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s. Band. ] W. Kerp Schweflige S~iure in Nahrungsmitteln. 53 1, Juli 1904.J allgemeine Erw/igungen, zweifelsfrei naehgewiesen ist. Dis amtliehe Nahrungsmittel- kontrolle abet, wetehe der Beh6rde doeh immer in erster Linie fiir die einwandfl'eie Versorgung der Bev61kerung mit Lebensmitteln verantwortlieh ist, kann ohne Ver- letzung ihrer hohen Pfliehten nicht anders, als sich gegen das gesehwefelte D6rrobst zur Zeit ablebnend zu verhalten. Als Sehlugergebnis meiner Ausfiihrungen mSchte ich mir gestatten, der hoeh- ansehnliehen Versammlung folgende Sehlugs~tze zur geneigten ]~rwiigung bezw. Be- sehlul3fassung zu unterbreiten: 1. Das Sehwefeln des DSrrobstes erseheint nieht erforderlich, mn haltbare Waren zu erzielen, sondern es erm6g'lieht in erster Linie, den Erzeugnissen den An- sehein besserer Besehaffenheit zu verleihen bezw. naeh langdauernder Aufbe- wahrung zu erha,lten, und ist daher als eine Verf~lschung im Sinne des N.M.G. zu beurteilen. 2. Die Bestimmung auf S. 114 II der ,Vereinbarungen: ,,Sehweflige SSure ist auf alle F~,lIe zu beanstmlden" ist daher aufreeht zu erhaiten. 3. Die Tatsaehe, dal? die Sehweflige Siiure des D6rrobstes zum grogen Teil oder gitnzlieh an Zueker gebunden ist, gentigt nieht zur Entseheidung ihrer physio- logisehen Wirkung. Vielmehr ist die letztere im Hinbliek auf das Vorkommen reiehlieher Mengen freier Sehwefliger Siiure in den wi~sserigen Ausziigen und die leiehte Dissoziierbarkeit der organisehen Sehwefligsiiure-Verbindung dutch prak- tisebe Versuehe zu ermitteln. 4. Unter Beriieksichtigtmg des st, etig waehsenden Konsums und der zunehmenden Bedeumng des gesehwefelten Obstes far die VolksernS.hmng empfiehlt es sich, an den Herrn Reiehskanzler das Ersuehen zu riehten, beim Kaiserl. Gesund- heitsamte Untersuebungen fiber die etwaige Gesundheitssehiktliehkeit des ge- sehwefelten DSrrobstes anzuregen und ie naeh dem Ausfalle derselben geeignete Magnahmen zu treffen. Hieran schlessen sich Mitteilungen [Tber das Verhalten der Schwefligen Siiure in Nahrungs- und Genufimitteln. Yon W. Kerl*. Sehr geehrte Herren! Der Herr Vorredner hat mit dem Wunsche gesehlossen, da~ das Kaiserliehe Gesundheitsamt mit der Untersuchung tier yon ihm berfihrten Fragen fiber die Schweflige Siiure befagt werden mSchte. Ich bin in der angenehmen Lage, Ihnen mitteilen zu k6nnen, daI~ das Gesundheitsamt diesem Wunsche bereits zuvorgekommen ist, und lege Ihnen als erstes Ergebnis der yon uns ausgefiihrten Untersuchungen bier eine Reihe yon Abhandlungen vor, die im 2. Heft des XXI. Bandes der ,,Arbeiten aus dem Kaiserliehen Gesundheitsamt" soeben ersehienen sin& Bei der schon welt vorgeriickten Zeit mnB ich es mir versagen, auf den Inhalt der Abhandlungen im einzelnen einzugehen, und m5chte mlch darauf beschr~tnken, in grogen Zf~gen den Gang der Untersuchung und ihr Ergebnis zu schildern.

Über das Verhalten der Schwefligen Säure in Nahrungs-und Genußmitteln

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s. Band. ] W. Kerp Schweflige S~iure in Nahrungsmitteln. 53 1, Juli 1904.J

allgemeine Erw/igungen, zweifelsfrei naehgewiesen ist. Dis amtliehe Nahrungsmittel- kontrolle abet, wetehe der Beh6rde doeh immer in erster Linie fiir die einwandfl'eie Versorgung der Bev61kerung mit Lebensmitteln verantwortlieh ist, kann ohne Ver- letzung ihrer hohen Pfliehten nicht anders, als sich gegen das gesehwefelte D6rrobst zur Zeit ablebnend zu verhalten.

Als Sehlugergebnis meiner Ausfiihrungen mSchte ich mir gestatten, der hoeh- ansehnliehen Versammlung folgende Sehlugs~tze zur geneigten ]~rwiigung bezw. Be- sehlul3fassung zu unterbreiten:

1. Das Sehwefeln des DSrrobstes erseheint nieht erforderlich, mn haltbare Waren zu erzielen, sondern es erm6g'lieht in erster Linie, den Erzeugnissen den An- sehein besserer Besehaffenheit zu verleihen bezw. naeh langdauernder Aufbe- wahrung zu erha,lten, und ist daher als eine Verf~lschung im Sinne des N.M.G. zu beurteilen.

2. Die Bestimmung auf S. 114 II der ,Vereinbarungen: ,,Sehweflige SSure ist auf alle F~,lIe zu beanstmlden" ist daher aufreeht zu erhaiten.

3. Die Tatsaehe, dal? die Sehweflige Siiure des D6rrobstes zum grogen Teil oder gitnzlieh an Zueker gebunden ist, gentigt nieht zur Entseheidung ihrer physio- logisehen Wirkung. Vielmehr ist die letztere im Hinbliek auf das Vorkommen reiehlieher Mengen freier Sehwefliger Siiure in den wi~sserigen Ausziigen und die leiehte Dissoziierbarkeit der organisehen Sehwefligsiiure-Verbindung dutch prak- tisebe Versuehe zu ermitteln.

4. Unter Beriieksichtigtmg des st, etig waehsenden Konsums und der zunehmenden Bedeumng des gesehwefelten Obstes far die VolksernS.hmng empfiehlt es sich, an den Herrn Reiehskanzler das Ersuehen zu riehten, beim Kaiserl. Gesund- heitsamte Untersuebungen fiber die etwaige Gesundheitssehiktliehkeit des ge- sehwefelten DSrrobstes anzuregen und ie naeh dem Ausfalle derselben geeignete Magnahmen zu treffen.

Hieran schlessen sich Mitteilungen

[Tber das Verhalten der Schwefligen Siiure in Nahrungs- und Genufimitteln.

Yon

W. Kerl*.

Sehr geehrte Herren! Der Herr Vorredner hat mit dem Wunsche gesehlossen, da~ das Kaiserliehe Gesundheitsamt mit der Untersuchung tier yon ihm berfihrten Fragen fiber die Schweflige Siiure befagt werden mSchte. Ich bin in der angenehmen Lage, Ihnen mitteilen zu k6nnen, daI~ das Gesundheitsamt diesem Wunsche bereits zuvorgekommen ist, und lege Ihnen als erstes Ergebnis der yon uns ausgefiihrten Untersuchungen bier eine Reihe yon Abhandlungen vor, die im 2. Heft des XXI. Bandes der ,,Arbeiten aus dem Kaiserliehen Gesundheitsamt" soeben ersehienen sin&

Bei der schon welt vorgeriickten Zeit mnB ich es mir versagen, auf den Inhalt der Abhandlungen im einzelnen einzugehen, und m5chte mlch darauf beschr~tnken, in grogen Zf~gen den Gang der Untersuchung und ihr Ergebnis zu schildern.

[Zeitschr. f. Uutersusbung 54 3. Jahresversammlung der Freien Yereinigung. [d_.~qahr.-n. Genul~mit;tel.

