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Uber den Geschmack. Von Yjo Renqvist. * (Aus dem physiologischen Institut der Universitat Helsingfors). I. Das Geschmackssystem und die in ihm statt- \ f i n d e n den P r o z e s s e. 1. Die folgenden Ausfiihrungen gehen darauf aus, die Erschei- nungen physikalisch-chemisch zii erklaren, welche in dem Geschmacks- organ stattfinden, wenn von einer schmeckbaren Substanz ein Reiz auf dasselbe ausgeiibt wird, d. h. wenn es von einem adaquaten Reiz betroffen wird. Zu dieseni Zweck habe ich versucht, diejenigen Erschei- nungen klarzulegen, welche im Geschmacksorgan beim Schmecken stattfinden, und darauf fussend die Geschmacksqualitaten erortert sowie die physiologische als die psychologische Seite des von mil' aufgestellten Problems quantitativ studiert. Das Geschmacksorgan wird von den an der Spitze, den Seiten- randern und der Wurzel der Zunge befindlichen Geschmackskorper- chen gebildet. An der Zungenspitze liegen sie auf der Oberflache und den Seiten der Papillae fungiformes, an den Seitenrandern und der Wurzel'der Zunge auf den Seiten der Papillae foliatae und cir- cumvallatae. Die Geschmackskorperchen selbst sind im Epithel der Papillen gelegene. spulenformige Sacke (Lange 70-80 p), in denen die langen, schnialen Geschmackszellen eingebettet sind. Diese fullen ,den ganzen Sack aus, und ihre aussere, scharfe Spitze ragt etwas aus der Offnung der Sackes hervor (Durchmesser des Sackes Nach den neuesten Untersuchungen diirfte der Geschmacksnerv nicht direkt mit den Geschmackszellen in Verbindung stehen, indeni 2,7-4,5 p). ' Der Redaktion am 15. September 1918 zugegangen. - Skand. Arch. XXXVIII. 1

Über den Geschmack

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Uber den Geschmack. Von

Yjo Renqvist. *

(Aus dem physiologischen Institut der Universitat Helsingfors).

I. D a s G e s c h m a c k s s y s t e m u n d d i e i n i h m s t a t t - \

f i n d e n d e n P r o z e s s e.

1 . Die folgenden Ausfiihrungen gehen darauf aus, die Erschei- nungen physikalisch-chemisch zii erklaren, welche in dem Geschmacks- organ stattfinden, wenn von einer schmeckbaren Substanz ein Reiz auf dasselbe ausgeiibt wird, d. h. wenn es von einem adaquaten Reiz betroffen wird. Zu dieseni Zweck habe ich versucht, diejenigen Erschei- nungen klarzulegen, welche im Geschmacksorgan beim Schmecken stattfinden, und darauf fussend die Geschmacksqualitaten erortert sowie die physiologische als die psychologische Seite des von mil' aufgestellten Problems quantitativ studiert.

Das Geschmacksorgan wird von den an der Spitze, den Seiten- randern und der Wurzel der Zunge befindlichen Geschmackskorper- chen gebildet. An der Zungenspitze liegen sie auf der Oberflache und den Seiten der Papillae fungiformes, an den Seitenrandern und der Wurzel'der Zunge auf den Seiten der Papillae foliatae und cir- cumvallatae. Die Geschmackskorperchen selbst sind im Epithel der Papillen gelegene. spulenformige Sacke (Lange 70-80 p), in denen die langen, schnialen Geschmackszellen eingebettet sind. Diese fullen ,den ganzen Sack aus, und ihre aussere, scharfe Spitze ragt etwas aus der Offnung der Sackes hervor (Durchmesser des Sackes

Nach den neuesten Untersuchungen diirfte der Geschmacksnerv nicht direkt mit den Geschmackszellen in Verbindung stehen, indeni

2,7-4,5 p).

' Der Redaktion am 15. September 1918 zugegangen. -

Skand. Arch. XXXVIII. 1

98 YRJO RENQVIST.

seine feinsten Endigungen sich verasteln untl frei zwischen den Ge- schmackszellen enden l .

Der zu schmeckende Stoff wird imrner in flussiger oder in fester Form in den Mund eingefuhrt. Aiich im letzteren Fall lost er sich jedoch, bevor er mit den Geschmackskiirperchen in Beruhrung kommt, in dem im Munde befindlichen Speichel, sodass also die schmeckbare Substanz in iedem Fall flussig oder gelost ist.

Die Geschmackskorperchen mit allen ihren Teilen und die Ge- schinacksflussigkeit oder -16sung bilden das System, in den] die zu untersuchenden Prozesse stattfinden. Ich werde dieses System irn folgenden als G e s c h m a c k s s y s t e m bezeichnen.

Das Geschmackssystem ist ein heterogenes System, in dem die eine Phase von den kolloidalen, protoplasmatischen Geschniacks- zellen oder Geschmacksnervenendigungen, kurz von den Endappa- raten des Geschmacksorgans und die andere Phase von der Ge- schmacksflussigkeit oder -1osiing gebildet w i d . In der letzteren stellt die geloste Substanz eine molekular- oder ionendisperse Phase dar.

Die in heterogenen Systemen stattfindenden Prozesse konnen Anderungen von chemischer, mechanischer, Yolumen- oder Ober- flachenenergie, elektrischer oder Warineenergie sein.

Diese Anderungen konnen, wie selbstverstandlich, auch in dem heterogenen Geschmackssystem stattfinden ; von vornherein ist es indessen wahrscheinlich, dass gewisse Vorgange hier vorherrschend sind, wahrend andere ganz minimal erscheinen.

Die spezifische Oberflache des Geschniackssystems ist sehr gross, denn die kleinen, schmalen Geschmackszellen und -nervenendigungen stellen im Verhaltnis xu ihrer hlasse eine sehr grosse Oberflache dar. Es ist claher wahrscheinlich. dass die Energiearten, melche die Flache zum Rapazitatsfaktor haben. auch in dem grossflachigen Geschmacks- system vorzugsweise tatig sein werden.

Die betreffenden Energiearten sind die Oberflachenenergie und die elektrische Energie.

Es ist ausserdem moglich, dass der Endapparat des Geschmaclts- organs ein Dispersoid ist, d. h. dass sein kolloidales Protoplasma in der Dispersionsflussigkeit, welche hochst wahrscheinlich von der Zell- flussigkeit gebildet mirtf, sehr fein verteilt ist. Auch dieser Umstand fuhrt seinerseits zu der Auffassung, dass die spezifische Flache des

* R e t z i u s , Biolog. Untemuchungen. 4. btockholm 1892. - C. A r II-

A r n s t e i n bemerkt, dxss die Nemen-

2.

__

s t e i n , Arch. f. mikr. Anst. 41; 1893. fasern liings der Oberflarhe der Geschrnackszellen vcrlaiifen.

CBER DEN GESCHMACK. 99

Dispersoids sehr gross ist, was mit den obigen Auseinandersetzungeu vollstlndig ubereinstimmt.

Eine Untersuchung der in dem Geschniacksorgan stattfinderiden Anderungen der Oberflacheu- und der elektrischen Energie diirfte also fur die Physiologie des Geschmacks nicht ohne Bedeutung sein.

3. Bevor diese Fragen erortert werden, empfehlt sich indessen darzulegen, weshalb die ubrigen hier moglicherweise stattfindenden Prozesse, also vor allem die Anderungen der chemischen Energie, so unbedeutend sind, dass ihre Rolle wahrscheinlich sehr bescheiden sein muss.

Die eventuellen chemischen Reaktionen wurden naturlicherweise xwischen den Stofien des Geschniacksorgans, welche vorzugsweise Kolloide sind, und dem zu schmeckenden StoiFe stattfinden. Zwischen diesen Stoffen besteht jed0i.h im allgemeinen eine sehr geriuge Affi- nitat, denn die zu schmeckenden Substanzen sind chemisch schwach aktiv, und werden uberhaupt in schwacheu Konzentrationen ange- wendet. weshalb auch die Menge der eventuellen chemischen Energie unbedeutend wird.

Sind die zu schmeckenden Substanzen chemisch sehr aktiv (z. B. Sauren, Halogene), oder ist ihre Konzentration hoch. so finden naturlich auch chemische Reaktionen im Geschmackssystem statt.

Diese Umstande niiissen selbstverstandiich bei den Versuchen berucksichtigt werden. Da wir aber von diesen chemischen Pro- zessen iiichts wissen, ihre Art nnd Energie nicht kennen und daher auch nichts uber ihre Bedeutung fur die Geschmacksempfindung sagen konneu, durfen bei hierhergehorigen Untersuchungen keine chemisch sehr aktiven Stoffe oder hohe Konzentrationen angewendet werden.

Wenn ubrigens, wie oben ausgefuhrt. das Geschmackssystem ein Dispersoid darstellen wiirde, wo die chemischen Reaktionen sehr langsam vor sich gehen, so wird ihr eventueller Eintluss auf die Geschmacksempfindung wahrscheinlich nur unbedeutend sein und auch im Vergleich mit den schnell vor sich gehenden Anderungen der OberflHchenenergie

Flachen stattfindenden Adsorption der an der vorausgeht.

B o d e n s t e i n

.~ ___

' B o . d e n s t e i n 11.

spat. in die Erscheinung treten. und F i n k 1 haben gezeigt, dass den an Reaktionen, also auch den chemischen, eine

Reaktion beteiligten Substanzen au der Fliiche

F i n k , Zeitsrhr. f. phyYik. Chem. 60, S. 1; 1907.

100 Y RJO RENQVIST.

Mithin ist die Oberflachenenergie, welche gerade die Adsorption hervorruft, auch in dem Fall, dass spater chemische Reaktionen erfolgen, die zuerst auftretende Energieform.

N a c h a l l e m i s t e s a l s o s e h r w a h r s c h e i n l i c h , d a s s i n d e m G e s c h m a c k s s y s t e m r o r z u g s w e i s e Um- w a n d 1 u n-ge n v o n 0 b e r f l a c h e n- u n d e l k k t r i s c h e r E n e r g i e s t a t t f i n d e n .

In heterogenen, grossflachigen Systemen spielen sich Ande- rungen der Oberflachenenergie ljeirn Hinzutritt einer molekular- oder einer ionendispersen Phase ab. Da die zu schmeckenden Substanzen in der Regel molekular- oder ionendispers sind, rufen also auch sie in tlem Geschmackssystem wahrscheinlich Anderungen der Ober- flachenenergie Iiervor.

Diese Energieanderungen sind durch zwei Faktoren, einen In- tensitats- und einen Kapazitatsfaktor, durch die Oberflachenspannung und die Grosse der Oberflache bedingt. Wenn die Anderung der Oberflachenenergie latent bleibt und diese nicht in andere Energiearten ubergeht, die Oberflache sich nicht verkleinert und also der Kapa- zitatsfaktor unverandert bleibt, so ist die Anderung der Ober- flachenen ergie nur von der Anderung des Intensitatsfaktors abhangig und der Anderung desselben, d. h. der Oberflachenspannung propor- tional. Verandert sich dagegen auch der Kapazitatsfaktor, d. h. be- strebt sich die Oberflache, sich in bezug auf ihre Grosse zu verandern (kleiner zu werden), so wird Oberflachenenergie frei und geht in andere Energiearten, namentlich in Volumen- und Warmeenergie uber.

I m letzteren Fall finden in dem betrefienden System Zustands- anderungen statt. Diese sind beim Geschmackssystem wahrschein- lichst innere Zustandsanderungen, Anderungen des Dispersitatsgrades, Quellungen orler Gerinnungen.

Ob im Geschmackssystem bei einer Anderung der Oberflachen- spannung diese Zustandsanderungen stattfinden, hangt von der Stabi- litat des Systems und von dem Grade der Anderung der Oberflachen- spannung ab. J e stabiler das System und je kleiner die Anderung der Oberflachenspannung, um so wahrscheinlicher ist es, dass keine Zustandsanderungen eintreten.

5. Die Oberflachen, an denen in) Geschmackssystem die Reak- tionen stattfinden, werden hochst wahrscheinlich von den Meinbranen der Geschmackszellen und ihrer feinen Spitzen gebildet, welche als Gele ausserordentlich stabil sind. Die Geschmackslosungen ande- rerseits, die im allgemeinen in den Mund eingefuhrt werdpn, insbe-

4.

UBER DEN (~ESCHYACK. 101

sondere die Losungen, die in iinseren Versuchen aniewendet wurden, waren yon sehr niedriger Konzentration, weshalb die Veranderung tler 0 berflachenspannung, die sie ini Geschmackssystem herbeifuhrten, zehr klein war. Es ist mithin wahrscheinlicli, dass ini Geschmacks- system keine oder wenigstens keine grosseren Zustandsanderungen, Quellungen oder Koagulationen stattfinden. Innere Zustandsande- rungen oder Anderungen des Dispersitatsgrades konnen jedoch in beschranktem Masse eintreten, obwohl dies vermutlich ausserordent- lich langsam geschieht, was gerade von den1 Gel-Charakter der aussersten Schicht der festen Phase herruhrt.

Die molekulardisperse Geschmackssubstanz gerat naturlich zuerst n u r mit dieser aussersten Grenzflache in direkte Beruhrung ; die inneren Zustandsanderungen treten erst in dem Masse ein, wie die molekiilardisperse Phase in das Dispersoirl hinein diffundiert, und dies geht, wie die Difiusion in solchen Substanzen uberhaupt, ausser- ordentlich langsam vor sich. Fur manche Molekule und Ionen sind die Zellmembranen ausserdem impermeabel oder in sehr geringem Grad permeabel, weshalb die Diffusion durch sie unmoglich oder schwer ist.

Hochst wahrscheinlich ist also die im Geschmackssystem durch die molekular- oder ionendisperse Geschmackssubstanz hervorgerufene h d e r u n g der Oberfliichenenergie nur potentiell, die Oberflachen- spannnng verandert sich, die Grosse der Oberflache aber nicht.

Vielleicht ist es angebracht hervorzuheben, dass, selbst wenn es nicht so ware, das Verfahren, welches wir anwenden werden, nicht davon abhangig ist. Der Vollstandigkeit halber sind nur die mog- lichen Ersclieinungen behandelt worden, die in dem Geschniackssystem auftreten konnen, und es ist versujht worden, zu zeigen, welche von ihnen im Hinblick auf die Natur des Systems am wahrscheinlichsten eintreten.

6. Die molekular- oder ionendisperse Substanz, welche die Veranderung der Oberflachenspannung herbeigefuhrt hat, wird be- kanntlich an der Oberflache der zweiten Phase iles Systems adsorbiert, d. h. ihre Konzentration ist hier grijsser oder kleiner als anderswo in der Losung. I m ersteren Fall ist die Adsorption positiv, im letz- teren negativ l.

Die von der Geschmackssubstanz hervorgerufenen Veranderungen der Oberflachenspannung im Geschmackssystem fuhren also wahr- scheinlich auch zu einer Adsorption der Geschmackssubstaiiz ddselbst .

R. F r e 11 n d I i c h, Kapillarchemie, S. 52; 1909.

102 YRJO RENQVIST.

Die andere Energieart, die sicli in grossflachigen Systemen, also namentlich in Dispersoiden, betatigt, ist die elektrische Energie. Auch bei dieser Energieart erscheint als Kapazitiitsfaktor die Oberflache, ihr Intensitiitsfaktor ist die elektrische Potentialdifferenz. Alles, was oben von der Oberflachenenergie gesagt wurde, findet auch hier An- wendung; den Veranderungen der Oberflachenspannung werden nur die Veranderungen der elektrischen Potentialdifferenz entsprechen.

Neben der Adsorption der Geschmackssubstanz sind also die von ihr im Geschmackssystem hervorgerufeiien Veranderungen der elektrischen Potentialdifferenz wahrscheinlich die bemerkenswer- testen Energieanderungen des Systems. Uaher ist es am naturlichsten, diese Prozesse, d. h. die Adsorption der zu schmeckenden Substanz und die im Geschmackssystem sich bildenden elektrischen Potential- dserenzen, als adiiquate Reize der Geschmacksempfindung aufzufass'en.

Im folgenden habe ich versucht diese Auffassung naher zu ent- wickeln und experimentell nachzuprufen.

11. D i e A d s o r p t i o n i m G e s c h m a c k s s y s t e n i u n d d i e S c h we 11 e n e m p f i n d u n g d e s G e s c h m a c k s.

7. Das folgende ist nach der Darstellung in F r e u n d 1 i c h s

G i b b s hat fur die Adsorptionsprozesse folgende Gleichung Kapillarchemie dargelegt.

abgeleitet :

wo u die absorbierte Menge Substanz pro Fllcheneinheit, c die Kon- zentration der Substanz und y die Oberflachenspannung an der Grenzflache der Phasen ist.

Aus dieser Gleichung ersehen wir, dass, wenn die Obertlachen- spannung bei zunehmender Konzentration der zu adsorbierenden

Substanz anwachst, d. h. 4 - positiv . ist, die Adsorption negativ, wenn

nimmt, d. h. dr - negativ ist, die Adsorption positiv sein wird.

dc die Oberflachenspannung aber bei zunehmeiider Konzentration ab-

dc Experimentell ist gezeigt worden, dass zwischen der Veranderung

der durch die zu adsorbierende Substanz hervorgerufenen Oberflachen- spannung und ihrer Konzentration folgendes Verhaltnis herrscht:

, ~ B E R DEN GESCHMACK. 105

1 y - y 1 = s . c " .

1 wo s und - Konstanten und y und y1 die Oberfllchenspannungen n an der Grenzflache der Phasen bei reiner Losungsflussigkeit und Losung sind.

Hieraus erhalten wir durch Differentiatioa 1 d r - - - p s - - 1 ,

nc - 72

was in die Gleichung von G i b b s eingefuhrt 1 s - u=--

r h . ~ ~ C "

ergibt. S Bezeichnen wir = ( I , so erhalten wir schliesslich n . RT

I - . ~ = a . c R .

Dies stellt die allgemeine Form der Adsorptionsgleichung dar, und sie druckt also das Verhaltnis zwischen der adsorbierten Sub- stanzmenge u und der in der Losung derselben herrschenden Kon- zentration aus. Da der Adsorptionskoeffizient a und der Ober- flachenspannungskoeffizient s direkt proportional sind, siud also die adsorbierten Substanzmengen auch proportional den in dem System stattfindenden Veranderungen der Oberflachenspannung.

I n der physikalischen Chemie werden die Adsorptionsprozesse vorzugsweise so untersucht, dass inan die den Konzentrationen c entsprechenden adsorbierten Mengen u aus der in der Losung statt- findenden Konzentrationsanderung berechnet. Die Gultigkeit der Adsorptionsformel kann man dann z. B. so prufen, dass man in der daraus durch Logarithmieren gewonnenen Gleichung

1 n log u = log a + -%. log c

die entsprechenden Werte von log ZL und log e in ein Koordinaten- system eintragt, wobei, falls die Formel gultig ist, die die entsprech- enden Werte vertretenden Punkte auf einer Geraden liegen mussen.

1 n Hieraus kann man dann die Werte von a und - bestimmen.

I 04 YRJO RENQVIST.

8. Zur Untersuchung der Adsorptionen im Geschinackssystem ist die betreffende Untersuchungsmethode indessen nicht anwendbar, weil sich die Konzentrationsanderung der Geschinackslosiing wegen der Beimischung von Speichel, dessen Menge nur ganz approxi- mativ festgestellt werden kann, nicht ganz genau bestimmen lasst. Dagegen konnen wir, wie ich im folgenden naher ausfuhren werde, mit der durch die Adsorption hervorgerufenen Geschmackeempfindung, auch die im Geschmackssystem stattfindende Adsorption experimentell verfolgen.

Das hier benutzte Verfahren grundet sich aiif die Tatsache, dass, welches Verhaltnis zwischen dem Reiz und der durch denselben her- vorgerufenen Empfindung auch gelten mag, bei gleich grosser Einp- findlichkeit des Sinnesorgans, gleich starken Empfindungen gleich grosse Reize entsprechen.

Auf das Gebiet der Geschmackseinpfindung angewendet, wurde dieser Satz gussagen, dass gleich starken Geschinacksempfindungen gleich grosse an dem Geschmacksorgan adsorbierte Mengen des zu schmeckenden Stoffes entsprechen mussen.

Da ferner die adsorbierten Substanzmengen proportional der in dem System stattfindenden Veranderung der Oberflachenspannung und -energie sind, sind auch rliese bei gleich starken Geschniacksempfin- dungen gleich gross.

9. Ausserdem ist die Starke der Empfindung naturlich auch von der Schnelligkeit, mit welcher sich die Reizenergie verandert, abhangig und wird um so starker, je schneller diese Anderung erfolgl.

Daraus folgt, dass gleich starken Empfindungen wahrscheinlich gleich grosse Anderungen der Reizenergie in der Zeiteinheit ent- sprechen.

Fur den Geschmack miissen also gleich starke Empfindungen von gleich grossen Mengen in der Zeiteinheit adsorbierter Substanz ausgelost werden.

Wir haben also zunachst zu untersuchen, ob die Adsorptions- geschwindigkeiten verschiedenartiger Substanzen im Geschmacks- system tatsachlich gleich gross sind, wenn sie gleich starke Ge- schmacksempfindungen hervorrufen.

10. Wenn der Geschmack verschiedener Substanzen qualitativ verschieden ist, ist es sehr schwer oder unmoglich. die Starke der durch sie hervorgerufenen Empfindungen genau zu vergleichen. Bei sehr niedrigen Konzentrationen aber haben indessen manche Stoffe. deren Geschmacksqualitaten bei hoheren Konzentrationen rlifferieren,

CBER DEN GESCHMACK. 105

ganz dieselbe Qualitat und konnen also wirklich untereinander ver- glichen werden.

Es empfiehlt sich uinso mehr, bei den einschlagigen Versuchen die Schwellenkonzentrationen zu benutzea, als es fast unmiiglich ist, sich der Intensitat einer bestimmten Geschmacksemyfindun~ im Ver- gleich init einer anderen Empfindung ganz genau zu erinnern.

Bei den Scliwellenlosungen kommen diese Schwierigkeiten in Wegfall. Hat man es zu einer gewissen Routine gebracht, so ist man imstande, die einer Schwellenempfindung entsprechende Kon- zentration init recht grosser Genauigkeit zu bestimmen, und zwar ist dieselbe bei einunddeinselben Individuum fur die einzelnen Sub- stanzen beinahe konstant, falls die Zeitintervalle der verschiedenen Bestimniungen nicht sehr gross sind.

Wenn wir die im Geschmackssysteni adsortierten Mengen einer zu schmeckenden Substanz quantitativ bestiinmen wollen, mus- sen wir ausser der Konzentration c der Substanz, auch die in der

Adsorptionsformel u = 01 . c% auftretenden Konstanten 01 und 1

kennen. Die Grosse dieser Werte ist sowohl vom Adsorbendum, als

auch voni Adsorhens, sowie von der Flussigkeit oder uberhaupt dem Stoff; in dem die Adsorption stattfindet, abhangig.

Was zunachst die Werte von a betrifft, gilt fiir sie folgende, experimentell gewonnene Regel l:

\

1 1 .

1

n

wo die Indices 1 und 2 zwei verschiedene Adsorbenda unrl A und B zwei verschiedene Adsorbentien angeben. Bei zwei verschiedenen Adsorbenden ist also das Verhaltnis der Adsorptionskoeffizienten a von den angewandten Adsorbentien unabhangig.

Da im folgenden nur die relativen, nicht die absoluten im Ge- schniackssystem adsorbierten Mengen der Geschmackssubstanzen be- stinimt werden sollen, konnen wir auf Grund der obigen Regel, die in der Literatur vorliegenden a-Werte verschiedener Stoffe benutzen, obwohl sie init Hilfe von ganz anderen Adsorbentien, z. B. Kohle, als denen, welche im Geschmackssystem vorhanden sind, gemonnen wurden.

variiert innerhalb recht enger Grenzen, wie stark auch das Adsorben s, das Adsorbendum

Der Wert des Adsorptionsesponenten

_ ~ ~ _ _ F r e II n d I i c h, Kapillnrchemie, S. 155.

106 YRJO RENQVIST.

oder die Losungssubstanz wechseln mag I . Im allgenieinen liegt der Wert von zwischen 0,i und 0 , ~ Auf Grund dieser Tatsache lassen sich die in der Literatur vorliependen Werte fur auch fur die Be- stimniung der im Geschmackssystem stattfindenden Adsorptionen benutzen.

12. Nach den obipen i'berlegungen sollten den Schwellenenipfin- dungen gleich grosse in der Zeiteinheit adsorbierte Mengen der zu schmeckenden Substanz entsprechen.

Es muss also auch die Adsorptionsgeschwindigkeit berucksich- tigt werden.

Die Abhangigkeit der Adscrptionsgeschwindigkeit von der adsor- bierten Stoffmenge wird bestimmt durch die Formel

wo r, die im Adsorptionsgleichgewicht, nach unendlich langer Zeit adsorbierte Menge, x die in der Zeit t adsorbierte Menge und k die Geschwindigkeitakonstante ist a.

Die Adsorptionsgeschwindigkeit wird folglich durch die allge- meine Gleichung der monomolekularen Reaktionen ausgedruckt.

Aus dieser Gleichung ersehen wir, dass die Adsorptionsgeschwin- digkeit in] ersten Augenblick, wo z=O, am grossten ist, und bei Zunahme der adsorbierten Menge immer kleiner wird. Bei der An- wendung von etwas konzentrierteren Losungen tritt dieser Einflass der stetigen Abnahme der Adsorptionsgeschwindigkeit auf die Inten- sitat der Geschmacksempfindung deutlich in die Erscheinuug. Im ersten Augenblick, nachdem die Gesch~~~ackslosung in den Mund ein- gefuhrt ist, ist der Geschmack am starksten, wird dann itnmer schwacher und verschwindet zuletzt vollstandig.

Bei der Schwellenkonzentration der Geschmackslosung erscheint der Geschmack n ur sehr fluchtig und verschwindet sofort vollstandig. Bei dieser niedrigen Konzentration ist die Adsorptionsgeschwindigkeit also nur im ersten Augenblick hinreichend gross, um eine Empfin- dung hervorzurufen. Wenn sie nur ein wenig abgenommen hat, ist keine Geschmacksempfindung mehr vorhanden, und der Geschrnack dauert 'also nur einen Augenblick an. Eine Abschwachung des Ge- schniacks kann wahrend dieses kurzen Zeitraums nicht beobactitet werden.

F r e u n d 1 i c h, Kapillarchemie, S. 149. F r e u n d 1 i c h, Kapillarchemie, S. 113 und 172.

UBER DEN GESCHMACK. 10i

Beim Schwellenwert wirkt also als Geschmacksreiz die Geschwin- digkeit im ersten Augenblick des Adsorptionsprozesses. \Venn also t = 0, wird auch x = 0, und die Geschwindigkeit,

dX = k . xw.

xN ist die im Adsorptionsgleichgewicht adsorbierte Menge, und ihre Abhangigkeit von der Konzentration der Losung wird durch die schon

angefiihrte Adsorptionsgleichung u = u . en ausgedriickt. Bezeichnen wir die Schwellenltonzentration des Geschrnacks mit

cr, so erhalten wir also

1

I 2, = a . cr n

und 1 dX - = l i . a . c , - n.

dt

13. Nocli ist die Geschwindigkeitskonstante k zu bestimmen. Nach N e r n s t und B r u n n e r 1 ist in heterogenen Syste-

meu die Reaktionsgeschwindigkeit durch die Geschwindigkeit be- dingt, mit welcher die reagierenden Phasen miteinander in unrnittel- bare Beriihrung kommen, d. h. diirch die Diffusionsgeschwindigkeit. 1st die Reaktionsgeschwindigkeit zwischen den Phasen selber sehr klein, so bestimm t natiirlich sie die Geschwindigkeit des Prozesses, aber im allgemeinen ist sie vie1 grosser als die Diffiisionsgeschwin- digkeit, und diese bestimmt dann als der langsamste Prozess die Geschwindigkeit der Reaktion. N e r n s t und B r 11 n n e r haben

die Stichhaltigkeit dieser Theorie nachgewiesen, und dasselbe hat ausserdem J a b 1 e z y n s k i getan.2.

Auch fur die Adsorptionsprozesse, die ebenfalls in heterogenen Systemen stattfinden, hat sie, wie von mehreren Autoren experirnentell gezeigt worden ist, Geltung 3.

Der Geschwindigkeitskoefzient 1; ist also dem Diffusionskoeffi- zienten der zu schmeckenden Substanz proportional.

l N e r n II t u. B r u n n e r, Zeitschr. f. phpsik. Chem. 47, 8. 52; 1904. * J a b l e z y n s k i , Zeitschr. f. physik. Chem. 64, S. 748, 1908; - 75,

G. v. G e o r g i e v i c s u. A. D i e t l , Zur Kenntnis der Kinetik der Sorption. Zeitschr. f. physik. Chem. 87, S. 669; 1914. - R. M a r c , t b e r dic Kinetik der Adsorption. Zeitschr. f. Elektrochem. 20, S. 515; 1914.

