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11. Ue?jer die electrmotorisch en Kvttfte galvan i- sch er Eetten!; von A. Oberbeck und J. Eaer. (Aus den Mittheitungen des naturwisscnschaftiichen Vereins von Neuvor- pommern und Rupcn. 22. Jahrg. 1890 mitgetheilt von den Herren Verf.) 1. U e b er sic h t d e r bi Y he r i ge n t h e o r e t i s c he n Un t ersuc h uiigen uber galvanische Elemente. Seit der Entdeckung der galvanischen Ketten ist die Erorterung der letztm Ursaclie der an den Polen auftreten- den Potentialdifferenzen der Gegenstand eingehendster Unter- suchungen und lebhaftesten Streites gewesen. Insbesondere haben zwei Theorieen, die allerdings beide im Laufe der Zeit wesentliche Veranderungen erfahren haben, einander gegen- uber gestanden : die Contacttheorie und die chemische Theorie. Eine endgultige Entscheidung fur die eine oder andere Theorie ist noch nicht erfolgt. Nur soviel ist jetzt wohl als erwiesen anzusehen, dass die ganze electromotorische Kraft einer Kette gleich ist der algebraischen Summe der Potentialdifferenzen an allen Be- ruhrungsstellen heterogener Leiter. Hiernach wurde es sich zunachst um die Bestimmung der Potentialdifferenzen ein- zelner Leiterpaare handeln. Aber gerltde diese ist beson- ders schwierig. Die von W. Ostwald’) nngegebene Me- thode der Tropfelektroden zur Bestimmung der Potential- differenz von Quecksilber und Flussigkeit scheint erst in der von E. Paschen z, verbesserten Form fur diesen Zweck brauchbar zu sein. Vie1 leichter als die Bestimmung der einzelnen Sum- manden ist diejenige der Gesammtsumme. Auch bietet die- selbe dadurch zunachst ein grosseres Interesse, dass es bis jetzt nur fur diese in einigen, besonderen Fallen gelungen ist,, aus anderen Eigenschaften der Bestandtheile der Kette die electromotorische Kraft derselben zu berechnen. 1) W. Ostwsld, Zeitsehr. f. physik. Chem. 1. 1). 582. 1887. 2) E. Paschen, Wied. Ann. 41. p. 41. 1890. Atin. d. Phys. u. Chem. N. F. XLII. 14

Ueber die electromotorischen Kräfte galvanischer Ketten

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Page 1: Ueber die electromotorischen Kräfte galvanischer Ketten

11. Ue?jer d i e electrmotorisch e n Kvttfte galvan i- sch er Eetten!;

von A. O b e r b e c k und J. E a e r . (Aus den Mittheitungen des naturwisscnschaftiichen Vereins von Neuvor- pommern und Rupcn. 22. Jahrg. 1890 mitgetheilt von den Herren Verf.)

1. U e b e r s i c h t d e r bi Y he r i g e n t h e o r e t i s c he n U n t er suc h uiigen uber g a l v a n i s c h e Elemente.

Seit der Entdeckung der galvanischen Ketten ist die Erorterung der letztm Ursaclie der an den Polen auftreten- den Potentialdifferenzen der Gegenstand eingehendster Unter- suchungen und lebhaftesten Streites gewesen. Insbesondere haben zwei Theorieen, die allerdings beide im Laufe der Zeit wesentliche Veranderungen erfahren haben, einander gegen- uber gestanden : die Contacttheorie und die chemische Theorie. Eine endgultige Entscheidung fur die eine oder andere Theorie ist noch nicht erfolgt.

Nur soviel ist jetzt wohl als erwiesen anzusehen, dass die ganze electromotorische Kraft einer Kette gleich ist der algebraischen Summe der Potentialdifferenzen an allen Be- ruhrungsstellen heterogener Leiter. Hiernach wurde es sich zunachst um die Bestimmung der Potentialdifferenzen ein- zelner Leiterpaare handeln. Aber gerltde diese ist beson- ders schwierig. Die von W. Ostwald’) nngegebene Me- thode der Tropfelektroden zur Bestimmung der Potential- differenz von Quecksilber und Flussigkeit scheint erst in der von E. P a s c h e n z, verbesserten Form fur diesen Zweck brauchbar zu sein.

Vie1 leichter als die Bestimmung der einzelnen Sum- manden ist diejenige der Gesammtsumme. Auch bietet die- selbe dadurch zunachst ein grosseres Interesse, dass es bis jetzt nur fur diese in einigen, besonderen Fallen gelungen ist,, aus anderen Eigenschaften der Bestandtheile der Kette die electromotorische Kraft derselben zu berechnen.

1 ) W. O s t w s l d , Zeitsehr. f. physik. Chem. 1. 1). 582. 1887. 2) E. P a s c h e n , Wied. Ann. 41. p. 41. 1890.

Atin. d . Phys. u. Chem. N. F. XLII. 14

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210 A. Oherbeck u. J. Edler.

Die ausschliessliche Vorbedingung hierfur war bis jetzt die vollstiindige Umkehrbarkeit der Vorgange, welche ein- treten, wenn der Strom die Kette in dem einen oder an- deren Sinne durchlauft. Als vollstandig umkehrbar kann man eine Kette definiren, wenn die Gesammtheit aller che- mischen Proceke bei Stromdurchgang in einem Sinne voll- standig riickgsngig gemacht wird, durch den.Durchgang der- selben Electricitiitsmenge in dem entgegengesetzten Sinne. Man kann eine Kette auch dann als umkehrbar bezeichnen, wenn infolge des Stromdurchganges in dem einen oder an- deren Sinne keine Elemente oder Verbindungen neu auf- treten, welche nicht zuvor vorhanden waren. Der electrische Strom darf daher nur eine Vermehrung oder Verminderung oder eine andere raumliche Vertheilung der vorhandenen Bestandtheile der Kette bewirken.

