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345 X. Ueber die BilcIung des Bittermnncleliils; von F. Wo hler und J. L ie big. Die Versuche der HH. Robiquet und Boutron- Charlard (Annal. de chirn. el de phys. Torn. LXIV p. 3.52) ') iiber die bittern Mandeln und das fliichtige Oel, welches sic liefern, haben uns mit einer Menge wichti- ger Thatsacheu bekannt gemacht, und die Frage vorbe- reitet, deren Lijsung wir zum Gegenstandc unserer Ver- suclie gewshlt hnben. Die I-IH. Robiquet und Boutron-Charlard ha- ben bewiesen, dafs das fliichtige Bittemnndeltil und die Blausture, die man als Producte der Destillation der bit- tern Mandeln mit Wasser erhelt, vor der Behandlung niit Wasser nicht in den Mandeln entlialten sind, und die friiheren Versuche des I3m. Planche, iind der HH. H e n r y uud G u i b o u r t beststigt. Das durch Auspressen erhaltenc fette Oel enthelt nlnilich keins der erwiihntcn Producte, und durch Be- liandlung der Bittermandelkleie mil Aether wird, aufser fettem Oel, keine .andere Materie aufgeliist; man weirs aber, dafs Blansgure und fliichtiges Bittermandeliil so- wohl in felten Oelen als im Aether laslich sind. ws- ren diese Kiirper fertig gebildet in den bittern Mandeln vorhandeii gewesen, so wiirden sie nothwendig in den genannten Auflijsungsmitteln sich haben wiederfinden miis- sen. Die Bittermandellrleie giebt, wenn sie, nach der Behandlung mit Aether , mit Wasser benetzt oder de- stillirt wird, die niimliche Menge fliichtiges Oel, woraus mit Recht geschlossen werden kann, dab die Stoffe, am denen es entspringt, und alle Bedingungen zu seiner Bil- dong in derselben Form in der Bittermandelkleie vor- handen sind, wie wenn sie nicht mit Aether in Beriih- 1) hnnal. Bd. XX S. 496.

Ueber die Bildung des Bittermandelöls

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X. Ueber die BilcIung des Bittermnncleliils; von F. Wo h l e r und J. L ie b i g .

Die Versuche der HH. R o b i q u e t und B o u t r o n - C h a r l a r d (Annal. de chirn. el de phys. Torn. LXIV p. 3.52) ') iiber die bittern Mandeln und das fliichtige Oel, welches sic liefern, haben uns mit einer Menge wichti- ger Thatsacheu bekannt gemacht, und die Frage vorbe- reitet, deren Lijsung wir zum Gegenstandc unserer Ver- suclie gewshlt hnben.

Die I-IH. R o b i q u e t und B o u t r o n - C h a r l a r d ha- ben bewiesen, dafs das fliichtige Bittemnndeltil und die Blausture, die man als Producte der Destillation der bit- tern Mandeln mit Wasser erhelt, vor der Behandlung niit Wasser nicht in den Mandeln entlialten sind, und die friiheren Versuche des I3m. P l a n c h e , iind der HH. H e n r y uud G u i b o u r t beststigt.

Das durch Auspressen erhaltenc fette Oel enthelt nlnilich keins der erwiihntcn Producte, und durch Be- liandlung der Bittermandelkleie mil Aether wird, aufser fettem Oel, keine .andere Materie aufgeliist; man weirs aber, dafs Blansgure und fliichtiges Bittermandeliil so- wohl in felten Oelen als im Aether laslich sind. ws- ren diese Kiirper fertig gebildet in den bittern Mandeln vorhandeii gewesen, so wiirden sie nothwendig in den genannten Auflijsungsmitteln sich haben wiederfinden miis- sen. Die Bittermandellrleie giebt, wenn sie, nach der Behandlung mit Aether , mit Wasser benetzt oder de- stillirt wird, die niimliche Menge fliichtiges Oel, woraus mit Recht geschlossen werden kann, d a b die Stoffe, am denen es entspringt, und alle Bedingungen zu seiner Bil- dong in derselben Form in der Bittermandelkleie vor- handen sind, wie wenn sie nicht mit Aether in Beriih- 1) hnnal. Bd. XX S. 496.

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rnng gekonimen ware; benetzt man die Bitfermandelkleie, nnchdem allcs fette' Oel durch Aether enlfernt ist, mit Wasser, trocknet sic an der Luft und bellandelt sie zuin zwciten Male init Aethcr, so liefert dieser bcim Abdam- pfen fluchtiges BittermandelGI.

Ganz andere Erscheinungeii bemcrlrt man aber, wenn die Bittermandelklt1ie, glcichgultig, ob vor odcr nach der Beruhrong init Acther, niit starkem kochenden Weingeist ausgezogen wird.

In diesein FalIe verscliwiiiden in dem Riickstand alle Anzeichcn :auf Bittermandeliil uiid Blausliure ; init Was- ser bcnetzt, bleibt cr gcruchlos, und damit destillirt, cr- l idt man kein fliichtiges Oel.

Aus der he i lcn weingcistigcn Fliissigkeit setzcn sicli aber w e i t e Krystalle ab, voii denen man durch Con- centration einc noch griirserc Mcnge crhiilt. Dieser kry- stallinischc Kijrper ist dcrselbe, den die FIB. R. und B. Ch. entdeckt und Arnygdnh'n genannt haben. Ihs Amygdalin ist lcicht lijslich im Wasser und k.ocliundcm Alkohol, aber unlijslich im Aether; es besitzt einen bit- tern Gesclirnaclc, und licfert , wie das fluchtigc Bittcr- mandelijl, bei Behandlung init starker Salpctershre, Ben- zoi%iure. Mit Alkalien erwiirmt, cntwickclt es Ammo- niack , enthSIt also Stickstoff. Mit allein Rechte spre- chen die Ilrn. R. und B. Ch. die Verinuthung aus, dafs das Amygdalin an der Bildung des fluchtigen OeIs ei- nen wesentlichen Antheil habe; allcin keincr ihrer Ver- suche, mit Hiilfe dicses Kiirpers dasselbe hervorzubrin- gen, gab ein giinstiges Resultat. Sie brachten selbst das bmygdalin mil der ruckstiindigen Kleie zusammen, aus welclier eb durch Rehandlung init kochendem Alkohol gewonnen worden war, und sie schlossen auf die Exi- s tem eines sehr fliichtigen Princips, welches als gernein- schaftliches Band die Bestandtheilc des fliichtigen Oels zusammenhalte, uud durch d i e Behandlung rnit Alkohol zcrstiirt werde, in der Art, dafs sicb jetzt Amygdaliii

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bilde. Diese Meinung ist bei den genannten Chemikern vorherrschend gewesen , denn S. 363 ilirer' Abhandlung sagen sie aiisdriicklich, es sey vollkomnien gcwifs, der Alkohol ehtziehe oder zerstbre, wenn nichc allcs, doch einen Theil der EIemente des fluchtigen Oels. Sie halten es, S. 378, fur wahrscheinlich, dafs die Substanz, welche sich so leicht und schnell in Blausaure verwan- delt, die nlmlichc sey, welche durch ihre Vereiuigung deli Geruch und die FIuchtigkeit hervorbringe.