S. 503; 1911.

108 YRJO RENQVIST.

Die Adsorptionsgeschwindigkeit bei einer der Schwelle des Geschinacks entsprechenden Konzentration kann also durch die fol- gende Gleichung ausgcdruckt werden :

1

111 wo - eine Iconstante, die bei allen Stotren gleich gross ist.

Wenn der im Geschinackssysteni stattfindende Adsorptionspro- zess wirklich den Reiz der Geschmacksempfindung darstellt, musste die Schnelligkeit dieses Prozesses bei den Schwellengeschmacken gleich gross sein.

Bei d_en Schwellenkonzentrationen des Geschmacks verschiedener Substanzen musste also :

1

D . a . c , n = C o n s t . 14. Mit Hilfe dieses Ausdruckes konnen wir die Stichhaltigkeit

der Adsorptionstheorie des Geschmacks experimentell untersuchen. Wir bestiminen fur verschiedene Substanzen die Schwellenkonzen- trationen c, des Geschmacks und stellen diese mit den aus der

1 Litteratur bekannten Adsorptionskonstanten a und - fur irgendein n Adsorbens zasammen. Da ausserden der Wert des Diffusionskoeffi- zienten D bekannt ist, korinen wir fur die verschiedenen Substanzen den Wert der obigen Funktion berechnen.

Bevor wir die Resultate der Versuche durchmustern, sind noch einige

In der Exponentialgleichung des Adsorptionsprozesses u = a. e n ist c die Gleichgewichtskonzentration, d. h. diexonzentration der Lijsung nach Ablauf der Adsorption. In der obigen, fur die Schmelle des Geschmacks geltenden Formel 1st cr also die Konzentration der Geschmackslosung, wenn die Adsorption im Geschmackssystem bereits stattgefunden hat.

Rezeichnen wir rnit v das Volumen der Oeschmackslosung und mit a die darin befindliche Substanzmenge, so ist - die Konzentration der =sung vor der Adsorption, d. h. die Anfangskonzentration, und wenn z die adsorbierte Menge Substanz ausdriickt, ist die Gleichgewichtskonzcntration

menden, so bekommt diese die Form

Punkte zu erwiihnen. 1

a

Wollcn wir diese Grossen in dcr Schwellengleichnng dcs Geschmacks an-

D . a (‘3); = Conrit.

Ich habe bei der Berechnung meiner Versuchsergebnisse statt der Gleich- gewichtskonzentrrttion die Anfangskonzentration - benutzt, weil deren Bestim- a

UBER DEN GESCHMACK. 109

mung vie1 leichter und genauer stattfinden kann. Der auf diese Weise began- gene Fehler ist auch so klein, dass er auf das Ergebnis keine Einwirkung ausiibt.

Dies liisst sich auf zweierlei Weise dartun. Ich habe hierst, cine Lijsung hergestellt, deren Konzentration die Schwel-

lenstarke besitzt. Ich fiihrtc sie mir in den Mund ein, schnieckte sie and spie sic aus und bestimmte dann die Konzentration durch Titration (Salzlosungen). n ic erstere Konzentration ist die Anfangskonzentration, die letztere die Gleichgewichts- konzentration. Wiihrend ihres Aufenthalts im Munde aird indessen die Lii- sung mit Speichel gemischt, der ihre Konzentration verandert; wenn die ZII

schmecliende Substanz auch zu denen gehort, die im Speichcl vorhanden sind. mirkt natiirlich auch dieser auf die Konzent.ration ein.

Wenn man aber das Volumen Speichel. das sich der Geschmackslosung beimischt, und die Konzentration der in der Geschmackslosung und im Speichcl moglicherweise vorhandenen pemeinsamcn Substanz im Speichel feststellt,, so kann man die wirkliche Gleichgewichtskonzentration bestimmen.

i c h ermittelte also zuerst z. B. die Schwellenkonzentration von KBr, diem war 0,0048 molar. Ich nahni diese Losung (4 ccm) in den Mund, schmeckte sie und epie sic aus. Durch Titration mit Agh-O,, bekam ich als ihre Konzentration jetzt o,Wb3. Die Zunahme der Konzentration beruht natiirlich darauf, dass sich der Lijsung Speichel beigemiseht hat, in dem als hauptsachlichstes Salz KCI enthalten ist, welches auch durch AgNO, ausgefallt wird. Ich bestimmte nun die Chlorionenkonzentration in] Speichel durch Titrieren, dieselbe ist etwa 0,015. jedoch um mehrere Tausendst,cl variierend (einen ziemlich gleich grossen Wert hat H a m m e r b a c h e r durch massanalytische Bestimmung erhalten ').

Zur Bestimmung der Menge von Speichel, die sich der GeschmackslosunE beimischt, habe ieh mehrere Versuche gemacht, aus welchen hervorgeht, dass auf 4 ccm Geschmacksliisung etwa 0,10-0,20 ccm (ini Mittel 0,15 ccm) Speichel aus- fallen. Die durch die Salze des Speichels herbeigefiihrte Xunahme der Konzen-

tration betragt also - . 0.ni.i = 0,OLQ5l. 0,li 4,16

Die Gleichgewichtskonzcntration der eigentlichcn zu schmeckenden Substanz ist folglich 0,oosa - 0,0(054 = 0,00476 (O,OOU), oder fast panz ebeiiso grow wie die Anfangskonzentration 0,0046. Da sich die der CieschrnackPliisung beirnischende Speichelmenge nicht cxakt feststellen liisst und da die Konzentration der Salze des Speichels einigermassen variiert, ist es natiirlich ein Zufall, dass Fir in den1 obigen Fall ganz die gleiche Gleiehgewichts- und Bnfangslionzcntration erhielten. Jedenfalls zeigt aber schon diese Restimmong, dass der Cnterschied zwischen beideu minimal ist.

Auch folgendcs Verfahren macht es wahrscheinlich, dass statt der Gleich- gewichtskonzentration ohne die Gefahr eines -groweren Fehlers dic Anfangskon- zentration angewendet aerden kann.

Bei der Schwelle des Geschmacks ist

D.a __ n=Const. (a ?!-

' H a m m e r b a c h r r, Xeitschr. f. phy~iolog. Chrm. 5, S. 302; ]&$I.

110 Y R J ~ RENQVIST. . 1 n

a-x - ~ - C'onst.

1

Da hri jeder Substanz D, u und - konstant aind, ict folglich

oder = .z .- + Confit.

I *

Die adsorbierte Menge der schmeckenden Substanz x i-t natiirlich bei der

Wir finden also, dass die Anfangskonzentration - eine lineare Funktion des reziproken Wertes deh Yoliimens u der Gcschmackslosung bci dem Schwellen- geschmack ist.

Auf dierre Weige kann tnan daher dnrch Restimmung der Werte der Schwellenkonzentration, d. h. der .~nfangskonzentration -con Geschmackslosungen, wenn man verachieden gros3e Volutnina der zu schmeckendcn Substanz in den Mund einfiihrt, die adsorbierte Mengr s feststellen.

Ich habc solche Bestimrnungen rnit rerschiedenen Volumina ausgefiihrt, aber die Anfangskonzentration war imtner fast gletch gross, sie war bci griisseren

.Volumina nicht kleiner als lwi kleineren, d. h. 3. die adsorbierte blenge ist Aehr klein.

Schwelle des Geschmacke fur jede Substanz konstant. a

15. Zur Bestimmung der Schwellenkonzentration des Ge- schmacks bin ich folgendermassen zuwege gegangen.

Durch einige Stichproben wurden zwei Konzentrationen ermittelt, bei deren einer keine Geschmacksempfindung entsteht, wahrend bei der anderen ein deutlicher, ziemlich intensiver Geschmack auftritt. Durch Erhohung der ersteren und Erniedrigung der letzteren wurde dann allmahlich die Schwellenkonzentration in immer engere Grenzen eingeschlossen. Nachdein der Spielraum des Schwellenwerts auf diese U'eise sehr stark reduziert war, stellte ich innerhalb der so bestimmten Grenzen eine Reihe von Losungen her, deren Konzentrationen sehr wenig voneinander abwicheii. und schmeckte dann diese Reihe yon den nioderen Konzentrationen his zu den hoheren und oft auch um- gekehrt durch

Bei einiger Routine kann man die iiiedrigste lionzentration, die noch eine Geschmacksempfindung hervorruft, ausserordentlich genau bestimnien, und bei wiederholter Feststellung der Schwellenkonzentra- tion fur eine nnd dieselbe Snbstanz, weichen die erhaltenen Werte nur sehr wenig, ja meistens iiberhaupt kaum nierkbar voneinander ab, vorausgesetzt. dass zwischen den Hestirnmungen keine langere Zeit verstrichen ist. - _.

' Hei Stoffen die a w h cinen (;cruch haben, nurde die Nase wihrend des Versrrrhs xugehalten.

U B E R DEN GESCHMACK. 111

Fur die meisten Stoffe habe ich in dieser Weise die Schwellen- konzen tration fiinfmal (Elektrolyte), fur anrlere drei- oder vierma], fiir homologe Alkoholather nur zweimal bestimmt. I n deu Tabellen find& man die Mittel dieser sehr wenig von einander abweicheiiden Werte.

Zur Herstellung der zu schmeckenden Losungen habe ich aus einer Losung von bestinimter Konzentration (meistens 0,i molar) mitt& einer in 0,oi ccni graduierten Pipette ein bestiinmtes Volumen Losung in destilliertes Wasser iiberfuhrt. so dass das Gesamtvolumen der zu schmeckenden Losung immer 4 ccm war. Durch Titration habe ich ausserdem oft (menn die Geschmackslosungen Elektrolyte waren) die Konzentration der so angefertigten Losung direkt erniittelt.

Zwischen jedem Schnieckversuch wurde der Mund iinmer mit destilliertem Wasser ausgespult. und ausserdem wurde vor jedem Versuch ca. 4 ccm, d. h. ebenso vie1 wie Geschmackslosimg, destil- liertes Wasser in den Mund genommen, mit dessen Geschmack, oder richtiger Geschmacklosigkeit, der von der Losung lierrorgerufene Geschmack verglichen wurde.

Zur Begriindung dieses Verfahrens seien folgende Tatsacheii liier erwahnt.

Wenn wir 4 ccm destilliertes Wasser - dieselbe Menge wie voti der Geschmackslosung - in den Mund nehmen, haben mir in Wirklichkeit eine sehr schwache Speichellosung im Munde, weil sich dem Wasser sofort Speichel beimischt. Diese Losung ist in Bezug auf die Salze des Speichels und seine ubrigen Bestandteile ebenso konzentriert wie die spatiter in den Mund eingefiihrte Geschmacks- losung, da das Volumen beider dasselbe ist. Nimmt man die Ge- schniacksl6sung unmittelbar nach diesem destillierten Wasser in den Mund, so veriindert sich also die Konzentration der Bestantlteile tles Speichels nicht irn Geschniackssystem, es herrscht folglich in Bezug auf sie von rornherein Adsorptionsgleichgewicht, sie werden nicht adsor- biert und niclit von der Grenzfache des Systems ausgewaschen. Der einzige Adsorptionsprozess, der mithin hierbei stattfinden wird, ist die Adsorption der zu schmeckenden Substanz.

Wenn wir den Mund niclit ausspulen und den Geschmack tler Losungen nicht mit den1 des destillierteu Wassers vergleichen, sind die Salze und ubrigen Bestandteile des Speichels im Geschniacks- system aus der unverdunnten Konzentration des Speichels adsorbiert, sodass bei der Einfuhrung der Geschmacksl6sung1 die in Bezug auf diese Substanzen sehr schwach ist, eine Auswaschung der Restandteile des Speichels von der Oberflache des Adsorbens stattfinden muss, was

112 YRJO RENQVIST.

natiirlich die Erscheinnngen im Geschmackssystem wesentlich kom- pliziert.

16. I m allgemeinen heisst es, destilliertes Wasser habe einen eigentiimlichen, nieist bitteren: Geschmack. Der Speichel dagegen wird als geschmacklos bezeichnet.

Jeder, der Schnieckversuche unternommen hat, hat wahrschein- lich beobachtet, dass alle Substanzen, nachdem sie eine Zeitlang im Munde gewesen sind, geschmacklos werden.

Wenii wir rlestilliertes Wasser einige Zeit im Mund behalten, es dann ausspeien und unseren eigenen Speichel schmecken, besitzt er einen deutlichen Geschmack.

Nach unserer Erklarungsweise ist dies auch natiirlich : jede Substanz, die sich Iangere Zeit im Geschriiackssystem befunden hat, ist im Adsorptionsgleichgewicht und die Adsorptionsgeschwindigkeit ist Null, weshalb keine Geschmacksempfindung mehr erscbeint. Wenn sich nun die Konzen tration der Substanz hinreichend verandert oder irgendeine neue Substanz in das System gelangt, finden wieder Ad- sorptionsprozesse statt, deren Geschwindigkeit gross genug ist, um eine Geschmacksempfindung zu verursachen.

Destilliertes Wasser, das nfich wiederholter Ausspiilung des Mundes keinen Geschmack mehr besitzt, habe ich also bei der Bestim- mung der Schwellenwerte als Vergleichsobjekt benutzt, sein Geschmack ist sozusagen der Null-Geschmack gewesen.

17. Da die oben angefiihrte, fur die Grenzwerte des Geschmacks geltende Gleichung nur unter Beriicksichtigung der im Geschmacks- system stattfindenden Adsorptionen und nicht der moglicherweise von der zu schmeckenden 'Substanz daselbst hervorgrufenen elektrischen Erscheinungen abgeleitet worden ist. diirfen wir erwarten, dass sie in erster Linie fur Nichtelektrolyte, die keine elektrischen Potential- differenzen hervorrufen, Geltung habe.

I n Tabelle 1 finden sich die Resultate der von mir mit zwei Zuckerarten angestellten Bestimmungen. Die Adsorptionskonstanten

1 Q und - habe ich ails den Bestimmungen erhalten, die G. W i e g-

n n e r unter Anwenclung y o n Blutkohle als Adsorbens gemacht hat Die Kolumne c,. der Tabelle enthalt fur die beiden Zuckerarten die Schwellenkonzentrationen (immer moiare Konzentrationen). welche von einander sehr erheblich abweichen.

G. W i e g n e r, Kolloid. Zeitschr., 7, S. 129; 1910.

UBER DEN GESCHMACK. 113

1 Die letzte Kolumne enthalt die aus den Fornieln D . (L .F, n bcrech- neten Werte, die fast gleich gross sind.

Tabelle 1.

~ Rohrzucker. . . . . . 0,s; 1 1,26 I O,II i CW~ i 0 , s 1 Nilchzucker . . . . . I 0,3i I 1,74 0,22 0.36

In der Literatur habe ich keine weiteren zusammenhangenden Angaben uber die Adsorption von Nichtelektrolyten gefunden, wes- halb diese Restimmungen auf die heiden ebenerwahnten Substanzen beschrankt werden mussten.

Uber die Adsorption der Elektrolyte liegen dagegen in der Literatur zahlreiche Mitteilungen vor. Diese bieten indessen kom- pliziertere Erscheinungen dar. indem sich bei ihnen auch elektrische Potentialdifferenzen im Geschmackssystem bilden.

Ihre Entstehung konnen sie verschiedenen Ursachen verdanken. Die Elektrolyte konnen eine Diffusionspotentialdifferenz hervorrufen, die von der verschieden grossen Wanderungsgeschwindigkeit der Ionen herriihrt (vgl. Kap. VI).

Auc h konnen im Geschmackssystem Potentialdifierenzen entstehen, die darauf beruhen, dass das Adsprbens des Systems positiv oder nega- tiv geladen ist uiid daher die entgegengesetzt geladenen Ionen des zu schmeckenden Elektrolyten in grosserer Menge als die gleichsinnig geladenen adsorbiert werden. Dies ist die sog. Adsorptionspotential- differenz, iind die Adsorption selbst heisst elektrische Adsorption.

Das Adsorptionspotential lauft parallel mit der Adsorption der Ionen, wenn, wie B a u r und K r o n ni a n n geaeigt haben, die Kon- zentration der Ionen klein ist. Wir konnen also durch Bestimmung der elektrischen Adsorption die relativen Adsorptionspotentiale berechnen.

Ferner kiinnen Potentialdifferenzen jnfolge der verschieden gros- sen Loslichkeit des Kations und des Anions eines Elektrolyten in dem Adsorbens des Geschmackssystems entstehen. Diese Potentiale entstehen jedoch im Vergleich mit den vorhergehenden sehr langsam, und ausserdem erfolgt, wie ich schon hervorgehoben habe, vor der eventuellen Losung tler Ionen im Adsorbens, deren Adsorption an

18.

B a u r u. K r o n m a n n , Zeitschr. f. phyeik. Chcm. 92, S. $1; 1016. Skand. Arch. XXXVIII. 8

114 YRJO RENQVIST.

seiner Oberflache. Das Adsorptionspotential bildet sich also in jedem Fall fruher als das Losungapoteniial und geht ihm voran,

Da die Schwellenen~pfindung fast gleichzeitig mit der Einfuhrung der Geschmackslosung in den Mund entstelit und sogleich verschwindet, ist es naturlich, dass das Adsorptions- und moglicherweise das Diflu- sionspotential, die sicli ebenfalls sehr schnell bilden, fur diese Ge- schmacksempfindung ausschlaggebenil sind.

Da das Adsorptionspotential und die elektrische Adsorption parallel laufen, genugt es, die letztere allein zu bel~ancleln.

Weil die elektrische Ladung des Adsorbens in diesem Fall be- stimnit, ob in erster Linie die Kationen oder die Anionen des Ge- sclimackselektrolyten adsorbiert werden, muss auch die Frage nach der eventuellen Ladung des Adsorbens des Geschmackssystems und ihrem Vorzeichen behandelt werden; da es aber fur das folgende Ver- fahren gleichgiltig ist, ob diese Ladung positiv oder negativ, oder oh das Adsorbens neutral- ist, gehe ich auf diese Frage erst spater ein.

19. Uber die Adsorption der anorganischen Neutralsalze, die ich bei diesen Bestimmungen gebraucht habe, ist uns bekannt, dass sie unter Befolgung der gewbhnlichen Adsorptionsgleichung statt- findet l. Sie werden im Vergleich mit manchen organischen Stoffen in sehr geringer Menge adsorbiert. Die Versuche K e 11 n e r s uber die Adsorption der Salze von Alkalimetallen und Leichtmetallen machen es wahrscheinlich, dass dieselben ans aquimolekularen Losungen in gleich grosser Menge adsorbiert wertlen. Die Adsorptionskon-

1 stanten a und aucli - dieser Stofle waren also hiernach untereinander

gleich gross. Was den Wert des Adsorptionsesponenten betrifft, hat L e v i t e s gezeigt, dass fur neutrale Salze bei Anwendung von

?A

1

?I Gelatine als Adsorbens - = 1 ist. d. h. die adsorhierte Menge ist

eine lineare Funktibn tler Konzentration. (Zu benierken ist, dass das Vermogen der Neutralsalze, die Oberflachenspannung an der Grenzflache Wasser-Luft zu verandern, ebenfalls eine lineare Funk- tion der Konzentration darstellt) 4.

Da bei der Anwendung verschiedener Adsorbentien die Werte von OL fur verschiedene zu adsorbierende Snbstanzen stets propor-

' F r e u n d I i c h, Kapitlarchemic, 8. 166.' * F r e u n d 1 i c h, Kapillarchemie, 8. 364.

L e v i t e 8, Kolloid. Zeitschr. 9, S. 1; 19 1 1. F r e u n d 1 i c h, Kapillarchcmie, S. 61.

UBER DEN GESCHMACK. 115

tional sind. ist es wahrscheinlich, dass die Werte von u fur neutrale Salze auch im Geschmackssystem gleich gross sind, tlnd rla der Wert

von - im allgenieinen sehr wenig variiert, durfen wir bis auf weiteres annehmen, dass er fur diese Salze auch im Geschinackssystem= 1 ist 1.

Hjernach wird also die bei der Schwelle des Geschmacks gel- tende Gleichung fur Neutralsalze die folgende Gestalt erhalten :

1 ?.?

D . c7 = Const. 20. Ich habe die Schwellenkonzentration des Geschmacks fur

einipe Salze von Alkalimetallen bestimmt, u m die Giltigkeit dieser Pormel nachzuyrufen. Mitt der obenerwahnten Versuchsmethode konnte man die Konzentration mit einer 0,00025 molaren Genauigkeit bestimmen. Die Resultate der Bestimmungen sind in den Tabellen 2 und 2 a zusammengestellt. In der xweiten Kolumne D finden sich die fur 180 berechneten Diffusionskoeffizienten der Elektrolyte, in der dritten. r, die Schwellenkonzentrationen.

1 ' D . C V

1346 0,0078 I 0,0114

0,0115

0,0111

KCI. . . . . . NaCl . . . . . Licl . . . . . 1,oO 1 0,0115

I o,wuA

Tabells 2.

'

KNO,. . . . . NaNO, . . . . KBr . . . . . NaBr . . . . . LiBr . . . . . KC1. . . . . . Sac1 . . . . . LiCl . . . . . NH,CI. . . . .

cr

1,41

1,14

1,47

1 ,oo

1,l'i

1,1 0

1,45

1 ,I8

1.4 I

Tabelle 2 a .

0,0047

0:0052

0,0049

0,oU5G.

0,0069

0,0071

0,007g

0,008s

0,0047

0,006G

O.oo59

o,Q071

0,0066

0,0069

0,010

0,(.08i

0,0385

0.OOGS

116 :YRJO RENQVIST.

Da der Diffusionskoeffizient . der Elektrolyte umso grosser ist, j e schneller ihre Ioneii waiidern, und bei den von mir angewandten Elektrolyten die Anionen samtlich eine ziemlich gleich grosse Wan-

c derungsgeschwindigkeit besitzen, bestinlint also die Geschwindipkeit des Kations in erster Linie die relativen Diffusionsgeschwindigkeiten.

Die Wanderungsgeschwindigkeit der obigen Kationen ist abneh- mend in der Reihenfolge Kf, Na+, Li+, weshalb wir von vornherein vermuten diirfen, dass der Diffusionskoeffizient in der Gruppe jedes Anions in derselben Reihenfolge herabgehen muss. Da -D . Cr kon- stant sein wird, musste niithin in der Gruppe jedes Anions die Schwellenkonzentration des Geschmacks in derselben Reihenfolge zunehnien, und S O verhalt es sich ja auch, wie wir aus den Tabellen ersehen. Diese allgemeine Durchmusterung zeigt schon, dass die von uns aufgestellte Gleichung wenigstens annahernd in der Gruppe jedes Anions Gultigkeit hat.

Aus der vierten Kolunine ersehen wir, dass das Produkt D.c , wirk- lich bei allen Substanzen, auch unter den verschiedenen Anionengruppen, ziemlich gleich gross ist. Bei den Nitraten und Bromiden sind die Werte fur D. cr fast vollstandig gleich gross, bei den Chloriden sind sie etwas grosser. Die eventuelle Ursache dam ist schwer zu eruieren.

In Tabelle 2 a sind die Schwellenkonzentrationen in einer meh- rere Monate spater ausgefiihrten Versuchsreihe bestimmt ; sie sind hoher, was sich wohl von der geringeren Empfindlichkeit des Ge- schmacksorgans zu der Zeit. herruhrt, aber die Grossenordnung ist dieselbe, und das Produkt D . c , ist bei allen Salzen gleich gross.

Aus der Gleichung D. Cr = Const. erhalten wir 21.

Const. Cr = -- D '

1 D und wenn wir hierein den Wert von -, ausgedriickt mit Hilfe der

Wanderucgsgeschwindigkeiten U und V des Kations und des Anions, 1 1 also = (;+ +) n7, einsetzen, wird

1 1 Const. Cr = (- u + -) V R . T '

D i e S c h w e l l e n k o n z e n t r a t i o n d e s G e s c h m a c k s b e i A l k a l i s a l z e n i s t a l s o e i n e a d d i t i v e F u n k t i o n d e r W e r t e d e r W a n d e r u n g s g e s c h w i n- d i g k e i t e n d e r I o n e n .

i n v e r s e n

~ B E R DEN GESCHMACK. 11 7

Aus Tabelle 3 ersehen wir, dass die Schwellenkonzentration wirk- lich eine additive Eigenschaft ist.

Tabelle 3.

, I I - : Li Na K 1 I I

I I I I

. . . . /NO, . I i

Br . . . . . . I 0,0069 1 0.noi4 c1 . . . . . . 1 0,OOSS

N a . . . . . . Li . . . . . ,

0,0047 ,

0,0001 0,0548 1

1 0,0023 0,0071

I

Br 1 NO, I C1

0,0071 1 0,C:OOJ

0,oJoe 0,0074

0,oosa

@,0048

0,0056

0,006Y

0.00oa

0,OUlS

0,0047

0,0052 @,0005

1 n 22. Im Vorhergehenden haben wir - = 1 gesetzt; ohne diese

Annahme entwickelt sich die Sache folgendermassen. Da aus aquimolaren Losungen von Alkalisalzen gleich grosse

Mengen der verschiedenen Salze adsorbiert werden, haben in den

Formeln dieser Salze a und - uberall dieselben Werte. 1 7.4

Bei dem Schwellenwert des Geschmacks mussen die in der Zeiteinheit adsorbierten Mengen gleich gross sein :

woraus wir erhalten

Ob die experimentell ermittelten Werte von c dieser Gleichung genugen, kann man so untersuchen, dass man die Werte von I: und 1 - logarithmiert und (lie Ergebnisse in ein Koordinatensyatein ein- 1) setzt. Die, die entsprechenden Werte vertretenden Punkte mussen, wenn der Gleichung genugt wird. auf einer (feraden liegen, fur die der Wert des Winkelkoeffizienten 72 ist, wenn die Logarithmenwerte

, .

118 YRJO RENQVIST

1 von - auf der Abszisse und die Logarithnien von c in der Richtung

der Ordinate gelegt werden. In

dem ersten Koordinatensystem (I) finden sich die mit den Nitraten, in dem zweiten (11) die niit den Bromiden und im dritten (111) und vierien (IV) die in der friiheren und spateren Serie mit den Chloriden gewonnenen Ergebnisse. Die Punkte liegen fast auf einer Geraden.

n In Fig. 1 ist dies mit den obigen Alkalisalzen ausgefiihrt.

% $ - 9 2 -91 0. -gr -51 0 . - 0 L -0 , l 0. -O,> - 4 1 0.

Fig. 1. - I. Nitrate. II. Bromide. 111. Chloride I. IV. Chloride 11.

In dem zweiten und vierten Koordinatensystem ist der Winkelkoef- fizient der Geraden niiherungsweiseil. Bei den Bromide'n und spateren

Chloriden ware also hiernach - = 1 (naherungsw.). Bei den Nitraten

und friiheren Chloriden ist der Winkelkoeffizient dagegen <1, mithin

1 n

1

?l - > 1. Hieraus folgt natiirlich, dass der Wert von D . cc in der Gruppe der Bromide und der spateren Chloride konstant ist, aber, wie wir aus den Tabellen 2 und 2 a ersehen, bei den Nitraten und den friiheren Chloriden mehr variiert.

Der Fig. 1 entnehmen wir ferner, dass die, die Nitrate vertre- tenden Punkte in jhrem Koordinatensystem weiter unten liege11 als die, die Bromide vertretenden und diese weiter unten als die fur die Chlo- ride eingezeichneten. Dies zeigt, ?lass die Werte von a bei den Nitraten und Bromiden grosser sind als bei den Chloriden; die Ni- trate und Bromide werden im Geschmackssystem in grosserer Menge adsorbiert als die Chloride.

- \ UBER DEN GESCHMACK. 119

Bei Elektrolyten, die ein gemeinsames Anion haben, ist also die Adsorption im Geschmackssystem vermutlich gleich gross, aber sie ist bei Salzen mit verschiedenen Anionen verschieden gross. Die Grosse der Adsorption wird also hauptsachlich ron dem Anion be'- stimmt.

Ehenso verhalt es sich auch bei den1 System Wasser-Luft und auch bei dem System Wasser-Quecksilber Das vorliegende Verfahren liess ausserdem erkennen, dass der Adsorptionsexponent 1 - bei diesen Elektrolyten wahrscheinlich etwa 1 ist, wovon natur- n lich auch die Additivitat der Schwellenkonzentration des Geschmacks herriihr t.

23. Die Schwellenempfindung des Geschmacks dauert nur einen Moment; als ihren Reiz ist man daher auch berechtigt den Prozess der Adsorptionsgeschwindigkeit wahrend des ersten Moments anzu- setzen, woraufhin denn auch die Schwellenformel des Geschmacks abgeleitet ist.

Bei hoherer Konzentration der zu schmeckenden Substanzen dauert die Geschmacksempfindnng Iangere Zeit an, wobei sie immer schwacher wird, ein Verhalten, dem auch die Abschwachung des Reizes, die Abnahnie der Adsorptionsgeschwindigkeit entspricht.

Eine Geschmacksempfindung, die starker ist als die Schwellen- emphdung, hat also keine konstante Intensitat; vergleichen wir aber die Grade verschiedener Geschmacksempfindungen miteinander, so be- nutzen wir dabei als Masstab wahrscheinlich die Empfindung wahrend des ersten Moments, die am intensivsten und deutlichsten ist.

