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619 mit Salpeterslure. Wenn dagegen die schwere Fl"ssig- keit emarmt wwde, 60 slieg der Kochpunkt derselbell /on 28O immer haher und huher, je nachdem von der Flussigkeit grafsere Quantitaten iiberdestillirten , bis uber 126O. Setzt mati die Destillation fort, SO wird die Fliissigkeit, welche, wie die gewbhnliche rauchende Salpe- tersaure, inteusiv. roth gefarbt ist, farbenlos, wenn ungefiillr die Hiilfte iibergegangcn ist ; von der iibergegangenen Flus- sigkeit bestelit die eine Halfte aus der leichtercn, die an- dere aris der schwereren Fliissigkeit. Die schwere Fliis- sigkeit hat ein spec. Gewicht von 1,536. Eben so ver- halt sich die gewbhnlichc rauchende Salpetersiiure. Aus diesen Versuchen folgt: dafs die rauchende Sal- petersiiure eine Auflosung der salpetrichten Salpetersaure in Salpetersiiure ist, welche daron aber niir eine gewisse Menge , ungefiihr die Hilfte ihres Gewichts aufmliisen vennag, so daCs man, wenn inan die gewiihnliche rauchende Salpetersaure destillirt, eine schwere Fliissigkeit, eine geslit- tigte Aufliisung namlich von salpetrichter Saure in Salpeter- siiure, und eine leichtere Fliissigkeit, salpetrichte Salpeter- ssure namlich, erhalt. C b. IX. Ueber die Zersetzung tles HurmtofJs und der Harnsiiure clurch hiihere T'ernperutur. ; von F. PVC h Zer. D i e mcisten Chemiker, welche sich init Untcrsuchungeu uber den Hariistoff beschgftigten, haben den fur einen or- ganischen Ki)rper so sonderbareii Uinstand beobachtet , dafs er bei der Zerstiiruilg durcli Destillation keine Kohla hiuterlafst, daCs er sich iiberhaupt nicht, was man nennt, verkohlt. Die Produkte; von dieser Zersetzung sind in- dessen noch keiner niiheren Untcrsricliung unterworfen worden, inan weil's niir im hllgeuieiuen, daCs dabei cine grofse Mcugc kohlensnores ;\iiiiiioniak et!bildet wid. Kur F o u r c r oy luid V' a u q u c I in bcschrciben dell Vcrlnrif

Ueber die Zersetzung des Harnstoffs und der Harnsäure durch höhere Temperatur

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mit Salpeterslure. Wenn dagegen die schwere Fl"ssig- keit emarmt wwde, 60 slieg der Kochpunkt derselbell /on 28O immer haher und huher, je nachdem von der Flussigkeit grafsere Quantitaten iiberdestillirten , bis uber 126O. Setzt mati die Destillation fort, SO wird die Fliissigkeit, welche, wie die gewbhnliche rauchende Salpe- tersaure, inteusiv. roth gefarbt ist, farbenlos, wenn ungefiillr die Hiilfte iibergegangcn ist ; von der iibergegangenen Flus- sigkeit bestelit die eine Halfte aus der leichtercn, die an- dere aris der schwereren Fliissigkeit. Die schwere Fliis- sigkeit hat ein spec. Gewicht von 1,536. Eben so ver- halt sich die gewbhnlichc rauchende Salpetersiiure.

Aus diesen Versuchen folgt: dafs die rauchende Sal- petersiiure eine Auflosung der salpetrichten Salpetersaure in Salpetersiiure ist, welche daron aber niir eine gewisse Menge , ungefiihr die Hilfte ihres Gewichts aufmliisen vennag, so daCs man, wenn inan die gewiihnliche rauchende Salpetersaure destillirt, eine schwere Fliissigkeit, eine geslit- tigte Aufliisung namlich von salpetrichter Saure in Salpeter- siiure, und eine leichtere Fliissigkeit, salpetrichte Salpeter- ssure namlich, erhalt. C b.