Den Ausgangspunkt bildeten Versuche fiber das Vorkommen der Acetaldehyd. schweflig-en Saute im Wein. Trotz einer recht umfangreichen Literatur war die An- wesenheit des Acetaldehyde im Wein bisher noch nicht einws,ndsfrei bewiesen. Dsher wurde diese zungchst mit Sch~irfe festgeste]l~, und zwar dutch Abscheidung des A1- dehyds aus dem Weine und seine 1Jberffihrung in Acetaldehydschwefligsauies ~Natrium, sowie in eine Verbindung, die ffir den Acetaldehyd eharakteristisch ist und aus ibm mltte]s alkalischer DiszobsnzollSsung entsteht, in das Benzolazoformazyl. Somit is~ das Vorkommen der Acetaldehydschwefligen Sgure im Weine nunmehr als erwiesen zu betraehten. Dureh weitere Versuehe lielg sieh feststellen, dab in mgBig geschwe- felten ausgegorenen Weinen die gebundene Schweflige S~ure als Acetaldehydschweflige S~iure enthalten ist, nnd dab nur bei fibermafgiger Sehwefe]ung der hierdurch erzeugte UberschuB an Schwefliger Saure sich mit dem Zucker im Wein verbindet. Diese Fglle d~irften als Ausnahmen zu betrachten sein. Hingegen ist im geschwefelten Most und in stark geschwefelten SiiBweinen die Anwesenheit von Glykose- bczw. Fruktoseschwefliger Sgure anzunehmen. Die Untersuchung w~tsseriger LSsungen yon synthetisch hergestelltem Acetaldehydschwefligsaurem ~Natrium lehrte ferner, dab die Acetaldehydschweflige S~ture in wasseriger LSsung eine hydralytische Spsltung in Aldehyd und Schweflige S~iure erleidet, die van der Temperatur und der Konzentra- tion der LSsung abhhngig ist, derg'es~a]t, daB sie mit steigender Temperatur und steigender Verdfinnung zunimmt. Der abgespa]tene Ant.ell Sehweflige Saure ist~ dureh JodtSsung unmittelbar zu titrieren und ste]lt die sagensnnte ,,freie" Sehweflige S~iura dar. Die hydrolytisehe Spaltung der Alde]~ydsehwefligen Sgure ist selbs~ bei gro~er Verdfinnung der LSsung nur gering; arts diesem Grunde ist such die Menge der ,,freien" Schwefligen S~ura im Wein nur klein. Auch die Geschwindigkeit der Ver- ein]gung van Acetaldehyd und Schwefliger S~iure in w~isseriger L5sung ist abh~ingig van der Konzentratian der LSsung, und zwar nimmt sie mit steigender Konzentration zu. Aus diesem Grunda werden, wenn man in wSsser]gen LSsungen yon Aldehyd- schwef]igsanrem Natrium die gesamte Sehweftige Saure nach dem Verfahren van R i p p e r ermltteln will, stets zu niedr]ge und yon der jeweiligen Kanzentration der L5sung abh~ingige Werte erhalten.

Wie an Aldehyd, so vermag d~e Schweflige Saura sieh such an Zuekerarten - - Glykose, Fruktose -- anzulsgern. Die Glykoseschweflige Siiure ist in Farm ihres Natriumsalzes rein dargestellt worden und verh~i[t sich in wgsseriger LSsung wie die Aeetaldehydschweflige Siiure; sie er]eidet einen Zerfall in Glykose und Sehwaflige S~iure, dessen Betrag yon der Kanzentratian abh~ngig ist und mit steigender Ver- dfinnung zunimmt. Dieser Zerfall ist aber unverhglf~nismgl~ig viel grS~er, als der der Acetaldehydschwefligen Sgure und gab daher Veranlassung, nach andere gebundenen Sehweflige S~uren in den Bereich der Untersuehung zu ziehen, welehe zwar bisher in Nahrungs- und GenuBmitteln nicht beobachtet wurden, ffir den Vergleich mit der Acetaldehyd- und Glykosesehwefligen Sgure aber von Wiehtigkeit waren. Demgemg_[~ sind nach die wasserigen LSsungen der Farm~ldehyd-, Benzaldehyd- und Aeeton- schwefligen S~iure uutersucht warden. Das Ergebnis der Versuehe l~il~t sieh kurz in den S~tz zusammenfsssen, dab die gebundenen Schwefligssuren Sa]ze in w~sseriger LSsung bis zu einem besthnmten, bei iedem Salze mit der Verdfinnung steigenden Betrage in ihre Bestandte]le gespalten sind, und dab hinsiehtlich der Gr5Be dieser Spaltung eine Stufenfolge der Salze besteht. Am Anfsng der Reihe steht alas Form- aldehydschwefligsaure ~Natrium, welches nur sehr wenig gespalten ist, den AbschluB bildet

8. Band, ] 1. Juli 1904.j ~¥. K e rp , Schweflige Saure in Nahrungsmi~teln. 55

das weitgehend dissoziierte Glykoseschwefligsanre Natrium, zwischen beiden ordnen sich die Natriumsalze der Acetaldehyd-, Benzaldehyd- und Acetonschwefligen Siiure ein.

I n der folgenden Tabelle sind die Mittelwerte ftir die Dissoziationskonstanten der gebundenen Schwefligsauren Salze zusammengestellt, wie s~e sich aus den bei der Titration tier wiisserigen LSsungen der Salze mit JodlSsung erhaltenen Werten auf Grund des Massenwirkungsgesetzes berechnen.

M i t t e l w e r t e ftir die D i s s o z i a t i o n s k o n s t a n ~ e n der g e b u n d e n e n S c h w e f l i g s a u r e n Salze .

Dio

Bezeichnung des Salzes U1-Normal- '/~o-Normal- ~/~o-Normal- Dissoziations,~ kons tan ten ver-

L(isung LSsung LSsung laalten sich wie (abgerundet)

Formaldehydschwefligsaures Natrium A cefaldehydschwefligsaures Benzaldehydschwefligsaures Acetonschwefligsaures ,, Glykoseschwefligsaures

0,13.10 6 2,84.10 -6

4,57.10 3 311.20 a

0,12.10 -~ 2,26.10- 6 1,00.10 -~ 4,30.10 -3 220.10 -8

0,11 . 10 -6 2,06.10 6 1,10.10 ~ 3.80.10 ~ 124.10 -8

1 : 20

: 875 : 35 200

: 1 817 000

Die augerordentlich grogen Untersehiede der hydroIytisehen Spaltung der ge- bundenen Sehwefligsauren Salze treten gleiehfalls hervor, wenn man die Wer~e mit einander vergleieht, die bei den ersten Titrationen der wasserigen LSsungen der Salze mit Jodl6sung erhalten wurden und der ~Ienge an abgespaltenem Natrium- blsulfit, ausgedriiekt in Prozenten der Anfangskonzentratlon, entspreehen, welehe beim AuflSsen der Salze in Wasser vorhanden ist.

Diese Anfangswerte sind in der naehstehenden Tabelle vereinigt.

Bezeichnung des Salzes i/l"N°rma]" 1/~°-N°rmal" l/~°N°rmal" LSsung LSsung LSsung

Formaldehydschwefligsaures Na~rium Ace~aldehydschwefligsaures Benzaldehydschwefligsaures A cetonschwefligsaures G lykoses chweiligsaures

0,034 O/o 0,097 % 0,17 ,, 0,45 ,

2,98 ,, 5,73 , 14,58

42,32 ~ i 74,61

0,155 °/o 0,71 ,, 4,90 ,,

23,67 , 81,89 ,

Werden die 3 Anfangswerte ffir Formaldehydschwefligsaures Natrium =- 1 ge- setzt, so berechnen sich fiir die tibrigen Salze folgende Zahlen:

Bezeichnung des Salzes

Formaldehydschwefligsaures Na~rium Acetaldehy dschwefligsaures Benzaldehydschwefiigsaures Acet onschweitigsaures ,, Glykoseschwefligsaures

'/~-Normal- L(isung

168,5 1244,7

l/lo-Normal. L~sung

1

4,6 30,7

150,3 769,2

1/so-Normal- Liisung

1

4,6 31,6

152,7 528,3

56 3. Jahresversammlung der Freien Vereinigung. [Zei~sehr. f. Untersuehung [d. Nahr. u. Genut~mitte].

Diese Zahlen zeigen, dag die Menge des abgespaltenen Natriumbisulfits unter den gleiehen Bedingungen bei der Acetaldehydverbindung etwa 5-real, bei der Benz- aldehydverbh~dung etwa 31-real, bei der Acetonverbindung etwa 155-mal und bei der Glykoseverbindung etwa 500--1200-mal so grog ist, als helm Formaldehydschweflig- sauren Natrium.

Von diesen Verbindungen besitzt aul~er der Acetaldehydschwefligen Siiure noch die Glykoseschweflige Siiure ftir den Nahrungsmittelchemiker ein hervorragendes Interesse, weiI aller Analogie nach ihre Anwesenheit im Most und gesehwefelten SiiB- wein, some in den geschwefelten DSrrfr/ichten anzunehmen ist. Die Untersuchung fiber das Vorkommen tier Schwefligen S/iure ira D5rrobst ist yon Herin Dr. S e h m i d t ausgeffihrt worden; mit Rficksicht auf die Kfirze der Zeit beschr/iake ich reich darauf, naehstehend die Schlugs/itze mitzuteilen, in welchen Herr Dr. S c h m i d t die Ergeb- nisse seiner Arbeit zusarnmengefagt hat.

