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1834. ANNALEN no. 40. DER PHYSIK UND CHEMIE. BAND XXXI. XCIV. Ueber die Zusammensetzung benzids und SuZfoobenzids ; von E. Mitscherlich. des Nitro- I) Das Nitrobentid. R e i n e ziemlich concentrirte Salpetersaure wirkt so wc- nig suf das Benzin ein, d a t man es damit destilliren kann, obne dafs es versndert wird. Mit raucheiider Salpetersaure dagegen erwjlrmt, findet eine Einwirkung unter Wirmeent- wicklung statt, weswegen man auch das Benzin nur in klei- ner Menge zu der erwiirmten Salpetersaure hinzusetzen darf; die entstandene Verbindung lost sich in der warmen Salpetersaure vollstandig auf, scheidet sich aber beim Erkal- ten zum Theil wieder daraus ab, indem sie, da sie leich- ter als die Salpetersaure ist, sich auf der Oberflache der Fliissigkeit ansammelt. Verdiinnt man die Saure mit Was- ser, so sinkt die Verbindung zu Boden, da sie schwerer als Wasser ist. Durch Auswaschen mit Wasser und durch Destilliren kann man sie leicht vollkommen rein erhal- ten. Sic bildet eine etwas gelblich gefirbte Fliissigkeit von intensiv siifsem Geschmack und eiuem eigenthiimli- chen Gerucbl, welcher zwischen dem des Bittermandeliils und des Zimmtols liegt; bei 15O betragt ibr specifisches Gemicht 1,209, sie kocht bei 213O und destillirt unver- lndert iibcr. Bei 30 wird sie fest, indem krystallinische Nadeln dic fliissige Masse durchziehen; lnit dieser Sub- stanz kann man SalpetersSure destilliren, ohne d a t sie sich verandert. Mit verdiinnter Schwefelsaure erwarmt, destillirt sie, wenn die Temperatur hoch genug ist, unveran- dert iiber ; mit concentrirter Schwefelsaure erhitzt, wird sie, linter Entwicklung von sehwefliger Saure und unter starker Poggendorff’s Annal. Bd. XXXI. 40

Ueber die Zusammensetzung des Nitrobenzids und Sulfobenzids

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1834. ANNALEN n o . 40. DER PHYSIK UND CHEMIE.

B A N D XXXI.

XCIV. Ueber die Zusammensetzung benzids und SuZfoobenzids ;

von E. Mitscherlich.

des Nitro-

I ) Das Ni trobent id .

R e i n e ziemlich concentrirte Salpetersaure wirkt so wc- nig s u f das Benzin ein, d a t man es damit destilliren kann, obne dafs es versndert wird. Mit raucheiider Salpetersaure dagegen erwjlrmt, findet eine Einwirkung unter Wirmeent- wicklung statt, weswegen man auch das Benzin nur in klei- ner Menge zu der erwiirmten Salpetersaure hinzusetzen darf; die entstandene Verbindung lost sich in der warmen Salpetersaure vollstandig auf, scheidet sich aber beim Erkal- ten zum Theil wieder daraus ab, indem sie, da sie leich- ter als die Salpetersaure ist, sich auf der Oberflache der Fliissigkeit ansammelt. Verdiinnt man die Saure mit Was- ser, so sinkt die Verbindung zu Boden, da sie schwerer als Wasser ist. Durch Auswaschen mit Wasser und durch Destilliren kann man sie leicht vollkommen rein erhal- ten. Sic bildet eine etwas gelblich gefirbte Fliissigkeit von intensiv siifsem Geschmack und eiuem eigenthiimli- chen Gerucbl, welcher zwischen dem des Bittermandeliils und des Zimmtols liegt; bei 1 5 O betragt ibr specifisches Gemicht 1,209, sie kocht bei 213O und destillirt unver- lndert iibcr. Bei 30 wird sie fest, indem krystallinische Nadeln dic fliissige Masse durchziehen; lnit dieser Sub- stanz kann man SalpetersSure destilliren, ohne d a t sie sich verandert. Mit verdiinnter Schwefelsaure erwarmt, destillirt sie, wenn die Temperatur hoch genug ist, unveran- dert iiber ; mit concentrirter Schwefelsaure erhitzt, wird sie, linter Entwicklung von sehwefliger Saure und unter starker