IX. Ueber die Zersetzung tles HurmtofJs und der Harnsiiure clurch hiihere T'ernperutur. ;

von F. PVC h Zer.

D i e mcisten Chemiker, welche sich init Untcrsuchungeu uber den Hariistoff beschgftigten, haben den fur einen or- ganischen Ki)rper so sonderbareii Uinstand beobachtet , dafs er bei der Zerstiiruilg durcli Destillation keine Kohla hiuterlafst, daCs er sich iiberhaupt nicht, was man nennt, verkohlt. Die Produkte; von dieser Zersetzung sind in- dessen noch keiner niiheren Untcrsricliung unterworfen worden, inan weil's niir im hllgeuieiuen, daCs dabei cine grofse Mcugc kohlensnores ;\iiiiiioniak et!bildet w i d . Kur F o u r c r oy luid V' a u q u c I in bcschrciben dell Vcrlnrif

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620 dieser Zersetzuiig niiher *) ; sie beobachteten gauz richtig, dafs bei der Destillation der Harnstoff schinilzt , bestan- dig kocht , indem er kohlensaures Aminoniak cntmickelt, und dafs endlich ein Zeitpunkt cintritt, W O er in eine trocknc, niclit mehr scliiiielzcnde Masse vermondclt ist, die sich, iiach ilirer Ceobachtuug, bei vcrstkktem Feuer ganz erhebt und sich als weike Krustc in dem obercn Theile der Retorte aiisetzt. Aucli die Eigensclinftcn die- ses Sublirnats gabcn sic ganz richtig m , zogeii abcr den iiicht richtigen SchluTs daraus , dak es Ihmsuure sey, und rcihten an diesc Supposition verschicdcne pliysiologi- sclie Betrachtiingeii. Dicser Irrtlium ist urn so verzeihli- cher, da wirklich diesc Substauz wit dcr Marnsaiire ziem- lich groCse Aelinliclikcit hat, und da zu jener Zeit der allgemeine Stand dcr IVisscnschaft es ganz uniniiglich mnchte, ihre wallre Batur zu erkennen. Dic friiliere Untersuchung iiher den Hariistoff fiihrte uiicli auch aiif ein naheres Stlidiuin seiner Zersetzung durch hiihere Tein- peratur, und die hierbei erhaltenen, wie ich glaubc, niclit unmerkmiirdigen Resultate will ich hier mitlbeilen.

Der Harnstoff, wclchcr mir zu diesen Versuchen diente, war aus Urin bereitet, er war vollkomlneii rein und in regelmakigen grofsen Krystallen angeschosscn. So lange cr nicht regeliniilsig , solidern mehr in Bliittchcn krystal- lisirt ist, darf man seiner Reinlieit nicht trailen, und ge- wiihnlich hinterliifst er daiin beim Erhitzen einen alkali, schen Ruckstatid. Bei seiner Gewinnung mufs inan zwei Vorsichtsmafsregeln niclit auker Acht lassen; man muk zu seiner FAllung aus dem eingedampften Urin eine Sal- petersaure anwenden, die keine salpetrichte Slure enthalt, ,veil diese einen grofseii ‘rheil des Harnstoffs zerstort, und man milk niclit vershnen, den gefiillten salpetersau- reii Harnstoff eiiiigelnal niit eiskaltem W-asser auszuma- sclien, und x!arauf zwischen ungeleimtem Papier so stark v i e iniiglich auszupressen. Ohne dieses Verfahren bleibt

ihni *) G ~ l i l c n ’ s Journal, 1808, RJ. 1’1. p. 409.