1. Zum Nachweise der Schwefligen S/iure in Nahrungsmitteln eignet sich am besten das Verfahren an einem Uhrglase elnen Tropfen sehr verdfinnter Jod-Stiirke- oder Kaliumjodat~St~irke-LSsung fiber das zerkleinerte und in einem Glassch/ilchen mit Phosphors/ture anges/iuerte Untersuchungsobjekt zu bringen.

2. Die Bestimmung der Schwefligen S~ure erfo]gt am siehersten nach dem De- sti]lationsverfahren. D~ einzelne Naturerzeugnisse, naeh dlesem Verfahren untersueht, mitunter die Gegenwart yon Schwefliger S/iure vortSuschen, ohne dab dieser Stoff vorhanden ist, mug bei tier Beurteilung eine gewisse Vorsieht watten. Werden nach dieser Untersuchungsmethode nur sehr gerlnge Mengen yon Baryumsulfat gefunden, so bleiben diese am besten unberfieksichtigt.

3. Die Schweflige Sfiure wird den Nahrungmitteln meistens in der Absicht zu- gesetzt, ihnen ein schSnes Aussehen zu verlelhen; insbesondere trifft dies bei dem DSrrobste zu.

4. Die Sehweflige S/iure kommt im gesehwefelten D6rrobste in gebundener Form vor. Das VerhMten bei der hydrolytisehen Spalmng und gegeniiber verdfinntem Alkali spricht daffir, dal~ sie an aldehyd- odeir ketonartige Stoffe, und zwar wahrsehein- lich an Glykose, gebunden ist.

5. Wie im gesehwefelten Wein und in den gesehwefelten Frfichten Jst wahr- scheinlich aueh in anderen Nahrungs- und Genugmltteln die Schweflige S/~ure in ge- bmldener Form vorhanden. Die bisherigen Beobachtungen spreehen dafiir, da~ auch Eiweil~stoffe und Cellulose die S/iure anzulagern vermSgen.

6. Ein Beweis daffir, dab die Schweflige S~ure im geschwefelten D5rrobst aul~er in gebundenem Zustande aueh in freier Form vorhanden ist, konnte bisher nieht erbracht werden. Wo die freie S/iure bei solehen Waren beobachtet wurde, ist ihr Auftreten auf eine hydrolytisehe Spalmng der gebundenen S~iure zurfiekzuf~hren.

7. Der Gehalt an Sehwefliger Sfiure geht belm Lagern des geschwefelten DSrr- obstes an der Luft allm~ihlich zurfick. Die Abna.hme finder iedoeh so langsam start, dab in tier Praxis dutch ein L/iften der Gehalt der Frtiehte ~n Schwefliger S/iure in nennenswertem Mal~e nicht herabgesetzt werden kann.

8. Bei der kfichenm~il3igen Zubereitung des gesehwefelten DSrrobstes verringert sieh der GehMt an Schwefliger Sfiure. Diese Vermindemng hfingt haupts~iehlidh yon der zum W~ssern und Kochen benutzten Wassermenge ab. Je grSlger die ~Vasser- mengen sind, um so metn" sinkt der Gehalt an Sehwefliger Saute in den zubereiteten Frfiehten.

8. Band° t 1. Juli 1904.] W. K e r p, 8chweflige 8gure in Nahrungsmi~teln. 57

Die Untersuehung der gebundenen Sehwefligsauren Salze in wiisseriger LSsung ist aueh ffir die phannakologisehe Beurteilung von Bedeutung geworden, insofem es nahe lag, die physiotogisehe Wirksamkeit dieser Stoffe mit ihrer Eigensehaft, in wiisseriger LSsung Natriumbisulfit abznspalten, in Verbindung zu brlngen. Die yon I-Ierrn Re- gierungsrat Dr. R o st und Herrn Dr. F r a n z ausgeffihrten pharmakologisehen Untersu- chungen haben nun gezeigt, dab die gebundenen Sehweftigsauren Salze sine ihnen eigen- tfimliehe pharmakologisehe Wirksamkeit nicht besitzen, sondern diese dem abgespaltenen Natriumbisulfit verdanken und sigh unter bestimmten Bedingungen in eine Giftigkeitsreihe einordnen, die vSllig der auf Grund des ehemisehen Experimentes gefundenen Reihen- folge der Salze entsprieht. Die folgende Tabetle enthiilt sine rdbersieht fiber einige der Ergebnisse der vergleiehenden pharmakologisehen Untersuehung der gebundenen Sehwefligsauren Salze und des Sehwefligsauren Natriums.

Bezeichnung der Salze

Formaldehydschweflig- snares Natrium }

Aeetaldehydschwefiig- saures Natrium }

Neuh'Mes schweflig- t saures Na~rium t

Acetonschwef!igsaures Na~rium }

Glykosesehwefligsaures Natrium }

8aures schwefligsaures Natrium }

8chweflige 8iiure in was- t seriger L6sung t

Es starben K a n ill- cher t unter ~ypi- Se]lell Erseheinun-

gen bei Einfiihrung yon LSsungen mit

2,96°/o SOs in die Blutbahn hei einer Einlaufsgeschwin-

digkeit yon 1 ccm pro Min. (ffir Kaninchen

yon etwa 11/e kg KSrpergewicht)

Die fiir K a n in eh en yore ~agen aus tSd- liche Gabe betrugbei

Anwendnng Yon I0 °/o-igen L~sungen (fiir 1 kg XGrper-

gewicht berechnet) zwischen

Dei F r S s s h e n riefen yon den

Lymlohsgcken aus typisehen tterzstill-

stand in Diastole bervor (far 100 g

KSrpergewich{ be- rechnet)

nach ccm Ninu~en

44 42

11 25

8 17

7--8 8--11

4--5 10--1I

3 - 4 6 -8

3 4 1/a

1,30 u. 1,85 g 802

0,80 u. 1,22 g 802

0,64 u. 0,65 g SO~

0,47 u. 0,63 g SO=

0,31 u. 0,49 g SO~

0,294 g 802

0,025-0,028 g 80.~

0,025 g SO~

Um K a u l - q u a p p e n zu tS~en, waren

nStig Konzen- trationen yon

0,896 °/o SOs

0,224 , 80.,

0,112 ,, 802

i

Hierbei ist nicht zu iibersehen, dag bei diesen Versnchen nur solche Mengen und Konzentrationen der Salze gepriift wurden, die sine fiber einen kurzen, leicht fibersehbaren Zeitraum sieh hinziehende und damit ffir die nfihere Beobaehtung zu- ggngige, in der Regel mit dem Tode absehtiel~ende Wirkung entfalteten. Die Resulmte der vorstehendea Tabelle dfirfen daher nieht ohne weiteres verallgemdnert werden und gelten streng nur fiir die unter den obigen Bedingungen ausgeffihrten Versuche.

Unter bestimmten Umstanden ist man somit in die Lags gesetzt, den Grad der Giftigkeit einer gebundenen Sehwefligen Siinre auf Grund des Jodverbrauehes ihrer wiisserigen LSsnngen.festzustellen. Ferner ffihren die vorgetragenen Untersuehungen zu dem Endergebnis, da~ es unter Umstfinden nicht gleiebgfiltig sein kann, in wdchen Nahrungsmitteln, ob im Wein, im Most oder in gesehwefelten Frfiehten, die Schweflige Sfiure genossen Mrd; sis wird vMmehr hn Most und in den Frfichten, in denen sis als Glukosesehweflige Sgure vorkommt, pharnmkologisch anders zu beurtdlen sein,

I-Zeits~hr. is. Untersuchu:~g 58 3. Jahresversaramlung der Freien Vereinigung. [a. l~ahr.~ u. Genufimittel.

a]s im Wein, in dem sie in Form der Acetaldehydsehwefligen S~ure vorhanden ist. Diese Sehlul~folgerung dfirfte um so mehr Beaehtung verdienen, Ms blsher wohl ksum au die MSglichkeit einer unterschied]ichen hygienisehen Beurteilung der Sehwefligen S~ure je nach ihrem Vorkommen in den verschiedenen Nahrungsmitte]n gedacht worden ist.