Hiernach durften wir also erwarten, dass gleich starken Ge- schniacksempfindungen gleich grosse Adsorptionsgeschwindigkeiten wal- rend des ersten Moments des Prozesses entsprechen. Bei den oben angewandten Elektrolyten musste also das Produkt Il . c7, wenn wir auch hohere Konzentrationen benutzen, konstant sein.

Bei Liisungen von 0,068 n. KCl, 0,084 n. NaCl und 0,t n. LiCl i6t dieses Produkt gleich gross. Der Geschmack dieser Lo- sungen ist ziemlich gleich intensiv, obwohl es recht schwierig ist, sie mit einander zu vergleichen, weil die Qualitat verschieden ist. Aber in gleich konzentrierten, 0.1 n. Losungen dieser Salze ist der Ge- schmack des KCI deutlich starker als der des NaCl und dieser wieder starker als der des LiCl, \vie es ja auch zu erwarten ist.

F r e 11 n d 1 i c h, Kapillarchernie, 8. 1%.

120 YRJO RENQVIST.

24. Da e s bei der elektrischen Adsorption von den1 Vor- zeichen der elektrischen Ladung des Adsorbens abhangt, ob vorzugs- weise die Kationen oder die Anionen des Elektrolyten absorbiert werden, versuchen wir auch dariiber ins klare zu kommen. ob das .4dsorbens im Geschinackssystem positiv oder negativ geladen. oder ob es vielleicht elektrisck neutral ist.

In Bezug auf die vorstehend referierten Bestinimungen ist es ganz gleich- giiltig, ob das Absorbens positiv oder negativ ist,, denn cs ist, ja natiirlich, dass in beiden Fallen gleich grosse Mengen der verschiedencn Sdze iri Betracht kom- men, wenn die Adsorptionen rind die elektrischen Potentiale gleich gross sein miissen. Elektrisch neutral kann das Adsorbens des Geschmnckssystetus eben- falls sein, obwohl die Gewebe im allgemeinen schwacli geladen sind und irgendein organischer Teil d e Geschmacksorgaiis natiirlicherwcise das Adsorbelis des Geschmackssysteius darstellt.

Man konnte sich denken, dass das Adsorbens tles Geschmacks- systems eine Eiweisssubstanz sei. Die Eiweisssubstanzen sind irn allgemeinen fast neutral, nianchnial schwach negativ Verschiedene Forscher sind zu dem Ergebnis gelangt, dass rnanche Proteine ani- photere Elektrolyte sind. welche eine grossere Sauredissoziations- konstante als Basendissoziationskonstante haben, also schwach sauer sind 2.

- Aut diesem Wege erhalten wir also keine bestimmte Auffassung iiber die Ladung im Adsorbens des Geschmackssysterns. In der Tat ist es ja aber auch sehr unwahrscheinlich, dass das Adsorbens in einem Eiweissstoff bestande.

Am natiirlichsten hat man als Adsorbens die sog. Geschniacks- zellen der Geschmackskorperchen, in erster Linie hochst wahrschein- lich ihre feinen Spitzen sowie die feinen, an der Oberflache der Ge- schmackszellen sich hinschlangelnden Endigungen des Geschmacks- nerven aufzufassen. Das eigentliche Adsorbens wurde alsdann von den] aussersten Teile der Geschmackszellen, von ihrer Membran ge- bildet werden, die ehenso wie die Nerven in grosser Menge Lipoide, Lezithin und Cholesterin, enthalt.

P o r g e s und N e u b a u e r haben iiun nachgewiesen, dass sich das Lezithin wie ein Eiweisstoff nnd dass Cholesterin wie

R. H o b e r, Zur Kenntnis der Neutralsalzwirkungen. Hofmeisters Bci-

* T. 0 r y n g, Untersuchungen iiber die Zustsndsanderungen der Eiweisa- tr&e zur chemischen Physiologie und Pathologie, 11, S. 50; 1908.

korper. Koll. Zeitschr. 17, S. 14; 1915. P o r g e s u. N e u b a u e r , Biochem. Zeitschr. 7, 8. 152; 1905.

UBER DEN GESCHMACK. 121

ein saures Suspensoid verhllt. Lezithin und Cholesterin konnen mit- einander eine Kolloidverbindung eingehen, und H o b e r hat auch auf die eventuelle Bedeutung der Eigenschaften dieses Kolloitles fur diejenigeh Prozesse, die zmischen der Zelle und der sie uingebenden Flussigkeit stattfinden, aufinerksam gemacht.

Ferner sei auf die Uutersuchungen hingewiesen, die H 6 t e r 1

uber ,die Einwirkung der Neutralsalze auf kolloicle Systeme angestellt hat. Er hat gezeigt, dass die sog. lyotrope Wirkung der Neutralsalze in kolloiden Systemen in hohem Grade von der Reaktion des Systems abhangig ist. In einem sauern System ist die Reihenfolge, in der die verschiedenen Ionen wirken,. gerade umgekehrt wie in einer basischen. Bei fast neutraler Reaktion ist die Wirkungsfolge der verschiedenen Ionen iinbestimmt. In basischen Systemen, also auch, wenn das Ad- sorbens des Geschmackssystenis negativ geladen ist, ist die lyotrope Wirkungsfolge der Ionen, z. B. die koagulierende Kraft und wahr- scheinlich auch die Adsorbierbarkeit.

K > Na > Li, CI > Br > NO,.

Von den Schwellenkonzentrationen des Geschmacks sind bei dieseq Salzen die Werte der K-Salze am niedrigsten, die der Li-Salze am hochsten. Wenn wir versuchen wollten, dies iiiittels der lyotropen Wirkung dieser Salze auf das Geschmackssystem zu erklaren, konnten wir also sagen, es ruhre davon her, dass die Ii-Salze die kraftigste, die Li-Salze die schwachste lyotrope Wirkung ausuben, wie es nach dem obigen bei einem basischen Systeni auch sein muss. Da aber die Chloride derselben Kationen die hochste Schwellenkonzen- tration, die Nitrate die niedrigste batten, wurde die lyotrope Wirkung gegenuber den Anionen nicht der obigen Regel entsprechen, sondern sie ware vielmehr gerade die umgekehrte.

Ware hinwieder das Adsorbens des Geschmackssystems positiv, so musste die lyotrope Wirkung die entgegengesetzte sein. Die Rolle der Kationen iin Geschmackssystem wurde alsdann init der lyotropen Wirkungsfolge ini Widerspruch stehen.

Fassen wir schliesslich das Adsorbens des Geschmackssystems als neutral auf, so musste die Wirkungsfolge der Ioneii unbestimmt

* Loc.. rit. P. 120.

122 YRJO RENQVIST.

sein, oder bei niedriger Konzentration der Elektrolyte in derselben Richtung gehen .wie in einem sauern System.

Die GrBssenfolge der Schwellenkonzentrationen des Geschmacks 1st jedoch nicht unbestimmt, sondern im Gegenteil ausserordentiich bestimmt, sodass wir auch bei dieser Annahme uber die Natur des Adsorbens des Systems keine befriedigende Erklrirung fur die Grosse der Schwellenkonzentrationen gewinnen.

Da sich die lyotrope Wirkung der Elektrolyte nur bei ihrer Einwirkung auf Emulsionskolloide. nicht auf Suspensionskolloide aus- sert, ist es also wahrscheinlich, dass das Adsorbens des Geschmacks- systems kein Emulsionskolloid, sondern eher ein Suspensionskolloid ist. Wie mir sehen, steht diese Anscliauungsweise ebenfalls nicht mit dem Lipoidcharakter der walirsclieinlichsten Adsorbentien des Systems, der Zellmembranen oder Nervenendlgungen, im Widerspruch.

Die Emulsions- und Suspensionskolloide unterscheiden sich in ihreni Verhaltnis zu den Salzen verscliiedenwertiger Kationen. Die Wirkiing dieser Salze auf den Suspensionskolloiden (negativen) ist deutlicli von der Wertigkeit der Iiationen abhiingig; die drei- wertigen Salze haben eine starkere koagulierende Wirkung als die zweiwertigen untl diese wiederum eine starkere als die einwertigen. Nach der adsorptionstheoretischen Aiiffassung F r e u n d 1 i c h s hangt es damit zusammen, dass die verschiedenu.ertigen Ionen um eben Koa- gulation hervorzu bringen in aquivalenten Mengen adsorbiert werden mussen ; und mit rler Voraussetzung, dass 'die verschiedenwertigen Leichtmetallsalze in aquimolaren Losungen gleich stark adsorbiert werden, hat F r e u n d 1 i c h auch gezeigt, dass diese Betrachtungsmeise gut die diesbezuglichen Erscheinungen und Verhaltnisse erklart.

I n ihrem Yerhaltnis zu den Eniulsionskolloiden hat die Wer- tigkeit der Salze keine so entscheidende Bedeutung. Die ein- und die zweiwertigen Sake wirken ungefahr gleichschwach, die dreiwer- tigen starker.

Ich liabe die Schwellenkonzentration des Geschmacks fur zwei zweiwertige und ein dreiwertiges Salz bestimmt. In Tabelle 4. sind die Versuchsresultate. Wir sehen dass die Schwellenkonzentration fur BaCI, und CaCl, schon vie1 niedriger ist als diejenigen der Al- kalisalze, und fur AICI, ist die Konzentration am niedrigsten. Die Wertigkeit der Salze hat also hier eine entscheidende Bedeu- tung, was nacli nieiner Meinung die Autfassung vom Suspensions-

25.

' F r e 11 n d 1 i c h, Kapillarchemic, 8. 354.

~ B E R DEN GESCHMACK.

Tabelle 1.

LiCl . . . . . . KaCl. . . . . .

1 K C I . . . . . . I CaCI, . . . . .

I

0,0115 !

I 0,oooi '

0,0020 1 0.0078 ,

123

. . . . . 0,0020 I

. . . . . j 0,ooors ' !

charakter des Adsorbens des Gescliniackssystenis unterstiizt. Dabei zeigt es sich, dass fiir diese verschiedenwertigen Elektrolyte beim Schwellen wert tles Geschmacks, ausser der Adsorptionsgeschwindigkeit auch elektrische Ersctieinungen eine Bedeutung haben. Da die Ver- haltnisse hierdurch allzu kornpliziert werden, diirfte es schwer sein. yon diesen Bestiniinungen wenigstens quantitative Schlusse zu ziehen.

Schliesslich ist noch die Frage nach dem Geschmack der Saurm und Basen zu beriihren.

Ich habe die Schwellenkonzentration des Geschmacks fur einige anorganische Sauren und Basen bestimmt. Die Werte sind in der folgenden Tabelle 6 gegeben. Die Schwellenkonzentration der Sauren

H C I . . . . . . HSO, . . . . . KOH . . . . . KaOH . . . . .

I 0,00025

0,0('029

0,0012 1 O,UUl2

ist danach ausserordentlich oiedrig, ebenso die cler Basen. Es ist wahr- scheinlich, dass diese Substanzen eine chemische Wirkung auf das Ge- schmacksorgan ausiiben; sind ja die in den Zellmenibranen und Zellen vorliandenen Eimeissstoffe amphotere Elektrolyte, welche sowohl saurc als basische Radikale enthalten und daher sowohl niit den Basen als niit den Sauren reagieren. Diese wahrscheinlich stattfindenden che- mischen Reaktionen kijnnen die niedrigen Schwellenkonzentrationen der

124 YRJO RENQVIST.

Sauren und Basen erklaren. Ausserdem ist aber zu beachten, dass die Sauren und Basen im allgeineinen in hoherem Masse als die Neutral- salze auf die Veranderung der Oberflachenspannung einwirken und im allgemeinen starker adsorbierbar sind Auch dies liefert vielleicht zum Teil eine Erklarung fur die geringe Griisse der Grenzwerte bei dense1 ben.

111. D i e S c h w e l l e n e m p f i n d u n g t l e s G e s c h m a c k s b e i h o n i o l o g e n u n d i s o m e r e n V e r b i n d u n g e n .

26. D u c 1 a u x hat gezeigt, dass wenn bei einer Losung zweier homologen Alkohole oder Sauren die Oberflachenspaunung gleich gross ist, das Verhaltnis ihrer Konzentrationen konstant und vom Grosse der Oberflachenspannuni unabhangig ist.

Analytisch kann man dies mit Hilfe der folgenden Gleichung ausdrucken :

wo c die Ronzentration der Losung eines homologen Gliedes der Reihe b'edeutet, b eine Konstante, die bei jedem Glied der Reihe einen ver- schiedenen Wert hat, und f l y ) eine Funktion der Oberflachenspannung 7, welche Funktion bei der ganzen homologen Reihe dieselbe ist.

Nack G i b b s gilt fur das Verhalten zwischen der Adsorption einer Substanz, der Oberflachenspannung und der Konzentration fol- gende Gleichung:

c = f (r) ,

wo u die adsorbierte Menge Substanz, c die Konzentration der Sub- staiiz und 7 die Oberflachenspannung ist.

'Aus der D u c 1 a u x schen Formel erhalten wir nun durch Diffe- rentiation nach r:

und durch Division der ursprungliclien Formel hiermit:

Setzen wir dies in die Formel von G i b b s ein, so erhalten wir:

F r e 11 n d 1 i c h, Kapillarchernir, S. 188.

CBER DEN GESCHMACK. 1 25

Da . bei den Homologen, wenn die Oberflachenspannung ihrer Losungen gleich gross ist, auch f l y ) und f ' ( y ) gleich gross siud, ist die adsorbierte Menge u bei ihnen gleich gross, wenn die Tempe- ratur T dieselbe ist. Also nach N e i d 1 e

('i) y,T= ( lLz ) 7,T.

Bei Elektrolyten, wo noch der van't Hoffsclie Faktor i zu beruck- sichtigen ist, erhalten Fir nach N e i d 1 e

In Worten ausgedriickt : in wasserigeu Lijsungen von homologen Sauren (Fettsauren) sind die adsorbierten Mengen, wenn die Ober- flachenspannung und die Temperatur dieselben sind, umgekehrt pro- portional dem van't Hoffschen Faktor i, und in Losungen von homo- logen Alkoholen ist die Adsorption unter diesen Verhaltnissen gleich gross.

Weil zwischen Obertlachenspannung und Konzentration die Exponen tialgleichung

gilt, wo y die Differenz sungsflussigkeit und der

- ; . = s . c n der Obertlachenspannungen der reinen Lo- LBsung bedeutet, erhalten wir auch

Nach D u c 1 a u x ist bei den Homotogen, wenn die Oberflachen- spannung y gleich gross ist. das Verhaltnis der Konzentrationen c koostant, sodass also nach dieser Gleichung der Exponent 14 in der ganzen Reihe gleichwertig sein muss. Ebenso muss das Verhlltnis der Koeffizienten a zweier aufeinaiider folgenden Glieder der Reihe konstant sein.

Wir erhalten ntimlich aus der obigen Gleichung, wenn wir das Verhaltnis der gleich grossen Oberflachenspannungen entsprechenden Konzentrationen mit K bezeichnen und durch die Indices 1 und 2 zwei Glieder der Reihe andeuten,

sl, nl, s2, n2 sind Konstanten, die linke Seite der Gleichung ist mithin irnmer gleich gross, welches auch die Oberflachenspannung sei. Die

N e i d l e , Journ. Amer. Chem. Soc. 37, S. 513; 1915.

126 YRJG RENQVIST.

rechte Seite muss folglich ebenfalls konstant u n t l von dem Werte von y unabh8ngig sein. Sie erfiillt diese Bedinguna, wenn

n1 = ) 1 2 = . . . = I & .

Beachten wir dies, so erhalten wir aus t lw vorhergehenden Gleichung

Das Verhiiltnis von s l - zu s2 ist also konstant. Diese Forrneln, die inhaltlich niit derjenigen von D u c I a u x

zusammenfallen, aber unter Benutziing der Exponentialgleichung der Oberflachenspannung abgeleitet sind, lauten also in Worten aus- gedruckt :

I n h o m o l o g e n R e i h e n i s t d e r O b e r f l a c h e n s p a n - n u n g s e x p o n e n t a l l e r G l i e d e r g l e i c h g r o s s u n d d a s V e r h a l t n i s d e r K o n s t a n t e n s d e r a u f e i n a n d e r f o l g e n d e n G l i e d e r k o n s t a n t .

Fur aufeinander folgende Glieder einer Reihe gilt also folgende Forniel:

1 1 1

s, : s2 : sa : . . . : sm = 1 : Ktc : K“.n : . . . : K(”& -%. Die Abhangigkeit der adsorbierten Substanzmenge von der Kon-

zentration wird durch die Exponentialgleichung 1

I I = a . C 1b

bestimint. In dieser Gleichung ist der Exponent derselbe wie in der Exponentialgleichung der Oberflachenspannung ; a und s sind direkt proportional I . I n einer homologen Reihe also:

a, : u2 : a3 : . . . : am = s1 : S2 : S3 : . . . : Sm.

27. Nach der von uns zugruntle gelegterl theoretischen Auffas- sung des Geschmacks rnussen die Adsorptionsgeschwindigkeiten der Schwellenempfindungen des Geschmacks bei verschiedenen Gliedern der homologen Reihe gleich gross sein :

1 - 1 - 1 1 3, . a, . C, ii = D, . a*. c,; = D3 . a s . c3 n = . . . = Dm . a, . C, n,

woraus :

\‘gL P. 103.

UBER DEN GESCHMACK. 127

Unter Berucksichtigung tler Gleicliungen, welche die Beziehun- aus- gen von Q inittels s und dessen Beziehungen mittels K und

drucken. erhalten wir:

sowie fur Elektrolyte:

Fiir die D u c 1 a u xsche Formel ist experimentell nachgewiesen worden, dass sie fur wasserige Losungen von homologen Alkoholen und Fettsiuren Geltung hat, wobei die Oberflachenspannung auf der Grenzfliiclie wasserige Losiing-Luft gemessen wurcle I .

Im Geschmackssystem ist die eine Phase die wasserige Losung der betrefienden Substanzen, die andere aber ist das feste oder viel- leicht flussigfeste Adsorbens rles Geschmackssystems, welches dieses auch sein mag.

Ich habe in (lei Litteratur nach Angaben uber die Adsorption von homologen Verbindungen bei festem Adsorbens gesucht, urn zu sehen, ob die D u c 1 a u x sche Regel auch da gilt, und ob wir also berechtigt sind, sie auf das Geschmackssystem anzawenden.

F r e u n d 1 i c h 2 hat gezeigt, wie wir ohen schon bemerkten, dass der Adsorptionsexponent iru allgemeinen in recht engen Gren- Zen variiert. selbst wenn als Adsorbens und als Adsorbendum sehr verschiedene Stofie angewendet werden. Hiernach ist es schon sehr wahrscheinlich, dass bei Homologen konstant ist, wenn sich das Adsorbens aucli in einem anderen Zustaiid als tiem gasformigen be- findet. Die folgenden Bestiinmungen von F r e u 'n tl I i c h zeigen denn auch, dass bei homologen Fettsiiuren sehr wenig variiert: wenn als Adsorhens Kohle gebraucht wird.

1

1

J. T r a u be . Liebigs dnnnlpn, 2(i5, S. 2T: 1891. - S e i d 1 e, Journ.

F r e.u n d 1 i c h, Kapillnrrhemie. S. 149. F r e 11 n d 1 i c h, Zeitschr. f. physik. Cheni. 57, H. 385; 1!407.

Amer. Chem. SOC. 37, S. 513; 1915.

128

Ameisensaure . . . . . .

YRJO RENQVIST.

I . . Essigsaure ' i Ameisensiiure.

I Propionsaure Ruttersaure . . . .

. . . . . . . .

* /

I

Was die Konstanz des Verhaltnisses L.!r Adsorpt,anskoeffizienten anbelangt, hat., wie erwahnt, F r e u n d 1 i c h dargetan, dass dasselbe bei zwei Substanzen recht konstant ist, welches das Adsorbens auch sei. Es ist erwiesen, dass F r e u n d 1 i c h s Regel bei mehreren ver- schiedenartigen festen Adsorbentien gilt 1. Auf Grund dieser Regel ist es also schon wahrscheinlich. dass in einer homologen Reihe das Ver- haltnis der a benachbarter Glieder auch dann konstant ist, wenn als Adsorbens ein anderer Stoff' als ein gasforrniger auftritt.

Die folgenden a-Werte von Fettsauren zeigen, dass dies in der Tat der Fall ist z.

~ Buttersaure . . . . . .

I ' a 1 Verhlltnis I

I I

2,37 1.27 1

3,OO

3,;s

4,98

1 ,pG

1,32 I

Fur honiologe FetFsauren hat also bei der Anwendung so ver- schiedenartiger Substanzen, wie gasformiger Luft und fester Kohle als Adsorbens, in beiden Fallen die D u c 1 a u xsche Formel Geltung. Uber die Adsorption anderer Homologen habe ich in der Literatur keine Angaben gefunden.

Auf Grund des Obigen lasst sich das Ergebnis natiirlich nicht unbedingt dahin verallgemeinern, dass die D u c 1 a u x sche Formel stets fur alle Homologen auch bei festen Adsorbeutien galte, doch diirfen wir dies als wahrscheinlich betrachten, zumal da, wie bereits hervor-

F r e u n d 1 i c h, Kapillarchemie, S. 155. * F r e u n d l i c h, loc. cit. S. 127, Note 3.

GBER DE’N GESCHMACK. 129

gehoben, die Adsorptionserscheinungen denselben Regeln folgen, wel- cherlei nnd in welchem Zusta.nd die Phasen des Systems such sein rnogen .

Mithin diirfte die D u c 1 a u xsche Formel auch auf das Ge- schrnackssyetem Anwendung finden. Die obigen, die Verhaltnisse der Schwellenkonzentrationen des Geschmacks homologer Verbindungen bestimmenden Gleichungen, die sich auf diese Formel grunden, niussten folglich Giltigkeit besitzen.

I n diesen Gleichungen tritt das Verhaltnis K der Konzentra- tioneri auf. In dem System Wasser-Luft ist dieses sowohl bei ho- mologen Alkoholen als bei Fettsauren = 3 I n diesen Reihen ist also das Verhaltnis der Konzentrationen zweier Glieder, des oberen und des unteren, die bei der Gruppe nz . CH2 voneinander abweichen, gleich 1 : 3”, wenn die Oberflach’enspannung der Losungen gleich gross ist.

n S a Da E = (:)”= (:) und 2 sowie 2 bei verschiedenen Adsorben tien Sl a1

fast gleich gross sind und ebenso 12 von den Adsorbentien ziemlich unabhangig ist. ist es wahrscheinlich. dass der Wert von K gleichfalls von dem Adsorbens unabhangig ist und auch in anderen Systemen etwa 3 ist, wie er es in dem System Wasser-Loft war.

28. Ich habe die Schwellenkonzentrationen des Geschmacks fur einige Verbindungen homologer Reihen, namlich homologe Alkohole und A theralkohole, bestini mt. , Die, die Verhaltnisse der Schwellenwerte rles Geschniacks be- stimmenrle Gleichung konnen wir in folgender Form schrelben:

c1 : K . c2: KZ. c 3 : . . .: K ’ n - 1 . = (y (y: (y: .;. .: (-)̂ . 1 D, D2 D3 D,

Logarithmieren wir also die Werte von c, addieren zu ihnen die Werte von log K (K= 3), logarithmieren ebenso die Werte von 1 - und tragen die entsprechenden Werte in ein Koorrlinatensystem D ein, so miissen die sie vertretenden Punkte auf einer Geraden liegen.

Die Resultate der Bestinimungen finden sich in den Tabellen 6, 7 und 8. Die erste Versuchsreihe ist mit einwertigen Alkoholen ausgefuhrt (Tabelle 6) ; bestimmt sind die Schwellenkonzentrationen des Geschmacks von Methyl-; Athyl-, Butyl- und Aniylalkohol. Sie sind in der Kolunine c, wiedergegeben. Jede Bestiinmung wurde

J. T r a u b e, Liebigs Annalen, 265, S. 27; 1851. Skand. Arch. XXXVIII. 9

130 YRJO - RENQVIST.

2-3 nial gemacht, wobei jedesmal fast genau derselb8 Wert erhalten wurde. I n der Tabelle ist der Mittelwert der Bestimmungen ange- fiihrt,. Der Diffusionskoeffizient der Substanzen in Kolumne D m wurde mit Hilfe des Molekulargewichts aus der E x n e r - 0 h o 1 m'schen

Gleichung D = ~,~ -..?- gewonnen. 6 9

1 C H s . 0 H . . . . 1 C,Hi,.OH. . . . 1 C,H,.OH. . . . 1 C,H,,.OH . . .

\ Schon aus dem Gang der Schwellenkonzentrationen ersehen wir. dass unsere auf der Adsorptionstheorie des Geschniacks beruhende Formel, weniptens annahernd Geltung besitzt, denn bei zunehmendem Molekulargewicht der Substanzen, also bei Abnahnie der Diffusions- koeffizienten, wird die Schwellenkonzentration niedriger, und zwar, wie auch unsere Forinel zeigt, recht schnell.

In Fig. 2 sind die entsprechenden Werte von log cm + log 1

(.3)v'-l und log - in ein Koordinatensystem eingetragen ; die Punkte

liegen sehr gut auf einer Geraden, der den Butylalkohol vertreteiide Punkt liegt zu niedrig, die ubrigen be- finden sich fast vollstiindig auf einer Ge- raden: Der Wirikelkoeffizient der Geraden ist ca. 1,5. Der Adsorptionsexponent bei

homologen Alkoholen ware also - = 0,67,

was ein ganz annehmbarer Wert ist. I n der letzten Kolumne der Tabelle 6 sind die

Werte von D m (K"&-' . c,$, welche fur die verschiedenen Glietler gleich gross sein sollen, berechnet. Die Ubereinstiminung ist, Butylalkohol aiisgenommen, gut.

In der zweiten und dritten Versuchs- serie sind die Schwellenkonzentrationei~

11 m

Fi.9. 2.

1 n

-

UBER DEN GESCHMACK. 131

des Geschmacks voii Atheralkoholen bestimmt worden. Wie wir aus den Tabellen 7 und 8 ersehen. sind die Homologen der ersteren Reihe uin eine Methylgruppe armer als die entsprechenden Glieder der letz- teren. Die Konzentration und der Diffusionskoeffizient sind wie vorher er mi tt el t.

H H \ I

CH, .O . CH, . C- OH kl CH, \ /

CH, . 0 . CH, . C' . OH CH, CH,

CH, .O. CH, . C . OH

CH,. 0 . CH,. C . OH

CH,. 0 . CH,. C . OH

\ I

C,H, C,Hs

CaH, C,H, \ r

\ !

H CH,

C,H, . 0. C ' . H H , . C . O H CH,3 CH,

\ I C,H, . 0 . T H , . C . O H

C,H, C,H, \ ,

C,H,. 0 . CH,. C . OH

C,H,. 0. CH, . C'. OH

\ /

C,H1 y b

104,12 1 0,w

90,lO j 0,;3

^^ i - ..

e Tabelir 8. ,

118p

146,13

174,?2

Aus den Tabellen ersehen wir schon, wie bei den hoheren Glie- dern der Reihe die Schwellenkonzentration schnell herabgeht. Kolumne ~n enthalt die Ortliiungsnummer jedes Gliedes in der Reihe. I n der zweiten Reihe (Tabelle 8) habe ich als Numiner des ersten Gliedes

9 x.

1i2 YRJO RENQVIST.

3 gesetzt, weil dieses Glied mit dem dritten Glied der ersten Reihe (Tabelle 7) isomer ist, und die Ergehnisse auf diese Weise in dem- selben Koordinatensystem am einfachsten dargestellt werden konnen.

Tragen wir, wie oben, die logarith- mierten Werte der in den Gleichungen vor- konimenden Grossen der beiden Reihen in ein Koordinatensystsm ein (Fig. 3), so finden wir die entsprechenden Punkte auf einer Geraden und z;var fallen diese fiir die beiden Reihen zusammen.

Eine Ausnahme macht das erste Glied der ersten Reihe; der dasselbe vertretende Punk t liegt zu tief, d. h. die Schwellenkonzentration der Substanz miisste hoher sein. Aber diese Verbindung ist auch kein eigentliches homologes Glied in der ersten Reihe; in der Stellung, in tler die Anzahl der Methylgruppen in der Reihe zunimnit, enthalt es keine einzige Methylgruppe, sondern nur ein Wasserstoff- atom, meshalb es den ubrigen Gliedern der Reihe nicht so nahe steht, wie diese untereinander. In der Reihe der honio- logen Fettsauren n immt die Ameisensaure die namliche Stellung ein.

Da die Punkte beider Reihen auf derselben Geraden liegen.

Dies ist auch natiirlich, denn das zweite Glied der ersten Reihe und das erste Glied der zweiten, ebenso das dritte der ersten und das zweite der zweiten Reihe, usw. sind gleichfalls untereinander homolog und unterscheitlen sich voneinander nur durch eine Methylgruppe. Die verbinclenden Geraden der diese homologen Paare vertretenden Punkte miissen selbstverstandlich parallel sein, sowohl niit der Cfe- rade, welche die Punkte der zur ersten Reilie gehorenden, als auch ini t der Gerade, welche die Punkte der zur zweiten Reihe geho- renden Glieder verbindet, d. h. die Winkelkoeffizienten 12 dieser Ge- raden miissen bei allen gleich gross sein, weil bei jedem Glied so- wohl in der ersten als in der zweiten Reihe der Adsorptionsexponent 1 - natiirlich immer derselbe ist.

