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Aus dem Pharmakologischen Institut der Universit'~t Kiinigsberg i. Pr.
UI)er den Einflu6 yon Mineralsalzen auf die Oigiialiswirkung.
Voll
C. E. Sehuntermann. (Eingegangen am 25. I. 1932.)
Die immer wieder experimentell untersuchte Frage der Trans- und Demineralisation ist dutch die modernen di~itetisehen Bestrebungen, die sich an die STamen S a u e r b r u c h , H e r r m a n n s d o r f e r und Gerson knfipfen, erneut zur Diskussion gestellt worden. Damit verbunden ent- stand aufs Neue das Problem, ob mSglicherweise generelle Beziehungen zwisehen dem Mineralsalzgehalt des Organismus und der Wirksamkeit yon Heilstoffen naehzuweisen sind (E i ehho l t z l ) .
Seit der Entdeckung des merkwiirdigen Zusammenwirkens yon Calcium und Digitalisglykosiden ist dieser Synergismus hi~ufig nach- untersueht worden ( W e r s c h i n i n 2, C la rk a, v. K o n s c h e g g ~, Loewi 5 B o e h m 6, Ar ima~, F i s c h e r s u.a.). Darfiber hinaus wurde auf eine antagonistisehe Wirkung des Kaliums hingewiesen (Boehm, A r i m a , Loewi), wahrend merkwtirdigerweise bis heute fiber das Zusammen- wirken yon Digitalisstoffen mit Natrium- und Magnesiumsalzen keine Angaben vorliegen.
Wie bekannt, sind die erw~hnten Versuehe am isolierten Herzen ausgeftihrt worden und kOnnen infolgedessen nicht unmittelbar auf die Vorg~nge im ganzen Tier fibertragen werden. Die ursprfinglieh yon
F. Eichholtz, Karlsbader "~rztliche Vortr~ige 1929, Bd. 11, S. 159. 2 N.Werschinin, Arch. f. exp. Pathol. u. Pharmakol. 1910j Bd. 631 S. 386.
A. J. Clark, Proc. of the Roy. Soc. of Med. 1.912, Bd. 51 S. 181. 4 A. v. Konschegg', Arch. f. exp. Pathol. u. Pharmakol. 1913, Bd. 71, S. 251.
0. Loewi, Ebenda 1918, Bd. 82, S. 131. Pfliigers Arch. f. d. ges. Physiol, 1921, Bd. 188, S. 87.
6 M. Boehml Arch. fi exp. Pathol. u. Pharmakol. 19131 Bd. 75, S. 230. 7 R. Arima, Pfiiigers Arch. f. d. ges. Physiol. 1914, Bd. 157, S. 531. s H. Fischer, Arch. f. exp. Pathol. u. Pharmakol. 19281 Bd. ]301 S. 198.
186 C.E. ScHuNTERMANN:
H a n z l i c k angegebene und dann yon B u r n 1 verbesserte 5iethode der Titration yon Digitalisstoffen an der Taube sehien daher einen Weg zu 5ffnen, um das Zusammenwirken yon Digitalisglykosiden und Mineral- salzen am intakten Warmbliiter zu untersuehen.
Versuchsmethodik. Als Versuchsmaterial diente ein StamIn yon 25 Tauben mit einem Durch-
schnittsgewicht yon 200--.350 g, denen 16 Stunden vorher das Futter ent- zogen wurde, und denen naehcinander das Digita]ispr~parat in die Fitigel- venen injiziert wurde. Im Verlauf yon 15 ~r trat je nach der Dosierung in einem kleineren oder grSl~eren Prozentsatz in unverkennbarer Weise die Brechwirkung ein. Wegen der langsamen Ausseheidung der DigitaliskOrper wurden die Tiere wSchentlieh nut einmal ftir den Versuch herangezogen. Es wurde flit alle Untersuchungen auBer ftir die Feststellung leta]er Dosen stets derselbe Tierstamm benutzt. Das Futter bestand in einer )Iischung yon Erbsen und Wicken.
