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255 fSber die Beziehung des Lichosans Zuni Lichenin ; Ton Bans Pringsheim und Oskari Routala. Mit 1 Figur im Text. [Aue dem Chemischen Inetitut der Universitiit Berlin.] (Eingelaufen am 22. September 1926.) Vor einem Jahrel) wurde gezeigt, daO das Lichenin dnrch Erhitzen in Glyzerin zu seinem Elementarkorper, dem Lichosan, desassoziiert werden kann, der die Fahigkeit be- sitzt, sich in wahiger Losnng allmahlich wieder in das Lichenin znriickznverwandeln. Diese Entdeckung wurde unter anderem dam benutztZ), um die von Bergmann3) entwickelte Hypothese vom Ban hochmolekularer Kijrper zu bekampfen, hanptsachlich da, wo sie anf der Anvicht von der Nichtbestandigkeit der Elementarkorper nnd ihrer mangelnden Existenzmoglichkeit in Form selbstandiger Mole- kiile fn5t. Trotzdem Bergmann4) unsere Versnche, in den Hanptpnnkten anerkennt nnd bestatigt, ,,da5 das rohe Licho- san znm groSten Teil aus einem Hexoseanhydrid besteht", glanbt er sie doch in einigen Teilen widerlegen zu konnen, die ihn nicht nur veranlassen seine Theorie auch fur den gegebenen Spezialfall zu verteidigen, sondern anch unserem Lichosan einen nenen Namen zn geben. 1. Die Uarstellnng Bergniann's kijnnte den Eindruck erwecken, als ob unsere Molekulargewichtsbestimmungen mit einem Lichosan ansgefuhrt worden sind, welches so un- geniigend getrocknet war, wie sein auf S. 83 beschriebenes Praparat, das nach dem Trocknen iiber Chlorcalcinm im Exsiccator bei 0,5 mm und 78O iiber Phosphorpentoxyd noch fast 4 Proc. verlor. Davon kann natiirlich gar keine Rede I) H. Pringsheim, W. Knoll u. E. Kasten, B.68, 2316 (1925). 3, N.Bergmenn u. E.Rnehe, A. 445, 1 (1923). 3 M. Bergmann u. E. Knehe, A. 445, 76 (1926). H. Pringsheim, Naturw. 13, 1084 (1925).

Über die Beziehung des Lichosans zum Lichenin

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fSber die Beziehung des Lichosans Zuni Lichenin ; Ton Bans Pringsheim und Oskari Routala.

Mit 1 Figur im Text.

[Aue dem Chemischen Inetitut der Universitiit Berlin.]

(Eingelaufen am 22. September 1926.)

Vor einem Jahrel) wurde gezeigt, daO das Lichenin dnrch Erhitzen in Glyzerin zu seinem Elementarkorper, dem Lichosan, desassoziiert werden kann, der die Fahigkeit be- sitzt, sich in wahiger Losnng allmahlich wieder in das Lichenin znriickznverwandeln. Diese Entdeckung wurde unter anderem d a m benutztZ), um die von Bergmann3) entwickelte Hypothese vom Ban hochmolekularer Kijrper zu bekampfen, hanptsachlich da, wo sie anf der Anvicht von der Nichtbestandigkeit der Elementarkorper nnd ihrer mangelnden Existenzmoglichkeit in Form selbstandiger Mole- kiile fn5t. Trotzdem Bergmann4) unsere Versnche, in den Hanptpnnkten anerkennt nnd bestatigt, ,,da5 das rohe Licho- san znm groSten Teil aus einem Hexoseanhydrid besteht", glanbt er sie doch in einigen Teilen widerlegen zu konnen, die ihn nicht nur veranlassen seine Theorie auch fur den gegebenen Spezialfall zu verteidigen, sondern anch unserem Lichosan einen nenen Namen zn geben.

1. Die Uarstellnng Bergniann ' s kijnnte den Eindruck

erwecken, als ob unsere Molekulargewichtsbestimmungen mit einem Lichosan ansgefuhrt worden sind, welches so un- geniigend getrocknet war, wie sein auf S. 83 beschriebenes Praparat, das nach dem Trocknen iiber Chlorcalcinm im Exsiccator bei 0,5 mm und 78O iiber Phosphorpentoxyd noch fast 4 Proc. verlor. Davon kann natiirlich gar keine Rede

I) H. P r i n g s h e i m , W. K n o l l u. E. K a s t e n , B.68, 2316 (1925).

3, N.Bergmenn u. E . R n e h e , A. 445, 1 (1923). 3 M. Bergmann u. E. Knehe, A. 445, 76 (1926).

H. Pringsheim, Naturw. 13, 1084 (1925).

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256 P r i n g s h e i m wid Routa la ,

suin: schon unsere Snalysenwerte zeigen, da13 ein soldier lrrtum nicht vorlag.

Die Leichtigkeit der Trocknung des Lichosaiis hlngt sehr yon der Art seiner Darstellung ab. Wird es nach d e n Ausfgllen au8 dein Glycerin mit Alkohol mehrfach in kaltem Wssser gelost, die Losung rnit Tierkohle gekliirt und dam Priiparat daraus mit Alkohol gefiallt, so gewinnt man etatt eincs giauen Pulwers, wie es B e r g m a n n be- schreibt (S. 83) ein weiBes Pulver, welches geniigend von Zersetzungs- produkten des Lichenins befreit ist, aus der Luft nicht mehr rsvch Wasser anzieht und sich vie1 beseer trockiien last. Die Fiihigkeit, die letzten Wasserspuren schnell abxugeben, wird nun durch Einlegen in Alkohol und melirfaches Erneuern dieses sehr gefdrdert. Diese Einzel- hciten, die in nuseren Polysaccharidurbeiten zur Figliehen Gewohnheit geworden sind, wurden in unserer ersten Mitteilung iiber dae Lichosan nicht so genau wiedergegeben. Aua den neuen experimentellen Dateii liann ersehen werden, bia zu welchem Grade sich das Lichosan fiber Clilorcalcium und zwar im Vakuumexsiccator nach der Entwiisseruiig mit Alkohol trocknen la&. Auf die geschilderte Weise, durch mehr- faclies Losen in kaltern W:tsser, Entfernen der Verunreinigiingen rnit Tierkohle und Fallen rnit Alkohol erzielten wir die Reinigung unseren Rohlichosans, die B e r g m a t i n auf dem Ummege uber das Acetat crreicht hat; es licgt gar keiu AdaE vor, unser Priiparat fur unreincr nls das seine zu halteu.

