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ZEITSCHRIFT FOR CHEMIE Herausgeber : Im Auftrage der Chemischen Gesellschaft in der Deutschen Demokratischen Republik Prof. Dr. H. Dunken, Prof. Dr. L. Kolditz, Prof. Dr. E. Profft Dnter Mitarbeit von Prof. Dr. H. Beyer, Prof. Dr. R. Geyer, Prof. Dr. H. Grohn, Prof. Dr. R. Havemann, Prof. Dr. S. Herzog, Prof. Dr. H.-A. Lehmann, Prof. Dr. S. Rapoport, Prof. Dr. a. Rienilcker, Prof. Dr. G. Schott und Prof. Dr.-Ing. K. Schwabe ~~~~~ ~ ~ 2. JAHRGANG * 1962 - HEFT 11 Uber die Chemie der Hydrazine heterocyclischer 5-Ringe '1 Von H. Beyer und E. Bulh Institut fur Organische Chemie der Emst-Moritz-Arndt-Universitiit Greifswald Im Hinblick auf die vielseitige Verwendbarkeit des Phenylhydrazins beschaf tigen wir uns im Rahmen unserer Untersuchungen iiber Thiazolylhydrazine seit mehreren Jahren auch mit den Synthesen und dem reaktiven Verhalten von Hydrazinen anderer hetero- cyclischer 5-Ringsysteme. Es sol1 daher hier ein allge- meiner Oberblick iiber die erzielten Resultate gegeben werden. Zur Darstellung heterocyclischer Hydrazine kommen allgemein folgende drei Methoden in die nahere Wahl : a ) Diazotierung primarer Amino-Heterocyclen und Reduktion der Diazonium.sa1ze In Analogie zur Darstellung des Phenylhydrazins durch E. Fischer [l] sollte man bei der Synthese hete- rocyclischer Hydrazine zunachst an die Diazotierung eines heterocyclischen primaren Amins und die an- schliel3ende Reduktion des Diazoniumsalzes denken. Dieses Verfahren ist j'edoch auf aromatische Hetero- cyclen nur sehr bedingt anwendbar, wie entsprechende Versuche, z. B. mit 2-Amino-thiazolen [2], zeigen, da hierbei statt der Diazotierung haufig eine Nitrosierung in 5-Stellung erfolgt und auSerdem die Reduktion der Diazoniumsalze nur selten mit guter Ausbeute gelingt. b) Nucleophiler Austausch geeigneter Substituenten mit Hydrazinhydrat Bessere Aussichten auf Erfolg bietet der nucleophile Austausch eines Halogen-Atoms, einer Mercapto- bzw. Alkylmercapto- oder Sulfo-Gruppe gegen den Hydra- zin-Rest. Allerdings fiihrt auch diese Methode nicht immer zum Ziel, sondern ist stark von dem betreffen- den Ringsystem und den an ihm haftenden Substitu- enten abhiingig. Hinzu kommt, daB beispielsweise die Halogen-Derivate des Thiazols relativ schwer zugang- lich sind und nur in wenigen Ausnahmefiillen einen nucleophilen Austausch gegen die Hydrazin-Gruppe I) Nach einem Plenervortrag, gehalten von H. Beyer auf der Jahres- hsuptversammlung der Chemischen Gesellschaft in der Deutscheu Demo- kratiachen Republik am 23. 11.1961 in Leipzig. 42 Z. Chem., 2. Jg., Heft 11, 1962 eingehen. Interessant ist die Beobachtung von Prijs und Mitarbeitern [3], die bei der Umsetzung von 2-Brom-5-carbathoxy-thiazol mit Hydrazinhydrat das 5-Carbathoxy-thiazolyl-( 2)-hydrazin erhielten, ohne daB dabei das Saurehydrazid entsteht. H--,l--N c) Spezielle cyclisierende Kondensation Fur die Darstellung der Thiazolyl-( 2)-hydrazinekam dariiber hinaus noch ein spezieller Syntheseweg in Be- tracht, bei dem die Hydrazin-Gruppierung nicht erst nachtraglich in die Thiazolmolekel eingefiihrt wird, sondern bereits in der einen Ausgangskomponente vor- handen ist. Thiazole werden meist nach der Hantzsch- schen Synthese dargestellt, indem man eine &-Halogen- carbonylverbindung rnit einem Thioamid umsetzt. Auf diese Weise bilden sich z. B. mit Thioharnstoff die 2-Amino-thiazole [4]. Analog miil3ten mit Thiosemi- carbazid als Thioamidkomponente die Thiazolyl-( 2)- hydrazine entstehen, jedoch wird die Reaktion da- durch kompliziert, da13 die Molekel nicht symmetrisch gebaut ist. Je nachdem, ob das N4-, N,- oder N,-Atom . des Thiosemicarbazids den Ring schlieflt, sind theore- tisch drei Endprodukte zu erwarten, und zwar Thia- zolyl-(2)-hydrazine (Ia), 3-Amino-thiazolon-(2)-imide (IIa) und 2-Amino-l,3,4-thiodiazine (IIIa). R- -N-NH, RTJ(,.J=NH Ia 111 a I1 8 H 321

Über die Chemie der Hydrazine heterocyclischer 5-Ringe

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Page 1: Über die Chemie der Hydrazine heterocyclischer 5-Ringe

ZEITSCHRIFT FOR CHEMIE Herausgeber : I m Auftrage der Chemischen Gesellschaft in der Deutschen Demokratischen Republik

Prof. Dr. H. Dunken, Prof. Dr. L. Kolditz, Prof. Dr. E. Profft

Dnter Mitarbeit von Prof. Dr. H. Beyer, Prof. Dr. R. Geyer, Prof. Dr. H. Grohn, Prof. Dr. R. Havemann, Prof. Dr. S. Herzog, Prof. Dr. H.-A. Lehmann, Prof. Dr. S. Rapoport, Prof. Dr. a. Rienilcker, Prof. Dr. G. Schott und Prof. Dr.-Ing. K. Schwabe

~~~~~ ~ ~

2. JAHRGANG * 1962 - HEFT 11

Uber die Chemie der Hydrazine heterocyclischer 5-Ringe '1 Von H. Beyer und E . Bulh

Institut fur Organische Chemie der Emst-Moritz-Arndt-Universitiit Greifswald

Im Hinblick auf die vielseitige Verwendbarkeit des Phenylhydrazins beschaf tigen wir uns im Rahmen unserer Untersuchungen iiber Thiazolylhydrazine seit mehreren Jahren auch mit den Synthesen und dem reaktiven Verhalten von Hydrazinen anderer hetero- cyclischer 5-Ringsysteme. Es sol1 daher hier ein allge- meiner Oberblick iiber die erzielten Resultate gegeben werden.

