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Über die Einwirkung von Zinnchlorür auf salpetrige Säure

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Page 1: Über die Einwirkung von Zinnchlorür auf salpetrige Säure

B! Rasehig. Einwirkwng von Zinrtchloriir awf salpethge Sawe. 225

Uber die Einwirkung von Zinnchloriir auf salpetrige Saure. Von F. RASCHIG.

Mit einer Figur im Text.

Schon mehrfach habe ich darauf hingewiesenl), daB die hoheren Oxyde des Stickstoffs durch Zinnchlorurlosung merklich genau zur Stiokoxyduls t u f e reduziert werden, und daB das Endprodukt dieser Reduktion im wesentlichen auch Stickoxydul ist. Auch salpetrige Saure, bzw. ihre Salze werden durch Zinnchloriirlosung ebenso wie durch schweflige Saure in der Hauptsache in Stickoxydul ubergefuhrt ; und diese Reduktion, die bei Anwendung von schwefliger Sabre stets noch geringe Mengen von Sulfosauren des Hydroxylamins und sogar des Ammoniah liefert , verlauft beim Zinnchloriir genugend scharf, um sie zur titrimetrischen Bestimmung von salpetrigec Saure zu verwenden. Man 1&Bt zu diesem Zweck die Losung des Nitrits in einen kleinen UberschuB der salzsauren Zinnchloriirlosung unter Umruhren einlaufen und titriert diesen UberschuB mit Jodlosung zuriick.

Aber das Endprodukt auch dieser Reaktion ist nicht ausschlieB- lich das Stickoxydul. Denn man findet, daB die Losungen, in denen Nitrit durch Zinnchlorur reduziert wurde, nach Ablauf der Reaktion ebenso wie bei Anwendung von schwefliger Skure als Reduktions- mittel noch Stoffe enthalten, die durch Permanganat oxydiert werden, die also nicht Stickoxydul sein konnen. Bei Anwendung von schwef- l iger Saure zur Reduktion des Nitrits laBt sich auch eine Erklarung dafiir geben. Bei dieser Reaktion tritt stets, auch wenn man die beiden Ausgangskorper noch so genau im Verhaltnis 1 : 1 dosiert, ein kleiner Teil der schwefligen Saure mit salpetriger Saure im Ver- haltnis 2 : 1 zur Hydroxylamindisulfosaure, die sich rasch in Hydr- oxylaminmonosulfosiiure und Schwefelsiiure spaltet, zusammen, und dafiir bleibt ein kleiner Teil des Nitrits unangegriffen. Und sowohl dieser wie die Hydroxylaminmonosulfosaure werden durch Per- manganat oxydier t.

1) Dr. I?. RASCHIO, Schwefel- und Stickstoffstudien. Verlag Chemie G. m. b. H., Leipzig-Berlin, 1924, S. 23.

2. anorg. u. allg. Chem. Bd. 155. 15

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226 B! Rasohig.

Fur die Entstehung von Permanganat - verbrauchenden Sub- stanzen bei der Einwirkung von Zinnchlorur auf Nitrite ist da- gegen eine ahnliche Erkliirung nicht beizubringen. Wohl ware es denkbar, daB die Reaktionsgeschwindigkeit in dem MaBe, wie sowohl Zinnchloriir als auch Nitrit aus der Losung verschwinden, nach- lieBe, bis zu dem Grade, daB die letzten Reste beider lange neben- einander bestehen bleiben und daB diese es sind, die nach scheinbar vollstandigem Ablauf der Reaktion den Permanganatverbrauch ver- ursachen. Klarheit konnte man bekommen, wenn man mit kleinen Uberschussen (etwa lo”/,,) von Zinnchlorur arbeitete, nach Mischung der Reaktionslosungen etwa 2 Minuten wartete, bis sich keine Spur von Nitrit mehr nachweisen lieB, und dann in einem Teil der Losung den Rest des Zinnchloriirs durch Titration mit n/lO Jodlosung und in einem anderen ebenso groBen Teil den Verbrauch an njl0 Per- manganat bestimmte. Wurden gleiche Mengen n/lO Jod und n/lO Permanganat vexbraucht, so hatten beide ausschlieBlich zur Oxydation des Zinnchloriirs gedient. In Wirklichkeit war aber der Permanganat- verbrauch das Doppelte bis Funffache des Jodverbrauches ; das Mehr an Permanganat muBte also zur Oxydation einer durch Reduktion des Nitrits entstandenen Substanz verbraucht sein, und wie deren Natur festgestellt wurde, sol1 im folgenden besohrieben werden.

Zuniichst einige Worte uber die Herstellung der erforderlichen Zinnchlorurlosung. Das kaufliche kristallisierte Zinnchloriir ist meist schon teilweise in Oxychlorid iibergegangen, lost sich daher nicht klar in Wasser auf, sondern erst nach Zusatz groI3er Mengen Salz- saure. Man stellt sich daher besser das Zinnchloriir aus reinem grann- liertem Zinn selbst her. 200 g davon werden in einem Erlenmeyer- kolben von 1 Liter Inhalt mit 500 ccm konzentrierter SalzsSiure ubergossen. ZweckmaSig setzt man einige Tropfen Platinchlorid hinzu und erhitzt dann mit ganz kleiner Flamme 24 Stunden lang auf etwa looo. Alsdann dampft man mit etwas groBerer Flamme im gleichen Kolben ein, wobei man durch ein uber den Hals des Kolbens gestulptes kleines Becherglas dafur sorgt, daB keine kalte Luft von oben hereinfallt. Man setzt das Eindampfen fort, bis eine sirupose, starkschaumende Flussigkeit ubrigbleibt. Ein Tropfen von ihr, zuerst n i t nll0 Jod, und dann mit n/lO Natronlauge unter An- wendung von Methylorange als Indikator titriert, mu13 doppelt soviel Natronlauge wie vorher Jod verbrauchen. 1st der Verbrauch an Natronlauge hoher, so enthalt das Zinnchlorur noch iiber die Formel SnC1, hinaus Salzsilure und mu13 zu deren Vertreibung weiter ein-

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Bnwirkung von Zinnchlmur awf sa&etrige Saure. 227

gedampft werden. Von dem Zinn bleibt ein Teil iibrig, der bei einer neuen Darstellung mitverwendet wird. Das salzsaurefreie Zinnchloriir lost man schlieBlich in soviel Wasser auf, daB 1 ccm der Losung 100 ccm $0 Jod verbraucht. Die Losung ist dann 5 n/l und dient zu den folgenden Versuchen. Als Nitrit wurde fast immer das kauf- liche technische gekornte Natriumnitrit verwendet, das ungefahr 99O/,,ig ist und von dem 350 g zum Liter gelost wurden. Auch diese Losung war also 5 n/l.