Diese Ansicht, welche in ihrer Arbeit vorwaltet, ist unstreitig die Ursnche gewesen, dafs die eigcntliclie Kolle, welche das Amygdalin bei der Bildung des Oels spielt, so spat erst erkannt worden ist.

W i r haben in dem Vorhergehenden die Thatsachen beriihrt , welehc unseren Versuchen vorangegangen sind, und bcmerken noch, da€s Hr. P e l j g o t bei der Destil- latioil von Amygdah mit Salpeterszure in dem Ueber- gehenden fliicbtigcs Bittermn'ndeliltl entdeckt hat.

Als den Aasgangspnnlrt unserer Untersurhung be- inerken wir, dafs das Amygdalin, in Beruhrang rnit Was- ser und dkin vegetabilischen Eiweils der siifsen und bit- tern Mandeln, bei +Digestion in einer Temperatur von 20° bis 40°, augenblicklich sich zerlegt; unter die Pro- dacte dieser Zersetzung gehiiren BlausB'ure und Bitter- mahdel6l. Das von dcm gcwohnlichen vegetabilischen Eiweils abweichende Verhalten der Materie, die man mit diesein Nalnen bezeichnet, hat schon lange zu einer be- sonderen Bezeichnung gefuhrt : unter Emulsin 1 verstehen wir den keilsen, in kaItem Wasscr Ioslichen Bestand- theil der sufsen und bittern Mandeln.

YVir beinerkcn ferner, dals das Amygdalin in den bittern Mandeln praexistirt, und nicht erst durch Be- bandlnng d'erselben mit W'eingeist erzeugt wird. Die bis dahin bekannten Thatsachen, vereinigt mit der Wir- kung des Emulsins auf das Amygdalio, sprechen an und fur sich fur die Praexistenz dcs letzteren, und wir glau-

348 ben, dafs sic durch die folgendc Thatsache vollstzndig bewiesen wird: W e n n man eine concentrirte watr ige Emulsion von bittern Mandeln sogleich nach ihrer Dar- stellung in der Kalte rnit einer grofsen Menge absoluten Alkohols vermischt, dell entstehenden Brei durch Pres- sen zwischen Leinwand und durch Filtriren von der Flus- sigkeit trennt, dic letztere zuin Sieden erhitzt, zum zwei- ten Male filtrirt und an der Luft Iangsam verdunsten lafst, so erhalt man daraus Krystrrlle von reinem Amyg- dalio ').

Ehe wir die weiteren Versuche iiber die Art der Wirkung des Ernulsins und die ubrigen Producte, wel- che das Amygdalin bei der nzmlichen Zersetzung licfert, usher beachrciben, ist es vor allem nathig, einige Wor te iiber die Darstellung des letzteren und iiber seine Zu- salnlnensetzung vorauszuschicken.

D a r s t e l l u n g u n d V e r l ! a l t e n d e s A m y g d a l i n s .

W i r haben aiif folgende Weise die griifste Ausbeute an Amygdalin erhalten. Die vom fetten Oele durch star- kes Pressen befreite Kleie von bittern Mandelii, wurde zwei Ma1 mit Alkohol von 91 bis 93 Proc. kochend be- handelt, die Flussigkeit durch eitl Tuch geseibt ued der Ruclrstand ausgeprefst. Aus der triiben Flussigleit la- gert sich meistens noch etwas fettes Oel ab, was man sondert; mau erhitzt sie alsdann auf's Neue und sucht sie durch Filtriren klac zu erhalten. Wenn man sie jetzt mehrere Tage ruhig stehen Iafst, so setzt sich ein Theil des Amygdalins in Krystallen ab, der griifsere Theil bleibt aber gel8st.

Man destillirt die Mutterlauge so weif ab, dafs etwa

1) In einem Brisfe dcs Hrn. Dr. W i n k l e r , worn 29. M i r r 183Z, theilt derselbe uns mit , Jars ihm voq seiner Scite und auf dern niimlichen W e g e die Darstellung dcs hiygdulins galungcn ist, und zwdr ohne ton unseren versuclien Kenntnirs zu haben.

W" und 3. L.

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+ ihres urspranglichen Voluins bleibt , 1Vfst den Ruck- stand kalt werdeii und vermischt illn mit seinern halben Volum Aether. Hierdurcli wird alles Amygdalin nieder- gcschlagen. Den erhaltencn Brei von feinen Krystallen sammelt &an auf eincm Filter und prelst ihn zwischen Fliefspapier, was man zuweilen crneuert, so stark als miiglich aos. Die Krystalle enthalten uiitulich stets cine nicht unbedeutende Menge fetten Oeles, w a s ihnen harl- n’alckig anhzngt. Dieses OeI’ wird von deni Papier cin- gesaugt; um das Amygdalin aber ganzlich davon zu bc- freien, wird es in eirier Flasche niit hethcr geschiittelt, auf ein Filtrum gebracht, und so lange mit Aether ge- waschen, bis ein Tropfen , auf einer Wasserflkhe ver- dampft, keine Oelhaut mehr hinterl2kt. Um es rein von Papierfasern zu erhalten, wird es zum zweiten Male in starlrem AJkoboI kocbeud gelost, woraus es beiin ErkaI- ten in blendend weirsen perlinuttergl~nzenden Schuppeii beinahe grnzlich krystallisirt. Wenii inan zum Auszic- hen rler Bittermandelkleie anstatt des Alkohols von 94 bis 95 Proc. gewtihnlichen Weingeist von SO bis 84 I’roc. nimmt, so l6st sich neben dem Alnygdalin eine Mengc nicht krystallisirenden Zuckers auf, welcher durch Aether theilweise mit gefiillt wird; .wendet man keinen Aether an, sondern l s t t aus der abfiltrirten Eliissigkeit das Amygl dalin von selbst krystallisiren, so verliert inin in der riickbleibenden schlcirnigen Mutterlauge $ von dem Amyg- dalin, was sich d a m nicht mehr trennen l&t. Kalter Alkohol llist kauin eiiie bemerkbare Spur von Amygda- lin auf; Weingeist von 94 bis 95 Proc. behalt in der KZIte in Auflllsung; .imB kochenden ist es; wie be- kannt, sehr leicht lbslich; eben so im Wasser.

