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Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Cllemie. Band 3.32. 1967 U-ber Chalkogenometallate. V1) Untersuchungen uber Wolframdisulfid- bis(hydrogenou1fid) S,W(SH), 2. Tetrathiawolframsaure H,WS, in waBriger Looung *) V0l1 G. CATTOW- und A. FElANKE3)4) Mit 3 ilbbildungen Irihaltsiibersicht Mit Hilfe von Leitfahigkeitsmessungen wurde das Verhalten von H,WS, in waSrigen Losungen zwischen 5' und 25 "C uxtcrsucht. Die Temperaturabhangigkeit der Aquivalent- leitfahigkeit des WY:--Ions laat sich durch die Gleichung (in cni2 - g-Aqu.-l . PI; T in "K) AT (l/2 WSi-) = -459,F + 1,85 * T beschreiben. Die beiden Uissoziationskonstanten des H,WS, konnten groBenordnungs- mHWig zu K, = lO-3(-t1! und K, = l@-n(*s! abgeschatzt werden. Fur das WS:~--Ion wurden bei 25 "C der STOKEssche Radius zu is = 2,Ol b, der Radius des hydratisierten Ions zu rEydr, =: 3,G d und dcr Grcnzwcrt dcs Diffusionskoeffizienten zu Do = 1,23 . ern2 * sec-' berechnet. Summary The behaviour of H,WS, in aqueous solutions between 5 and 25 "C was investigated bp means of conductivity measurements. The cquivalent conductivities AT of WS:- wcre determined, and the dissociation constants K, and K, were estimated. The STOKES radius of the WS; ion, the radius of the hydrated ion and its diffusion coefficient were calculated. Im ersten Teil uiiscrcr Untrrsuchizngenl) haben wir iibcr die Darstellung und Eigenschaften dw u asserfreien TTolframdisulfid-bis( hydrogensulfids) l) IV. Mitteilung: G. GATTOW u. A. FRAXKE, Z. anorg. allg. Chem. 352, 11 (1967). z, Die Schreibweise H,WS, - an Stelle der fur den wasserfreien Zustand gultigen Bezeichnung S,W(SH), - wurdc gewiihlt, urn den Saurecharakter in whBriger Losung her- vorzuheben. 3, Teil der Diplomarbeit 9. FRAXKE, Gottingen 1965. &) z. Z. Max-Planck-Institut fur experimentelle Meclizin, Gottingen.

Über Chalkogenometallate. V. Untersuchungen über Wolframdisulfid-bis(hydrogensulfid) S2W(SH)2 2. Tetrathiowolframsäure H2WS4 in wäßriger Lösung

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Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Cllemie. Band 3.32. 1967

U-ber Chalkogenometallate. V1)

Untersuchungen uber Wolframdisulfid- bis(hydrogenou1fid) S,W(SH),

2. Tetrathiawolframsaure H,WS, in waBriger Looung *)

V0l1 G. CATTOW- und A. FElANKE3)4)

Mit 3 ilbbildungen

Irihaltsiibersicht Mit Hilfe von Leitfahigkeitsmessungen wurde das Verhalten von H,WS, in waSrigen

Losungen zwischen 5' und 25 "C uxtcrsucht. Die Temperaturabhangigkeit der Aquivalent- leitfahigkeit des WY:--Ions laat sich durch die Gleichung (in cni2 - g-Aqu.-l . P I ; T in "K)

AT ( l / 2 WSi-) = -459,F + 1,85 * T beschreiben. Die beiden Uissoziationskonstanten des H,WS, konnten groBenordnungs- mHWig zu K, = lO-3(-t1! und K, = l@-n(*s! abgeschatzt werden.

Fur das WS:~--Ion wurden bei 25 "C der STOKEssche Radius zu is = 2,Ol b, der Radius des hydratisierten Ions zu rEydr, =: 3 ,G d und dcr Grcnzwcrt dcs Diffusionskoeffizienten zu Do = 1,23 . ern2 * sec-' berechnet.

Summary The behaviour of H,WS, in aqueous solutions between 5 and 25 "C was investigated bp

means of conductivity measurements. The cquivalent conductivities AT of WS:- wcre determined, and the dissociation constants K, and K, were estimated.

The STOKES radius of the WS; ion, the radius of the hydrated ion and its diffusion coefficient were calculated.

Im ersten Teil uiiscrcr Untrrsuchizngenl) haben wir iibcr die Darstellung und Eigenschaften dw u asserfreien TTolframdisulfid-bis( hydrogensulfids)

l) IV. Mitteilung: G . GATTOW u. A. FRAXKE, Z. anorg. allg. Chem. 352, 11 (1967). z, Die Schreibweise H,WS, - an Stelle der fur den wasserfreien Zustand gultigen

Bezeichnung S,W(SH), - wurdc gewiihlt, urn den Saurecharakter in whBriger Losung her- vorzuheben.