Am einfachsten wird diese Bedingung bei den sog. Con- centrationsketten erfiillt. Tauchen zwei Platten desselben Met& in die Liisungen eines Salzes des betreffenden Me- talls, welche an den beiden Polen verschiedene Concentra- tion haben , so zeigen die Metalle eine Potentialdifferenz, und zwar ist die in der concentrirten Losung befindliche Metallplatte der positive Pol der Concentrationskette. Bei Schliessung dieser Kette tritt durch die Wirkung des Stromes eine Verringerung der Concentrationsunterschiede ein, da gleichzeitig Metal1 von der An!)de zur Kathode, dagegen Salz im umgekehrten Sinne wandert. Dieser Vorgang bei Strom- schluss ist aber nicht allein in dem oben definirten Sinne umkehrbar. Derselbe kann auch - wie H. von H e l m - h o l t z zuerst auseinander gesetzt hat’) - durch einen me- chanischen Vorgang riickgangig gemscht werden.

Es kann namlich der urspriingliche Zustand der Con- centration durch Verdampfung von Wasser an der Kathode und Condensation des Dttmpfes an der Anode wiederher- gestellt werden. Durch Gleichsetzung der electrischen und mechanischen Arbeitsgrassen erhalt man dann den folgenden Ausdruck fur die electromotorische Kraft der Concentra- tionskette, unter gewissen, vereinfachenden Annahmen:

1) H. v o n H e l m h o l t z , Wissenschaftl. Abhmdl. 1. p. 840. 1882. - Wed. Ann. 3. p. 201. 1877.

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Electrornoforische Krayte galvanischer Kettm. 21 1

3 = 7). v, (I - n) lg 91.1) !?k

In demselben bedeutet 6 die Constante in der Formel fur die Verminderung des Dampfdrucks uber einer Salz- losung im Vergleich zu dem Dsmpfdruck iiber reinem Wasser. 1st ereterer p , letzterer bei gleicher Temperatur p,, so ist annahernd :

I p = p -- 4'

wenn q diejenige W assermenge ist, welche ein electrolytisches Aequivalent des Salzes enthalt. Ferner sind 2. und q k die entsprechenden Wassermengen an der Anode und Kathode, und es ist n die ,,Ueberfiihrungszahl des Kations".

In etwas anderer Weise hat vor Kurzem W . N e r n s t a ) Formeln fiir die electromotorische Kraft von Concentrations- ketten abgeleitet, welche fur die Berechnung noch bequemer sind. Die Folgerungen der Theorie wurden von J. Masers) und W. N e r n s t 4 ) gepriift. -41s Beispiel mag die electro- motorische Kraft der Kette: Silber I Silbernitrat l/,,normal I Silbernitrat normal I Silber angefuhrt werden, welche bei der Beobachtung 0,055 Volt gab und nach der Rechnung 0,0572 Volt betragen aollte. In Lhnlicher Weise lassen sich auch einige Classen von Fllissigkeitsketten berechnen.

Fur die bei weitem wichtigste Classe der umkehrbaren Ketten, welche nach dem Typus des Daniell'schen Elementes gebildet sind, glaubte man schon friihzeitig einen einfachen Ausdruck der electromotorischen Kraft gefunden zu haben. Schon im J. 1847 hat H. v. H e 1 m h o 1 t z 5, darauf hingewiesen, dass moglicherweise die electromotorische Kraft einer solchen Ket te der algebraischen Shmme derjenigen (mit dem mecha- nischen Warmeiiquivalent multiplicirten) Wtlrmetonungen gleich sein konnte, welche den bei Durchgang der Strom- einheit erfolgenden chemischen Processen entsprechen.

0

1) 1. c. p. 848. 2) W. Nernst , Zeitschr. f. physik. Chem. 4. p. 154 u. 163. 1889. 3) J. Moeer , Wied. Ann. la. p. 62. 1878. 4) W. Nernst , 1. c. p. 155. 5) H. v. Helmholtz , Wissenschaftl. Abhandl. 1. p. 50. 1883.

14 *

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212 -4. Oberbeck )I. J. Eder.

Etwas spater hat Sir W. Thornson’) die gleiche Be- ziehung aus dem Grundsatz der Erhaltung der Energie zu beweisen gesucht. D a durch die electromagnetische Strom- einheit in der Secunde 0,01118 g Silber abgeschieden wer- den, so werden durch denselben Strom 0,01118/(2.108) elec- trolytische Aequiralente irgend einer anderen Verbindung zerleg t.

Diese Zahl ist mit der Differenz der WarmetSnungen der betreffenden Verbindungen zu multipliciren und ferner durch Multiplication mit dem mechanischen Warmeaqui- valent: 4,2 . lo7 in Arbeitseinheiten umzusetzen.

Urn endlich die electromotorische Kraft in Volts zu er- halten, ist noch mit lo8 zu dividiren.

Hiernach ist die electromotorische Kraft E in Volts: o o t i i s 4 9 107 E = ’- - 2 - L L ( A - K ) . 1 0 8 . 2 lb8

wenn A die Warmetonung des an der h o d e , K diejenige des an der Kathode sich abspielenden chemischen Vor- ganges ist.

