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1888. ANNALEN .xi 12. DER PHYSIK UND CNEM1E. NEUE FOLGE. BAND XXXV. 1. UebeP die p h ys iku 7 is c7i e PL Eige IL sch cifte I L diinrm*, festw Lcomellei~; zvm G. Q u irhcke. (Die Resiiltate dieser Utitersachung 11urden der I<. Academie der Wisseii- schaften zii Berlin mitgetheilt am 12. Juli 1888.) (HiPrxu Tat‘. \I Fig. 1-4.) 0 1. Einleitung. - Die genieinschaftlichc Grcnzfiacho zweier Pldssigkeiten 1 und 2 hat das Bestreben, miigliclist klein zu werden. Die Kraft, welche dabei in der gemein- schaftlichen Grenze wirkt, nennt man die Cupillarconstante oder Oberfliichenspannung u12 der gemeinsarnen Grenzfliiche. Ich habe vor 18 ,Jahren verschiedene Methoden angegeben, dieselbe numerisch zu bestimmen. l) Aehnliche Krafte hat man in der Grenzfliichc eines festen Korpers mit Luft oder mit einer anderen Fliissigkeit anzunehmen.2) huch diese E’liichen haben das Bestreben, moglichst klein zu werden. Die Erscheinungen werden aber wesentlicli andere bei der Grenzfliiche einer Fliissigkeit und eines festen Korpers, RIS bei der Grenzflache zweier Fliissig- keiten, weil in erstereni Falle eine seitliche Verschiebbar- keit fur die Theilchen der ersten Substanz nicht vorhan- den ist. Wenn man den Einfluss anderer Kriifte, besonders der Schwerkraft, ausschliesst, nehmen die Grenzfliichen zweier Fliissigkeiten Kugelgestalt an und bilden Kugeln oder Kugel- schalen (Blasen). Die Grenzflache einer Fliissigkeit und eines festen Korpers bildet dagegen im allgemeinen Falten, ~ 1) 0. Quiucke, l’ogg. Ann. 139. p. 1. 1870. 3) G. Quinckc, Pogg. Ann. 131. p. 3%. 1868; Wied. Ann. 2. p. 192. 1877. Auu. d. PllJS. u. c1,err.. N. F. IYXY, 3 6

Ueber die physikalischen Eigenschaften dünner, fester Lamellen

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1888. A N N A L E N .xi 12.

DER PHYSIK UND CNEM1E. N E U E F O L G E . B A N D XXXV.

1. UebeP d i e p h ys iku 7 i s c7i e P L Eige I L sch cifte I L di inrm*, festw Lcomellei~;

z v m G. Q u irhcke. (Die Resiiltate dieser Utitersachung 11 urden der I<. Academie der Wisseii-

schaften zii Berlin mitgetheilt am 12. Juli 1888.) (HiPrxu Tat‘. \ I Fig. 1-4.)

0 1. E i n l e i t u n g . - Die genieinschaftlichc Grcnzfiacho zweier Pldssigkeiten 1 und 2 hat das Bestreben, miigliclist klein zu werden. Die Kraf t , welche dabei in der gemein- schaftlichen Grenze wirkt, nennt man die Cupillarconstante oder Oberfliichenspannung u12 der gemeinsarnen Grenzfliiche. Ich habe vor 18 ,Jahren verschiedene Methoden angegeben, dieselbe numerisch zu bestimmen. l)

Aehnliche Krafte hat man in der Grenzfliichc eines festen Korpers mit Luft oder mit einer anderen Fliissigkeit anzunehmen.2) huch diese E’liichen haben das Bestreben, moglichst klein z u werden. Die Erscheinungen werden aber wesentlicli andere bei der Grenzfliiche einer Fliissigkeit und eines festen Korpers, RIS bei der Grenzflache zweier Fliissig- keiten, weil in erstereni Falle eine seitliche Verschiebbar- keit fur die Theilchen der ersten Substanz nicht vorhan- den ist.

Wenn man den Einfluss anderer Kriifte, besonders der Schwerkraft, ausschliesst, nehmen die Grenzfliichen zweier Fliissigkeiten Kugelgestalt an und bilden Kugeln oder Kugel- schalen (Blasen). Die Grenzflache einer Fliissigkeit und eines festen Korpers bildet dagegen im allgemeinen Falten,

~

1) 0. Q u i u c k e , l’ogg. Ann. 139. p. 1. 1870. 3 ) G. Quinckc , Pogg. Ann. 131. p. 3%. 1868; Wied. Ann. 2 .

p. 192. 1877. Auu. d. Pl lJS. u. c1,err.. N. F. I Y X Y , 3 6

562 G. Quincke.

unter gewissen Bedingungen cylinderfijrmige Gestalten oder Rohren, da eben die zur Bildung von Kugelflichen nothwen- dige seitliche Verschie bbarkeit bei den Theilchen des festen Korpers fehlt.

Ich werde im Folgenden den experimentellen Beweis fur diese Behauptung fuhren.

Hr. G. v a n d e r Mensbrugghe ' ) hat in der Ober- flache fester Rorper eine Extensionskraft angenommen , im Gegeiisatz zu der Contractionskraft einer Flussigkeitsober- flache. Diese Annahme ist mit der Erfahrung nicht in Ue bereinstimmung.

D i e E r z e u g u n g f e s t e r L a m e l l e n von geringer Dicke ist mit experimentellen Schwierigkeiten verknupft, sodass es mir zuerst nicht gelingen wollte, bei den verschic- denen Versuchen Lamellen yon derselben Beschaffenheit z u erhalten.

Folgende Methode fuhrte schliesslich zu befriedigenden Resultaten.

Bringt man auf die ebene Oberflache von Quecksilber in einem Uhrglas von 8 bis 10 cm Durchmesser einen Tropfen wasserige Losung von Hausenblase oder Gelatine, so breitet sich der Tropfen auf der reinen Quecksilberoberflache aus und uberzielit dieselbe ganz und gar in einer diinnen Schicht. Hat man aber vorher auf der Quecksilberflache eine sehr kleine Menge Oel sich ausbreiten lassen, so nimmt der Tropfen auf der fettigen Quecksilberoberflache linsenformige Gestalt an. Der Tropfen ist um so flacher und breiter, und der Randwinkel des Tropfens um so kleiner, j e dunner die Oelhaut auf der angrenzenden freien Quecksilberoberflache ist, wie wenn man reines Wasser auf die fettige Quecksilber. ober%ache gebracht hatte. 2,

Nach dem Verdunsten des Wassers der Leimlosung bleibt eine feste Leimlamelle zuruck von 5 cm oder kleine- rem Durchmesser und um so grosserer Dicke, je concen-

2.