Fig. 3 .

p Y f + q l i g + *gr ' 9 7

haben EE.4 also die Glieder beider denselben Adsorptionsexponenten ;. 1

n

UBER DEN GESCHMACK. 133

Damit sich diese parallelen Geraden aneinander anschliessea, habe ich die zweite Reihe mit der Ordnungsnummer 3 begonnen.

Der Winkelkoeffizient rler alle Substanzeu vertretenden Geradeu ist etwa n = 3. Der Adsorptionsexponent ist mitliin be1 allen diesen

Atheralkoholen - = 0 , ~ . also y o n der gewohnlichen Grosse. Die

letzten Koluninen der Tabellen 7 und 8 enthalten die bereclineten Werte von D, (Km-1. em);: diese sind ungefahr gleich gross.

29. Die Formel der Schwellenkonzentrationen des Geschmaclts ninimt bei isomeren Verbindungen schliesslich eine sehr einfache Ge- stalt an. T r a u b e 1 hat gezeigt, dass, wenn die Oberflachenspaniiung der Liisiingen isomerer Verbindungen gleich gross ist, auch deren Konzentrationen gleich gross sind. Bei ihnen ist also K= 1. Da die Molekulargewichte gleich gross sind, sind es auch die Difiusions- Itoeffizienten, nnd die, die Beziehungen der Schwellenkonzentrationen tles Geschmacks bestimmende Forinel erhalt die einfache Gestalt:

1 n

1

L ' I = c2 = c3 = . . . = c'm.

Bei isomeren Verbindungen mussten die Scliwelleukonzentratiollcli cles Geschmacks gleich gross sein.

Ich habe die Schwellenkoiizentration fiir drei isomere Ather- alkoliole erniittelt, von derien zwei in den vorhergehenden Versuchs- reilien vorkommen. Aus Tabelle 9 ersehen wir, dass die Schwellen- konzentrationen wirklich gleich gross sind.

TrLbelle 9. - I Mol. G. 1 cin I

, I

CH, CH, C'B,. 0. C'H,. C . OH

H CH,

\ I

\ / C,H, . 0. ( 'H?. c' . OH

H H \ I

C,H, .O.C'H,. CH,. C .OH

I I

Die Resultate der bei homologen und 'isomeren I'erbindungen geniachten Bestinimungen konnen also, und zmar sogar recht gut,

J . T r a11 be, Liehigs Annalen, 365, S. 27; 1691.

134 YRJO RENQVIST.

durcli (lie obigen Gleicliungen zum Ausdruck gebracht-werden. D a d i e A b l e i t u n g t l i e s e r G l e i c h u n g e n , a b g e s e h e n v o n d e r D u c l a u x s c l i e n F o r m e l , n u r a u f d e r V o r a u s - s e t z i i n g f u s s t , d a s s d e r a d a q u a t e R e i z d e r Cie- s c h m a c k s e m p f i n d u n g e i n Ad s o r p t i o n s p r n z e s s i s t. s p r e c h e n m e i n e s E r a c h t e n s a u c l i d i e s e B e s t i m - n i u n g e n f i i r d i e h i e r e n t w i c k e l t e A n s c h a u u n g .

IV. D i e U n t e r s c i i i e d s s c l i w e l l e d e s G e s c t i n i a c k s .

30. Da die Unterschiedsschwelle (U) das \'erhaltnis des Reiz- zuwachses zu den1 ursprunglichen Reiz ist, wenn der Zuwachs der Zunahme der eben merklichen Einpfindungsintensitat entspricht. er- lialten wir fur die U tler Geschmacksempfindung folgende Gleichung, vorausgesetzt, dass die in dem System stattfindende Adsorption den Reiz der Geschmacksempfindung darstellt:

wo c und c1 die Konzentrationen der zu schnieckentlen Substanz vor und nach der Konzentrationszunahme sind.

Hier ist als Mass des Reizes die Adsorptionsgeschwindigkeit im ersten Augenblick des Vorganges benutzt ; da aber, wenn man die Intensitat verschiedener Eiiipfindungen vergleicht, die Einpfindung des ersten Augenblicks wahrscheinlich eine entscheidende Rolle spielt. durfte dies einigermassen gerechtfertigt sein, wie wir auf Seite 119 auseinanderzusetzen versucht haben.

Ich habe die Unterschiedsschwelle des Geschniacks fur Lithiuni- untl Natriunichlorid festgestellt. Es zeigt sich, dass die Konzentration einer 0,025 n. Losung von LiCl und NaCl auf 0 , ~ zu erhohen ist, damit eine Verstarkung des Geschmacks merklich werden kann. Da der Adsorptionsexponent -: hei diesen Salzen gleich gross ist, ist mithin nach der obigen Formel U bei itinen ebenfalls gleich gross. Wenn = 1 , ist cT= 0,4.

bei hohen Konzeotrationen des Adsorbendume fast auf den Kullwert herabsinkt,

1

M a r c 1 hat gezeigt, dass der Adsorptionsexponent

' R. JI a r c. Zeitschr. f. physik. Cheni. 73. S. 710; ] ! I 1 1. 81, 6. 641; 1913.

UBER DEN GESCHMACK. 135

(1. t i . dass die Adsorption alsdann von der Konzentration unab- hlngig ist. Aus der obigen Forniel erhalten wir c, = (U+ 1)". c.

Wenn

d. h. bei hohen Konaentrationen inacht sognr eine bedeutentle Stei- gerung der Konzentration der zu schmeckenden Substana die Ge- schrnaclisempfintlung nicht starker.

Die Geschmacke von 1,oo untl 2.25 n. NaC1-Losungen lassen sicli nicht auseinanderhalten, sie sind gleicli intensiv, und dies ist aiich

mit allen hoheren Konzentrationen der Fall. 3 erhalt mithin wirk-

lich sehr hohe Werte. Die Adsorptionstheorie des Geschmacks liefert also eine Erklii-

rung dafur, dass die eben merkliclie Zunahme der Geschmacksemp- findung bei hoheren Konzentrationen der Losung einen relativ gros- seren Konzentrationszuwachs erfordert.

Im Hinblick darauf, dass bei hoheren Konzentrationen ab-

nimmt, kann also der Ausdruck n - 1 hier fortmahrend konstant

bleiben, d. h. das W e b e r sche Gesetz kann auch Geltung behalten, wenn der Reiz stiirker ist. Wenn wir nicht die Adsorption als den Reiz der Geschmacksempfindung auffassen, sondern als seir. Mass nur die Iionzentration hinstellen, musste nach dem IV e b e r schen Gesetz

'l -: = e l - 1 konstant sein. Bei hiiheren Konzentrationen ist dies

ia aber nicht der Fall. 1 wird hier sehr gross.

B e t r a c h t e n w i r a l s d e n R e i z d e r G e s c h m a c k s - e i n p f i n d u n g d e n A d s o r p t i o n s v o r g a n g, s o g e w i n - l i e n w i r d a m i t e i n e b e f r i e t l i g e n d e E r k l a r u n g d a - f u r , w e s h a l b d a s W e b e r s c h e G e s e t z b e i d e r Ge- s c h m a c k s e m p f i n d u n g e i n e s c h e i n b a r e o b e r e G i l - t i g k e i t s g r e n z e h a t . I n d e r T a t k a n n d i e s e s G e s e t z a u c h o b e r h a l b d i e s e r G r e n z e G e l t u n g b e s i t z e n .

c c

= 0, ist ?L = P und folglich c, = cc oder 7 cn,

c

1 (2)-

c c G

c

136 YRJO RENQVIST.

Y. D i e A d s o r p t i o n u n d d i e D a n e r t i e r G e s c h m a c k s -

31. Zur weiteren Prufung der Annalime von der Adsorption als adaquaten Reiz des Geschmaokssinnes, habe ich noch die Dauer des Geschmacks unter verschiedenen Unistanden untersucht.

Die Geschwintligkeit des Adsorptionsvorganges wird durch fol- gende Gleichung ausgedruckt:

e m p f i n d u n g.

dX df -~ = I; (x m - x),

wo zm die in1 Adsorptionsgleichgewicht, nach sehr langer Zeit adsor- bierte Menge, x die wahrend der Zeit t adsorbierte Menge und /; die Geschwindigkeitskonstante ist.

Durch Integration erhalten wir T m

xx, - 5 1: . 1 = ltt --*

Nit Hilfe dieser Gleichung konnen wir also die Zeit t bestim- nien, wahrend der eine Geschmacksempfindung andauert, wenn wir die ganze aclsorbierte Menge dieser Substanz 5x1 und die Menge x festzustellen vermogen, welche wahrend der Dauer der Geschmacks- enipfindung adsorbiert wird.

Fur die ganze adsorbierte Menge gilt, bei Adsorptionsgleich- gewicht, die Exponentialgleichung

' 1-

2m=a.cn.

Die wahrend der Dauer t der Geschmacksempfindung adsor- bierte Menge erhalten wir folgenderinassen. Die Geschniacksempfin- dung dauert naturlich bis zu dem Moment, wo die Geschwindigkeit des Adsorptionsvorganges ebenso gross geworden ist, wie seine Ge- schwindigkeit beim Schwellenwert der Geschniacksempfindulunq ist: wenn die Geschwindigkeit auch nur ein wenig kleiner wird als jene. entsteht keine Geschrnacksempfindung mehr. In dem Moment, wo die Geschrnacksempfindung aufhort, ist also die Gleichung der Ge- schwindigkeit

dx - =I; (a. c* - z) = k . a. e,%, dt

wo or die Schwellenkonzentration der zu schmeckenden Substanz und

I;. a . c,." die Adsorptionsgeschwindigkeit bei dieser Konzentration be- deutet.

I I - -

I

CBER DEN GESCHMACK. 137

Hieraus erhalten wir 1 1 - -

X = a . C n - - a . C r n .

Setzen wir dies in die durcli Integration aus der Formel der Ge- schwindigkeit des Adsorptionsprozesses gewonnene Forniel ein und fiihren wir zugleich den Wert von xm ein, so erhalten wir

1 c I,. . t =- . In -.

n c7 oiler

1 1 c t= - ~. 111 -. k ' n c7

Da der Geschwindigkeitskoeffizient k des Adsorptionsvorganges pro-

portional dem Diffusionskoeffizienten D der Suhstanz ist ( I ; =-),

erhalten wir

D I)l

1 1 c t = w t . - -In.-. D a n c,.

D i e s e F o r n i e l z e i g t a I s o , d a s s d i e G e s c h m a c k s - e m p f i n d u n g i i m s o l a n g e r e Z e i t a n d a u e r n s o l l t e , j e g r o s s e r d i e K o n z e n t r a t i o n c d e r z u s c h n i e c k - e n d e n S u b s t a n z u n d j e k l e i n e r i h r e S c h m e l l e n - k o n z e n t r a t i o n c, i s t , j e l a n g s a m e r d i e S u b s t a n z d i f f u n d i e r t u i i d j e g r o s s e r i h r A d s o r p t i o n s e x p o -

11 e n t - i s t ; alles limstlnde, die schon ohiie analytische Deduktion ziemlich klar sind.

Die Gleicliung fiir die Dauer des Geschmacks konnen wir experimentell priifen, sind ja die Dauer t der Geschmacksempfindung, die entsprechende Konzentration c und die Schwellenkonzentration er hestimmbar.

Die Versuche warden an mehreren Personen angestellt. Die bestinimung iron t erfolgte folgendermassen. Indem die Versuchs- person die Geschmackslbsnng in den Mund nahm, driickte sie zugleich auf den Knopf einer Stoppuhr: wiihrend sie die Losung im Munde hatte, bewegte sie die Ziinge langsam, und m a r bei jedem Versuch gleich schnell, hin und her, weil die Mischungsgeschwindig- keit der Zunge den Prozess beeinflussen kann, und gab genau darauf acht, wann die Geschmacksempti~~clung aufliorte, mobei sie wieder auf den Knopf der Uhr driickte. So wurden bei melireren verschiedenen Konzentrationen die Dauer des Geschmacks bestimmt.

1 91

32.

13s YRJO RENQVIST.

Als Versuclisobjekte dienten vier Personen, J, K, S und P. Keine von ihnen wusste etwas von dem Zweck rind den Vorbedin- gungen der Versuche.

Die Ergebnisse der Versuche sind in den Tabellen 10--18 zusammengestellt. Die Fig. 4-13 sind die entsprechenden graphi- schen Darstellungen tler Resultate. Wir wollen jede Versuchsreihe fur sich durchgehen.

Tabelle 10. Fig. 4 und 5. Versuchsperson J. Geschmacks- substanz Rohrzucker. Angewandte Konzentrationen 0,030-1.0 n. (Die Schwellenkonzentration des Rohrzuckers ist fur J nicht ermittelt, bei der Versuchsperson, mit der die vorliergehenden Restimmungen des Schwellenwsrtes ausgefiilirt wurden. mar sie 0,om). Es wurden vier Versuchsserien gemacht, in der ersten und dritten wurde die Dauer von der niedrigsten nach der hochsten Konzentration hin, in der zweiten und vierten in umgekehrter Folge bestimmt. Aus der Tabelle ersehen wir, dass d?e Dauer t in der Tat desto Ianger ist, je konzentrierter die zu schmeckende Losung ist. Tragen wir die Mittelwerte der Dauerzeiten und die entsprechenden Konzentrationen in ein Koordinatensystem ein, so werden die entsprechende Werte vertretenden Punkte auf einer Kurve liegen, die logarithmieclie Form hat, wie es unsere Formel ja auch voraussetzt (Fig. 4).

,

labelle 10. Rohlxtlcker. Versuchsperson J.

j (min.) Mit- (Bek.) telm.

@,5S

0,92

0,75

1,16 1 . 4 4

I ,74

2,ss

3.10 2,73

43,n 54,s ;0,9

85,5 148,g l 7 S p 186,l 207,s

71,4

f t

21,s 36,9 483 68 ,9 91,7

1L6,g 131,o li2,7 152,9

t L I

f t

31 ,Z

41,1 51 ,.5 66,s 86,o

1C3,6 133,s 1424 202,g

Inwiefern die von uns abgeleitete logarithmische Formel wirklich Giltigkeit hat, sehen wir am besten, wenn wir t als Funktior, von log c

in ein Koordinatensystem eintragen. Da - . - oder m .- .- konstant 1 1 1 1 1; 9? D 1)

OBER DEN GESCHMACK. 139

ist, mtissten die, die entsprechenden Rer te vertretenden Punkte auf einer Geraden liegen. Aus Fig. 5 ersehen wir, dass die Punkte dieser Forderung sehr gut genugen. Der Winkelkoeffizient der Ge- raden ist, unter Berucksichtigting der in dem Koordinatensystem angewandten Masseinheiten, etwa 1,75.

Indem wir init Hilfe dieser Geraden die Schmellenkonzentration' des Geschmacks bestimmen, erhalten wir Cr = 0,023. Bei der Ver- suchsperson J ist cr nicht direkt festgestellt, aber bei der vorher- gehenden Versuchsperson war sie fur Rohrzucker, 0,020, also ein Wert, der ganz derselben Grossenordnung angehort. Grossere Esaktheit ist bei der Bestimmung von c,. mit Hilfe dieser Geraden nicht %ti 8

erzielen, weil der Wert ihres Winkelkoeffizienten nur in den1 Koorcli- natensystem gemessen ist.

Losen wir die Gleichung der Dauer tles Gesclimacks fiir Crauf, so finden wir

c, = c . e- a ~ . k . t .

Dadurch dass wir also fiir irgendeine Konzentration c einer zu schmeckenden Substanz die entsprechende Dauer t des Geschmacks ermitteln, konnen wir aus dieser die Schwellenkonzentration des Ge- schmacks ftir diese Substanz berechnen, wenn wir den Adsorptions- exponenten' der letzteren und den Geschwindigkeitskoeffizienten der Adsorption kennen.

Tabelle 1 1. Fig. 6. Versuclisperson K. Geschmackssubstanz Rohrzucker. Gang des T'ersuchs in allen Hinsichten wie vorher. Der Wert von c,. wird, wie wir aus den] Verlauf der Geraden t - log c sehen. zieinlich ebenso gross wie im vorhergehenden sein.

Tabelle 11. R o h r ~ ~ t c l i e ~ . Versuchsperson K.

39,3 11.9 1 0,O.lO

52,s 53,9 63.7 70,l i3,5 97,s

115,7 132,7 164,9

192,s

. 40,7 55,: F9,6

113,z 1263 140,3 1 7 4 ~ 205.0

'

140 T R J ~ KENQVIST.

Tabelle 12. Fig. i. Dieselbe Versuchsperson wie im vorher- gehenden Versuch. Geschmackssubstanz Rohrzucker. Hier wurden Konzentrationeii nwischen 0,030 und 2,o angewantlt. Die Versuchs- losungen wurden von der Versuchsperson in gariz willkurlicher Folge in den Muntl eingefiilirt. Die Dauer nimmt nicht ganz regelmassig mit steigencler Konzentration zu ; es fintlen sic11 einige Ausnahmen. was mahrscheinlich gerade darauf berillit, class die Vergleichung bei Einfiihrung der Losungen ohne bestimmte Reihenfolge nicht so leicht ist, wie bei den vorhergehenden Versuchen, wo die Einnahme mit der niedrigsten oder tler hochsten Konzentration beginnend in regelmas- siger Folge stattfand. Die Punkte i - log c liegen fast auf einer Geraden (Fig. 7). Als Wert von .c+ erhalten vir annlherungsweise denselben Wert wie vorher.

Tubellc 12. Rohrxzicker. Ve.'elairchsperson I<.

O,@ 0.88

0,96

),92

I ,%?

1,20

1 ,a 8.21

2,39

2 $7 ?,I3

3,56

46,O ;3,9

61,4

70,o 93,4 8!),0 68,4

137,a

183,s - - -

I 33,;

1 41.6 i 3,s 39,O s5,2

1084 151,l

140.0 166,s 233,2

--

81,8

139,s

39,9

.52,s

73,s

97,3

115,; 132,; 164,9 192,5

-

65,7

-

-

UBER DEN GESCHMACK. 141

Fig. .?. Ver-

ouchfip. J.

Fiy. 6. Ver-

suchsp. Ii.

Fig. i . Ver-

8uchap. Ii,

Geschrnacksdnuer

C 0,' 9' 9' q b 4s J o

als Funktion der Konzentration bei Versuchsp. .1.

Kohrzuckerlosuiig.

4 I

142 YRJO RENQVIST.

Tabelle 13 und 14 sowie Fig. 8 und 9 geben Versuchsresultate wieder, die ebenfalls mit Rohrzucker als Geschmackssubstanz bei den Versuchspersonen S und P gewonnen wurden. Die Punkte t - log c liegen bei diesem fast auf einer Geraden, bei jenem der Hauptsaclie nach ebenso, aber unregelmassiger. Als Wert von c, erlialteii wir ca. 0,023. (Fiir S 0,017, fur P 0,029.)

Tnbelle 13.

C

0,020

0,080

0,050

0,076

071

0 12 0,15

Tubrlle 14.

e ~

Rohrzucker. Verszichsperson S. -~~

t (min.1 Mittel.

($39

1,55

232

5,38

5,6l 5,42 8,43

(t sek.)

51 ,a

186,R 114,4

343,O

346,O 390,6

494,u

t (min.) Mittel.

0,W 0,98

1,Td

2,0?

2,~7 3,41

4,07

4,28

4,SO

t (sek.) t

6,5 13,0 20,~ 46,8

55,5 10.5,4 119,0 220,6 230,0

UBER DEN GESCHMACK. 143

Fi.q. 8.

r

8

I 6

f

9

3

3

I

Fig. 9.

Tabelle 1 6 . Fig. 10. Vorsuchsperson S. Gesclimackssubstanz Harnstoff. Die Punkte t - log c liegen fast volistandig auf einer Geraden. Der Wert von c, ist ca. 0,040.

-

144 YRJO RENQVIST.

Tabelle 15. Hamstoff. Versnchsperson S.

1,lG

2,u 4,RB 5,44

6,4a 9,03

Fia. 10.

I tl

Tabelle 16. Fig. 11. Versuchsperson P. Geschmackssubstanz Harnstoff. Die Dauerzeiten sind sehr unregelmassig und variieren bei einer und derselben Konzentration in ziemlich hohem Grade.

Der Versuchsperson fie1 es im allgemeinen schwer. die Dauer genau anzugeben, sie zogerte beim experimentieren, und die Resul- tate sind denn auch bei ihr fur alle Geschmackssubstanzen unregel- mlssig. Ihre Geschmacksempfindlichkeit war auch geringer als bei

UBER DEN GESCHMACK. 145

den anderen Versuchspersonei~, die Schwellenltonzeutratiou war bei ilir hoher und die Dauer kiirzer als bei den anderen. Die Punkte f - log c sintl recht unregelniassig gelegen, doc11 ist die sie verbin- tlende Linie annahernd eine Geratle. c,. ist ca. Oms.

1 t (min.) I Mittcl. t (sek.) I ' , 11,s 43.8 141.4 249,:i 253,i 158,; -

Tabelle 17. Fig. 12. \'ersuchsperson S. Geschmackssubstanz KOH. Nur eine Versuchsreihe. c7 etwa 0.m.

Skand. Arch. XXXVIII. 1 0

146 YRJO RENQVIST.

Tabelle

Fig- 12.

Versuchsp. S. KOH.

Tabelle 18. Fig. 13. Versuchsperson P. C;eschmaclissubstanz KOH. Eine Versuchsreihe. c,. etwa 0,003.

Tnbelle IS. KOH. T'ersuchsperson I'.

C

0,ooro 0,0075

G,oll)O

0,015

o,o2

0,o:i 0,Ol

CBER DEN GESCHMACK. 147

i 0,n:! O,o L 0,os 0,oi 0,oZ - 0,ni I -

Fig. 1 3 .

o,OUh14

0,1n13

- -

~~

Versuchsp. P. KUH.

33. Diese Versuche ergaben bei allen Substanzen und Ver- suchspersonen, dass die Dauer des Geschniacks eine logarithrnische Funktion der Konzentration der Geschrnackslosung ist. Dies erhellt ja daraus, dass die Kurven t - log c irnnier fast geradlinig verlaufen. Eine restlose Erfullung dieser Bedingung ist naturlich nicht zu er- warten, denn solche Versuche lassen sich doch nicht niit sehr grosser Exaktheit ausfiihren und aussertlern ist ja die hier entwickelte Auffassung nur als eine approxiiiiative Erklarung der wesentlicli- sten Vorgange beini Geschnmcksprozess aufzufassen.

Berechnen wir mit Hilfe dieser Geratlen die Werte der Schwel- lenkonzentrationen des Gesclirnacks der verschietlenen Substanzen. so erhalten wir als Schwellenkonzentration des Rolirzuckers fur alle Ver- suchspersonen J. K. P. untl S. ca. 0,020. Bei tlirektet Restiiiimung fanden wir als Schmellenkonzentration tles Rohrzuckers 0,020.

Die Scliwellenkonzentrationen tles Harnstoffes und voii KOH erhalten die in der Tabelle 19 niitgeteilten Werte.

Versuchsperson

I s . . . . . P . . . . . J . . . . . K . . . . .

1 o*

148 PRJO RENQVIST.

Uei tler Versuclisperson P. berechnet sich also die Schwellen- konzentration fiir Harnstoff und Kalilauge wesentlich hoher als bei der Versuchsperson S. Aud i durch direkte Versuche habe ich kon- statieren konnen, dass die Schwellenkonzentrationen bei S. tatsach- licli niedriger sind als bei P.

34. In der folgenden Tabelle sind nebeneinander die direkt experimentell ermittelten Schwellenkonxentrationen des Geschmacks und die durch Berechnung erhaltenen Werte aufgefiihrt. Die ersteren sind allerdings bei einem anderen Individen bestimmt als die letzteren, aber die ,Grossenordnung der Schwellenkonzentpationen ist doch bei tliesen verschiedenen Personen dieselbe, bei einigen von ihnen sind die Werte fii; dieselbe Suhstanz fast gleich gross. Da es sich hier nur um die Grossenordnung handelt, konnen wir diese Werte mit- einander vergleichen ; wir fiihren die Werte daher auch nur mit zwei Dezi ni als tellen an.

Yabelle 20.

______ -~ -~ ~~ ~~ ~~ _. -~ 1 Rohrzucker 1 Harnstoff 1 KOH 1 i I

I 1 CT expeririientell bestirnmt . . . . . 0702 , ev berechnet . . . . . . . . . . I O , O ~ 0,06 I 0,002

I 0,09 ' 0,001 I

Die durcli Berechnung erniittelten Werte sind hier Mittelwerte fur S. und P.

Bei Rohrzucker sind also die Werte von cT gleich gross, untl auch bei den anderen Suhstanzen ist die Grossenordnnng dieselbe. Mit Hilfe der Gleichung fur die Dauer des Geschrnacks konnen wir also den Wert der Schwellenkonzentration des Geschmacks approxi- mativ berechnen.

35. Indem wir die Winkelkaeffizienten der besprochenen Geraden t --log c, d. h. den Koeffizienten der Gleichung fiir die Dauer des

1 1 Geschmacks - . - bestimmen, erhalten wir die in die folgende Tahelle k 11

aufgenommenen Werte

~ ~ B E R DEN GESCHMACK. 149

s . . . . / 2,9 2,s c),42

Y . . . . 1.; 1,' 0.'6

J . . . . 0,i.i , - - K . . . . o,c2 i - I -

1 n Fur clas Rohrzucker ist - = 0,ii bei Kohle als Adsorbens He-

nutzen wir (lafur auch hier lrliesen Wert und setzen fiir Harnstofi

und KOH. tleren - unbekannt ist. ihren haufigsten Wert 0,3 (Mittel

aus 0,i untl 0,5), so finden wir far X. die in der folgenden Tabelle aufgenoinmenen Werte.

1 11

Tnbelle 22.

Wert von k fiir Versuehs-

person Rohrzucker i Harnstoff I KOH

S . . . . 0,Oi 0.i(0,04-0,20)/ 0,7 I 1' . . . . 0.06 0,2(u.06--0,30)~ U,4

, , - 0.15 - 0 , I i " K . . . ' . ' - 1 . - I -

Die Werte ron 1; untl des Diffusionskoeffizienten sind proportio- nal; der Wert von 12 steigt bei diesen Suhstanxeii in der Reihenfolge: Rohrzucker, Harnstoff, KOH, und in derselben Ordnung wachst auch der Diffusionskoeffizient an. Obwohl die von uns berechneten Werte von k ungeiiau sind. ist ausserdem zu bemerken, dass die Verhaltnisse zwischen den Werten von k und den Diff usionskoeffizienten doch ziernlich gleich gross sind (Rerte von k 0,oS. 0,15, 0 , ~ ; Tl'erte der Diffusionskoeffizienten 0,%, 1,1o, 2,tl).

-

G. \\r i e g XI c I', Koll. Zeitschr. S. 8. 126; 1911.

I 5 0 YRJO RENQVIST.

L a g e r g r e n hat den Wert von X: bei Kohle als Adsorbens fur Bernstein- untl Oxalsaure in wasseriger Lijsnng ermittelt. Die Werte von I; naren (la 0,036 und 0,038.

Sie sind also von rlerselben Grossenordnung wie die k-Werte fur Rohrzucker untl Harnstoff. Der Diff usionskoefiizient der Oxalsaure ist aucli von dieser Griisse (O,s-l,n; I, a n tl o 1 t-G 6 r n s t e i n, Physi- kalisch-Chemiche Tabellen. 1912.)

Die niit Hilfe der Gleichung fur die Dauer des Geschmacks berechneten Werte des Koeffizienten der Adsorptionsgeschwindigkeit sind also ganz von derselben Grosse wie die niit den phyaikalischen Nethoden ermittelten Werte, und tloch sind diese Methoden untl die den Ausgangspunkt bildenden Voraussetzungen ausserst ver- schieden.

36. Schliesslich muss noch hervorgelloben werden, dass KOH wahrscheinlich ebenfalls tlas Adsorbens des Geschmackssystems che- niisch beeinflusst, sodass bei dieseni Stoffe Yermutlich auch ein che- niischer Vorgang auf die Dauer des Geschmacks einwirkt. Es ist daher nicht zu erwarten, dass die oben fur die Dauer des Geschmacks aufgestellte Formel fur diesen Stoff in demselben Unifang galte wie fiir Rohrzucker und Harnstoff.

Die vorstehend referierten experinientellen Ergebnisse zeigen also, dass die Gleichung fur die Dauer des Geschmacks den Vorgang des Schineckens mit einer gewissen Genauigkeit schernatisch darstellt. Die Auffassnng von tler Beschaffenheit des Reizes der Geschmacks- enipfindung, worauf sich ihre A bleitung grundete, erklart dlther die tatsachlichen Verhalhisse in befriedigender Weise.