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621 ihm viel von der firbenden Substanz des eingedampften Urins beigemengt, die sich nachher selbst durch die beste thierische Kohle nur unvollstandig wegschaffen 1Pfsf. Wenn. inan Harnstoff in unreineln, selir gefsrbtem Zustandc er- halten hat, so liifst er sich auch viel lcichter und siche- rer in reinelu Zustande darstellen, ivenn man seine Auf- Iiisuiig von Xeuem init SalpelersYure niederschkigt, als wenii inan sic init thierischer Kohle kocht. - Zur ,4b- scheidung der Salpeterssure schien rnir die Anwendung YOU kolilensaurem Baryt vor kohlensaurem Kali eiuen Vorzug zu Iiabeii, weil die salpctersaure Baryterde in Alholiol gewifs noch weniger als Salpeter aufliislich ist. Iodessen scheiiit doch eine Aufliisung von Harnstoff in nbsolutem hlholiol fur die salpetersauren Salze von Kali, Baryt und Bleioxyd ein griifseres Aufliisungsvermiigen ZR haben, als reiner Alkohol. Auf keinen Fall darf man das eingcdauipfte Geinenge von Harnstoff iind salpeter- saurem SaIz init AIkohol auskochen, wodurch viel salpe- tersaures Salz mit aufgeliist werdeu wurde, man darf es nur bci gewiihnlicher Teinperatur mit dem Alkohol ma- ceriren, w-ozu freilich viel mehr erforderlich ist. - In fast allen cheinischen Biichern wird augegeben, dafs eine Aufliisung von Harnstoff in Wasser durch Kochen sehr bald in kohlcusaurcs hiiimoniak zersetzt werde; aber dieb ist ein Vorurtheil, welches wahrscheinlich in der Ver- ivechselung eiiier kochendeu €Iarustoff-.~iifliisun~ rnit dem Kochen des so leicht schmelzbaren, fliissig gewordenen Harnstoffs seinen Grund hat. Icb habe eine ziemlich con- centrirtc Aufliisuiig vou Harnstoff lange im Sieden erhaI- ten, ohne dafs sic11 aucli nur eiue Spur von kohlensaii- rem Ainmoniak entwickelt hatte. Sobald aber durch das Kochen alles Wasser verfliichtigt ist, erhoht sich die Tern- peratur des geschmolzenen Harnstoffs, und indem er sicli zersetzt, fgngt er an zu kochen, w a s allerdings gerade so aussiclit, wie wenn seine Aufliisung kochte. Seiu Schmelz-

Annal. d. Pliycik.R.91. St.4. J. 1829. St. 4. R r

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punkt ist ungefghr bei +120° C., und nicht weit dar- uber liegt die Telnperatur, wobei er sich zersetzt.

Bis zu dieser Telnperatur erhitzt, fhgt er an, stark zu Lochen, was voin Entweichen von eizeugtein kohlen- Sauren hmmoniak herruhrt, wclches als eine krystallini- sche Mruste sehr bald den ganzen inneren Retortenhals iibenieht, und welches keine Spur von Blnuskre enthdt. Nach eiiriger Zeit sieht man, dafs sich in dern fliissigeii Harnstoff cine fcste kiirnige Substanz ausscheidet, dercn Menge immer wehr zuaimmt, SO dafs der Harnstoff bald unklar, dickflussig und breiartig wird; endlich ist die Masse in 1 eiu trockues, graues oder schmutzig-\~cifses Pulver verwandelt , und nun entwickelt sich auch kcin kohlensawes hmrnoniak mehr. Man hbrt dann auf die Retorte zu erhilzen, was am besten lnit einer grofsen Spi- rituslainpe geschah.

Die so erhaltene Substanz scheint in kaltem Wasser ganz unaufliislich zu seyn, aber hi vieleui kochenden Wasser liist sie sich bis auf menige schniutzige Materie vollstiindig auf. Aus der filtrirten, farbloseu Aufliisung scheidet sie sich beim Erkalten in Gestalt kleiner, vollkom- men weifser, glhzender Krystalle ab. Sie sind die Cyan- saure von Se ru l l a s . Es wiirde eing iiberfliissige Weit- 12uftigkeit seyn, nollte ich die Versuche und Erscheinun- gen anfiliren, welche mich auf diese Thatsachc gefuhrt haben. Eben so iiberfliissig ware eiiie Beschreibring der Eigerischafien dieser Ssure, da sie schon hinreichend ge- iiau von S e r u l l a s angegeben sind. Kur uber ilireri Wassergehalt und iiber ihr Verhalten bei der Sublima- tion will ich einigc Bemerkungen hinzufiigeu.

