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140 Wurtz: Ueber die Zerlegung der linken Weinsiure, gepaart mit der rechlen, und mit dieser eine dritle molekulire Gruppe bildend, welche inactiv wird durch ihre gegenscitige Verbindung. XXIII. Ueber die Zerlegung der Cyansiinrelther. Von Ad. JVwrtz. (Compt. rend. XXXVZX, 180.) In frtiheren Mittheilungen zeigte ich die Art, in welcher sich die Cyansiureither unter Clem Einflusse der Alkalien und des Ammoiiiaks zersetzen. Man meiss, dass sich unter diesen Urn- stinden Ammoniake und zusammengesetzte Harnstoffe bilden. Diesc merkwlirdigen Reactionen der Cyans&ureither sind nicht die einzigen , welche hinsichllich der allgemeinen Theorieen der Chemie von Interesse sind. Im Verlaufe meiner Untersuchungen tiher diesen Gegenstand habe ich andere Reactionen entdeckt. Die schBnen Untersuchungen von W i I li a m s o n und G er- I i a r d t haben eine gewisse Zahl von Verbindungen kennen ge- letrt, welche man dem Typus Wasssr anschliessen kann. Diese Eutdeckungeu wurden fiir die Wissenschaft fruchtbar ; die daran gekniipften theoretisclien Betrachtungen G erh a rd t' s haben hin- sichtlich der Constitution einer Menge organischer und unorga- nischer Verbindungen grosse Wichtigkeit erlangt. Diese theo- retischen Betrachtnngen scheinen mir eine indirecte Bestitigung zu ernpfaangen durcli die Art, in welcber sich die Cyanshreiilher zerlegen , theils unter dem Einflusse des Wassers, theils unter dem Einflusse von Verbindungen, welche man dem Typus Wasser anschliessen kann. Die Verbindung, von welcher ich in meiner Untersuchung ausging, ist der Cgans2ure2ther C6H5N02, dessen sehr bestimmte Zerlegung in gewissem Sinne zum Typus analuger Zersetzungen dienen kann, welche die aadern Cyansiureiither erleiden.

Ueber die Zerlegung der Cyansäureäther

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140 Wurtz : Ueber die Z e r l e g u n g

der linken Weinsiure, gepaart mit der rechlen, und mit dieser eine dritle molekulire Gruppe bildend, welche inactiv wird durch ihre gegenscitige Verbindung.

XXIII. Ueber die Zerlegung der Cyansiinrelther.

Von Ad. JVwrtz.

(Compt. rend. XXXVZX, 180.)

In frtiheren Mittheilungen zeigte ich die Art, in welcher sich die Cyansiureither unter Clem Einflusse der Alkalien und des Ammoiiiaks zersetzen. Man meiss, dass sich unter diesen Urn- stinden Ammoniake und zusammengesetzte Harnstoffe bilden. Diesc merkwlirdigen Reactionen der Cyans&ureither sind nicht die einzigen , welche hinsichllich der allgemeinen Theorieen der Chemie von Interesse sind. Im Verlaufe meiner Untersuchungen tiher diesen Gegenstand habe ich andere Reactionen entdeckt.

Die schBnen Untersuchungen von W i I l i a m s o n und G e r - I i a r d t haben eine gewisse Zahl von Verbindungen kennen ge- le t r t , welche man dem Typus Wasssr anschliessen kann. Diese Eutdeckungeu wurden fiir die Wissenschaft fruchtbar ; die daran gekniipften theoretisclien Betrachtungen G e r h a r d t' s haben hin- sichtlich der Constitution einer Menge organischer und unorga- nischer Verbindungen grosse Wichtigkeit erlangt. Diese theo- retischen Betrachtnngen scheinen mir eine indirecte Bestitigung zu ernpfaangen durcli die Art, in welcber sich die Cyanshreiilher zerlegen , theils unter dem Einflusse des Wassers, theils unter dem Einflusse von Verbindungen, welche man dem Typus Wasser anschliessen kann.