1) G. van der Mensbrugghe, Bull. de Brux. (2) 40. p. 341.

2) G. Quincke, Pogg. Ann. 139. p. 67. 1870. 1875; ib. (3) 12. Nr. 12. p. 34. 1x86; ib. (3) 13. Nr. 1. p. 5 . 1587.

Physikulische E<qenschaften dunner, fester Lamellen. 563

trirter die aufgebrachte LeimlGsung war. Ich habe Losungen benutzt mit 0,75 bis 10 Proc. trockener Hausenblase oder Gelatine.

Solange die Leimlosung flussig ist, ist sie von zwei nahezu horizontalen Kreisflachen begrenzt; wenigstens bei den grosseren Lamellen. Bei sehr fettigen Quecksilber- flachen sind die Grenzflachen rler LeimlGsung nahezu Kugel- flachen.

Nach dem Erstarren bildet die Peripherie der Leim- lamelle eine Sinuscurve, die auf einer verticalen Cylinder- flache liegt nnd durch radiale gerade Streifen mit der Mitte der Leimlamelle verbunden ist. Die Peripherie der Leim- lamelle liegt abwechselncl hoher und tiefer als das urspriing- liche horizontale Quecksilloerniveau. Die Erhebungen und Vertiefungen des Randes wechseln mit dem Azimuth der Peripherie. Die Peripherie ist also gestaltet, wie die Sinus- curve auf einer Cylinderflache, welche man zur Erlauterung der L i s s a j o us'schen Figurenl) benutzt bei Combination zweier aufeinander rechtwinkliger Schwingungsbewegungen mit dem ganzzahligen Verhaltniss 1 : n.

Auf der Peripherie cler Cylinderflache kiinnen 1 , 2, 3 , . 20 uncl mehr Sinus-Huge1 und -Thaler, n Erhebungen und 71 Vertiefungen, liegen, wo n eine beliebige ganze Zahl ist. J c grosser n, umsomehr Falten erscheinen am Rande der Lamelle. (Vgl. Fig. 1).

Fur n = 2 hat die Lamelle eine sattelformige Gestalt mit einer nach oben concaven oder convexen Schnittcurve in zwei aufeinander rechtwinkligen centralen Verticalschnitten.

F u r R = 3 zeigt die Lamelle eine sternformige Gestalt niit sechs unter 60° gegeneinander geneigten horizontalen Radien, die zwei benachbarte convexe und concave Theile des Randes voneinander trennen, sodass einer Erhebung auf der einen Seite eines Durchmesserv eine Vertiefung auf der anderen Seite desselben Durchmessers entspricht.

1st n gross, etwa 20 oder 100, so erscheint die Lamelle nur am Rande gefaltet und in der Mitte eben.

1) Lissajous, Ann. de chim. et de phys. (31 51. p. 169. 1857. 36 *

564 G Quinrkr.

J e geringei. die Dickc, und je griisser der Durchmesser der Lamellc ist, um so griisser ist im allgemeinen n, und um so kleiner die verticwlc Hiihe der Erhebungen und Vertie- fungcn am Randc. Fiir 77 I= 2 war dicse H6he 5 nim bei Hwuse~lblasel:tmellen von 4 6 inm Dnrciinipsser iind 021 mm Diclie.

Der EiLnrl der Lainelle kann aber aiich mehrfach perio- d iv l i sein. 3:s kiinnc-n gleiclizeitig 2 oder 3 grosse Palten und 24 odcr 100 odcr nocli mehr lrleine Falten an der Peri- pherie auftreten (Fig. 3),

Die festen clunnen Lnmellen zeigen also (rkumlich) an den verschiedenen Stellen der Peripherie periodische Erhe- ijungen uiid Vertiefungen, wie sie dieselhe Stelle eines trans- versal schwingenden Fadens odcr einer Klangsclieibe (zeitlich) zii J erschiedencn Zeitcn zeigt.

Wie verschiedene Xchwingungsformen fur die verschie- denen Pnrtialtone init tien Schwingiingszahlen z, 2 2 , , n z miiglich sind und einzeln oiler zusammen vorkommen kon- nen, so kiiniien uuch auf dcr Peripherie der festen Leim- lamellen 1, 2, 3 . . 7~ Erhpbungen und Scnliungen einzeln oder zusnnimen vorkommm.

Sincl die Lmicllen nicht zu dunn, so lassen sie sich mit einem unterpescholrenen I’apierblntt ohne Gestaltsanderung T 0111 Queclmilbcr ahhehen und aufhewahren.

Die Grow und Gestalt der ~~ci inlaniel le ist unter sonst gleichm Uinstinden durch die Oberfl~chenspannung der fet- tigen c$ueck~2,ilberflaclie besii ~mnit, welch? wiedcr von der Temper atur und Dicke der Oclschicht abliiingt. Diese Dicke darf abar nicht mehr betragen als 0,0001 min.

Steht das Uhrglas niit Clem Queclisilher und dem fIiissi- gen Leimtropfcn in der Nkhe des Eensterd, so iindert sich die Oberfliichenspannung rnit dcr Hestralilung, die Erhebungen und Verticfungeii sind fur dafiselbe 71 nicht mehr symmetrisch an der Peripherie vertheilt, das Leinigehilde zeigt positiven oder negativen Heiiotropismus, jenachdein der .E€immel kalter oder warmer wls die Stube ist. Bei directer Bestrahlung durch Sonnenlicht koniinen natiirlicli die grossten Abwei- chungen vor.

Physikalische Ez$en.schnifteri du?iner, fester LarneZhth. 565

Die regelmassigsten Leimlamellen erhalt man, wenn man das Uhrglas mit Quecksilher in einen oben offenen Papp- cylinder auf einen Tisch in der Rlitte eines grosseren Zim- mers von constanter Tempcratur stellt und clafiir sorgt, days ein lcleiner Tropfen Knocheniil, den man mit einem selir diinnen Glasfaden an die Oherflache des Quecksilbers bringt, sich nach allen Seiten miiglichst gleichmassig ausbreitet. Der fliissige Leimtropfen wird unmittelhar nachher aufgelegt, ehe die Oelschicht sich an den verschiedenen Stellen ver- schieden geandert hat.

Nach 3 bis 12 Stunden, je nach der Temperatur, hat sich die feste Lamelle gebildet.