Es scheirt S e r u l l a s ganz entgangen zu seyn, dafs die Cyansaure eine betrachtliche Menge chemisch gebun- denes Wasser euthkilt, wenigstens fiihrt er dariiber in seiner Abhandlung nichts an. Wenn man Kryetalle die- ser Saure in der Luft liegen lafst, so uerden’sie bald undurchsichtig uud uiikhweih, ohne abcr zu zcrfallen.

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623 Wenn man sic gelinde erhitzt, so verlieren sie 23,4 Proc. Wasser , oder cine QuantitPt, dereii Sauerstoffgehalt 3 von dem der S:iure ist. Diese Zahl ist das Mittel von drei Versuchen, mit Cyansliure aus Harnstoff und mit solcher aus Clllorcyan, die von S e r u l l a s selbst aus letzterem bereitet war. Die Krystallform der masserhal- tigeii Sgure ist nicht rhomboedrisch, wie S e r u 11 a s an- giebt, sondcrn zwei und eingliedrig. Aber sie kann auch, n i e icli gefunden habe, ohne Wasser krj-stal- lisiren , rind bildet dann ein uiedriges Quadratoctaeder. Man erhiilt sie so in wasserfreieiu Zusfnnde krystallisirt, wenil man sie in heifser conceutrirter SchwefelsSure oder Salzssure aufliist. Das Qriadratocta(t'der erscheint dann gewijhnlich in Gestalt einer geschobenen 4 seitigen Shle init 2 flschiger Zuspitzung , ahnlich den Schwerspathkry- stallen. Bei langsamer Krystallisation erhiilt man sie aber auch in rege1m:ilsigen Quadratoctacdern ; sie verwittern nicht, aber beim Erwsrmen decrepitiren sie sehr stark.

Ueber das Verhalteu der Cyansiiure in hiiherer Teni- peratur giebt S e r u l l a s nur an, dafs sich ein Theil iin- tcr Abscheidung von Kohlc zersetze. Aber diese Zer- setzung ist, wie ich gefunden habe, riel merkwiirdiger. - Wenu man die von Wasser befreite Saure in einer kleinen Retorte erhitzt, so erhebt sich bald ein wcibes, theils fein krystallinisches, theils blok mehliges Sublimat, welches unveraiiderte Cyansaure ist, die sich aber nur sehr schwer in kochendem Wasser aufliist, und sich in dieser Hinsichtgaiiz iihnlich v i e der gcbrannte hlaun zu verhalten scheint. Ein anderer, wiewohl geringerer Theil der Saure wird aber bei dieser Sublimation zersetzt, doch ohne .4bscbeidung von Kohle, es werden Gase, wahr- scheinlich Stickgas und Kohlensauregas entwickelt, die in hoheln Grade den durchdringenden Geruch der cyanich- ten SSrire haben. Kiihlt man dabei den Hals der Re- torte und die Vorlage etwas ab, so sieht man auf ihrer inneren Flache durllle atherartige Streifen sich ansetzen,