Zur Darstellung heterocyclischer Hydrazine kommen allgemein folgende drei Methoden in die nahere Wahl :

a ) Diazotierung primarer Amino-Heterocyclen und Reduktion der Diazonium.sa1ze

In Analogie zur Darstellung des Phenylhydrazins durch E . Fischer [l] sollte man bei der Synthese hete- rocyclischer Hydrazine zunachst an die Diazotierung eines heterocyclischen primaren Amins und die an- schliel3ende Reduktion des Diazoniumsalzes denken. Dieses Verfahren ist j'edoch auf aromatische Hetero- cyclen nur sehr bedingt anwendbar, wie entsprechende Versuche, z. B. mit 2-Amino-thiazolen [ 2 ] , zeigen, da hierbei statt der Diazotierung haufig eine Nitrosierung in 5-Stellung erfolgt und auSerdem die Reduktion der Diazoniumsalze nur selten mit guter Ausbeute gelingt.

b ) Nucleophiler Austausch geeigneter Substituenten mit Hydrazinhydrat

Bessere Aussichten auf Erfolg bietet der nucleophile Austausch eines Halogen-Atoms, einer Mercapto- bzw. Alkylmercapto- oder Sulfo-Gruppe gegen den Hydra- zin-Rest. Allerdings fiihrt auch diese Methode nicht immer zum Ziel, sondern ist stark von dem betreffen- den Ringsystem und den an ihm haftenden Substitu- enten abhiingig. Hinzu kommt, daB beispielsweise die Halogen-Derivate des Thiazols relativ schwer zugang- lich sind und nur in wenigen Ausnahmefiillen einen nucleophilen Austausch gegen die Hydrazin-Gruppe

I) Nach einem Plenervortrag, gehalten von H . Beyer auf der Jahres- hsuptversammlung der Chemischen Gesellschaft in der Deutscheu Demo- kratiachen Republik am 23. 11.1961 in Leipzig.

42 Z. Chem., 2. Jg., Heft 11, 1962

eingehen. Interessant ist die Beobachtung von Prijs und Mitarbeitern [3], die bei der Umsetzung von 2-Brom-5-carbathoxy-thiazol mit Hydrazinhydrat das 5-Carbathoxy-thiazolyl-( 2)-hydrazin erhielten, ohne daB dabei das Saurehydrazid entsteht.

H--,l--N

c ) Spezielle cyclisierende Kondensation Fur die Darstellung der Thiazolyl-( 2)-hydrazine kam

dariiber hinaus noch ein spezieller Syntheseweg in Be- tracht, bei dem die Hydrazin-Gruppierung nicht erst nachtraglich in die Thiazolmolekel eingefiihrt wird, sondern bereits in der einen Ausgangskomponente vor- handen ist. Thiazole werden meist nach der Hantzsch- schen Synthese dargestellt, indem man eine &-Halogen- carbonylverbindung rnit einem Thioamid umsetzt. Auf diese Weise bilden sich z. B. mit Thioharnstoff die 2-Amino-thiazole [4]. Analog miil3ten mit Thiosemi- carbazid als Thioamidkomponente die Thiazolyl-( 2)- hydrazine entstehen, jedoch wird die Reaktion da- durch kompliziert, da13 die Molekel nicht symmetrisch gebaut ist. Je nachdem, ob das N4-, N,- oder N,-Atom . des Thiosemicarbazids den Ring schlieflt, sind theore- tisch drei Endprodukte zu erwarten, und zwar Thia- zolyl-(2)-hydrazine (Ia), 3-Amino-thiazolon-(2)-imide ( I Ia) und 2-Amino-l,3,4-thiodiazine (IIIa).

R- -N-NH, RTJ(,.J=NH

Ia

111 a

I1 8 H

321

Page 2: Über die Chemie der Hydrazine heterocyclischer 5-Ringe

Tatsachlich liel3cn sich in Abhlingigkeit vom jewei- ligen pH des Reaktionsmediums Vertreter aller drei Verbindungstypen isolieren [ 5 ] , [6], [?I.

Bei der Kondensation von aliphatischen &-Halogen- ketoverbindungen mit Thiosemicarbazid in neutraler Losung bildet sich zunilchst das S-Ketonyl-isothiosemi- carbazid (A), das beim Erwarmen in alkoholischer Losung in das 2-Amino-l,3,4-thiodiazin ( I I Ia) bzw. beim Erhitzen mit konz. Salzsaure in das 3-Amino- thiazolon-(2)-imid (IIa) iibergeht. Bei der Umsetzung von A mit Benzaldehyd in alkoholischer Losung ent- steht das Thiazolyl-(2)-hydrazon (IVa) [ b ] .