+ VI. C b e r d i e Q u a l i t a t e n d e s G e s c h m a c k s .

37. Welches der zu schmeckende Stoff auch sei, in jedem Fall fintlen unter seinem Einfluss im Geschmackssystem Adsorptionsvor- gange statt, wahrend elektrische Potentialdifferenzen sich nur dann bilden konnen, wenn die z u schnieckende Substanz ein Elektrolyt untl mithin elektrolytisch dissoziiert ist. Die nieisten organischen Ver- bindungen sind Nichtelektrolyte, meshalb sie im Geschmackssystem keine elektrischen Potentialdifferenzen zu erzeugen vermogen.

IVir kiinnen iins denken, dass die von Elektrolyten wahrscliein- lich hervorgerufenen Potentialdifferenzen zwischen den Geschmacks-

~ ~ ~~

L a g c r g r e n , Bih& till Kongl. Sv. Vet. Akad. Haiidlingar, 24,2; 1899.

UBER DEN GESCHMACK. 151

zellen. iliren feinen Spitzen, oder den Geschmacksnerven und der zu scliineckenden L3sung liegen. Auch konnen wir uns vorstellen, dass sie zwischen der in den Geschinackskorperchen enthaltenen Fliissigkeit und tler Geschinackslosung entstehen. I in ersterea Fall ist der Sitz tler Potentialdifferenz die Mem bran der Geschmacliszelleii oder ihrer Spitzen oder die Oberflache der Geschmacksnerven, iin letzteren bildet sie sich am Eingang der Geschmackskorperchen, in ihrem Porus, in den die Geschniackszellen ihre feinen Spitzen vorstrecken. Wegen cler Rleinheit dieses Porus, sein Durcliinesser ist nur ein paar Mikren, kann durch ihn, zwischen den inner- und ausserhalb der Ge- schmacltskorperchen befindlichen Losungen lieine Stroiiiung stattfinden. Aller Austauscli muss daher durch Diffusion erfolgen, weshalb man sicli anch gerade vorstellen liann, dass ein Diffusionspotential eben hier ihren Sitz habe. Diese Potentialdifferenz ist alsdann ein reines Difiusionspotential, aber auch, wenn wir uns als ihren Sitz die Membran der Geschniackszellen oder -nerven tlenken, ist sie am wnhrscheinlichsten durcli Diffusion hervorgerufen, wie R o h o n y i uiid G i r a r d 2 bei einigen fur Ionen perineablen Menibranen ge- zeigt haben.

Indessen behalt dieses elektrische Potential die Natur des Diffii- sionspotentials nur kurze Zeit. Die Diflusion zwischen den Losungen verandert dauernd auf jeden Fall ihre Grosse. und wenn eine Mem- bran dazwischen liegt, wird ihre spezifische Wirkung, d. h. die Eigen- scliaft, die einen Ionen leicliter durchzulassen als andere, in die Er- sclieinung treten.

D o ii 11 a n hat die Potentialclifierenz bestimmt, welche sich an Menibranen bildet, wenn die Diffusion aufgehort hat und inithin auf beiden Seiten der Meiubran Gleichgewicht besteht. Uieses sog. Meinbranenpotential ist also der endgiltige Wert des Potentials.

Indes erfordert die Bildung des Membranenpotentials Zeit, und zwar soviel, als die Diffusioii der Ioiien durcli die Membran bedarf. Diese Zeit ist wahrscheinlich nicht ganz nnbedeutend. weil die auch sonst geringe Wanderungsgeschwindigkeit der Ionen in den1 konzen-

1 R o h o n y i, Biocheni. Zeitschr. 66. S. 231; 1914. R. wis t experimcntell nach, dass dic E. M. I(. der Meinbranen Diffusionspotentiale sind, die Memlmn verhalt sieh wic ein clcktrolytfreies, wiisseriges Jledium.

G i r a r d, Compt. rend. de 1'Acad. 118, S. 1047; 1909. G. zeigt, dass eine z\vischen den Lijsungen in eine Konzentrationskette eingeschaltete Membran nicht. niif die E. PI. K. einwirkt, menn die Elektrolyte in dcr Kette neutral sind.

I1 o 11 n a 11, Zeitschr. f. Elelitrochem. 17, P. 572; 1911.

152 'Y R J ~ RENQVIST.

trierten Kolloid der Membran nocli erheblich herabgesetzt wird. Aus- serdem setzt die Deduktion D o n n a n s voraus, dass sich auf der einen Seite der Membran ein Ion befindet, welches nicht durch sie hindurch dialysiert. Ob ein solches Ion im Geschmackssysten vor- handen ist, welcherlei es ware, usw., das alles sind spezielle Annah- men, die die weitere Deduktion in hohem Grade hypothetisch niachen wurden. Das Diffusionspotential ist dagegen wohl arif alle Falle das an der Grenzflache zuerst sich bildende elektrische Potential.

Die Grosse und das Vorzeichen dieses Potentials konnen wir berechnen, wenn uns die Zusamniensetzung U J I ~ Konzentration der beiderseits der Grenzflache befindlichen Losungen bekannt sind.

Die Zusammensetziing der Geschmackslosiing ist bekannt, unil ihre Konzentration lasst sich ermitteln, aber die Zusammensetzung und Konzentration der anderen Losung der Kette kennen wir nicht, direkt. Nehmen mir dafur den Inhalt der Geschmackszellen oder -nerven, so ist sie eine kolloidale Losung (Protoplasnia), die eine bestimmte Elektrolytenmenge einschliesst; nehnien wir dafur die in den Geschmackskorperchen enthaltene Flussigkeit, so ist sie hochst wahrscheinlich die Speichellosung, also eine ebenfalls kolloidale Sub- stanzen, hauptsachlich Muzine, enthaltende sowie auch elektrolythal- tige Losung. Nun ist jedoch zu bemerken, dass es fur die Grosse uncl das Voi Achen des Potentials zienilich einerlei ist, welche von diesen beiden Losungen mir die andere Losung tler Kette bilden lassen.

Sie sind alle 'beide kolloidale Losungen, und es ist daher der Einfluss der Kolloidsubstanzen auf die Grosse der Potentialdifferenz zu untersuchen. Diese Einwirkung ist sehr klein, wenn die K o n - zentration des Kolloides klein ist, wie beim Speichel (bei diesem ist tlie Konzentration ties ,Schleims, und der Epithelien 0,zo o/o I), aber aucli bei hoherer Konzentration ist tlie Einwirkury: minimal, weil die Wande- rungsgeschwindigkeit der Ionen unter dem Einfluss des Kolloids bei allen Ionen in demselben Yerhaltnis abnimmt z.

~.

* H a m rn c r b a c h e r, Zeitschr. f. physiolog. Chem. 5, S. 302; 1881. L. W. 0 h o 1 ni, I3idrag till kannedomcn om oledares inverkan pS elek-

trolyters diffusion och elektriska ledningsfiirnillgz j2mt.e en undersokning ofrer ifrkavarande losningars viscositet. Ofrersigt. af Finska Vetenskaps-Soeietetens Forhandlinger. Bd. LV. 1912-13. Afd. 9.; und Meddelanden f r h K. Veten- skapsakademiens Sobelinfititut. Bd. 2. XO 30. 1913. - Die Nichtelektrolyte verlangsarnen die Diffusion der Elektrolyte und setzcn deren elektriache Leit- fiihihigkeit herab. Diesc herabsetzende Wirkung ist etwas Heiner als direkt pro- portional der Konzentration des Nichtelektrolyten, und ausserdem ist sie meistens nur von der Art des Nirhtelektrolyten, aber gar nicht ron dern Elektrolpteii abhiingig.

UBER UEN (;ESCHMACK. ’ 163

I I

1 ,99

- 1.81

> 1,24

7 0 I ,I%

> 0 I

I

1 I 1 der ganzcn Ralz- o/o 8w gesamten JLolare Konzen- I incnge Speichcls tration. I

1 I 1

154 Y R J ~ RENQVIST.

Die K-Salze. im hochsten Mass KCI, sind also die hauptsacli- lichen Elektrolyte des Speichels. Die Grosse und Richtung des Diff u- sibnspotentials wird nun (ausser durch die Konzentration) durch die Wanderuapspesctiwintli,okeit der Ionen bestimmt. Das Chlor- untl das Phosphat- wie auch das Siilphation wantiern nun ungefahr gleicli schnell, weshalb es beinahe einerlei ist, ob wir KC1 oder Kaliurn- phosphat als den zweiten Elektrolyten der Kette betrachten.

Was die Konzentration des Elektrolyten in rler zweiten Losung der Kette anlangt, ist es scliwierig dariiber zu urteilen. Nach H a 111-

ni e 'r b a c h e r ist die Konzcntrationssuinme aller loslichen Salze des Speichels 0 , o i ~ 11. Wir konnen uns ausserdeni denken. dass ein Teil dieser Salze mit Kolloiden in Adsorptions- oder anderen Verbindungen vereinigt ist, sodass dieselben keinen Einfluss auf das Ditfusions- potential haben. Wahrscheinlich ist dies jedoch ilicht der Fall, denn H o b e r hat nachgewiesen, dass sich in den roten Blutkorper- chen die meisten, j a fast alle anorganischen Salze wirklicli in freiern Zustand befinden untl nicht an Kolloide gebunden sind. Nach ihm entspricht das elektrische Leitungsvermogen der Elektrolyte der roten Blutkorperchen, also die Konzentration der in ihnen enthaltenen freien Elektrolyte, einer 0,i-0,4 o/o NaC1-Losung oder in Molen 0.017-0,OSS. Diese hinwieder entspricht bezuglich des elektrischen Leitungsvermo- gens einer 0,014-0,057 molaren KCI-Losung.

Die Konzentration der freien Elektrolyte in den roten Blutkor- perchen und wahrscheinlich auch in anderen Zellen gehort mithin derselben Grossenordnung an wie die gesanite Elektrolytenkonzen- tration des Speichels. Die Konzentration tler inneren Losung der Kette ist also jedenfalls ca. 0,01-0.06 molar, und zwar besteht sie aus K-Salz.

Die Gleichung fur die Diffusionspotentialdifferenz bei verschieden konzentrierten Losungeii desselben Elektrolyten ist nach N e r n s t

u--2' c = 0,0576 . ~ . log -I, u+v c 2

a o ZL und 71 die Wanderungsgeschwindigkeiten des Kations und des Anions, c1 und c2 die Konxentrationen des Elektrolyten sind.

Wenn die Elektrolyte verscliieden sind, aber doch alle 1 x 1- wertig, kann inan nach P I a n c k * die Potentialdifferenz folgen- derniassen berechnen:

* HO b e r , Pfhigers Arch. 133, S. 237; 1910 11. 148, P. 189; 1912. * P 1 a n c k, Wiedemanns Annalen d. Physik, 40, 8. 561; 1890.

GBER DEN GESCHMACK. 155

. E = 0,ojiG . log $.

$ ist eine Hilfsgriisse, die graphiscli oder durch Versuchen aus den folgenden transzendenten Gleichungen bestiinmt werden kann :

Die Hedeutung der Buchstaben ist in unserem Fall, wo in der Kette nu12 zwei Elektrolyte, der zu schnieckende Elektrolyt und KC1 (die Mengen der ubrigen Elektrolyte sind relativ sehr klein) rorhanden sind, folgende :

c k = ?, also das Verhaltnis der Konzentrationen der Elektrolyte, C1

u1 = 14, . cl, u, = u2. c2,

v, = . c1,

V, = r2 . cp. wobei u1 und 2~~ die Wanderungsgeschwindigkeiten der Kationen, v1 und x2 die der Anionen sind.

3s. Aber ohne die auf diese Weise ausfiihrbare Bestimniung cler E. M. K. konnen wir schon im voraus die Grosse der letzteren und ihr Vorzeiclien bei verschiedenen Geschniackslosungen schltzen. I)a die eine Losung der Kette iinmer ein Kaliunisalzt oder einfacher eine KC1-Losung ist, in der die beiden Ionen eine fast gleich grosse Uranderunqsgescl~windigkeit haben, werden die Grdsse und das Vor- zeichen der Potentialdifferenz in folgeiider Weise von der Wande- rungsgeschwindigkeit der Ionen des Elektrolyten der Geschmacks- los tin g abhan gen.

Wenn die Ionen des Elektrolyten der Geschmackslosung ziem- licli gleich schnell wandern und die Konzentration der letzteren nicht vie1 von der Konzentration von KCi abweiclit, ist das sich bildende Potential sehr klein, beinahe Null. Weichen dagegen die Wande- rungsgeschwiiidiglreiteii der Ionen starker voneinander ab, so wird das Potential anch schon bei geringer Konzentration der Geschmacks- losung grosser. Sie wird umso grosser, je mehr die Wanderungs- geschwindigkeiten der Ionen auseinandergehen.

Uber die relative Grosse der durch einen Elektrolyten im Ge- schmackssystem erzeugten Potentialdiff erenz konnen wir mit Hilfe der folgenden Tabelle sofort eine annlhernde Schatzung vornehmen.

166 YRJO RENQVIST.

In dieser Tabelle sind die relativen Wanderungsgesclinintligkeiten der verschiedenen Ionen in 18O Wasser angegeben '.

__ ---- r I

I

I II fiir Li J3,4 v tiir C',H,OI (Aiiioii der RssigkureJ 36 I S a 43.5 F 46,s

K (:4,6 1 Br 6 7 , ~ S H , ti1 C1 65,5

I

66,s 61,7 55,O 64

174

Wir selien also, dass z. B. KCI irn Geschmackssystem eine vie1 geringere Potentialdifferenz erzeugen musste als LiCI, das Kaliurn- azetat aber eine grossere als das Lithiumazetat. Dabei miisste natiir- licli die Konzentration der Losungen ziemlich gleich gross sein und darf nicht erheblich von der Konzentration des inneren Gliedes tler Kette abweichen.

Allgemein betrachtet tinden wir also, dass die Azetate untl Fluoride rler Alkalimetalle Li und Na kleine Potentiale, ihre Nitrate, Chloride. Bromide. Jodide wid Perchlorate dagegen grossere erzeugen. Die Alkalimetalle I< und Rb und das Radikal NH, verhalten sich gerade umgekehrt, bei ihnen erzeugen die ersteren Salze griissere, die letzteren kleinere Potentiale. Die Erdalkalimetalle Mg, Ca und Ba liegen zwischen den vorhergehenden Gruppen, doch stehen die Mg-Salze der Gruppe von Li und Ka, die Ca- und Ra-Salze der Gruppe von K naher. Was die H- und OH-Salze, d. It. die Sauren und Basen betrifft, sind die yon ilinen erzeugten Potentiale stets relativ grosser.

Auch auf das Vorzeichen der Poten tialdifferenz konnen wir Scliliisse ziehen. Da in der inneren Losung der Kette die Ionen K+ untl CI- fast gleich sclinell wandern, muss auch das Vorzeichen lediglich von tler \Yanderungsgeschmindigkeit der Ionen des Elektro- lpten tler Geschmackslosung abhangen. Wandert das Kation der letzteren schneller als das Anion, so wird in der sich bildenden elektrischen Doppelschicht die innere, die nach den1 Geschmacks-

L B n d o 1 t - R ii r n a t e i n, Phvsiksliach-Chemische T:ihelleri. 1912.

UBER DEN GESCHMACK. ' 157

liiirperchen oder der Geschmackszclle hin gelegene Schicht positiv ; wandert das Anion schiieller, so w i d die innere Schicht negativ. Den ersteren Fall liaben wir, wenn die Geschmackslijsung Z. B. eiile Saure oder etwa KF ist, den letzteren, wenn dle Geschmackslosung z. B. LiBr ist. Samtliche Sauren gehiiren natiirlicll tler ersteren. die Haseii der letzteren Gruppe an.

Wenn die Konzentration tier beitlen Losungen gleicli gross ist. wird (lie Formel von P 1 a n c k :

.I

In1 Gescliniackssysteni sind hier i i l und r1 die \Vanderung:a- geschwindigkeiteu des Iiations und des Anions des Geschmackselek- trolyten, u2 und v2 diejenigen des inneren Elektrolyten, also des K- und CI-Ions.

Beim Einsetzen der Werte der Wanderungsgeschwindigkeiten der .verschiedenen Ionen, konnen wir aus dieser Formel sehen, dass die obige Darlcgung sticli halt. J e grosser der Unterscliietl der Wanderungs- geschwindigkeiten der Ionen des Geschmackselektrolgten, desto grosser wird die elektrische Potentialdifferenz. Wenn diese Geschwin- tligkeiten beinahe gleich gross sind, wird sie sehr klein, beinahe Null. A4uch sieht inan wie das Vorzeichen darauf berulit ob Kation oder Anion schneller wandern.

Wir werden jetzt die Geschmacksqualitat der verschiedenen Elektrolyte studieren. um zu sehen, ob zwischen ihr und der Grosse und dem Vorzeichen der von dem Elektrolyten im Geschmackssystem erzeugten Potentialdifferenzen irgendein bestimmtes Veriialtnis besteht.

Diese Untersuchung wird in hohem Grade tladurch erschwert, class die Qualitiit des Gesehmacks fur eiiiunddenselben Elektrolyten niit der Konzentration wechselt. Um die Untersuchung moglichst vollstandig zu gestalten, habe ich die Geschmacksqualitat jedes ein- zelnen Elektrolyten, in mehreren voneinander verschiedenen Konzen- trationen, von den der- Schwelle des Geschmacks nahe liegenden bis zu hohen (1;o n.), bestimnit. Ich teile hier die Versuchsprotokolle mit, da man sich nur aus ihnen eine deutliche Anschauung uber die Schrvankungen der Qualitat bilden kann (Tabellen 25-38).

39.

168 YRJO RENQVIST.

'%olareKonz.

0,0090

0,010

0,015

0,023

O,o.ro

0,040

0 , l l ~ U

0 ,OiO 0,l

0,2

U,3

0,4

0,6

1 .o

siiss. 3 , stiirker nls der Vorige. 8 , ungefahr wie der Vorige. * , rielleicht eiii wenig bitterlich. i ,

bitter. s

s , ein wenig aiich salzig.

, noch mchr auch salzig. P , salzartig. I

~

salzig, doch mehr bitterlich als eine gleich konzentrierte NaCI- ~

D

Losung. B , beinahe rein salzig. B , nur rein salzig. D

D , der Gcschmack stark stechend, von Bitterlichkcit rncrkt , nicht ganz rein, auch bitterlich.

man bcinahe nichts.

Wcnii man die 0,050- O,IO rnolarcn Liisungen rnit gleich konzrntrierteri NaCI- Lijsungen rcrglcirht,, die einen rein salzigen Geschmack haben: crkennt ninn den ausserordentlich bitteren Geschmnck dcr crstercn dcut,lich; der salzigc Beigeschniack wird beim Vergleicheii nicht klar empfunden. Wcnn keine Verglcichung statt- findet, tritt d.w Palzigc deutlicher harvor. hind die 0,050- 0,i molaren Likingen ausgespiecn und wird der Muird mit eincr nicht zu growen Menge tlrstill. \%'as- sers ausgcspiilt, so hat man ciiien deutlichen siissrn Nachgeschrnack im Munde. Bei grosseren iind klciiierai Konzcntrationcn ist von diesem Ynchgeschniack nichts ZII nierken.

0,0090

0.010

0,015

OF20

kcin Geschrnack. siias, sehp schnach.

D , ein wenig starker. * , noch starker.

~ B E R DEN GESCHMACK. - 159

Molare Konz. Geschmac k.

I U,mo I salzig, eine siisse Nuance. I

0,040 P

0,Ilrn , D , Ctlrker, rein salzig. 0 , O i O I 8 , noch starker.

03 !

I

D

, reiner salzig als bei einer 0 , ~ n. LiC1-Losung.

O'? 0,4 I f 06 I,o j 3

Bei den Konzentrationen 0,o?0-0,040 findet sich n e k n dem salzigen mog- licherweise ein schwach siisaer Geschninck, bei hoheren Konzentrationen aber ist der Geschrnack ausschliesslich und rein salzig und er mird mit zunehmender Konzentration stkker. Ein bitterer Beigeschmack iet nicht vorhanden, was man beim Verpleichen mit glcich konzentrierten KCI-Liisungen am dentllchsten erkennt. Die Konzentrationen O ~ ~ I I - O , : ~ ergeben bci Nachspiilen niit Wasser einen siissen Geschmack, der nicht eo deutlich wie bei KC1- und LiC1-Liirungen ist. Hei hoheren Konzentrationen fehlt der Nachgcschmack.

dolare Konz

kcin Geechniack. siiss, kaum bemerkbar?

* , schwach. D , deutlich. D , stiirker. B , schwach salzig.

siiss-snlzig. salzig. siissartig.

>

3

a , rein salzig. > 8 . w

D B 8

D D .

160 YRJO REKQVIST.

0,nio

Hei den Konzentrationen 0,010-~.040 ist der SUSPC Gcschmack weicher als bei den entsprechenden KaCI-Liisungen. Bei den Konzentrationen 0,070 und O,I wird das Susse am deutlichsten erkannt, wenn man mit dem rein salzigen Gc- schmack der NaCI-Liisungen rergleicht. 13eini Kachepiilen mit Wasser erhiilt man bei den Konzentrationen 0.070-(&3 einen sussen Nachgeschmack.

Fiir K-, Xa- und LiCl ist ausserdem zu bemerken, dass es bei der Kon- zentration 0.3 fast unmoglich ist eincn Unterschied in der Geschmacksqualitbt diescr Salzc zri crkennen. Auch die IntcnsitLt des Geschmacks ist bci allell ziemlich glcich gross. Hei der Konzentration 0,t hat KC‘I (auch NH,CI) einen intensivcren Gecchniack als NaCl und LiCI. Eber.so bei der Konzentration 0,s. wo KCI (und auch NH,CI) ausserdein ein wenig bitter 1st. Beachtensmert iht ferner, dass bei den Konzentrationen 0,4- 1,o die Intensitat des Geschmacks fur alle Salze rihrhaapt kaum zunimmt. Die 1,0 molaren Liisunien yon KCl nnd KH,CI sind jcdoch recht intensiv stechend.

stiss, vielleihi ein wenig bitterlich. I I

Tahellc! 28. NH,CI.