Aehnliche feste Lamellen, wie init wiisserigen Losungen von Hausenblase oder Oel:ttine, erhalt man rnit arahischem Gummi oder Agar-Agar ; oder mit alkoholischen Losungen von Scliellack, Gummigutti oder Harz (Colophonium) durch Verdampfen des Losungsmittels; n i t tiiitrirtem Hiihnereiweiss oder Blutserum durch Eintrocknen an der Luft ; rnit ge- schmolzenem Wschs oder Canadahalsam durch Erkalten.

Eiweisshaltiger Pfianzensaft aus zerriebenen frischen Spargeln durch Abpressen oder Filtriren erhalten, bildet ebenfalls nach dem Eintrockrien auf Quecksilber diinne La- niellen, die langsam fest werden und dann Falten bilden.

Bei Ausbreitung der alkoholischeli Harzlosung auf den mit einer unmerklich dicken Oelschicht bekleideten Queck- silberfl%chen entstehen am Rmde des Fliissigkeitstropfens zuweilen in gleichen Abstinden voneinander Anschwellungen, ahnlich und ails deniselben Orunde wie die bekannten Wein- thranen in einem Portweinglas. Die Oberfiachenspannung wachst durch Verdampfe'en des d k o h o l s am RaLnde, Und da- rlurcli w i d die Pliissigkeit nach diesem hingezogen. l h e Verdampfung wircl ahnlich periodisch, wie bei den I on E. H. W e b e r I ) untersuchten Alkoholtropfen rnit wasserigem Gummigutti.

Pech, Schellack oder Harz auf warmem Quecksilher geschmolzen, bilden beini Erkalten xiemlich hohe Linsen und keine diinncri Lxinc!lcn.

1) 1: 11. \ Y c : b C l , hg,.. rl l l l l . 94. 1). 12'L l b G .

566 G. Qnincke.

Aehnliche feste Lamellen, wie :iuf Quecksilherflachen, erhalt man, wenn die LSsungen von Leim u. s. w. auf dun- nen, ebenen Kautschukplatten eintrocknen, die uber der Oeff- nung eines Glascylinders von 5 bis 12 cm Durchmesser aus- gespannt sind. Die Erhehungen und Senkungen an der Peripherie sind aber kleiner, als ltuf Quecksilberflachen.

Uiese Versuche scheinen mir auch wegen der Analogie mit ahnlichen Erscheinungen der organischen Natur h i der Zellbildung Beachtung zu verdienen.

4 3. Im Polarisationsapparat zeigen sich d i e f e s t en L a m e l l e n von H a u s e n b l a s e , G e l a t i n e u n d A g a r - A g a r o p t i s c h doppe1tbrechend.-Sieverhaltensich, wie wenn sie parallel der Peripherie eine Dehnnng oder parallel dem Radius eine Compression erfahren hatten. Hausenblase und Qelatine werden, wie Glas, durch Compression negativ doppeltbrechend. l)

Die Doppelbrechung einer auf Quecksilber eingetrock- neten festen Leimlamelle ist am Rande am grossten und nimmt continuirlich nach der Mitte hin ab. Erliiihte und vertiefte Stellen zeigen gleiche Doppelbrechung. Dxher zeigt eine solche Leimlamelle zwischen gekreuzten N i c ol’schen Prismen (in einem Bundel paralleler Lichtstrahlen) ein schwar- zes Kreuz, parallel den Hauptschnitten der N i c o l’ schen Prismen, ahnlich wie eine senkrecht zur optischen Axe ge- schnittene Kalkspathplatte (in einem Biindel divergirender Lichtstrahlen). 2,

Bei dunnen Leimlamellen war keine Doppelbrechung wahrzunehmen.

Dies optischc Verhalten weist darauf hin, dass die Leimlamellen beim Eintrocknen eine Dehnung parallel der

1) E. Mach, Pogg. Ann. 146. p. 315. 1872. 2) Eine etwas andere optische Doppelbrechung bei Gelatine, die aber

in anderer Art erstarrt war , ist schon friiher bcobachtet worden. Clerk Maxwel l , Pogg. Ann. 161. p. 153. 1874; Proe. Roy. SOC. 22. p. 46. 1874. B e r t i n , Ann. de chim. et de phys. (51 15. p. 131. 1878. Fr. K l o c k e , Call’s Rep. 1 7 . 1881; N. Jahrh. fiir Min. 2. p. 261. 1881.

Physihalische Eigenschoften dunner, .fester L n m r l l m 567

Peripherie eri'ahren. Diese Anschauung wird durch folgen- den Versuch best'atigt.

1st die Lamelle sehr diinn, so zeigen sich am Rande sehr viele lrleine Falten und parallel der Peripherie New- ton'sche Farbenringe, aus denen man ersehen kann, dass die Lamellendicke von der Peripherie nach der Mitte hin zunimmt.

Zeigen feste Lamellen, die aus verdiinnten Losungen von Hausenblase oder Qelatine oder aus filtrirtem Hiihner- eiweiss auf Quecksilber sich gebildet haben, diese Randfalten mit quer dariiber laufendcn N ewton'schen Ringen, und haucht man auf die Lamelle, so nimmt die feste Substanz Wasser auf, wird fliissig, nnd die Falten verschwinden. Beim Ver- dampfen entstehen neue Falten, oft niedriger und in grosse- rer Zahl wie vorher. Dabei riicken die Newton'schen Ringe nach cler Mitte der Lamelle fort. Die Lamelle wird beim Verdampfen des Wassers Ianger (breiter) und dunner.

Feste, faltige Lamellen aus filtrirtem Hiihnereiweiss, Rlutserum oder Pflanzeneiweiss, auf Quecksilber durch Ein- trocknen erhalten, verlieren beim Behauchen oder beim Auf blasen von feuchter, kohlensaurefreier Luft diese Falten und verwandeln sich wieder in Fliissigkeit.

Wird iiber eine feste Leimlamelle auf Quecksilber Alko- hol gegossen und mit einem hohlen Glasfaden ein wenig Wasser an die Leimlamelle gebracht, so wird diese fliissig, und die Randfalten verschwinden. Entzieht der Alkohol dem Leim das Wasser wieder, SO entstehen neue Randfalten, aber in nnderer Zahl und niedriger wie vorher.

A l l m a h l i c h e r U e b e r g a n g a u s dem f l u s s i g e n i n den f e s t e n Z u s t a n d . - Wird in die Kuppe eines lin- senfirmigen Tropfens von Hausenblaselosung auf Quecksilber ein Platindraht geschoben, und Platindraht und Quecksilber mit den Yolen eines Chromsaureelementes verbunden, so zieht sich der fliissige Leimtropfen zusammen oder breitet sic11 aus, ahnlich wie ein Wassertropfen unter gleichen Urn- standen'), jenachdem der electrische Strom vom Tropfen

0 4.