Nimmt man die Kondensation der Komponenten dagegen in I-2n Salzsaure vor, so 1aBt sich das ent- sprechende or-Halogenketon-thiosemicarbazon (B) als erstes Reaktionsprodukt isolieren. Dieses schlieBt wiederum beim Erwarmen in Athano1 den Ring zu I I Ia , beim Einwirken von konz. Salzsaure zu Ira , und bei der Umsetzung mit Benzaldehyd bildet sich das Thiazolyl-(2)-hydrazon (IVa) [6], [7].

R-C=O

I + R’-CH

rnolekularen Umhgerurqen der drei Endprodukte. Diese Reaktionen sind stark von den Substituenten abhlingig. Bei aliphatischen Substituenten gehen die 2-Amino-I, 3,4-thiodiazine (I11 a) durch Ringver- engung in die 3-Amino-thiazolon-(2)-imide ( I Ia) uber. Ebenso bilden sich aus den Thiazolyl-( 2)-hydrazonen (IVa) beim Erhitzen mit konz. Salzsaure unter Hydro- lyse und anschlieBender Umlagerung die 3-Amino- thiazolon-( 2)-imide (IIa). Letztere mussen in diesen Fallen a19 das stabilste Ringsystem angesehen werden.

Anders liegen die Verhaltnisse bei den aromatisch substituierten Verbindungen, z. B. erweist sich das 2-Amino-5-phenyl-l , 3,4-thiodiazin (IIIa, R = C,H,, R‘ = H) als die in stark saurem Medium bestandigste Verbindung. In der aromatisch substituierten Reihe ist sogar die umgekehrte Tendenz zu beobachten. Wir konnten beispielsweise feststellen, da13 sich die 3-Ami- no-4-phenyl-thiazolon-(2)-alkylimide (IId) und 3-Al- kyl-4-phenyl-thiazolon-( 2)-hydrazone (IVd) beim Er- hitzen mit konz. Salzsaure unter Ringerweiterung in

HN It C-NH-NH,

I I R-CH C=NH

I I/ R ’ 4 H C-NH-NH,

f CIHI-CHO - 2 H,O

Benzaldehyd-[thiazolyl-(2)]- hydrazon

(IV a)

Es zeigt sich also, dal3 die direkte Kondensation von Thiosemicarbazid mit or-Halogencarbonylverbindungen bevorzugt zur Bildung von Derivaten des Typs I I a oder I I Ia fiihrt und daher nicht generell zur Darstel- lung von Thiazolyl-( 2)-hydrazinen (Ia) geeignet ist, da sich diese nur in Form der Hydrazone (IVa) abfangen lassen. Eine Ausnahme bildet lediglich die Umsetzung von n-Chlor-acetessigester mit Thiosemicarbazid, bei der unter bestimmten Bedingungen das 4-Methyl-5- ~arblit~hoxy-thiazolyl-( 2)-hydrazin direkt isolierbar ist P I .

Eine weitere Tatsache verdient in diesem Zusammen- hang besondere Erwfihnung, und zwar sind dies die bei Einwirkung von konz. Salzsaure erfolgenden intsa-

3-Amino-thiazo- lon-( ‘L)-imid

(11 a)

2-Amino-1, 3,4- thiodiazin

(I11 a)

die 2-Alkylamino-5-phenyl-l,3,4-t~hiodiazine (IIId) umlagern.

C8H6-- ---N-R 11111 HLSj=N-NH,

IV d R = Alkyl Dieses Problem ist zur Zeit Gegenstand eingehender Untersuchungen [9].

322 2. Chom., 2. Jg., Heft 11, 1902

Page 3: Über die Chemie der Hydrazine heterocyclischer 5-Ringe

1. Darstellung heterocyclischer Hydrezine 1.1. Thiazolyl-, Selenazolyl- und Oxazolyl-hydrazine

1.1.1 Thiazolyl-(2)-hydrazine Um nach der Hantzsehschen Synthese Thiazole rnit

eindeutiger Hydrazinstruktur zu erhalten, setzten wir zuniichst Thiosemicarbazone als Thioamidkomponen- ten zur Kondensation mit a-Halogencarbonylver- bindungen ein. Auf diese Weise gelang es, eine groDere Anzahl von Aldehyd- und Keton-hydrazonen der Thiazolyl-(2)-hydrazine darzustellen [7], [lo], [ll].

R-C=O HzN I /," Rp-bH + C--NH-N=C \x sy \,</,

- -HX, -HS0 --f 'R,'-(s,-NH-N=C R-1 --$; /,"

\,/,, IVa

Versuche, aus diesen Thiazolyl-( 2)-hydrazonen (IVa) durch saure Hydrolyse die betreffenden Thiazolyl- (2)-hydrazine ( Ia ) zu gewinnen, schlugen in den mei- sten Fallen fehl. Zwar war der Aceton-Rest in den Ace- ton- [thiazolyl- (2) ]-hydrazonen hydrolytisch leicht ab- spaltbar, aber die dabei entstehenden, in 4- oder(und) 5-Stellung aliphatisch substituierten Thiazolyl-( 2)-hy- drazine (Ia) weisen, wie bereits erwahnt, in saurem Medium eine ausgepriigte Tendenz zur intramoleku- laren Umlagerung in die strukturisomeren 3-Amino- thiazolon-( 2)-imide (IIa) auf.

/CH3

\CH, R'-,s/-NH-N=C "B-7

IV &

It3 R-- -N-NH,

mj Rf-ll /=NH \S II &

Demgegenuber lassen sich die N'-Acetyl-N-thiazo- lyl-( 2)-hydrazine (Va), die aus I-Acetyl-thiosemicarb- azid und den a-Halogencarbonylverbindungen zu- ganglich Bind, unter sehr milden Bedingungen spalten, ohne daD dabei Umlagerungen beobachtet werden.