Benutzt man die J. 3 . Thomson’schen Zahlen fur die Warmetijnungen:

Zn, 0. SO.,Aq. = 106090, Qu, 0, SO,ACJ. = 55960,

entsprechend dem Daniell’schen Element, so wurde fur dasselbe:

E = = 1,089 Volt sein. Diese zufallig sehr gunstige Uebereinstimmung mit dem wahren Werth der electromotorischen Kraft hat bewirkt, dass man langere Zeit hindurch der oben angegebenen Formel allgemeine Gultigkeit zuschrieb.

Durch die eingehenden Untersuchungen von F. B r a u n ? ) iind A l d e r W r i g h t und C. Thompsons ) wurde aber fest-

11 W. T h o m s o n , Phil. Mag. (41 2. p. 4211 11. 551. 1851. 2) F. Braun, Wid . Aiin. 5. p. 182. 1878; 16. p. 561. 1852: 17.

3) Alder W r i g h t 11. $. T h o m p s o n , Phil. Mnp (51 19. p. 27, 102, p. 59% 1882.

19;. 19%.

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Xlectrornotorisclre Krafte galvankcher Kctien. 213

gestellt, dass dieselbe sich durchaus nicht in allen Fallen als richtig bewahrt. Es ergaben sich dabei die folgenden Resultate:

1) E s gibt Ketten, bei denen die oben auseinander- gesetzte Berechnung der electromotorischen Kraft nahezu zutrifft. Dieselben bestehen aus Combinationen von Zinli, Cadmium oder Kupfer in den Losungen ihrer Sulfate oder Acetate.

2) Bei anderen Ketten ist die beobachtete electromoto- rische Kraft kleiner, als die berechnete (hauptsachlich wenn der positive Pol derselben Silber oder Blei ist).

3) Es gibt Ketten, bei denen die beobachtete electro- motorische Kraft die berechnete ubertriift. Dies findet be- sonders statt, wenn der positive Pol Eisen oder Quecksilber ist, oder wenn Blei den negativen Pol bildet.

Ja es gibt sogar Ketten, bei denen die electromotorische Kraft das entgegengesetzte Vorzeichen hat l), wie die berech- nete und andere, bei denen das Vorzeichen mit der Tempe- ratur sich andert, bei welcher die Beobachtung stattfindet.

F u r den ersten dieser beiden Falle mag die Kette: Alu- minium und Zink in den Losungen ihrer Sulfate als Beispiel angefuhrt werden. Dieselbe sollte nach der Berechnung die electromotorische Kraft 0,982 Volt mit Zink als posi- tivem Pol besitzen. Die Beobachtung gibt dagegen Alu- minium als positiven Pol und die electromotorische Kraft 0,537 Volt.

Ein merkwurdiges Element, bei welchem mit der Tem- geratur eine Verhderung des Vorzeichens der electromoto- rischen Kraft stattfindet, hat F. S t r eintz3) untersucht. Es besteht dasselbe aus Silber in Silbersulfatlosung und Queck- silber in Beruhrung mit Quecksilbersulfat. Bei niedriger Temperatur ist Silber, bei hoherer Quecksilber der positive Pol. Die Temperatur des Zeichenwechsels ist verschieden bei den einzelnen Elementen, liegt aber zwischen loo und 30°.

D a die oben besprochene Berechnung der electromotori-

1) Eine Zuaamncmstelliqg dieser Ketten bci A lder Wright und

2) A. P. Laur ic , Phil. Mag. (5) 32. 1). 213. 1886. 3) F .S tre iu tz . Wien.Ber.96. Abth.IIa. 1999. Wied.Ann. 35. 1x514.

C . Thompson, 1. c. p 211.

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214 ,4. Oberbeck u. J. Eder.

schen Kraft auf den Satz der Erhaltung der Energie zuruck- geht, indem sie auf der Erwilgung beruht, dass die Arbeit der electrischen Krilfte bei dem Stromdurchgang durch das Element der Arbeit der chemischen Krafte gleich sein muss, so ist die Frage von grossem Interesse, worin der Mange1 an Uebereinstimmung zu suchen ist. l)

Derselbe kann zunachst darin seinen Grund haben, dass die zur Berechnung herangezogenen chemischen Processe uberhaupt gar nicht in der angenommenen Weise verlaufen. Dies ist z. B. bei der oben erwahnten Aluminium-Zinkkette sicher der Fall. Bei derselben ist wahrscheinlich auch gar nicht das Aluminium als solches in Beruhrung rnit der Sul- fatlosung. Vielmehr ist anzunehmen, dass dasselbe durch eine diinne Schicht eines Suboxyds von der Flussigkeit ge- trennt ist.

Dann aber treten nachweislich in allen bis jetzt bekann- ten FLllen des Ueberganges von Electricitat von einem Metal1 zu einer Flussigkeit und umgekehrt directe, locale Warme- entwickelungen (gewohnlich Production von Warme an der Anode und Verbrauch an der Kathode) auf. Letztere mussen selbstverstandlich bei den1 Ansatz der Energiegleichung mit- berucksichtigt werden.

Bezeichnet man - wie oben - die Warmetonung des chemischen Processes fur die Stromeinheit und Zeiteinheit an der Anode mit A , an der Kathode mit K , mit c den oben berechneten Factor, die wirklich bei Stromdurchgang auftretende Warmeerzeugung an der Anode mit a, den durch Abkiihlung zu erkennenden W armeverbrauch an der Kathode mit h, beide Warmemengen nach mechanischem Maass ge- messen, so ist jetzt an Stelle der Gleichung:

zu setzen: Man kann fir die letzte Gleichung auch schreiben:

E = C { A - K) E = c ( A - K) - (a - k ) .