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die zu einer klarcn FliIssigkeit zusammenfliefsen. Sie ist die reine cyaniciite Siiure, oder dieselbe SZure, die ich friiher Cyansaiire genannt hnbe, und dercn Isoliriing auf anderen Wegen bis jetzt nocli nicht gelungen war. Sic ist eine klare , farblosc, sehr fliichtige Flussigkeit von ei- nem hiichst durchdringenden Geruch , uiid reizt beson- ders stark die -4ugen. Mit Wasser zersetzt sie sich tin- ter Erhitzung aupbl ickl ich in kohlensaures Aminoniak, und ivenn man den Dalnpf 0011 der Destillation der Cyan- szure in eine inwendig belcuclitete Vorlagc leitet, so ver- wandelt sicli das Wasser mit der cyanichteii SHwe in krystallinisclies kohlensaures Ammoniak. Leitet man ihn abcr in kaustkcbes Ainiuoniak, so erhdt man nacli dein Abdampfcn Harnstoff in farblosen Krystalleii , der sicli aucb als eine volumiiiijse ivollige Vegetation an der Miiu- dung des Retortenhnlses bildet, wenn man jenen Dampf in eine init flussigein hmmoniak nur befeuchtete 1'01- lage leitet. Abcr er sclieint sich auch.mit reinem Was- ser zu crzeugen, denn einige Tropfen W'asser in der Vorlage, in die der Dainyf von cyanicliter S5ure gcleitet wurde, fiiigen bald an von selbst Gas zu entwickeln, ohne Zweifel kohlensaures Gas, indem das anfangs gebildete liohlensaure Aminooiak yon der spater kominenden cya- nicliten S u r e zersetzt und in Harnstoff venvandelt wurde. - Ich bedaure, dafs ich wegen der geringen Menge von Material verhindert war, die Versuche mit dieser SBure gegeuwartig weiter auszudehnen ; indcssen, reichen sic, niit allen iibrigen Erscheinungen und Thatsachen zusaniineu- genommen hin, um zu bemeisen, dafs die bei der Destil- lation der CyansZure entstehende fluchtige Flussigkeit c p - nichte SZure ist, und dafs der essigsZiireiihnliche ste- chende Geruch, welchen das aus den cyanichtsauren Sal- Zen, mit wXsrigen Siiuren entwickelte Kohlensiiuregas besitzt, wirklich von einer kleinen Menge cyanichter SBure herriihrt, die mit dem Kohlensawegas unzersetzt wegge- fiilirt wird.

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Die L4ehulichkeit in den Eigensctiaften der Cyalis;iure uiid denen, welche von der sogenannteu brenzlichen HarIl- siiiire angcgebeii merdcn, U I I ~ auch, wenu ich mich so ausdriicken darf, die pliysiologisclie Venvandtschaft zwi- schen Harnstoff und HariisYure, veraiilabten mich, such die Protlukte von der Destillation der Harnseure und be- sonders die sogenannte brenzliche Hariisliure zu untersu- clien. Ich uahin h i enu eine g r o l e Portion Schlangen- Excrement, welches zuvor in fein gepdvertem Zustand eiueii Tag lang lnit SalzsPure macerirt wurde, urn da- durch. den phosphorsauren Kalk uiid besondeis das Am- nioniak auszuziehen, morauf es ausgewaschm, sehr stark getrocknet und bei Rothgliihhitze destillirt wurde. Ich iiberzeugtc inich bald, dafs die brenzliche Harnsaure in Jer That niclits Anderes als Cyansaure ist. - Die aus- fuhrlichste uiid neustc Untersuchung iiber die brenzliche Hariisiiure ist voii C h e v a 1 l i e r uiid L a s sa i g u e. Bei der hnalyse derselben bekamen sic 4 Volumen Kohleu- s:inrcgas auf 1 Vol. Sticligas, u ~ l fariden dabei 10 Proc \\-asserstoff. Es ist schwer einzuselic~i, \vie sie zu einem so unrichtigen aiialytischeu Resultat gelangen konnten, da es ilinen so leicht hattc werden liiinneu, die ersten Entdecker der Cynnsiiure zu seyn; deiiii sic haben offeu- bar lnit keincr audercn und aucli keiner verunreinigten Sliurc gcarbeitet, wiewolil sie ihre E i p s c h a f t e n nicht ganz exact beschrieben haben.