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Fiirbung der Fliissigkeit, zerlegt. Chlor und Brom durch die Fliissigkeit geleitet, wirken nicbt darauf; wird jedoch chlor niit dem Dampfe der Substanz durcb ein heifses Rohr geleitet, so fiudet eine Zersetzung statt, indem sie Chlorwasserstoffssure bildet. Mit Kalium ervvarmt , de- tonirt sie so heftig, dafs die Gefafse zersprengt werdeu; eine wafsrigte Kaliauflgsung wirkt wenig darauf ein, Kali in Alkohol anfgeliist zersetzt sie bei der gewiihnlichen Temperatur uicht, dainit gekocht firbt sich die Aufl6sung iotensiv roth. Destillirt man die rothe Aufl6sung, so er- hiilt man eine rolhe Substanz, welche bei der gewdhnli- chen Temperatur fest ist; ich werde spaterhin darauf zii- riickkommen. Ammoniak wirkt nicht darauf.

Sie ist in Wasser fast ganz unliislich, in Alkohol und hetber in jedem Verhaltnik; in conccntrirten Szuren, z. 13. Salpetersaure und Schwefelsaure, ist sie leicht 16s- lich, bei erh6hter 'I'emperatur mchr als bei nicdriger.

0,273 Gnn. der Verbindung mit Kupferoxyd verbraont, gab 0,574 Koblensiiure, worin 0,1593 Kohle, und 0,1015 Wasscr, worin 0,01126 Wasserstoff enthalten sind; 'dar- nach ist in 100 Tbeilen der Verbindung 58,36 Kohleii- stoff und 4,123 Wasserstoff enthalten.

0,4875 Grm. mit Kupferoxyd verbrannt, gaben 1,037 Kohlensaure, worin 0,287 Kohlenstoff, und 0,1775 Was- ser, woriu 0,0197 Wasserstoff enthalten ist; darnach ist in 100 Theileii der Verbinduog 58,70 Kohlenstoff und 4,04 Wasserstoff enthalten.

0,317 Grin. der Verbindung gaben 28 C.C. Stick- stoff bei 760 Millim. cow. Barometerstand und 1 5 O Tem- peratur, darnach enthYlt die Verbindung 10,6 Proc. Stick- sioff. Bei einem zweiten Versuch gaben 0,2505 der Verbindung 25 C.C. Stickstoffgas von 20°4 und 762,6 Millim. corr. Barometerstand; darnach enthllt die Ver- biiidriog .ll,S Proc. Stickstoff, Die Substanz wurde bei diesem Versuch mit Kupferoxyd nach der gewohnlicben Weise verbrannt, nacbdem vor dem Zerspringeu der Ku- gel, welche die Verbindung entbielt, die Luft aus dem

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Verbrennungsrohr durch KohlensHurc, welche durch Glii- ~

hen von kohlensaurem Bleiosyd entwickelt wurde, a u - getrieben war; nach d e n Verbrenuen wurde alles Stick- stoffgas, welches noch in dem Rohr zuriickgeblieben war, wiederum durch Gluhen einer anderen Menge von koh- lensaurem Bleioxyd ausgetrieben. Diese Methode, wel- che von D u m a s angegeben worden ist , scheint mir fiir diese Bestimmungen ein sehr genaues Resultat zn geben.

Nach dem Mittel dieser Versuche besteht daher die Vcrbindung, da das Fehlende Sauerstoff ist, in 100 Thei- len aus:

58,53 Sauerstoff

11,20 Stickstoff 25,99 Sauerstoff.

4,OS Wasserstoff

Diese Zusammensetzung kommt folgender Zusammen- setzung so nahe, dafs man keine andere fiir richtigcr an- sehen darf, nach der nlmlich die Verbindung bestelit aus:

58,92 Kohlenstoff = 12 Maafs Kohlenstoffgas I 4,005 Wasserstoff =10 - Wasserstoffgas 11,37 Stickstoff = 2 - Stickstoffgas 25,69 Sauerstoff = 4 - Sauerstoffgas.

stanz im gasfijrmigen Zustand gab folgendes Resultat: Corrig. Barometerstand beim Zuschmelzen 755",3 Corr. Thermometerstand des Metallbades 251O Das Rohr mit dem Gase gefiiIIt, wog Das Rohr mit trockner Luft von loo und

Das Rohr mit Wasser von 1 5 O gefiiIIt, wog 272,O Grm. An Luft von 1 5 O war zuriickgeblieben 1,3 C.C.

Zwei andere Versuche, bei welchen ein grofser Ueber- schufs der Substanz genommen und die zurtickgeblie- bene Luft nicht bestimmt wurde, gabeu 4,38 und 4,38. Da das specifische Gewicht stcts etwas Mher ausfdlt,

Die Bestimmung des specifischen Gewichts der Sub-

47,255 Grm.