Das Lichosan verliert, wie so viele andere K i j r p r seiner Gattung, seine Wasserloslichkeit, wenii es in wasserfeiicliteiii Zustand abgesaugt wird nnd dabei verhornt.

B e r g m a n n bezeichnet die von uns gefundenen anf eiii Glucoseanhydrid stimmenden kryoskopischen Molekular- gewichte als ,,Zufallswerte". V-enn hiermit gemeint ist, daO nicht in allen Fallen beim Gefrierpunkt des Wassers der- artige Zahlen erhalten werden konnen, so konnen wir ihm darin i i w beistimmen; schon die von uns aufgedeckte Fiihig- keit der Reassoziation des Licliosans zum Liclienin beini Stehen in Wssser setzt das ja V O ~ R U S . Die Moglichkeit, daS kleine Syuren von Verunreinigungen, sei es in Gestalt von Alkohol oder auch von Salzen, die an sich kanni w9g- barer Natur sind und aus sich heraus keine ins Gewicht fallende Depression geben, die Uispergiernng des Lichosans bis zum Zustande hhchstmbglicher Aufteilung veranlassen konnen, geben wir zu. Dadurch wird aber die SchluB- folgernng, dad das freie Lichosan ein Glucoseanhydrid ist,

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Uber die &ziehuiiy des Lichosans 'urn Lichenin. 257

nicht beeiiitraclitigt. I n unseren neuen und eingehenden Versuchen uber diesen Punkt fanden wir dnrch Kryoskopie nach genauer Kontrolle der Trocknung Zahlen, die besser auf ein sechs bis siebenfaclies , j a riocli hohermolekulares als auf ein drei bis vierfaches Glucoseanhydrid stimmten. Nach dem Xrhitzen der Losung wird keine groliere Auf- teilung, sondern im Gegenteil der kolloidale Losnngszustand beobachtet.

Von diesen Znfalligkeiten kann man sich befreien, wenn man, in derselben Weise wie wir das beim Cellosan') an- gegeben haben, die Viscositatsknrve von Lichosan in Wasser bei verschiedenen Temperaturen aufnimmt and daraufhin bei der Temperatur der geringsten TeilchengroOe, also bei 70°, die Molekulargewichtsbestimmung nach B a r g e r - R a s t aus- fiihrt. Uann gewinut man einwandfrei den Beweis fur die Hexoseaahydridnatur des Lichosans.

Bei dieser Oelegenheit sei auf dic Alinlichkeit der Vis- cositgtskurven von Lichosan und Cellosan hingewiesen; der Unterschied besteht darin, dad Cellosan bei 70-80' ein ausgesprochenes Ilinimum, das Lichosan aber zwischeri 70 bis 100' eiiie ziemlich gleichmaljige Ninimalzone mi t un- deutlichem Wiederanstieg vor 100' zeigt. Im Gegensatx d a m zeigen Licheninlosungen zwischen 40° und 100" einen regelmafligen Abfall der relativen Viscositat.

Um die Beweiskraft unserer Versuche zu steigern, haben wir nun das Lichosan noch auf einem anderen Wege ge- woniien: wir gingen vom Licheninacetat am, desassoziierten dieses durch Erhitzen in Naphtalin anf 220' analog unseren Versuchen an Acetylcellulose ') nnd gewannen ans den1 so erhaltenen Lichosanacetat durch Verseifung das Lichosan, Die Kryoskopie des anf diesem U-ege erlialtenen Lichosan- acetats in Phenol bestatigte unsere friiheren Werte; auch hier worde offenbar infolge einer gewissen Neigung zur Assoziation in Phenol ein etwas zn hoher Wert gefunden. Das auf dem Umwege iiber das Acetat gewonnene Lichosan ermies sich mit dem direkt erhaltenen sowohl bezuglich

I) h. 448, 163, (1926).

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258 Pr i n g s he irn wid Ro ii t a 1 a ,

seiner Drehwerte in Wnsser, Natronlange nnd Pyridin, wie aiicli in bezug anf seine Molgrotle bei 70° identisch. M-ir sehen in dieser Ubereinstimmung einen Beweie dafiir, daB bei der Darstcllung des Lichosans dnrch Hitzedesassoziation keine Umlagerung vor sich geht, und kiinnen diesen SchluD auch auf die Darstellung des Cellosans aus der Cellulose iiber tragen.

Da sich Lichenin i u Pyridin nicht lost uiid darin dem- zufolge auch nicht acetylierbar ist, gewannen wir das Licheninacetat nach der Vorschrift von H e s s l) durch Kr- hitzen mit E~ssigsBureanhydrid, dem tropfenweise konzen- trierte Schwefelsaure beigemengt war. Wir gewaiinen so ein Licheninacetat mit der spezifischen Drehung von etwa - 20° in Chloroform, ganz den Erfahrungen von B e r g - uiann entsprechend; aber ini Gegensatz zu den neuen An- gaben von IIess ') (S. 107), der bis zu - 35O gekommen ist. Unsere friihere -4ngabe uber die Drehung des durch Scetylieren mit Chlorzink in sehr geringer Xusbeute er- haltenen Acetats von [CC),, = - 32 war mit grobein Vorbehalt versehen worden. L)a H e s s (S. 119) sein hochdrehendes Lieheninacetat als den Hauptteil dcs Rohacetates bezeichnet, der d a r m in einer Ansbeute von 75 Proc. gewoniien werden kann, glauben wir niclit, daS eine derartige Aufteilung wie in seiiiem Falle durch Fraktionierung nnseres Praparates rnoglich ist. Uieser Punkt ist aber fiir unsere SchluBfolgc- rungen auch nebensachlich.