(Molare Konz., I Gmchmack.

~~~ ~ - ~~~ ._ ~

I

~ B E R DEN GESCHMACK. 161

Skand. Arch. XXXVIII. 11

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a-Sa

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.

~ T B E R DEN GESCHMACK.

Tabelle 31.

Na- Azetat. i K- Azetat.

163

Li-Azetat. I i M olare Konz

- I

Nuance. fade. raurer Beigeschmactk.

0,010

@,m

0,030

0.040

0,060

0,070

0,015

fade-sauer,deii tliche Sauer- lichkei t.

fade-sauer. salzig-sauer. Ralzig, sauerlich.

- I I .. siiss, schwach. 1 - - suss, schwach. I fadc (siiss ?)

fadc, mit einer siiuerIich.njsiiss-fadc. echwtch. /fade.

fade, mit einer siiuerlichrn

fade. niit einer aiiiierlichen fade.

!

I I I .

Nuance.

N uancc.

! ' ,aalzigeNuance I h z i g .

8 , (salzig-wucr) j n . *tark. I

salzig. I

D 1

I i

Na-Azetat 0,i und 0,2 geben einen aiissen Nachgeschmack. Bei den iibrigen Salzen ist der Nachgeschmack nicht gepriift wordcn.

Thtielle 32.

'.Molare Konz

0,010

' 0,020

I u.010

0,050

W

0.2

O,a

siiss. siiss-fade. fadr.

9 .

KCIO,

~iiss, sehr schwach. fade-suss. fade-bitter, uiigefiihr a ie 0,040 mo

fade. lares K('I.

fade-bitter, der Ckschmnck ist viell schwacher als bei 0,1 niolarem ' KCI.

- bitter. , bitter, eiemlich stark. P ' 1 '

I

Dic Konzentrationen 0,0~0-0,1 von KCIO, und KCLO, gebeii beim Am- spiiIen mit Wssser einen siissen Warhgwchmack. Die Konzentrationen O,E und 0,s von KCIO, geben bei der ersten Ausspiilung einen undeutlich stechenden Ge- rchmack, bei der zweiten einen siissen Nachgeschmack. Die Konzentrationen 9,2 iind 0,3 von KCIO, geben einen undeutlich siissen Nachgeschmack.

11"

164 YRJO RENQVIST.

Tabelle 33.

K F I

j I

~ 0,Ol 1 siiss.

I lMolare Konz.

* , stiirker als die Vorige. im ersten Bugenblick, dann sauerlich.

fade, mit cinem deutlichen sauren Beigeschmack. (1 Versuch : fade, siiuerlich, ziemlich unbestimmt. (2 * : 8 , deutlich sauerlich. 11 : deutlich sauerlich. 12 3 : salzig-sauer. 11 1) : sauer-salzig. 12 ,) : salzig-sailer. salzig, stark. salzig-sauer, stechend, sehr stark.

Siisser Sachgeschmack bei den Konzentrationen O,I und 0,2. Der Gwchmack von K F erinnert vielleicht am meisten an den ron RBSO,. a i d e sind bei mitt- h e n und hoheren Konzentrationen sauer-salzig. Vergleicht man den Geschmack von K F (und auch von KHSO,) mit dem von NaCI und HCI, so bemerkt man das Sauer-Salzige von K F deutlich, sein Geschmack ist iiicht rein salzig wie der von NaCl und aach nlcht so sauer wie der von HCI.

1 /Molare Konz. HCI

I 0,000S5 O'OOms ' 1 sauer. - sehr schmch, ein a;enig zusammenziehend. 0,00060

0,001

0,002

0,005

0,007

0,Ol

~,00076

, starker a h der Vorige. B , noch starker, B , ziemlich stark, ZII sauren Mienen zwingend.

, wie der Vorige. B , unangenehm sauer. Ileinahe aufressend.' B s , 3 B .

, , , * .

Der saure Geschmack ist bei den niedrigeren Konzentrationen (O,m35- 0,00050) weicher als bei den hoheren. Vielleicht konnte man sagen, dass er bei jenen ein wenig an den siissen Gewhmack erinnert.

OBER DEN GESCHMACK.

1

165

fade, whwach. Beim fade, schwach, sussel siiss, ziemlich deutlich. zweiten Versuchj xuance? 1 Beim Vergleich mit eine siiseeNuance.1 0,003 molarem CaCI,

i u. O,OI molarem KCI

lhbe l l e 35 . - - . _ _ _ ___

KOH. I I

sii~s, sehr schwach.

Beim zweiten Ver- such eine susse Nuance.

itter, rein.

* * s .

= , deutlich. rein siisd.

n , rein, angenehm. ziemlich stark. D 3 , stiirker. 3 , vielleicht ein wenig schnrf.

, ein wenig anfreseend.

> , Y > .

anfressend, beinahe gar nicht suns.

~

fade, bitter und fade,sueseNuance.Beim Vergleich mit 0,02 n.

ance.

I deutliche siisse ance. Beim zweitenl KC1 mcrkt man wie Versuch suss, stech-' die Siissigkeit hier end, fade. 1 doch schwaeh ist.

CaCl, I - I I

I I I I o,ooso

0,0060

0,010

0,020

0,040

166 Ywo RENQVIST.

/

zweiten Versuch a d - zig-fade. I

Ein siisser Nachgcschmack findet sich fur BaCl, und CaCI, bei der Kon- zentration 0,2 und fur MgCI, bei den Konzentrationen 0,020-0,1.

Der Geschmack von MgCI, bei den Konzentrationen O p und 0,t erinnert durchaus an die Geschmacksqualitiit von 0,oa molarem NaCl, d. h. er ist rein saleig.. Der Geschmack von CaC1, ist bei denselben Konzentrationen weniger rein saizig, denn er hat eine bittere Nuance, wiihrend der Geschmack von BaCl, beinahe rein bitter ist. Bei den Konzentrationen 0,3 und O,4 ist der Geschmack ron MgCI, am salzigsten, kaum eine Spur bitter, der von CaCI, bitterer, aber doch in der Hauptsache salzig. der ron BaCl, ausserordent lich bitter.

O,WO ,bitter, starker Ge- schmack.

bittcr. eine Halzige 1 Nlfilnce. OJ bitter, beim ausspuc-

091

lien salzig.

Op jbitter. sehr stark. 0,4 * , scheusslich.

i

TabeUe 3'7.

salzig-bitter. U'enigeri bitterals 0.050 molaresl BaCI, I

bitter-ealzig. 1 salzig, sehr deutlich,, keine Bitterlichkeit. ~

salzig. hittere Niiance. salzig, stark. Beim Ver- gleich mit NaCI merkt ,

, man daes der Ge-' schmack doch ein we-! 1 nig bitter ht.

s . B I salzig, &ark. , bitterer als O,4 d z i g .

molares MgCb.

llolare Konz I 1 I 1

Ca-Azetat.

! fade, schwach. B , stiirker. B , bitterlich.

s , stark. bitter, mit einem wunderbarcii Beigcschniack. j

~

> B

40. Zwecks Erleichterung des Uberblicks habe ich die in den obigen Protokollen enthaltenen Angaben in den Tabellen 38 u. 39 sowie 41 zusammengefasst. In der Tabelle 38 sind die Elektrolyte anionen- weise geordnet, angefangen mit dern am schnellsten wandernden Br, bis zu ,dem langsamsten, dem Anion der Essigsaure; in jeder der

UBER DEN GESCHMACK.

4 3

--

N N S S ( I I I _ _ _.

._ ~~ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

.. . I . . . .

. .

. . . .

. . . .

1 68 YRJO RENQVIGT.

Gruppen der Anionen sind die Kationen vom schnellsten nach dem langsamsten hin angegeben.

Die Tabelle 41 ist in derselben Weise angeordnet, aber enthalt die Salze der Erdalkalien. In diesen Tabellen ist die Bedeutung der nuchstahen die folgende :

z = suss. S = salzig. I? = fade (= schwach bitter). B =bitter. H = sauer.

Die Kombinationen daraus verstehen sich von selbst, z. H. Z-S = suss-salzig usw.

Aus Tabelle 38 konnen wir zunachst folgendes ersehen. Die Geschmacksqualitat aller Elektrolyte ist bei den niedrigsten Konzentra- tionen suss (oder es findet sich in dein Geschmack suss neben einer anderen Qualitat). Die senkrechte dickere Linie zeigt an, wo das Susse des Geschmacks fiir jeden einzelnen Elektrolyten aufhort. Wir tindeii also, dass der Geschniack aller Elektrolyte von der Schwellen- ltonzentration an bis zu der Konzentration von ca. O,o~-O,@io 11. SUSS

ist. Eine Ausnahme machen die Jodsalze, die bei diesen Konzen- trationen uberhaupt keinen Geschmack aufweisen.

Die Geschmacksqualitat aller Elektrolyte ist bei den hochsten Konzentrationen salzig (oder der Geschmack enthalt salzig neben einer anderen Qualitat). Die senkrechte dickere Linie zeigt an, wo das Salzige des Geschmacks beginnt. Mithin ist der Geschinack aller Elektrolyte ungefahr von der Konxentration 0,2 molar an salzig. Aus- nahmen stellen RC10, uiid KCIO, dar, deren Geschinack bei diesen Konzentrationen bitter ist.

Zwischen den Konzentrationeli 0,02-00.04 und ca. 0,2 ist der Geschmack der verschiedenen Elektrolyte sehr verschieden. In den vier ersten Gruppen, also fur die Br-, J-, CI-, C10,- und CIO,-Salze ist der Geschmack der K-Verbindong hei diesen Konzentrationen stets bitter oder fade (oder hitter ist in dem Geschmack das Domi- nierende). Genaii ebenso verhalt es sich init, den NH,-Salzen (wie auch mit den Rb-Salzen), auch bei diesen ist bitter der Hauptge- schmack. Die Na-Verbind ungen aller dieser Anionen hinwieder sintl salzig. und die Li-Sake sind bei diesen Konzentrationen siiss -salzig.

CBER DEN GESCHMACK. 169

In den beiden letzten Gruppen, also fur die Fluoride und die Salze der Essigsaure, ist der Geschmack der K-Verbindung fade - sauer. Der des Na-Salzes ist fade, desgleichen cler des Li-Sakes.

I n Tabelle 39 ist die Geschrnacksqualitat jedes einzelnen Elek- trolyten bei diesen niittlereii Koozentrationen nach tler obigen Be- xeich n un gsweise ein getragen.

llabelle 39. . ~~~~ -. --___

I I ' Mittlcre ~ Mittlere

Konz. ~ Konz. I 1 I

KBr . . . . 11 ' NaCI . . . .) s I

SaBr . . . .,

' KH,Rr . . .: I3 ! LX!l . . . .! %-S i s j

LiBr . . . .! Z-S i KClO, . . . B I I KCIO, . . .I B

' K J . . . . . K F . . . . .I H-S 1

I

i LiJ. . . . ./ Z-S K-Azctat. . . B-H I KC'I . . . . B NH,C'I . . . B ' Li-Azetat . .' B

I

M'ir finden nun, das zwischen der Geschmacksqualitat des Elek- trolyten bei mittlerer Konzentration und dem Vorzeichen und der 6rosse der von ihm im Geschmackssystem gebildeten Potentialtliffe- renz folgende Beziehungen herrschen.

Wenn sich keine bemerkenswerte Potentialdifferenz bildet, d. h. wenn die Ionen des zu schmeckenden Elektrolyten gleich schnell wan- dern, ist der Geschniack bitter oder fade (KBr, -J, -Cl, -C10,, -ClO,, ebenso das Li-Azetat und, wenn auch nicht so deiitlich, das Na-Azetat).

Bildet sich eine Potentialdifferenx und ist die Wanderungsge- schwindigkeit des Kations kleiner als die des Anions, so ist tler Ge- schmack salzig (KaBr, -J, -C1). 1st die Geschwindigkeit des Kations noch kleiner im Verhaltnis zur Geschwindigkeit des Anions, so erhalt der Geschmack eine siisse Nuance, d. h. er wird siiss-salzig (LiBr,

Wenn die Wanderungsgeschwindigkeit des Kations vie1 kleiner als die des Anions ist, ist der Geschmack rein siiss. Elektrolyte dieser Art slnd die Hydroxpde (KOH, NaOH).

-J, -Cl).

170 YRJO RENQVIST.

K O H . . . .

Bildet sich eine Potentialdifferenz und ist die Wanderungsgeschwin- digkeit des Kations grosser als die des Anions, so ist der Geschmack sauerlich oder sauer (KF, -Azetat, einigermassen auch das Na-Azetat).

Wenn die Geschwindigkeit des Kations vie1 grosser ist als die des Anions, ist der Geschmack rein sauer. Hierher gehorige Elektro- lyte sind die Sauren (HCI, HNO,, Essigsaure).

Diese mittlere Konzentration der Geschmackeelektrolyte ist angefahr so gross, wie die Konzentration des inneren Elektrolyten der im Geschmackssystem sich bildenden Kette, Die P 1 a n c k'sche Formel fur gleich konzentrierte 'Elektrolyte gibt also den Wert des Potentials bei dieser inittleren Konzen tration.

Bei den verschiedenen Elektrolyten berechnet sich das Potential zu den in der folgendeti Tabelle angegebenen Werten (inneres Elek- trolyt KCI).

E. M. K. in Voli

- op2

Tabelle 40.

Na-Acetat . . KF. . . . .

+OQO:! +O,OO4

E. M. K. in Vol

Diese Werte zeigen den oben dargelegten Zusammenhang zwischen der Grosse und dem Vorzeichen der von der Geschmacks- elektrolyten hervorgerufenen elektrischen Fotentialdifferenzen und deren Geschniacksqualitat.

Bei niedrigeren Konzentrationen ist der Geschmack sanitlicher Elektrolyte suss. V a n z e t t i 1 hat gezeigt, dass die Salze der Alkali- metalle bei niedrigen Konzentrationen beim Diffundieren hydrolytisch gespalten werden. I m Geschmackssystem findet eine Diffusion statt. und die in Betracht kommenden Konzentrationen sind ja sehr niedrig; wahrscheinlich ist , also der zu schmeckende Elektrolyt dabei hydro- lytisch gespalten. In der Losuug sind daher freie H- und OH-Ionen vorhanden. Die Konzentration dieser ist jedoch sehr niedrig. Die freien H-Ionen werden naturlich sofort von den OH-Ionen des Speichels und der basischen Gewebe neutralisiert, aber die OH-Ionen

V a n z e t t i. Koll. Zeitschr. 9, S. 64; 1911.

UBER DEN GESCHMACK. 171

bleiben frei. I n der Geschmackslosung fintlen sich also OH-Ionen, und deren Wanderungsgeschwindigkeit ist ja vie1 grosser als die des Kations der Geschmackselektrolyte, weshalb es naturlich ist, dass wir einen sussen Gesctmack erhalten.

Mit steigender Konzentration nimmt die Hydrolyse ab und ver- schwindet; tler Geschmack ist nicht mehr suss. Aus der Tabelle 33 and noch deutlicher aus den einzelnen ProtokoHen ersieht man. wie auf der Grenze der niedrigeren und mittleren Konzentrationen bei meh- reren Elektrolyten der susse Geschmack allmiihlich in den Geschmack der mittleren Konzentrationen iibergeht. E r ist hier z. €3. bei KCI suss-bitter, bei NaCl siiss- salzig usm. Bei den Li-Salzen. deren Geschmack auch IJei mittleren Konzentrationen suss-salzig ist, ist selbstverstandlich die Grenze zwischen der Qualitlt der niedrigeren Konzentrationen, d. h. der sussen, und dem Geschmack der mittleren Konzentrationen nicht deutlich.

I n hoheren Konzentrationen als den mittleren, d. h. in hoheren als ca. 0;2 molaren ist der Geschmack aller Elektrolyte salzig oder wie der von KF und K-Azetat salzig-sauer. (Ausiiahmen machen KCIO, und KCIO,, woruber spater).

3ie Elektrolyte, deren Ionen ziemlich gleich schnell wandern (KBr, -J, -CI und das Li-Azetat. auch das Na-Azetat), bilden in ho- heren Konzentrationen jedoch im Geschinackssystem erhebliche Potentialdifferenzen. Ihr Geschmack musste daher alsdann nicht mehr bitter sein, sondern, weil die Wanderungsgeschwindigkeiten der Ionen nur ganz wenig voneinander ahweichen, ist der Geschmack folglich salzig.

Bei diesen hohen Konzentrationen bleibt der Geschrnack der Na-Salze naturlich derselbe wie bei den mittleren. Ini Geschmack der Li-Salze geht das Susse verloren, aber ihr Geschmack ist doch noch von etwas weicherer Qualitat als der der Na-Salze.

Der Geschmack des KF und K-Azetats behauptet sich in der Hinsicht qualitativ, dass das Saure erhalten bleibt, aber der bitterc oder fade Geschmack geht in den salzigen uber.

Da der Geschmack von NaBr. -J, -Cl auch bei mittlerer Kon- zentration salzig ist, ist die Grenze zwischen dieser und den hoheren Konzentrationen nicht zu erkennen. Ebenso ist die Grenze undeut- lich bei K F und K-Azetat, weil in deren Geschrnack auch bei niittlerer Konzentration das Saure merkbar ist; hier habe ich die Grenze da inarkiert, wo das Salzige beginnt.

Weiter ist hervorzuhehen, dass der Geschmack der Alkalihydro-

172 k’RJ6 kbNQVIST..

xyde in allen den Konzentrationen siiss ist, bei denen sie keine atzende Wirkung auf die Gewebe und Geschinackszellen ausiiben, wie es auch der Erwartung entspricht. Der (;eschmack der Sauren ist hinwieder bei allen Konzen trationen sailer.

Auf Gruiid der obigen Betrachtungen, kiinnen wir den Geschniack eines einwertigen Elektrolyten bei rnittlerer Konzentratjon als seinen spezifischen Geschmack ansehen. I n Tabelle 39 sind, wie erwahnt, die spezifischen oder der rnittleren Konzentration entsprechenden Ge- schmacke der verschiedenen Elektrolyte zusarninengestellt.

Wenn man die Wanderungsgeschwindigkeiten der Ionen eines einwertigen Elektrolyten und seine Konzentration kennt, ist es an der Hand der obigen Ausfiihrungen rnoglich, die von ihrn hervorgerufene Geschrnacksqualitat rnit einer gewissen Exaktheit zu schatzen. In der folgenden kleinen Tabelle habe ich Elektrolyte zusarnrnengestellt, die einen verschiedenartigen spezifischen Geschrnack besitzen. _____ - - ~

Spezifischer Geschmack I I

KOH . . . siiss. LiCl . . . , suss-salzig. NaCl . . . salzig. KCI. . . . bitter. K F . . . . I fade-sauer, bei etwis hOheren Konzentrationen auch salzig.

HCI . . . aauer. ~ KHSO, . . I salzig-sauer.

1

Wenn das Anion des Elektrolyten schneller wandert als das Kation, wird die innere, d. h. die nach der Geschmackszelle hin gele- gene Schicht der sich im Geschniackssystern bildenden elektrischen Doppelschicht negativ, wenn das Kation schneller wandert, positiv.

I n der folgenden Tabelle findet man das Verhaltnis der Grossen der Wanderungsgeschwindigkeiten I< des Kations ond A des Anions, den spezifischen Geschmack des Elektrolyten und das Vorzeichen der inneren Schicht der elektrischen Doppelschiclit kurz veranschaulicht. Die Ungleichheitszeichen zwischen den Wanderungsgeschwindigkeiten K und A geben an, welches von den beiden Ionen schneller wandert, und ihre Zahl verdeutlicht die Griisse tles Unterschieds der Ge- schwin digkeit .

OBER DEN GESCHMACK. 173

BaCl,. . CaC1,. . .

I MgCI, . .

I K<<<A . . K < < A . . . I Z-S

~ k ' < A . . . . p , K = A . . . . H ' K > A . . . . I B-H(S) K > > A . . . S-H

I K > > > A . . H

I

.F--Z F--Z Z

- 0 + # + ' +

41. Ich habe auch die Geschn~acksqualitaten eiiiiger Salze von Erdalkalimetallen bei verschiedenen Konzentrationen bestinimt, um zu sehen, ob diese Regeln auch fur sie gelten. Die Resultate der Bestim- mungen sind in Tabelle 41 kurz zusammengefasst.

174 Y R J ~ RENQVIST.

xesse verursaclien, einen bitteren Geschmack. Hierher gehoren KCIOz iind KCIO,, die wahrscheinlich oxydierend wirken; ihr Geschmack ist tlenn auch bei hohen Kohzentrationen bitter.

Rei etwas hijheren Konzentrationen ist der Geschinack von BaCI, bitter; die Wanderungsgeschwindigkeit des Ra-Ions ist etwas kleiner als die des CI-Ions, aber der linterschied ist gering. Der Geschmack von CaCl, ist salzig-bitter, der Unterschied der Wanderungsgeschwin- tligkeiten der Iorien ist auch grosser, und der Geschmack von MgCl2 ist hei diesen Konzentrationen salzig und erinnert fast vollkommen an den von NaCI. Die \~randerungsgeschwindie;keiten des Mg- und des Na-Ions sind denn auch fast gleich gross.

Bei hohen Konzentrationen ist der Geschmack von CaCl, und MgCI, salzig oder hat einen salzigen Beigeschmack, der Geschmack von BaCl, aber ist bitter. Ebenso der des Ca-Azetats.

Die Salzs der zweiwertigen Kationen folgen also den obeii dar- gelegten Regeln einigermassen, wenn auch nicht so deutlich wie die einwertigen Salze der Alkalimetalle, was walirscheinlich auch auf den irreversiblen Prozessen beruht, die sie im Geschmackssysteni verur- sachen und von deneii das im Geschinack dieser Salze allgeinein auf- tretende Bitterc vermutlich herruhrt.

42. We im Zusanimeohang mit- den meisten Versuchsproto- kollen erwahnt vvurde, erhalten wir bei den nieisten Elektrolyten einen sussen Nachgeschniack, wenn wir den Mund nach dein Versuch mit destilliertem Wasser ausspulen: Indes finden wir ihn nicht bei allen Konzentrationen wieder, die niedrigsten wie auch die hochsteii erzeugen ihn nicht, dagegen aber im allgemeinen fast regelmassig die in der Mitte liegenden. Dieser Nachgeschinack ist inimer suss, welches auch die Geschniacksqualitat des angewandten Elektrolyten sein mag. *Dieselbe Heobachtung kann man niachen, wenn man Rachen und Mund init KaC1 oder KCIO, ausspult. Nachdein man die Losung ausgespieen und reines Wasser in den Mund genommen hat, einpfindet man einen deutlichen sussen Geschmack. In der Litte- ratur ist dieses Phiinomen von N a g e 1

Die liier vorgelegte Anscliauung gibt dieser Erscheinung eine niogliche Erklarung. Nimnit inan nach dem Schmeckversrich Was- ser in den Mund, so tindet i in Munde eine Auswaschung der adsor- bierten Substanz statt, es entsteht eine Geschmacksempfindung, i i e ihrer Qualitat nach suss ist, weil dabei die Konzentration des

erwahnt worden.

__

S R pe 1, Xcitschr. f. l'sychol. 11. Phyiol. d. Einnesorg. 10, S 235; 1898.

UBER DEN GESCHMACK. 175

Elektrolyten sehr gering ist, wo ja der Geschmack immer suss ist. Die niedrigeren Konzentrationen des Geschmackselektrolyten erzeugen keinen Nachgeschmack, wahrscheinlich, weil die Auewaschung u. a. da nicht die erforderliche Grosse erreichen, u m eine Geschmacks- empfindung hervorzurufen. Bei den hochsten Konzentrationen ander- seits wird sie hochst wahrscheinlich durch die irreversiblen Prozesse verhindert.

Die Nichtelektrolyte verursachen keinen sussen Nachgeschmack, - was auch naturlich ist, da sie im Geschmackssystem kein elektrisches Potential bilden konnen.

43. Wenden wir die obige Anschauung von den Qualitaten des Geschmacks arif den Geschmack derjenigen Elektrolyte, deren Kationen drei- oder mehrwertig ist, so gewinnen wir eine einheitliche Erkla- rung fur manche bekannten Erscheinungen. Nach S t e r n b e r g 1

haben die Sake, welche Elemente der III., IV. und V. Gruppe des periodischen Systems enthalten, einen sussen Geschmack. S t e r n- b e r g nennt denn auch aus diesem Grunde die 111.. IY. und V. Gruppe die dulzigene Zone)). In der 11. Gruppe hahen die Bqryl- liunisalze ebenfalls sussen Geschmack. In seinem zweiten Artikel hebt er ausserdem hervo?, dass die aussersten StolTe der ,dulzigenen Zone, suss seien.

Wir teilen die Tafel S t e r u b e r g s hier in etwas niodifizierter Forrn mit. Die Yerbindungen der fettgedruckten Elemente sind suss.

I11 A B B A1 SC

Y G x

In La

IV A B (C) Si Ti

( ;e

Sn %r

C‘e

Yb Tn

Th TI Pb Bi

Die eingeklammerten Elemente traten in so vel.scliiedenartigen Verbindungen, deren Geschmacksqualitlt stark wechselt, auf, dass

~~

S t e r n b c r g> Arch. f. Physiol. (Engelmarin) Jahrgang 1898, 8. 451; - 1903. S. 113.

176 YRJO RENQVIST.

iinseres Erachtens keine Veranlassnng vorliegt sie, wie S t e r n b e r g es thut, zur dulzigenen Zone zu rechnen. Von den Verbindungen dieser Elemente sind nach S t e r n b e r g siiss: CO,, N,O, OH2, SH2. S t e r n b e r g bemerkt, dass die Stofle, die am starksten amphoteren Charakter haben. suss schmecken.

Uekanntlich sind gerade die Verbindungen dieser Stoffe in den Losungen liydrolytisch gespalten. Sie enthalten folglich OH-Ionen, wodurch ihr susser Geschmack nach den1 Obigen in naturlkher Weise erklart wird. Es ist zu bemerken. dass der Geschmack dieser Sub- stanzen, z. B. von AICI, oder Pb-Azetxt. spwifisch suss ist,d. h. sie sind in ihrer niittleren Konzentration suss. I n niedrigeren Konzentrationen sind sie ebenfalls suss, was ganz naturlich ist. In hoheren Konzentratio- lien rufen die Salxe zwei- und hoherwertiger Kationen irreversible Prozesse ‘im Geschmackssystem herror. der Geschrnack wirtl denn auch etwas bitter, beissend. Bitter ist im allgemeinen auch der Geschmack tler Schwermetallsalze, auch sie verursachen irreversible Prozesse.

44. I m Zusalnrnenhang mit dem Geschmack der Elektrolyte ist noch der Geschmack des stets im Munde vorhandenen Speichels hervorzuheben.

Der hauptsachlichste Elektrolyt rles Speichels ist KCl, und nach H a m 111 e r b a c h e r ist dessen Konzentration 0,0097. Die Konzentration aller Salze des Speichels ist 0,0151 n. Ob die ganze Menge frei oder aber in Verbindung oder in den1 Schleim und den geformten Teilen des Speichels adsorbiert vorhanden ist, ist un- bekannt, (loch ist es nach den obenerwiihnten Untersuchungen von H o b e r arn wahrscheinlichsten. dass fast die ganze Menge frei ist Die Konzentration der Salze des Syeichels ist rnithin grosser als dic Schwellenkonzentration seiner Salze, nainlich von KCI, die ca. 0,wr hetragt, und zwar liegt sie etwa auf der Grenze der niedrigsten untl inittleren Konzentration von KCl. Man konnte daher verniuten, dass tler Geschmack des Speichels derselhe sei, wie der einer KC1-Losung. tleren Konzentration auf der Grenze der niedrigsten und niittleren lionzentration ist. Der Geschmack dieser Losung ist suss- bitter oder becser fade, niit einer siissen Nuance. Der Geschrnack des Speichels ist auch in tler Tat ziemlich von dieser Qualitat, er ist fade, Lielleicht niit einer sussen Abschattung l .

\Venn swir von dern Gewhmack des Spcichcls reden, vergleichen wir denselben aatilrlich, wie irnnier, mit den1 Geschrnack des destillierten Wassers Sach lingerem Verwpileii irn Munde hat der Spcichel selbstverstandlich keinerlei Ckschmack.

OBER DEN GESCHMACK. 177

Der fade Geschmack des Speichels beruht also darauf, dass das Kation und das ’ Anion seiner Salze, hauptsachlich des KCl, gleich schnell wandern. Ware im Speichel in erster Linie z. B. NaCl vor- handen, wie im allgemeinen in der Flussigkeit zwischen Gewehen, so ware sein Geschinack salzig oder hatte eine salzige Nuance. Be- stiindig wurtle dieser Geschmack naturlich niclit empfunrleu werden, aber z. B. jedesmal weiin der Mund mit Wasser ausgespult ware und wieder Speichel zuflosse, wurden wir einen Geschmack mit eineni Qtich ins Salzige erhalten.

Wass den Geschmack der organischen Stofie anbelangt, spieleii hier wahrscheinlich auch konstitutive Momente ein. Die diesbezug- lichen Erscheinungen habe ich nicht studiert.

45. Wir merden jetzt untersuchen, \vie sich mehrere antlere, beim Schmecken beobachtete Phanomene zu der von iins entwickelteii Anschauung verhalten.

Die meisten Physiologen haben vier verschiedene Qualitaten des Geschmacks unterschieden: Bitter, Suss, Salzig und Sauer Mehrere Erscheinungen weisen darauf hin, dass die Geschmacksqualitat des Bitteren eine Sonderstelluug gegenuber den anderen Qualitaten ein- nimmt. Einige altere Physiologen aahlten nur die Qualitaten des Bitteren und Susserr als reine Geschniacke. Sauer und Salzig wurden nnch ihrer Ansicht auch durch Tastempfindungen hervorgerufen (Z e n- n e c k, V a 1 e 11 t i n). Spater hat S t i c h gezeigt, dass Sauer ein eigentlicher Geschmack ist, weil es nur init den schmeckenden Teilen der Zunge gewonnen werde. Ebenso rechnet F i c k Sauer als Ge- schmacksempfindung. und nach ihm konnen die Sauren nur bei hoheren Konzentrationen auf die Tastnerven einwirken. B r u c k e nimmt an, dass mit der Geschmacksempfintlung des Sauern stets eine Tastenipfindung verknupft sei. v. V i n t s c h g a u 2 zieht aus den1 vorhergehenden den Schluss, dass Sauer eine wirkliche Geschmacks- empfindung sei. aber bei hoheren Konzentrationen reizten die Sauren auch die Tastnerven. Zu demselben Eesultat gelangt er bezuglich des salzigen Geschmacks. Bitter und Suss sind nach v. V i n t s c h g a u reine Geschmacksempfindungen, mit ihnen ist nie eir;e Tastempfin-

Dies sind jedoch wahrscheinlich nur die Hauptqnalitatcn, nrisc’hcn ihnen

’ H e r m a n n s Handbuch d. Physiol. d. Sinnesorgane. 111. 2. - Y.

Kach diesem ist die iiltere Physiologic des (;esch-

licgen unziihlige Zwisrhengeschinacke, noruber spiiter.

V i n t s c h g a 11, (feschmack. iiiach referiert. Sksnd. Arch. XXXVIII. I:!

178 YRJO RENQVIST.

dung verbunden. 6 h r w a 1 11 endlich benierkt, dass aiich an Bitter und Suss Tastempfindungen gebunden sein kiinnen, wenn nur die angewandten Losungen hinreichend konzentriert gemacht aerden.

Als schliesslichei Ergebnis durfeii mir also betrachten. dass der bittere, s h e . salzige und saure Geschniack siimtlich reine Geschtnacks- ernpfindungen sind, dass sich aber mit ihnen allen Tasteinpfintlungen verknupfen konnen, wenn die benutzten Liisungen genugend konzentriert sind. Bei welcher Konzeiitration die Tastempfindungen auftreten, hangt wahrscheinlich' davon ab, wie intensiv die betreflende Suhstanz chernisch auf die in der Mundhohle untl auf der Zunge befindlichen Endorgane einwirkt. Die SWuren rufen infolge ihrer chernischen Affinitat schon hei recht niedrigen Konzentrationen Tastempfindungen hervor, wie wir aus den Protokolleii der mit HCl ausgefuhrten Ver- suche sehen (bei HC1 von der Konzentration 0,mij n. an). Ebenso verursachen mehrere Salze bei liolieren Konzentrationen Tastempfin- dungen (z. B. KCl 1,o n., NH,Cl 1.0 n.). Der Geschmack des sussen KOH ist schon bei der I<onzentration 0.01 ein wenig scharf, und bei 0,02 ist er etwas beissend. Die niedrigsten, deutliche Tastempfindungen nuslosenden Konzentrationen sintl also t)ei diesen Salaen die folgenden :

