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~2. NOVEMBERi 9 3 2 KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. II. JAHRGANG. Nr. 46 1919 KURZE WISSENSCHAFTLICHE MITTEILUNGEN. 0BER DAS VORKOMMEN DER SOGENANNTEN TOXISCHEN (PATHOLOGISCHEN) LEUKOCYTENGRANULATION BEI RADIOLOGEN UND RADIOLOGISCHEN HILFSKR~FTEN. Von H. HIRSCIIFELD und I. MOLDAWSKY, Zahlreiche Arbeiten der letzten Jahre (ALDER, NAEGELI, GLOOR, FREIFELD, MOMMSEN, SCHILLING, SCHULTEN, MATIS, BARTA u.a.) beschMtigen sich mit dem Vorkommen und der Bedeutung der toxischen Granulation, die MOMMSEN pathologische genannt hat, in den neutrophiten Leukocy"cen bet Infektionskrankheiten. Das Protoplasma dieser Zellen zeigt die neutrophilen Granula in Giemsa-Prgparaten nicht mehr gleichartig in dem bekannten rotvioletten Ton gefgrbt, sondern sie sind ungleich groB, z.T. eckig und zackig, un- gleichm~Big verteilt. Oft sieht man zwei Arten pathologischer K6rnelungen, wie besonders GLOOR gezeigt hat, n&mlich eine leuchtend rotviolette Form a und eine mehr brgunliche dunkelblauschwarze gr6bere, b genannt, die h~ufiger vor- kommt. Wir wollen auf Wesen und Bedeutnng dieser K6rne- lung und alles, was dariiber schon geschrieben ist, an dieser Stelle nicht eingehen und nur erw~thnen, dab es zwei be- sondere Methoden gibt, mit denen man diese K6rnelung sozusagen elektiv darstellen kann, n~mlich die you FREIFELD und die yon MOMMSEN. Bei der flblichen F~rbung des Blutes nach MAY-GRUENWALD- GIEMSA treten die foxisehen KSrnelungen erst dann hervor, wenn sie schon sehr seharf ausgepr~gt sind. In den meisten F~llen aber entgehen sie infolge der zu schwachen F~rbung der Beobachtung, namentlich dem wenig geflbten Auge. Im Jahre 1923 empfahl des- halb FREIFELD zur I(enntlichmachung der toxischen K6rnelungen in den Leukocyten die Verwendung eines Carb01-Fuchsin-Methylen- blaugemisches. Bei diesem Verfahren lasseu sich die toxischen Ver~nderungen im Protoplasms der neutrophilen Leukocyten und der Myelocyten feiner ablesen als bei der F~rbung rnit bloBem Methylenblau. Eine noch deutlichere Zeichnung der toxischen Br6ckelung erh~lt man rnit dem Verfahren -con MOMMSEN. Dieses beruht auf den Arbeiten yon I-IOFtrMEISTER, SPIR0, BETHE U. a., die gezeigt haben, dab die F~rbungsintensit~t eines Gels vorwiegend yon dem S~uregrad der FarbstofflSsung abh~ngt, wobei die sauren Farben eine intensivere F~rbung des Pr~parates in saurem Milieu, die alkalischen dagegen in alkalischem Milieu zustande bringen. Nach einer Reihe yon Versuehen gelang es MO~IMSEN festzustellen, dab die beste FXrbung der neutrophilen Granulationen im Bereich p~ ~ 6,0--7,o zustande kommt. 13el hSherer Konzentration der H-Ionen nimmt die Intensit~t der GranulafXrbung ab. Unterhalb pE = 5 lassen sieh beim ges~nden Menschen nut sehr selten Granula darstellen. Neben dez scharfen Kontrastf~rbung des Kerns erscheint das Protoplasms der neutro- philen Leukocyten gleiehm~gig rosa gefXrbt. Im Gegensatz dazu heben sich toxische Granula bet demselben SXuregrad (p~ = 5,4) sehr deutlieh yon dem anderen Protoplasms ab. t3ei dem Mommsen- schen Verfahren wird die Giemsasche Mischung in einer speziellen Pufferflfissigkeit mit der H-Ionenkonzentration PE = 5,4 gelSst (30 Tropfen auf IO ccm). Wenn man gute und leicht differenzierbare Pr~parate erhalten will, soil man bet der Anwendung der Mommsen- schen Methode nicht weniger als 4~ Tropfe n Giemsa (HoLLBORN) auf IO ccm der PufferlSsung nehmen and das Pr~parat nicht weniger als i--i~/~ Stunden in der Farbl6sung belassen. Die Leukocytenkerne erhalten dabei eine deutliche violette Kontrastf~rbung mit einer vortrefflichen Zeichnung der Kernstruktur, w~hrend das Protoplasma der neutrophilen Zellen bet vollst~ndig gesunden Menschen sich gleichmSBig zart-rosa f~Lrbt, bet gewissen I~2rankheiten aber, vor allem bet infekti6sen, mit toxischen K6rnchen besXt erscheinf; die K6rnchen sind je naeh dem Fall bald feiner, bald grSber, haben ein dunkleres Aussehen, liegen bald sehr nahe an- einander, bald sind sie dfinner verstreut. Die gr6beren, dicht aneinander liegenden I~Srnchen entsprechen ~cief- greifenderen VerS~nderungen nnd werden in Zellen angetroffen, die anscheinend schwere toxische Besch~tdigungen erlitten haben. Es gibt alle m6gliehen Ubergangsformen yon diesen schwersten Ver~nderuugen bis zu den allerleichtesten, die sich in der Form tether, zarter St~ubchen kundtun. Um das Wesen und die Bedeutung der toxischen (patho- logischen) Granulation zu erschlieBen, haben wir uns die Aufr gabe gestellt, festzustellen, ob die K6rnelung nicht such bet sonst gesunden Mensehen, die danernd der Einwirkung irgend- weleher ~ugeren Einfltisse ausgesetzt sind, auftritt. Zu diesem Zweck untersuchten wit das Blur bet Radiologen, also bet gesunden Individuen, die bernflich der dauernden Einwirkung der Strahlenenergie ausgesetzt sind. Als Material diente uns: I. das Personal der Strahlenabteilung des Krebsinstitutes der Charit6*, 2. das radiologische Personal der II. Medizini- schen Klinik der Charit6, 3. das Personal der R6ntgenabteilung des Berliner St/~dtischen Krankenhauses Friedrichshain, 4. das mit der Herstellung radioaktiver Stoffe und Apparate beschMtigte Personal der Auergesellschaft. Zur Kontrolle untersuchten wir gleichzeitig das Blur bet dem gesamten, mit keiner Strahlungsenergie in ]3eriihrung kommenden Personal der h~matologischen Abteilung des Krebsinstitutes. Wir behalten uns vor, die Protokolle der Untersuchungen an ether anderen Stelle zu ver6ffentlichen und m6chten bier nut zusammenfassend fiber die Ergebnisse berichten: I. Bet Personen, die unmittelbar in Bertihrung mit RSntgen- und radioaktiven Apparaten kommen, somit der dauernden Einwirkuug der Strahlenenergie ausgesetzt sind, zeigen die neutrophilen Leukocyten bet der Molnmsenf/irbnng eine scharf ausgepr~gte Granulierung des Pro• Die KSrnelung ist mitunter so intensiv, wie man sie sonst z. ]3. bet der Pneumonie zu sehen bekommt. Bet Personen, die in keine direkte Berfihrung mit der Strahlenenergie kommen, jedoch in den R~tumen der Strahleninstitute arbeiten (Sekre- t~re, Assistentinnen), ist ebenfalls eine K6rnelung des Proto- plasmas nachweisbar, doch ist diese weniger intensiv aus- gebildet. 2. Bet fast allen Personen, bet welchen K6rnelung des Protoplasmas nachweisbar war, konnte auBerdem noch eine Verringerung des absoluten Gehaltes an Neutrophi!en fest- gestellt werden. Dieses Verhalten der Neutrophilen wurde tibrigens bereits wiederholt yon Forschern, die sich mit dem EinfluB der Strahlenenergie ant das weiBe Blur befagten, hervorgehoben. Die Ergebnisse unserer Untersuchungen berechtigen nns zu folgenden SchluBfolgerungen: I. Zur Entstehung yon toxischen Granulationen in den neutrophilen Leukocyten ist es nicht er]orderlieh, dab eine In- jektion vorliegt. 2. Da die yon uns untersuchten Personen, bet welehen K6rnelung des Protoplasmas nachgewiesen werden konnte, vollstXndig gesund waren, obwohl manche yon ihnen nahezu 3 ~ Jahre (!) der Einwirkung des Dauerreizes (der Strahlungs- energie) ausgesetzt sind, so dart daraus geschlossen werden, dab das Auftreten der gesehilderten Granula im Protoplasma der Neutrophilen nicht als Folge eines Degenerationsprozesses angesehen werden dart. Wir neigen vielmehr zu der An- sicht, dab die Strahlungsenergie in solehen F~illen eine reaktive Reizung des leukopoetischen Apparates bewirkt, in ~hnlicher Weise, wie sie eine Reizung des erythropoetischen Systems des Knochenmarkes erzeugt (MoLDAWSKY). 3. Nach unseren Befunden w~re es vielleicht richtiger, die im Protoplasms der neutrophilen Leukocyten bet Infektionen und nach l~ngerer Einwirknng yon R6utgen- und Radium- strahlen auf.tretende Granulation yon abweichender Form und F~rbung nicht als ,,toxische" oder ,,pathologische", sondern als ,,reaktive" zu bezeichnen. Wir wollen nicht unerwS,hnt lassen, dab ]3ARTA bet bestrahlten LeukXmien such ,,toxische Granulation" be- schrieben hat. Wir selbst, die wit unsere Untersuchungen systema• fortsetzen, linden sie auBerordentlich oft bei * Bet dieser Gelegenheit drficken wir Herrn Prof. Dr, HALBERSTAEDTtgR, Dr. KNOTHE, Dr. MAX COHN unseren verbindlichsten Dank ffir den uns erwiesel~en Bet- stand aus.