Wir sehen in den von Hess2 ) durch Kryoskopie in Xis- cssig ausgefiuhrten Molekulargewichtsbestimmungen des Licheninacetates eine Bestatigung iinserer Beweise fiir den Jlolekularumfang des Licheninaufbauelementes als eines Glucoseanhydrids. UaB der Befund von H e s s , iiber nnsere Versuehe,, hinausgehend" (S. 107) zeigt, dab es eines Erhitzens

I) K. H e s s und G. S c h u l t z e , A. M S , 99 (1926). Das Bedenkeu von H e s s , das in dein Hinwcis suf die bei 210° beginnende Urnwandlung der Cellulose in Liivoglucosan zum Ausdruck kommt, ksnn mit Riick- sicht anf die gro6e Alkoholloslichkeit diems Glucoseanhydrids zerstreot werden.

2, K. Hese und G. S c h u l t z e , A. 448, 99 (1926).

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Oher die Beziehung des Lichosans zum Lichenin. 259

durchaus nicht bedarf, um dtls unlosliehe Polysaccharid zii einem molekularen Zerfall anzuregen, konnen wir in keiner Weise zngeben. Denn bei der Verseifung liefert natiirlich das Licheninacetat keinen in Wasser molekulardispersen Korper und noch vie1 weniger kann Herr H e s s durch Ver- seifen von Scetylcellnlose eine wasserlosliche Cellulose ge- winnen. Dss gelingt erst nach Inbetriebsetznng der ,,be- sonderen chemischen Dinge" mr Aufhebung der Gitterkrlifte, dereu Bedeutung H e s s wegzuleugnen versucht.

Die Sachlage beziiglich des Lichosans ist also im jetzigen Augenblick die folgende: Unrch Kryoskopie erhalt man nur dann auf ein monomolekulares Glucoseanhydrid stimmcnde Werte, wenn die Uispergierung des Lichosans in Wasser durch dieBeimengung vonFremdkorpern veranlaBt wird. Im anderen I'alle werden, j e nach den1 Grade der Reassoziation min- destens 3 bis 7 fache Molargroben beobachtet; manchmal erfolgt aas nicht erkennbaren Griinden, vielleicht infolge von besonders groDem Beinheitsgrade, sofort, manchmal erst beim Erhitzen der Losung oder bei Zimmertemperatur in mehreren Tagen Verschwinden einer ablesbaren Depression, il. h. Ruckkehr zum kolloidalen Zustande. E e r g m a n n (S. 87) bestatigte das letztere nach achttagiger Reversion.

Dagegen 1iiBt sich die Hexoseanhydridnatur des Licho- sans, gleichgiiltig, ob es direkt oder uber das desassoziierte Acetat gewonnen wurde, nach der Barge r -Ras t schen Xethode bei 70° erweisen. Irgendeiu Beweis, daD unser Lichosan mi t dem B e r g m a nn when Korper nicht identisch war, wurde von ilim nicht erbracht. R e r g m a n n leugnet die Individualitat unseres Lichosans: da er aber die seines eigenen Priiparates mit den Worten ,,Zum Beispiel liegt keine Beobachtung vor, welche ganz sicher beweisen konnte, da6 unser Hexosan wirklich nur aus einer Art Hexoseanhydrid aufgebaut ist" (S. 87) selbst in Zweifel stellt, so liegt keinerlei Gruud fur eine neue Benennung unseres Lichosans als Lichohexosan vor. Wir schlagen vor, diesen nnniitzen Namen, der nur Verwirrnng anzurichten geeignet ist, wieder aus der Literatur zu stroichen. Uer Wunsch, neue Vorschlage zu machen, veranlalt B e r g m a n n die Umbenennnng der

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260 Yr ingshe in i und R o u t e l u ,

,,ui~:htzticker~hnlichen Polysaccharide" in ,,koniplexe Kohle- hydrate" anzuregen, dies in Krwiderung auf meiiie -4b- handlung, die den Titel f'iihrt: ,,Uber die Chemie komplexer S a turs toffe". l)

11. Die Grundidee der von uns seit 13 Jahreu verfochtenen

,,Polymerisationstheorie" fur den Aufbau hochmolekularer Polysaccharide war die Vorstellung von der mosaikartigen -4 neinanderreihung von Bauelementen engbegrenzter Strnktur- Inolekeln, die trotz derverfehmnng dnrch Bergman i l doc11 in seine Vorstellnngen iibergegangen ist. Wir nehmen an, da8 diese Strukturmolekel in dem Sinne die Molekulargrii8e des Polysaccharids darstellt, daD die Atome in ihr durch Hauptvalenzen verbunden sind, wlhrend die Assoziation Zuni ltolloidalen Zustand, sei es in Lijsung oder in fester Form Jurch ,,Moleknlarvalenzen" erfolgt, die an der Strnktur der Xlementarkorper nichts antlern. In1 Gegensatz d a m nimmt B e r g m a n n die mangelnde Existenzmoglichkeit dieser Grundelemente als selbstandige Molekule an, j a e r leugnet - und das konimt erst neuerdings mit geniigender Uentlichkeit xum Ausilruck - die von uns gewollte Unterscheidung xwischen Haupt- und Molekularvalenzen und steht anf dem Standpnnkt, da13 der ubermolekulare dffinitPtsausgleicli iminer mit Struktnrveranderung verbunden sein musse. In Jeni hochmolekularen Zustande gabe es demnach nnr eine Hindnngsform, die zwar wieder die mosaikartige Wieder- kehr gleichangeordneter Atome gestattet: diese seien aber init ihren Schwesterpaaren durcli dieselben Valenzkrafte wie nnter sich vereinigt, so daS beim Abbau Bruchstucke ver- schiedener Art und GroSe je nach der Form des Eingriffs aus dem Gesanitverbande herausgeschlagen werden kbr~nen.~)

') II. Pringsheirn, Saturw. 13, 1084 (1925). %) Beziiglich der Benennung vgl. A. 448, 163 und zwar 170 (1926). 3, Deutlich kommt das z. B. zum Ausdruck in der Abhandlung

von M. Bergmann und E n s s l i n A. 418, 38 und zwar 40 (1926). Auf allc die Stiirkechemie betreffenden Ausstellungen I3 e rg in an n s h d x n wir an snderer Stelle erwidert. Vgl. H. Prirlgshciln u. J. L e i - l o w i t z , B. 59, 2058 (1926).