Va

I a

Damit war ein allgemein anwendbares Verfahren gefunden, nach dem eine Reihe von Thiazolyl-(S)-hy- drazinen dargestellt wurde [7], [8], [lo], [12].

1.1.2. Selemzolyl-(2)-hydrazine Es lag nun nahe, die Hantzschsche Synthese auch auf

die Darstellung von Selenazolyl-( 2)-hydrazinen zu

ubertragen, zumal aus der Literatur bekannt ist, daS 2-Amino-selenazole unter der Einwirkung von salpetri- ger Siiure leicht Ringaufspaltung erleiden [13] und damit der Weg uber die Reduktion der Diazoniumsalze aussichtslos erschien. Durch Kondensation von &-Halo- gencarbonylverbindungen rnit Selenoeemicarbazonen [14] gelang es in der Tat, in recht guten Ausbeuten Selenazolyl-(2)-hydrazone (IVb) zu erhalten 1151.

/," R-CEO K?N

I \X s e y

R'--bH d- C-NH-N=C \,J,/

/R"

\'R,'f/

- - H a O j R'-\ "-ri-i ,,-NH-N=C Se

IVb

Diese Kondensationen sind z. T. von starken Selen- abscheidungen begleitet, die sich aber durch geeignete Wahl der Versuchsbedingungen in Grenzen halten lassen. Ferner ergab sich, daB in diesem Falle die Aceton- [selenazolyl-( 2)]-hydrazone brauchbare Aus- gangsmaterialien zur Darstellung der freien Hydrazine (I b) sind, da diese keine so ausgepriigte Umlagerungs- tendenz wie die Thiazolyl-( 2)-hydrazine (Ia) zeigten. Durch Wasserdampfdestillation in saurem Medium konnten wir so eine Reihe von Selenazolyl-( 2)-hydra- zinen (I b) synthetisieren [15].

Rt-cJ-NH-N=c R- /CH3

\CH3 Vb

+H,o(H+) -f R- ---N

b e / I b

-CH3 CO-cHI R/-I1 //-NH-NH,

1.1.3. Oxazolyl-(Z)-hydrazine Im Gegensatz zur Darstellung von Thiazolyl- und

Selenazolyl-( 2)-Derivaten tritt bei der cyclisierenden Kondensation von a-Halogencarbonylverbindungen mit Siiureamiden oder Harnstoff entweder gar keine Reaktion ein oder sie verliiuft mit ganz geringer Aus- beute, z. B. erhiilt man das 2-Amino-oxazol aus Harn- stoff und a,P-Dichlor-diathyliither n6r in einer Aus- beute von 4,4% [16]. Auch unsere Versuche, durch ubertragung der Hantzschschen Synthese auf Semi- carbazid die Oxazolyl- (2)-hydrazine darzustellen,waren erfolglos. Nach unseren Erfahrungen besteht wenig Aussicht, auf diesem Wege zum Ziel zu gelangen.

Dagegen konnten wir als Vertreter der Oxazolyl-(2)- hydrazine relativ glatt das 4,5-Diphenyl-oxazolyl-(2)- hydrazin (Ic) durch nucleophilen Austausch dea C1- Atoms im 2-Chlor-4,b-diphenyl-oxazol mit Hydrazin- hydrat erhalten [17].

R- ---N + HaN--NHn(HIO) R-l[- Y-NH-NH, -\o/

R'-l g,, --GI I, I c

Die drei Verbindungstypen Ia , b und c zeigen das charakteristische Verhalten von Hydrazinen, z. B. reduzieren sie Fehlingsche und ammoniakalische

42. 2. Ohem., 2. Jg., Heft 11, 1962 323

Page 4: Über die Chemie der Hydrazine heterocyclischer 5-Ringe

Silbernitrat-Losung und geben mit Carbonylverbin- dungen die entsprechenden Hydrazone (IVa--c).

/," Rf-11 II-NH-NH, + o=c \X/ \,,I/

,/R" - H z o RT-11 II-NH-N=C

\X/ \,I,/

R--N

I a-c R- - N

-f _ _

IVa-c a) X = S ; b) X = S e ;

Die auf diese Weise entstehenden Thiazolyl- und Selen- azolyl-( 2)-hydrazone (IVa und b) sind identisch mit den durch direkte Kondensation aus den entsprechen- den Thio- und Selenosemicarbazonen rnit &-Halogen- carbonylverbindungen erhaltenen Hydrazonen.

c) X = 0

1.2. Thiodiazolyl- und Thienyl-hydrazine In Analogie zur Darstellung des 4,5-Diphenyl-oxa-

zolyl-(2)-hydrazins ( Ic) lieBen sich aus 5-Chlor-I, 2,4- thiodiazolen [ 181 mit Hydrazinhydrat in alkoholischer Losung durch nucleophilen Austausch.die in 3-Stellung substituierten 1,2,4-Thiodiazolyl-(5)-hydrazine (V) synthetisieren [19].

N II-Cl -+ HzN-NHAHzO) R-----N I1 - HC1 N 11-NH-NH,

\S/

N R-ir \s/

v R = CH,, C,H,, C,H,--NO,(m)

Die strukturisomeren 1,3,4-Thiodiazolyl-(2)-hydra- zine wurden erstmalig von Stolle' [20] und spiiter von Fujii und Ktarbeitern [21] durch Nitrosierung von 2-Amino-I, 3,4-thiodiazolen und anschlieBende Reduk- tion dargestellt. Neuerdings konnte Kanaoka [22] das 5-Methyl-I, 3,4-thiodiazolyl-(2)-hydrazin aus der ent- sprechenden 2-Chlor-Verbindung rnit Hydrazinhydrat erhalten.