Einen guten Beweis von der Reinheit des Amygda- Jins hat man in der Durchsichtigkeit seiner wffsrigen Lo- sung; ist sie opalisirend, so kaiiu man eines Oelgehaltes sicher seyn.

Man erhalt im Durchschnitt von einein PEunde bit-

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terer Mahdeln 10 bis 15 ,Gramme11 rcines Amygdnlin, welches wgefihr auf 2 Broc. herauskommt. Eine bei 400 gesattigte wafsrige AsflBsung von Amygdalin giebt beim Erljalten eine Menge durchsichtigcr prisinatischer Krystalle, welche, von eioem gcmeinschaftlichcn Cen- trum ausgehend , zieinlich voluminbse Gruppen bilden ; sic sind etwas weniger hart als Zucker, werden an dcr Luft triibe und verlieren in biiheren Temperaturen Was ser; vollstsndig wird das Wasser nur durch auhaltcndes Erhitzen bei 120° entfernt.

1,246 Grm. krystallis. Amygdalin verloren 0,127 Wasser 1,238 - - - 0,132 - 1,4795 - - - - 0,157 - 3,9335 - - - - 0.41G -

Hicrans ergicbt sich, dnfs 100 Th. krystallisirtes Amygdalin bestehen nus :

89,43 Amygdalin 10,57 Wasser.

Durch ErwZrmung einer wzfsrigen Aafliisung voii Amygdalin mit Quecksilberoxyd oder mit Maaganhypcr- oxyd erleidet es keine Vcriinderung; setzt man aber dcr letztercn Mischnng etwas SchvliefelsHnre hinzu, so geht bei gelinder Hilze eine heftige Zerselznug vor sich; es destillirt fluchtigcs Bittermandeliil uber, desscn Gewicht wenigstens von dem Amygdalin betragt; es entwickelt sich ferner eine reichliche Menge KoblensYure, zuletzt setzt sich in dem Halse der Retorte BeiizoBsaure in Kry- stallen ab. Die iiber dein erlialtenen Bittermandeliils schwimmende Fliissigkeit reagirt sauer, reducirt beim Er- warmen Quecksilberosyd, und verhllt sich in allen an- deren Reactionen wie Ameisenslure. Der in der Re- torte bleibende Ruckstand entwickelt , mit Kalk zusain- mengerieben, Ammoniak. Bittermandeliil, fiir sich mit Braunstein nnd SchwefelsZure destillirt, liefert kaum Spu- ren von Kohlensaure .und Ameiscns;iure, woraus geschlos-

351 sen werden kann, dafs neben deni fliichtigcn OeIe und der stickstoffhaltigen 'Substam, Itelshe das linjmoniak ge- liefert hat, noch ein. indercr RBrper 'in dem, Alijygdalin cuthalten .ist, welcher durch Oxydation zur Bildung die- ser beiden Prodocte Vcranlassung gicbt.

Erwarmt nian eine h f l i h l r g von Amygdalin lnit iibcr- inangansaureni Kali in der Art, da€s n ~ o n eiiien Uebcr- schds von letzterem. vermeidet, so wird es sehr schnell zerlegt; es bildet sich ein Niederschlag von Manganliy- peroxydhydrat; 'die Fliissighcit. wird I farblos u ~ d bleibt vollkoumen neutral. Man belnerkt bei dieser: Zersetzuiig keine Gasentwiclilung, aber einen scliwachen Gerucll dcin Oxahither Ihnlich. Beim Erhitzen in einein ,Destillimp- parate gehen die ersten Tropfen, wie durch eip fliichti- ges Oel gettiilt, fiber, was sich in. der spater-uberge- henden Flussigkeit wieder aufliist ; man bemerkt hierbci ferner eine .Entwicklung von Ainlnoniak, und nach dem Kochen ist der Riickstand alkalisch. Die letztcrcn Er- scheinungeu heweiscn das Vorhondcnseyn von cyonsau- rem Kali; nebEn diesern findet. man in dem Ruckstande eine grobe-Menge benzoesaures Alkali. ,Man kann nacli dieseni Verhalten kaum iwcifelu, dafs das Amygdalin fer- tig gebildetes Bitterniandeliil tnthalt, in h e r . eigenthum- lichen Verbindung mit :anderen Kiirpern, durch .deren Zerstiirung mittelst der. Oxydation, es frei, und tbeilweiso oder ganz 'in Benzoesause v.erwandelt w i d .

Es ist bekannt, ' d a b das Amygdalin, wit liaustisclien Alkalien gekocht, Ammoniak entwickelt ; das andere,Pro- duct dieser Zersetzung ist eine stickstofffreik Slure, wel- che mit dem Alkali verbunden bleibt; wir haben sie Arnyg- dalirzs Cure g en ann t .

W i r d Amygdaliii 'rriit wasserfrciein' Aetzbaryt zusam- lnengerieben und einer schwachen Erhitzung ausgesetzt, so erfolgt sogleich eine sehr Iieftigc Zersetzung, -die, sich auch nach der. Entfernuiig des Fcuers durcb,. die ganze Masse bindurch. fortsctzt ; es entwickelt .sichr ein, dicker:

us a N m e n s e t z u n 6 d c s A m yg d a l i n s.

Die Analyse dcs Amygdolins ist rnit einigcn Schwic- rigkeiten verbundcn; man hatc ganz besonders auf die Entfer,xmg alles fetten Oeles, und auf die Schmicrigkeit, alles Krystallwasser auszutreiben, Redacht zu nelimen; das getrocknete Ainygdalin zieht ferner init g ro t e r Be- gierde 2 bis 34 Proc. Krystallwasser wieder an. Es wurdcn foigendc Resultate erhaften: IV. 0,455 Amygd. Iiefcrt. 0,835 KohIens. u. 0,2 t7 TVasser 11. 0,477 - - 0,910 - - 0,257 - iir. 0,5025 - - 0,959 - - 0,273 - IV. 0,631 - - 1,209 - - 0,337 - V. 0,421 - - 0,806 - - 0,226 -

Was ‘den Stickstoff betiifft, so ist seine genaue Be- stimmung bci diesem, so wic bci allen %hnlichen Kijr- pern, deren Stickstoffgehalt sehr klein ist, beinalie un- maglich, selbst wenn man mit der grijfsten Vorsicht ar- heitet; dick ruhrt unstrcilig von der Schwierigkeit her, alle atmospharische Luft aus dem Apparate zu cntfer- nen, in welchcm das Gemenge mit Miipferoxyd verbrannt wird, und da der hierdurch entstehende Fehler sich nicht auf .eine g ro te Menge Stickstoff vertheilt, so macbt er stets einen bedeutenden Bruch vop dem wahren Slick- stoffgebalte aus, und fiillt hierdurch-urn so mehr in die Augen. 0,850 Grm. Arnygdalin lieferten bei 00 u. 28” Bar. 21,4 C. C.