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Uher die Beziehung des Lichosans zum Lielieitin. 26 I

Bergmann ' ) will nicht mit den Remuhungen identifiziert werden, hochmolekulare organische Stoffe zu gleichzusammen- gesetzten molekular dispergierenden ,,Elementarkorpern" zu depolymerisieren und beiden die gleiche Struktur xu- zuschreiben. lm besonderen will er sich der Behauptuug uicht anschlie0en, daO Lichenin und Lichosan gleiche Struktur haben. Uber1iaul)t scheint ihm verfehlt, fiir zwei so ver- schiedene Stoffe wie Lichenin und Lichosan identische Struktur zu behaupten.

,,Dm gmze Bestreben , fur hochmolekulare Kohlenhydrate oder Proteine niedrigmolrkulare , selbatiindige ,,Elementarkiirper" von iden- tischer Struktur zu suchen, krznkt an einem inneren Widerspruch. Sofcrn wir en einer strukturchemivchen Erfassung Itolloidchemischer Vorgiingc gelangen wollen - und dnv ist die Sufgnbe der niichsten Zukunft --- miissen wir an dein bewiihrten Grundsatx der Strukturchemie. festhalten, daB jede h d e r u n g chemischcr wie pliysikalischer Eigeu- schaften niit einer h d e r u n g der Atomsnordnung, der Bindungsver- li$ltniese bzw. des Molekulawmfanges, also mit einer Anderung der Struktur verbunden sei."

Xs war notig, auf die Bergmannsche Anschauung hier einzugehen, weil sie den Gegenpol zu nnserer Anffassung darstellt, zwischen die sich alle anderen die heutigen Vor- stellungen iiber den hochmolekularen Zustand beherrschenden Ansichten einschieben, sofern man nicht bei der alten Anf- fassung der ,,grol3en Nolekule" als weitverxweigte und nn- symmetrisch angeordncte Strukturmolekeln bleiben will.

Mins bleibt uns in den Bergmannsclien I)srlegung.cn vollig unverstandlich, wie er nilmlicb seine Definition mit der von ihm vorgetragenen huffassung des ,,Lichohexosans" als eines assoziierten Bemsans vcreinbaren will. Die ver- schiedenen Eigenschaften dieser Substanz, niaugelndes Ite- duktionsvermogen, Indifferenz gegen Plienylhydrazin usw. charakterisieren es als cin nichtreduzierendes Polysaccharid. ,,Erst die Feststelliuig, da8 Lichohexosan unter schonendsten Bedingungen in ein vollig dispergierendes Triacetat C,H,O,(OAc), iibergeht, und vor allem die Tatsache, dal\ dieser Ubergang reversibel ist, konnen die Uberzeugung

l) A. 418, 76 uud ewar 82, 83 (1926).

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262 Pringsheim und Routa la ,

rechtfertigen, da8 ein Hexosederivat ohne echte Saccharid- bildung vorliegt (5. 79." Ferner gibt er zu, daS das Licho- hexosan aus Bausteinen vom Umfang eines Hexoseanhydrids zusammengesetzt ist (S. 82). Wie diese sich zu dem asso- ziierten Hexosan nnter gleichzeitiger straktureller Andernng, aber ohne Saccharidbildnng zu einem aus z.B. vier Glucose- anhydriden zusammengeschlossenen ,,Elementark6rper", hier irn krystallographischen Sinne gemeint,') mit gleichartigen Valenzen vereinigen konnen, ist uns nicht verstandlich. J3ergmann erklart das neue Hexosan als das erste Bei- spiel eines Kohlenhydrats, das leicht in Wasser loslich, von diesem dennoch nicht bis zu den letzten molelcularen Ein- heiten aufgeteilt wird, Eigenschaftcn, die man anch an anderen Polysacchariden z. B. dem Glykogen und der Stiirkeamylose verkorpert findet.

Fur die Gleichheit der Strnktur des Lichenins untl Lichosans haben wir ihr gleiches optisches Verlialten als Hewcis herangezogen, gestiitzt auf die gerade in der Zucker- gruppe bis znr Miiglichkeit mathematischer Vorausberech- nung ansdehnbare Beziehung der Drehwertc zur Konst,itution nnd Konfignration. Wir glauben ganz im Gegensatz zu H c r g m a n n , daG diese Regeln auch beim Vergleich zweier Stotfe von viillig verschiedenem Dispergiernngszustand ver- wendbar sind, wir haben diese Annahme nenerdings dnrch das Beispiel der Cellulose gestiitzt und trachten danach, diese wichtige Erkenntnis, nuf Grnnd deren wir eine Defi- nition von Haupt- und Nolekularvalenzen vorschlagen konn- ten, durch neue Belege zu erharten.

An dieser Stelle kommen wir zu der wichtigsten Ver- schiedenheit der B e r g m a n n schen Auffassung von der unseren: er setzt voraus, dafl jede h d e r u n g chemischer oder physiltalischer F:igenschaften mit einer h d e r u n g der __--- -

l) Den Vorwuif der Verwechslung des klar definierten Elementnr- korperbegriffes der Krystallographie mit unserm ,,Grund- oder Elementnr- korper" kann ich nicht ancrkennen. Ich weiB sehr wohl, daB mit einem krystallographischen ElementkSrper , der bei der Tetraamylose m s 12 Glucoseresten, und bei der Diamylose gar aus 22 bestehen soll, vgl. Ott , Phys. Zs. 27, 174 (1926), chemisch nicht vie1 anzufangen ist. Pr.

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t%er die Beziehung der Lichosuns zum Jichemn. 283

Atomanordnung, der BindnngsverhLltnisse bzw. des.Molekular- umfanges, also mit einer Anderung der Struktur verbunden sei. In kolloidchemischen Geschehen, also bei jeder An- derung der TeilchengroBe, bei der Alterung, der Hydrati- sierung , der Gelbildung trete demnach strukturchemische Verschiebung ein, auch dam, wenn diese Zustande rever- sibler Natur sind. Wieviel verschiedene Strnkturformen werden also vom gclatinierenden Lichenin bis zum Lichosan von M = 162 passiert? Diese Anschauung krankt nach nnserer Meinung an einem inneren Widerspruch.