- - - -

1) G. Quincke , Pogg. Anu. 138. p. 70. 1870.

568 G. Quincke.

zum Quecksilber geht, odcr umgekehrt. Ueim Wechseln der Richtung des electrischen Stromes erfolgt die Formanderung des Tropfens um so langsamer, je mehr Wasser verdampft ist, und je zahfliissiger der Tropf'en ist. Sobald sich Falten oder feste, diinne Lamellen am Rande des Tropfens bilden, ist zwar auch noch das Bestreben vorlianden, sich zusammen- zuziehen oder auszubreiten. Aber der Tropfen folgt diesem Bestreben langsam , widerwillig, schliesslich gar nicht mehr. E s fehlt eben jetzt die leichte seitliche Verschiebbarkeit der Theilchen.

Erkaltet man allmahlich einen linsenfiirmigen Wasser- tropfen auf einer horizontalen Quecksilberflache in einem Raume von - loo, so zielit sich der Wassertropfen allmah- lich zusammen, wird hijher iind erstarrt schliesslich zu einer Eislinse mit scharf'en Kandcrn von ahnlicher Gestalt, wie sie ein Wassertropf'en bei O o unter ahnlichen Bedingungen zeigt.

Zu kleine Tropfen darf man bei diesem Versuch nicht anwenden, weil dieselben dann iiberkaltet werden, ohne zu erstarren.

$ 5. C y l i n d e r f o r m i g e K o h r e n a u s d i i n n e n La- m e l l e n . - Hebt man sehr dunne, feste Lamellen mit einem untergeschobenen Papierblatt Tom Queclisilber ab , so rollt sich das Quecksilber unter der dunnen, festen Haut zusam- men. H a t die H a u t wenig Festigkeit, wie dies bei Eiweiss und Harz oft vorkommt, so bricht sie. H a t sie mehr Festig- keit, was bei f'esten Lamellen von Hausenblase, Leim, Schel- lack und Ouinmigutt,i das gewiihnliclie ist, so rollt sie sich zu diinnen, cylindrischen Rohren von ' I 2 bis 2 mm Durch- messer zusammen. J e dunner die Lamelle ist, um so dun- ner und liinger ist auch der entstehende Cylinder.

Kimmt man aus dem Uhrglas Quecksilher unter der diinnen, festen Lamelle fort, so zeigen sich Falten an der Peripherie der festen lmnel le ansserhalb des Gebiets der N e w t o n'schen Farbenringe a n Stellen, wo die Lamelle auf andere Weise, als durch diese Fornianderung der Quecksil- beroberflache oft gar niclit irichr wahrzanehmen ist. Feste Lamellen, cleren Ilicke brdeutend kleiner als eine Lichtwelle

Yfiysikalische Eigenschafteen dunner, fester Lamellen. 569

ist, die man mit den besten Mikroskopen nicht mehr sehen kann, konnen auf diese Weise noch wahrgenommen werden.

Eine Luftscliicht zwischen einer Glaslinse von 2 m Ra- dius und einem ebenen Planspiegel a m Spiegelmetall oder Stahl gibt im reflectirten Licht N e w t o n'sche Ringe mit einem centralen Fleck, der nicht schwarz erscheint, wie bei einer Glaslinse auf einem ebenen Glasspiegel, sondern blau- grau, zuweilen mit einem Stich ins Braunliche. Die Farben der Ne wton'schen Ringe erscheinen nicht in der gewohn- lichen Weisel) , sondern modificirt, als ob die Dicke der Luftschicht in der Mitte nicht 0 , sondern il = 0,0,70 ware, da bei der Reflexion in Luft an der Grenze Luft-Metal1 eine Phasenanderung auftritt, die e t a a einer Viertelwellen- lange entspricht2), wahrend bei der Reflexion in Luft, an der Grenze Luft-Glas die Phasenanderung 0 ist. Ausserdem fehlt die griinliche Farbung bestimmter Stellen der N e w - ton'schen Farbenringe.

Dieselben Eigenthumlichkeiten zeigten die diinnen Leim- lamellen auf Quecksilber. Der ausserste Rand erschien bei senkrecht reflectirtem weissen Licht dunkel oder hell ansser- halb einer blaugrauen Zone, auf welche nach der Mitte zu noch weitere sechs blaue oder dunkle Ringe folgten. Die diinnste Stelle der Leimlamelle war also hier dunner ale ' I 8 Lichtwelle im Leim, oder:

9 d. h. < 0,0,45 mm, < 0,0,70 mm 1,539

-~ __._

wenn man den Brcchungsexponenten des Leimes nach W. W e r - n icke3) zu 1,539 annimmt. So diinne Leimlamellen konnen noch Falten auf Quecksilber zeigen.

Zuweilen sind feste Leimlamellen bis zu einer Diclre, die etwa 0,0,500 entspricht, noch ohne Falten, und die Falten beginnen erst bei grosserer Dicke.

Feste Lamellen von Schellack und Harz von 0,0,90 mm Dicke auf Quecksilber, oder yon Gummigutti von 0,0,180 mm Dicke zeigten Falten, wenn man mit einer Pipette Queck-

1) G . Quincke, Pogg. Ann. 129. p. 180 1866. 2) W. Wernickc , Bed. Monatsber. 4. 11. 187.5. 1'. 684 11. 695. 3) W. IVernicke, Wied. Ann. 30. p. 467. 1887.

670 G. Quincke.

silber aus dem Uhrglas fortnahm. Beim Neigen des Uhr- glases rissen die festen Lamellen, und der grosste Theil der Falten verschwand wieder.

An festen Lamellen von Eiweiss auf Quecksilber habe ich zuweilen Falten gesehen bei Dicken, welche 0,0,6 bis 0,0,20 mm betrugen.

Die diinnen festen? -\om Quecksilber benetzten oder iin ihm haftenden Lamellen modificiren die Beweglichkeit des Quecksilbers irn Uhrglas, welches eine mogiichst kleine Ober- flache annehmen will und dadurch ziemlich complicirt gestal- tete langliche Tropfen oder cylindrische Faden bildet, welche mit zusammengerollten fejten Lamellen bedeckt sind.

Diese cylindrischen Gebilde kann man auch rnit anderen Pliissigkeiten als Quecksilber erhalten.