Stick gas 0,772 - - - - - - - - 20,sc.c.

Hiernach enthalt dieser Kiirper 3,32 bis 3,4 Proc. Stickstoff; wir haben in zwei anderen Analgsen 3,7 und

472

333 4,2 Proc. gefunden , ein GehaIt, welcber jedenfalls zu hoch ist.

In der Analyse des amygdalinsauren Baryts haben wir Mittel gefunden das Atomgewicht des Amygdalins festzusetzen, und den Stickstoffgehalt 211 controliren; hier- nach kann dieser Karper nicht uber 3,069 Proc. Stick- stoff enthalten. t eg t man die letztere Zahl der Bcrech- nung zu Grunde, so geben obige Anafysen folgende Ver- hSItnisse:

1. 11. 111. 1v. Y.

Sticks to ff 3,069 3,069 3,069 3,069 3,0G9 Kohlenstof€ 51,874 52,760 52,770 52,S27 52,810 Wasserstoff 6,166 5,9SO 6,036 5,900 5,942 Sauerstoff 3S,891 38,201 27,125 38,204 35,179

moraus sich folgende theoretische Zusammemetzuog ep-

giebt:

2 At. Stickstoff 177,036= 3,069 40 - Kohlenstoff 3057,4S0= 52,976 54 - Wasscrstoff 336,9.19= 5,535 22 - Sauerstoff' 2200,000=. 38,135 1 At. Am-vgdalin 3771,465=100,000.

Nach dieser Znsammensetziing und nacb dem Was- sergehalt des krystallisirten Amygdalins ist biernach:

1 At. Amygdnlin 5171,465- 89,509 6 - Wasser 674,880 - 10,491

1 At. kryst. Amygdalin 6446,345 100. Wenn man das krystallisirte Amygdalin 18 Stun-

den iiber concentrirter SchwefelsPure stehen lzfst, so ver- liert es 3,621 Proc., inded sich seine Durchsichtigkeit vermindert; dieser Verlust entspricht 2 Atomen Wasser. Das aus Weingeist von SO bis 81 Proc. krystallisirte Amygdalin enthalt, wie das iiber Schwe feIs5ure getrock- nete, nur 4 Atome Wasser; aus absoIutem Alkohol kry--

Poggendorff's A n d . Bd. XXXXI. 23

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filallisirt, sclieint es Alkohol in. clmnisclier Verbindung zuriickzuhalten, welcher ubrigens durch VKirine: leicht entfernt werden kaan.

Mit StZenden Alkalien gekocht, zerlegt sich das Ampg- dalin, wie schon erwshnt worden, in Amygdalins9urc und in Ammoniak; da wir den starksten Beweis fur die Rich- tigkeit der Zusaininensetzung des Ainygdalins in dcr Zu- sammensctzung seiner Zersetzungsproducte zu suchen hat- ten, so halten wir es fur unerlYlslich, die Analyse der- selbcn hicr folgen zu lassen.

Als Zcrsetzungsinittel des Ainygdnfins bedientcn wir tins des Barytwassers, von dessen viilliger Reinheit, Ab- wesenheit von Kalk etc, wir durch Besoudere Vcrsuche uus Gewifsheit verschafft batten.

Z u Sam m e n s e t z u n g d e r A m y g d a 1 i ns6 11 re.

Arnygdah Iiist sich in der KAte in Barytwasser ohne Zcrsetzung nuf . Beim Erhilzen, haupts~clilich bciin Sicdcn, ,entwickclt sich, wenn die Luft abgeschlossen ist, ohne dak die Durchsichtigkeit und Farblosiglreit dcr Fliis- sigkeit lcidet, reines Aininoniak, und sonst kein anderes Product. Kocht innn bcjm Zutritt dcr Luft, so erzcugt sicli durch die Einwirkung der Kohlensaure derselbeii ein geringer, Niederschla6 von kohlensaurem Baryt.

Nachdem man die Mischung etwa eine Viertclstunde im Sieden erhalten hat, ist die Zcrsetzung vollendet; alle Zeichen von Aminoniakentwicklung verschwinden.

Leitet' man jetzt durch die noch heifse'.Flussigkeit einen Stroin kohlensaures Gas, so schlegt sich der freic Sary t vallstandig nieder, und man hat nach dem Fiftri- ren eine neutrale und reine Aufliisung von amygdalinsau- rem Baryt.

Dieses Salz l a t t sich nicht in. regelmlfsiger Form erbalten; beim Abdampfen seiner AuflGsung. erhalt inan eine gummiardge Masse, welche bei 140" Wasser ver- liert, und bei haherer Temperatur, welche bis auf 190"

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ohne Zersetzung des Salzes gesteigert werden kann, weifs und porcellanartig wird; in diesem Zustande l8Lt es sich leicht in feines Palver reibca, welches tibrigens mit gro- Ler Begierde 4 bis 7 Proc. Wasscr aus der Luft an- zieht. Bei N O o getrocknet, gaben: 1,089 amygdalinsaurcr Baryt 0,234 schwefelsauren Baryt 1,002 ' - - - 0,182 kohlensauren - 1 , O l I - - - 0,185 - - -

Das Atomgewicht des amygdalinsauren Baryts ist: Nach der ersten Analysc 6783,37 ru'ach der zweiten 6790,OO

6743,lO Nach dcr dritten

Im Mittel 6772,16. ---___

Dmch die Verbrennung mit Kupferoxyd wurden aus

I. 0,613 Grm.Baryts. lief, 0,969 Grm. Kohlens.u.0,280 W. dem namliclien wasserfreien Salz erhalten:

11. 0,716 - - - 1,131 - - - 0,326 - 111. 0,668 - - - 1,068 - - - 0,302 - IV. 0,7235 - - - 1,245 - - - 0,336 - Fur 100 Theile Barytsalz giebt: die qrste Analyse die zweite - 158,l - - - 45,53 -

158,07 Kohlensaure U. 45,64 Wasser

die dritte - 158,6 - - - 45,60 - die vicrte - 159,89 - - - 45,209 -

Bei der Verbrennung des Barytsalzes mit Kupfer- oryd ist kohlensaurer Baryt zuruckgeblieben , dessen Kohlenstoff mit in Rechnung gcbracht werden mufs. Nach den vorhergegangcnen Bestimmungen hinterlassen 100 Th. trocknes Barytsalz 18,17 kohlensauren Baryt, welche 4,OS Kohlensaure enthalten.