HCI . . . . . . . . . . . . . 0,0076 n. KOH. . . . . . . . . . . . . (402 KCI,NH,CI . . . . . . . . . . . 1 ,o.

Der Einfluss auf die %ntstehung tler Tastempfindung ist in dieser Reihenfolge bei den genannten Substanzen ein absteigender und in derselben Ordnung niinrnt wahrscheinlich auch ihre chemische Einwiikung auf die Endapparate des Geschmacksorgans ah (oder der Einfluss auf die Eiweissstoffe, die koagulierende Wirkung). Die or- ganischen bitteren und sussen Substanzen, die bei den Schnieckver- suchen gebrauclit wurden, rufen erst bei liohen Konzentrationen Tast- ernpfindungen hervor, was vermutlich gerade auf ihrer schwachen che- mischen Einwirkung auf die Endapparate des Geschmacksorgans heruht. Bei der Eriiiittlung der Geschmacksqualitlt wurden ausserdeni organische Substanzen, welche die bittere und die susse Qualitat reprasentierten, in reclit niedriger Konzentration angewandt, was wohl darauf heruht, dass diese Stoffe infolge ihrer grosseren Adsorptivitat, schon da eine deiitliche Geschmackseinpfindung geben.

0 h r w a 1 1 benutzte bei seinen Versuchen 2 O i 0 salzsaure Chinin- liisung. 40 o/o Zuckerlosung, 20 o/o NaCl-Losung und 2-5 o/o Wein- saureksung. In Norrnalitiiten sind die Konzentrationen die folgenden:

6 h r w R 11. Skarid. Arch. f. Physiol. 2. f, I ; 1891.

CBER DEN ( ~ E S C H M A C K . 179

Salzsaure Chininlosung. . . . . . . 0,w Zuckerlosung . . . . . . . . . . 1,n

Weinsaurelosung . . . . . . . . . 0,n

Die Konzentrationen von XaC1 uncl \\’einsiiure sind also so hoch, dass sie nicht mehr reine Gesclimacksempfndun~en. sondern i1UCti Tastempfindungen Bervorrnfen.

Q 11 i x gebrauchte bei seinen Untersuchungen iiber das Schmeck- vermogen des Larynx und des Pharynx yon verschiedenen Substanzen folgende Konzentrationen : Chininum muriaticurn 0,1-0,4 o,’ol Saccha- rose 30 -60 o/o, NaCl 10-20 o/o, HC1 2 o/o. Die Konzentrationen yon NaCl und HCI sind also wieder so hoch, dass Tastempfindungen entstehen.

Salzig uiid sauer schmeckende Substanzeu sind mithin in Schmeck- versuchen in Konzentrationen verwendet worden, bei denen sie auch Tastempfindungen erzeugen, und in diesem Umstand diirfte zum Teil die Ursache dazu zu suchen sein, dass gerade die salzige und die saure Qualitat als weniger reine Geschmacksempfindungen betrachtet worden sind.

Wie erwahnt, nimmt jedoch wahrscheinlich der bittere Geschmack eine Sonderstellung gegenuber den anderen Geschmacksqualitaten ein. Nach der oben entwickelten Anschauung von den Ursachen der Geschmacksqualitaten, en tsteht ein bitterer Geschmack, wenn die schmeckbare Siibstanz im Geschmackssystem adsorbiert wird und kein elektrisches Potential zustande kommt. Die ubrigen Qualitaten treten auf, wenn sich neben der Adsorption auch elektrische Potentiale bilden .

Hiernach konnen wir also ’ den bitteren Geschmack gewisser- inassen als den Griindgeschmack ansehen; der Reiz, durch den er liervorgeriifen wird, ist auch in den Reixen der anderen Geschmacks- qualitaten enthalten, aber ausserdem wird elektrische Energie hin- xukommen, tlamit der Geschmack salzig, sauer oder suss (wenigstens cler siisse Geschmack der Elektrolyte) wird.

Da diese Anschauung den1 bitteren Geschniack eine Sonder- stellung zu den iibrigen Qualitaten zuweist, habe ich nachgeprfift, wie sich (lie in der Litteratur erwahnten, bekannten Erscheinungen nus dein Gebiet der Physiologie des Geschmacks hierzu verhalten.

46. nber die Reaktionsdaaer der verschiedenen Geschmacks-

NaCI-Liisung . . . . . . . . . . 3 . ~

__ Vpl. Handbuch d. phpsiol. Methodik yon H. T i g e r . t P d t . 111. 1.

180

I--- ~

Geschmacks- substanz

YRJO RENQVIST.

Qualitat d. Empfindung

qualitatenhaben v. V i n t s c h g a u und H o n i g s c h m i e d ' s o w i e B e a u n i s 2 Versuche angestellt. Die erstgenannten bestimmten die Zeit, die von dein Moment, mo ein in die Gesclimackssubstana ge- tauchter Pinsel die Zunge beruhrte, bis zu dem Moment verstrich, wo die Versuchsperson einen deutlichen Geschmack unterschied. Die Ver- suche wurden in drei Gruppen ausgefuhrt. In denen der ersten Griippe wusste die Versuchsperson im voraus, welche Geschmacksqualitat die jeweils angewandte Substanz besass, und sie musste den die Dauer messenden elektrischen Strom in dern Augenblick 8ffnen, wo der Ge- schmack deutlirli empfunden wurde. In der zweiten 'Gruppe brauchte sie die Geschmacksqualitat nicht zu kennen, sondern inusste nur den Geschmack von dem des destillierten Wassers unterscheiden. In der dritten Gruppe tnusste sie den Geschmack von dem Geschmack einer im' voraus bekannten Substanz nnterscheiden.

Die Ergebnisse der an der Zungenspitze und der Zungenwurzel gemachten Versuche, in der ersten und zweiten Gruppe sind in der folgenden Tabelle zusanimengestellt,

0,1598

0,1676

0.16S9

0,2196:

0,2766

0,3315

0,8840

0,4129

NaCl . . . . . . Zitronensiiure . . . Zucker. . . . . . Chininsulfat . . . .

Salzig Sauer siiss Bitter

Reaktionsdauer a. d. Zungenspitze

Erste 1 Xweite Qruppe I Gruppe

Reaktionsdauer 1 a. d. Zungen-

Erste Gruppe

0,1409

0,.543

0,567.

0.w2

Wie v. V i n t s c h g a u hervorhebt, ist also das Ergebnia der Versuche an der Zungenspitze in der ersten Gruppe, dass die Reak- tionsdauer am kurzesten bei Beruhrung. aber langer und uberall - ziemlich gleich gross bei dem salzigen, siissen iind sauern Geschmack ist. Am langsten ist sie beim bitteren Geschmack. An der Zungen- basis ist dagegen die Reaktionsdauer fur alle Geschniacksqualitaten ungefahr gleich gross.

l v. V i n t s c h g a u 11. H o n i g s c h m i e d Arch. f. d.gee. Physiol. X. XII. XIV. referiert in H e r m a n n s Handbuch d. Physiol. d. Sinneaorg. 111. 2.

' Vgl. G. C o h n, Die organischen Geschmacksstoffe. Berlin 1914.

OBER DEN GESCHMACK. 181

Die Versuchsergebnisse yon 13 e a u n i s sind in tler folgenden -

Tabelle dargestellt. -_ - ~~- __

Spi tze I Riickeii

min. 1 IIILK. I min. max. _ _ ~ ~ -- ~- ~~

Sslzig . . . . . . . suss . . . . . . . Sauer . . . . . . .

I Bitter . . . . . . . .

I ~ i

0,72 , 0,70 I 0,146

0,190 ' I 0,80 0FJ : 0764 , @,70 j 0.165

2,oo 1 i ,W /i.Mittell Sek.

Nach ihm ist also die Reaktionszeit viel langer fur Bitter als fur die anderen Qualitaten, sowohl auf der Zungenspitze als auf der Zungenbasis. Die Reaktionszeiten des salzigen, sauren und siissen Geschmacks sind ungefahr gleich lang, doch wie auch in v. V i n t s c h- g a u s und H o n i g s c h m i e d s Versuchen beim salzigen im allge-. meinen am kiirzesten.

Die Iteaktionszeiten in den Versuchen der ersteren Autoren sind wohl zu niedrig, doch konnen natiirlich individuelle Verschieden- heiten vorkommen.

Die Ergebnisse dieser Versuche stehen nun meines Erachtens im folgenden Zusammenhang mit der von uns entwichelten Anschauung. Die Reaktionszeit der Geschmacksempfindung ist natiirlich abhlngig von der Diffusionsgeschwindigkeit der zu schineckenden Substanz. Je schneller ein Stoff diffundiert, desto kiirzer ist die Reaktionszeit der von ihin verursachten Empfindung. . Wie man sieht, ist es auch so in den zitierten Versuchen; die Reaktionszeit des bitteren Geschmacks, welche von dem langsam diffundierenden Chininsulfat hervorgerufen wird, ist viel ]anger als die iibrigen, unter sich ungefihr gleich grossen Reaktionszeiten. Die diese Qualitaten verursachenden Stoffe haben auch Diffiisionskoeffizienten, welche kleiner sind, doch 1st der- jenige von NaCl an1 grossten und die entsprechende Reaktionszeit ist auch am kurzesten.

In v. V i n t s c h g a u s und H o n i g s c h m i e d s Versuchenan der Zungenbasis sind die Reaktionszeiten fur alle Qualitaten ungef&r gleich gross. Werauf das beruht ist schwer zii eruiren.

47. Die Frage, ob der Geschniack desselben Stoffes auf allen Teilen der Zunge dieselbe Qualitat hat, ist auch untersucht worden. v. V i n t s c h g a u und auch 0 h r w a 1 1 bemerken, dass hier individuelle

182 YRJO RENQVIST.

Verschiedenheiten bestehen. Nach den Befunden einiger Autoren (H o r n, P i c h t) ist an den Papillae circumvallatae, d. h. an der Zun- genwurzel der Geschmack der meisten Substanzen bitter, und zwai. auch solche~ Substanzen, die auf den ubrigen Teilen der Zunge, an der Spitze und den Randern, eine andere Qualitat vermitteln. G u y o t und L u s s a n a konnten anch andere Qualitaten auf der Zungen- basis schmecken. Dass der Geschmack aller Stoffe auf der hinteren Zunge bitter ist, ist jedoch nach 0 h r w a 11 eine allgenieine Erschei- nung. Nach ihm schmeckt beispielsweise eine konzentrierte MgS02- Losung an der Zungenspitze bitter und salzig, an den Papillae foliatae nur bitter.

Das Unterscheidungsverniogen fur die Geschmacksqualitaten an der Zungenspitze ist bei verschiedenen Individuen sehr verschieden. v. V i n t s c h g a u hat auf Grund dieses Verniogens folgende vier Grnp- pen unterschieden: 1. Individuen, die an der Zungenspitze alle vier Qualitaten unterscheiden, 2. Individuen die genau Suss, Salzig nnd Sauer, aber weniger genau Bitter unterscheiden, 3. Individuen, die die verschiedenen Geschmacksyualitaten nur schwer nnterscheiden, 4. Individuen, die keine Geschmackseinpfindungen besitzen.

In der zaeiten Gruppe nimmt Bitter gegeniiber den anderen Gcschmacksqualitaten eine Sonderstellung ein. Mit diesen Umstiinden stehen meines Erachtens noch die folgenden Erscheinungen im Zu- sammenhang.

hat beobachtet, dass man, wenn man mit den1 trocke- nen Finger auf den hinteren Teil der Zunge druckt, einen bitteren Geschmack empfindet, cler etwas spater in einen sekelhaften, uber- geht. Nach T’ a 1 e n t i n vergleichen manche Menschen das Gefuhl, das ein leichtes Gewicht auf der Zunge hervorruft, mit einem bitteren Geschmack. B a 1 y hat bemerkt, dass. wenn inan schnell auf die Zungenspitze oder die Rander nahe der Spitze klopft, sodass die Papillen gereizt werden, bald ein saurer, bald ein salziger, an den von dem elektrischen Strom erzengten Geschinack erinnerrider Geschrnack entsteht. Die Beobachtung W a g n e r s kanu jederzeit nachgepruft werden, sie ist ausserordentlich typisch. Der Befund B a l y s ist nieiner Ansicht nach nicht so klar, doch empfindet man einen gewissen Geschmack, vielleicht am ehesten einen salzigen, wenn man niit schneller, flitzender Bewegung an die Zungenspitze schlagt.

W a g n e r

- _ _ ~ - * E l e r m a n n s Handboch.

i f B E R DEN GESCHMACK. 183

K i e s o w und H a h n haben gezeigt, dass der Tast- iind Schmerzsinn an der Zungenspitze am feinsten sind.

Fenier ist eine interessante klinische Beobachtung L e h in a n n s 2

ZII erwahnen. Eine Person hatte eine einseitige traumatische Glos- sopharyngeiis-Liihmung. Die Sensibilitat war auf beiden Seiten, sowohl auf der gelahmten als auf der gesunden, sehr fein und beiderseits gleich gross. Auf der gelahmten Seite war der Geschniack erloschen. Sauren ond Salze verursachten hier nur ein brennendes Gefiihl. Auch Glyzerin rief ein ahnliches Gefiihl hervor, iin allgemeinen aber erzeugte es keine Empfindung. Zucker und Chinin losten keinerlei Empfin- dung aus.

\\'eiter sind einige Moniente hervorzuheben, welche die Intoxi- kation des Geschniacks betreffen 3. Wir wissen hieruber folgendes. Kokain lasst den Geschmack viel schneller verschwinden als die Schmerz- und Tastenipfindungen. Am vollstandigsten vernichtet es den bitteren Geschmack, in viel geringerem Grade die iibrigen Quali- taten. Gymnemasaure zerstort den bitteren und siissen Geschmack, die Einwirkung ist von Iiingerer Dauer als beim Kokain. Den sauern und salzigen Geschmack beeinflusst die Gymnemasaure fast garnicht. Sowohl der Schmerz- als der Tastsinn hleiben erhalten. Das Eukain B wirkt am intensivsten zerstorend auf den bitteren Geschmack, dann auf den siissen, den salzigen und am wenigsten auf den sauern, aber in geniigender Konzentration und geniigend lange Zeit gebraucht, kann es alle Qualitaten auiheben. Den bitteren vernichtet es schon in schwacherer Konzentration, die anderen schwacht es nur *. An der Hand unserer Anschauang wiirden diese Erscheinungen etwa in fol- gender Weise erklart werden konnen.

An der Zungenwurzel schmecken alle Stoffe den meisten Indi- viduen bitter, auch Reriihrung und Ihuck rufen hier einen bitteren Geschmack herror. Rei der Reizung der Geschmacksorgane des Zungenwurzels erhalten wir also immer dieselbe Geschmacksqualitat, die des Bitteren. welcherlei der Reiz auch sei. Die Stoffe, welche an der Zungenspitze einen salzigen, siissen oder sauern Geschmack erzeugen und die ini Geschmackssystem ein elektrisches Potential

' K i e s o w 1und H a h n, Zeitschr. f . Psychol. und. Physjol. tl. Sinnesorg.

* Vgl. 6 h r w a 11, Skand. Arch. f. Physiol. 2, 8. 6; 1801. Vgl. Handbuch d. physiol. Methodik, vOn It. T i g e r s t c d t. 111. 1 . ' A. F o n t a n a . Zeitschr. f. Psgchol. u. Physiol. d. Sinnesorg. 28, P.

26, S. 363; 1901.

253: 1'302.

184 Y RJO RENQVIST.

bilden konnen, schmecken hier ebenfalls bitter. Wir durfen folglich sagen, dass der dem Geschmacksorgan der Zungenwurzel adaquate Reiz nur in der Adsorption der zu schmeckenden Substanz besteht.

An der Zungenspitze hinwieder vermogen die meisten Individuen die verschiedenen Geschmacksqoalitaten zu unterscheiden. aber dies Vermogen kann auch herabgesetzt sein, wie die vier Klassen v. V i n t s c h g a u s zeigen. Eine mechanische Reizung kann an der Zungenspitze ebenfalls eine von diesen Qualitaten hervorrufen (Beob- achtung B a 1 y s). Den adaquaten Reiz des Geschmacksorgans der Zungenspitze stellen sowohl die hier stattfindenden Adsorptionspro- zesse als auch die sich bildenden elektrischen Potentiale dar.

48. . In dieseni Zusamnienhang erhebt sich die Frage, oh diese verschiedenen Qualitaten der Geschmacksempfindung, deren adaqiiate Reize verschiedener Art sind, alle von denselben peripherischen Apparaten und. Nerven vermittelt werden.

Wie ich erwahnte, bringen Kokain, Gymnemasaure und Eukain B nur oder im hochsten Grade den bitteren Geschmack zum Erloschen. Die ubrigen Geschmacksqualitaten, wie auch den Schmerz- nnd Tast- sinn beeintrachtigen sie nicht. Diese Stotfe setzen also wahrschein- lich die Funktion derjenigen Organe, deren Reiz der Adsorptions- prozess ist, herab, aber nicht derjenigen, die auf ein elektrisches Po- tential oder auf mechanische Reizmittel reagieren. Ebenso wird der bittere Geschmack im hochsten Masse durch niedrige und hohe Tem- peraturen gestort.

Diese Erscheinungen machen es wahrscheinlich, dass verschieden- artige Organe die Entstehung des Bitteren und der iibrigen Ge- schmacksqualitiiten vermitteln. Fur diese Auffassung spricht auch die zweite Elasse der oben mitgeteilten Einteilung v. V i n t s c h g a u s, in der das Vermogen der Zungenspitze, das Bittere, aber nicht die anderen Geschmacksqualitiiten zu vermitteln, herabgesetzt war.

Mierauf deutet auch die Beobachtung L e h m a n n s bei der Glossopharyngeus-Lahmung. Auf der gelahmten Seite war der bittere Geschmack ganz verschwunden. Der saure, salzige und susse Ge- schmack waren auch erloschen, aber Stoife, die einen von diesen Geschmacken besassen, verursachten einen brennenden Schmerz. Die Schmerz- und die Tastempfindung waren vollstandig erhalten.

Dieser Fall liefert fast den Beweis dafiir, dass. wenn aus der Empfindung des Qauern? Salzigen und Siissen der Faktor ausgeschaltet wird, welcher durch den Adsorptionsprozess wirksam ist, die Zuriick- bleibende Empfindung, die nur durch das eiektrische Potential hervor-

QBER DEN GESCHMACK. 185

gerufen wird, zunachst an eine Schmerz- und Tastempfindung erinnert. In dieselbe Richtuiig deutet auch die Beobachtung, dass, je konzentrierter die Losung eines sauern, salzigen oder sussen Elektrolyten ist, je grosser also die von ihni in dem Geschmackssystem erzeugten elek- trischen Potentiale sind, desto niehr die Empfindung einer Tastemp- findung gleicht. Hiermit will ich nicht sagen, dass bei sehr hohen Konzentrationen nicht auch durch die irreversiblen, im Gesciimacks- system stattfindenden Prozesse echte Tastempfindungen entstanden. Ebenso beruht hierauf moglicherweise der schon erwahnte Umstand, dass manche Autoren Salzig und Sauer (auch Suss) fur weniger reine Geschmacksempfindungen als Bitter angesehen, sie teilweise als Tastenipfindungen aufgefasst haben.

Die vorstehend angefuhrten Momente zeigen also, dass der bit- tere Geschmack gegenuber den anderen Geschniacksqualitaten eine Sonderstellung einninimt. Die von uns zugrunde gelegte Anschauung uber die Reize der Geschmacksqualitaten steht denn auch hiermit ini Einklang. Es ist ausserdem wahrscheinlich, dass die bittere Geschmacks- empfindung durch spezielle Endorgane veFmittelt wird, die keine an- deren Geschmacksqualitaten zu vermitteln imstande sind (die Ge- schmacks-Empfindungen der Zungenwurzel oft nur von bitterer Qua- litat). Die anderen Qualitaten werden vermutlich ebenfalls von beson- deren Endorganen vermittelt, die ihrerseits nicht fahig sind den bitteren Geschmack zii vermitteln (Intoxikation des Geschmacks), Uber diese Organe lasst sich schwer etwas sagen, wahrscheinlich bestehen in den peripherischen Geschmacksorganen Verschiedenheiten.

scheinen auch zu zeigen, dass den verschiedenen Qualitaten verschiedene Endorgane zugeordnet sind.

-Die Versuche von 0 h r w a I 1

VII. U b e r d i e K o m p e n s a t i o n r l e s G e s c h m a c k s .

49. Unter Kompeiisation des Geschmacks versteht man bekannt- lich die Erscheinung, dass zwei Substanzen, die je eine eigene Ge- schmacksqualitat besitzen, bei gleichzeitiger Einfuhrung in den Mund gegenseitig ihre Qualitat aufheben und sich Geschmacklosigkeit oder ein schwacher, fader Geschmack ergibt.

I n der Litteratur liegen uber die Kompensation sehr wenige An- gaben vor. v. V i n t s c h g a u 2 erwahnt einige hierhergehorige Phano-

loc. cit. S. 183. * v. V i n t s c h g a 11, Hermaniis Handbuch d. Physiol. d. Sinnesorg. 111.2.

186 Y R J ~ RENQVIST.

mene. Er benierkt. dass der saure Gesclimack tlurch sussen Zucker kom. pensiert werden kann. B r ii c k e vermutet auf Grund dieser Beob aclituug, dass eine Kompensation im Zetralnervensystem stattfinde. wei Zucker und Saure nicht cheinisch mit einander reagieren nnd tlahei auf diese Weise nicht direkt ihre Geschmacksqualitaten aufhebei konnen. Ebenso ist es nach seiner Ansicht nicht denkbar, dass dei Zucker die Erregbarkeit der Nervcn oder Organe herabsetzte, welchc die saure Empfindung vermitteln. Nach v. T i n t s c h g a u besteht da5 einzige sichere Ergebnis auf diesein Gebiet darin, dass der bitter6 Geschniack durch keine andere Qualitgt koinpensiert werden kann Von den iibrigen Qualitaten kann nach K i e s o w I bei niedrigerer Konzentratiorien tler salzige Geschmack durch den sauren, der salzigc durch den sussen und der saure durch den bitteren kompensierl werden. 6 h r w a 11 leugnet das Torhandensein von Koinpensions. erscheinungen im Bereich des Gesclimacks.

Wenn Konipensationserscheinungen tatsactilich ini Geschniacks. organ vorhantlen sind, liegen ihnen allem Anschein nach in der Pe. riplierie stattfindentle Vorgange zugrunde; fiir diese Auffassung sprechei auch die im folgenden wiedergegebenen Beobachtnngen.

Da die Geschmacksqualitaten Salzig, Sauer und Suss (wenigstenr dass Susse der Elektrolyte) entstehen, wenn die zu schmeckeiidt Substanz im Geschmackssystem elektrische Potentiale bildet, wahrenc ein bitterer oder fader Geschmack erhalten wird, wenn kein Potentia entsteht, sondern nur eine Adsorption erfolgt, ist es natiirlich anzu. nehnien, dass zwei der erstgenannten Qualitaten einander kompen. sieren, d. h. der Geschmack wird fade oder verschwindet vielleichl ganz wenn die Adsorption gering ist, so bald die elektrischen Poten. tiale, welche von den die ersterwahnten Qualitaten erzeugenden Stoffer gebildet werden, einander aufheben. \Venn die von verschiedener Stoffen hervorgerufenen Potentiale entgegengesetzt sind, konnen sic sich aufheben oder gegenseitig abschwaclien, und bei geeigneter Kom. bination der verschiedenen Stoffe ~n'uss also eine Kompension ihrei Geschniacke erscheinen.

Der bittere Geschmack riihrt nach dem vorliergehentlen vor einem Adsorptionsprozess im Geschmackssystem her; wenn zu der bit. ter schnieckenden Substanz eine saure, salzige oder siisse hinzugefugl wird. als deren Reiz sich ein elektrisches Potential ergibt, kann dieses also nicht mit Hilfe der bitteren Substanz aufgehoben werden, dei

' K i e s o w , 1Vundt.s Philo?;. Studien, I?, S. 255; 1896.

UBER DEN GESCHMACK. 18i

saure, salzige oder siisse Geschmack bleibt folglich erhalten. Es kann mithin keine Kompensation des bitteren Geschrnacks stattfinden, was auch durch die allgemeine Erfahrung bestatigt wird.

Es ist auch zu beachten, dass eine vollstandige Konipensation, d. h. ein vollstandiges Verschwinden des Geschmacks, nur dann statt- finden kann, wenn die Konzentrationen der Komponenten niedrig sind; sind sie hiiher, so konnen sich w a r die elektrischen Potentiale auf- heben, aber die Adsorption der Substanzen iet doch so gross, dass sich lediglich ein dem Adsorptionsreiz entsprechender Geschniack, also Fade oder Bitter, bildet.

50. Nach P 1 a n c k konnte das elektrische Diffusionspotential zwischen den Losungen zweier gleichwertigen Elektrolyte bestimmt werden:

E = 0,0576 . log 5.

Das elektrische Potential wird aufgehoben, E = 0, wenn E = 1. Setzen wir dies in die erste der Gleichungen einl, aus denen die Hilfsgrosse 8 ermittelt wird, so erhalten wir n = 1, und durch Einsetzung dieses in die zweite jener Gleichungen, finden wir U2 - U, = V, -- V,.

Bei der Kompensation finden sich in dem ausseren Glied der sich im Geschmackssystem bildenden elektrischen Kette zwei Elektro- lyte, namlich die beiden Geschinackselektrolyte: bezeichnen wir die Wanderungsgeschwintligkeiten ihrer Ionen mit u,, v, und up, v2, die Kon- zentrationen mit c, und c2 und die Wanderungsgeschwindigkeiten der Ionen des Elektrolyten irn inneren Glied der Kette, also in dem Speichel oder der Fliissigkeit der Geschrnackszellen, niit u’, v’, die Konzentration mit c’, so bedeuten

U, = U, . C, + u2 . c,. v, = v, . c, + v p . ct. LJ* = u’ . c‘. v, = v‘ . c‘.

Die obige Gleichung konnen wir daher folgentlermassen Schreiben :

(u’ - v’) c‘ = (ul - v,) c, + (ua - v p ) c,.

Aus dieser Gleichung ersehen wir, dass die Konzentrationen c, und c2 der einander kompensierenden Elektrolyte lineare Funktionen von- einander sein miissten, denn c’ ist konstant, ebenso die Wanderungs- geschwindigkeiten aller Ionen.

Siehe 8. 155.

188 YRJO RENQVIST. /

Wir konnen noch das folgende feststellen. Da u’ und v’, von denen jenes die Wanderungsgeschwindigkeit des ](-Ions, dieses hochst- wahrscheinlich die des C1-Ions ist, sehr wenig voneinander abmeichen, ist der Faktor u’- v’ recht klein; auch c’ ist klein, weehalb die ganze linke Seite der Gleichung einen sehr kleinen Wert erhalt. Weil c1 und c, natiirlich iinmer positiv sind, miissen, darnit die rechte Seite der Gleichung ebenfalls einen kleinen Wert erhalt, der Gleichung Geniige geschieht und eine Kompensation stattfindet, die Grossen u1 - v1 und u, - v2 im allgemeinen entgegengesetzte Vorzeichen haben, d. h. das Kation des einen iind das Anion des anderen Elek- trolyten miissen schneller wandern als das andere Ion.

Gestatten wir 9ns speziellere Annahmen iiber den inneren Elek- trolyten der Kette zu machen und setzen wir voraus, dass er KCI sei, so ist u’= 64,s und v’= 65,s und u’ - v’= -Oo:9. Da c’ auch eine kleine Zahl, etwa 0,oi-O,OG ist, wird also auf der linken’ Seite der Gleichung ein recht kleiner negativer Zahlwert stehen. Der Zahl- wert der rechten Seite der Gleichung wird auch klein und ‘negativ. d. h. die Kornpensation wird mithin in den folgenden Fallen moglich.

Sowohl uI -- v1 als u2 - v2 sind negativ, die Geschwindigkeit des Rations beider kompensierenden Elektrolyte ist kleiner als die des Anions. Wenn dabei sowohl u1 - vl als u,-v, ihrem absoluten W-erte nach viel grosser sind als u’ - v’, miissen c1 und c2 viel kleiner sein als c’, welche ca. O,oi-O,os ist, wonach die Werte von c1 und c1 in diesem Fall sehr klein, wahrscheinlich kleiner als die Schwellenkon- zentrationen dieser Eldktrolyte sein miissen, sodass von einer Kompen- sation des Geschmacks nicht die Rede sein kann, weil die Elektrolyte auch bei getrenntem Schmecken keine Geschmacksempfindung hervor- rufen wiirden. Die Grenze der untersten und der mittleren Konzentra- tionen der meisten einwertigen Elektrolyte ist etwa O,m, erst bei hahe- ren Konzentrationen als dieser haben sie einen spezifischen Geschmack. Im obigen Fall merden cl und c, kleiner als die mittlere Konzentration. Bei getrenntem Schmecken hatten sie also keinen spezifischen Geschmack. sondern hochstens den Geschmack der niedrigsten Konzentration, mithin im allgemeinen einen siissen. Wir konnen also eigentlich auf keinen Fall von einer Kompensation tler Geschmacksqualitaten reden, wenn das Kation bei beiden Elektrolyten langsamer als das Anion wandert und die Differenz in der Geschwindigkeit recht gross ist. Ein solches Elektrolytenpaar sind z. R. NaCl und LiCI.

vl und u2 - v2 beide fortwahrend negativ sind, das eine aber seinem absoluten Wert nach viel grosser als u’ -- v’, w5ih-

Wenn u1

UBER DEN GESCHMACK. 189

rend das andere ziemlich ebenso gross ist wie dieses, wird die Kon- zentration desjenipen Elektrolyten, bei dem die Wanderungsgeschwin- digkeiten der Ionen erheblich voneinander abweichen, sehr klein sein, wahrscheinlich unter dem Schwellenwert oder menigstens unter der mittleren Konzentration liegen, sodass er. allein fur sich geschnieckt, keinen oder zum mindesten keinen spezifischen Geschmack hervor- rufen wurde. Wir konnen also eigentlich auch hier nicht von Kom- pensation sprechen. Einen solchen Fall stellt z. B. das Elektrolyten- paar KCI, NaCl dar. Wir durfen folglich in keineni Fall eine Ge- schmackskompensation zweier solchen Elektrolyte erwarten, bei wel- chen beiden das Kation langsamer wandert als das Anion.