E = c { A ( 1- - - A) --K ( 1 -31 oder : E = c ( A a : - K K y ] ,

1) Vgl. G. W i e d e m a n o , Electricitiit 2. p. 865. E. F. Herroun, Phil. Mag. (5) 27. p. 209. 1889.

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ElactroniotoriscAe Krufte gulvanischer Ketlen. 215

w enn : y = 1 - - k c R

gesetzt wird. Der Ausdruck fiir die electromotorische Kraft ist dadurch auf eine Form gebracht, welche derselben bereits von F. Braun ' ) gegeben wurde.

Die Factoren x und y bezeichnet derselbe als electro- motorische Nutzeffecte.

Andererseits hat H. von Helmhol t z2 ) nachgewiesen, dass die local entwickelten Wllrmemengen a und K der ab- soluten Temperatur 9 proportional sind, sodass:

a = c c . 4 , k = x . 9

zu setzen ist. Denn in diesem Falle ist, vorausgesetzt, dass A und K oder wenigstens die Differenz A - K von 9 un- abhlngig ist, die Bedingung zu erfiillen, dass:

d F *9,9.-= d 8 - ( a - k ) .

Hiernach ware der Ausdruck fur die electromotorische Kraft :

1st die ehen gemachte Annahme nicht allgemein gestattet, sind A und K ebenfalls Functionen der Temperatur, BO hatte man die Differentialgleichung:

E = c ( A - K ) - (U - X ) 9..

zu l ben , deren rechte Seite eine Function von 9 ist;. Das Integral dieser Gleichung kann man in der folgenden Form schrei ben :

In den meisten Filllen ist die Veranderung der Ver- bindungswarmen A und K in gleicher Weise von der Tem- peratur abhiingig, sodass das letzte Glied keinen erheblichen Einfluss haben kann.8)

Schliesslich mag hier noch auf eine Formel fur die elec- tromotorische Kraft hingewiesen werden, welche J. J. T ho m -

1) F. Braun, Wied. Ann. 16. p. 561. 1882; 17. p. 593. 1882. 2) H. v. Helmholtz, Wissenscliaftl. Abh. 2. p. 962. 3) Vgl. hieruber G. Lippmann, Compt. rend. 99. p. 895. 1885.

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216 A. Oberheck 11. J. Edler,

son1) entwickelt hat. In der hier angenommenen Bchreib- weise wiirde die dort aufgestellte Differen tialgleichung lauten :

d E d 4 - d 4

9 2 .d'_E - B - + E = c (A - K ) . Hiernach ware die Berechnung der electromotorischcn Kraft streng umkehrbarer Ketten zuriickgefiihrt auf die Kenntniss der Warmethungen der chemischen Processe und auf die- jenige der localen Warmeentwickelungen bei Uebergang der Electricitiit von Metal1 in die Salzlosung des Metalles.

Fur letztere liegen directe Beobachtungen vor von B o u t y Z ) , H. J a h n s ) und W. Gill*) , die zum Theil noch zu verschiedenen Resultaten gefiihrt haben. Selbstversthd- lich konnen nur diejenigen Warmeentwickelungen hier in Betracht kommen, welche bei einem Zustande der Salzlosung erfolgen, bei dem der Vorgang noch ein vollstandig um- kehrbarer ist. Diese Bedingung hort i m allgemeinen auf erfiillt zu werden, wenn ein starker Strom lange Zeit durch die Losung geht oder wenn letztere sehr verdiinnt ist. W. G i l l hat iibrigens noch das beachtenswerthe Resultat gefunden, dass die genannten Uebergangswarmen von der Concentration abhangen und bei grijsserer Verdunnung (bei den Losungen der Sulfate von Zink, Cadmium und Kupfer) kleiner werden. Hiernach mussten dieselben auch einen Ein- fluss auf die Bereclinung der Concentrationsketten ausuben, boi denen derselbe bisher nicht beriicksichtigt wurde.

2. Plan u n d A n o r d n u n g der U n t e r s u c h u n g .

Aus dieser kurzen Uebersicht kann man entnehmen, dass die Anzahl derjenigen galvanischen Ketten, deren elec- tromotorische Kraft aus anderen Eigenschaften ihrer Com- ponenten bis jetzt wirklich berechnet werden kann, noch eine kleine ist. Gerade die wichtigste und einfachste Be- ziehung, diejenige zu den Warmetonungen, ist keineswegs

1) J. J. T h o m s o n , Auwendungcm der Dynaniik aiif Physik und

2) B o u t y , Compt. rend. 89. p. 146. 18 i9 U. 90. p. 98i . 1Y811. 3) H. J a h n , Wied. Ann. 34. p. '755. 1588. 4) W. G i l l , Inanguraldiss. Greifswald 1589 und Wied. Ann. 40.

Chemic. Autorisirte Uebcrsetzung. Leipzig 1890. p. 312.

1). 115. 1890.

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Electromotoriscke Krayte galuanischer hhtten. 217

durcli die Erfalirung allgemein bestatigt worden. Bestlindc dieselbe durchweg, so konnte man sie als Grundlage einer modernen chemischen Theorie der galvanischen Kette be- zeichnen. Andererseits lasst sich eine gewisse, allgemeine Analogie zwischen den Potentialdifferenzen eines Metalles gegen eine Salzlosung einerseits und der Warmetonung bei Bildung dieses Sakes nicht verkennen. So ist z. B. die Reihenfolge der Metalle nach ihren Warmetonungen bei Bildung der hauptsachlichsten Salze im Ganzen dieselbe, wie in den sogenannten electrischen Spannungsreilien der Metttlie.