Im Ganzen liefern mithin, die hochste Kohlenstoff- bestimmung als die richtigste angcnommen, 100 Tb. Salz 159,S9+4,08= 163,96 Kohlensiiure.

W e n n man nun das gefuudenc Atomgewicbt der Be 23 *

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rechilung der theoretischen Zusammensetzung zu Grnnde legt , so ergeben sich folgende Verhaltnisse:

In 100 Th. Gefundcn.

40 At. Kohlensfoff 3057,480 45,519 45,335 52 - Wasserstoff 324,469 4,814 5,029 24 - Sauerstoff 2400,000 35,466 36,458 1 - Bakyt 956,880 14,199 14,178

1 At. Ampgds. Baryt 6738,829.

Was den Kohlenstoff betrifft, so Iafst sich iiber die Richtigkeit der Anzahl der Atonie desselben in einem Atoine Salz kein Zweifel hegen ; die Kohlensiiure , wel- che nach dein Verbrenuen desselben zuriickgeblieben ist, verhalt sich zu der erhaltenen, wie 4,08 : 159,89, d. i. wie 1 : 39; es ist also klar, dafs 40 Atorne Kohlen- stoff darin enlhalten seyn inussen.

Der Fehler in der Wasserstoffbestimmung betrRgt 0,2 bis 0,23 Proc., und. dieses ist, wie Jeder, dcr in dergleicheu AnaIysen einige Erfahrung hat, weirs, die Granze der Genauigkeit, die man erreichen kann; es ist uninoglich , die Mischung in der Verbreonungsriihre ab- solut von aller hygroskopischer Feuchtigkeit zu befreien; es ist eben so schwierig, ein Salz, welches das Wasser hartniickig zuriickhslt , oollkommen trocken zu erhalten. Daher erklart sich denn der Ueberschufs von Wasser, welcher in guten Analysen 5 bis 6 Milligrammen betrsgt. W i r bemerken diek aus dem GrunSe, weil dieser Feh- ler auf eine Slure VOR so ungewahnlich hohem Atom- gewichte berecbnet in dem nknlichen Verhaltnisse sich multiyfcirt, als die Zahl, welche das Atomgewicht aus- driickt, grbfser ist, als die Aiizahl der Milligramme der Substanz, die man der Annlyse unterworfen hat. Z. B. ,100 Th. amygdalinsaurer Baryt sollen liefern 43,326 Wasser; es ist aber im Maximo 45,69 und im Minimo 45,209 Wasser, also im ersten Falle 537, im andern 1,889 Milligramme zu vie1 erhalten worden; das letztere

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macht, auf 673@$29 Barytsalz berechnet, 127,2808 Was- ser aus, d. h. iiber ein Atom Wasser, oder die darin enthaltenen 2 At, Wasserstoff aus. (Man sehe: Hand- wbrterbuch der Chemie, von P o g g e n d o r f f und L i e - b i g , Artikel: JJ Organische Ana1yse.e)

Aus der Analyse des amygdalinsauren Baryts erge- ben sich fur die Zusamrnensetzung der darin enthaltenen Saure folgende Verhaltnisse:

In’ 100.

40 At. Kohlenstoff 3057,4110 52,879 52 - Wasscrstoff 325,469 5,613 24 - Sauerstoff 2400,000 41,508

1 At. Amygdalinsaure 5781,549.

W i r haben gesucht aus der Quantitat von amygda- linsaurem Baryt, welche man aus einer bekannten Menge Amygdalin erhglt, das Atomgewicht des Amygdalins zu bestimmen, urn damit die Zusamrnensetzung des letzteren zu controliren, welche sonst, da dieser Kiirper, auker mit Wasser, keine Verbindung eingeht, in der Form, wie wir sie friiber gegeben haben , unverbiirgt dasteht.

Man lbste zu diesem Zwecke eine abgewogene Menge wasserfreies Amygdalin iu reinem Barytwasser auf, kochte diese Auflosung so lange, als noch eine Spur von ent- weichendem Amrnoniak durch Kurkurnapapier bemerkbar war, leitete, um den uberschussigen Bnryt zu entfernen, kohlensaures Gas hindurch, kochte die Fiiissigkeit, urn den gebildeten sauren kolilensauren Baryt zu zersetzen, und dampfte die von dexn Niederschlage getrennte Fius- sigkeit bis zur Trockne ab. Der t r o c h e Ruckstand wurde so lange in einer Temperatur von 180° bis 190° erhalten, als noch eine Gewichtszunahme bemerklich war. Auf diese Art lieferten 1,357 Grm. Amygdalin 1,592 amyg- dalinsauren Baryt. W e n n man nun hieraus berechnet, wie vie1 Amygdalin erforderlich ist, urn 6738,829 = 1 At. amygdalinsauren Baryt zu bilden, so erhalt man 5744,09,

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und diese Zahl mufs 1 At. Amygdalin ausdrticken; das bcrechnete Atomgewicht ist nun 5771,465, nnd beide Zahlen sind einander nahe genug, um iiber die Richtig- keit des letzteren jeden Zweifel zu verbannen.

Die Amygdalinsaure erhalt nian leicht durcli vorsich- tiges Fallen des Barytsalzes vermittelst verdunntcr Schwe- felsaure; es ist eine schwach saure Flussigkcit, die im MTasserbade zu einem Syrup, zuletzt zu einer gummiar- tigen Masse austrocknet. Llifst man die concentrirte SYure liingere Zeit an einem warinen Orte stehen, so bemerkt lo'an Spuren von Krystallisatiou; sie zieht aus der Luft mit Begierde Fcuclitigkeit an, und zerflie€st; ist in kel- tein nnd kochendem absoluten Alkohol unliislich, in wlifs- rigem liist sich eine kleine QuantitYt; sic ist ebenfalls uu- lbslich im Aether.

W e n n inan dTe Siiure mit fcin gepulvertcm Mangan- hyperoxyd kocht, so erleidet sie keine VerYnderung; setzt man aber der Mischung ctwas ScliwcfelsVure zu, so geht bei der nestillation Ameisensaure , Kohlensaurc nnd Bittermandelol iiber, und die Bildung des letztcren scheint zu beweisen, dak dieser Koryer auch in dicser Szure fertig gebildet vorhandcn ist.