Die Verbindung, von welcher ich in meiner Untersuchung ausging, ist der Cgans2ure2ther C6H5N02, dessen sehr bestimmte Zerlegung in gewissem Sinne zum Typus analuger Zersetzungen dienen kann, welche die aadern Cyansiureiither erleiden.

d e r C y a n I tin reirt h e r. 141

Bringt man den Cyansiurelther mit Wasser zusammen, so entwickelt sich Kohlensiiire und bildet sich Diithylharnstoff. Andrerseits reagirt dieser Aether mit wenigen Ausnahmen auf alle Verbindungen, welche Wasser zum Typus haben, und die Produkte der Reaction sind bis zu einem gewissen Punkte den dwch Wasser erzeugten iihnlich. Es enh~ickel t sich oft Koh- lenslure und bildet sich immer ein Produlit, welches mln den Amiden beizihlen kann. Der Diltliylliarnstoff ist allerdings kein Amid, wenigstens betrachte ich ihn nicht als solchen, aber er nHhert sich den Amiden in sehr deutlicher Weise, denn er ist isomer mit dem Dibthylcarbamid uiid nichts verhindert anzu- nehmen , dass el' sich im Entsteliungsmomente durch ihnliche molekulare Umsetzung dieses Amids bildet, wie der Harnstoff durch molekulare Umselzung des Carbamids entsteht. Die fol- gendan Formeln werden die Beziehungen verdeutliclien , wclche zwischen diesen Produkten existiren :

Wenn daher durch die Einwirkung des Wassers auf Cyan- s iurei ther HarnstoR entsteht, wlhrend durch die Derivate des Wassers Amide erzeugt werden, so ist durch die vorstehendrn Betrachtungen der innige Zusamtnenhang bestitigt , welcher zwischen diesen Produkten exislirt und demzufolge die Aehn- lictikeit , welcbe man zwischen den Reactionen selbst beobachtet irnd die ich wollte hervortreten lassen.

Wenn man CyansZurelther mit einfach gewlsserter Essig-

siure mengt '42'z} 02, so entwickelt sic11 Kolilensbure und es

bildet sich dethylucctammid. Diese Reaction mird diirch fd- gende Formel ausgedriickt:

241 Wurtz : U e b o r d i e Z e r l e g n n g

Essigiiure. Cyansinre- Aethylacetamid. Bther.

Ich habe schon vor zwei Jahren das Aethylacetamid er- halten, welches sich durch Einwirkung von Aethylarnin auf Es- sigszure bildet.

Der C y a n s h e s t h e r reagirt auf wasserfreie Essigsiure. Wenn man uagefihr gleiche Volumina dieser Pliissigkeiten in einer Glasrhhre einschniilzt, so erfolgt die Reaction, wvenn man die RBhre in ein ungefihr auf 180° erhitztes Oelbad taucht. Es bildet sich Kohlensiure und das Aethyldiacetarnid :

C4H5 N C&02, I CIH302

wie die Iolgende Gleichung zeigt : C,H5 C4E1302 + C204 C4H302 w - -cI-cr

Wasserfr. Cyansiure- Aetliyldiacetamid. EssigsHare. Sther.

Das Aethyiacelamid und Aelhyldiacetamid sind den Amiden vollstlndig analog, welche G e r h a r d t * ) durch ein von dern meinigen ganz verschiedenes Verfahren erhalten hat. Es ist un- niitz hinzuzufiigen, dass sowohl das von mir so eben beschrie- bene Verfahren, als auch das von G e r h a r d t zur Darstellung einer grossen Zahl von Amiden dienen. kann.

Der Alkohol kann dem Typus lVasser**) angeschlossen wer- den. P e r Cyansiureitlier zersetzt ihn wie die vorstehenden Ver- bindungen, nur entwickelt sich keine KohlensHure hei dieser Reaction; aber die Elemente der beiden Substanzen vcrbinden sich und gruppiren sich in der Art, dass ein neues Amid ent-

*) Dies. Joarn. **) Die Beziehungen zwischen Wasser and den Snbstanzqn, welclie -

dem Typus Wasser angehihen, lassen sich bestimuiter und einfacher aasdriicken mit Hiilfe der G e r h a r d t’schen Aequivalente, als mit An- wendung der gewohnlichen Bezeichnung.

d e r Cy a t i s l u r ePt h e r. 143

steht, das Aeihylureilian. Diese Reaction mird durcli folgendc Gleichung ausgedrirckt :

c4$) O2 + C6tI5NO2 =Clo€IiiN04.