Es schien uns daher von Interesse, eine Reihe hierhin gehorender, noch keineswegs erschopfend behandelter Fragen naher zu untersuchen. Dltbei glaubten wir nicht mehr bei den umkehrbaren Ketten stehen bleiben zu sollen. Es schien uns im Gegentheil von Wichtigkeit, festzustellen, ob und in welcher Weise ahnlich zusammengesetzte, constante und in- constante Ketten sich in ihrer electromotorischen Kraft unterscheiden.

Lasst man z. B. in der Clark’schen Kette: Zink I Zinksulfat I Quecksilbersulfat 1 Quecksilber

das Quecksilbersulfat fort, so wird die Kette sehr inconstant. Der geringste Strom, welcher Zink in das Quecksilber treibt, geniigt, um die electromotorische Kraft der Kette fast auf Null herunterzudriicken. Wie unterscheidet sich nun die mit Vorsicht untersuchte Kette von der Clark’schen? Wie wird aich ferner die electromotorische KriZft lndern, wenn man bei dieser Kette das Zinksulfat durch die Sulfate anderer RIetalle ersetzt, ferner wenn man die gleichen Untersuchun- gen fur die Chloride, Bromide und Jodide anstellt?

Wir haben uns hierbei zuntichst auf eine kleine Anzahl von Metallen beschrankt, und um dieselben in Oberflachen- zustanden zu benutzen, welche moglichst unverandert erhnlten werden ktinnen, haben wir dieselben als schwache Amslgame angewandt. Es ist beknnnt - und noch vor Kurzem durch eine eingehende Untersuchung von S. L i ndeck l) bestlltigt worden -, dass sich die Amalgame der meisten Metalle auch bei ziemlich geringem Procentgehalt electromotorisch fast genau ebenso rerhalten wie die Metalle selbst. Diese Amal-

1) S. Liudeck, W e d . Ann. 36. p. 311. 1888.

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218 A. Oberbeck u. J . Edler.

game sind bei einem Gehalt an Metal1 von 1 bis 2 Proc. noch vollkommen flussig. Sie wurden in U-formige Glas- rohren gefullt. I n den langeren Schenkel konnte ein Platin- draht getaucht werden. Doch konnte die Oeffnung desselben auch mit einem kleinen Compressionsapparat verbunden wer- den, durch welchen die Eohe des Amalgams in dem kur- zeren Schenkel regulirt wurde. Letzterer tauchte in die zu untersuchende Flussigkeit. Durch Heben und Senken der Quecksilbersaule wurde die Flussigkeit in das obere Ende der Rohren eingefiihrt und in Beriihrung mit der Queck- silberoberflache qebracht. Der Vortheil dieser Anordnung im Vergleich zu festen Metallelectroden besteht vor Allem darin, dass man durch Ausstossung eines oder einiger Tropfen von Amalgam stets leicht eine ganz neue und sbsolut reine Oberflache herrorbringen kann.

Wir haben in diesor Weise die Amalgame von Zink, Cadmium, Zinn, Blei, Wismuth stets im Vergleich zu reinein Quecksilber untersucht.

Zur Untersuchung der electromotorischen Kraf t unserer Elemente:

Q u e c k s i l b e r 1 F l u s s i g k e i t I A m a l g a m wurde die Compensationsmethode mit Anwendung eines Spiegelgalvanometers benutzt. Die beiden Rollenpaare des- selben hatten iiber 10000 5.-E. Widerstand. Als compen- sirende Kette dienten drei Daniel l ’sche Elemente, neben welche ein Widerstand von 3000 S.-E. eingeschaltet war. Der zu verhnderndo Zweigwiderstand bestand au8 einem Wider- standskasten yon H a r t m a n n und R r a u n .

Zur Controlle der Daniells diente ein Clarkelement, welches stets abwechselnd mit den zu untersuchenden Ele- menten durch die 3 Daniel1 compensirt wurde. Anfanglich benutzten wir ein selbstverfei tigtes Element, melches Mufig mit einem Normaldaniell verglichen wurde. Dasselbe war zwar recht constant, hatte aber eine etwas grosse electro- motorische Kraft von 1,465 Volt. Spilter wurde dasselbe durch ein von R. F u e s s bezogenes und von der physikalisch- technischen Reichsanstalt in Charlottenburg gepriiftes Clark- element ersetzt.

Ebenso wurde anfanglich kaufiiches, sogenanntes chemisch

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~1ecti.oniotoriscl~e Kt lifte galvanischer Ketten. 219

reines Quecksilber benutzt, und es wurden die Amalgame direct durch Einfuhrung kaufiicher chemisch reiner Metalle in das Quecksilber hergestellt. Nachdem wir indess in den Besitz eines W e i n h o 1 d 'schen Quecksilberdestillationsappa- rates gelangt waren, wurde das Quecksilber zweimal destillirt. Ferner wurden die Amalgame durch electrolytische Abschei- dung der Netalle auf einer Quecksilberkathode hergestellt, sodass wir annehmen durfen, bei diesen letzten Reihen wirk- lich mit chemisch reinen Materialien gearbeitet zu haben. Nur bei dem Wismuth gelang uns die electrolytische Bildung des Amalgams nicht. Hier wurde daher reines Wismuth in dem reinen Quecksilber aufgelost.

3. Ergebnisse d e r Versnche.

Unsere ersten Versuche behandelten die electromotori- schen Krafte der oben angefuhrten Amalgame gegen Queck- silber in einer grosseren Anzahl von Losungen von Sulfaten und Chloriden, welche zum Theil auch in verschiedenen Con- centrationen benutzt wurden. Um unser Forschungsgebiet einigermaassen zu beschranken, haben wir vorliufig die stark verdunnten Losungen ausgeschlossen, bei welchen eigentham- liche Veranderungen der electromotorischen Krafte mit der Concentration vorzukommen scheinen.')