Indem ich meine Mitteilungen hiermit abschlie~en will, bitte ieh Sie, melne Herren, die Arbei ten, fiber die ich Ihnen hier berichtet habe, als einen ersten Tell der Untersuchungen fiber die Sehweflige Saute zu betrachten, die im Kaiserlichen Gesundheitsamte in Aussicht genommen sind. In ihnen ist die Richtung angegeben, nach denen sieh die weiteren Versuehe zu erstreeken haben werden, und ich helle, Ihnen das n~iebste Ms] fiber den For tgang der Untersuchung weiter berichten zu kSnnen.

D i s k u s s i o n :

Dr. W. F r e s e n i u s ist einer endgfiltigen Formulierung der Frage bisher entgegengetre~en, weil die Frsge des physietogischen Verhal~ens noch nicht abgeschlossen sei Geh. Rat H of- ra a n n- Leipzig habe in seinera Gutaehten den yon G r a n hu t vor[ges Jahr gehaltenen Vortrag ganz falseh herangezogen und die exceptionellen F~ille als norraale sngenomraen; er wolle das H ofraann 'sche Gutachten durchaus nichi~ decken. Er be~ont ferner die Notwendigkei~ einer Revision der in den .,¥ereinbarungen" enthaltenen Angaben fiber Sehwefeldioxyd, eine solche k~nne aber erst auf Grund eingehender Versuche erfolgen, wie sie jetzt irn Kaiser]. Gesundheitsarate angefangen seien. Dr. B e y t .h ien gegenfiber beraerk~ er, daft beira Fieisch die Sache wesentlich anders liege; hier gehe mi~ der Verfarbung eine Gesundheitsschadlich- keit ttand i~. Hand, beira 0bst dagegen nicht; dieses sei saeh wie vor unverdorben, nur un- ansehnlich. Dera Leitsatze 1 masse daher widersproehen werden.

Dr. H e okra ann schl~igt vor, die weitere Diskussion auf morgen zu ver~agen. Der Vor s i t~zende erkl~rt, daJ~ nich~ die Absich~ bestehe, die Angelegenheit~ heute

vfllig zu entscheiden. Reg.-Rat Dr. K e rp empfiehtt yon einer Stelhmgnahme vorerst abzusehen. Der ¥ o r s i t z e n d e stellt test, daft sich hiergegen kein Widerspruch erhebt.

Schlu$ der 1. Sitzung 21/~ Uhr.

Nach einem zwanglosen Mittagessen im Hotel Marquardt wurden die Kel ter und die Vereinigten Seifenfabriken in Untertfirkheim besichtigt. Abends 8 Uhr ver- einigten sich die Teilnehmer zu einem gemeinsamen Mahle im Oberen Museum.

2. Sitzung. Samstag, den 14. Mai 1904.

Der V o r s i t z e n d e erSffnet um 91/4 Uhr die 2. Sitzung rait gesch~tftlichen Mitteilungen und gibt bekannt, daG veto geseh~ftsfahrenden Ausschusse folgende Ein- gaben an das Reicbs~mt des Innern und das KgL Preussische Ministerium der geist- lichen Unterriehts- und Medizinalangelegenheiten gerichtet women sind:

I. ~fincben, den 11. Januar 1904.

Betreff: S t a n d e s a n g e l e g e n h e i ~ e n der

N a h r u n g s m i t t e l c h e r a i k e r

An das Reichsamt des Innern. Berlin.

Die ,Freie Vereinigung Deutscher Nahrungsraitteleheraiker ~ gestattet sich dem Reichs- ara~ des Innern yon einigen das Studium und die Stellung tier deul;schen Nahrungsmit;tel- ehemiker betreffenden Mit~si~nden Kenntnis zu geben and daran die gehorsarae Bitte zu kn0pfen, ant Abstellung dieser Mit~st~inde in den einzelnen Bandesstaaten hoehgeneigt in zweek- ra~it~ig erscheinender Weise hinwirken zu wollen.

8. Band. ] 1. Jul~ 1904.| 3. Jahresversammlung der Freien Vereinigung. 59

I. ~ach § 16 No. ~ der rrtifungsordnung f~ir ~ahrungsmittelchemiker sollen die Kandi- daten der Nahrungsmi~telchemie naeh bes~andener Vorprfifung vor Zulassung zu der Haup~- priifung mindes~ens drei ttalbjahre mit Erfolg an einer staatliehen Anstalt zur technischen Untersuchung yon ~ahrungs- und GenuBmi~eln ~ i g gewesen sein.

Von diesen drei Semestern kann nach dem zweitle~zten Absa~z dieses Paragraphen a,uch noch sin Semester an einer UniversitS~ oder ~echnischen Hochschule mit na~urwissensehaft- lichera Studium und praktischer Laboratoriums~igkeit zugebrach~ werden und kgnnen nach dem letzten Absatze dieses Paragraphen yon tier Cen~ralbehgrde den staaflichen Anstalten auch noch sonstige Anstalten zur ~echnischen Untersuchung yon Nahrungs- und GenuBmi~teln, sowie landwirtschaf~liche Untersuchungsanstat~en gleichges~ell~ werden.

Der Worttaut dieser Vorschrift ist durchsichtig und klar ; sie bezweck~, daf3 der Nahrungs- mittelchemiker, bevor er sich der ttauptpr~tfung unterwirf~, mifder praktischen Lebensmittel- kon~rolle, wie sie wirklich gehandhabt wird und gehandhabt werden soll, bekannt und vertraut gemachf~ wird. In den letz~en Jahren sind aber auch Laboratorien an den Universit, n~en und ~echnischen Hochschulen, die ganz andere und vorwiegend theoretische Zwecke verfolgen, deren Vorstande auch keinerlei Erfahrung auf dem Gebiete der Nahrungsmittelchemie besitzen, vor allem abet keine technische Untersuchung yon Nahrungs- und (~enuf~mitteln austiben, mit der praktischen Ausbildung tier Nahrungsmittelchemiker betrau~ worden. Das widerspricht offenbar dem Singe der Prtifungsordnung und lieg~ .nicht im Interesse der Nahrungsmi~tel- chemiker selbs~. Denn diese sollen nich~ an etwaigen Ubungsaufgaben, die ktins~lich geschaffen und gestellt werden, sondern an wirklichen, aus der Praxis herrtihrenden Proben mit der ver- schiedensten Pragestellung die Technik der Untersuchung auf diesem Gebiete kennen lernen.

Die , F r e i e V e r e i n i g u n g d e u ~ s c h e r N a h r u n g s m i t ~ e l c h e m i k e r ~ m g c h t e d a h e r g e h o r s a m s ~ e r s u c h e n , d a h i n w i r k e n zu w o l l e n , dal~ die A n z a h l de r L a b o r a t o r i e n zu r p r a k ~ i s c h e n A u s b i l d u n g y o n N a h r u n g s m i ~ e t c h e m i k e r n n u r au f s o l c h e A n s ~ a l t e n w i e d e r e i n g e s c h r ' ~ i n k t w e r d e , w e l c h e ira S i n n e der P r t i f u n g s o r d n u n g s ich d i e n s t l i c h mi t der t e c h n i s e h e n U n t e r s u c h u n g y o n N a h r u n g s - u n d G e n u B m i t ~ e l n b e f a s s e n , und dub yon d i e s e r R e g e l n u t an s o l c h e n U n i v e r s i ~ e n u n d H o c h s c h u l e n e i n e A u s n a h m e g e m a c h t werde , wo e i n e s o n s t i g e G e l e g e n h e i t zu e i n e r g e n a g e n d e n p r a k ~ i s c h e n ± u s b i l - d u n g a u f d i e s e m Gebie~ n i c h t v o r h a n d e n ist.

II. Im Jahre 1902 hat tier CentralausschuB der kaufm~nnischen, gewerblichen und industriellen Verbande eine Eingabe an die Staatsbehgrden gerieh~eb, worin zur Erzielung einer einhei~lichen Rech~sprechung in Nahrungsrai~elprozessen folgende Vorschlage gemach~ w e r d e n ,

~1. Schaffung eines Beirates als standige Instanz in allen einschlagigen Prozessen; dieser Beirat sol1 zu gleichen Teilen aus Vertretern der Wissensehaft und~ Sach- verstandigen des prak~isehen Gewerbebe~debes zusammengese~z~ sein, wobei le~ztere unter Mitwirknng tier 5ffen~lichen Organisa~ion des Handelss~andes zu wahlen waren.