In einen halben Liter Wasser, der in einem 2 Literkolben ent- halten war, lieB man 22 ccm der 5 n/l Zinnchloriirlosung einlaufen und loste sie unter Umschutteln auf, wobei die Flussigkeit fast klar blieb. In einem anderen halben Liter Wasser wurden 20 ccm 5 n/: Nitrit gelost und nun lieB man in die heftig geschuttelte Zinnchloriirlosung so schnell wie moglich die Nitritlosung einlaufen. Merkwiirdigerweise blieb die Flussigkeit fast klar, obwohl sie nach der Reaktionsgleichung

NaNO, + SnC1, + 2 H,O = SnCl(OH), + NaCl + ONH

ein auBerordentlich basisches Zinnoxychlorid enthalten muB, Da 2 ccm 5 n/l Zinnchloriir mehr in Anwendung gebracht wurden,

als berechnet, so muBte die Losung noch etwas unverandertes Chloriir enthalten. Man uberzeugte sich davon dadurch, daB man 20 ocm mit n/lO Jodlosung titrierte; sie verbrauchten in der Regel 2--3 ccm davon.

Nunmehr muate sowohl das Zinnoxychlorid wie auch der uber- schuB von Zinnchloriir, die bei den weiteren Versuchen gestort hatten, herausgeschafft werden. Das geschah, indem man 40 ccm einer 50°/$gen Natriumacetatlosung hinzufugte. Es entstand ein schlei- miger Niederschlag; und jetzt wurde das Ganze auf ein groi3es Falten- filter gegeben, von dem ein klares Filtrat schnell abfloB.

Dieses Filtrat cnthielt eine grolje Menge von Stickoxydulgas gelost, so daB es beim Versuch, bestimmte Mengen herauszunehmen, in der Pipette formlich schaumte. Es enthielt keine Spur von sal- petriger Saure: Ein Tropfen der angesauerten Losung farbte Jod- kaliumstarkepapier nicht. , Auch Zinn war in ihr durch Schwefd- wasserstoff nicht meha nachweisbar. Aber als 100 ccm der Losung in 75 com n/lO Permanganat, die mit 50 ccm 2 nll0 Schwefel- saure angesauert waren, unter Umschutteln eingetragen wurden, konnte man nach UmfluB von 2 Minuten auf Zusatz von Jodkalium durch Rucktitration mit $0 Thiosulfat nur noch 22,5 ccm davon nachweisen. 52,5 ccm $0 Permanganat waren also verbraucht.

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228 F. Raschig.

Wiire das ganze Nitrit in einen durch Permanganat zu Salpetersaure oxydierbaren Korper der Stickoxydulstufe ubergegangen, so hatten 100 ccm der Losung 400 ccm n/lO Permanganat verbrauchen mussen. I n Wirklichkeit verbrauchte sie 52,5 ccm davon, also nur etwa des Nitrits hatte in dieser Richtung reagiert.

Um diese unghstige Ausbeute zu verbessern, wurden die Ver- suchsbedingungen mehrfach variiert. Wurde der obige Versuch mit der Hilfte des Zinnchloriirs und Nitrits, also je 10 ccm zum halben Liter gelost wiederholt, so wurden die Ausbeuten eher kleiner als groBer. 100 ccm der entzinnten Losung verbrauchten nicht 52,5 ccm KMnO, n/lO, sondern weniger als die Halfte davon. Schlug man den entgegengesetzten Weg ein und verdoppelte die Konzentration der Ausgangslosungen, so war das Ergebnis ebenso ungunstig : die Konzentration der oxydierbaren Substanz in der; entzinnten Losung wurde zwar groBer, wuchs aber bei weitem nicht auf das doppelte an. Auch als die Reihenfolge geandert wurde, indem das Zinnchloriir in das Nitrit gegossen wurde, ging die Ausbeute an oxydierbarer Substanz zuriick. Da auch Abkuhlen der Losungen, Ersatz des Natriumnitrits durch Kalium- und Calciumnitrit, und Verwendung von freier salpetriger Saure, die sich in diesen Verdiinnungen einige Zeit halt, statt des Nitrits die Ausbeute eher verschlechterte als verbesserte, wurde an den eingangs angegebenen Verhaltnissen - 20 ccm 5 n/l Natriumnitrit zum halben Liter verdiinnt in 22 ccrn 5 n/l Zinnchloriirlosung ebenfalls zurn halben Liter verdunnt, ge- gossen - festgehalten.