Wir stellen die Ergebnisse zunachst fur Zink und Cad- mium gegen Quecksilber in den beiden folgenden Tabellen zusammen. Die neben den Salzen stehenden Zahlen bcdeuten die specitischen Gewichte der Losungen.

1) Vgl. (i. Gore, Phil. Mag. ( 5 ) 2!). p. 401. 1890.

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220 A. Oberleck u. J. E d h .

T a b e l l e 2.

D a ein Clarkelement die electromotorische Kraft 1,435, ein Calomelelement diejenige 1,074 besitzt, so sieht man, dass durch Uebergang von der constanten zur inconstanten Form in dem einen Palle die electromotorische Kraft etwas kleiner, im anderen etwas grosser geworden ist.

Der Anblick der beiden Tabellen lasst ohne meiteres erkennen, dass das Metall der Salzlosung keinen erheblichen Einfluss auf die electromotorische Kraft ausiibt. Nur in dem Falle sind die Werthe derselben kleiner, wenn das betreffende Metall dasselbe ist, wie dasjenige der einen Electrode (Zink oder Cadmium). Dagegen sind die electromotorischen Kriifte der beiden Combinationen erheblich geringer, wenn man von den Sulfaten zu den Chloriden iibergeht. Die Werthe der- selben sind ferner, wie uns der Vergleich mit anderen Reihen gezeigt hat, innerhalb gewisser - aber ziemlich enger - Orenzen variabel. Eine der Hauptursachen dieser Erschei- nung hat yor Kurzem E. Warburg ' ) eingehend untersucht: die Einwirkung der in der Losung enthaltenen Luft , ins- besondere des Sauerstofl's auf die Electroden. Bestehen beide Electroden aus demselben Metall, ist aber die Fliissigkeit urn die eine Electrode luftfrei, urn die andere lufthaltig, so ist die ,,Vacuumelectrode" anodisch gegen die ,!Luftelectrode" oder es ist letzterc der positive Pol des auf diese Weise gebildeten Elementes.

Der Luftzutritt zu unseren stets zuvor ausgekochten Flussigkeiten war nicht ausgeschlossen. Jedoch war unsere ganze Anordnung derart , dass jedenfalls keine schnellen Aenderungen des Luftgehaltes in der Nahe der Electroden stattfinden konnte. Bus diesem Grunde zeigten auch unsere

1) E. Warburg , \Vied. Ann 3s. p. 322. 1SStr.

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Eldromotorische Krufte galvanischer Ketteii. 221

Messungen in einem Zeitraume von etwa einer halben Stunde in den bei weiten meisten Fallen ganz constante Werthe.

Mit Berucksichtigung dieser Umstande schlossen wir schon aus unseren ersten Versucheu, dass die electromotori- when Krafte ausser von den beiden Metallen hauptsachlich von dem electronegativen Bestandtheil des gelosten Salzes abhiingig seien. Es handelte sich also darum, diese Ab- hangigkeit fur eine Reihe der wichtigsten Falle festzustellen.

Die folgenden Tabellen enthalten die Resultate dieser mit reinen Materialien angestellten Versuche.

NaCl 1,0s2 1,121 ICCl 1,09S 1,126 ZnC1, 1,104 1,025 CdCI, 1,075 -

T n b e l l e 3. Chlor ide .

0,756 0,58i 0,.563 0,257 0,752 1 0,609 1 0,562 1 0,329 03757 0,647 0.527 0.258 0,698 0,597 0,565 0,231

T a b e l l e 5. Jod ide .

Losungen ~ ~~

Y d 1,063 KJ 1,031 ZnJ? 1,112 CdJ? 1,059

Zink I Cadmium 1 Zinn

0,830 0,463 0,453 0,891 0,457 0,431 0,675 1 1 0,345 - 0,326

Blei

0,248 0,2i2 0;236 0,313

Wiemuth

0,04 I 0,050 0,033 0,053

T a b e l l e 6. Su l f a t e . ~- ~~

Losungen 1 Zink 1 Cadmium I Zinn 1 Blei

Na SO, 1,116 1,361 0,935 0,873 0,801 K&O, 1,070 1,394 0,961 0,877 0,795 ZnSO, 1,150 1,274 0,963 0,64i 0,778 CdSO, 1,127 ~ - ~ 0,923 ~ 0,93i 1 0,833

Page 14: Ueber die electromotorischen Kräfte galvanischer Ketten

A. Oberbeck 71. J. Edlrr.

T a b e l l e i. N i t r a t e .

0,736 0.745 0,91S 0,740 0,910 0,929

Losungen 1 Zink 1 Cadni. - -

0,462 0,473 0,476 0,46S 0,476 0,5OY

NaNO, 1,070 (neutral) NaNO, 1,095 (neutral! NaNO, mit Siiure

Zri(NO,), mit Siiurcs Zn(NO,), (sauer r. I

0,887 0,860 1,089 0,9 19 1,092 1,042

1,326 1,3:31 1,481

1,439 1 $!I5

T a b e l l e 8. S a u

1,316 0,44 4 1,316 0,849 1,378 0,304 1,375 o,aiz 1,301 0.792

Zinn

0,821 0,762 0,90G 0,761

0,940 0,905

en.