Xachdem icli gefuiideu hatte, dafs sich die Cyan- ssurc bei der Destillation thcilweise in cpanichtc Sailre umwandelt, uiid dafs die brcuzliclie Har~isiiure von der C:TausPiirc nicht verschiedeu ist, lag es sehr nahe, auf dic Idce. zu koiiiinen, es kijnne bei der Destillation der Harnsaure auch Hariistoff crzcugt werden , n h l i c l i aus deni hierbei eiitstcliendeu Auiinoniak iind aus der cyauich- ten Siiurc, die sich miigliclierweise aus wieder zersetzter C:pus#ura bildeii liijnnte. S i c h ~ s war leichter, als die Richtigkcit dicscr Vermutliuiig zu bcn eisen uud zu fili-

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den, dah das brcnzliche Destillat von der Zerstarung der Harnsaure wirlilich der Hauptsache iiach wohl halb aus Cyanslure und halb aus Harnstoff besteht.

Bei der Destillation der stark getrocheten Harn- saure erhelt man gar kein fiiissiges Product, aber cine aufserordentliche Menge von Blausaure. Das Sublimat ist zwar anfangs weich, aber es erhlrtet sehr bald an der Luft. Es ist hellbraun oder gelb uiid riecht stark nach. blausaurem Ammoniak; zuln Theil besteht es auch am ganz farblosen, duiinen Krystallblattchen. Wil l man daraus die CyaiisBure in reinein Zustande abscheiden, so ist diefs ohne Zerstorung des Harnstoffs nicht wohl msg- lich, geschieht aber am besten, indeln man dasselbe noch weiter so lange erhitzt, als sich noch kohlensaures Ammoniak daraiis entwickelt, worauf man den Ruckstaiid in kochendeln Wasser auflost, filtrirt und die Cyansiiure krystallisiren Iafst. Oder auch man lost das unreine Subli- mat in heifser Salpetersaure auf, wodurcli der Harnstoff zersti5rt und die Cyansaure beim Erkalten in Krystallen erhalten wird, die man in reinem Wasser umkrystallisirt. - Der Harnstoff lafst sich aus deln rohen Subliuiat iriit kaltem Wasser auszieheii ; diese Aufliisuiig dampft iiiaii

ab und zieht dann den Harnstoff mit Alkohol aus. Aber selbst nach einer mehrmaligen Behandlung init Alkohol, sieht man auf dcin so erhaltenen, krystallisireiiden Harn- stoff sich kleiiie, gelbliche, undurchsichtige W a n e n bil- den, die Cyaiisiiure sind, imd die, wie aus dieser schwie- rigen Trennbarkeit hcrvorzugeheii scheint, entweder in eider Hamstoff -Auflijsung bei weitem auflijslicher ist, als in blofsem Wasser, odcr wirklich sonst cine Art voii Ver- biiidung wit deru Harustoff eingeht, worauf auch der Uin- stand beruheii mufs, dafs die so gebildete CyansYure nicht durch bloke Krystallisation , soiidern iiur auf die ebeii angegebeiie Weise reiu uiid in bestiwiiiten Krystallen cr- lialieii werden haiin. Soviel ist iiidesseii gewifs, dafs xiiaii aus clem Sublimrtt deu Hariistoff durch wiederholte

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Behandlung niit AlkolioI rind die Cyansfure durcll Er- hitzen oder diirch Behandlung mit Salpeterssure rein er- halten kann. - Diese Eneuguiig des Harnstoffs bei der Destillation der Marnslure scheint indessen, wie ich nach- her fand, schon von F o u r c r o y und V a u q u e l i n beob- achtet worden zu seyn; in der obeu aiigcfiihrten Abliand- lung sagen sic, dafs mail ein 'Sublimat erhalte, "melches .in der Form, in der gelbliclien Farbe, in dem kuhlen- den Gescbmack, in der Aulliislichkeit iru Wasser uncl der Fallbarkeit aus demselben durch Salpeterslure, dem Harnstoff selir lihnlicli sey. (g - Diesc Uinwandlungen der beideu Hauptbestandtheile des Urins , des Harnstoffs iu Cj-anslure uud liolilensaures Ammouiak , und der Harn- siiure in Harnstolf und Cyansaure, kiinnen vielleicht auch in physiologischcr Hinsicht kunftig einmal inerkwurdig werden, und uber gewisse kranhhafte Zustliide uod ab- iiorine L)cpositioneo des Uriiis Licht verbreiten; ja ich Iyurde es fur gar nicht so unahrscheinlicli halten, dafs inan einmal bei absichtlich darauf gelenkter Aufinerlisam- heit und bei einer Revision der Blasciisteine aus Harq- saure daruntcr Concretioneii faiide , die aus Cyansaure bestenden, da diese Slure wegen ihrer Schwerl6slichkeit urld sonstigeii Aehiilichkeit init dcr Harnstiure, ivenn ihre Eneugung im Urine wirkliclj erwieseii wtire, gewifs ganz Iihnliche Concretionen bilden kiinntc, wic die Harnstiure.