2. Erganzung des § 10 Ziffer 1 des Nahrungsmittelgese~zes dutch den Zusatz: ,, ,AIs zum Zwecke der Tauschung vorgenommen gil~ sine Handlung nieht, wenn sie be- stehenden und anerkann~en Geschaftsgebrauchen entspricht. ~

3. Bei Prozessen wegen :Nahrungsmi~elfs, lschung, die auf einer Anzeige der Polizei- behSrde beruhen, darf der Polizeichemiker nich~ zugleich als Sachvers~andiger vor Gericht fungieren. ~

Diese Eingabe wurde dann yon den KgI. Preu5. Ministerien des Innern, des Handels und des Kulf~us absehlagig besehieden und gesagt, ~daI~ kein A.nlaB vorhanden sei, betreffs der zur Zeit in Berlin getibten IJ'berwachung der Lebensmittel Anderungen in Erwagung zu ziehen. ~

Ganz en~gegengese~z~ hiervon wurde dann neuerdings yon dem Kgl. preug. Minister der Jus~iz angeordnet: ~Dafi ktinf~ig Untersuehungen yon l~ahrungs- und Genu5mitteln, far den Fall, dab Schwierigkei~en dabei bestehen, nur so)ehen Chemikern fibertragen werden sollen, die gerade auf dem einschlggigen Gebiete ausreichende Erfahrungen besitzen. "[~ber die Erhebung der Anklage soll in allen, irgendwie zweifelhaft, en Fallen nut nach Anhgrung yon ~¢ztlichen oder gewerblichen, insbesondere Yon mit den Gewohnheiten des betreffenden Industriezweiges ver~rau~en Sachverst~tndigen entschieden werden. ' '

,Der ErlaB st~itzt sich auf mehrfache Klagen yon Nahrungsmit~elfabrikanten und -H~ndlern, dab infolge unzu~reffender Gu~acht~en Anklagen wegen Verf~Ischnng rug Lebens- mit~teln erhoben w~irden, deren Grundlosigkei~ sieh nach Vernehmung geeigne~er Sachver- s~ndiger sp~iter ergeben habe. ~

Wir wissen zwar nicht, welche Tatsachen dem le~zten Erlal~ zu grunde gelegen haben, wit mgchten uns aber gestatten, gehorsamst darauf hinzuweisen, dab die ,Gewohnheiten ~ eines Industriezweiges mitun~er, well bis je~zt vielerorts keine saehgem~Be ]?rtifung sta~tge- funden hat, sehr verwertticher und strafbarer Natur sind. Die Fabrikanten anf dem Gebiet~e tier ~Nahrungs- nnd Genu$mit~el und Gebrauchsgegens~iinde berufen sich gar zu gern darauf,

] Zei~schr. f. Un~ersuehung 60 3. Jahresversammlung der Freien Vereinigung. l d.i"~ahr.- u. Genulimi~et.

daft die Abnehmer die Waren yon dieser odor jener Beschaffenhei~ wfinschen, ohne dabei zu bedenken, da5 sie selbs~ solche ,(~ewohnheiten" g~sehaffen haben. Als die Teerfarbstoffe noch nicht bekannt waren, konnte auch kein Menseh daran denken, diese zur Aufffixbung yon Nahrungs- and Genui~mitteln anzuwenden. Gewinns~ich~ige Fabrika~tten lernten sie dann aber anwenden, um den Nahrungs- nnd Genu!~mit~e]n ein besseres Aussehen zu verleihen, als sie ihrer Na~ur nach beanspruchen kSnnen; den unwissenden Kaufern gefielen diese sehSn aus- sehenden Waren auch besser als reine Na~urwaren, weil sie sich besser verkaufen tiefien, and dann behaupteten die Fabrikanten, daft sie gezwungen seien, solche Zusatze zu machen; die K/~ufer verlangten sie etc. Damit war die Gewohnheit geschaffen.

In derselben Weise ging es fr/iher, als man den Starkezucker and Syrup, die Kaffee- glasuren etc. noch nich~ kann~e, recht gut ohne diese Hilfsmitte] bei der Herstellung yon Nahrungs- und Genu~mi~eln. Die Fabrikanten lernten aber bald kennen, dab diese tIilfsmittel sehr geeignet seien, um entweder an ~euereren Na~urstoffen zu sparen, oder um eine fehler- hafte Beschaffenheit der Waren zu verdecken. Man wendete diese Hilfsmittel stillschweigend an and konnte das unges~iir~, well es keine Koi/trolIe gab; die Kiiafer fanden Gefallen an solchen Waren und nachher, a]s man die UngehSrigkeit solcher Gepfiogenheiten nachwies, behaupte~en die Fabrikanten, daft sie zu solchem ¥orgehen gewohnheitsgemafi gezwtmgen seien.

Wenn die Gewohnheit eines Industriezweiges als Grund der Straffreiheit angesehen werden sell, dann kann kaum mehr eine Verfalschung oder Unsi~te gerich~licherseits mit Erfolg verfoIgt werden, denn ein solcher Grand kann fast fiir jede ~rerf~tlschung gel~end gemacht werden.

Dati man in zweife]haften Fallen auch gewerbliche Sachverstandige mi~ heranzieht, um die Sachlage klar zu stellen, ist sehr vernfinf~ig und auch schon wohl recht haufig geschehen ; weshalb aber der Arz~, der sich doch nur mit dem Menschen and der gesundheiflichen Frage der Nahrungs- and Genu~mittel befaSt, besonders geeignet sein sell, die Gewohnhei~en eines ]ndusfriezweiges, den er vietIeicht nicht einmal dem Wesen nach kennt, za beurteilen, ist gar nicht abzusehen.

Aber abgesehen yon diesen sachlichen Bedenken gegen den letzten Erlal~ mu5 es doch nach den verschiedensten Seiten verwirrend wirken, wenn innerhalb so kurzer Zeit, wie bier, in einem und demselben Staate yon den einzelnen ~inisterien so vollstandig sieh wider- sprechende ErIasse betreffend die Kontrolle and die Rechtspreehung in tier Nahr~mgsmittel- gesetzgebung in die (Jffentlichkeit gelangen und zwar um so mehr, als in der Kontrofle und Rechtspreehung auf diesem Gebiet an sieh noch genug Unsieherhei~ herrscht.

Es w a r e d a h e r zu w t i n s e h e n , daft. b e v o r E r l a s s e oder V e r o r d n u n g e n a u f d i e s e m G e b i e t y o n den e i n z e l n e n M i n i s t e r i e n v e r f f f e n t l i c h t w e r d e n , d ie M i n i s t e r i e n e i n e s und d e s s e l b e n S t a a ~ e s v o r h e r in V e r b i n d u n g t r i~ t en , um A i e s e E r l a s s e in g e g e n s e i t i g e U b e r e i n s t i m m u n g zu b r i n g e n bezw. f r f i h e r e zu w i d e r r u f e n . J a , es w a r e s o g a r s e h r z w e c k m a $ i g , w e n n die M i n i s ~ e r i e n der e i n z e l n e n B u n d e s s t a a t e n v o r V e r S f f e n t l i c h u n g s o l c h e r E r l a s s e a u f d i e s e m G e b i e t s i e h g e g e n s e i t i g K e n n ~ n i s yon dem V o r h a b e n gi lber t a n d d ie A n s i c h t e n d e r a n d e r e n B u n d e s s t a a t e n e i n h o l t e n . W i t s t e l l e n g e h o r s a m s ~ a n h e i m d a h i n w i r k e n zu w o l l e n .

III. Von vielen YerwaltungsbehSrden und besonders nach der Preuiiischen Dienstanweisung ftir Kreisarzte w ird dem Nahrungsmittelchemiker nur eine untergeordnete Stellung zuerk'~nnt und das wird vieleror~s in dem an sich sehr unangenehmen Diens~e der Lebensmittelkontrolle welter recht bitter empfunden. Hierbei ist zu bertieksichtigen, daft der l~ahrung.smittelchemiker, welcher den Bef~ihigungsausweis erlangen will bezw. erlangt hat, keine germgere Bitdungs- zeit and :Bild~mgsstufe zuriicklegen ran5 als der Arzt and andere Berufsstiinde. Er mu~ 9 Semester recht eingehenden and vielseitigen S~udien sowie praktisehen 0bungen obliegen; his zur Zurticklegung der Haupt.prfifung Yergehen durchweg 10 Semester und dann mal~ er hi, nag noch mehrere Jahre als Assistent an gr55eren Anstalten zubringen, ehee r daran denken kann, sich selbst~ndig zu machen.