0,999 0,739 0,456 0!99i 0,722 0,454 1,063 0,975 0,516 1,079 0,981 0,484 0,904 0.550 0,286

Losungeii 1 Zink 1 Cadmium ~ Zinn i Blei Wismuth

H,SO, 1,017 1,521 1,124 0,958 0,949 0,483 HNO, 10095 1,509 1,111 0,942 0,807 0,493 CIH 1:0035 1 1,152 1 0,77Y I 0,785 ~ 0,553 1 0,163

T a b e l l e 9. C a r b o n a t e u n d A l k a l i e n .

Losungen

Na. CO, K,bO, NaHO KHO NH,O

~~~

B u s den vorstehenden Tabellen ziehen air die folgenden

1. Die elrctromotorischen K r a j l e rler con uns untersuchten

a) von rlem Metal1 der beiden Electroden, b) voii dein eleclronegativen Bestandtlieil der Salzliisuny . Die Reihenfolge der Metolle in den Salzlosungen ist

iiberall dieselbe, wenn auch die einzelnen Metalle zum Theil etwas weiter, zum Theil etwas naher riicken.

Dagegen konnten auch wir die schon bekannte bemerkenswerthe Ver- anderung der Spannungsreihe I) fur die Alkalien conststiren; bei welchen Zinn und Blei eine auffallend hohe Stellung (be- sonders im Vergleich zu Cadmium) einnehmen.

A m grossten und nahezu gleich sind die electromotori- when Krafte fir Schwefelsaure und Salpetersaure. Fur die

1) G. W i e d e r n a n n , Die Lehre von der Electricitst. 1. p. 652. 1882.

Schlusse :

Ketten hangcn hnuptsachlicli ab:

E i n gleiches gilt auch fur die freien SBuren.

Page 15: Ueber die electromotorischen Kräfte galvanischer Ketten

~~~ctr .o , ,zotorische Krufte galvanisclier Ketten. 223

Salzsiiure sind dieselben vie1 kleiner und nur wenig grosser als fur die neutralen Chloride.

Fu r die Salzlosungen folgen die electromotorischen Krafte der Grosse nach in der Reihe:

Sulfate, Nitrate, Carbonate, Chloride, Bromide, Jodide. Die drei ersteren sind wenig voneinander verschieden. Die electromotorischen Krafte der Nitrate gaben zum Theil leicht veranderliche Werthe. Die geringste Spur von freier Saure liess die electromotorische Kraft erheblich ansteigen.

2 ) Von dem Metall der Salzliisuny sind die electvomotori- schrn Krai,fte nur dunn ahhiingig, wenn dusselbe mit dem Hetall cier einen Electrode ubereinstimmt. In diesem Fall ist die elec- tromotoriscirc Kraft kkiner.

Diese Thatseche wurde fur Zink und Cadmium con- statirt bei den Sulfaten, Chloriden, Bromiden, Jodiden. Bei den Nitraten war dieselbe zum Theil durch den Einfluss der sauren Reaction der Salzlosungen verdeckt. Die electromo- torischen Krafte erwiesen sich gegen Spuren freier Salpeter- saure ausserordentlich empfindlich. Die von uns benutzten Salze von Zink und Cadmium reagirten sammtlicli schwach snuer. Diesem Einfluss schreiben wir es auch zu, dass auch Zinn , Blei und Wismuth in .einzelnen Fallen abweichende Werthe von den electromotorischen Krkften in den Losungen der neutralen Alkalisalze zeigten. Ueberhaupt ist das Wis- muth ein Metall, bei welchem die Bestimmungen der elec- tromotorischen Kraft oft erhebliche Schwankungen zeigten, und besonders auch auf Erschiitt.erungen reagirten. Bus diesem Grunde sind fiir Schwefelsaure die Werthe fiir Wis- muth fortgelassen.

Eine Erklarung dieser Ergebnisse scheint uns in der von E. W a r b u r g l) herruhrenden Auffassung der inconstanten Elemente zu liegen. Die Grundlage dorselben bildet die Annahme, dass an der Grenze Metall-Salzlosung eine geringe Menge des Metalls in Losung iibergeht. Da es sich hierbei nur urn eine Grenzschicht von molecularer Dicke handelt, so gentigen hierzu Metallmengen, welche mit den gewohnlichen

1’1 E. Warburg, Wied. Ann. 38. p. 327 u. 338. 1889. - Vgl auch W. Nernst , Zeitscbr. f. phys. Chem. 4. p. 147. 1889.

Page 16: Ueber die electromotorischen Kräfte galvanischer Ketten

224 -4. Oberbeck 11. .I. Edler.

chemischen Hufsmittel nicht mehr nachweivbar sind. Auch ist die neuere Auffassung in der Chemie, nach welcher der grossere Theil der Xolecule eines geltisten Salzes in seine Theilmolecule zerfallen ist, dieser Annahme gunstig. Nach derselben ist es wohl denkbar, dass z. B. an der Grenze einer Chlornatriumlosung gegen Zink voriibergehend sich Chlor- ziukmolecule bilden und zersetzt werdeo, jedoch in der Weise, dass fortdauernd eine gewisse Anzahl derselben vorhanden ist. Hiernach wurde die electromotorische Kraft einer Kette. bestehend aus den Metallen M, und M, in der Losung eines Salzes M,S, anstatt aus den Potentialdifferenzen:

M, I M,S + M,S I &I3,

M, 1 M,S + M,Y 1 M,S + 31,s 1 M,S + M,S 1 M, aus der Combination:

bestehen. Diese Anordnung als wirklich vorhanden vorausgesetzt,,

wirrde sich das Element in ein umkehrbares verwandelt haben.’) Selbstversthndlich wird es sich als solches nicht einem electrischen Strom von endlicher Grosse gegenuber verhalten. Alle theoretischen Betrachtungen iiber die elec- tromotorischen Kriifte setzen aber auch nur die Umkehrbar- keit fur beliebig kleine Electricitatsmengen voraus.