Die namliclie Zersctzung erlciclen alle amygdalinsau- ren Salze. Keines von denen, die vvir darzustellcn such- ten, ist unloslich oder schwerliislich, bis auf ein Bleisalz, was man erhalt, wenn man eine Auflijsung eines ande- ren lbslicheii anygdaliiisauren Salzes init essigsaurem Blei- .oxyd verrnischt , und einen Ueberschufs von Ainriioniak zusetzt. Man erhalt einen weifsen Niederschlag, der sicli aber beim Auswascheii iiach und nacli aufliist; da er, auch mit aller Vorsicht ausgewaschcn, eine bemerkliche .Menge kohlensaures Bleioxyd enthielt , so wurdc seine Zusainmensetzung nicht weiter untersucht.

Bei der Fallung von Barytsalz mit scliwefelsaurem Silberoxyd fie1 der gebildete schwefelsaure Baryt mil brau-a

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ner Farbe nieder, welche noch dunkIer wurde, benu marl die Mischung erwarmte; sie riihrte von metallischem Sil- ber her. Man bemerkte hierkei einen eigenihumlichen Geruch, welcher mit dem der Ameisensiiure einige Aehn- lichkeit hatte.

Die Zusammensetzung des Amygdalins und die der Amygdalinsaure bestatigen sich wechselsweise, und aus den Formeln, zu deneu wir gelangt sind, 1YLt sich die Bildung der letzteren leicht entwickeln. Die Amygdalin- saure enthiilt 2 ,4t. Sauerstoff mehr und 2 At. Wasser- stoff weniger als wie das Aiq-ygdalin; fugt man den Be- standtheilen der AmygdalinsYure 2 At. WAsser hinzu und nimmt 2 At. Ammouiak hinweg, so blcibt 1 At. Amyg- dnlineaure:

N 2 C , 0 H s , 0 2 2 3 - H , 0 , --N2 H 6 = C 4 0 H , 2 ° , 4 *

W e n n man sich dhs Amygdalin als eine Verbilldung dcnkt ron Blaustiure N, C, H, mit einem anderen Kar- per C3, H, , 0,,, und man nimmt an,:dafs durch die Einwirlrung des Alkalis die Blausaure , bci Hinzutreten von 3 At. Wasser, in Arnmoniak und Ameisensaure zer- fallen ware, so wiirde Amygdalinsaure als aus h e i s e n - saure C , H 2 0 , und dem Korpcr C,,H, ,OZ2 zusam- mengesetzt betrachtet werden konnen, von welcher Ver- binduog die Bnsen 1 At. Wasser abscheiden.

C 2 H , O3 +C38 H 5 2 02!?,-HZ O6c40 0 2 4 -

Nachdein wir in deln Vorliergehenden alles atif die Ziisrrmmensetzung dcs Amygdalins bezugliche auseinander- geselzt haben, wollen wir nun die mcrkwiirdige' ZFr- setzung niiber betrachtea, welchc das Amygdalin d u d die Einwirkung des Emulsins erfrhrt.

W i r k u n g des E m u l s i n s raf Amygdaf ia .

W e n n man eine Auflbsung von Amygdalin mit ei- ner Emulsiou von stifsen Mandelu zusammenbringt , so bemerkt mau augenblicklich den eigenthulnlichen Geruch

360 der Blaushre, welcher noch zunimlnt, wenn man die Mischung gelinde erwarint. Vcrsetzt man die Flussig- kcit mit einem Eisensalz, fugt Ammoniak und sodaiin Salzsanre hinzu, so lafst sich die Gegenwart der Blau- sarire aus dem entstehendcn Berlinerblau noch deutlicher nachweiseo. Wenn diese Mischung nun zum Siedcn er- vrarmt wird, so wird die Fliissigkeit dick, kleisterahn- lich, und mit den Wasserd5mpfeii destillirt eine reichliche RIenge blaus5urehaltiges Bittermandelol fiber. Dasselbe findet mit einer Emulsion von bittern Mandeln statt, der man kein Amxgdalin zugesetzt hat.

Ails diesem Versuclie geht hervor, dafs in dem Au- genblick, in welchem das Einulsin der Mandeln durch Hinzulreten voii Wnsser aufliislich wird, eine Zersetzung des Amygdalins erfolgt.

W i r haben durch Zusammenbringen dcs Arnygdnlins mit dell1 vegetabilischcn Eiweifs der Erbscn, Bobnen und einer grofsen Zahl verschiedener PflanzensYfte, selbst niit dcm Laab des Kvlberinagens die nzulliche Zersetzung her- vorzubririgen gesucht, aber in keinem einzigen Falle hat es eine VerYnderung erfahren, worms zu folgen scheint, als ob diese Wirkung dem Eiweifs der Mandeln allein angehiire.

Um die Wirkung des EmuIsins genauer, als wie es d u d eine Ernulsion von Mandeln. geschehen kann, stu- diren zu kiinnen, haben wir diq Mandeln von allem fet- ten Ocl durch hBel~andlung mit Aether befreit ; man weifs, d a b der Ruckstand sich beinahe ganzlich im Wasser auf- liist , und eine farblose schwach opalisirende Fliissigkeit bildet; iiber 60" bis 70" erhitzt, trubt sie sich bekannt- lich, und bei 100" gerinnt sie zii einem dicken kleister- artigen Coagulum, welches seine Auflihlichkeit im Was- ser domit verloren hat. Diese Fliissigkeit, wir nennen sie ErnulsiizaufZ6sung, erlitt, aIs man eine gewisse Por- !ion Alnygdalin in der Kalte darin aufloste, dem An- schein nach keine Veranderung; nor der starke Geruch

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nach Blausiure, der sich augenblicklich entwickelte, gab die vorgegangenc Zersetzung zu erlrennen; sie wurde et- was mehr opalisirend, es schied sich aber kein atheri- scbcs Oel ab. Bei der Deslillation dieser Auflosung wurde aber, wie bei Anwendung einer Einulsion, eine reichlichc Quantitat atherisches Ocl gewonneu , wobci das Emulsiu in dicken weifsen Flocken geraun. Weder durch die Vermehrung dcs Amygdalins noch der Emul- sinaufliisung konute eine Abscheidung von Oel in der Kiilte bewirkt werden; es ist deinnacli klar, dafs die Zer- setzung des Amygdalins cine gewissc Grlinzc haben tnuCs iiber welche hinaus keine wcitere Verlndcrung erfolgt. W i r haben gefunden, dafs fiir dieselbe Quatititat EmuI- sinaufI8sung bei ungleichen Mengen Ainygdalin, die man ihr zugesetzt batte, die Menge des durch Destilkion zu erhaltenden athcrischen Oels sehr nnhe gleich war, dafs man also aus der Menge Ainygdalin keineswegs eine ent- sprechmdc Menge mehr Oel bekain.