Die Beobachtung, daS bei der Starkel) im Gegensatz zum Lichenin und zur Cellulose keine reversiblen nnd in den Drehwerten nit. den StLkebestand teilen iibereinstimmen- den Ellementarkorper zu gewinnen sind, sondern Umlagerungs- produkte, hat uns zu der Anschanung vom labilen Elemen- tarkiirper gefihrt, der auf dem Wege der Resynthese unter anderem mch zu groSeren molekularen Einheiten als dem ursprunglichen Elementarkfirper eigen sind , fiihren kann. Den Vorwnrf, daI3 wir nns damit dem Bergmannscheri Standpunkt nahern, wollen wir auf uns nehmen, da wir in der Annaherung aweier Standpunkte, die j a das schlieSliclie Ziel des Fortschrittes sein mu8, keinen Mange1 erblicken. Die Labilitat des Elementarkorpers, welche wir zur Er- klarung der von B e r g m a n n gemachten interessanten Be- obachtnngen in der Proteinchemie heranziehen, lndert aber nicht die Grnndprinzipien unserer urpriinglichen Snffassnng. Anch der labile Elementsrkorper ist selbstiindig existenz- fiihig, labil ist e r nur insofern., als er bei gemissen Ein- griffen z. B. beim fermentativen Abbau der Starke, Bruch- stiicke labiler Katnr liefert, die zu verschiedenen Umltlge- rungen und Resynthesen Veranlassnng geben konnen. Die LabilitLt haftet also nicht der Strukturmolekel des Bau- elementes eines hocbmolekularen E r p e r s an, wie sie B e r g - man n fur die Existenznnfhhigkeit voraussetzen muD, sondern nur gewissen Spaltstiicken , die ans dem desassoziierten Elementarkbrper (im chemischen Sinne) heransgeschlagen

I) H . P r i n g s h e i m , B. 67, 1581 (1924).

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264 Pringslreim und Roillala,

werden. Natiirlich kann von eineni Klementarkorper nicht gefordert werden, daS er uuter dem EinflulS irgendwelcher Reagenzien eine bestimmte Umlagernng erleidet , (la6 z. R. das Lichosan beim Acetylieren rnit Pyridin und Essigshre- anhydrid allen Erfahrnngen zum Trotz eine .4cet,olyse er- leidet i i nd Cellobiosc gibt.

Beschreibung der Versuche.

L i c h o s a. n an s L i c lie n i n (G1 y c e r i nab b a u). Dns Lichenin wurde in 2 g-Portionen nach P r i n g e h e i m , K n o l l

und K a s t e n abgebnnt. ~)lhadtemperatur 235-245O. Im Gegensatz zu den Abbauversnchen an Triacetylccllulose in Naphtalin WILT innerhalb der augegcbenen Temperaturgreuzen eine deutliche Beziehung zwischen dem Erhitzungsgrad einerseits und dcr Natnr des Abbanprodukts - iuabesondere der Ausbeute an Lichosan und seinem Moleknlargewieht - andererseite nicht nachweislich. In einem Falle ergab der Abbau nur eine geringe Mcnge eines kohligen Riickstandes, obwohl die Temperatur nicht iiher 235" gesteigert worden war; gunstigstenfalls erhielten wir bis zu 30"/,, rcines Liehoaan, ohne da6 selbst bei 240-245O Verkohlung eintrat.

Beirn Eingieern der erkalteten tief dunkel gefirbten Glycerinlijsung in Alkohol scheirlet sich das rohe Reaktionsprodukt als graue schwam- inige Masse ab, wiihrend sich der iiberstehende Alkohol braiin firbt. Der Niederschlag besteht aus cinem Gemenge von Lichosan, Lirlienin iind ungeniigend abgebautem T,icllenin ; er wurde zuniichst durch Dekan- tieren mit Alkohol gewaschen, bis der Alkohol farblos ab00S. Das so erhdtene Rohlichos:in war selbst nach vorsichtigstem Trocknen niemals vollstiindig in wenig kaltem Wasser 1Bslich. Die Anwesenheit von unangegriffenem Lichenin ist an dem Aufquellen cinzelner Partikeln beim Befeuchten der Substanz init Wasscr crkennbar. Es war not- wendig, die Substanz durch Aufschliimrnen in uxnig Wasser , Abfil- trieren vom Ungelosten und Wiedcrausfallen mit Alkohol zu fraktionieren. Schon himhei scheint eine teilweise Riickbildung von Lichenin aus Lichosan stattzufinden, da die Operation meist zmei- oder dreimsl (in einem Fullo sogar fiinfmal) wiederholt werden muBte. Wurde die wBB- rige Liisung zwischendurch mit Ticrkohle (Carboraffin) behandelt, so erhielt nian schlieRlich das Lichosan ah rein zoeiges, vollstBndig wasser- liislichee Pulver. Es wird durch mehrtiigiges Steben unter absol. Alkohol untcr iifterer Erneuerung desselben moglichst weitgehend entwiissert, hicmach nbgesaugt und mit Ather gcwaschen und kxnn nun im Exeic- c-citor oder in der Trockenpistole getrocknet werden. Beim Anfeuchten des getrockneten Licbosans mit Wasser erfolgt kein Aufquellen, sonden eim Zerllit.Ben wie bei den eiufwhrii Zuekern.

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Uher die Betiehicng deep Lichosans m m Lichenin. 265

Wahrend das schwammige Rohlichosan grij6erc Mengen Feuchtig- keit (Wasser oder Alkohol) hartnjickig festhalt, M t sich das pulver- Grmig zerreibbare reine Produkt im Vakuum iiber Chlorcalcium schon bei Zimmertemperatur sehr weitgehend trocknen. Wir konnten auf diesem Wege den Feuchtigkeitsgehalt bis auf die verschwindende Menge von 0,l herabdriicken; in keinem Falle betrug die Gewichts- sbn:ihme der im Exsiccator gewichtskonstanten Substans bei nach- triiglicher Vakuum-Trocknung iiber P,O, bei 78' iiber 0,5O/,. Ein deut- licher Einflu6 dieser geringfigigen Beimengungen auf die bei den kryoskopischen Versuchen erhdtenen Molt~kulargewichtswerte war nicht zu beobachten.