Es schien daher auch nicht unangemessen, die Warme- t6nung des chemischen Processes zum Vergleich heranzu- ziehen. Man ersieht zunachst, dass dabei die Verbindungs- warme des Metallsalzes herausfallt und im wesentlichen die Warmetonungen der Endglieder iibrig bleiben. Es steht da- mit in bester Uebereinstimmung das Resultat, dass die elec- tromotorischen Krafte von dem Metal1 der Salzlosung nahezu unabhangig sind.

Wir lassen hier noch einige thermochemische Daten fiir die Bildungswarmen einer Reihe wilsseriger Salzlosungen nctch J. T h o m s e n a ) folgen.

1) E. W a r b u r g , 1. c. 11. 338. 2) J. Thornsen, Thermochem. Unterauch. 3. p. C05, 506, 508, 509,

516, 518. Leipzig 1883.

Page 17: Ueber die electromotorischen Kräfte galvanischer Ketten

Electromotorische Krafte galvanischer Ketten. 225

~~

90960 75640 54410 -

~

60540 47870 - -

Vergleicht man die entsprechenden

Zink . . . 106090 Cadmium . . 89880 Blei , . . 73800 Queckeilber . ! - 102510 112840

86000 96250 68070 75970 37070 59860

Differenzen dieser W armetonungen mit den beobachteten electromotorischen Krilften, 80 ist eine gewisse Analogie nicht zu verkennen. Die Werthe nehmen. meist ab, wenn man von den Chloriden zu den Bromiden, von diesen zu den Jodiden iibergeht, ebenso wie die electromotorischen Kriifte. Bei Vergleich der Ni- trate und Chloride sind die Differenzen for erstere iiber- wiegend, weil die Heihe steiler abfallt, als bei den Chloriden.

Die folgende Tabelle 11 enthillt eine Zusammenstellung der Einzelresultate, wie sie sich nach der oben gemachten Annahme ergeben. Hierbei sei noch bemerkt, dass zu den W erthen der beobachteten electromotoriachen Krtifte die- jenigen herangezogen wurden, welche den neutralen K- und Na-Ltisungen entsprachen.

T a h e l l e 11.

Electroden

Zn-Cd 11

11

11

11

Zo-Hg 1,

Cd-Hg

Zn-Pb 11

I 1

Cd-Pb 17

,, I1

Pb-Hg 11

Liisung

Sulfat Nitrat Chlorid Bromid Jodid Nitrat Chlorid Nitrat C hlorid Siilfat Nitrat Chlorid Hromid Sulfat Nitrat Chlorid Bromid Nitrat Chlorid

Ano d. Pbp . u. Chem. N. F. XLII

berechn.

0,352 0,35Y 0,361

0,275 1,4?2 1,151 1,064 0,790 0,iO2 0,748

0,794 0,350 0,390 0,411 0,46 1 0,674 0,949

-

0,333

0,802

beob.

0,429 0,446 0,369 0,361 0,370 1,329 1,123 0,883 0,747 0,579 0,589 0,561 0,541 0,150 0,143 0,192 0,180 0,740 0,562

Di5'erenz beob.- ber.

+0,077 +0,088 +0,008 + 0,028 +0,095 -0,093 -0,028 -0,181 -0,013 -0,123 -0.159 -0,211 -0,253 - 0,200 -0,247 -0,249 -0,281 4- 0,066 + 0.21 3

15

Page 18: Ueber die electromotorischen Kräfte galvanischer Ketten

226 A. Oberbeck ?I. J. Edler. Electromotorische Kdifte etc.

Die Unterschiede der beohachteten und berechneten elec- tromotorischen Krafte sind von derselben Grossenordnung wie bei den constanten Ketten. 1st Blei oder Quecksilber der positive Pol, so sind die beobachteten Werthe zu klein, ist dagegen Blei der negative Pol, so sind dieselben zu gross. Die Mitberiicksichtigung der localen Wiirmeentwickelung an den Electroden scheint hier erst recht unerlasslich. Dieselbe kann wahrscheinlich als Maass der Arbeit far die Verilnde- rung der angenommenen Grenzschichten angesehen werden.

Die bemerkenswerthe Erscheinung, dass Zink und Cad- mium in ihren eigenen Salzen etwas geringere electromoto- rische Krtlfte liefern, als in den Salzen der Alkalien, hat man wohl dadurch zu erklaren, dass die Grenzschicht in der fremden Salzlosung stark verdiinnt, diejenige in der eigenen Losung der Natur der Sache nach concentrirt ist. Das in der concentrirten Losung stehende Metal1 steht aber tiefer in der Spannungsreihe, als dasjenige in der verdiinnten, die electromotorische Kraft des ersteren gegen Quecksilber ist also kleiner.

Es scheint hiernach, dass fiir die Theorie der galvani- schen Ketten die wesentlichsten Grundlagen gefunden sind.

1) Die electrolnotorische Kraft ist xu berechnen aus den WHrmetonungen der chemischen Processe, aber mit Beruck- sichtigung der an den Electroden sich abspielenden localen W lirmevorgiinge.

2) Die inconstanten Ketten sind auf die constanten g e t - ten durch die Annahme molecularer Schichten von Losung der Electrodenmetalle zurtickzufiihren. Letztere sind als ver- dlinnte Losungen aufzufassen. Ihre Concentration hitngt von mancherlei Urnstanden ab, welche noch durch weitere Ver- suche festgestellt werden mlissen.

O r e i f s w s l d , den 15. August 1890.