Ms Digitalispr~parat wurde das Digalen-Cloetta gewhhlt. Die efforder- lichen Mengen stammten aus derselben Herstellungscharge. (Ffir die {Jber- lassung der Versuehsmengen sei an dieser Stelle der Firma Hoffmann La Roche besonders gedankt.) Dutch Verdtinnung des Digalens mit destilliertem Wasser wurde die injizierte Fltissigkeitsmenge stets zwischen 0,1 und 0,2 ecru gehalten.
Fiir die Vorbehandlung mit Mineralsalzen wurde, da die Versuche vor- wiegend ein praktisehes Ziel veffolgten, auf den Vergleieh ~quimolekularer Gewichtsmengen verziehtet. Die Dosierung erfolgte naeh pharmakologisehen Prinzipien. 1/r Stunde vor der Digitalisapplikation erhielten die Tauben ein Ftinftel der letalen Dosis des jeweils zu priifenden Mineralsalzes in den Brust- muskel injiziert. Die letalen Dosen wurden dutch Vorversuehe ermittelt und betrugen ftir:
51atriumchlorid . . . . . . . . 1,75 g pro Kilogramm Kaliumchlorid . . . . . . . . . 1,00 g . . . . Calciumchlorid . . . . . . . . . 1,12 g . . . . Magnesiumchlorid . . . . . . . 0,60 g . . . . ~atriumbikarbonat per os . . . 4,00 g . . . . Natriumbikarbonat intramuskul~r 4,00g . . . . Natriumoxalat intramuskul~r . 0,12 g . . . .
Die Tiere mtissen w~hrend des Versuches vor ~ul~eren StSrungen dutch L~rm oder andere Ablenkungen gesehiitzt werden.
Versuchsergebnisse.
Zur Feststellung der Empfindlichkeit des Tierstamms gegen Digalen wurden Vorversuche ohne Mineralsalzapplikation erforderlich, Auch w~hrend der Hauptversuche wurde die festgestellte Digalenempfindlich-
i j. H. Bl~rn, Journ. of pharmacol, a. exp. therapeut. 1930, Bd. 39, S. 102.
l~ber den Einflui~ von Mineralsalzen auf die Digitaliswirkung. 187
keit durch 5fters eingelegte Kontrol !bes t immungen fort laufend iiber-
wacht. Wie aus Tabelle 1 ersichtlich ist, blieb die durch den Vorversuch
ermittelte Digalenempfindlichkeit konstant .
Tabelte 1. D i g a l e n e m p f i n d l i c h k e i t des T a u b e n s t a m m e s .
Datum
1931
Zahl der Tauben, die D igalen in ccm erhalten
073 0,2 0~1
Davon haben
erbrochen In % Bemerkungen
7,
31. 5.
31. 2. XI.
30. XI. 15. I. 24. I. 28. II. 28. III.
II. 25 ].
V.
I
25 25 22 24 23
24 24 22 23
7 13 13 12 13 12 19 20 20 18
28 52 52 55 o4 } 52 76 80 90 , 78 I
Neuer Stamm
Aus der Tabelle ergibt sich, dab der Prozentsatz der mi t Brechakt
reagierenden Tauben yon der Dosis abMngig, aber bei tier g M c h e n
Dosis relativ kons tant ist, wie es bereits durch B u r n beschrieben
wird.
I n den folgenden Versuchen ist die mittlere Dosis von 0,2 ccm
Digalen pro Ki logramm injiziert worden und zwar nach Vorbehandlung
der Tiere mi t verschiedenen Yineralsalzen.
Tabelle 2. W i r k u n g yon 0,2 ccm Di ga l en n a c h V o r b e h a n d l u n g mi t 3 I ine ra l sa lzen .