Es werden daher dem Nahrungsmittelchemiker recht grol~e and auch mit vielen Aus- gaben verbundene Pflichten auferlegt und wenn er dami~, wie es his jetz~ in den meisten deutsehen Bundesstaa~en der Fall ist, noeh kein Rech~ auf eine gesicherte staatliehe An- stellung erhalt, sondern sich seine Stellung noch suchen and schaffen muff, dann sollte ibm in seiner soziaIen Stellung wenigstens ein Rang einger/~umt werden, welcher zum mindestea dem tier beamteten Xrzte gleich and nieht untergeordnel ist. Das liegt auch sehr im lnteresse der Lebensmittelkon~rolle selbsL - - Wir haben eine Reihe Gesetze auf diesem Gebiete, welehe auch durcbgeffibr~ werden mfissen, deren Durchftihrung aber ftir den untersuchenden Chemiker nieht nut die grSfite Umsicht und Gewissenhaftigkei~ ergorder~, sondern naturgem~fi oft mit den grSfiten Widerwar~igkeiten verbunden ist.

D ie R e i c h s r e g i e r u n g wi t rde d a h e r d a d u r c h , daft s ie den g e p r i i f ~ e n und im 8 f f e n t l i c h e n D i e n s ~ t ier L e b e n s m i t t e l k o n t r o l l e t ~ t i g e n N a h r u n g s - m i t t e l c h e m i k e r n e i n e n g a n g and v i e l l e i e h t a u c h e i n e n s i e v a n analog'on

8. Band. ] 1. Ju~ ~90~.] 3. Jahresversammlung der Freien Vereinigung. 6]

C h e m i k e r n a b h e b e n d e n T i t e I v e r l e i h ~ , e b e n s o s e h r die S c h u f f e n s l u s t und - K r a f t der ~ q u h r u n g s m i t t e l c h e m i k e r h e b e n a l s den e i n s c h l ~ g i g e n G e s e ~ z e n e i n e e r h ~ h t e B e d e u ~ u n g b e i l e g e n .

Indem wir diese Punkte einer hochgeneigten Erw~gung anheimgeben, zeiehne~

Gehorsams~ , F r e i e ¥ e r e i n i g u n g D e u t s c h e r N ~ h r u n g s m i t t e l c h e m i k e r . "

I .A . : Dr. A. Hi lger , z. Z. ¥orsitzender.

II. Mfinchen, den 12. Januar 1904.

Betreff: S t a n d e s a n g e l e g e n h e i t e n der

N a h r u n g s m i t t e l c h e m i k e r .

An das Kgl. Prenfl. ]~'[inisterium der geistlichen, Unterrichts- und 3Iedizinalangelegenheiten

Berl in 1).

Die ~Freie Vereinigung Deutscher Nahrungsmittelchemiker ~ gestattet sich, dem Kgl, PreufL Yliuisterium der geistlichen, Unterricht;s~ und Medizinalangelegenheiten yon einigen die Stellung der deutschen Nahrungsmittelchemiker betreffenden Mitlst~tnden Kenntnis zu geben und darun die gehorsame Bitte zu knfipfen, auf Abstellung dieser Mifist~nde an geeigneter Stelle hochgeneigtest hinwirken zu wollen.

I. Der § 78 der Dienstanweisung ~tir Kreis~rzte in Preufien yore 23. Miirz t901 be- stimmt ira Schlufisa~ze: ,,Er hat die Gesch~ftsf~hrung dieser Anstalten zu beaufsichtigen."

Um die Bedentung dieser Bestimmung far die praktischen Nahrungsmittelchemiker richtig bemessen zu kSnnen, bedfirfte es einer authentischen Auslegmlg des Wort.es ~Gesch~ftsfiihrang" in obiger Bestimmung. Da eine solche bislang nichi~ erfolgt ist, mu5 vorerst mit der weitesten Auslegung dieser Vorschrift gerechnet werden. Dann aber erhalten die Kreis~rzte in den Laboratorien der gepriiften Nahrungsmittelchemiker eine fast unumschriinkte Gewa]t, da unter Geschifftsfiihrung im weitesCen Sinne Besorgung aller geschi~f~lichen Angelegenheiten zu ver- stehen ist. Es w~re dann der [<reisarzt in gleicher Weise befugt, die Einrichtuug der Labo- ratorien, wie die Aushihrung der Untersuchungen und die yore Chemiker abgegebenen Gut- ach~en einer zei~weisen eder gar st~ndigen Kontro]le zu unterwerfen. Daft derartige Dinge nichts Undenkbares sind, daffir ein Beweis: Der Inhaber eines amtlichen Laboratoriums zur Untersuchung yon Nahrungs- nnd Genufimi~eln wurde beh~rdlicherseits davon verst~ndigt, daii auf Grund des § 78 obiger Anweisung der Kreisarzt sich in kurzem das Laboratorium ,ansehen" werde; aul~erdem, daft f~ir die Zukunft, gem/~fi Anordnung des Herrn Landrates, sgmtliche Attes~e des Untersuchnngsamtes dem Kreisarzte vorzulegen seien.

Es ist demnuch nur zu ~¢erstttndlieh, da~ die fragliche Bestimmung des § 78 in den Kreisen der praktischen Nahrungsmittelchemiker eine tebhafte Entrtistung hervorgerufen hat, da sie die Beteiligten einer unbegriindeten Bevormundnng dutch Nichtfachm/inner unterwirft.

Die Beaufsieh~igung der gepritf~en Nahrungs.l.nittelchemiker dur~ch die Kreisiirzte kSnnte eimnal in der Revision der Laboratorien oder der Uberwachung der Untersuehungen bestehen. Beides erschein~ in keiner Weise berechtigt, da es bekannt ist, mi~ wie geringen Vorkennt- nissen auf dem Gebiete der Chemie der praktische Arzt bei Ablegung des St~atsexamens aus- gertis~et zn sein pflegt und wie wenig auf diesem gewaltigen, sich tgglich erweiternden Ge- biete auch jetzt noch das kreisS.rztliche Examen verlangL

Weir wichtiger is~ jedoeh, daii nach dem Wor~laut der Anweisung jeg]iche Begutachtung des staatlich geprfiften Chemikers der standigen Kontrolle des Arztes nnterworfen werden kann. Dann aber ware der Chemiker Iediglich ~uf die Fests~ellung tier Zusammensetzung der Nahrungs- ~nd Genul~mit~el u. s. w. besehr~ink~ und die Begu~achtung der Un~ersuchungser- gebnisse dem Arzie tiber~ragen. Dies kann jedoch nicht in der Absicht der Bundesregierung g~e]egen haben; denn einmal bes~immt § 22 No 4 der Priifungsvorschrif~en f~ir Nahrungsmittel- chemiker, dag sieh die wissenschaftliche Prtifung zu erstrecken babe auf: ,Die den Verkehr mi~ Nahrungs- and Genufimit~eln regelnden Gesetze and Verordnungen, sowie auf die Grenzen der Zustandigkeit des ]~ahrungsmittelehemikers im ¥erhi~ltnis zmn Arz~, Tierarz~ und anderen Sachverstandigen. ~

~) Die gleiehe Eingabe wurde auch dem Reichsamt des [nnern ~iberreichL

[Zeitschr. f. Untersuchung 62 3. Jahresversammlung der Freien Vereinigung. [d. ~ahr.- u. Genullmittel.

Des weiteren erschiene es unversti~ndlich, weshalh die Gerichte laut ministerieller Ver- ftigung zur Beurteilung yon Nahrungs- und Genufimitteln rege]mafiig nur geprtifte Nahrungs- mittelchemiker hestellen und nur in Ausnahmefallen auch Arzte heranziehen.

Ferner wird heute bei Beurteilung yon Nahrungs- and Genufimitteln yen den in den ,Vereinbarungen zur einheitlichen Untersuchung und Beurteitung yon Nahrungs- und Genufi- mitteln etc. far das Deutsche Reich" fes~ges~ellten Grundsa~zen ausgegangen. Die ,Verein- barungen ~ sind jedoeh geschaffen durch die auf Anregung des kaiserlichen Gesundheitsamtes einberufene Kommission deutscher Nahrungsmittelchemiker and zunachst bes~immt ftir die praktischen Nahrungsmi~telehemiker.

Die ~Vereinbarungen '~ beschranken sich aber keineswegs nur anf die Untersuchungs- methoden, sondern sie widmen auch der Begutachtung tier Nahrangs- and Genufimittel ein- gehende Uesprechung.

