bei 180' beobachtet werden und zwar um so deutlicher, je mehr NH4C1 die Gemische enthielten.

111. HgCl-NH4Cl.

Das Verhalten von HgC1-NH4Cl bei Atmospharendruck entspricht dem Typus 7 von ROOZEBOOM. Es fuhrt zu dem interessanten Verhalten, nach welchem ein Gemisch zweier Stoffe unter Atmospharendruck ver-

lMO* G...,Cht,p-Q,."f.

Fig. 2 .

&eurichts proxento

Fig. 1. I

fliissigt werden kann, wahrend dieses fur jede Komponente fur sich nicht moglich ist. In dem Systeme wurden eine grossere Anzahl Ver- suche gemacht, die sich zum nebenstehenden Diagramm I11 vereinigen lassen. Bei allen Versuchen wurde eine mehr oder minder starke Zer- setzung des Quecksilberchlorurs unter Ausscheidung von metallischem Quecksilber beobachtet. Es findet also eine Zersetzung statt nach der Gleichung 2 HgCl= HgCI, + Hg, gerade wie sie auch Ton HgCl in wassrigen Losungen von NH 4C1 beobachtet wird. Es hat den Anschein, als ob Luft oder geringe Feuchtigkeit diese Zersetzung begiinstige. Das Eutektikum liegt in diesem System bei 135' und 79 Gew. Prozent HgC1. Eine vollstandige Vertlussigung findet nur zwischen etwa 17 und 25 yh HgCl statt. Die sich bildenden Flussigkeiten sind dunkel gefarbt. Bei Gemischen von 84 und 74 Gew. Prozent HgCl konnte in den siedelzden Flussigkeiten noch ungelostes Salz beobachtet werden, das einmal am Boden lag, also HgCl war, das andere Mal auf der Fliissig- keit schwamm, also aus NH4C1 bestand. In beiden Fdlen befand sich eine kleine Quecksilberkugel unter der Flussigkeit, was auf die ange- gebene teilweise Zersetzung von HgCl hinwies. In allen Gemischen wurde auch die Urnwandlung von NH4C1 bei etwa 180 O beobachtet

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IV. HgCl,-NH&l. Ein wesentlich komplizierteres Verhalten findet sich in dem System

HgC1,-NH4C1. Es wurden folgende Siede-, Erstarrungs- und Umwand- lungs-Temperaturen beobachtet.

2ofl.

Gew. a/, NH,C1 - .-

0 5 to 16.5 20 28.3 30 35.8 40 44.1 50 60 70 80 90

1800

Mol. yo NH,C1

.-

0 21 36 50 55.8 66.7 68.4 75 77.2 80 83.6 87.8 92.2 95.5 97.8

Siede- Temp.

310 3" 324 347

n . beob. 350

n . beob. 344

n . beob. 338

n . beob. 3383 338 3363 337 339

~- -~ ~-

Erstarrungstemperatun I

2823" 246

204

236

291

330

- - - - - - - - -

II I Zeii

- n . beob.

184" - - - - 248 242 4 247 243t 246 235 2423 239

Umwand- lungs- Zeit Temp.

I I - -

- - - - - - - - 180 3' 177 4' 170 3' 180 9' 180 1i'

Diese Beobachtugen fiihren zu dem nebenstehenden nach Mol. Prozent konstruierten Zustandsdiagramm IV. Es treten 2 Verbindungen der

Fig. 4.

Formeln HgC1, NH&1 und HgC1, 4NH4C1 auf. Die erste Verbin- dung, die sich durch Zusammenschmelzen bath 'dem richtigen Ver- U t n i s herstellen l%st, hat einen kongruentenJkhmelzpunkt von 204' und einen konstanten Siedepunkt von '350'. Sie bildet klare, glan- XLI I 47*

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zende, schwach doppeltbrechende Kristalle mit gerader Ausloschung und verhdtnismhig starker Lichtbrechung. Die andere Verbindung hat einen inkongruenten Schmelzpunkt bei 244". Bei Warmezufuhr zerfat sie in Chlorammon und eine Fliissigkeit von etwa 30 Mol. Prozent (70 Gew. Prozent) HgCl,. Das System ahnelt in Bezug auf die Schmelz- vorghge vollstihdig dem System CdC1,- KC1 I), bei welchem gleichartig zusammengesetzte Verbindungen von demselben Verhalten auftreten. U'ie die Figur zeigt, steigt in dem System HgC1,-NH4C1 die Siede- kurve vom Siedepunkt des Quecksilberchlorids bei 310a" bis zu dem der Verbindung NH4C1-HgC1, bei 350" an. Die Sublimationstempera- tur des NH4C1 wird durch HgC1, ein wenig auf 338" erniedrigt. Die Umwandlung von NH&1 bei ~So'konnte, wie die Tabelle zeigt, in immer schwacherer Weise bis zur Verbindung HgCI, 4NH4C1 nach- gewiesen werden. Die Haltezeiten bei 108" nehmen gleichmkksig ab im selben Masse, wie sie fur die Temperatur der Umwandlung der Ver- bindung bei 240" zunehmen.

Wiirden die angegebenen Systeme bei hoherem Druck untersucht werden, so miissten sie zu kontinuierlichen Schmelzpunktkurven fiihren, die in den Schmelzpunkten von HgCl und NH4C1 endigten. Der Schmelzpunkt von NH,CI wurde von RASSOW 2) bei 520' und 343 Atmos- pharendruck gefunden.

H e i d e l b e r g , April 1923.

l ) BRAND, Neues Jahrb. Mineral. Gesl. 32, 62, (1911). *! Z. anorg. Chem. 114, 42, (1920).