Über das Vorkommen der Sogenannten Toxischen (Pathologischen) Leukocytengranulation bei Radiologen und Radiologischen Hilfskräften

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Page 1: Über das Vorkommen der Sogenannten Toxischen (Pathologischen) Leukocytengranulation bei Radiologen und Radiologischen Hilfskräften

~2. NOVEMBER i 9 3 2 K L I N I S C H E W O C H E N S C H R I F T . II. J A H R G A N G . Nr . 46 1919

K U R Z E W I S S E N S C H A F T L I C H E M I T T E I L U N G E N .

0BER DAS VORKOMMEN DER SOGENANNTEN TOXISCHEN (PATHOLOGISCHEN) LEUKOCYTENGRANULATION

BEI RADIOLOGEN UND RADIOLOGISCHEN HILFSKR~FTEN.

Von

H . HIRSCIIFELD u n d I . MOLDAWSKY,

Zahlreiche Arbeiten der letzten Jahre (ALDER, NAEGELI, GLOOR, FREIFELD, MOMMSEN, SCHILLING, SCHULTEN, MATIS, BARTA u . a . ) beschMtigen sich mit dem Vorkommen und der Bedeutung der toxischen Granulation, die MOMMSEN pathologische genannt hat, in den neutrophiten Leukocy"cen bet Infektionskrankheiten. Das Protoplasma dieser Zellen zeigt die neutrophilen Granula in Giemsa-Prgparaten nicht mehr gleichartig in dem bekannten rotviolet ten Ton gefgrbt, sondern sie sind ungleich groB, z .T . eckig und zackig, un- gleichm~Big verteilt . Oft sieht man zwei Arten pathologischer K6rnelungen, wie besonders GLOOR gezeigt hat, n&mlich eine leuchtend rotviolet te Form a und eine mehr brgunliche dunkelblauschwarze gr6bere, b genannt, die h~ufiger vor- kommt. Wir wollen auf Wesen und Bedeutnng dieser K6rne- lung und alles, was dariiber schon geschrieben ist, an dieser Stelle nicht eingehen und nur erw~thnen, dab es zwei be- sondere Methoden gibt, mit denen man diese K6rnelung sozusagen elektiv darstellen kann, n~mlich die you FREIFELD und die yon MOMMSEN.