Fiir die Beurteihmg is~ vor allem die Kenntnis der normalen und anormalen Zusammen- setzung eines ~ahrungs- and Genufimittels entseheidend. Daher muff aber die Beurteilung der Nahrungs- and Genufimittel vor allem und regelmafiig zur Komp~tenz des geprfiften Nah- rungsmiLt, elchemikers geh~iren, da er entsprechend § 22 No. 2 der zrfifangsvorschriften sieh auszuweisen hat ~fiber geniigende Kenn~nisse, betreffend die Herstellang and die normale and anormale Beschaffenheit der Nahrangs- and Genufimittel." Da5 aber die Kenntnisse des Arztes auf diesem Gebiete anerkanntermM~en gering sind und entsprechend der Ausbildung der Medi- ziner notwendigerweise gering sein miissen, ist nicht zu bezweifeIn, wie auch die kreisarzt- ]iche Prtifung keine eingehendere Kenn~nis auf diesem Gebiete verlangt.

Kann man abet dem minder unterriehteten Arzte vernfinftigerweise eine Oberaufsicht fiber die Tati~keit des besser unterrichteten Chemikers einriiumen? Wohl mit nichten.

Vielerorts sind aul~erdem staatliche Anstal~en mit der Untersuchung yon Nahrungs- und Genufimitte]n betrau~, die an sich schon einer behSrdlichen Kontrolle unter]iegen; wie wiirde es bier mi~ der Beaufsichtigung der Gesehaftsffihrung za halten sein?

Soll~e die Regierung eine Beaufsichtigung der Laboratorien ftir angezeigt halten, so miissen unseres Erachtens mi~ dieser Beaufsichtigung Fachmanner betraut werden.

Die Bestimmung des SchlufisMzes in § 78 der kreisarzflichen Dienstanweisung, welche abrigens vorab dem Belieben dCr einzelnen Kreisfirzte den weite~ten Spielraum lafit, erscheint somit angerechtfertig~.

Es ist ferner in Erwiigung zu ziehen, daft in einer grsfieren Anzahl Staaten des Deutsehen geiches schon sei~ Jahren im Interesse der regelmafiigen Lebensmittelkontrolle Einriehtungen bestehen, welche vollkommen selbst~tndig ihreu Wirkungskreis entfalten, aber niemals einen Vertre~er der Medizin als Aufsichtsperson aufweisen.

Es muff daran erinner~ werden, daft z. B. Bayern staatliche, stadtische und Provinzial- anstalten, sowie auch 5ffentliehe Laboratorien besitzt, welche nich~ unter Aufsicht yon Medi- zinalbeamten stehen. Hessen hat I)rovinziallaboratorien in Mainz und Giefien, sowie 5ffent- liche Laboratorien, ebenfalls ohne jede medizinische Oberaufsicht.

Dasselbe gilt filr Baden, wo eine Staatsanstalt in Karlsruhe und anerkannte Labora- torlen und Sachverstandige in Konstanz, Heidelberg, Mannheim, Pforzheim existieren, endlich auch in Wfirttemberg, wo ebenfalls geordnete Verh~tltnisse bes~ehen, Endlich darf auch auf Sachsen hingewiesen werden, wo seit kurzem eine regelmafiige Lebensmittelkontrolle einge- fahrt ist und der anerkann~e ]Nahrungsmittelchemiker ebenfalls keinen MedizinMbeamten als direkten Vorgesetzlen hat.

Wird ein Medizina]beamter als direkter Vorgese~zter tier geprfif~en ~ahrungsmittel- chemiker aufgestellt, so wird dem t)ublikum gesagt : ,,Der Vertreter der Medizin ist der oherste Sachverstandige in Lebensmittelfragen ~, ja es wird geradezu dem chemischen Saehvers~i~ndigen ein Mifitrauensvotum ausgesprochem

MSge doch die Tatsache nieht vergessen werden, da~ die el¢olgreiche Wirkung des deutschen ]Nahrungsmittelgesetzes in erster Linie auf die Tatigkeit des Nahrtmgsmittel- chemikers zurfickgeffihr~ werden muff.

U n t e r B e z u g n a h m e a u f v o r s t e h e n d e B e g r t i n d u n g b e e h r t s ieh d ie~Fre ie V e r e i n i g u n g D e u t s e h e r N a h r u n g s m i t t e l c h e m i k e r " an das h o h e M i r ~ i s t e r i u m alas G e s u c h zu r i c h t e n , g e e i g n e t e n O r t e s v e r a n l a s s e n zu w o l l e n , es mSge tier S c h l u l ~ s a t z des § 78 tier D i e n s t a n w e i s u n g f a r K r e i s a r z t e in P r e u f i e n g e s ~ r i e h e n w e r d e n . Der § 78 w a r e d a n n d a h i n za e rg i~nzen , daJ~ ans s e i n e r F a s s u n g zu e r k e n n e n is~, daft der g e p r f i f t e N a h r u n g s m i t t e l c h e m i k e r dem K r e i s a r z ~ n i e h t s u b o r d i n i e r t , s o n d e r n k o o r d i n i e r ~ i s t , so da5 er a l so in s e i n e r S t e l t u n g dem K r e i s a r z t g e g e n f i b e r den in § 18 der D i e n s t a n w e i s u n g ffir K r e i s a r z t e in Preu l~en g e n a n n t e n t e c h n i s c h e n B e a m ~ e n des K r e i s e s g l e i c h g e s t e l ] t w i r d , d a m i t auch in Z u k u n f t e in g e d e i h l i c h e s l ~ e b e n e i n a n d e r " a r b e i t e n u n d e i n e g e g e n s e i t i g e U n t e r s ~ f i ~ z u n g a n d E r g a n z u n g y o n Arz~ a n d C h e m i k e r e r m S g l i c h t b l e i b k

Wenn grSfiere Unzntrag]ichkeiten infolge den § 78 bisher nur vereinzelt and nicht in

8. Band. ] 1. Juli 1904.J 3. Jahresversammlung der Freien Vereinigung. 63

weiterem Umfange zutage ge~reten sind, so ist dies nach Ansicht des Unflerzeichneten in erster Linie der Tatsaehe zuzuschreiben, da$ die Kreisarzte bis zur amtliehen Auslegung des § 78 vorerst eine abwartende Haltung einnehmen und im Geffihl ihrer Unzusqtindigkeit yon einer Oberwachung der Untersnchungsanstaltea bisher absehen. Die yore Unterzeichneten erbetene Streichung des Schlufisatzes yon § 78 dfirfte somit ebensosehr im [n[eresse der Be- teiligten wie in dem der Allgemeinheit gelegen sein.

I[. Ferner heit~t es in dem Rundsehreiben der Kgl. Preut~. Ministerien f'tir Handel und Gewerbe, sowie ffir geistliche, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten vom 14. Sept. 1883:

~Der Chemiker hat nur die Aufgabe dartiber Auskunft zu geben, wie die yon ihm unter- sachten Waren chemisch zusammengesefzt sind, wogegen die weiteren Fragen, ob die Ware in soleher Zusammensetzung gesundheitssehiidlieh und ob sie zmn Zwecke der Tiiuschung im Handel und Verkehr (§ 10 des Ges.) verf~Ischf ist, nieht zu seiner Beur~eilung stehen. ~

Die Entscheidung der Frage naeh der Gesundheitssch~dliehkei~ einer Ware wird selbst- verstandlieh stets dem medizinisehen Sachverst/tndigen zu fiberlassen sein. Aus den vorstehend erbrterten Grfinden kann es dagegen dessen Sache nicht sein, auch fiber die zum Zwecke der Tauschung erfolgte Verf~lsehnng einer Ware zu urteilen, eine Feststellung, die zweifellos in das Gebiet des Chemikers gehbrt.

Der Schlatisatz dieser 1Vfinisterialausftihrungen bedarf also gleichfalls einer entsprechenden Richtigstellang durch aasdrfickliches Betonen, da5 die Feststeliung der Gesundheitsschadlich- keit einer Ware Sache des Mediziners, die tier Verfalsehung u. s.w. solehe des Chemikers ist.

E v e n t n e l l w~re alas g e n a n n t e R u n d s c h r e i b e n yore 14. S e p t e m b e r 18S3 an f l e r K r a f t zu s e t z e n .