Die Untersuchung der duroh Zusatz von Natriumacetat von Zinn befreiten Losung ergab zunachst, daB sie auf frisch gefalltes Silber- und Quecksilberoxyd stark reduzierend wirkte. Nament- lich die letztere Probe ist sehr empfindlich. Man versetzt eine n/lOO Sublimatlosung mit ein wenig Natronlauge und bemenkt nach einigen Sekunden, daB die Flussigkeit durch sehr kleine Mengen Queck- silberoxyd schwach gelb getrubt wird. Die kleinsten Spuren redu- zierender Substanzen, wie z. B. Hydroxylamin oder Hydrazin, rufen ebenso wie die Reaktionslosung Grau- bis Schwarzfarbung darin hervor. Der positive Ausfall dieser Reaktion gab AnlaB zu der Ver- mutung, daB die Reaktionslosung Hydroxylamin enthielte. In der Tat konnte es nachgewiesen und bestirnmt werden. Die zuverliissigste Methode, welche wir fur die Bestimmung des Hydroxylamins haben, beruht auf der Oxydation des Hydroxylamins zu Stickoxydul durch Kochen mit einer schwefelsauren Eisenalaunlosung, wobei die aqui-

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Einwirkung urn Zinmhloriir auf salpctrige SZure. 229

valente Menge Ferrosulfat entsteht, die durch Titrieren mit Per- manganat bestimmt wird. Wmde die entzinnte Reaktionslosung dieser Behandlung unterworfen, so bildeten z. B. 100 ccm von ihr, die sauer mit Permanganat oxydiert 52,s ccm verbrauchten, soviel Ferrosulfat, wie 15,2 ccrn Permanganat entspricht. Es waren also 7,6 ccrn n/10 Hydroxylaminlosung in 100 ccm der Reaktionslosung enthalten. Aus der Abhandlung iiber Oxydation dee Hydroxyl- amins') wissen wir, daB 1 ccm n/lO Hydroxylamin bei Oxydation durch PermanganatiiberschuB in schwefelsamer Losung 5 ccrn n/lO KMnO, verbraucht. Bei Anwesenheit von vie1 Schwefelsiiure, wie es hier der Fall war, bis zu 8% mehr. DemgemaB hatten die gedachten 100 ccm entzinnter Losung in angesauerte Permanganatlosung ein- getragen, rund 40 ccrn n/lO KMnO, f i i r die darin enthaltenen 7,6 ccin n/lO Hydroxylamin verbrauchen sollen. In Wirklichkeit verbrauchten siu aber 52,5 ccm n/lO KMnO,, also 12,5 ccm KMnO, mehr.

Es muBte also auBer Hydroxylamin noch ein anderer durch Pcrmanganat oxydierbarer Korpcr in der Losung sein. Durch dessen Gegenwart erklarte sich auch eine andere, eben bei der Bestimmung des Hydroxylamins nach der angegebenen Methode beobachtete Erscheinung. Wahrend sonst 5 Minuten langes Kochen der Eisen- alaunlasung vollig ausreicht, um alles Hydroxylamin zum Umsatz zu bringen, konnten in diesem Fall erst nach ca. 20 Minuten langem Kochen konstante Werte erhalten werden. Die vorher erhaltenen waren urn wechselnde Betriige zu hoch. Es lag nahe anzunehmen, daB der Mehrverbrauch an Permanganat durch einen Korper ver- ursacht werde, der infolge des Kochens im Laufe von ca. 20 Minuten verschwande, ohne auf den Eisenalaun einzuwirken. Auch einige weitere eigentumliche Erscheinungen, die die Reaktionslosung zeigte, deuteten auf die Anwesenheit eines leicht zersetzlichen Korpers. Als man versuchte, das Zinn durch Natriumcarbonat statt durch Acetat ausznfallen, entsprach der Permanganatverbrauch der ent- zinnten Losung ganz dem aus der Hydroxylalrunbestimmung er? reohneten. Der gesuchte Korper war verschwunden. Daraufhin wurden Versuche angestellt, um das Verhalten dieses Korpers bci wechselnder Reaktion der Losung festzustellen. Es ergab sich, daB der Oxydationswert der durch Natriumacetat vom Zinn bcfreiten, also essigsauren Losung fast der gleichc war, wenn man die Losung ohne weiteres in die schwefelsaure Losung des Permanganats ein- laufen lieB, wie wenn man sie vorher in einen OberschuB von Natron-

*) RASCHIG a. a. O., S. 167.

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230 li! Raechig.

lauge eintrug und dann erst zum sauren Permanganat gab, dalj er aber auf den fur Hydroxylamin berechneten Wert herunterging, wenn man die essigsaure Losung statt mit Natriumhydroxyd mit Natriumcarbonat absiittigte, Da ferner die Losungen beim Auf- bewahren im Laufe von Tagen und Wochen allmiihlich in. ihrem Oxydationswert abnahmen, so lieB sich bis jetzt von dem unbekannten Korper soviel aussagen, dalj er durch Reduktion des Nitrits entstehe, beim Aufbewahren in essigsamer Losung langsam zerfiele, daki er in saurer und alkalischer Losung einigermaBen haltbar sei, beim lang- samen Uberschreiten des Neutralpunktes dagegen rasch vollig zer- setzt werde und dalj er bis 20 Minuten langes Kochen in schwefel- smrer Losung vertrage. Diese Eigenschaften paBten in ihrer Gesamt- heit auf keinen der bekannten Korper. Aber die letzterwghnte Eigen- schaft, beim Kochen bis 20 Minuten haltbar zu sein, ermutigte zu dem Versuch, die Reaktionslosung durch Eindampfen im Vakuum zu konaentrieren und den Korper aus den Eigenschaften der kon- zentrierten Losung zu identifizieren.

Es zeigte sich, dab man die Reaktionslosung an der Wasser- strahlpumpe bei guter Kuhlung der Vorlage, ohne die Temperatur von 35O zu uberschreiten, rasch ungefahr aufs Zehnfache konzen- trieren kann, wobei die Menge des gesuchten Korpers nur wenig abnimmt. Treibt man die Konzentration noch hoher, so sind die Verluste grokier. In die Vorlage ging nichts Oxydierbares uber. An den so erhaltenen Konzentraten wurde nun der Versuch gemacht, festzustellen, was aus dem Korper entstehe, wenn er durch Kochen zersetzt wird. Chemisch waren diese Zerfallsprodukte nicht nach- weisbar. Es handelte sich also wahrscheinlich um Gase, die physi- kalisch zu bestimmen sein muBten. Zu diesem Zweck wurde ein kleiner Apparat ausammengebaut, der, da er in vielen Fallen zu ver- wenden und leicht mit den Mitteln des einfachsten Laboratoriums zusammenzustellen ist, genauer beschrieben werden soll. Die neben- stehende Zeichnung stellt ihn schematisch dar. Er besteht aus einem Rundkolbchen a, das je nach der Konzentration der Losung 50 bis 150 ccm Inhalt hatte, dann aus einem Fraktionieraufsatz b, der zur Hiilfte mit Glasperlen angefullt ist; vor dem Rinabfallen in den Kolben bewahrt sie ein am oberen Ende trichterformig gestaltetes enges Glasrohr c, das durch das obere Drittel des Kolbens hinab- reicht und augleich den Zweck hat, das beim Kochen der Fliissig- keit in a sich in b bildende Kondensat nach a zuruckzufiihren. Von b fuhrt ein sehr enges Glasrohr zu einem mit Quecksilber gefullten