Von einer mit Silber belegten verticalen Glasplatte loste sich unter Wasser das Silber, dessen Dicke 0,0,60 mm betrug, d~ und schwebte als ebcnes Blattchen, von kleinen Luft- blasen getragen, im Wasser. Hei Beriihrung rnit flachen Tropfen eines Gemisches ;LUS Mandelol und Chloroform vom specifischen Gewicht 1,02 am Boden des Wxssers legte sicli das Silberblattchen an die Oeloberflache an und bildete dabei an einzelnen Stellen kleine Falten. An der freien Wasser- oberflache waren die Silberblattchen gxnz eben. Die Ober- flachenspannung der umgebenden freien Oberflache der Flus- sigkeit zieht die Metallblattchen eben.

Aehnlich wie 8ilber verhalten sich dunne Bliittchen von Gold oder Aluminium von ahnlicher Dicke. Um die diinnen MetallblBttchen unter Wasser bringen zu konneii, muss man sie erst in ein Probirrohrehen rnit Alkohol tauchen und dann den Alkohol vorsichtig durch Wasser verdrangen.

Alkoholische Schellacklosung breitet sich an der freien Oberflache von Rapsol aus. Der Alkohol wird vom Rapsol aufgelost oder verdampft. Es entsteht eine diinne feste Schellacklamelle, wie anf Q,uecksilber. Wird die Lamelle mit einem untergeschobenen Papierblatt abgehoben, so rollen die diinnen Rander zu cylinderftrmigen Rohren zusammen.

Ich brachte unter ein Deckglas, dessen untere B’lache mit vier Wachsfiisschen oder zwei untergelegten Deckglasstreifen

Physiktrlischc Eiy Pnschnffm rliinnw, fester Lumellen. 5 7 1

0,l inrn voin Objecttriiger entfernt gehalten wurde? reines Wasser und an den Rand des mit Wasser erfiillten Raumes bei A einen Tropfen alkoholische Harz - oder Gumniigutti- h u n g (Fig. 3). Die alkoholische L8sung mischt sich mit dem Wasser. Durch die Contraction mit der Mischung ent- stehen Hohlriiume, und gleichzeitig scheidet sich festes Harz ah. Bei passender Temperatur und geeigneter Concentration der Hamlosung bilden die dunnen, festen Harzlamellen kugel- formige oder wurstformige Oberflachen, die in Kroisen um die Ausbreitungsstelle A angeordnet sind.

Beim Eintrocknen bilden die Harztheilchen orthogonale Curven, ahnlich wie man sie bei der Knochenbildung beob- achtet hat. l )

Vertheilt man fette Oele durcli Schutteln in verdiinnter wasseriger Sodalosung, so entsteht durch die Einwirkung der freien Fettsaure des Oeles feste Seife.2) Das mit einer Haut yon fester Seife bekleidete Oel bildet im Inneren der wks- serigen Flussigkeit nicht mehr Oelkugeln, sondern langliche oder cylinderformige Faden.

Ein linsenformiger Oeltropfen, der auf einer Sodalosung in einem Uhrglas schwimmt, hat kreisrunde Form, wenn seine Grenzflache mit der Sodalosung aus flussiger Substanz, z. B. aus flussiger Seifenlosung besteht. Bei einer schaukeln- den Bewegung des Uhrglases behalt der Tropfen diese kreis- runde Form.

Besteht die Grenzflache nus fester Seife, so nimmt der Oeltropfen bei der schaukelnden Bewegung langliche oder cylinderformige Gestalt an, die um so langsamer an der ruhenden Fliissigkeit verschwindet, je dicker die feste Seifen- schicht ist.

I n ahnlicher Weise zeigt reines Quecksilber in einem Uhrglase bei schaukelnder Bewegung runde Tropfen; dagegen

1) G. H e r m a n n Mcycr , Iieichert und du Bois-Reymond's Rrchiv. 1867. p. 627. Taf. XVIII. Fig. 10; J. Wo 1 f f , Virchow's Arch. 50. p. 389. 1870.

2) E, v. Uri icke, Wien. Ber. 61. 2. Abtli. p. 363. 1870; Gad, dri Bois Keyinond's Arch. 1Si8. p. 187.

3) G. Q u i n c k e , Pfliiger's Arch. 1879. p. 138.

572 G. Quincke.

langliche oder cylinderfijrmige Tropfen, wenn es Metalloxyde oder Platinamalgam enthalt, wenn es also mit einer festen H a u t von Oxyd oder Platin bekleidet jst. J e dicker die feste H a u t ist, urn so langssrner k e h t in d m Ruhe die kreisrunde Form zuriick. Bei sehr dicker fester Hnut gar nicht. Man sagt d a m , das Quecksilber ist so nnrein, class es Schwanze zieht.

Legt man eine mit getrorknetem Schellnckfirniss bedeckte Glasscheibe einer H o 1 t L ’ schen Maschine unter TVasser , so lost sich nach 12 bis 14 Stunden die diinne Schellackhaut vom Glase ab uncl rollt unter Wasser zu cylindrischen Rohren zusammen, deren convexe Seite vorher dem Glase angelegen hat.

Glasplatten lassen sich mit einer unmerklich dicken Oel- liaut iiberziehen und dann versilbern. Auf dern Silber kann man noch galvanoplasiisch Kupfer niederschlagen oder eine wasserige Leimlosung eintrocknen lassen. Das Silber oder d:is niit einer diinnen Schicht Kupfer oder trockenem Leim bekleidete Silber lgsst sich von der Glasplatte abziehen nnd bildet dann ebenfdls cylinderfijrmige Itiihren, deren convexe Seite friiher das Glas beriihrt hatte.

Diinne Lamellen einer festen Substitnz kijnnen in Luft oder in einer Eliissigkeit ebene Platten bilden, wenn die Oberflachenspannung in beiden Grenzfliiclien gleich gross ist. 1st die Oberflachenspannung auf der einen Seite der diiniien Eamelle grosser, nls auf der anderen, so entsteht ein Krafte- paw, das die diinne Lamelle zii einem Cjlinder aufrollt.

Dunne Bliitter Papier, Gelatine, Goldblatt, Bronce, Alu- minium etc. in Luft oder Wasser sind Beispiele des ersten Falles. Driickt man die eine Seite irnd maclit dadurch die Oberflachenspannung grosser , so rollt die ebene Lamelle zu einem Cylinder zusammen, von um so kleincrem Radius, je dunner die Lamelle ist, und j e mehr die Oberflachenspannung der concaven Seite die der CouVexen iibertrifft.