7 55"'",3 46,880

- Specifisches Gewicht des Gases - 4,40.

40 *

6.28

weil die Temperattir im Rohr etwas niedriger ist, als die des Metallbades, SO ist

3 Maafs Kohlenstoffgas ~ 2 , 5 3 1 4 1 MaafsNitrobelizidg.=2+ - Wasserstoffg. =0,1720

4 - Stickstoffgas 3 , 4 8 8 1 - Sauerstoffgas =1,1026

4,2940

Da nuii ein, Mads Salpetersiiure sehr wahrscheinliclr a m + Mads Stickstoffgas und 1; Maafs Sauerstoffgas be- steht, so bat sich’ also ein Maafs SaIpeters3uregas mit einem Maah Bcnzin zu einem MaaL Nitrohenzidgas ver- bunden, indem 4 Maafs Wasserstoffgas und +Mads Sauer- stoffgas aus der Verbindung sich ausgeschieden haben.

2) Das S u l f o b e n z i d .

Setzt man zu Nordhiiuser Vitriol61 so lange in klei- nen Mengen Benzin hinzu, bis beim Umschutteln nichts’ mehr davon aufgelbt wird, so sondert sich, wenn man die Fliissigkeit mit Wasser vcrdiinnt, rnit etwas Benzin, welcbes im Ueberscbufs zugesetzt war, eine krystallini- sche Substam in so gerioger Menge aus, dafs sie kaurii 1 bis 2 Procent vom angewandten Benzin betrfgt. Mit kohlensaurer Baryterde gesfltigt und durch schwcfelsau- res Kupferoxyd zerlegt, krystallisireii aus der so erhalte- nen Fliissigkeit , wenn man sie vollslandig verdampfen lafst , Krystalle von einer Verbindung VOII Kupferoxyd mit der Siure des lirslichen Barytsalzes beraus; benzin- schwefelsaures Kupferoxyd namlich. Setzt man dagegen Benzin zo wasserfreier Schwefelsaure hinzu, so erhslt man, o h e dafs im Mindesten eine Zerselzung des Benzins er- folgt, sicli folglich keine Spur von scliweflichter Saure zeigt, eine zlhe Flussigkcit, welche in wenig Wasser sicb vollkommen aufbst, aus der nber, wenn sie mit vie1 Wasser versetzt mird , sich die krystallinische Substaiiz in graherer Menge aussondert, so dafs man vom an-

629 gewaudten Benziu an 6 bis 6 Proc. vou dieser Substauz erhblt. Sattigt man die SZurc mit Baryt und zersetzt das' liisliche Barytsalz n i t schwefelsaurem Kupferoxyd, so kry- stallisirt beim Abdampfen des Kupfersalzes zuweilen nichts, zuweilen nur ein Theil heraus, der das gewohnliche benzin- schwefelsaure Kupferoxyd ist; ein anderer Theil, und zwar die grblsere Menge, scheidet sich als unkrystallinisches Pul- ver beim Eintrocknen der Auflbsung ab. Da man ein ahn- liches Salz erbalt , weun man die krystalliuische Substanz mit erwarmter concentrirter Schwefellure behandelt, so halte ich es fur wabrscheinlich, dafs dieses nicht krystal- lisirte Kupfersalz eine Saure cntbllt , welche sich durch Einwirkuiig der Schwefelsaure auf die krystallinisclie Sub- stanz bildet. In einer Notiz, welche ich bald uber die Zusammensetzung dieser Sjiurc bekannt lnachen werde, merde ich auf dieses Salzes wieder zuruckkommen.

Die krystallinische Substanz, welcbc nur sehr wenig in Wasser loslich ist, kann man durch huswaschen mit Wasser von der anhaogendeq Slure vokt2odig reinigen; urn sie ganz rein zu erhalten, liist man sie auf in Aether, filtrirt die Auflbsung und la& sie krystallisiren, die Kry- stalle destillirt man.