Art Zahl der Davon Un- Xnderung Datum der Vor= Tiere im haben In % vorbehandelt in %
1 9 3 1 behandlung Versuch erbroohen
14. II. 15. VI.
21. IIi. 9,5. IV. 18. V. 24. II. 19. XII.
21. II. 14. XII.
7. III. 7. XII.
NaC1 NaCl
KCI KC1 KC1 KC1 KCI
CaC12 CaC12
Mg'CI~ N[gC12
23 20
24 25 23 24 24
23 24
24 24
17 15
12 19 13
9
10
18 19
16 17
73 75
50~ 76 57 37~4 4176
80 79
67 70
52 52
5"2 52 52 52 52
52 52
52 52
+ 23 + 23
- - 2
~- 24 + 7 - - 1 4
- - 1 0
+ 28 + 27
+ 15 q- 18
188 C.E. Se~U~TnR)~A~:
Bisher hat man nur ftir das Zusammenwirken yon Calcium und Digitalisstoffen einen verstArkten Effekt demonstriert, der naeh den vorliegenden klinischen Untersuchungen auch fitr den )ienscher~ zu Recht besteht. So soll die Empfindlichkeit gegen Digitalis je naeh dem Blutkalkgehalt verschieden sein, so dal~ z.B. Encephalitiker weniger Digitalis als Tetaniekranke brauchen. Die obigen Versuche zeigen in- dessen eindeutig, da6 auch an@re Mineralsalze beim intakten Warm- bltiter im gleichen Sinne wirken. Dabei ist der Untersehied in der Wirkung yon Calcium-, ~atrium- und ~iagnesiumchlorid lange nicht so erheblieh, wie man aus den fri~heren Versuchen am isolierten Herzen entnehmen wollte. Auf der anderen Seite ist ein Antagonismus im Sinne einer I-Ierabsetzung der Brechwirkung nur beim Kaliumchlorid in ge- ringem )[aBe und nicht regelm~6ig festzustellen. Der fiir das isolierte Froschherz demonstrierte Antagonismus zwischen Calcium und Kalium (Loewy, v. Konschegg) ist demnach ft~r das intakte Tier nicht deut- ]ieh nachweisbar. Es scheint deshalb die Annahme yon Loewi, da6 bei ,schweren Digitalisvergiftungen yon der Anwendung yon Kalisalzen ein allerdings nur voriibergehender Erfolg zu erwarten w~re" nicht ein- maI in dieser vorsiehtigen Form fttr das Kaliumchlorid G~iltigkeit zu haben. Dagegen wurde durch diese Versuche eindeutig festgelegt, da6 jede Mineralisierung des KSrpers in hSherem (Calcium, ~atrium) oder geringerem Grade (Magnesium) zu einer Verst~rkung des Digitalis- effektes fiihrt, und dal~ daher in Fallen yon I)igitalisiiberdosierung beim Menschen ein Versuch mit Demineralisierung dureh Entziehung der obigen Salze gemaeht werden sollte.
Um etwas deutlicher eine Abschw~chung des Digitaliseffektes zu erzielen, schien die Oxals~urevorbehandtung als der aussichtsreichste Weg. ~ach Loewi wirkt Strophantin am isolierten Froschherzen nicht mehr, wenn dasselbe dureh Oxalat entkalkt und nachher gritndtiO1 aus- gewasehen wird. In Vorversuehen wurde die letale Dosis yon Natrium- oxalat mit 0,12 g pro Kilogramm KSrpergewicht Taube ermittelt. Dem- entsprechend erhielten die Versuchstauben 0,04g Natriumoxalat---- etwa ein Drittel letale Dosis pro Kilogramm und 0,02 =-etwa ein Sechstel letale Dosis in den Brustmuskel injiziert. 3lach 15 Minuten wurde wie iiblich 0,2 ccm Digalen intravenSs verabfolgt.
Eine ~hnliche Wirkung rotate die Alkalisierung des Versuchstieres zur Folge haben, denn es ist bekannt, dal~ die Ionisierung des Calciums in alkaliseher Reaktion rasch verringert wird (Rona, T r e n d e l e n b u r g , ) [ i chae l i s u. a.).