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Einm'rkzlng urn Zinnchloriir azlf sabetrige Sawe. 231

LUNGD'SChen Nitrometer mit MeBrohr e, Austrittsbogen f, Fullbecher g, Doppelhahn h und Ausgleichsrohr k, das durch einen langen, stark- wandigen Schlauch rn an das MeBrohr e angeschlossen ist. n und o sind gutschlieBende Kautschukstopfen. Das Kolbchen a wurde mit der durch das stundenlange Koohen im Vakuum vollig von Gas be- freiten Losung bis an den Hals gefullt. Jetzt benutzbe man das Nitrometer als Quecksilberluftpumpe und machte damit den ganzen Apparat vollkommen luftleer. Das Ausgleichsrohr k wurde 5u dem

Fig. 1.

Zweck abgesenkt, bis das Quecksilber aus dem MeBrohr e vollkommen verschwand. Dann wurde durch Heben des Ausgleichsrohres k, nach- dem Hahn h um 90° gedreht war, die abgesaugte Luft in MeBrohz e auf Normaldruck gebracht und gemessen und dann, nach weiterer Drehung des Hahnes h urn 90° (wodurch seine Bohrungen so standen, wie die punktierten Linien angeben), ins Freie befordert. Erneutes Heben und Senken des Ausgleiohsrohres brachte neue Luftmengen duroh e 81-18 dem System heraus; und wenn die $topfen n und o gut schlossen, war schon naoh 6-8-maliger Wiederholung der Operation so gut wie vollstiindige Luftleere erreioht. Nunmehr stellte man das Ausgleichsrohr so ein, daB das Queoksilber in e den Hahn h erreichte und begann die Fliissigkeit in a mit kleiner Flamme zu erhitzen. Natur- lioh fing sie schon bei sehr niedriger Temperatur an zu kochen, so daB

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232 F: Raschig.

noch keine nennenswerte Zersetzung des gesuchten Korpers eintrat. Aber allmahlich sammelte sich Wasserdampf in b an. Der Druck stieg dadurch und die Siedetemperatur der Losung ebenfalls. Durch all- mahliches Heben des Ausgleichsrohres sorgte man dafiir, daB der Dampf in b nicht durch den Hahn h nach e entweichen konnte und schon nach etwa 10 Minuten war in b der Atmospharendruck und die Siedetemperatur looo erreicht, daran zu erkennen, daB nun in k das Quecksilber gerade so hoch stand wie in c, namlich in der Hohe des Hahnes h. Jetzt wurde mindestens 20 Minuten weiter gekooht ; die Flussigkeit aus a stieg dabei in die Perlen in b hinauf, manchmal auch noch hoher, was jedoch gar nicht storte. Man muBte nur dafur sorgen, daB aller Wasserdampf sich im oberen Teil von b niederschlug, und das Rohr Q vorlaufig kalt blieb. DaB bei diesem Kochen Gas entstand, zeigte sich daran, daB das Quecksilber im Rohre e weiter absank, so daB man, um nicht unnotigen Uberdruck auftreten zu lassen, durch Ablassen des Rohres k die beiden Quecksilberniveaus auf ungefahr gleicher Hohe halten muBte.

Nach etwa 20 Minuten Kochdauer vergroBerte sich das Gas- volumen nicht mehr. Es wunde nun die Flamme etwas verstarkt, so daD Wasserdampf auch in das Rohr d eintrat. Er schlug sich hier zu einer Wassersaule nieder, die das Rohr d erfullte, das nun heiB wurde und in dem Augenblick, wo diese Wasserskiule auch den Bogenf an- fullte und beim Hahn h ankam, wurde dieser geschlossen und tler Versuch damit beendigt. Er dauerte in der Regel insgesamt nur 40 Minuten und beforderte alles Gas, das beim Kochen entstanden war, in das Nitrometer ohne daB auch nur ein Tropfen Wasser, das bei der grol3en Loslichkeit des Stickoxyduls sehr gestort hkitte, mit heruberkam.

Wenn man jetzt den Becher g mit sorgfaltig ausgekochtem Al- kohol fullte und diesen nach Ablesen der Gasmenge durch Absenken des Rohres k und vorsichtiges Offnen des Hahnes h langsam unter Verteilung auf die ganze innere Rohrwand hinabflieBen lieB, so ab- sorbierte er schnell die ganze angesammelte Gasmenge bis auf einen minimalen Rest, der augensoheinlich aus im Apparat zuruckgebliebener oder durch etwaige Undichtigkeiten eingedrungener Luft bestand. Der gewchte Korper lieferte also bei seiner Zersetzung aussohlieBlich Stickoxydul.