Sind zweitens u, - vI und u, - vp beide positiv, so kann der Gleichung kein Genuge geschehen. Zwei Elektrolyte, bei denen beiden das Kation schneller wandert als das Anion, konnen also ihren Ge- schmack nicht gegenseitig kompensieren. Z. B. zwei Sauren.

Der dritte Fall ist schliesslich, dass uI - v1 und u, - v, ent- gegengesezte Vorzeichen haben. In diesem Fall kann der Gleichung durch verschiedene Werte von c1 und c2 geniigt werden, die lineare Funktionen voneinander sind. Zwei Elektrolyte, bei deren einem das Ka.tion, beim anderen das Anion schneller wandert, konnen einander also kompensieren. Z. B. KF unrl NaCI.

Ich habe einige Versuche angestellt, urn zu priifen, ob diese Regeln Giltigkeit besitzen. Wir mustern der Reihe nach die Elektro- lytenpaare durch. welche die oben angefiihrten Talle vertreten.

LiCl und NaCI. Bei beiden wandert das Kation vie1 langsamer als das Anion. Wie wir aus der Tabelle 42 sehen, kann der Geschrnack einer 0,020 n. LiC1-Losung nicht durch eine NaC1-Losung von hoherer Konzentration als 0.0to n. kornpensiert werden, denn der Geschmack rles Gemisches wird bei zunehmender Konzentration von NaCl nur irnmer salziger. Da die Schwellenkonzentration- von NaCl nur etwas nnter 0,010 liegt, haben niedrigere Konzentrationen keinen Geschmack, von einer Kornpensation kann also auch bei noch niedrigeren NaCl-Lo- sungeri nicht die Rede sein. 0,om n. LiCl kann mithin nicht durcli NaCl kompensiert werden. Hohere Konzentrationen von LiCl konnen wir ebenfalls nicht durch NaCl kompensieren, der Geschmack bleibt bestandig salzig. Die niedrigeren Konzentrationen hinwieder liegen unterhalb der niittleren, sodass wir auf keinen Fall von einer eigent- lichen Kompensation sprechen konnten. LiCl und NaCl konneii einander also nicht kornpensieren, wie auch zu erwarten war.

190 YR.JO RENQVIST.

Ildwlle 42. __ ' Jiic'l NsCl 1 Geschnisck d. Mischung

I i I I i 0,020 0,010 salzig, stiirker IS O,O?O TI. IiC'I.

1 0,020 O,ORO I salzig. noch irnmcr stlrkrr. 1 0 , O Z ~ l o,om i sdzig, stiirker

KCl untl NaCl. Bei beiden wandert das Kation langsamer, bei KCl ist der Unterschied der Wanderungsgeschwindigkeiten klein, bei NaCl gross. Aus dem Versuchsprotokoll, Tabelle 43 sehen wir, dass 0,020 n. KCI nicht durch ~,010-0,030 n. NaCl koinpensiert werden kann. Wenn die Konzentration der NaC1-Losung kleiner ist als 0,010, namlich O,OOSO, hat sie keinen Geschmack mehr, weil ja diese Konzen- tration alsdann unterhalb des Schwellenwertes liegt. Von einer Kom- pensation von 0,020 n. KC1 und dem zwischen den Konzentrationen 0.00~0 und 0,oi .n. liegenden NaCl ist folglich nicht zu reden, der anfangs bittere Geschmack der Losung geht nur bei Zunahme der Konzentration von NaCl in einen salzigen iiber. Hohere und niedri- gere Konzentratioueu iron KCl (wie vorher von LiCI) konnen wir auch nicht clurch NaCl kompensieren.

1

Geschmack ilcs KCII. bittpr. * , , s

sillzig, ganz schwach: der bitterc Geschmack yon KC1' vcrschwiinden. I

z , starker. s . noch ininicr Airktxr.

K-Azetat und NaCl. Bei jenein wandert das Kation, bei diesem das Anion schneller. Aus dem Versuchsprotokoll, Tabelle 44 sehen wir, dass die gemischte Losung, in der die Konzentration des K-Aze- tats 0,030 und die des NaCl 0,0375 ist, einen faden Geschrnack besitzt, nicht den sauerlich-fade-salzigen von KF. auch nicht den salzigen von

UBER DEN GESCHMACK. 191

NaCl. Es hat folglich eine Kompensation zwischen den spezifischen Geschmacksqualitaten dieser Salze statt gefunden. denn die angewandten Konzentrationen sind ja niittlere.

T d e l l e 44.

K-Azetat

0.030

0,ON

0,030

0,030

o,o.,o

Sac1 (ieschmack d. Mischung

Geschmack von K-Azetat.

Die (iualitat ist undefinierbar (fade). Vielleicht ein whwacher Geschmack von SaCI. salzie, ganz schwaeh.

> , s

D , schwach. I

NaC1 und HCl. Wie im vorhergelienden Fall. Aus dem Ver- suchsprotokoll, Tabelle 45, sehen wir. dass alle angewandten NaC1-Kon- zentrationen durch HCI kompensiert werden konnten. Besonders ist zu bemerken, dass sich das Gemisch, in den1 die Konzentration von NaCl 0,040 und die von HCl 0,ooo40-0,m55 betragt, inbezug auf seine Qualitat uberhaupt nicht charakterisieren lasst, am ehesten hat es einen faden Geschmack. Und dennoch sind die Geschmacke von NaCl und HCI bei diesen Konzentrationen ausserortlentlich deutlich salzig rind sauer. Die Kompensation ist also vortrefflich. Da der Geschmack von NaCl bei diesen Ronzentrationen der spezifische, der von HCl in der letzten Gruppe sauer. also ebenfalls der spezifische ist, haben wir hier eine eigentliche Kompensation. I n den beiden ersten Gruppen liegt die Konzentration von HC1 unterhalb oder nahe der Schwellen- konzentration, sodass man von keiner eigentlichen Kompensation tlcr Geschmacksqualitaten sprechen kann.

'rnbelle 45.

' HV1 Geschmack tl. Mischiing.

- -. ____

I ' Na('1

U,O20

0,om 0,020

0,ozo

0,oO010

U.OWl25

iJ,ooolS

0,00020

sdzig, whwach. ohne Geschmack ; viellricht gain schwach sauer? fade. bcinahe ohne Gekchniack. saugr, schwach.

192

0,040

0,040 0,040

YRJO RENQVIST.

_ _ _ ~

KCl

0,020

i Nacl I 0,030

0,030

0,00015 bitter, schwach. 0,0003o sauer, schwach. O,OOOM, sauer. 0,001oo

o,w015

o,ouozo 0,00025

0,00050 0,00050

O,OQO60

HCI

sauer.

bitter. )>

Y

sauer. w

>

~~

0,00010

0,OM)zo 0,00025

O,ooo29

0,000s0

0,00040

0,00035

0,00045

O,O0050

0,CWoSO

0,00055

0,00075

I Geschmack d. Mischung.

I

salzig, schwach. fade am besten, Geschmack undefinierbar. sauer, sehr schwach.

sddg, schwach. salzig, ganz deutlich. G. undefinierbar, vielleicht schwach salzig. G. undefinierbar, beinahe kdn G.

>

, 8

sauer, deutlich. sauer.

0

KC1 und HCI. Bei diesem wandert das Kation vie1 schneller als das Anion, bei jenem beide fast gleich schnell. Erwartungsgemass findet keine Kompensation statt. Der Geschmack des Gemisches wird sofort sauer, wenn die Konzentration von HCl die Schwellen- konzentration dieses Stoffes uberschreitet.

Tabelle 46.

~ T B E R DEN GESCHMACK. 193

Die obigen Versuche sprechen meiner Ansicht nach fiir die Richtigkeit der Auffassung, dass die Koinpensation eine peripherische Erscheinung ist; sie w i d durch im Geschmackssystem, nicht im Zen- tralnervensystem stattfindende Prozesse verursacht. Die Resultate tier Versiiche stehen ausserdem nicht i i n \\'itlerspruch mit tler von uns entwickelten bnschauung iiber die Natur tler Kompensation, ini Gegenteil stiitzen sie sie, indem sie unter andcrem in befrietligender Weise den Grunt1 crklaren, weshall) tler Iiittere Geschmac~k nicht ZU

kompensieren ist.

VIII. D i c Q 11 a 1 i t 8 t e n r e i h e tl e s c* e s c Ii m a c k s.

51. \Vie H e 1 m h o 1 t z rlargelegt hat, konnen wir bei der Untersuchung der in jedem einzelnen unserer Sinnesorgane stattfin- dentlen Vorgange, drei verschiedene Teile unterscheiden.

Den ersten Teil bildet die Untersuchung, wie ein clas Organ erregendes Agens niit den peripherischen Teilen der Sinnesorgane in Verbindung gebracht wird oder gelangt. Bei dern Sehorgan besteht dieser Teil also darin, dass wir erforschen, wie das Licht dazu kommt die Endigungen des Sehnerven zu reizen, d. h. er ist der Hauptsache nach die Dioptrik cles Auges. Bei dem Gehororgan andererseits ist es die Untersuchung iiber den Verlauf der Schallwellen durch das aussere und Mittelohr nach den im Innenohr befindlichen Endigungen des Gehornerven. Bei dem Geschmacksorgan bildet diesen ersten Teil der Cntersuchung die Frage, wie die schmeckbare Substanz mit den Endigungen der in den Geschmackskorperchen liegenden Geschmacks- zellen oder -nerven in Kontakt kommt. Infolge des Baues des Ge- schmacksorgans, die Geschmackskorperchen liegen ja teilweise ir. tiefen Furchen, uncl ihre Offnungen sind ausserordentlich klein (Durch- messer 2,7-4,5 p), kanii dies, mie mir oben ansgefiihrt haben, nur durch Diffusion der zu schmeckenden Substanz geschehen. Die Ge- schwindigkeit dieser Diffusion ist wahrscheinlich auch in einigem Grade von der Geschwindigkeit abhangig. init der die Geschmacks- losung auf der Zunge durcheinander gemischt wird, weshalb auch in allen Versuchen das Tempo rles Durcheinandermischens mit der Zunge nach Moglichkeit gleich schnell gehalten wurde. Dies ist der erste, physikalische Teil der physiologischen Untersuchung.

Der zweite Teil umfasst die Untersuchung, a ie die Reize auf

' H e I m h o 1 t z, Handbuch der physiologischen Optik und die Lehre von den Tonempfindungen. Skand. Arch. XXXVIII. 13

194 YRJO RENQVIST.

die peripheren Endigungen des Sinnesorgans einwirken und wie nioglicherweise verschiederartige Reize verschiedenen Empfindungen entsprechen. Dies ist der eigentliche physiologische Teil der 'Unter- suchung. I n der rorliegenden Studie gehort, hierhqr das, was als Hypothese uber den Adsorptionscharakter der dem Geschmacksorgan adaquaten Reize und die im Geschmackssystem auftretenden elek- trischen Potentiale sowie iiber die Qualitaten der Geschniacksemp- findung auseinandergesetzt worden ist. Fast alles oben Darge- stellte fugt sich also zunachst dem physiologischen Teil der Unter- suchung ein.

An dritter Stelle kann noch untersucht werden, wie sich aus den Empfindungen U'ahrnehmungen ausserer Objekte gestalten. Dies ist der psychologische Teil der Untersuchung, bei dem auch asthetische Rucksichten eine Rolle spielen konnen.

52. Die alteren Physiologen haben im allgemeinen mit den Geschmacksempfindungen mehrere ganz andere Empfindungen ver- mischt, die mit den ersteren nur das gemeinschaftlich haben, dass auch sie in der Mundhohle lokalisiert werden, So rechnete L i n n 6 zu den Geschmacksenipfindungen die Empfindung des Feuchten, Trocknen, Fettigen, Adstringierenden, Scharfen und Schleiniigen. Spater wurde fiir diese Enipfinclungen nachgewiesen, dass sie nichts niit dem Geschmack direkt zu tun haben. F i c k durfte der erste sein, der die heute allgemein anerkannten Qualitaten: Suss, Salzig, Bitter, Sauer aufstellte. K i e s o w steht ebenfalls auf diesem Stand- punkt.

In einer vor zwei Jahren veroffentlichten Darstellung bringt H e n n i n g * neue Gesichtspunkte iiber die Beziehungen der Quali- taten des Geschmacks vor, die ausserordentlich aufklarend sind. Nach ihm ist es nicht moglich in der Geschmacksempfindung vier schroff voneinander abweichende Qualitaten zu unterscheiden, die keine Ubergangsgeschniacke zwischen sich hatten. Es gebe keine vier isolierten Geschniacksqualitaten, sondern zwischen je zwei ver- schiedenen Qualitaten lagen zahlreichc Geschrnacksempfindungen, die in ihren Qualitaten sowohl an die eine als an die andere erinnerten. So seien beispielsweise zwischen dem reinen Sussen und dem reinen Salzigen mehrere Qualitaten vorhanden, die sowohl dem Sussen als dem Salzigen zuneigten. Zwischen Suss untl Salzig gebe es also eine

~~

H. H e n n i n g, Die Qualitiitenreihe des Geschmacks. Zeitschr. f. Psgchol. u. Physiol. d. Sinnesorgane, 74, S. 203; 1916.

OBER DEN GESCHMACK. 195

Reihe von Qualitaten, beginnend init einer’ solchen, die vorzugsweise an Suss erinnert, aber eine entfernte Ahnlichkeit rnit Salzig hat, und bis zii einer Qualitat, die hauptsachlich an Salzig erinnert, aber eine entfernte Ahnlichkeit mit Suss aufweist. Wir hatten also hier eine formliche Qualitatenreihe, in der jeder Empfindung nach H e n n i n g ein einheitlicher Charakter zukommt. Der Grund, weshalb dieser Umstand nicht schon fruher beachtet worden ist, ist nach H en- n i n g vor allein der, dass die Experimentatoren absichtlich bei ei- nem Geschmack mit zwei dhnlichkeitsbeziehungen die eine unberuck- sichtigt gelassen und nur das Vorhandensein der anderen betnnt haben. In Wirklichkeit aber existierten zahllose Geschmacksquali- taten, die nicht nur rein sussen, salzigen, bitteren od& sauren Cha- rakter haben, sondern ~~bergangsgeschmacke dieser Qualitaten sind.

Mustert man die oben mitgeteilten Versuchsprotokolle uber den Geschmack verschiedener Elektrolyte durch, so findet man, dass es sich tatsachlich so verhalt. Die meisten Elektrolyte haben bei den niedrigsten Konzentrationen einen sussen Geschmack, der bei mitt- lerer Konzentration in den spezifischen Geschmack der Substanz ubergeht. Der Ubergang erfolgt aber cicht jahlings, sondern suk- zessiv, ohne schroffe Grenzen. Beispielsweise sind die niedrigsten Konzentrationen von NaCl suss, die mittleren salzig, aber an der Grenze derselben zeigt die Qualitat des Geschmacks sowohl mit der ersteren als mit der letzteren Ahnlichkeit : der Geschmack ist suss-

‘salzig oder salzig-suss. Ebenso ist der Geschmack von LiCl bei der ganzen mittleren Konzentration suss-salzig. Der von KCI ist, an der Grenze der niedrigen und mittleren Konzeritration suss-bitter, an der Grenze tler mittleren und .hohen salzig-bitter. Der Geschmack yon KHSO, und ebenso der von KE’ ist bei hoheren Konzentrationen sauer-salzig, der des letzteren bei niedrigeren Konzentrationen mehr sauer-fade. Bei den Sauren und Basen ist der Geschmack in nie- drigeren Konzentrationen sauer, bzw. suss, bei hoheren erhalt er eine bittere Nuance. Indem wir die Konzentration der vorerwahnten Substanzen sukzessiv veranrlern, konnen wir eine Reihe erzielen, in der die Qualitat ganz kontinuierlich in andere ubergeht.

In den obigen Beispielen sind alle die Ubergangsgeschmacke der verschiedenen Qualitaten angefuhrt, die in unseren Versuchen vorkommen. Di6se waren also: suss-salzig niit allen Nuancen vom reinen Suss bis zuin reinen Salzig, suss-bitter, salzig-sauer, salzig- bitter und sauer-bitter. Alle diese Ubergangsgeschmacke sind von einer einzelnen schnieckbaren Substanz verursacht, und sie sind, wie

196 YRJO RENQV~ST:

H e n n i n g hervorliebt, einfachs Qualitaten init zweiseitiger Ahnlich- keit, wie iin Bereich der Farbenempfindungen z. B. Orange zwei- seitige Ahnlichkeit hat, namlich mit Rot und Gelb.

Unter den ohigen Qualitaten felilt nnr eine mogliche Koinbi- nation init zweiseitiger Ahnlichkeit, namlicli siiss-sauer. Diesen Geschmack besitzt keine von diesen Substanzen, aber in einem Ge- niisch von Zucker- und Saurelosung kann man diesen Geschiiiack hervorbringen, doch ist er nicht so deutlich wie die anderen Uber- gangsgeschni acke, sondern inan ist bei tliesem Geschmack im unklaren, ob man sukzessiv sauer und siiss schmeckt, oder ob man wirklich einen siiss-sauren Geschniack hat.

-Wenn wir KHSO, in holier Konzentration schniecken, ist sein Geschniack ausser sauer-salzig auch etwas bitter, ebenso 1st der Geschmack von KF an der Grenze der niittleren und hohen Konzen- tration sauer-salzig-bitter. Vergleichen wir die Geschniacke von LiCl und LiBr bei niittlerer Konzentration, so merken wir deutlich. wie cler Geschmack von LiCf rein siiss-salzig ist, walirend der von LiBr zugleicli eine etwas bittere Nuance hat, er ist suss-salzig-bitter. Im allgeineinen haben die Bromide aller Alkalikationen einen Stich ins Bittere, den man besonders gewalir wird, wenn nian ihren Ge- schmack rnit dem der entsprechenden ChIoride vergleicht. Wir haben also noch Geschmacksqualitaten init dreiseitiger Ahnlichkeit, namlich Suss-salzig-bitter und Sauer-salzig-hitter.

Wenn wir versuchen, die Geschmacksempfindungen in ein' Systeni zu ortlnen und vorlautig nur die yon ihier Qnalitat ab- hiingigen Unterschiede beriicksichtigen, konnen wir alle verschiedenen Gesclimacksqualitaten clurch eine Gerade tlarstellen. Der Nullpunkt reprasentiert liier den bittren Geschmack u n t l an beiden Seiten von ihin finden sich die iibrigen Qualitaten, indem tliejenigen Qualitaten, welche im Systeme Potentialdifferenzen niit entgegengesetzten Vor- zeichen biltleii, an der rechten bzw. linken Seite des Nullpunktes liegen, Vgl. Fig. 14, in welclier bei den verschiedenen Geschniacks- qualitaten auch eine Substanz angegeben ist, welclie den betreffenden Geschmack Iiervorbringt.

53.

KOH LiCl XaCl KCI K F KHSO, HCI I I I I I 4 I

0

z %-S S R S-F H-S H

Fig. 14.

~ B E R DEN GESCHMACK. 197

Diese Konstruktion stellt auch die Regeln der Geschmacks- kompensation dar : die Kompensation ist zwischen zwei Qualitaten, die sich an entgegengesetzten Seiten voin Nullpunkte befinden, moglich.

54. Jede Empfindung ist durcli drei Eleniente charakterisiert, und zwar sind diese bei den Geschiiiacksempfindungen 1. die Qua- litat, 2. die Intensitat und 3. die Reinheit oder Sattigung des Ge- schmackes.

Wie ich hier nachzuweisen versucht Iiabe, nimnit der bittere Geschmack in Bezug auf die anderen Geschniacksqualitaten eine Sonderstellung ein. Die Reizung, durch welche der bittere Ge- schmack ausgelost a i d , ist wahrscheinlich VOII einer anderen Art (Adsorptionsvorgang) als die Reizung, welche die anderen Qualitaten hervorrnft (auch elektr. Potentialdifferenzen). Wenn aber eine Sub- stanz eine Potentialdifferenz im Geschmackssystem verursacht, wird sie aber ausserdem auch darin adsorbiert, und auf Grund dessen sincl die reinsten, nicht bitteren Geschmacksqualittiten im Grunde nicht gxnz rein, sondern haben eine schwach bittere Nuance.

Die Sonderstellung des Bitteren komnit aucli darin zum Aus- druck, dass alle Ubergangsgeschniacke des Siissen, Salzigen, Sauern und andererseits des Bitteren, in ihrer Qualitat mehr durch die erste Komponente bestimmt sind, wahrend fur die von den ersteren untereinander gebildeten Uberganpsgeschmacke, die beiden Kompo- nenten mitsprechen. So sind z. B. alle suss-bitteren Geschmacke der Hauptsache nach susse Qualitaten, bei denen das Susse niehr oder weniger rein oder ges&ttiL;t ist. Die Obergangsge- schmaclte des Siiss-salzigen dagegen lassen sicli iiberhauyt nicht als verschiedene Reinheitsgratle der siissen Qualitat und auch nicht als solche der salzigen charakterisieren. Hieraus erklart es sich auch, (lass bei dem suss-bitteren, salzig-bitteren und sauer-bitteren Ge- scliniack, untereinauder verglichen, rorzugsmeise die durch die erst- genannte Qualitat bestiiiinite Verscliiedenheit erkannt wird, wahrend bei dein siiss-salzigen und sauer-salzigen das gemeinsame Salzige b ewer zur Walirneli m u n g gelan gt.

Wenu wir dies. beim Orrlnen der verschiedenen Geschmacks- qualitaten in ein System, berucksichtigen, konnen wir die Reihe der reinen, nicht-bitteren Gescliiiiacksqualitaten durch eine Kurve und den bitteren Geschmack durch einen innerlialb tlieser Kurve, in der- selben Ebene, belegenen Punkt darstellen. Die Kurve wurde von einer Sehne geschlossen, welche die den Siissen und' Sauern Ge-

198' Ywo RENQVIST.

schmack vertretenden Punkte verbinden wurde, denn der suss-saure Geschmack entsteht ja nu r durch Mischung von suss und sauer schmec- kenden Stoffen und muss also auf der Verbindungslinie der diese' Geschmacke vertretenden Punkte liegen. Die Radien, welche die Peri-

pherie der Kurve mit Clem Punkt ,Bitter)> verbinden, wurden die Reinheitsgrade der verschiedenen

*.-* Geschmacksqualitaten vertreten

I- - .. Das dritte Element, die In- tensitat des Geschmackes, konnte .. .H bei einer derartigen Konstruk- tion in der dritten Dimension aus- gedruckt werden.

55. Wie nach der Farbentheorie von Y o u n g und H e l m - 11 o 1 z alle Farbeneinpfindungen aus dreien Grundfarben hergeleitet werden, konnen wir bei der theoretischen Deutung der Geschmacks- empfindungen von drei Geschinacksqualitaten ausgeben.

Am naturlichsten nimint man zu Grundgeschniacke die drei typischsten Qualitaten, Suss, Salzig und Saner. Diese drei Qualitaten sind in der Qualitatenreihe des Geschmacks ausgezeichnete Punkte, die nur eine Ahnlichkeitsbeziehung besitzen.

Wenn wir uns nlher vorstellen wollen, wie wir uns den Bau des Geschmacksorgans oder seine Funktionen gemass dieser An- schaiiungsweise zu denken haben, so ist es naturlich die Sache so aufzufassen, dass im Geschmacksorgan dreierlei Endorgane oder Keizempfanger vorhanden sind, wie nach der Theorie von Y o u n g- H e 1 m h o 1 z iin Auge. Bnter diesen Endorganen erzeugt eine Rei- zung des ersten eine susse, die des zweiten eine salzige und die des dritten eine saure Geschniacksempfindung. Werden sowohl der erste als der zweite gereizt, so erhalten wir eine suss-salzige Empfindung, werden hinwieder der zweite und dritte gereizt; so erhalten wir eine sauer-salzige Empfindung. Wenn der erste und dritte gereizt werdea, erhalten wir eine suss-saure Empfindung, die doch, weniqer rleutlich als die anderen Geschmackseinpfindungen mit zweiseitiger Ahnlichkeit ist l.

-. *.., _** (Fig. 15). .So<,\

2-H Fig. 15.

' Der eine Sonderstellung einnehmende bittere Ueschniack kann selbst- verstiindlich von einem besonderen Reizempfanger oder Endorgan hergeleitet werden. Es las t sich indessen auch denken, dass er dadurch entsteht, dasa die Endorgane der anderen Qualitiiten, durch die Substanzen mit bitterem Geschmack gleich stark oder g l i c h wenig gereizt werden.

OBER DEN GESCHMACK. ' 199

Wenden wir das Obige auf die Geschmackstafel an, so muss ein Dreieck, welches von den die Punkte fur die Grundgeschmacke verbindenden Geraden gebildet wird, alle uberhaupt nioglichen schmacksqualitaten einschliessen. Wir erhalten also folgencles (Fig. 16).

Die von der Kurve ZSH begranzte Flache, die alle von

Ge- Bild

rea- len Substanzen ergebenen Ge- schlnacke enthalt, muss folg- lich ganz in unser Dreieck fallen, welches sonach Z'S'H' sein wurde. Danach fanden wir also, dass die Sabstanzen, deren Geschmack am reinsten salzig ist, auch in sehr hohem Grade die Endorgane fur Suss und Sauer (auch die von Bitter) reizen wurden, d. h. der sal- zige Geschmack salziger Sub- stanzen ist nicht gesattigt, denn in der Figur liegt ja der

S'

A Fig. 16.

das Salzige vertretende Punkt S sehr ' weit nach innen von den1 den gesattigten salzigen Geschmack be-

zeichnenden Punkt S'. Diese Konstruktion entspricht den wirk- lichen Verhaltnissen, wie wir gleich darzulegen versuchen werden. Auch das vollstantlig gesattigte Sauer und Suss liegen in der Figur ausserhalb von den Punkten, welche die durch saure und susse Sub- stanzen hervorgernfenen Empfindungen vertreten.

56. Wach unserer Anschauung uber die Reizungen des Ge- schmacksorgans, entstanden der susse, salzige und saure Geschmack aus in dem Geschinackssystem sich bildenden elektrischen Potentialen, wahrend der bittere Geschmack erhalten wurde, wenn kein Potential vorhanden war uncl nur eine Adsorption stattfand. Da jeder Stoff, mag er nun ein elektrisches Potential erzeugen oder nicht, in jedeni Fall in dem, Geschmacksorgan adsorbiert wird, ist es demgemass naturlich, dass von jederlei Substanzen hervorgerufene Geschmacks- empfindungen auch Bitter enthalten, sie sind nicht vollstandig ge- slttigt. Dies waren sie. nur in dem Fall, dass wir die Adsorption und auch moglicherweise die Reizung, die in den die anderen Grund- geschmacke vertretenden Endorganen vorhal;lden ist, elimieren k6nnten.

Wenn wir zuerst eiiie intensiv bittere, oder eine saure, oder salzig-saure Substanz schmecken und dann eine susse in den Mund

200 YRJO RENQVIST.

nehrnen, ist der Geschmack ausserordentlich siiss, viel siisser als bei nnmittelbarem Sclimecken einer siisseii Substanz. Ebenso konnen wir die saure und salzige Geschmackseinpfindung viel deutlicher untl reiner zustande bringen; sie sind bei diesem Verfahren viel gesiit- tigter. als wenn sie direkt durch saure und salzige Substanzen er- zeugt sintl. Diew Erscheinung erklart sich ganz natiirlich daraus. tlass clas ( ;eschiiiacksorgan gegen die vorhergegangenen Reize ab- gestumpft ist, sodass, wenn eine spater geschmeckte Substanz andere, iiicht die ermiideten Endorgane reizt, die von ihr hervorgernfene Empfindung reiner hervortritt; die Geschniacksempfindung ist ge- sattigter. Diese Erscheinungeii zeigen, dass es reinere Geschrnacks- empfindungen giebt als die. welche bei Einwirkung von Substanzen aiif ein unermiidetes Geschmacksorgan entstehen, und dass wir die gesattigsten Geschmacke erzielen, indeni wir die Endorgane der an- deren Grundgeschmacke unseres Geschmacksorgans erniiiden. Dieses Phanonien erinnert sehr an die Nachbilder farbiger Objekte in1 Gebiet der Gesichtsempfindungen. Wir haben also hier zunachst eine suk- zessive Kontrasterscheinung.

Die Kontraste der Geschniacksempfindungen hat K i e s o w * studiert, dessen ausgezeichnete Versuche in dieser Hinsicht sehr be- leuchtend sind. Nach ihni konnen Siiss und Salzig somie Sauer und Salzig, sowohl bei sukzessiver als bei siinultaner Reizung verschie- dener Teile der Zunge kontrastieren. Sauer und Siiss kontrastieren nur bei sukzessiver, nicht bei siiiiultaner Reizung. Der bittere Geschmack kontrastiert ini allgenieinen nicht init den iibrigen Qualitaten, in einigen Versuchen tritt jedoch ein Kontrast anf. K i e s o w s Ergebnisse stiminen gut zu unserer Anschauungsweise, dass die siisse, salzige und saure Geschmacksqualitat durch spezielle Endorgane vermittelt werden. Da Bitter im allgemeinen nicht kon- trastiere, weisen sie darauf hin, dass die hitteren Substanzen die Endorgane sowohl des Sussen und Salzigen als des Sauern gleich stark oder gleich wenig reizen, aber ihr bisweilen auftretendes Kon- trastvermogen zeigt, dass wir durch die Adsorption einer bitteren Geschniackssubstanz die Reizenipfanger des bitteren Geschmacks ermiiden unt l dadurch die Sattigung der iibrigen Geschmacke erhohen konnen.

Es gibt also gesattigtere Geschmacltsempfindungen als die, wel- che bei der Einwirkung {on Substanzen auf das unermiidete Ge-

K i e s o w, Wundts Philos. Studien, 10, S. 523; 1894.

UBER DEN GESCHMACK. 20 1

schinacksorgan entstehen. und unsere Konstruktion in Fig.: 16 ist also demnach begriindet. Auf diese Weise sind in der Tat die aus- gezeichneten Punkte der Qualitatenreihe des Geschmacks auch in der Geschmackstafel ausgezeichnet.

Die Versuche 0 h r w a1 1 s 1 mit lokaler Reizong der Pa- pillen der Zungenspitze machen es sehr wahrscheinlich, dass jeder einzelne Grundgeschmack von besonderen Geschniackskorperchen verinittelt wird, sodass wir gewissermassen eine clirekte experimen- telle Stiitze fur die oben entwickelte Auffassung iiber den Rau und die Art der Reizung dieses Apparates erhalten.

Die in diesem Kapitel vorgelegte Anschauung ist in manchen Hinsichten sehr mangelhaft und unvollstandig, aber ich glaube, dass man vor allem durch das Studium der Geschmacksmischungen und der im Gebiet der Geschmacksempfindungen auftretenden Kon- trasterscheinungen sowie eventueller Anomalien des Geschmackssinns eine vollstandigere Vorstellung von den in diesem Gebiet herrschen- den Verhaltnissen gewinnen konnte.

57.

1 d h r w a 11. Skand. Arch. f. Physiol 2, S. 1; 1891.