Die Darstellung von Thienyl-hydrazinen durch Hy- drazinolyse der Chlorverbindungen stoat auf Schwierig-

keiten, da das Chloratom nicht ohne weiteres einem nucleophilen Austausch zugiinglich ist. Erst nach Akti- vierung durch Einfiihrung einer Nitrogruppe konnten aus den Chlorverbindungen die entsprechend sub- stituierten Thienyl-(2)-hydrazine (VI) erhalten wer- den [17].

H-\/- JIzlo* + HzN~NtinjH@)+ " - 1 i - lI-No2 R-\s /-NH-NHa

- HCI R- \S

VI R = H, CO,H, CO,CH,, NO,

Die 1,2,4-Thiodiazolyl-(5)- und Thienyl-( 2)-hydr- azine weisen reduzierende Eigenscha ften auf und gehen mit Carbonylverbindungen in die Hydrazone iiber. Interessant ist, daB bei den Thienyl-( 2)-hydrazinen die Umsetzung mit B-Ketosiiureestern auf der Stufe der Hydrazone stehenbleibt, und es bisher nicht gelang, diese zu den Pyrazolonen zu cyclisieren.

1.3. Pyrazolyl-hydrazine Die Synthese eines Pyrazolyl-hydrazins gelang uns

auf sehr originellem Wege. Als wir versuchten, aus a-Chlor-acetessigester und Thiocarbohydrazid das ent- sprechende 1,3,4-Thiodiazin-Derivat darzustellen, lie13 sich neben elementarem Schwefel das 3-Methyl-4- carbathoxy-pyrazolyl-( 5)-hydrazin (VII) isolieren [23]. Das gesuchte 2-Hydrazino-l,3,4-thiodiazin diirfte zwar das Primarprodukt der Kondensation sein, jedoch ist von bestimmten 1,3,4-Thiodiazinen bekannt, dal3 sie leicht Entschwefelung unter Bildung von Pyrazolen erleiden [ 241, so daB ein derartiger Reaktionsverlauf auch hier anzunehmen ist.

Die Konstitution von VII geht einmal aus der Kon- densation mit Carbonylverbindungen zu den ent- sprechenden Hydrazonen und aus der Umsetzung mit salpetriger Sliure zum 6-Methyl-7-carbiithoxy-tetra- zolo[l, 5-blpyrazol hervor. Zum anderen gelang in die- sem Falle die Darstellung des 3-Methyl-4-carbLthoxy-5- hydrazino-pyrazols (VII) aus dem 3-Methyl-4-carb- athoxy-5-amino-pyrazol durch Diazotierunp: und an-

1

schlieBende Reduktion der Diazoniumsalzlosung mit schwefeliger Saure 1231.

1.4. Triazolyl-hydrazine Auf Grund der leichten

Zugllnglichkeit der 2-Ami- no-l,2,4-triazole ausAmi- noguanidin und Carbon- sauren [25] wurdenrelativ friih Versuche unternom- men, durch Diazotierung und nachf olgende partielle Reduktion zu 3-Hydra- zino-l,2,4-triazolen zu ge- langen [26] bis [29]. Eine prinzipiell ahnliche Me- thode zur Gewinnung von 3-Hydrazino-l,2,$-triazo- len stellt die in neuerer Zeit untersuchte Reduk- tion von 3-Nitramino-I,

324 2. Chem., 2. Jg., Heft 11, 1962

Page 5: Über die Chemie der Hydrazine heterocyclischer 5-Ringe

2,ktriazolen dar [30], [31]. In beiden FBllen ist je- doch die Aufarbeitung durch die meist geringen Aus- beuten sehr umstiindlich, so daB bis auf wenige Aus- nahmen nur die Benzalverbindungen isoliert wurden.

Vielfach fallen bei der Diazotierung der 3-Amino- 1,2,4-triazole in salzsaurer Losung die 3-Chlor-l,2,4- triazole an, die sich jedoch wie die 3-Methylmercapto- 4-amino-l,2,4-triazole [32] nucleophilen Angriffen gegeniiber als auBerordentlich resident enveisen [26] bis [28], so daB der direkte Austausch gegen den Hydrazin-Rest nicht fur die Synthese von 3-Hydrazi- no-l,2,4-triazolen herangezogen werden kann. Erst durch uberfiihrung in ein Quartiirsalz gelang kurzlich der Austausch der Methylmercapto-Gruppe in einem 1,2,4-Triazol gegen Benzhydrazid [33], wobei aber wegen der Quartiirnisierung nur eine Verbindung mit Hydrazonstruktur (VIII) entstand.

N-Amino-Gruppe armeren 1,2,4-Triazolyl-( 3)-hydrazi- nen, sondern ausschliealich zu Abkommlingen des 3,4- Diamino- 1, 2,4-triazols bzw. 4-Amino-5-imino-Aa- l12,4-triazolins. Dagegen entstehen bei der alkalischen Cyclisierung der Benzalverbindungen des Acetyl- [30] und Benzoyl-diaminoguanidins [31] sowie des Acetyl- und Propionyl- 3 -methyl- 1,2 - diamino -guanidins [ 3 61 die entsprechenden Benzaldehyd-l,2,4-triazolyl-( 3)- hydrazone, aus denen rnit halbkonz. Salzsiiure in guter Ausbeute die freien Hydrazine (X) erhalten wurden.

Die 4-Methyl- 5-alkyl- 1,2,4-triazolyl- (3)-hydrazine wirken reduzierend und bilden mit Carbonylverbin- dungen die entsprechenden Hydrazone.