Im Zusninmenhange init diesen Uutersuchungen liabe icli auch cinige Versuche uber die Zersetzung dcs Cyans iuit Wasser angestellt, besonders in der hbsicht, urn US-

ziiiriittcln, ob dabei Cyansiiure und I-Iarnstoff gebildet wcrden. - T)a das Wasse r iiur etwn 4 Vol. C y a i ~ p aufniinmt, uiid man also auf eine grofse Menge Wasser iiur wenig zersetztes Cyan hat, so l ids ich, urn eine we- iiiger rcrdiinntc Aufliisung zii erbalten, clieselhe Portion \\-asset-, iiachdc~n sic mit Cpangas gesattist war, uiid die- scs sich iiacb cinigeii Tagen zerselzt hatte, voii Seuciii sicb init C p i i .-iittigeu uiid von Scucui zersctzcn. - I)ie

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von der abgesetzten braunen Substanz abfiltrirte Fliissig- keit war gelb, und wurde bis zur Syrupsconsistenz ab- gedampft. Sic gestand iiach dein Erkalten zu einer wei- chen braunen Masse, von der sich ein Tlieil mit lebhaft gelber Farbe in Wasser aufliiste, der andere als eine gelbbraune Materie ungeliist zuriickblieb. Nach dein Ab- dampfen der Aufliisung blieb eine krystallinische Masse, aus der sich durch wiederholte Behandlung mit ‘Alkohol, oder auch durch Verinischen mit Salpetersaure mob1 cha- rakterisirter Harnstoff abscheiden liels. Seine Bildung in diesem Falle geschieht also ebenfalls aus rein nnorgani- schen Stoffen, aus Cyan und Wasser , wahrscheinlich aber indem sich aus diesen zuerst cyanichte S h r e und Ammoniak eneugen. - Die iibrigen Stoffe von der Zer- setzung des Cyans mit Wasser habe ich nur so weit nn- tersucht, urn mich zu iiberzeugen, dafs sie keine Cyan- sIure sind, oder diese nicht enthalten. Es scheinen hier- bei noch zwei farblose und krystallisirbare Substanzen zu ehtstehen, von denen die eine wenigstens ein Ammo- niaksalz und wahrscheinlich dieselbe ist welche schon V a u q u e l i n beobachtet *) und fur ein cyansaures Salz erklirt hat, was sie aber auf keinen Fall ist.

Nachschhn.$. Wenn man die Producte der trocknen Destillation des Harnstoflsy wie sie S. 622. aufgefiihrt worden sind, mit den bekannten Bestandtheilsverhaltnissen dieses Karpers aufinerksam vergleiclit , so mird man fin- den, dafs beide in einem auffallenden Widerspruch init ein- ander stehen. Denn bekhnntlich ist der Harnstoff, sowohl nach seiner h a l y s e als nach seiner Synthese, so zusam- mengesetzt , dafs er sich als wasserhaltiges cyanigsaures

*) Annuls de cltitnie ct physique, 1: ZX. p. 113.