Bei der flblichen F~rbung des Blutes nach MAY-GRUENWALD- GIEMSA treten die foxisehen KSrnelungen erst dann hervor, wenn sie schon sehr seharf ausgepr~gt sind. In den meisten F~llen aber entgehen sie infolge der zu schwachen F~rbung der Beobachtung, namentlich dem wenig geflbten Auge. Im Jahre 1923 empfahl des- halb FREIFELD zur I(enntlichmachung der toxischen K6rnelungen in den Leukocyten die Verwendung eines Carb01-Fuchsin-Methylen- blaugemisches. Bei diesem Verfahren lasseu sich die toxischen Ver~nderungen im Protoplasms der neutrophilen Leukocyten und der Myelocyten feiner ablesen als bei der F~rbung rnit bloBem Methylenblau. Eine noch deutlichere Zeichnung der toxischen Br6ckelung erh~lt man rnit dem Verfahren -con MOMMSEN. Dieses beruht auf den Arbeiten yon I-IOFtrMEISTER, SPIR0, BETHE U. a., die gezeigt haben, dab die F~rbungsintensit~t eines Gels vorwiegend yon dem S~uregrad der FarbstofflSsung abh~ngt, wobei die sauren Farben eine intensivere F~rbung des Pr~parates in saurem Milieu, die alkalischen dagegen in alkalischem Milieu zustande bringen. Nach einer Reihe yon Versuehen gelang es MO~IMSEN festzustellen, dab die beste FXrbung der neutrophilen Granulationen im Bereich p~ ~ 6,0--7,o zustande kommt. 13el hSherer Konzentration der H-Ionen nimmt die Intensit~t der GranulafXrbung ab. Unterhalb pE = 5 lassen sieh beim ges~nden Menschen nut sehr selten Granula darstellen. Neben dez scharfen Kontrastf~rbung des Kerns erscheint das Protoplasms der neutro- philen Leukocyten gleiehm~gig rosa gefXrbt. Im Gegensatz dazu heben sich toxische Granula bet demselben SXuregrad (p~ = 5,4) sehr deutlieh yon dem anderen Protoplasms ab. t3ei dem Mommsen- schen Verfahren wird die Giemsasche Mischung in einer speziellen Pufferflfissigkeit mit der H-Ionenkonzentration PE = 5,4 gelSst (30 Tropfen auf IO ccm). Wenn man gute und leicht differenzierbare Pr~parate erhalten will, soil man bet der Anwendung der Mommsen- schen Methode nicht weniger als 4 ~ Tropfe n Giemsa (HoLLBORN) auf IO ccm der PufferlSsung nehmen and das Pr~parat nicht weniger als i--i~/~ Stunden in der Farbl6sung belassen.

Die Leukocytenkerne erhalten dabei eine deutliche violette Kontrastf~rbung mit einer vortrefflichen Zeichnung der Kernstruktur, w~hrend das Protoplasma der neutrophilen Zellen bet vollst~ndig gesunden Menschen sich gleichmSBig zart-rosa f~Lrbt, bet gewissen I~2rankheiten aber, vor allem bet infekti6sen, mit toxischen K6rnchen besXt erscheinf; die K6rnchen sind je naeh dem Fall bald feiner, bald grSber, haben ein dunkleres Aussehen, liegen bald sehr nahe an- einander, bald sind sie dfinner verstreut. Die gr6beren, dicht aneinander liegenden I~Srnchen entsprechen ~cief- greifenderen VerS~nderungen nnd werden in Zellen angetroffen, die anscheinend schwere toxische Besch~tdigungen erlitten haben. Es gibt alle m6gliehen Ubergangsformen yon diesen

schwersten Ver~nderuugen bis zu den allerleichtesten, die sich in der Form tether, zarter St~ubchen kundtun.

Um das Wesen und die Bedeutung der toxischen (patho- logischen) Granulation zu erschlieBen, haben wir uns die Aufr

�9 gabe gestellt, festzustellen, ob die K6rnelung nicht such bet sonst gesunden Mensehen, die danernd der Einwirkung irgend- weleher ~ugeren Einfltisse ausgesetzt sind, auftritt . Zu diesem Zweck untersuchten wit das Blur bet Radiologen, also bet gesunden Individuen, die bernflich der dauernden Einwirkung der Strahlenenergie ausgesetzt sind. Als Material diente uns: I. das Personal der Strahlenabteilung des Krebsinstitutes der Charit6*, 2. das radiologische Personal der II. Medizini- schen Klinik der Charit6, 3. das Personal der R6ntgenabteilung des Berliner St/~dtischen Krankenhauses Friedrichshain, 4. das mit der Herstellung radioaktiver Stoffe und Apparate beschMtigte Personal der Auergesellschaft. Zur Kontrolle untersuchten wir gleichzeitig das Blur bet dem gesamten, mit keiner Strahlungsenergie in ]3eriihrung kommenden Personal der h~matologischen Abteilung des Krebsinstitutes.