3, Teil der Diplomarbeit 9. FRAXKE, Gottingen 1965. &) z. Z. Max-Planck-Institut fur experimentelle Meclizin, Gottingen.

G . GA4TTO\V u. 8. FRANKR, Tetrathiowolframsaure H,W'S, in waoriger Losung 21i

S2W(SH)2 berirhtet. Der vorliegeiide Teil sol1 das Verhalteii waRriger Lo- surigeri von WS;- und S,JT(SH), bcinhaltcn.

Hs ist zu erwarten, daB die Tetrathiowolframsiiure H,T.TiS,2) in n-aDriger Losung in zwei Stufen dissoziiert :

H,W'S, + H,O + HWS; + H,O+

HJI7S4 + H,O + WSf + H,O-.

I. Leitfahigkeit des WSz'-Ions Unter anderem war es von Interesse festzustellen, ob auch das Tetra-

thiowolframation gegeiiiiber dem Wolframation cine hohere Leitfiihigkeit aufweist, wit: es z. B. bei den Chalkogenocarbonationen gefunden wurde. - Wie Vorversuche zeigten, sirid die w&Brigen Losungen von Mc,WS, und H2WS, im untersuchten Konzentrations- und Temperaturbereich so stabil, daB Extrapolationeii auf die Zeit ,,Null" -- wie wir sie bei den Chalkogeno- carbonaten und Chalkogenokohlensiiureii durchfiilwen mukiten 5 , - nicht notwendig waren.

Fur die Bestimmung dcr spezifisclieii Leitfahigkeiten des WS:--Ions wurde das Rb,WS, verwendet, da es sehr stabil ist und durcli Umkristallisa- tion leicht von Vcrunreinigungen befreit werden kann I). Die Untersucliungeri wurden bei funf verschiedenen Konzentrationeri (2,42 . bis 2,07 . 3101. Liter-l) zwischen 5,O" und 27,5 "C durchgefuhrt. Die aus den Meflwerten errechneten molaren Leitfahigkeiten L4c siiid in Abb. 1 wiedergegeben.

V e r s u c h s d u r c h f u h r u n g : Eine bekannte Menge Rb,WS, wurde in einem trockenen Kolben mit 200 ml tridestilliertem und ausgekochtem (Einleiten yon N2) Wasser gelost. Unter standigem Ruhren wurde rnit Hilfe eines Temperaturbades die gewunschte Tempe- ratur eingestellt und die absolute Leitfahigkeit rnit einern Konduktoskop (E 366 der Firmic Netrohm) gemessen. Die LeitfShigkeit des Wassers wurde jeweils vor der Messung bestimmt und bei der Suswertung beriicksichtigt. - Die Eichung der Leitfahigkeitsanordnung er- folgte praktisch vor jeder MeBreihe mit 0,Ol n KCI.

Bus den spezifischen LeitfShigkeiten wurden nach den ublichen Methoden die molaren Leitfahigkeiten A, berechnet. Auf eine Hydrolysenkorrektur konnte verzichtet werden, da sie innerhalb der experimentellen Fehlerbreite lag6).

IvEt Hilfe der Naherungsgleichungen yon DEBYE, HUCKEL~) und ONSAGER~) , die fur den vorliegenden Konzentrationsbereich Gultigkeit besitzen, wurden a m den ri,-Wei-ten die ~~quivalentleitfahigkeiten A. fur unendlichc Verdunnung bei Kenntniv der entvprechenden

5 , Vgl. z. B. G. GATTOW u. B. KREBS, Z. anorg. allg. Chem. 383, 13 (1963); G. GATTOW u. J. WORTNANN, Z . anorg. allg. Chem. 346, 1 7 2 (1966); G. GATTOW u. M. DRAGER, Z. anorg. allg. Chem. 349, 202 (1967).

'j) W'aBrige Losungen von Rb,WS, besitzcn im vorliegenden Konzentrationsbereich einen pII-Wert von 7,O.

P. DEBYE u. E. HUCKEL, Physik. Z . 24, 311 (1923). a ) L. ONSAGER, Physik. Z . 27, 388 (1926).

248 Zcitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 362. 1967

'ITerte fur das Rb+-Ton sowohl extrapoliert als aurh auf rechnerischem ffege ermittelt') ; die auf verschiedenen Wegen erhaltenen A,-M'erte stinlnlen innerhalb der Fehlergrenze fiberein.