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Ammoniak, als WH3 +CXO+g, betrachten Iafst. Da- gegen zerfrillt dersclbe, wie Prof. W a h l e r vorhin ge- zeigt hat, bei der trocknen Destillation in: Cyanszure (C R O2 ), KohleusYure ( C 0' ) und Ammoniak (XH3 ). Dafs beide Resultate unvereinbar sind, ist leicht aus deiii Folgenden zu ersehen. Addirt man n h l i c h die Elemeute von

4 Atomen Aiiimoniak = SN+24H 2 - KohlensYure = 2Ct40

12 M +24 H + 6 C+6 0

so hat man offcnbar die Bestandtheile von 3 btomen Harnstoff, wie sicli leicht aus der Formel: liIF3tiyc04 durch Addition der einzelnen Elemente und Verdreifa- clung derselben ergiebt. Nach der Formel aiiifste also, w enn Ainmoniak und Kohlenseure entweichen, cyanige SBure zuriickbleiben, oder, wenn CyausYure zuriickbleibt, uiid diese, wie S e r u I I a s gefunden hat, in 2 Atomen aus 4 N+4 C t b 0 bcsteht, Alrilnoniak nebst Kohlenoxyd- gas davongehen. Mit beiden Resultaten steht aber, wie gesagt, die Erfahruog in Widerspruch, und mit letzterem auch d a m , wenn inan annimmt, die Cyanshre bestelie aus 4N+4C+SO; denn danii bliebe, statt der Koh- lensziire, Oralsaure iibrig. Das Riithsel kann also nur durch neue Versuche geliist werden. Ein bemerkenswer- tlier Unistand in der Zusammensetziing des Harnstoffs ist es librigens noch, dais dieser Karper, der sich als was- serhaltiges cyanigsaures Ammoniak betrachten lakt, auch nls cine Verbindung von wasserfreiein cyauigsaurem Am- moniak mit wasserfreiem basisch kohlensaurem Ammo- niak angeselien w-erden kann (wenn gleich beide Salze fiir sicli in wasserfreiem Zustaude nicht bestcheu kiinnen). Man iiberzeugt sich davou leicht, nenn man die Formel

2 - cyaniger SZure = 4 4 2

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fur den Harnstoff drei Ma1 unter einander hinsclireibt. Zwei Atome wasserfreies cyanigsaures Aminoniak lassen sich unmittelbar davon fortnehmen, und es bleiben dann 1 .\tom Ammoniak, 3 Atomen Wasser und 1 At. cya- niger Saure zuriick. Letztere bildet mit den 3 At. Was- ser 1 At. nentrales liohlensaures Ammoniak , und dieses mit dern noch vorhandenen 1 Atom Amlnoiiiak wiederum 2 At. wasserfreies basis& kohlensaures Ammoniak.

P.

X. Ueber kiinstliche Krystnlle von Eisenozyd.

H e r r F i k e n t s c h e r machte mich auf diese Krystalle, welche in einem Topferofeu in der Oranienburger Fabrik sich bilden, aufmerksam; der Besitzer dieser Fabrik , Hr. Commenienrath H e m p e 1, schickte mir sogleich auf mciiie Bitte recht schbne Exemplare.

Gewblinlich koinmt das KLom- boeder nur mit der End&&& o 6-r- vor, welche bei diesen Krystallen, wie bei dennatiirlichen, sehr grofs

ist. Glnnz, HPrte, Strich und alle andere Eigcnschnften sind bei diesen ganz so wie bci den natiirIichen; ganz kleiue Krystalle, welche diinne Blattchen bilden , sind durchsichtig init rother Farbe, wie Eisengliinmer. Die Fl%- chen waren sehr glauzend, und gut mefsbar; die W'iukel warm dieselben, wie beiui natiirliclien Eisenglark

'

Diese kiinstlichen Krystallc gleichen den vulcauischen aucli in den unbedeutendsten Eigenschaften, so dak man auf eine ahnliclie Bildung dieser und der vulcanischen Krystalle zu schlieben berechtigt , ist ; w-odurch auf eine geniigende Weise erklart wird , wie das Eiscnosjd, wel- ches nicht fliichtig ist, sich an Stelleii in Vulcaneu an-

0". ., ...*.. .. . . . . .. . . . . . . . .