Wir behalten uns vor, die Protokolle der Untersuchungen an ether anderen Stelle zu ver6ffentlichen und m6chten bier nut zusammenfassend fiber die Ergebnisse berichten:

I. Bet Personen, die unmittelbar in Bertihrung mit RSntgen- und radioaktiven Apparaten kommen, somit der dauernden Einwirkuug der Strahlenenergie ausgesetzt sind, zeigen die neutrophilen Leukocyten bet der Molnmsenf/irbnng eine scharf ausgepr~gte Granulierung des Pro• Die KSrnelung ist mitunter so intensiv, wie man sie sonst z. ]3. bet der Pneumonie zu sehen bekommt. Bet Personen, die in keine direkte Berfihrung mit der Strahlenenergie kommen, jedoch in den R~tumen der Strahleninstitute arbeiten (Sekre- t~re, Assistentinnen), ist ebenfalls eine K6rnelung des Proto- plasmas nachweisbar, doch ist diese weniger intensiv aus- gebildet.

2. Bet fast allen Personen, bet welchen K6rnelung des Protoplasmas nachweisbar war, konnte auBerdem noch eine Verringerung des absoluten Gehaltes an Neutrophi!en fest- gestellt werden. Dieses Verhalten der Neutrophilen wurde tibrigens bereits wiederholt yon Forschern, die sich mit dem EinfluB der Strahlenenergie a n t das weiBe Blur befagten, hervorgehoben.

Die Ergebnisse unserer Untersuchungen berechtigen nns zu folgenden SchluBfolgerungen:

I. Zur Entstehung yon toxischen Granulationen in den neutrophilen Leukocyten ist es nicht er]orderlieh, dab eine In- jektion vorliegt.

2. Da die yon uns untersuchten Personen, bet welehen K6rnelung des Protoplasmas nachgewiesen werden konnte, vollstXndig gesund waren, obwohl manche yon ihnen nahezu 3 ~ Jahre (!) der Einwirkung des Dauerreizes (der Strahlungs- energie) ausgesetzt sind, s o dart daraus geschlossen werden, dab das Auftreten der gesehilderten Granula im Protoplasma der Neutrophilen nicht als Folge eines Degenerationsprozesses angesehen werden dart. Wir neigen vielmehr zu der An- sicht, dab die Strahlungsenergie in solehen F~illen eine reaktive Reizung des leukopoetischen Apparates bewirkt, in ~hnlicher Weise, wie sie eine Reizung des erythropoetischen Systems des Knochenmarkes erzeugt (MoLDAWSKY).

3. Nach unseren Befunden w~re es vielleicht richtiger, die im Protoplasms der neutrophilen Leukocyten bet Infektionen und nach l~ngerer Einwirknng yon R6utgen- und Radium- strahlen auf.tretende Granulation yon abweichender Form und F~rbung nicht als ,,toxische" oder ,,pathologische", sondern als ,,reaktive" zu bezeichnen.

Wir wollen nicht unerwS, hnt lassen, dab ]3ARTA bet bestrahlten LeukXmien such ,,toxische Granulation" be- schrieben hat. Wir selbst, die wit unsere Untersuchungen systema• fortsetzen, l inden sie auBerordentlich oft bei

* Bet dieser Gelegenheit drficken wir Herrn Prof. Dr, HALBERSTAEDTtgR, Dr. KNOTHE, Dr. MAX COHN unseren verbindlichsten Dank ffir den uns erwiesel~en Bet- stand aus.

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1920 K L I N I S C H E W O C H E N S C I d R I F T . i i . J A H R G A N G . Nr. 46

schweren Carcinomen und glauben schon jetzt sagen zu k6nnen, dab man Me auch bei manchen anderen Krankheitell sieht, wenn man die Mommsensche Methode anwendet. Ihr Vorkommen ist also keineswegs auf Infektionskrank- heiten beschr~nkt. (Aus der I-I(~matologischen Abteilung des Universitd~tsinstitutes /i~r IYrebs]orschung an der Charit~ [Direktor: Geh. Rat Pro]. Dr. F. BlumenthalT.)

~2. NOVEMBER I932

das Au]treten verschiedener S(~urekonzentration im Magensa]t lceines]alls ausschlaggebend beeinflussen kann. Untersuchungen fiber S~urebindung des Magensaftes nach verschiedenartiger Nahrungszufuhr sind im Gange. Ausffihrliche Mitteilung er- seheint anderen Orts. (Aus der Sonderabteilung yi~r StoJj- weehselkrankheiten, Ern~hrungsstSrungen und di(~tetische Heil- methoden im Krankenhause der Stadt Wien [ Vorstand: Geheim- rat Pro]. Dr. C. v. Noorden].)