__ ___

2 3

4

Kyoskopische il/oIekulargewichtsbestimmungen am Aichosan. I = Versuche mit im CaC1,-Vakuumexsiccator getrockneten Prkparaten.

I1 = Versuche mit in den P,O,-Trockenpistole bci ? S o getrockneten

d = Gewichtsabnahme der exsiccatortrocknen Substnnz bci der IIitxe- Priiparaten.

trocknung.

1,15 0,022O 967 0,82 0,006O 2529

0,38 O,OOOo ~ a~

0,70 O,OOOo 00

- - -

1,09

d

0,021" 1 962

11

-_ 0,68 1,31 1,04 0,59 1,25 0,78

*) 1,20

0,011O 0,023O 0,005O 0,004O 0,024O 0,018O 0,0000 0,0200

M

1140 1057 . 3848 2730 963 803

1110 g,

*) Dieselbe Lijsung nacli vorhergehendrm kiirzen Erwiirmen auf dem Wasserbade.

Bemerkenswert sind die Versnclie I, Nr. 4 und 11, Nr. 3, bei denen die Substanz in sehr verdiinnter Lijsung iiulerst liochmoIekuIar erscheint, wLhrend bei hiiherer Konzentration recht weitgehende llispergierung erfolgt.

T/isRnsitiitsbestin~mung cles Lichosa?#.s. Angcwnndt: 0,2210 g Lichosan in 5 ccm WASSer (= 4,42"/,). Vergleichsflussigkeit: :) ccni Wasser.

Page 12: Über die Beziehung des Lichosans zum Lichenin

266 Pt ingshe im und Routala,

tW = Durchlanfszeiten in Sekunden fur Wssser.

t L = ,l 11 1- ,, die Lichosanlosung. Die angcgebenen Durclilaufszeiten sind Mittelverte von je 4 bis

:i Ableslingen mit einer I/,,-Sekunden-Stoppuhr.

- - ._ - ~~

49,50 3?,14 24,94 20,97 18,OO 16,16 14,48

_- __ Temp.

50

~ .~

18 30 40 O

500 600 50 300 91)" 96 *

- - -

66,17 42,80 32,53 27,OO 22,95 ?O,OO 17,SO

-- ..

tL Itw _ _ _ ~-

1,336 1,331 1,304 1,287

1,237 1,252

1,223 1,227 1,224 1,229

I I I tler Figiir ist tw,'tr. :ils Fuuktion derTrrnper:itnr grnphisch dargcatcllt.

' L -

,~l~~lekiila~gewich~sbes~immungetr am Liclrosan nach Rarger-Rast .

Objektlii~ung: 0,1620 g Lichosan (reinwcidce, Iiber P,O, bei 1 8 0 und O,D mm gctrocknetee Priiparat).

Vergleichslosungcn: I = 0,3600 g Glucoee in 10 ccm Wasser (= "/J, I1 = 0,1900 g ,, ,) .. 3 9 (=

111 = 0,090 g 1 , ,, 1 1 1 - (= "I?,,), 1v = 0,045 g ,, ,. ,. (1 (= "/.0),

1- = 0,03(; g ,, ,, ,, 3 , (= " 1 3 .

Page 13: Über die Beziehung des Lichosans zum Lichenin

vber die Beriehung des Aichosans zum Jichenin. 267

1. Versuchsreihe: A = Ablesung (in Okularmikrometer-Teilstrichen) 2 Min. nach E i n f d e n der Kapillarrohrchen.

R = Ablesung nach 15 Min. langem Aufbewahren der Rohrchen bei 70" und Wiederabkuhlen auf Zimmertemp.

~ _ _ _ _ _ I I I I1 I 111 I I V

A - 15 - 35 + 27 - 10 B 1 - 1 0 1 - 3 5 1 + 2 2 1 -- - 1 7

d 1 + 5 1 3 ~ 0 1 - 5 1 - 7

Die Lichosanlosung ist also bei 70° mit einer n/lO-

Glncoselosnng isotonisch, deiunach 11 = 162. BeiZimmertemperatur scheint dagegen dieselbelichosan-

h u n g noch schwiicher als die "/,,-Glucoselosnng zu sein, wie die folgende Versuchsreihe zeigt:

2. Versnclrsreihe: A = Ablesung wic oben. B = Ableoung nach 48 etiindigem Aufbewahren der

- Rijhrchen bei No.-

__-_____________. __ I I I-_.:-Iv-_ A - 57 + 2 + 8 €3 I - 4 6 1 + 8 1 + 1 4

d I + 1 1 1 + 6 I + G Die allmiihliche Verliingerung der Vergleichaliisung I bei 20 O liiBt

eich nach folgender Tabelle verfolgen:

Versuchsreihe 2a: Objektlosung + Losung I bei 20°.

Nach 1 18 St. I 42 St. I 48 St.

A B

d + G + 9 + 1 1

3. Vereuchereihe: Objektliieung + Losung I1 bei 70 O (zwei Parallel- versnchel.

Nach 1 15 Min. I 30 Min. 145 Min. I60 Min. I 90 Min. 1 120 Min.

~. ~

A B

d Annslen der Chemie 460. Band. 18

Page 14: Über die Beziehung des Lichosans zum Lichenin

268 Pr iiig s h e im und Ro 11 t a 1 n,

Rei 70, bleibt somit das Gleichgewicht, zmischen der Lichosanlosung und der ll/,,-Glucoselosnng anch bei langerer Ansdehnnng des Versuches bestehen; unter denselben Re- tlingungen erfahrt eine */,,-Glucoselosung eine tlanernde Yerkurzang, wie ans folgender Tabelle ersichtlich:

4. Versuchsreihe: Objektlosung + Liisung IV bei i O o . ~ ~ _ _ - __ -

15 Min. 1 30 Min. I 45 Min. I 120 Min.

- 17 1 - 1 9 I -20 1 -38

- ~ _ _ _ _ _ _ ~ .________ -~ ~~~

- 10 -10 -10 I -10

- 7 1 - 9 1 -10 1 -23 _______

5. Versuchereihe: 15 Minuten bei 45O.

5 a : 30 Minuten bei 45O. _ _ 1 I I I[ / I I I ( I V I v

~ - ._ .. ._ .. - ..