Man kanu diese Verbindung, welche in Aether uiid Alkobol liislich ist , durch Verdampfen dieser Aufliisuu- gen, in bestirnubaren Krystallen erhalten. Sie schmilzt bei 1000 zu einer durchsichtigen farblosen Fliissigkeit und kocht bei einer Teruperatur, welche zwischeu dem Koch- punkt des Quecksilbers und Schwefcls liegt; sie ist farb- 10s und geruchlos. In Alkalien ist sie unliislich, in SYuren liist sie sich auf und wird durch Wasser daraus gefallt; mit Schwefelsaure erhitzt, verbindet sie sich da- wit zu einer eigenthumlichen SYure, welche sich mit der Baryterde zu eioem loslichen Salzc verbindet; von den iibrigen SQureu wird sic nicht verandert. Mit Sal- peter oder mit chlorsaurein Kali gemenst und erhitzt, lifst sie sich ohue Zersetzeu abdeslillircn ; in stark erhitzteii

630 schmelzenden Salpeter, oder in chlorsaures Kali, melches so stark erhitzt worden ist, dafs es sich zersetzt, geschiit- tet zerlegt sie sich mit Detonation. Chlor oder Brom wirken bei gewohnlicher Temperatur nicht darauf, erhitzt man aber die Substanz bis sie anflngt zu kochen, so wird sie durch Chlor und auch durch Brom zerlegt, in- dem sich Chlorbenzin , worauf ich spater zuriickkommen werde, bildet. Nach vielen vergeblichen Versuchen, bei denen ich diese Substaoz iiber Kupferoxyd, iiber Ge- menge von chlorsamei Kali mit Chlorkalium oder koh- lensaurem Kali leitete, gelang e+ mir vermittelst dieser Zersetzung, den Schwefel- und Sauerstoffgebalt derselben genau zii bestimmen. Den Kohlenstoff - und Wasserstoff- gebalt bestimmte ich durch Verbrennen mit Kupferoxyd nach de: gewiibnlichen Weise.

0,335 Grm. der Substanz gaben 0,801 Grm. Kohlen- stiure, worin 0,2217 Grm. Kohle und 0,1375 Grm. Was- ser, worin 0,01525 Wasserstoff enthalten sind.

0,295 Grm. durch ChIor zersetzt, gaben, indem die Producte in Ammoniak geleitet wurden und mit Ammo- niak abgespiilt worden, 0,304 schwefelsauren Baryt, worin 0,1045 Schwefelsaure enthalten sind.

Hundert Theile der Substanz gabeu also :

66,18 Kohlenstoff 4,552 Wasserstoff

35,42 Schwefelsaure

106,152 Der Ueberschufs bei der Analyse und das Verhalt-

nifs des Kohlenstoffs zuin Wasserstoff zeigt hinreichend, dafs dic Verbindung auf folgende Weise zusammenge- setzt ,ist, nSmlich aus:

66,43 Kohlenstoff = 12C 4,52 Wasserstoff = 10 H

1457 Schwefel - s 14,49 Saucrstoff = 2 0 .

-

631 Eeide Verbindungen ,haben sich daber gebildet, in-

dein Salpetersaure und Schwefelsiiure sich zu eincr neu- tralen Verbindung mit dem Benzin vereinigt, und in- dein aus der Verbiudung 2 M a a t Wasserstoff und 1 Maak Sauerstoff sich als Wasscr ausgeschieden haben. Dieses ist unstreitig der Grund , wcswegen diese Ver- bindung so inuig ist, dafs man durcli die gewohnlicheii Mittel, wodurch man Sluren auszutreiben pflegt, diesc Verbindungen nicht zerlegen kann. Sie sind ein entscbei- dendes Beispiel dieser Art, und lassen einen directen Sclilufs auf die Zusaminensetzung einer grofsen Anzahl vou organischen Verbindungen zu. Da diese Snbstauzen den Amiden am nachsten stehen, so scbIage ich fur die erstere den Namen Nitrobenzid, fur die zweite den Na- men Sulfobenzid vor. Aaf iibnliche Weise kann man die Verbindung, welche man durch Destillation des festen Cblornaphthalin, wobei Chlor und Wasserstoff weggc- hen, erhalt, Chlornaphthalid nennen.

XCV. Uebcr zwei besondere KZassen von Ato- men organischer Verbindungen.

Fur die Entwicklung der Gesetze, nach welchen die or- ganischen Verbindungen zusammengesetzt sind, ist es un- bestreitbar niitzlicli, dafs man verschiedene Ansichten ent- wickle, und daL, selbst wenn diese hnsichteu sich SPY- terhin als unrichtig erweisen sollten, derjenige, welclidr sic aufstellt, wenn sie ihn oder Aiidere zu 'I'hatsachcu gefiillrt haben, Dank vcrdicne; und ich glaube, dafs von diesem Gesichkpnnkt a m durch die Resultate, weIche die IJ~iters~chuugen uber das Renzin uud seine V crbin- dungell, wclche ich bekannt gcniachl habe iiud noch he- kannl macheu werde, gcgeben babcn, dic Airsichtcn, wcl