2. Reaktives Verhalten der Hydrazine AuBer den reduzierenden Eigenschaften und der

Umsetzung zu Hydrazonen wurde als weitere typische

N-N-CH, X- Hsdrolyse ,

C,H5-II \N/-- l-N-NHz

I

Wegen dieser Schwierigkeiten untersuchten wir die Darstellung von Hydrazino-1, 2,4-triazolen durch cyc- lisierende Kondensation nlher. Durch Erhitzen von Triaminoguanidiumsalzen mit Ameisensaure konnte dabei glatt das 4-Amino-l,2,4-triazolyl-(3)-hydrazin (IX) erhalten werden [34].

H,N-N

Eigenschaft der Hydrazine die Pyrazolonbildung unter- sucht. Durch Kondensation der erstmalig von uns synthetisierten Thiazolyl- [37], Selenazolyl- [38], Oxa- zolyl- [39], Thiodiazolyl- [I91 und Triazolyl-hydrazine [36] mit /3-Ketosiiureestern nach Knorr [40] wurden die entsprechenden 1- [Azolyl] -3-alkyl-pyrazolone-( 5) (XIa-e) erhalten. Teilweise konnten hierbei die p-

0 0 \OH C-NH-NH, Z- N ‘C-CH, z - ~ b - C H ,

/I HN/

I NH2

H-C

RO/ 1 Y H , I f IlRO’ 1 !! L H - N H , + O=C-R \x/- - -- N,H$-R’ \X/

N-N a) X = S , Y = Z = C - R ; b) X = Se, Y = Z = C-R; C) X = 0, Y = Z = C-R; d) X = S, Y = N, Z = C-R; e) X = N-R‘, Y = C-R,

+ _ _ __ -2 HE0

I Z = N, XI a-e hHZ

IX

Die analogen Umsetzungen des nur zwei Hydrazin- funktionen enthaltenden Diaminoguanidins [30], [35] sowie seiner Methyl- und Phenyl-Derivate [36] rnit ali- phatischen Carbonsiiuren fiihrte nicht zu den um die

HN-N

1 I1 R C C-NH-N=CH-C,H,

I/ 1 0 NH-R’

N-N

R‘ N-N

I CH3

X

Ketosaureester-hydrazone als Zwischenstufen isoliert werden. Vorstehend ist ein allgemeinee Formelschema fur die dargestellten Pyrazolone angegeben.

Die 1- [Selenazolyl-(2)]-3-alkyl-pyrazolone-(5) (XI b ) lassen sich auch aus den /3-KetosCiureester-selenosemi- carbazonen (XII) iiber die 1-Selenocarbamoyl-pyazo- lone-(5) (XIII) durch anschlieBende Kondensation mit (5: -Halogenketoverbindugen im Sinne einer Hantzsch- schen Synthese darstellen [41].

O i C

H,N RO/ \CH, (OH-) H,N O=, - - ~ I __- -ROH+ i I +XIb

k C --N ,,-R I

d C-NH C-R \ N7 \N’ Sc Se

XI1 XI11

Substituierte Pyrazolone-( 5) besitzen als Purpur- komponenten fiir die Farbenphotographie Bedeutung. Bei der chromogenen Entwicklung bildet sich aus einem Entwickleroxydationsprodukt und dem diffusionsfest

Z, Chem., 2. Jg., Heft 11, 1962 325

Page 6: Über die Chemie der Hydrazine heterocyclischer 5-Ringe

in der Emulsion eingebetteten Pyrazolon-Derivat ein Azomethinfarbstoff. Fur praparative Zwecke lassen sich diese nach einem lange bekannten Verfahren durch Kondensation der Methylengruppe in 4-Stellung des Pyrazolons mit einem p-Nitroso-dialkyl-anilin gewin- nen [42]. Zu diesem Zweck haben wir die obigen in 1-Stellung durch einen heterocyclischen 5-Ring sub- stituierten Pyrazolone-(5) mit p-Nitroso-dimethyl- und p-Nitroso-diathyl-anilin umgesetzt und die entspre- chenden Azomethinfarbstoffe (XIV) dargestellt.

- =N-C,H,-N( R"),( p)

Y i 4 o-=i )- R' \x/ 'N

XIV (X, Y und Z wie bei XI)

Die Kondensationen wurden meist in a,lkoholischer Losung bei Gegenwart eines basischen Katalysators durchgefuhrt. In einigen Fallen gelingt die Reaktion auch ohne basische Zusatze, da diese zuweilen die Isolierung der Schiffschen Basen erschweren .

Die auf diese Weise aus den 1-[Selenazolyl-(2)-, Oxa- zolyl-(Z)-, 1,2,4-Thiodiazolyl-(5)- und 1,2,4-Triazolyl- (3)]-pyrazolonen-(5) dargestellten Azomethinfarb- stoffe werden zur Zeit in Zusammenarbeit mit dem VEB Filmfabrik Agfa Wolfen auf ihre Eignung als Purpurf arbs toffe gepruf t.

3. Roaktivitat dor Hydrazone heterocyelischar &Ring0 3.1. Bildung yon Azomethiniarbstoffen

Nach Berechnungen von Pullman und Metzger [43] uber die Elektronendichteverteilung im Thiazol weist die 5-Stellung einen ElektroneniiberschuB auf, der die Substitution in dieser Stellung durch stark elektro- phile Reagenzien ermoglicht. Die Reaktionsfahigkeit der 5-Stellung gegenuber elektrophilen Reagenzien wird noch gesteigert, wenn in 2-Stellung Gruppen ein- gefuhrt werden, die einen -E-Effekt ausiiben. Dies ist z. B. in den 2-Amino-thiazolen der Fall. Auch die Thiazolyl-(2)-hydrazone enthalten in 2-Stellung eine substituierte Aminogruppe, die elektrophile Substi- tutionen in der 5-Stellung erleichtern sollte. In der Tat gelang es, Thiazolyl-( 2)-hydrazone mit freier 5-Stellung mit p-Nitroso-dialkyl-anilinen zu tieffarbigen Azo- methinen (XVa) zu kondensieren [44].