-57 + 3 ' - 4 7 - - 20 k I -50 I + 6 1 - 4 6 1 -ti 1 -26

d 1 + 7 1 + 3 1 + 1 1 - 2 1 - 6

In den Versnchsreihen 5 uud 521 ist also die Lichosan- liiSl11lg etwa 1/30 molar; es ist soniit dns Jlolatgemicht des Iichosans bei 45, = etwa 486.

Spezifische Drehuiiy des Licliosans. In Wasser; 4,42-proc. IvlBrige Liisnng, en = & O,OOo im 1 dm Rohr. In 2n-Natronlange: v = 5ccm,p = 0,02OOg, 1 = 1 , a D = + 0,11 rt 0,01",

111 95-proc. Pyridin: v = 5 ccm, p = 0,0236 g, 1 = 1, nD = + 0,44 f (J,OI O,

[ 1 1 ] , = + 33,s + 20.

[uID = 4- 93,2 + 2'.

Page 15: Über die Beziehung des Lichosans zum Lichenin

Uher die Beziehurlg des Lichoscrns zitrn Lichenin.

Lich enin ace tat.

2 g Lichenin wurden rnit 20 g Essigsaureanhydrid und 2 Tropfen konz. Schwefelsaure ubergossen und bis zum be- ginnenden Sieden erhitzt. Die entstandene braune, fast klare L6sung wurde in Eiswasser gegossen, wobei ein grauer Xiederschlsg auefiel. Dieser wurde abfiltriert , rnit Wasser bis zum Verschwinden des Essigsanregeruchs gewaschen, liiernach getrocknet. Ausbeute an Rohacetat 90-100°/,.

Zur Reinignng mu4 die verdunnte Chloroformlosung des Bohacetates rnit Entfarbungskohle (Carboraffin) versetzt, etmas erwgrmt nnd linter ofterem Umschutteln etwa 24 Stun- den stehen gelassen werden. Nacli dem Absaugen der Kohle auf einem gehiirteten Filter erhalt man dann eine voll- kommen farblose klare Losnng; beim Eintropfen in eis- gekuhlten Ather fallt das Licheninacetat als reinweifles Pulver am, das abgesaugt, mit Ather gewaschen nnd in1 Bakuum bei 78' getrocknet wird.

269

Analyse: 0,1408 g Subst.: 0,2579 g CO,, 0,0691 g H,O. C,H, O,(COCH,& Rer. C 50,OO EL 5,60

cfef. ,, 49,97 ,, 5,49 Acetylbestimmung : ausgefiilirt dusch Verseifen dee alliohol-

befenchteten Acetats mit einer abgemessenen Menge'l/n-NaOH beizimmer- temyeratur und Zuriicktitrieren dee iiberschiiseigen Alkalis nach 24 Stun- den mit "/,,-HCl und Plienolphthalein als Indikator.

0,1436 g Subst.: 15,P ccm "/,,-KaOH. COCA, Ber. 44,7% Gef. 43,2O/,

Spezifische Urehung des Licheninacetates in Chloroform : 1. v = 5 ccm, p : 0,050 g, 1 = 1, 2. v = 5 ccm, p = 0,050 g, 1 = 1, 3. v = 10 ccm, p = 0,118 g, 1 = 1, 4. v = 5 ccm, y = 0,088 g, 1 = 1,

5. v = 10 ccm, p = 0,126 g , 1 = 1,

a, = - O,?Oo, [a], = - 20,0° cr, = - 0,23O, [a], -- - 23,0° a, = - 0,21% [a], = - 1 ? , 8 O a, = - 0,24O, [a], = - 17,7O

1 = 0,5, a, = - 0,12O, [a], ID - 17,7O a, = - 0,29O, [a], = - 23,1° ,

Verseifung des Liclieninacetates. Bci den Versuchen , das Licheninacetat mittels 2-311 -methyl-

alkoholischen Ammoniak zu Lichenin zu verseifen, machten mir die Beobachtung , daB die Abspnltung der Acetylgruppen nur unvoll- standig oder mcli gsr riicht gelingt, menn nian mit vollig entwiiesertem

1s *

Page 16: Über die Beziehung des Lichosans zum Lichenin

270 Pringsheim und Routala,

(iiber Atxkalk destilliertem) Methylalkohol arbeitet. So erhielten wir e. B. nus 0,5 g Aeetat nach 24sthdigem Stehen rnit 5 ccm 2n-Ammoniak in Methylalkohol ein wasserunlijsliches, chloroformlijsliches Produkt, das in dieeem Lijeungsmittel [.ID = - 24O zeigte. In dieeem Falle wnr also das Acetat vollkommen unveriindert geblieben.

Uagegen geling t die Verseifung leicht bei Anwendung des klnflichen, meist fenchten Methylalkohols oder noch besser nach Znsatz einer Spur Wasser. Beispiel: 0,5 g Licheninacetat, 7 ccm 2n-KH3 in Methylalkohol, 0,6 ccm Wasser, 44 Stnnden bei Zimmertemperatnr stehen gelassen; hierauf wurde die Substanz abfiltriert, rnit Alkohol gewaschen und in warmem Tj'asser gelost. Die rnit Carboraffin ent- farbte waSrige Losnng wurde rnit Alkohol gefallt nnd der Niederschlag als Lichenin identifiziert. WeiBes, in warmeni Wasser losliches Pulver, das Fehl ingsche Losnng nicht reduziert; eine l-proc. wadrige Losung zeigte keine wahr- nehmbare optische Aktivitat.

Desassoziafion des Licheninacetats zum Lic?iosanacetat.

3 g pulverisiertes Licheninacetat wnrden nach der fiir die Desassoziation der Acetylcellulose gegebenen Vorschrift rnit 30 g Naphtalin gemischt nnd am RuckfluDkiihler 2 Stun- den zum Sieden erhitzt; Badtemperatur etwa 235O. Hier- anf wird das Naphtalin rnit Kasserdampf abgetrieben, der Kolbeninhalt zur Trocknung rnit Alkohol ausgewaschen und das zuruckbleibendc Rohprodnkt durch melirfaches Umliisen aus warmem Alkohol-Benzol (1 : 1) und Wiederansfallen mit Ather gereinigt. Ein reinweilles Praparat erhielten wir aurch langeres Digerieren der angewarmten Benzol-Alkohol- oder Chloroformlosung des Lichosanacetates rnit Carboraffin, Filtrieren und Eintropfen in eisgekuhlten Ather. Ausbente 1.8 g = 60Proc.