350 -

2 300 - h' . s - y w o -

-4'

G e l -

T f i-

Xbb. 1. Temperatnr- und Konzentrations- abhangigkeit der molaren Leitfahigkeit des 'tvs: -Ions

Abb. 2 . Temperaturabhangigkeit der aqui - valentleitfahigkeit des TVS:--Ions

Die Ergebnisse sind in Abb. 2 wiedergegeben. Die kpivalentfiihigkeit des WS:--Ions kann in1 Temperatixrbereich von 5- 25 "C durch die lineare Beziehung

beschriebrn werden (T in 'OK; Genauigkeit: &0,5 cm2 . g-bqii.-l . f2-I). Fur den Standardwert hei 26,O "C foIgt (I/a WSZ-) = 92.4 & 0,s cmz . g-Aqu.-l ' (1-1).

Ein Vergleieh mit den L%qnivalcntleitfahigkeiten anderer Bnionen j) 9, zeigt, daB dcr Wert fur WS: (78,9 cm2 * g-Acp-1 . i2-l) zwar bedeutend gr(iBer ist als der bei den ent- sprechenden Oxoanionen (59,O fur W0:- bzw. 60,O fur CO: ) ; er liegt aber durchaus in der GrolJenordnnng anderer Thioanionen (i9,7 fur CSi-)Io). Der Grund ist in der geringeren Hydratation des Thioanions gegeniiber dem Oxoa,nion zii suchen. Obgleieh der W'irkungs- radius von JVO: zum \%'Sf- hin zunimmt, wird dieser leitfahigkeitsverringernde EinfluB durch den Hydratat'ionseffekt uberkompensiert.

') Nahere Einzclheiten siehe bei A. FRANKE, Diplomarbeit Ciijttingen 1965. lo) Die angegebencn M7erte gelten fur 18 "C.

G. GATTOW u. A. FRANRE, Tetrathiowolfranisaure H,KS, in wal3riger Lijsung 249

11. GroSe des WSz'-Ions dus der Aquivalentfahigkeit A,, der Ladung z des Ions und dcr Viskosi-

tit des Losungsmittels 1aSt sich nach STOKES uiid EINSTEIN~~) ein for- maler Radius ss berechnen, der seinerseits mit dem Grenzwert des Ionen- Diffusionskoeffizienten Do, der Temperatur T (in O K ) und q in enger Bezic- hung steht :

rs = 0,820 . z/.1, . 7 = 0,732 . . T/D,. q.

Fiir das T;lrS;--Ion errechnet sich bei 25 "C der S T O K E S ~ C ~ ~ Radius zu rs =

Fiir die meisten Ionen hat dcr SToKEssche Radius jedoch nur formale Bedeutung, da eu die Hydratisieruiig dcs Tons iiicht bcrucksichtigt. NTGHTIKGALE~~) gibt eine Kalibrierungskurve an, die er auf Grund einpiri- scher Reihenbetrachtungcn erhiclt, uiid die es gestattet, den effektiven Radius des hydratisierten Ions &us dern STOKssschen Radius zu ermittehi. Fur den Radius des hydratisierten WSi--Ions folgt bei 25 "C

2,Ol A.

rlrydr. = 3 , G A. Jn diesem Wert spiegelt sich die geringc Hydratisiesung des WS2,--lons gegeniiber dem WOf--Ion wirder; vgl. Tab. 1.

Tabelle 1 STOKESSChe Rad ien u n d Radien der hydra t i s i e r t en Ioncn bei 2 5 O C 5 ) O )

Till1

Der Grenzwert des Diffusionskoeffizienten Do des TVS:-;--Ions errechnet sich bei 25 "C zu Do = 1,23 . 10-5 cnP . sec-'.

111. Leitfahigkcit der Tetrathiowolfranisaure

trationsbereich van 9,s Die LeitfRhigkeit des H,WS, wurde zwischen 5 und 25°C im Konzen-

his 8,35 . Mol . Liter1 bestimmt :

11) Vgl. R. A. ROBINSON u. R. H. STOKES, "Electrolyte Solutions", Kew York 1956. 12) E. R. SIGHTIKCALE; J. physic. Chem. 63, 1381 (1959).

250 Zeitschrift fur anorganische und allgenieine Chernie. Band 352. 1 Y G

Aus einer vortenlperierten Rb,WS4-LBsung wurde diirch Zugabe der entsprechenden Rlenge 0, l n HCl eine waIJrige Losiing der Trtrathiowolframsaure bekannter Konzentration hergestellt. Nach Einstellung der Tcmperatur crfolgte - wie bereits beschrieben - die Bestimmung der spezifischen Leit,f%higkeiten, aus denen dann die molaren Leitfiihigkeiten errechnct werden konnten. Rus den Ac-Werten wurden die Aquivalentleitfahigkeiten A, von H,WS, fur unendliche Verdunnung -- wie obenstehend mitgeteilt - nach Abzug der cntsprechenden bekannten A,-Wertc fur die Rh+- und C1 --Ionen erhalten. Die ermit'telten Aquivalentleitfahigkeiten sind der Tab. 2 z u cntnehmen.