Theoretisch niusste eine eberie Eanielle unter Wasser, auf deren einer Seite inan eine Pliissigkeit sich ausbreiten lasst, deren Oberf iachensp~~nnun~ an der Grenze init Wasser Null ist, eine cylinderfijrmige Jlamelle geben. J edoch habe

Physika1i.de E@enschaften dunner, Lfester Lamellen. 513

ich, trotz rnehrfacher Versuuhe, diese Erscheinung noch nicht nachweisen kiinnen. Alkohol, auf die eine Seite einer Schel- 1ackl:imelle unter Wasser gebracht, andert deren F o r m nicht; vielleicht, weil er zu schnell vom Wasser aufgelost wird.

Bringt man einen diinnen Streifen, der auf der einen Seite ails Silber, a d ' der anderen aus Hausenblase besteht, in ahsoluten Alkohol und lksst aus einem hohlen Glasfaden etwas Wasser auf der Leimseite sich ausbreiten, so kriimmt sich der Streifen. Die Leimseite wird concav, also durch W asseraufnahnie kiirzer, Nach einiger Zeit, wenn der Allto- hol dem Leim das Wasscr wieder entzogen hat, hat der diinne Streifen wieder die ursprungliche Gestalt angenommen. Es scheint aber hierbei das Wasser eine chemische Verbin- dung mit dem Leim einzugehen, da die Gestaltsanderung vicl langsamer auftritt, als hei der Ausbreitung an Flussig- keitsoberfl2chen.

0 6. F l a c h e T r o p f ' e n g e s c h m o l z e n e r u n d e r - s t a r r t e r S u b s t a n z e n . - Die Erscheinungen bei dem all- mghlichen Uebergange aus dem fliissigen in den festen Zu- stand (vgl. 0 4) machen es wahrscheinlich, dass die Spannung der freien Oberflache einer festen Substanz sich nicht bedeu- tend von der Spannung der freien Oberflache der fliissigen Substanz unterscheidet , sobald die Temperatur fur beide Zustande nahezu dieselbe ist.

Um daher angeniihert einen Anhaltspunkt fur die Ober- fliichenspannung der oben heschriebenen festen Lamellen aus Leim, Schellnck, Gummigutti und Harz zu erhalten, habe ich diese Substanzen geschmolzen und in flachen Tropfen von 20 bis 25 mm Durchmesser auf eine horizontale Glasplatte gegossen. A n den erstnrrten Tropfen wurde die Hohe, d. 11. der verticale Abstand \on Knppe und Bauch des Tropfens gelnebsen. Aus dem Quadrat dieser Hohe erhiilt man dann durch Multiplication mit dem halben specifischen Gewicht der betren'enden Suhstanz die Spannung der freien Ober- flache, wie bei Fliissigkeiten.')

Bei dem Schmelzen hat man sorgsam darauf zu achten, _ _

1 ) (4, Qnii ic l re , Pogg. Ann 139. p 7. 1870.

574 G. Quincke.

dass die Temperatur nicht zu hoch steigt, und nicht Zer- setzungsproducte entstehen, welche sich auf der Oberflache der flachen Tropfen ausbreiten und dieselben erniedrigen. Die grosseren Werthe sind also wahrscheinlich diejenigen, bei denen die Zersetzungsproducte am wenigsten einen storen- den Einfluss ausgeiibt haben.

Der Gummigutti war durch Abdampfen der filtrirten alkoholischen Losung im Wasserbade und vorsichtiges Schmel- zen in einer Platinschale erhalten.

Bei Leim gelingt es schwer, flache Tropfen mit einem verticalen Bauch zu erhalten. Die geschmolzene Masse fliesst auf Glas aus. Ich habe daher flache Luftblasen unter einem Planglas in einer warmen Leimlosung erzeugt, den Leim erstarren lassen und die flache Luftblase in dem erstarrten Leime gemessen. Dabei entstehen aber leicht Schlieren in der Leimmasse, die eine genaue Hohenmessung storen. Am bequemsten ist es, die heisse LeimlSsung in einer weiten Capillarrohre aufsteigen und erstarren zu lassen. Die mitt- lere Steighohe, mit dem Rohrenradius an der Stelle der erstarrten Leimkuppe und dem halben specifischen Gewicht des erstarrten Leinies multiplicirt, giebt dann die Oberflachen- spannung. Beide Methoden gaben fur den erstarrten Leim nahezu dasselbe Resultat.

Die erstarrten Tropfen aus Gummigutti waren ebenso wenig, wie der Leim, ganz fest, sondern nur sehr zahfliissig, resp. gallertnrtig.

Es wurde gefunden: Spec. Gewicht Oberflachenspnnnung

ff mgr

Schellack . . . 1,1440 3,676 bis <::2 Gummigutti . . 1,1143 6,266 bis 5,139 Harz . . . . 1,0754 3,723 bis 3,309 Leim . . . . 1,0614 4,834

6 7. F l a c h e L n f t b l s s e n i n W a s s e r u n d f l a c h e Q u e c k s i 1 b e r t r o p f e n i n L u f t o d e r Wa s s e r 1 a s s e n s i ch m i t f e s t e n M e m b r a n e n b e k l e i d e n u n d d a d u r c h d a u e r n d de fo rmi ren . - LBsst man aus einem hohlen Glasfaden ein wenig Alkohol an die Oberflache einer Luft- blase treten, die in Wasscr unter einem horizontalen Planglas

Physiknlische Eigenschaften dunner, fester Lctmellen. 57 5

liegt, so breitet sich der Alkohol in einer diinnen Schicht auf der Wasseroberfiache aus; die Hohe der Luftblase Nird kleiner ; ebenso die Oberflachenspannung. Nstch einiger Zeit ist der Alkohol vom Wasser aufgelost, die Luftblase hat wieder die friihere Hohe , die Wasseroberflache die friihere Oberflachenspannung angenommen.

Lasst man statt Alkohol eine alkoholische Losung von Schellack, Gummigutti oder Harz sich ausbreiten, so nimmt die Hohe eberifalls ah, ohne aber nach einiger Zeit wieder grosser zu werden. Die Wasseroberflache bleibt mit einer diinnen festen Haut von Schellack, Gummigutti oder Harz bekleidet, welche Bhnlich wie eine diinne Haut von Oel oder von anderer Fliissigkeit wirkt.

Die an Luft oder an Wasser grenzenden Oberflachen der diinnen Haut von fliissigem Oel oder fester Substanz liaben nahezu dieselbe Kriimrnung und iiben zusammen einen Druck auf die Flacheneinheit nach der concaven Seite hin aus von der GrGsse:

wo R und R’ der kleinste nnd grosste Kriimmungsradins der betreffenden Stelle der Oberfliiche ist. Die Grosse (i.

lasst sich, wie bei Luftblasen in reinem Wasser, aus der Hohe der Luftblasen berechnen und ist die Summe der Spannungen der freien von Luft begrenzten Oberflache und der an Wasser grenzenden Oberflache der diinnen Haut.