0,1554 g Subst., 0,2838 g CO,, 0,0789 6 H,O. C,H,O,(COCH,), (S88,lZ). Ber. C 50,OO H 5,60

Gef. ,, 49,86 ,9 5968

Acetylbestimmung, ausgefdhrt wie beim Licheninacetat: 0,2260 g Subet. verbr. 23,4 ccm "/,,-NaOH.

COCH, Ber. 44,7% Gef. 44,5°/0

Page 17: Über die Beziehung des Lichosans zum Lichenin

Uber die B e z i e h u y der Jichosans turn Lichenin. 271

Spezifische Behung in Chloroform bei 20°:

Molekularge2oiehtsbestimmung in Phenol : v = 5 ccm, p = 0,0620 g, 1 = 1, an = - 0,27', [a]% = - 21,8".

1. E = 7200, P = 10,O g, p = 0,0483 g, A = 0,07E0, M = 445. 2. K = 7200, P = 12,O g, p = 0,0614 g, A = O,O94O, M = 391. 3. K =: 7200, P = 12,O g, p = 0,1170 g, A = 0,173', M = 405.

Bei einem zweiten Versuch wurde die Erhitznng des Licheninacetates in Naphtalin 3 Stnnden fortgesetzt. Aus- beute an reinem Lichosanacetat aus 6 g dusgangsmaterial 3,6 g = 5!3O/,. Wie bei der Acetylcellulose auliert sich die VerlLngerung der Erhitzungsdauer anch hier in einer noch weitergehenden Desassoziation:

lllolekPllargeuieh~sbesti7nmun~en in Phenol : 1. K = 7200, P = 12,O g, p = 0,0670 g, A = 0,120', M = 335. 2. K r 7200, P = 12,O g, p = 0,1264 g, A = 0,232", M 327.

Ber. fur C,H,O,(COCH,), 288,12.

Verseifung des Lichosanaceiates ziim fichosan. Es iet unumgtinglich notmendig, von einem reinen Lichosanaceht-

I'riiparat tliiszugehen. Das Rohacetat bew. nngeniigend gereinigte Produkte hinterlaasen nach der Behandlung rnit methylolkoholischem Ammoniak eiue braune humusaitige Mame, BUS der wir in keinem Falle einen reinen KSrper isolieren konnten: beim Kochen der wadrigen LSsung mit Tierkohle erfolgt znm Teil ZeretSrung, zum Teil Reaaso- ziation en unlijslichen Produkten, beim Eindampfen wird Koble ab- geschieden; schon die Behandlung rnit Tierkohle in der Kglte ver- ursacht starke Materialverluste und fiihrt zu keiner vollstlindigen Ent- farbnng. Dies8 Sehwierigkeiten werden vermieden, wenn man ein in der oben beschriebenen Weise vorgereinigtes Acetatprgparat benutzt. Anch hier beobachteten wir den etsrk fdrdernden EinfluB, den Spuren Waaser auf die eonst nur trage verlaufende Verseifung ausiiben.

3 g Lichosanacetat wurden rnit 30 ccm 2-3n-NH3 in Methylalkohol und 0,5 ccm Rasser versetzt; nach 30 bis dostundigem Stehen ist das Scetat vol ls thdig verseift. Das Verseifungsprodukt wurde abgesaugt, mit Alkohol gewaschen, in wenig Wasser gelost, das unliisliche ab- filtriert und die klare farblose Losung in Alkohol ge- gossen, wobei das Lichosan als weibes, in kaltem Wasser losliches Pulver ansfallt. Ansbente bis zu 55 Proc. der Theorie.

Page 18: Über die Beziehung des Lichosans zum Lichenin

272 Pt inyshe i in ?L. Roatala, Bezieiiuily des Lichosans u m .

Uas so erhaltene Lichosan ist mit dem direkt aus Lichenin dnrch Glycerinerhitzen gewonnenen identisch.

0,1020 g Subst: 0,1655 g CO,, 0,0573 g H,O. CoHl,,05 (163,OS). Ber. C 44,42 H 6,21

Gef. ), 4$24 11 6124 *

Spexifiscke Drelmny : in 2-proc. wii01iger LGsung in I-din I'lolir keirie wshrnehmbsre Drehung. In 2n-Sstronlsuge: v = 10 ccm, p = 0,0214 g, 1 = 1, m, = + 0,14O,

In 50-proc. Pyridin: v -- 5 ccm. p = 0,0400 g, 1 = 0 , 5 , n, = + 0,24",

lu 40-proc. Pyridin: v = 5 ccu, p = 0,0360 g , 1 = 0,5, u,, = f O,lti",

[a]? = 4- Y2,6".

i(Z!bs = + 60,0°,

[ a ] g = + 44,2".

Moleku larg~ ich t sbs t i~n?r~~?~y uaeh B arg er -Ras t. Objektlosung: 0,162 g Lichosan in 10 ccm Wseser. Vergleichlijsungon: n/5-y1/60 Glucoeeloeungen. Versuclistemperatur 70°; Zeit zwischen den beiden Ablesungcir

15 Minuten. -

I nls I "/lo I " Ieo 1 " I 4 0 I "/so

A -30 + O - 5 1 3-33 3 - 3 ________. __ - - ~ - -

13 I -29 I - 1 I -24 I +31 1 - 2

d ! + 1 - 1 j -16 1 - 2 ? / -15 __ __

Die Lichosanlosnng ist also l/b-l/l,, molar, 11 liegt so- rnit bei 162.

An der Ausfiihrung der Arbeit hat sich in dankens- werter Weise Herr Dr. W. K n s e n a c k beteiligt. Auch Herr Ur. J. L e i b o w i t z hat an der praktischen Ansfiihrung der Verisuche wie an ihrer theoretischen Suswertnng teil- genommen.

B e r l i n und H e l s i n k i , Sept. 3926.