SAUREBINDUNG UND AKTUELLE REAKTION DES MAGENSAFTES.

Won

H. SCHWARZ u n d M. TAUBENHAUS.

Auftreten yon verschieden konzentrierter Salzs/~llre im Magensaft wird yon der Mehrzahl der Physiologen durch die Annahme erkl~rt, dab zuerst Salzs~ure bestimmter gleich- artiger Konzentration entsteht und durch ]3indung dieser SXure an den Mageninhalt, vorwiegend an den Magenschleim, der aktuelle SXuregehalt zustande kommt. ]3esonders yon Klinikern wird demgegenfiber betont, es rnfisse dennoch verschieden konzentrierte HC1 durch Sekretion entstehen, und der Abbindung saurer Valenzen k~me llntergeordnete Bedeutung zu. Endgfiltige ]3eweise liegell ffir beide An- nahmen zur Zeit nicht vor. Wir versuchten durch elektro- metrische Titration filtrierter und unfiltrierter Magens~fte Einblick in diese Fragen zu erhalten. Wir bestimmten zu diesem Zwecke I. die Titrationskurve anacider Magens~Jte durch Zugabe yon Salzs~Lure und 2. die Titrationskurve saurer Magens~/te, die dllrch Nfichternausheberung, nach Insulin- reiz oder Alkoholprobefrfihstfick gewonnen waren, nach Laugenzugabe. Die Versuchsergebnisse waren fo]gende:

I. Bei einem gr6Beren Tell anacider S~fte wurden die zuerst zugesetzten S~uremengen vom uniiltrierten Saft voll- st~ndig oder zum gr6Bten Teil gebunden. Es zeigte sich deln- nach bei S~urezusatz in diesem Bereich keine oder geringe Anderung der Wasserstoffionenkonzentration. Die Titra- tionskurve verlief bierbei fast horizontal. Geringste weitere S~urezugabe bewirkte einen starken Allstieg der Wasserstoff- ionenkonzentration; die Titrationskurve zeigte nach einem sch~rferell Knick Verschiebung in den stark sauren ]3e- reich.

Bei filtrierten S~ften wurde hingegen schon nach geringem S~urezusatz betdichtlichere Zunahme der Wasserstoffionen- konzentratioll festgestellt.

Es besteht demnach schon bei geringerem S~urezusatz verschiedenes Verhalten filtrierter und nnfiltrierter anacider S~fte. ]3ei gr6Berem S~urezusatz f~llt das S~urebindllngs- verm6gen des unfiltrierten Saftes pl6tzlich ab. Die Titrafions- kurven ein nnd desselben filtrierten und unfiltrierten Saftes zeigen einen allm~hlichen konvergierenden Verlauf. Die Titra- t ionskurven weiehen am st~rksten bei geringerer Wasserstoff- ionenkonzentration voneinander ab, als der zumeist auf der H6he der Sekretion vorhandenen HC1 entspricht. Daraus muf3 geschlossen werdell, dab die S~urebindung des Schleims ffir verschiedene Konzentration der S~Lure im Magensaft nicht allein yon aussehlaggebender ]3edeutung sein kanll.

2. ]3ei Titration saurer S~ifte mit Lauge besteht zun~ichst keinerlei Verschiedenheit zwischen filtriertem und unfiltrier- tern Saft. Erst nach gr6Berer Alkalizugabe, etwa bet p~ 1,6 bis 2,8, weichen die Kurven auseinander. Der filtrierte Magensait zeigt die yon L. MICHAELIS U.a. beschriebene Elektrotitrationskurve. Der unfiltrierte Magensaft hingegen zeigt deutlich gr6Beres Alkalibilldungsverm6gen.

Auch aus diesen ]3efunden muB geschlossen werdell, dab der maximale Unterschied der Titrat ionskurven filtrierten und unfiltrierten Magensaftes bet weft geringerer Wasserstoff- ionenkonzentration gelegen ist, als der aktuellen Reaktioll des Magensaftes auf der H6he der Sekretion entspricht. Der ptrz]3ereich schwallkt mit der Schleimmenge u. a. und ist daher in verschiedenen S~iftell ungleich.