Nachdem also verschiedene Eigenschaften des gesuohten Korpers festgestellt waren, die aber noch nioht genugten, ihn mit Sicherheit zu identifizieren, so wurden Versuche angestellt, ihn in Substanz zu

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Einwirkung von Zinnchlorilr auf salpetrige Saure. 233

isolieren, Versuche, die infolge einer unerwarteten Eigenschaft des Korpers leicht zum Erfolg fuhrten. Vorversuche hatten ergeben, daB man Hydroxylamin aus eseigsaurer Losung, wie sie hier vorlag, leioht mittels Aceton entfernen kann. Setzt man zu einer solchen Losung 50% mehr Aceton, als sich nach ihrem Hydroxylamingehalt be- rechnet , so tritt schnell quantitative Bildung von Acetoxim (CH,), CNOH ein, und dieses lBBt sich durch mehrmaliges Ausschutteln mit Ather zusammen mit dem AcetonuberschuB entfernen. Leitet man zum SchluB eine Stunde lang einen kraftigen Luftstrom durch die Fliissigkeit, so ist auch der darin geloste Ather entfernt, und die Fliissigkeit ist nun frei von Hydroxylamin, Acetoxim, Aceton und Ather. Nach diesem Verfahren wurden die konxentrierten Reaktions- losungen behandelt in der Hoffnung, den gesuchten Korper frei von Hydroxylamin als einzigen durch Permanganat oxydierbaren Korper in ihnen zuruckzulassen. Als sie daraufhin gepriift wurden, stellte sich aber heraus, daB sie uberhaupt kein Permanganat mehr ver- brauchten. Der gesuchte Kijrper muBte also in den Ather gegangen sein. Damit war der Weg zu seiner Isolierung gewiesen. Die konzen- trierten Reaktionslosungen wurden ohne weiteres im Extraktions- apparat mit Ather extrahiert, und der &her im Vakuum verdampft. Es blieb ein Ruckstand, der auBer dem gesuchten Korper vie1 Essig- saure enthielt. Als diese einmal im Vakuumexsiccator uber Kalium- hydroxyd entfernt worden war, verpuffte der Ruckstand bei gelindem Erwarmen. Es war aber gar nioht notig, die EssigsBure aus dem Atherruckstand zu entfernen, denn der gesuchte Korper lieB sich aus ihm nach Zusatz von etwas Natriumacetat durch Silbernitrat als gelbes Silbersalz und zwar als das charakter is t ische Unter - s a1 pe t r i gs a ur e Si 1 be r ausfallen.

Identifiziert wuxde das Silberhyponitrit, indem es durch Schiitteln mit Natriumchloridlbsung in Natriumhyponitrit umgesetzt wurde, an dessen Losung alle fur dieses Salz charakteristischen Eigenschaften gefunden wurden. 8. B. verbrauchten je 10 ccm seiner Losung mit n/lO-Salzsaure titriert unter Anwendung von Methylorange ah Indikator . . 2,ZO ccm n/10 HC1 ebenso mit Phenolphthalein als Indikator . . . . . . 1,05 ccm n/lO HCI in alkalisches Permanganat eingetragen, dann angeslluert 7,70 ccm n/10 KMnO, angesguert in saures Permanganat eingetragen . . . . 3,SO ccm n/lO KMnO,

Da ein Molekul Natriumhyponitrit gegen Methylorange zwei Molekiile, gegen Phenolphthalein ein Molekul Salzsaure, sauer oxydiert 4 AqUi- valente, erst alkalisch, dann sauer oxydiert 8 Aquivalente Permanganat

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234 EI Rasohig.

verbraucht, so berechnen sich an Stelle der oben angegebenen Zahlen die Zahlen 1,92 ccm n/lO HCl

0,96 ccm n/lO HC1 7,70 ccm n/10 KMnO, 3,85 ccm n/10 KMnO,

Die ubereinstimmung beweist das Vorliegen von Natriumhyponi'rit. Das ausgeatherte Konzentrat sollte jetst nur noch Hydroxyl-

amin enthalten. Die Untersuchung bestatigte die Erwartung. Der darin geloste &her wurde durch einen Luftstrom ausgetrieben, dann wurden je 20 corn mit Eisenalaun gekocht . . . Verbrauch 9,0 ccm n/10 KMnO, mit Permanganat sauer oxydiert Verbrauch 22,25 ccm n/10 KMnO,, ber. 22,5 nach Zusatz von Natriumacetat

mit Jod oxydiert . , . . Verbrauch 9,7 ccm n/10 J, ber. 9,5-10

Da im Ather nur untersalpetrige Saure, im Wasser nur Hydroxyl- amin gefunden wurde, war Grund zu der Vermutung, dal3 auBer Stick- oxydul bei der Reduktion der salpetrigen Saure mit Zinnchlorur nur untersalpetrige SBure und Hydroxylamin entstehe. Wenn die Zer- setmng der untersalpetrigen Saure beim Kochen ihrer Losung bekannt war, muBte sich diese Vermutung durch die Untersuchung der Reak- tionslosung selbst resp. ihres Konzentrates bestatigen lassen. Es wurden also Versuche mit einer auf dem bekannten Wegel) her- gestellten untersalpetrigen Siiure in dem oben beschriebenen Apparat angestellt, die ergaben, daB die untersalpetrige Saure beim Kochen glatt in Stickoxydul und Wasser serfallt.

10 ccrn einer Losung, enthaltend 0,071 g untersalpetrige Saure, wurden in dem oben beschriebenen Apparat rnit 5 ccrn Eisessig versetzt und 20 Minuten gekocht.

Entwickeltes Gas . . . . . . . 27,s ccm, No, 755 mm nach Absorption durch Alkohol . gefunden Stickoxydul . . . . . 27,5 ccm N,O

die bei glattem Zerfall der untersalpetrigen Saure in Stiokoxydul und Wasser 0,072 g untersalpetriger Saure entsprechen.