Wurde zu zwei glcichen Pvlengen Ainygdalin eine ungleicbe Menge Einulsinanfliisung gesetzt, so bekain man, je nach dern VerhSItnifs der letztereu, eine griifsere Aus- beute an Oel. Hieraus schien hervorzugehen, dafs die Quantitat des Oels, mihin die Menge des zersetzten Amygdalins, von der Mcnge des Emulsins abhlingig sey. Allein sehr bald uberzeugten wir uns von der Unriclitig- keit dieses Schlusses; wir bemerkten nlmlich, dafs die Meiige des iitherischen Oels von zwei an Gehnlt glei- cben Mischungen bis zu einem gewissen Grade in der einen ebenfalls zunahm , welche mit Wasser verdunnt worden war.

Die Menge des Wassers ist demnacb eine Bedin- gung zur Zersetzung des Amygdalins, und da sich, wie schon bernerkt, auf keinerlei Weisc ohne nestillation aus diesen Mischungen OeI abschied, so scbeint die Auf- 16slichkeit des Oels in der Flussigkeit, worin die Zer- setzung vor sicb geht, die Grsnze dcr Zersetzung des

36% Amygdalins zii bedingen. Wenu also weniger Wasser vorhanden ist, als das sich abscheidende Oel zu seine: Aufliiwng bedarf, so bleibt Alnygdalin unzersetzt.

Wir haben ferner gefunden, dafs voii zwei Mischun- gen von Amygdalin mit Einhlsinaufliisung von der eineii, ivenii sie sogleich nach der Aufliisung des ersteren destil- l irt wird, weuiger Oel erhalten wurde, als von der an- dern, die man 5 bis 6 Stunden eiuer Temperatur von 30° bis 40° in einem verschlossenen Gefafse ausgesetzt hatte.

Eiii gewisser Zustand des Emulsins ist auf die Zer- setzung des Aiiiygdnlixis voii dern entscheidendsten Einflufs.

Eine Emulsion von siifsen Mandeln, welclie man zum Siedcu, also bis zur Coaguliition dcs Emulsins, erhitzt lint, briugt in dcr Aufhsung des Amygdalins niclit die i;erint;ste Aenderiiitg hcrvor; ebeii so wenig Wirkung zcigt ciiie durcli Sieden ver~ntlerte Einulsinaufliisung.

W e n n i t i i in gctrocknete und fein pulverisirte bittere Maiideln in kochendes Wasser schiittct und destillirt, so erllslt man ebcnfalls keiiie Spur von fliiclitigein Oel. Dem- nach wird die Zcrsetzung nur durch Eniiilsin in dem aufd liislichen Zustand hervorgebraclit, in welchem es in den &~aiiddlii cnthalten ist.

Man weirs, d d s cine Einulsinaufliisung durch Wein- geist in dickeii weifsen Flocken gefallt wird. Diese Flok- ken losen sich in kaltein Wasser, selbst ivenn sie vor- her getroclinet warcn, leicht und 9ollst;indig mieder auf, und diese Aufliisring besitzt ganz die nSmlichc Wirkung auf das Ainygdalin , wic cine frische Emulsinauflilsung.

Diese mwkw urdigc I<igcnscliaft des Emulsins wird dernnach durch kalten Alkohol nicht aufgeboben. Ge- palverte bittere Mnndeln kanii man von allem Amygda- liu durch Digestion init Weingeist in der Kaltc vollkom- 111~11 befreien, in der Art, dafs der Ruckstand, mit Was- ser befeuchtet, riicht inehr den geringsten Geruch nach BIaasiiure uichr eutwickelt. Wenn nun die weingeistige

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Fliissigkeit von allem Alkohol durch Destillation befrcit wird, und iqan bringt die ruckstandige Fliissigkeit wit ded ausgewaschenen Mandeln zusammen, SO entstcht so- gleich Geruch nach BlausYure, und durch Destillation erhalt man atherisches Oel. W e r d e n aber die bittern Mandeln mit kochendem Weingeist behandelt, so hat der Riickstand die Fahigkeit, das Amygdalin zu zersetzen, veiloren; eine Erfalirung, welche schon die I-IH. R o b i - q u e t und B o u t r o n - C h a r l a r c l geinacht haben.

Diese Versuche beweisen, wic wir glauben, zur Ge- niige, dafs das Amygdalin in den bittern Mandeln fertig gebildet entlialten scyn mufs, und dafs Hrn. R o b i q u e t kein flilchtiges und uugreifbares Princip e n t g a n p ist, auf dessen Vorhandenseyn oder Entweichen die Uildung des fliichtigen Oels beruht.

Bittermandel61 und Blnusaure sind nirht allein die eiiizigen I'roducte der Zersetzung des Amygdalins. Wir liaben Emulsin , welches aus der wsfsrigen huflijsnng durch Weingeist gefdlt und sorgfaltig ausgewaschcn war- den war, in Wasser gclirst, und diesc Aufldsung an ei- nen warmen Ort gestcllt;, es w i d e n derselben nach und nach in kleinen Porlionen Ainygdalin zugesetzt, bis man bei dem letzten Zusatz Ireinen Geruch nach Blaussure mehr bemerkte. Nachdem man etwa in einem Zeitraume von S l'agen das zehnfache Gewicht des Emulsins an Amygdalin dainit zusatnmcngebracht hatte, schien alle Zersetzung aufzuhiiren ; nachdem durch Verdampfung der Fliissigkeit in sehr gelinder WHrme aller Geruch auf's Vollstiindigste verschwnndcn war, hatte man eine syrup- dicke Fliissigkeit, welche rein siifs schmeckte, und zwar betrug die Menge des eingetrockneten Riickstandes z u n wenigsten das Vierfache dcs angewendeteu Emulsins.