\ I, I ~ H - ( ~ ) - ~ - N = = R ~ /

H R'/N-C6H4-H

t 101

i =N

Der Reaktionsmechanismus liiI3t sich in der Weise deuten, daB der -E-Effekt der Hydrazon-Gruppie- rung in 2-Stellung eine Negativierung des C-Atoms in 5-Stellung bewirkt. Das dadurch an diesem in der meso- meren Grenzstruktur lokalisierte einsame Elektronen- paar schiebt sich bei der Umsetzung mit dem p-Nitro- so-dialkyl-anilin primar in die Elektronenlucke des N- Atoms der polarisierten Nitrosogruppe ein unter Bil- dung tler N-C-Bindung. Gleichzeitig wandert das H-Atom an das 0-Atom, und anschlieBend erfolgt Wasserabspaltung zu einem chinoiden Azomethin.

In den Selenazolen liegen die Verhaltnisse ahnlich. Nach Befunden von Haginiwa [46] ist die Reaktivitat der 5-Stellung in 2-Amino-selenazolen sogar noch gro- Ber als in 2-Amino-thiazolen, jedoch sol1 zugleich eine starke Tendenz zur Ringaufspaltung zu beobachten sein. Dennoch lieBen sich auch die Selenazolyl-( 2)- hydrazone mit unbesetzter 5-Stellung zur Kondensa- tion mit p-Nitroso-dialkyl-anilinen heranziehen, ohne daB eine Ringaufspaltung eintrat. Hierbei entstanden die entsprechenden 4-substituierten 5-[p-Dialkyl- amino-phenyliminol-selenazolon-( 2)-hydrazone (XV b)

R-=-;N 1461.

(p) ( q , ~ - c 6 H , - ~ = ( s e ~ = N--N = R"

XVb

Die 5- [p-Dialkylamino-pheny1imino)-azolon-( 2)-hy- drazone (XVa und b) sind gut kristallisierende, im auffallenden Licht dunkelviolett bis blauschwarz- farbene Verbindungen mit teilweise starkem Ober- flachenglanz. Der Austausch von Schwefel gegen Selen macht sich auf die Absorption nur durch eine geringe bathochrome Verschiebung des Absorptionsmaximums bemerkbar. Die Farbstoffe zeigen eine, wenn auch nicht sehr ausgepragte, positive Solvatochromie, d. h., beim ubergang zu Losungsmitteln mit steigender Polaritat ruckt das Absorptionsmaximum in den langwelligen Bereich. Daraus folgt, daB die Elektronenverteilung des konjugierten Systems weitgehend auf der Seite der unpolaren Grenzformel liegt.

8.2. Dehydrierung zu ,,Azolblau"-Ferbstolfen

Auf der Reaktivitat der 5-Stellung in den Thiazolyl- und Selenazolyl-( 2)-hydrazonen beruht auch die bei der Einwirkung von Eisen(II1)-chlorid oder Wasserstoff- peroxyd erfolgende Reaktion. Diese fuhrt unter oxy- dativer Verknupfung zweier Molekeln in 5-Stellung zu chinoiden Farbstoffen vom Typ der 2: 2 ' -D io~o-d~ ,~ ' - biazolinyliden-(5,5')-bis-hydrazone (XVI a und b), fur die wir die Bezeichnung ,,Azolblau" vorgeschlagen haben [47], [48].

Der Reaktionsmechanismus diirfte in der Weise zu formulieren sein, daB durch den -E-Effekt der Hydr- azongruppierung die Oxydation in der 5-Stellung des Azolyl-hydrazons eingeleitet wird und primar eine irreversible Verknupfung zweier Molekeln in 5-Stellung unter Aboxydation je eines H-Atoms erfolgt. Diese Zwischenstufe 1aBt sich aber bei der direkten Oxyda- tion nicht fassen, sondern wird sofort weiter zum chinoiden Farbstoff (XVI) dehydriert.

Die Konstitution der Verbindungen vom ,,Azol- b1au"-Typ lieB sich durch Synthese auf anderem Wege beweisen. Kondensiert man beispielsweise Benzalde-

326 X . Cheni., 2. Jg., Heft 11, 1982

Page 7: Über die Chemie der Hydrazine heterocyclischer 5-Ringe

hyd-thio(se1eno)-semicarbazon mit 1,4-Diphenyl- 2,3- dibrom-butandion-(l,4) im Molverhaltnis 2 : 1, so resul- tiert das 4,4'-Diphenyl-biazolyl-(5,5')-bis-benzal-hy-

R--N H-11 11- I \x/ NH-N=R'

-2 H Ouydation 1 . c

I -2H

4 NT-R R - 7 N

XVI a) X = S b) X = Se

drazon (XVIIa, b). Diese Verbindung ist das Dihydro- Derivat des entsprechenden ,,Azolblau"-Farbstoffs, das sich als Primarprodukt bei der direkten Oxydation nicht abfangen lafit. Andererseits kann XVII (a, b) aber bereits durch milde Oxydation in den ,,Azolblau"- Farbstoff ubergefiihrt werden, womit die Konstitution eindeutig gesichert ist.

XVIa, b

direkte Oxydetion (XVII nicht faBbar)

I CeH5

a ) X = S b) X = Se

Die ,,Azolblau"-Farbstoffe sind im durchscheinen- den Licht scharlachrote bis violettblaue Verbindungen, die z. T. einen grunlichen Oberflachenglanz aufweisen.