Nach dieser Erkenntnis konnten die bei der Untersuchung der Konzentrate erhaltenen Zahlen ausgewertet werden. Ein Konzentrat ergab z. B. folgende Zahlen: 25 ccm rnit saurem Eisenalaun gekocht, verbrauchten . 31,2 ccm n/10 KIEn04 10 ccrn in saures Permanganat eingetragen, verbrauchten 50,6 corn n/lO KMnO 50 ccm im Apparat gekocht, lieferten . . . . . . . . 60,O ccm Gas nach Absorption durch Alkohol noch vurhanden . . . 1,2 ccm Gas Also erhalten Stickoxydul . . . . . . . . . . . . , 58,8 ccm, 180, 760 mm

0,3 ccrn

RASCma, a. a. O., S. 93,

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Einwirkung von Zinraohloriir auf salpatriga Sawre. 2 36

Werden alle Zahlen auf 50 ccm umgerechnot, so ergibt sich, daD 50 ccrn bei der Hydroxylaminbestimmung verbrauchten 62,4 ccm n/lO KMnO, Direkt oxydiert verbraucht dieses Hydroxylamin das

Zweieinhalbfache, also . . . . . . . . . . . . . 155,8 ccrn n/lO KMnO, Hydroxylamin und untersalpetrige Siiure zusammen ver-

brauchten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253,Occm n/10 KMnO., Die untersalpetrige Siiure verbrauchte also . . . . . . 97,2 ccrn n/10 KMn04

Dieser Verbrauch entspricht, da ein Molekd untersalpetrige Saure 4 Aquivalente Permanganat verbraucht, 0,1507 g H2N202. Beim Verkochen lieferten 50 ccm 58,8 ccrn N20 180 760 mm, die 0,1537 g in Stickoxydul und Wasser zerfallener untersalpetriger SBure entsprechen.

10 ccrn sauer oxydiert . . . . . . . . . . . . . . . 31,6 ccrn n/lO, KMn04 25ccm mit saurem Eisenalaun gekocht . . . . . . . 30,6 ccm n/lO KMnO,

Von dem Kochruckstande verbrauchten

Auf 50 ccm umgerechnet, ergeben sich die Zahlen 50 ccrn sauer oxydiert . . . . . . . . . . . . . . 158,O (oben ber. 155,s) 50 ccrn mit Eisenalaun gekocht . . . . . . . . . . 61,2 (oben gef. 62,4)

Das Verhaltnis dieser Zahlen (5 : 2) zeigt, daB nur Hydroxylamin oxydiert wird, das, wie die Ubereinstimmung mit dem vor dem Kochen gefundenen Zahlen zeigt, durch das Kochen nicht merklich angegriffen wurde.

Es ergibt sich also, daD bei der Reduktion der salpetrigen SHure durch Zinnchloriir auBer dem Hauptprodukt, dem Stickoxydul, nur noch untersalpetrige SHure und Hydroxylamin entstehen.

Nach dieser Erkenntnis ist natiirlich die eingangs erwahnte Mog- lichkeit, salpetrige Saure durch Zinnchlorur zu titrieren, einzuschran- ken. Die Reduktion verlauft ja nicht scharf bis zur Stickoxydulstufe, sondern ein kleiner Teil des Nitrits wird weiterreduziert zu Hydroxyl- amin. Da aber dieser Teil selbst bei den hochst errreichtenAusbeuten unter Anwendung und sorgfaltiger Innehaltung der hierfiir aus- probierten Verhaltnisse nur etwa 70/0 der moglichen Menge betrug, in den Fallen aber, wo z. B. salzsaurehaltiges Zinnchloriir angewandt oder sonst von der Vorschrift abgewichen wurde, gleich auf 2% und tiefer herabging, so wird die praktische Brauchbarkeit der Titrations- methode durch das Ergebnis dieser Arbeit nicht beruhrt.

Den Weg, den die Reaktion zur Bildung dieser Korper einschliigt, wird man durch folgende Uberlegung angedeutet finden. Bei der Reaktion der salpetrigen Siiure mit schwefliger Saure hat das Erstprodukt, die Nitrososulfosiiure, nur die Wahl, entweder mit

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echwefliger Saure weitel; zu reagieren und Hydroxylamindisulfosaure eu bilden, die hier nicht weiter in Betracht kommt, oder unter Ersatz der Sulfogruppe durch Wasserstoff in Nitroxyl iiberzugehen, das augenblicklich glatt Stickoxydul liefert. Bei dieser Reaktion ist also die Bildung eines anderen Korpers als Stickoxydul nicht zu erwarten.

Anders dagegen liegen die Verhaltnisse bei der Reduktion der salpetrigen Saure mit Zinnchlorur. Betrachtet man die Formel der salpetrigen SBure O=N-OH, so erkennt man, daB die Reduktion an zwei verschiedenen Stellen angreifen kann, wobei ganz verschiedene Korper dei gleichen Oxydationsstufe entstehen. Einmal kann das Hydroxyl der salpetrigen Saure durch Wasserstoff ersetzt werden,

O=N-OH + 2 H = O=N-H + HZO.

Dabei entsteht Nitroxyl, das sofort in Stickoxydul iibergeht. Zweitens aber kann sich der Wasserstoff an die Stickstoff-Sauerstoff- Doppelbindung anlagern,

/OH \ H HO-N=O + 2 H = HO-N

und es entsteht Dioxyammoniak, ein Korper, den wir ale Zwischen- produkt bei anderen Reaktionen wohl kennen. Wlr wissen von ihm, daB er Neigung hat, in unteisalpetrige Skure uberzugehen, - deren bestes Darstellungsverfahren beruht auf diesem Ubergang - und wir konnen uns gut vorstellen, daB er durch Reduktionsmittel, die auf ihn im Entstehungseustande einwirken, zu Hydroxylamin reduziert wird.