Alkohol. Cyanskure- Aethjl- iitlier. nrethan.

-- _cvI/ --

Das Aethylurethan kann als lt1iylcail)aminsaurer Aellier Be- trachtet werden und niihert sich rlernnach den Arniden, wie die Carbaminsiure selbst.

sehr wenig auf Cyansjlurelther. Ich haLe beide so fliichtigen Flcssigkeiten in sehr starke Glasrhhren eingeschlossen , ~ i i 1 0 ,

indem ich diese Rdhren in Oelbrider versenkte, setzte icli das Gemenge sehr hohen Temperaturen und bedeutendem Druck BUS.

IVurden sie nach dem Erkalten geaffnet, so beobachtete icli niemals eine Casentwicklung , und als ich den Inhalt destillirtr, rand ich Aether und CyansLureither niclit veriindert; nur zu Ende der Destillation ging eine sehr kleine Menge einer bei un- gefihr ‘Loo@ flfichtigen Fliissigkeit iiber, welche ich nicht ana- lysiren konnte ; diese Fliissigkeit k6nnte das Diathylurelhan sein. Jedoch liessen es die damit angestellten Versuche zwci- felliaft.

Man kann sich indess die Schwierigkeit bis zu einem ge- wissen Punkte erkllren, mit welcher der gewiilinliche Aether atif den CyansSureither einwiriit, und welclie die Uebereinstimmung unter den vorstehenden Versuclien zu st6ren scheint. Wenn der gew6hnliche Aether Wasser ist, €I,02, in welchem sich der Was- serstoff (lurch zivei Atoine Aethyl ersetzt findet, so begreift man leicht, dass die Einfiilirung dieser zmei volumin6sen RIolekiile in den Typus Wasser die Verbindung gewissermassen weniger he- meglich und demnach die Reaction auch weniger leicht machen muss.

Um meine Versuche filler die mir gestellte Aufgabe zu ver- vollsilndigen, bleibt mir nur noch ubrig, die Einwirkung des Cyansiiuwthers auf zusammengesetzten Aether zu priifen, z. B. auf Essiglthcr. Man begreirt, dass sich in diesem Falle Dici- tlryluceturnid bilden kann, nach folgender Gleichung :

144 G e r h a r d t u. Chiozzn: U e b e r d i e A m i d e .

C4H5

C4H3 0 2

I 02 + C&NOz = czo4 + NI c4& C4& - - Essigiither. Diithylacetamid.

Der Versuch hat mir bis jetzt noch kein Produkt dieser Art geliefert.

XXIV. Ueber die Amide.

Von G e r M t nnd cTIL4osso.

(Contpt. rmd. XXXYlll, 86.)

In meiner Abhandlung iiber die wasserfreien Ssiiren (dies. Journ. LIV, 449 u. friiher) habe ich dargethan, dass die Mehr- zahl der gut untersuchten organischen Verbindungen von einer kleinen Anzahl der Mineralchemie angehtjriger Typen abgeleitet werden ltann, wie vom Wasser , der ClilorwasserstoffsfsBure, dem Ammoniak u. s. w. Vom Standpunkt der Rcihe betrachtet haben die abgeleiteten Glieder jeder dieser Typen nicht identische Eigenschaften , aber ihre Eigenschaften sind in Progression, so dass sie urn so abmeichender werden, je grlisser der Abstand zwischen den Stellen ist , welche die der Vergleichung onter- worfenen Glieder in der Reilie einnehmen. Dieser Ansicht zu- folge umfasst ein Typus glcichzeitig Siurep, Basen und neutrale K6rper; die SHuren stehen. am einen Ende der Reihe, die Basen am andern, die neutralen KBrper bilden die Vermittelung zwi- schen den beiden Enden.

Wenn man der Kiirze wegen die Endpunkte als negnfio und po.diz, bezeichnet, so kaon man sagen, dass es Gruppen oder organische Radikale giebt, wie Methyl, Aethyl, Pbenyl, die, so- bald sie an die Stelle von Wasserstoff in den vorhergehenden Typen treten, positive Derivate erzeugen, d. b. mebr om weniger den Basen ihnliche Klirper, wtihrend andere Gruppen oder Ra- dikale wie Acetyl, Benzoyl, Cumyl durch eine ihnliche. Substi-