Die chinoide Formulierung, die fur die Farbstoffe gewahlt wurde, wird der tiefen Farbe der Verbindun- gen allein nicht gerecht. Zweifellos sind polare Struk- turen am Grundzustand und im starkeren MaBe am angeregten Zustand beteiligt und bedingen die lang- wellige Absorption. Abgesehen von ,,energiereicheren" Grenzstrukturen (tetrapolare Formeln oder positive

Ladungen an einem C-Atom), durften nachstehende Formeln wesentlich anteilig sein.

(Von D, E und F sind jeweils zwei aquivalente Grenz- formeln moglich.)

Die Mesomerie C e D entspricht der Mesomerie chinoidtt benzoid. In D kann sich der heteroaroma- tische Zustand in beiden Azolkernen, in E jeweils nur in einem Azolkern ausbilden. In E und F fungiert das S- bzw. Se-Atom im Ring als Elektronendonator gegen- uber dem semicyclisch gebundenen oder cyclisch ge- bundenen Stickstoffatom und fuhrt bei C +P F zur Mesomerie eines indigoiden Chromophors.

Bemerkenswert ist die Tatsache, daB diese Oxyda- tionen zu chinoiden Farbstoffen in der Thiazol- und Selenazolreihe sehr glatt verlaufen. Hierfiir gibt es, soweit uns bekannt ist, in der Reihe der heterocycli- schen Verbindungen bisher keine Parallele. Am ehesten erinnert diese Reaktion an die ,,Indopheninreaktion" des Thiophens. Die Verbindungen vom ,,Azolblau"- Typ ahneln in ihren Eigenschaften den Pyrazolblau- und den Indigo-Farbstoffen, jedoch werden dort die beiden Methylengruppen durch die benachbarten Carbonylgruppen aktiviert. Betrachtungen iiber den sterischen Bau der ,,Azolblau"-Verbindungen am Kalottenmodell deuten darauf hin, daB die beiden Molekelhiilften in trans-Stellung miteinander ver- knupf t sein durf ten.

3.3. Forrnazanbildung SchlieBlich wurden die Benzaldehyd-azolyl-( 2)-hy-

drazone zur Formazansynthese herangezogen. Bei der Kupplung der entsprechenden Thiazolyl-, Selenazolyl- und Oxazolyl-hydrazone mit Diazoniumsalzen unter geeigneten Bedingungen entstehen die tief farbigen Formazane (XVIIIa-c) [39], [49[, [50].

Bei der Dehydrierung gehen die Formazane (XVIIIa bis c) in die Tetrazoliumsalze (XIXa-c) iiber. Hierbei zeigen besonders die Selenazolyl-( 2)-formazane eine ausgesprochene Neigung, Perbromide zu bilden. Wei- terhin ist bemerkenswert, daB bei freier 5-Stellung des Selenazolrings die Selenazolyl-( 2)-hydrazone bei der Kupplung mit Diazoniumsalzen bevorzugt zu 5-Azo- Verbindungen reagieren. So erhalt man aus dem Benz- aldehyd- [4-phenyl-selenazoly1-( a)]-hydrazon bei der

Z. Chem., 2. Jg., Beft 11, 1982 327

Page 8: Über die Chemie der Hydrazine heterocyclischer 5-Ringe

Umsetzung mit diazotiertem o-Phenetidin zwei Ver- bindungen, die sich chromatographisch trennen lassen.

\,,, XVIIIa-c

\R" I XIX a-c

a) X = S b) X = S e c ) X = O

Das Hauptprodukt erweist sich als Benzaldehyd- [4- phenyl- 5-(o-Bthoxy-phenylazo)-selenazolyl- (2)] -hydra- zon (XX), wahrend als Nebenprodukt das entspre- chende Formaza,n anflllt.

-C H 8 5

C,H5-CH=N-NH-~ 11-1\'=N-C,H4-OC,H,(o) sse/ xx

Besonders erwahnenswert ist das C, N-Dipheny1-N'- [4,5-dimethyl-thia~olyl-( a)]-tetrazoliumsalz (XXI), das unter der Bezeichnung MTT beim histochemischen Nachweis von Dehydrasen in Gewebsschnitten Be- deutung erlangt hat [51].

XXI (MTT)

AbschlieDend ist festzustellen, daIj die Chemie der Hydrazine heterocyclischer 5-Ringe sowohl in bezug auf ihre Synthesen wie auch auf ihre Reaktionen zahl- reiche Besonderheiten aufweist, deren Auffindung unsere Kenntnisse iiber diese Stoffklasse wesentlich erweitert hat und auch eine Verwendbarkeit in der Praxis erwarten lafit.

Wir mochten nicht schlieoen, ohne allen Mitarbei- tern, besonders Herrn Dr. habil. C . li'. Kroger, fur ihre hierbei geleistete wertvolle Mithilfe zu danken.

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S. 547.

ZCA 441 Einqegangen am 31. Juli 1962

Der Parachor verzweigter Alkane Von Kurt Altenburg

Forschungsgruppe Theoretische Chemie der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, Berlin-Adlershof

1. Dcr Parachor der Alkaiic Bei der Untersuchung der Struktur organischer Ver-

bindungen hat sich der Parachor besonders bewahrt. Der Parachor, der von Xugdelz [l] eingefiihrt wurde, ist durch folgende Beziehung definiert :

'

p=- at. (1) @F - @g

Hierbei ist M das Molekulargewicht, p P bzw. Q, die Dichte im fliissigen bzw. gasformigen Zustand und G die Oberfliichenspannung. Bei hohersiedenden Fliissig- keiten kann man die Dichte im gasformigen Zustand gegeniiber der im fliissigen Zustand vernachlassigen und erhalt, falls man noch das Molvolumen V = M / e , einfiihrt, P = V a t . (2)

328 Z. Chem., 2. Jg., Hcft 11, 1962