Durch diese Uberlegung ware die Entstehung der drei bei der Reduktion der salpetrigen Saure durch Zinnchlorur entstehenden Korper erklart, wenn es gelange, die theoretisch erschlossene Uber- gangsstufe Dioxyammoniak wirklich nachzuweisen. Wir kennen einen sehr guten Nachweis dafiir, niimlich seine Reaktion mit Alde- hyden zu Hydroxamsauren, die sich durch ihr charakteristisch ge- farbtes Eisensalz verraten. Und wirklich gelingt es, mit diesem Reagens die Entstehung von Dioxyammoniak in der Reaktions- losung nachzuweisen. Man braucht nur eine salzsaurefreie Losung von 5 n/l-Zinnchloriir mit dem gleichen Volumen 5 n/l-Natrium- nitrit, dem man vorher etwas Benzaldehyd zugesetzt hatte, zu ver- mischen, so ruft ein Tropfen Eisenchlorid in der Flussigkeit die fiir die Benzhydroxamsaure charakteristische bordeauxrote Farbung hervor, die die vorherige Anwesenheit von Dioxyammoniak erweist. Der Kreis dieser Uberlegung wird geschlossen durch die Feststellung,

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Eanwirkung urn Z&nchlol.iir auf salpetrigc Saure. 231

daB in den Reaktionslosungen von salpetriger mit schwefliger Saure , in denen spiiter keine Spur untersalpetriger Saure nach- zuweisen ist, wahrend der Reaktion auch keine Spur Dioxyammo- niak zu finden ist. Angesichts dieser Tatsachen werden wir kaum fehlgehen in der Annahme, daB bei der Einwirkung von Zinn- chlorur auf salpetrige Saure der groBte Teil der salpetrigen Saure durch Ersatz des Hydroxyls durch Wasserstoff in Nitroxyl und weiter in Stickoxydul ubergeht, wahrend ein kleiner Teil durch An- lagerung des Wasserstoffs an die Doppelbindung sich in Dioxy- ammoniak verwandelt, das nun zum Teil zu untersalpetriger Siiure kondensiert und zum anderen Teil zu Hydroxylamin reduziert wird. Vielleicht konnte auch eine etwas veranderte Betrachtungsweise uns einen tieferen Einblick in das Wesen der salpetrigen Saure ver- mitteln. Wir betrachten zu dem Ende einige Titrationszahlen von verschiedenen Reaktionalosungen. Die oben erwahnte z. B. aus 1/10 Mol Nitrit und 1/10 Mol Zinnchlorur zu je einem halben Liter gelost ohne einen Zusatz dargestellte, verbrauchte 1. fiir 100 ccm direkt sauer oxydiert . . . . . . . . 52,5 ccrn n/lO KMnO,

fur Hydroxylamin in 100 ccm nach Kochen mit Eisen- daun . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15,2ccm n/10 KMnO,

Es ist schon oben abgeleitet, daB also in diesen 100cm3 0,00076 Mol Hydroxylamin anwesend sind, die etwa 40 em3 KMnO, n/lO von den 52,5 em3 KMnO, n/lO verbrauchen. Wir wissen jetzt, daB der Rest von 12,5 em3 zur Oxydation der untersalpetrigen SBure gedient hat. Da diese vier Aquivalente Sauerstoff aufs Molekiil auf- nimmt, um in halb Salpetersaure und halb Stickoxydul iiber- zugehen, so entsprechen diese 12,5 om3 0,00031 Mol untersalpetriger Saure. Es sind also im ganzen aus 1/10Mol Nitrit 0,0076Mol Hydr- oxylamin und 0,0031 Mol untersalpetriger SBure entstanden. D. h. vom Nitrit sind in Hydroxylamin iibergegangen 7,6%

zusammen 10,7°/0, und in untersalpetrige S&ue . . . 3,1%

wahrend der Rest von 89,3O/, in Stickoxydul ubergegangen ist. Greifen wir willkiirlich weitere Ansatze, die teilweise in abweichender Art dargestellt sind, heraus, so finden wir z. B. 2. 100ccm direkt oxydiert . . . . . . . . . . . . . 39,8ccm n/10 KMnO,

100 ccm mit Eisenalaun gekocht . . . . . . . . . 10,6 ccm n/10 KMnO, Vom Nitrit sind in Hydroxylamin . . . . 5,3% in untersalpetrige Siiure . . . . . . . . . 3,3%

zusammen 8,6% ubergegangen.

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238 B! h’uschig.

3. Zum Zinnchloriir wurden 10cmS konz. Salzsaure gegeben. 100ccm direkt oxydiert . . . . . . . . . . . . . 27,8ccm n/10 KMnO, 100 ccm mit Eisenalaun gekocht . . . . . . . . . 3,8 ccm n/10 KMnO, Vom Nitrit sind in Hydroxylamin . . . . 1,90/, in untersalpetrige Siiure . . . . . . . . . 4,40/,

zusammen 6,3% ubergegangen.

4. Zinnchlorur mit 10 em3 konz. Salzsaure versetzt, beide Lo-

100 ccm direkt oxydiert . . . . . . . . . . . . . 30,O ccm n/10 KMnOo 100 ccm mit Eisenalaun gekocht . . . . . . . . . 4,O ccm n/10 KMnO,

in untersalpetrige Siiure . . . . . . . . . 5,0°//,

sungen auf O o abgekuhlt.

Vom Nitrit sind in Hydroxylamin . . . . 2,00/,

zusammen 7,0°/, iibergegangen.

Es ist ersichtlich, da13 unter wechselnden Versuchsbedingungen das Verhdtnis von Hydroxylamin zu untersalpetriger SBure ganz erheblich wechselt. Im erstangefuhrten Versuch a. B. ist mehr als das Doppelte der untersalpetrigen SBure an Hydroxylarnin ent- standen, wahrend umgekehrt im letzten Versuch uber doppelt soviel untersalpetrige Saure wie Hydroxylamin sioh gebildet hat. Die Summe beider dagegen bleibt einigermaflen konstant. Etwas mehr als goo/, der salpetrigen SSiure gehen in Stickoxydul, primar also in Nitroxyl, und etwas weniger als 10% gehen in untersalpetrige Saure und Hydroxylamin, primar also in Dioxyammoniak uber, und dieses Veihiiltnis verschiebt sich auch bei wechselnden Versuchsbedin- gungen nur unerheblich. Der Gedanke liegt nahe, daB diese Teilung der Reaktion, da sie durch auBere Umstande so wenig beeinflul3t wird, in der Konstitution der salpetrigen SBure selbst begrundet ist. Fur diese ist ja die Wahl zwischen den beiden moglichen Formen

H-N/? und HO-N = 0 immer noch nicht endgultig getroffen. Im Gegenteil deutet manches darauf hin, daB die salpetrige SLure und ihre Salze eine im Gleichgewicht stehende Mischung beider Formen darstellen. Nehmen wir nun an, daB die Form H-N/? durch

Wasserstoffanlagerung in Dioxyammoniak H-N<EE , die Form HO-N = 0 dagegen in Nitroxyl H-N = 0 uberginge, so wiirden die angefuhrten Versuche ergeben, daB das Natriumnitrit in Losung

zu rund 10% aus der Form Na-N/? und zu rund 90% aus der Form Na-0-N = 0 besteht.