Uber den Einflul3 yon Mineralsalzen auf die Digitaliswirkung. 189
Zur 5[achprtifung dieser Frage warden die Tauben mit der eben toxisch wirkenden Dosis ftir ~atriumbikarbonat vorbehandelt. Die t6dliehe Dosis yon NaHCOs ist ftir die perorale and intramuskuliire Darreiehung anni~hernd die gleiche und betragt 4,0 g pro Kilogramm. Dementsprechend erhielt der Taubenstamm 2,0 5TaHCOa per os bzw. 2,0 5Tat=ICOs intramuskullir und 15 ~Iinuten spater wurde wie frtiher 0,2 cem Digalen pro Kilogramm intravenSs injiziert.
In einem weiteren Versaeh wurde die hlkalisierung mit Hilfe yon Kaliumbikarbonat erzielt und zwar erhielten die Versuchstiere 0,25 g KHCOa pro Kilogramm in Form einer 10%igen LSsung.
Tabelle 3. Wirkung yon 0,2 ccm Digalen bei Calciummange].
I '1 D a t u m Vorbehandlung + Zahl tier Davon Un- 3_nderung i pro kg ' Tiere haben I n % vorbehande l t in %
1931 [ erbrochen
11. V. O.04g Natriumoxalat I I ' intramuskul~tr !
26. X. i O,02g ~atriumoxalat ! intramuskul~tr I
25. V. 2~0 g ,NattCO3 per os J 1, VI. 2,0 g 1NaHC03 intra-]
muskuI~ir 18. I. 0,25 g KHC0a intra-
muskul:,ir i
25
25
22 22
24
9 36
9 36
13 59 10 50
7 2 9
52
52
52 52
52
- 1 6
- 1 6
+ 7 - - 2
- 2 3
Im Vergleieh mit der Tabelle i ergibt sich, da6 jede Entionisierung des Calciums zu einer verminderten Digitaliswirkung ftihrt. Dieses gilt beson- ders ftir die Vorbehandlung mit Natriumoxalat, dureh die die Breeh- wirkung erheblieh vermindert wird. Dureh diesen experimentellen 5Tach- weis am intakten Tier wird der L o e wi sche Befund, dab Caleiumentziehung die Digitaliswirkung verringert, aueh ftir den Warmbltiter besti~tigt.
Aus der Tabelle ist welter ersichtlieh, dal~ die enterale und intra- muskulare Vorbehandlung mit 2 g 5Tatriumbikarbonat pro Kilogramm auf den Digitaliseffekt gering ist und zwar voraussiehtlieh dadureh, dab die Wirkung des ionisierten Calciums dareh die gleiehzeitige Darreiehung des Natriumions antagonistiseh beeinfluBt wird.
NaHCO3 kann demnaeh ftir den lebenden Warmbltiter nieht als sieherer Antagonist des Digitaliseffektes angesehen werden. Demgegen- tiber ist wiederum bei Vorbehandlung mit Kaliumbikarbonat eine er- hebliche Vermin@rung des Digitaliseffektes naehzuweisen.
Ein Tell der vorliegenden Versuehe ist yon Frl. Skopp ausgeftihrt worden.
190 C.g. SCttUNTERMANN; EinfiuB von Mineralsaizen auf die Digitaliswirkung.
Zu s ammen f as sung.
1. Die ~Iethode der Digitalistitration an Tauben yon Burn eignet sieh zur Untersuchung der Digitaliswirkung am intakten Warmbliiter.
2. Unter diesen Versuehsbedingungen war der Digitaliseffekt ab- h~ngig yon dem Grade der Mineralisation des Organismus.
3. CMeium-, Natrium- und Magnesiumsalze erhShen die Empfind- liehkeit ftir gleiehe Digalendoseu. Bei Digitalisintoxikation wird daher eine Entziehung dieser Salze vorgesehlagen.
4. Kaliumehlorid als Caleiumantagonist, Entionisierung des Calciums dureh Alkalisierung mit Natriumbikarbonat haben keine siehere Wirkung auf den Digitaliseffekt.
5. Ftir das intakte Tier ist ein sieherer antagonistiseher Effekt gegen die Digitaliswirkung nur dureh Vorbehandlung mit Oxalaten einerseits und Kaliumbikarbonat andererseits zu erzMen.