IIL Der § 37 der Dienstanweisung ffir Kreis/trzte in Preul~en weist den Kreis~rzten aach die Ausffihrung einfaeherer chemischer Untersuchungen zu. Wit erlauben uns auf die in dieser Tatsache liegenden Gefahren hinzuweisen und bitten, den § 3 so zu prazisieren, dati aus seinem Wor~laut erkenntlich ist, welche ehemische Untersuchungen der Kreisarzt, ira Hinblick auf seine geringe chemische Ausbildung, ausftihren darf. So z. B. heifit es in § 3: ,Die bestehenden Trinkwasserversorgungen t~at der Kreisarzt zu tiberwaehen; er darf keine Gelegenheit vodibergehen 1assert, urn sich yon deren Beschaffenheit zu unterricbten. Dabei wird er den Sehwerpankt weniger auf die chemische and bakteriologische Un[ersuehung yon Wasserproben. ats auf die 5rtliche Beslchtigung zu legen and dahin zu streben haben, fort- laufend ein Bild yon den Trinkwasserverbi~ltnissen in einzelnen Or~schaften seines Bezi~-kes zu erhalten, um gegebenen Falls die zur Beseitigung yon gesundheitswidrigen Verh.~ltnissen ge- eigneten Matinahmen vorschlagen zu kbnnen."

Ob es m~glich ist, ein Wasser ohne eine chemisehe und bakteriologische Un[ersuchung blo~ auf Grund einer Ortsbesichtigung riehtig zu beurteilen, mull dem Kreisarzt tiberlassen werden; ebenso mag er allein fiber die bakteriologische Untersuchung, besonders auf pathogene Bakterien, entscheiden; der Kreisarzt ist abet in der Regel nicht in tier Lage, eine richtige qualitative und quantitative chemische Analyse eines Wassers auszuf~ihren, und diese ist durchweg ebenso wichtig and bei Grundwasser sogar wichtiger, als die bakteriologische Unter- suchnng. Die c h e m i s c h e U n t e r s u c h u n g e i n e s W a s s e r s m u 5 a b e t Sache des a n g e s t e l l t e n N a h r u n g s m i t t e l c h e m i k e r s b l e i b e n .

IV. Ferner werden bei Beanstandung yon Analysengebtihren die Liquidationen yon be- amteten Arzten als den bis jetzt einzig ma5gebenden technischen Beiraten der Verwaliungs- behfrden nachgeprfift und festgesetzt; dabei wird aber nicht selten ohne eigentliche Sach- kenntnis mit einer Willkfir verfahren, welche von den begutachtenden Chemikern schon lange bitter empfunden wird.

Seit dem Jahre 1902 besitzen wit (Vereinbarungen zur einheitlichen Untersuchung und Ueurteilung yon Nahrungs- und Genut~mitteln far das Deutsche Reich, Berlin 1902, Iteft III, S. 145-172) einen Gebfihrensatz flir das Deutsche Reich, der auf Grand sehr eingehender Er- hebungen aufgestellt ist und dieser sollte daher yon jetzt an den Behbrden als Anhalt zur Beurteilang yon Liquidationen dienen.

Es lassen sich aber nicht ftir alle Falle yon vornherein Gebtihrens/itze festsetzen, well die verschiedene Fragestellung ffir einen Untersuchungsgegenstand die mannigfaltigsten Unter- suchungsverfahren bedingt und in solchen F~llen nach der aufgewendeten Zeit sowie nach den Ausgaben ffir Reagentien and Apparate liquidiert werden mu~. E n t s t e h e n d a n n Z w e i f e l t iber die R i c h t i g k e i t e i n e r L i q u i d a t i o n , d a n n s o l l t e doch na turg 'e - m~fi n u r e in C h e m i k e r yon F a c h , der den U m f a n g n n d die N o t w e n d i g k e i t y o n c h e m i s c h e n Arbei t~en in e i n e r S a c h e b e u r t e i l e n k a n n , n i c h t a b e t de r A r z t , der d i e se E i g e n s c h a f t in der R e g e l n i c h t b e s i t z t , b e f r a g t w e r d e n .

Indem wir diese Punkte einer hochgeneigten Erwiigang anheimgeben, zeichnet Gehorsamst

, ,Freie V e r e i n i g u n g D e n t s c h e r N a h r u n g s m i t t e l c h e m i k e r . " L A.: Dr. A. H i l g e r , z. Z. Vorsi[zender.

[Zeitsehr. £ Untersuchung 64 3. Jahresversammlung der ]t~reien VereiIiigung. (d. :Nahr.-u. Genutimii~tel.

Der V o r s i t z e n d e verliest sodann ein Schreiben des Verbandes staattich ge- priifter l~ahrungsmittelcherniker der Rheinprovinz yore 29. April, worin gebeten wird, den Kgl. Preussisehen MinisterialerlaB vom 22. Februar 1904 zum Gegenstand einer Besprechung auf der Versammlung zu machen. Er bitter, die Erledigung dem Aus- sehusse zu iiberlassen, glaubt indessen, da~ die A.ngelegenheit schon grS~tenteils in obigen Eingaben ihre Erledigung gefunden babe.

Dr. M a i erstattet darauf den Kassenbericht ffir 1903. Die Kasse wurde von ibm am 30. JuIi 1903 mit einem Barbestand yon 647,99 Mk. iibernommen; dazu kamen an Mitgliederbeitrggen ffir 1903 noch 150 1VIk., in Summa 797,99 Mk. Demgegeniiber stehen Ausgaben im Betrage yon 679,32 Mk., so dab die Kasse am 31. Dezember 1903 einen Bm'bestand yon 1t8,67 Mk. aufweist.

Der V o r s i t z e n d e erkliirt, daI~ noch ein Reservefond von 800 Mk. vorhanden ist. Er bitter sodann die Iqeuwahl des Ausschusses vorzubereiten.

An Stelle des ieider dutch Krsnkheit am Erseheinen verhinderten Geh. :Regie- rungsrates Prof. Dr. J. K S n i g braehte darauf Dr. A. B 5 m e r dessen Referat zum Vortrag und schloI] daran noch Mitteilungen fiber einen interessanten Fall yon Brunnen- Verunreinigungen (vergL S. 87).

Der gegenwiirtige Stand der Beurteilung yon Trink- and Abwasser nach der chemischen Analyse.

Von

J. Kiinig in Mfinster 3. W.

Bis vor etwa 15 Jahren galt die chemische Analyse als das einzige Hilfsmittel zur Beurteilung yon Trink- und Abwasser. Mit dem Aufschwunge der Bakteriologie und mit der Feststellung der Tatsache, dab unter Umst~nden das Trinkwasser auch die Ursache ansteckender Krankheiten sein kann, tra~ die bakteriologische Untersuchung des Trinkwassers immer mehr in den Vordergrund und im Jahre 1895 stellte G. F l i i g g e , den man woht als einen der ausgepr~igtesten Vertreter der neuen Rich- tung bezeichnen daft, sogar die folgenden LeitZitze auf:

1. ,Die bis jetz~ tibliche hygienische Bega~aeh~ung des Wassers lediglieh auf Grund der chemischen, bak~0eriologischen und mikroskopischen Untersuchung eingesandter Proben ist fast in allen Fallen verwerflich.

2. Die einmalige Priifuug eines Wassers auf seine hygienische Zul~tssigkeit als Trink- oder Brauchwasser muff vor allem dutch Besichtigung und sachversti~ndige Un~ersuchung der Entnahmestelle und der Betriebsanlage erfolgen. In manchen Fiillen liefert; diese Prtifung allein bereits eine Entscheidung. Meis~ens ist eine Erg~tnzung durch grobsinnliche Prtifung des Wassers sowie durch die Eisen- und H~ir~ebes~imnmng wiinschenswert; sel/Gen istG eine weil0ergehende chemische, bakteriologische oder mikroskopische Untersuchung zur SicheruDg der Result0a~e erforderlieh.- Bei l~euanlagen yon cent.ralen Grundwasserversorgungen mu5 man sich mit~ besonderer Sorgfalt0 yon der Keimfreiheit~ des bet;reffenden Grundwassers verge- wissern.

8. Zur for~01aufenden Kontrolle yon Wasserversorgungen, deren Anlage and Betrieb bekannt ist, eigne~ sich die bakteriologische, zuweilen auch die chemische Analyse einwandfcei entnommener 1)roben. Die hygienische Bedeutung auff~,tlliger Resulta~e der Analyse ist~ meist nur aus einer wiederholten Besichtigung und Untersuehung der Versorgungsanlage zu ent- nehnlen."