Ebenso kann Inan auf einen Quecksilbertropfen in Luft oder Wasser ein wenig Alkohol oder alkoholische Losung jener drei Substanzen bringcn. 1st der Alkohol durch Ver- dampfen oder Auflosung verschwunden, so nimmt der Queck- silbertropfen, welcher durch die Ausbreitung niedriger ge- worden war, wieder die urspriingliche Hohe an, wahrend durch die feste Haut von Schellack, Gummigutti oder Harz der Tropfen dauernd erniedrigt bleibt.

Auch hier wirkt die diinne Haut fester Substanz auf der Oberflache des Quecksilbertropfens, wie eine diinne Haut von Oel oder von einer anderen Flussigkeit. Das Quadrat der Hiilie des flachen Qiiecksilbertropfens gibt, mit der halben

3'76 G. Q u h c k e .

DifYerenz der specifischen Gewichte von Quecksilber und Liift oder von Quecksilber und Wasser multiplicirt , die Ober- flachenspannung a, und a bestrht wieder aus der Suinme der Spannungen der Grenzflache der dunnen Htiut mit Luft oder Wasser und der Grenzflache mit Quecksilber. l)

Durch Messung der Hohen der flachen Blasen nnd Tropfen erhielt ich folgende Werthe der Oberflachenspan- nungen a, wobei die Grenzflachen durch verticale Striche angedeutet sind.

Die freim Oberflachen yon Wasser und Quecksilber waren nicht ganz rein, die Spannungen derselben zeigen also kleine Schwankungen.

Wasser Wasser Wasser Wasser

Oberfliichenspannung a mgr

Wasser 1 Luf t . . 8 bis 8,5 Alkohol I Luft . . . . . . 4,s Schellack 1 Luft . . . . 5,76 Gummigutti 1 Luft . . . . 3,8 bis 4,6 Harz I Luft . . . . . 4,7 bis 5.7

Wasser I Olivenbl I Luft . . 5,7b Wasser 1 Tcrpentiriol j Lnft . . 3,92

~

Quecksilber 1 Luft . . 46 (bis 55) Quecksilber 1 AIkohol LufL . . . 44 Quecksilber 1 Scliellack 1 Lnft . . . . 41,2 Quecksilber 1 Gominigutti Liift . . . 37 bis 4.1 Quecksilber IIarz Luft . . . . . 31,s

Quecksilber Olivenol 1 Luft . . . . 38 Quecksilber 'I'erpentinol j Luft . . . 28,6

Quecksilber I Wasser . . 42 Quecksilber Alkohol Wasser . . . 42 Queeksilber I Scliellack 1 b'asser . . . 3i,4 Quecksilber I Gummigutti I Wasser . . 32,O Quecksilber I Harz 1 Wasser . . . . 28

Qnecksilber Olivenol Wasser . . . 36,3 Quecksilber 1 Terpentinbl 1 Wasser . . 30,6.

Die dunnen, fevten Lamellen, welche die Luftblasen oder Quecksilbertropfen uberziehen, haben ahnliche Eigen- -_

3 ) Vgl. Q n i n c k c , Pogg. Ann 139. p. 32. 1870.

Yhjysikalische EQenschafen dunner, fester Lamellen. 577

schaften wie diinne Lamellen von Olivenol und Terpentinol, die an denselben Grenzfkchen sich ausgebreitet haben. Die friiheren Messungen l) mit diesen Fliissigkeiten habe ich der Vergleichung wegen unter den Messungen mit festen La- mellen init aufgefiihrt.

Dass die diinnen Lamellen von Schellack, Gummigutti und Harz wirklich aus fester Substanz bestehen, beweisen die Falten oder Runzeln, welche a n der Oberflache entstehen, wenn man das Volumen der Luftblase oder des flachen Quecksilbertropfens verkleinert, und welche bei Flussigkeits- lamellen sich niemals bilden.

Bei einer Bemegung der Luftblasen unter dem flachen Planglas behalten dieselben ihre Gestalt. Reisst die feste Mernbran, so tritt eine Gestaltsanderung ein.

Zieht man von der Oberflachenspannung Wasser 1 Schel- lack [ Luft der vorstehenden Versuche die Oberflachenspan- nung SchellackILuft ab, wie sie in $ 6 gefunden wurde, so erhalt man die Oberflachenspannung Wasser 1 Schellack. I n ahnlicher Weise lassen sich die anderen OberflBchenspan- nungen der festen Substanzen gegen Luft oder Quecksilber berechnen. Aus diesen Zahlen lasst sich dann weiter durch Addition die Oberflachenspannung Quecksilber 1 Schellack 1 Wasser berechnen und mit den direct beobachteten Werthen derseIben Grossen vergleichen.

Oberflachenspannung (X12 rngr mgr mgr

Wasser Schellack . . . . . . = 5,26 -- 3,68 = 2,08

Wasser Harz . . . . . . . . = 5,7 -- 3,72 = 1,98 Wasser, Gummigutti . . . . . = 4,6 -- 6,3 = ?

Quecksilbzr Quecksilber Quecksilber

Quecksilber Quecksilber Qaec ksilb er

Schellack . . . . . = 41,2 - 3,68 = 37,52 Gummigutti . . . . = 43 - 6,3 = 36,7 Iiarz . . . . . . = 31,9 - 3,72 = 28,18

berechnet beobachtet Schellack Wasser . . 39,60 35,4 Gummigutti i Wasser . >36,70 32 Harz 1 Wasser . . . . 30,16 28

Die berechneten Werthe sind etwas grosser, als die tie- ~

1) G. Quincke, Pogg. Ann. 139. p. 30 11. 33. 1870. Ann. d. Phyrr. n. Chem. N. Y. XXYV. .i 7

578 G. Quincke.

obachteten. Aehnliche Unterschiede zeigten die friiheren Versuche rnit diinnen E’lussigkeitslamellen an der Grenze von Quecksilber und Wasserl) , und es ist wohl moglich, worauf ich ebenfalls schon friiher hingewiesen habe, dass die Molecularkrafte, welche das Quecksilber auf die Substanz der dunnen Lamelle wahrend der Entstehung derselben aus- ab t , eine Aenderung der Dichtigkeit und damit auch eine Aenderung der Eigenschaften der Lamellensubstanz herbei- gefuhrt haben.