Es ist noch nachzutragen, daB, wahrend die Reaktion zwischen salpetriger Skure und Zinnchloriir aufgekliirt wurde, sich, wie oben

\O

\O

\o

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EipZzatkkung volt Zinnchloriip. auf salpetvige SGwre. 239

erwahnt, ungesucht eine kleine Bereicherung der Chemie der unter- salpetrigen Saure ergab. Unter den wenigen, das wir uber diesen interessanten Korper wissenl), findet sich die an dem gesuchten Korper, der sich nachher als untersalpetrige Saure erwies, beob- achtete Eigenschaft nicht , beim Neutralisieren seiner sauren Losung durch Soda plotzlich zu zerfallen. Es wmden daher an anderweitig hergestellter untersalpetriger Saure Versuche uber ihr Verhalten bei wechselnder Reaktion ihres Losungsmittels angestellt. Je 5 em3 einer aus Silberhyponitrit und Kochsalzlosung hergestellten Losung von Natriumhyponitrit Na,N,O,, die also gegen Phenolphthalein alka- lisch reagierte, wurden

I . in ein Gemisch aus 20cm3 n/l0-Kaliumpermanganat mit 5 (31113 2 n/l-Schwfelsaure gegeben. Nach Ablauf einiger Minuten wurde Jodkaliumlosung zugefugt und das nicht verbrauchte Per- manganat als Jod durch Thiosulfat bestimmt. Es ergab sich, da13 18,5 cm3 KMnO, n/lO verbraucht wurden.

2. In 10 em3 etwa n/l-Sodalosung gegeben. Das Gemisch wurde nach 5 Minuten in 20 em3 KMnO, n/lO mit 15 cm3 H,S04 2 n/l ge- gossen. Verbrauch 18,7 KMnO, $0.

Dadurch, daB man zur Losung des a lkal ischen Hyponitrits Soda zusetzt, wird dieses nicht verandert.

3. 5 cm3 mit 3 em3 H,SO, 2 n/l vermischt, in 20 KMnO, n/lO mit 2 Q S 0 , 2 n/l. Verbrauch 18,8 cm3 KMnO, n/lO.

Durch Ansariern der alkalischen ‘Losung des Hyponitrits wird dieses also auch nicht verandert.

4. 5 em3 mit 3 om3 H,SO, 2 n/l vermischt, in 10 cm3 Na,CO,n/l, nach einer halben Minute in 20 cm3 KMnO, n/lO + 7H,SO, 2 n/l. Verbrauch 0,4 cm3 KMnO, n/lO.

Das Hyponitrit ist also dadurch, daB seine saure Losung durch Soda alkalisch gemacht wurde, fast vollig verschwunden.

5. 5 (31x13 mit 3 em3 HC1 n/lO vermischt, dazu tropfenweise 15 cm3 NaOH n/lO, das Ganze in 20 cm3 KMnO, 1/10 + 3H,SO, 2 n/l. Verbrauch 16,3 om3 KMnO, n/lO.

Dadurch, daB die saure Losung langsam durch Natronlauge neutralisiert wurde, ist die untersalpetrige Saure nur zu etwa 12% zerstort worden.

Es folgt aus diesem Versuche, daB die untersalpetrige Siiure sowohl in saurer wie in alkalischer Losung einigermaBen bestandig

1) RASOHIG, EL a. O., S. 90.

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240 El Raschig. Bnwirib;Zcng von Znnchloriir azlf salpet~ige Saws.

ist, da% sie aber beim Ubergang der Reaktion von sauer in soda- alkalisch plotzlich zerstijrt wird. Im Zusammenhang mit diesem Versuch wurde eine ganz rohe Bestimmung der Haltbarkeit der untersalpetrigen Saure bei verschiedener Reaktion der Losung vor- genommen. Es ergab sich, daB untersalpetrigsaures Natrium bei Zimmertemperatur unter gleichen Konzentrationsverhaltnissen

in Wasser gelost . . . . . . . . in 3 Tagen, in n/10 Natronlauge gelost . . . in 10 Tagen, in 25O/,iger Essigsiure gelost . . in 7 Tagen

zur HBlfte verschwunden war, wahrend eine Losung in n/l -Natron- lauge nach 11 Tagen erst um 15O/, und eine solche in 2 n/l-Schwefel- saure nach 11 Tagen erst um 35% zuriickgegangen war. Die Halt- barkeit der untersalpetrigen Sarire ist demnach in staxk alkalischer und stark saurer Losung am groBten, und geht mit sinkender Saure- oder Alkalikonzentration zuriick, bis sie beim Neutralpunkt so gut wie Null wird. Es ist anzunehmen, daB dieses Verhalten auf einer Verschiedenheit in der Konstitution der untersalpetrigen Saure in saurer und alkalischer Losung beruht, auf die wohl auch das ver- schiedene Verhalten dieser Saure gegen saures Permanganat, durch das sie zu halb Stickoxydul und halb Salpetersaure oxydiert wird, und gegen alkalisches Permanganat, das zu Nitrit oxydiert, zuruck- zufuhren ist.

LUdwCgshafew, Chernische Pabrik Dr. l? Raschig.

Bei der Redaktion eingegangen am 16. Juni 1926.