Wir glauben aus diesen Versuchen ableiten zu k6nnen, dab das S~urebindungsverm6gen des Magensa#schleims allein

BEITRAG ZUM STUDIUM EXTRASYSTOLISCHER ARRHYTHMIEN DURCH CAROTIDEN-

ABKLEMMUNG. Von

AI)OLF SCHOTT, Bad Nauheim und Frankfurt a. IV[.

W~hrend fiber die Ents tehung yon Extrasystolen durch Pharmaca, Reizung der extrakardialen Herznerven, Reizung bestimmt abgegrenzter Bezirke des Zentralnervensystems schon eine groBe Zahl einwandfreier Untersuchungen vor- liegen, sind unsere Kenntnisse fiber die reflektorische Ent- stehung yon Extrasystolen noch verh~ltnism~Big sp~rlich. Es schien daher wfinschenswert, die unter best immten Ver- suchsbedingungen bet Abklemmung der beiden Carotides com- munes auftretenden Extrasystolen zu einem eingehenderen Studium der auf reflektorischem Wege ausl6sbaren Extra- systolen heranzuziehen, nachdem HERING 8 die refiektorische, yore Carotissinus ausgehende Entstehung und REGNIERS 8 elek- trokardiographisch die extrasystolische Natur sclcher durch Carotidenabklemmung auftretender, erstmals yon I{ISCH 5 gefundener Arrhythmien nachgewiesen hatte.

Die Versuche wurden wie diejenigen REGNIERS' (allf dessen Angaben hinMchtlich frfiherer einschl~giger Arbeiten ver- wiesen set) an nlorphinisierten Kaninchen vcrgenornmen. Die RhTdchmusst6rungen wurden elektrokardiographisch ana- lysiert, die Elekfrokardiogramme in Ableitung 2 mit einern groBen Edelmannschen Saitengalvanometer registriert.

Es konnten zun~chst die Befunde REGNIERS' best~Ltigt werden, dab durch Abklelnmung beider Carotiden bei morphi- nisierten Kaninchen ventrikul~ire Extrasystolen auftreten k611nen und dab unter solchen Versuchsbedingungen die Durchtrennung der beiden Aortennerven das Auftreten yon Extrasystolen begfinstigt (vgl. a. HERING~). Meine Versuche wurden im fibrigen, yon geringen Ausnahmen abgesehen, bei erhaltenen Aortennerven ausgeffihrt. Hierbei zeigte sich allerdings, dab nur bet 2 yon 21 ulltersuchten Tieren durch Carotidenabklemmung allein Extrasystolen auftraten.

Der extrasystolenf6rdernde EinfluB der Carotidenabklem- mung zeigte sich wesentlich deutlicher und regelm~Biger am sensibilisierten I-terzen. Zur Sensibilisierung der tertfiiren Reizbildungszentren wurde in IO Versuchen Bariumchlorid, in 7 Versuchen Strophanthill B6hringer und in 3 Versuchen Aconitin. amorph. Merck verwendet. Nur in einem dieser Versuche ffihrte Carotidenabklemmung vor der Sensibilisierung zu dem Auftreten yon Extrasystolen, in allen anderen Ver- suchen erfolgte auf den VerschluB der beiden Carotiden ledig- lich eine mehr oder minder ausgesprochelle Beschleunigung des Sinusrhythmus.

Hinsichtlich der Arrhythmien ergaben sich folgende ]3e- funde :

Bariumehlorid: In 8 der io Versuche wurden nach Sensibili- sierung mit ]3ariumchlorid nach Carotidenabklemmung Kammerextrasystolen beobachtet, wobei bet der gew~ihlten Ableitungsrichtung die Hauptschwankung in der fiber- wiegenden Mehrzahl der F~ille naeh abw~rts gerichfet war. Dabei gibt es ein Stadium der Bariumvergiftung, in dem die Extrasystolen nur bet abgeklemmten Carotiden vorhanden sind und bet Freigabe der Carotiden sofort verschwinden.

]3esonders auffatlend war, dab in 4 Versuchen, und in diesen wiederholt, lallgdauernde ulld ununterbrochene ]3igeminien durch ventrikul~ire Extrasystolen gefunden wurden, wobei die Extrasystolen im Elektrokardiogramm dauernd die gleiche Form zeigten und an den vorhergehenden Normalschlag lest-