F e s t e M e m b r a n e n v o n g r o s s e r e r Dicke . - Lasst man Tropfen von concentrirter Hausenblaselosung in Wasser fallen, oder Tropfen von frischem, filtrirtem Hiihner- eiweiss in Wasser, zehnprocentige KochsalzlBsung, Mandelol, Oliveno1 2, oder Baps61, oder Tropfen von wasseriger Kupfer- vitriollosung in wasserige Losung von Blutlaugensalz, so entstehen Sackchen aus einer festen Membran mit Palten oder Runzeln, die oben ein Schwanzchen haben (Fig. 4).

Bus dem Inneren dieser Sackchen diffuundirt dsnn Fliis- sigkeit in die umgebende Fliissigkeit hinein. Dadurch andern sich Volumen und Falten der diinnen, festen Membran.

Kupferchloridkrystalle in zehnprocentiger Blutlaugen- salzlosung geben kolbenartige Sackchen, die durch Diffusion Wasser aufnehmen, sich mit specifisch leichterer Flussigkeit fiillen und nach oben hin wachsen. Schliesslich scheinen sie seines Wasser zu enthalten.3)

Wahrend also sehr dunne, feste Lamellen mit grosser Biegsamkeit sich ahnlich wie diinne Lamellen aus Fliissig- keiten verhalten konnen (vgl. 6 7), zeigen diese dickeren Lamellen Falten und damit ganz andere Eigenschaften, als jene Lamellen aus iiiissiger Substsnz.

G a l l e r t a r t i g e S u b s t anz e n , wie gequollener Leim oder GelBe, sind wohl zu unterscheiden von zahfliissigen Sub- stanzen. Letztere sind Fliissigkeiten, welche langsam dem Bestreben nachgeben , eine niiiglichst kleine Oberflache an- zunehnien und Tropfen zu bilden.

0 8.

,

1) G. Quiucke, Pogg. Ann. 139. p. 37. 1870. 2) Vgl. A s c h e r s o n , iVu1ler’s Arch. 1840. p. 44. 3) Vgl. b1. Traube , Keichert u. du Bois-Reymond‘s Arch. 1867. p.126.

Physikalische Eigenscliafteerz dunner, fester Lamellen. 579

Ein aufgequollenes Leimstiickchen behalt aber stets scharfe RBnder und Ecken, hat also nicht das Bestreben, die Oberflache zu verkleinern.

Gallertartige Substanzen sind daher wahrscheinlich Con- glomerate fester Theilchen oder dunner, fester Hautchen, an denen wasserige Fliissigkeit adhiirirt.

6 9. A u s b r e i t u n g v o n F l u s s i g k e i t e n a n d e r G r e n z f l a c h e v o n F l u s s i g k e i t e n m i t f e s t en K o r p e r n . - Obwohl Flussigkeiten an der Oberflache fester Substan- zen mit einer gewissen Kraft haften oder itdhariren, wie die Bildung der cylinderfijrmigen Rijhren aus aufgerollten festen Lamellen (0 5) beweist, so konnen diese E’iussigkeiten doch wieder durch andere Flussigkeiten von der festen Oberfliiche verdrangt werden.

Ich habe fruher l) die Verdrangung von Olivenol von einer Glaswand durch Terpentinol mit capillaren Steighohen nachweisen konnen.

Neuere Versuche nach derselben Methode zeigten dass Rapsol von einer Glaswand durch Benzol oder Chloroform nicht vertrieben wurde, ebensowenig, wie durch Seifenwasser von der Beruhrungsflache rnit festem Eiweiss.

Die Aushreitung von Fliissigkeiten an der Grenzflache fester und flussiger Substanz laisst sich auch durch Beobach- tung der Falten fester, dunner Lamellen sehr bequem nach- weisen.

Auf einer Quecksilberflache wurde in der oben Q 2 be- schriebenen Weise eine diinne feste Lamelle von Hausen- blase oder von Schellack, Gummigutti oder Harz erzeugt. Die Lamellen zeigten faltige Rander. Auf die Hausenblase wurde Rapsol, auf die drei anderen Lamellen Wasser ge- gossen. Brachte man in das Rapsol einen Tropfen Wasser, in das Wasser iiber den drei anderen Lamellen einen Tropfen Chloroform, so sanken diese Tropfen in der specifisch leich- teren Fliissigkeit unter undbildeten einen von scharfen Ran- dern begrenzten linsenfijrmigen Tropfen, der auf der oberen Flache der festen Nembran auflag.

1 ) G. Quincke , Pogg. Ann. 139. p. 55. 1S70. 371

580 G. Quincke.

Nach einiger Zeit verschwanden die Randfalten bei den Membranen. Bei Schellack war die Wirkung erst nach einer Stunde merklich.

ist , der ren von

Die Fliissigkeit, in welcher die feste Membran loslich breitet sich also in unmerklich diinnen Schichten auf festen Membran aus und verdrangt allmahlich die aude- Fliissigkeiten, in denen die feste Membran unloslich ist, der festen Oberfliiche. Bei Gummigutti zeigte dabei die Grenzfliiche von Queck-

silber und Wasser periodische Erschutterungen , die von periodischer Ausbreitung herzuruhren schienen, wie sie sonst an der Oberflgche von Pliissigkeiten auftreten. Bei der diinnen Hnrzlamelle breitete sich das Chloroform vielleicht nur an der Grenze mit Quecksilber nnd nicht an der Grenze mit Wasser %us.

H e i d e l b e r g , J u l i 1888.

11. Ueber peviodische Awsbreitung an FLiissig- 7~~itsober~fl i ichet~ zcmd dadurch hervorgeiw$ene

Beweyun,ysei-sche inungen; von G. Q u i n c h x .

(Die Besulrate dieser Untersucliungeri wurden der K. Acad. der Wissen- schaften zu Berlin rnitgetlicilt am 12. Juli 1888.)

(l i ierau Tnf. YII Fig. 1-37.)

I. I B e w c g u n g s e r s c h e i n L ~ r i ~ e n be i F luss igke i ten i n d e r a n o rg a n i s ch e n Na t u r.

1. G r e n z f l a c h e n d e r F l u s s i g k e i t e n m i t L u f t u n d W a s s e r . - Uin die Krafte kennen zu lernen, welche an der Grenze zweier Fliissigkeiten 1 und 2 auftreten, muss man die Oberfliichenspannung oder die Capillarconstante dieser Grenzflkche messen.

Weiche Anschauung man auch iiber den Ursprung der M olecularkrafte im Inneren der Fliissigkeiten haben mag, proportional der Grosse aI2 ist die Rraft , rnit der die Orenz-