Wir haben diesen Versuch auf das Sorgfaltigste wie- derholt: stets war die Erzeugung des Znckers das Re- sultnt dieser sonderbaren Zersetzung; wen4 der syrup- dickc Ruckstand eine Zeit lang stehen gelassen wurde,

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so biIdete er kleiiie barte Krystalle, so daCs es dernnach scheint, als ob die hier gebildete Zuckerart nichts an- deres war als gewiihnlicher Robrzucker. W e n n man den niit Wasser wieder aufgeliisteu Ruckstand n i t etwas Hefe versetzte, so gerieih er in eine sturmische Gahrung, und aus der gegohrenen Flussiglrcit gelang es uns, Weingeist diirch Destillation abzuscheiden. Die Bildung desselhen reicht hin, uin die Thatsacbe dcr Bildung oder Abschei- dun;; von Zucker aufser Zweifel zu stellen.

Aufser dem Zuclier wird aber noch eine andere Sub- stnnz gebildet, vielleicht noch zwei, iiber deren Natur wir zu keiucin geniigrnden Aufschlufs gelangt sind.

Die nach Zcrslariing des Zuckers durch Gahrung iibrig bleibcnde Flussigkeit reagirt aber stark sauer, und dirse Reaction riifirt nicht von Essigssure oder einer an- dercn fluchtigen Satire ber; sit! wird ferner, bei einiger Coiicrniraiion Y O U Weiugeist, in aiclren wcifsen Flok- ken gefiillt, welche kcin Einulsin mchr waren, da sic, im Wasser geliist, auf Ainygdalin keine Wirkung hat- ten: nach allen ihren Eigenschaften koinmt diese Materie iiiit dein Guinini iibercin. W i r glauben sie als veran- dertes Einulsin betrachlen zu miissen. Die geringe Mcnge Emulsin, welclie verh3llnifsinlfsig el forderlich ist, uin das Zerfallen des Amygdaliiis in die erwshnten Producte her- horzubringen, so wie dcr gnnze Vorgang clieser Zcrsetzung zeigen, dais man cs mit kciner gcwviihulichen 'chemischen Wirkung hiebei zu t h u n habe; eine gewisse Aehnlichkeit besitzt sie mit der Wirkung der Hefe awf den Zucker, welche B e r z e 1 i u s einer eigentbumlichen Kraft, der ka- talytischcn Krnft , zuscbreibt.

Die ganze Entwicklung der Zersetzung lafst sicb nur durch eine neue und genaue Untersuchung des Emulsins und der anderen ncben der Blauszure, dern Benzoylwas- serstoff und dem Zucker entstehenden Producte des Amyg- dalins erwarten; eine Untersuchuog, die uns aber mehr Schwierigkeit dargeboteu hat, als wir anfangs glaubten,

365 so dafs wir uns vorlaufig mit der Bekanntmacliung dcs Gefundenen begniigen niufsten ; vielleicht dafs hierdurcli auch andere Chemiker bestimmt werdcn, sich mit diesen Gegenstanden zu beschlftigen.

Nach seiner Zusainlncnsetzung enthielt das Amygda- lin die Bestandtheile von:

N. c. H. 0. 2 At. Blausaure 2 2 2 2 - Bitterinandelijl 2s 21 4 1 - Zucker 6 10 5 2 - AmeisensYure 4 4 6 1 - Wasser 14 7

~~

2 40 54 22.

Man weifs, dafs die Bliitter des Kirsclilorbeers, wenn man sie der Destillation unterwirft, ein Oel und ein dc- stillirtes Wasser oon 'dem namlicheu Gehalt an Blaussurc und Benzoylwasserstoff liefern, als wie die bittern Man- deln, und es lag mithin sehr nahe, zu untersuchcn, ob diese Producte in einer aliulichen Form darin ent1i;rlten warm. W i r haben eine betrachtliche Menge BlZttcr un- zerschnitten mit Alkohol digerirt und ziiletzt gckocht, und erhielten eine griine Lilsung, wahrend die Blatter braun wurden; bei der Destillation lieferte die weingeistige Fliis- sigkeit ein Destillat, welches nach Blausiiiire roch, nbcr es gelang nicht, Amygdalin daraus krystallisirt zu. erIinI- ten. W e n n man den Auszug bis zur Entfcrnung alles Weingeistes verdampfte, und ihn jetzt mit einer EmuI- sion von siifsen Mandeln vermischte, so entstand soglrich Geruch nach Blausiiure, und bei der Destiilation gin% Benzoylwasserstoff und Blausaure fiber. Diese Erfah- rung inacht die Existenz von Ainygdalin in den Blattern des Kirschlorbeers wahrscheinlich ; durch welche Mate- rie aber hierin seine Zersetzung bedingt wird, inufs wei- teren Versucben iiberlassen bleiben.

Die Bildung des atherischen Senfills steht in sehr

366 inniger Beriihrung zu dcr des Bitfermandeliils; man weirs, daL der voin fetten Oel befreite Sainen keinen Geruch besitzt; dafs die Gegenwart von Wasscr 3iif seine Ent- stehung einen entschicdencn Einflufs hat; dafs die Sa- men, mit Weingcist behandclt , die Fabigkeit, fluc!itigcs Oel zu liefern, vcrlieren; in dieser Beziehung wiire eiiic! n Shere Untersuchung von grofsein Interesse.

W i r halten es fur .cvahrscheinlich, dafs es fiir Aspa- mp’n, Caffch, IIul-nsfoff iihnliche Kbrper gicbt, wclche sich zu tlcnsclben Zhnlich verhnlten, wie das Einulsiii zu dein Amygdalin; Jeder , der sich mit dcr I)arstellung drrselben beschsftigt, hat sichcr, wie wir, die Erfalirnng geinacht, dafs bei v e b d e r t c n Darstellungsweiseii, diese Stoffe un ter den Hiindcn verschwinden, ohne daG ihre Gcgenlyart in eincin der anderen Producte nachweis- bar ist.

XI. Vorschlng zur Eirtjiihrung eines neuen A r z - nr>imitteZs a n s t n t t des d e s M i r t m Kirsclilor- beer - und E;tterrrrnntleZvassel.s ;

oon F. W i i h l e r urd J. L i e l i g .

D a s destillirte Bitterinandel- und Kirsclilorbeerwasser werden in dcr neuercn Zeit als sehr wichtige Arzneimit- tel betrachtet, und von den Aerzten in zahllosen Fslten mit Erfolg als die passendste Form austatt der medici- nischen Blansaure angewendet. Es herrschen iibrigens unter deli Aerzten manche Vorurtheile hinsichtlich der Idcnlitat beider Wgsser, namentlich wird von vielen das Kirschlorbeerwasser dein Bittermandelwasser, als in sei- ner Wirkung, iind mithin in seinem Gehslte constanter, vorgezogen. Diels beruht aber lediglich in einer Ver- schiedenheit, welche das Eittermandelwasser durch die Art seiner Darstellung erst crhYlt.