Tabelle 2 E x p e r i m e n t e l l b e s t i m m t e u n d b e r e c h n e t e Aquiva len t le i t fah igke i ten der T c t r a t h i o - wol f ramsi iure

Gleichzeitig wwden die Aquivalentleitfahigkeiten voii H2WS, navh KOHLRAUSCH durch Addition der bekanntcn .A,-\Verte von WS:- und H+ berechnet. Die Werte, die gut auf einer Geraden liegen (vgl. Abb. 3 und Tab. a ) , lassen sich zwischeri 5 und 25 "C durch die Temperaturfunktion

AF(1/2 H,WS,) = -1600 + G,85 * T (cmz g-Aqu.-l 0-1)

bcschreiben (T in OK; Genauigkeit: & l , O cm2 . g/&u.-l - @I).

' ;o ;a 2'5 Abb. 3. Tcmpcraturabhiingigkeit der Aquivalent- - fd leitfahigkeit der Tetrathiorvolframsaure

c, GATTOW u. 9. F R ~ N K I , Tetrathiowolfranlsdure H,FIrT8, in wiiflriger Losung 251

M'ie ans der Tab. 2 zu ersehen ist, sind die auf experimentellem Wege be- stimmtcn Aquivalentleitfahigkeiten der Tetr;tthiowolframsaure maximal 1% grol3er als die berechneten Werte Wenn man berurksichtigt, daB schoil ein gpririger ftber- bzw. UnterscliuS an zugesetzter Salzsaure die Leitfahigkeit der Liisung stark beeinfluDt, dann kann man sagen, da13 die bcstimmten und berechnctcn Wertc in erster Nahcrung ibercmstimmen. Daraus kanii gefolgcrt wrrderi. dnB die Trtrathio\.r.olfi.ams~ure im untcrsuchten Konzen- tmtions- und Temperaturbereich praktisch quantitativ dissoziiert ist. 1)icses steht in bcster Ubereinstimmimg Z I L unseren absorptiorisspektroskopiscllell IJnttmuchungen l).

IV. Sanrecharakter der Tetrathiowolframsaure Die Tetrathioffol€ramsaui*e stellt ejne starke Saure der Art H,SO, dar.

Eine cxakte Restimmung dor Dissoziationskonstanten mit den vorhandenen experimentellen Hilfsmitteln erwies sich als nicht durchfiihrbar, so dal3 sic vorlaufig zuriickgestellt werden muRte. Die 1. und 2 . Dissoziationskon- stan te des H,WS, konnen lediglich groBenordnungsma,Big abgeschatzt wer- .&n: K, 10+3(fl) und K - 10-2(&2).

2 -

Eine genaue Bestimmung der ersten Dissoziationskonstanten von starken Sauren enveist sich bekanntlich als schwierig, weil die iiblichen Methoden (2. B. potentiometrische odcr osmotische Messungen, Leitfahigkeitsmessringen nsw.) keine Unterscheidung zwischen iindissoeiierten Molckiilcn und assoziicrtcn Ionenpaarcn gestatten. Aussichtsreicher sind hier optische Verfahren. ~~ Die Dnrstellung eines Tetrathiowolframats der Art MeHWS, gelang nicht.

Leichter zugiinglieh ist im allgemeincn die xweit,e Dissoziationskonstante. Versuche, mit Hilfe von pH-Nessungen a,n Tetrathiowolframa.tlosungen den K,-Wert des H,WS, zu best,immen, schhigen fehl, da eine Hgdrolyse des WS: -Ions in nur geringern MaBe statt- findet. Dieser Hydrolyseneffekt' war so gering, daB er mit der vorhandenen apparativen MeBanordnung (Metrohm-Potentiograph E 336 ; T- und UX-Glaselektroden) nicht mehr erfaot w-erden konnte; z. B. zeigen w-aBrige Losungen yon Rb,T.VS, einen pH-Wert von 7,O.

Der Deutschen Forschungsgemeinschaft und dem Fonds der Chemischen Industrie danken wir sehr fur die uns mr Verfugung gestellten Hilfsmittel.

Mainz, Institut fur Anorgariische Chemie und Kernchcinie der Universitat.

Bci dcr Redaktion eingegangen am 12. November 1966.