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ANNALEN DER CHEMIE UND PHARMACIE. CXXVIII. Bandes eweites Heft. Ueber Diglycolimid, Diglycolaminsaure und die Producte der Zersetzung der Diglycol- saure durch trockene Destillation ; von W. Heink. In einer vorlaufigen Notiz *) habe ich das Product der trockenen Destillation des diglycolsauren Ammoniaks kurz be- schrieben und nach seiner Eigenschafl , deutlich sauer zu reagiren und mit Barythydrat gesattigt ein losliches und krystallisirbares Salz zu bilden , fur .eine Satire erklart. Ich nanrite es eine Aminsaure, weil es stickstoffhaltig ist, und unterschied es von der noch unbekannten Aminsaure der Diglycolsaure, weil es ein Mol. Wasser weniger enthalt, als diese. Die weitere Untersuchung der Substanz hat gelehrt, dafs .es sich .mit derselben anders verhalt. Sie hat schliefs- lich zur Entdeckung der Diglycolaminsaure gefiihrt , welche ich unmittelbar durch Destillation des sauren Animoniaksalzes der Diglycolsaure zu gewinnen gehofFt hatte. Am Schlufs jener Notiz machte ich auf den moglichen Zusammenhang der von W u r t z beobachteten krystallisirbaren *) Poggend. Ann. CXVI, 632*. Annal. d. Chemie n. Pharol. CXXVIII. Bd. 2. Heft. 9

Ueber Diglycolimid, Diglycolaminsäure und die Producte der Zersetzung der Diglycolsäure durch trockene Destillation

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ANNALEN DER

CHEMIE UND PHARMACIE.

CXXVIII. B a n d e s e w e i t e s Hef t .

Ueber Diglycolimid, Diglycolaminsaure und die Producte der Zersetzung der Diglycol-

saure durch trockene Destillation ;

von W . Heink.

In einer vorlaufigen Notiz *) habe ich das Product der trockenen Destillation des diglycolsauren Ammoniaks kurz be- schrieben und nach seiner Eigenschafl , deutlich sauer zu reagiren und mit Barythydrat gesattigt ein losliches und krystallisirbares Salz zu bilden , fur .eine Satire erklart. Ich nanrite es eine Aminsaure, weil es stickstoffhaltig ist, und unterschied es von der noch unbekannten Aminsaure der Diglycolsaure, weil es ein Mol. Wasser weniger enthalt, als diese. Die weitere Untersuchung der Substanz hat gelehrt, dafs .es sich .mit derselben anders verhalt. Sie hat schliefs- lich zur Entdeckung der Diglycolaminsaure gefiihrt , welche ich unmittelbar durch Destillation des sauren Animoniaksalzes der Diglycolsaure zu gewinnen gehofFt hatte.

Am Schlufs jener Notiz machte ich auf den moglichen Zusammenhang der von W u r t z beobachteten krystallisirbaren

*) Poggend. Ann. CXVI, 632*.

Annal. d. Chemie n. Pharol. CXXVIII. Bd. 2. Heft. 9

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130 €I eint .e, uber Diglycolillaid, Diglycolaminsaure

Pyrosaure, welche bei der trockenen Destillation der Diglycol- saure entsteht, mit dieser stickstoffhaltigen Substanz aufmerk- Sam. W u r t z hat mir, wie ich an jenem Orte schon er- wiihiite, die weitere Untersuchung dieser Pyrosaure uberlassen, eben um einen solchen Zusammenhang nachzuweisen. E s scheint mir zweckmafsig , die Resultate dieser Untersuchung voranzuschicken. Es wird sich dann zeigen, dafs ein solcher Zusarnmenhang wirklich besteht.

Andererseits aber lehrt dieselbe, dafs die Angabe von W ur t z , bei Destillation der Diglycolsaure entstehe eine wahre Pyrosiiure, nicht richtig ist. Allerdings liabe auch ich dabei dieselben Ersclieinungen beobachtet, wie W u r t z. Die vom Hydratwasser befreite Diglycolsiure schmilzt urn 146" C., fangt an bei 250 bis 210" freilich nur eine kleine Menge gasiger Zersetxungsproducte zu bilden , die aus Kohlensaure und einem blau brennenden Gase bestehen, wahrend eine etwas braunlich gefarbte, saure, syrupartige Fliissigkeit uber- geht. Wecliselt man, wenn die Masse kocht, die Vorlage, so gehen endlich Dampfe iiber, die sich zu einer dickflussigen Fliissigkeit verdichten , welche beim Erlralten vollkoinmen fest wird. In der Retorte bleibt eine leichte glanzende Kohle zurfick.

Jenes festwerdende Destillat hielt W u r t z fur eine be- sondere Pyrosaure. Da ich bei einem Versuch, dic Diglycol- saure darzustellen *), eine kleine Menge derselben in einem Destillat gefunden hatte, so hielt ich es nicht fur unmoglich, dafs bei dieser Destillation wenigstens ein Theil der ange- wendeleri Siiure ohne Zersetzung verfliichtigt werde.

UUI diek nachzuweisen, benutzte ich das erste nicht fest werdende , syrupdicke Destillat. Es wurde rnit Kalkhydrat gesattigt , wobei sich ein die Augen stark reizender Geruch

*) Poggend. Ann. CSV, 462".

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zrnd die Destillationsproducte der Dig2ycolsaure. 131

entwickelte, welcher durch die Bildung einer kleinen Menge Dioxymethylen veranlafst war. Durch Abkuhlung der ge- sattigten Losung ward das gebildete Kalksalz zur Krystalli- sation gebracht. Es verhielt sich genau wie diglycolsaurer Kalk und hatte auch dieselbe Zusammensetzung.

0,243 Grm. verloren bei 180° C. 0,093 Grm. Wasser und hinter- lieken 0,0485 Grm. Kalk, entsprechend 38,27 pC. Wasscr und 19,96 pC. Ralkerde. Der diglycolsaure Kalk entbglt 38,57 pC. Wasser und 20,OO pC. Kalk.

Wenn nun in dem ersten dickflussigen Destillat Diglycol- saure in Menge enthalten ist, so lafst sich erwarten, dafs auch das fest gewordene Destillat von dieser Saure enthalten werde.

Um dies darzuthun, ward eine Probe desselben in kaltes Wasser gebracht, worin sie sich leicht loste. Die LBsung war vollkommen klar , nur etwas gelblich gefirbt und ren- girte stark sauer. Als sie mit Kalkhydrat in der Kochhitze gesattigt wurde, entwickelte sich wieder der intensive Ge- ruch nach Dioxymethylen. Die auf ein kleines Volum ge- brachte Fliissigkeit schied deutliche Krystalle von diglycol- saurem Kalk aus, welche bei der Analyse folgende Zahlen lieferten :

0,2512 Grm. gaben bei 180 bis 200° C. 0,0951 Grm. Wasser ab und hinterlieken gegliiht 0,0507 Grrn. Kalkerde. Dids ent- spricht 37,86 pC. Wasser und 20,18 pC. Kalkerde.

Als aber die von diesen Krystallen getrennte Mutter- lange weiter eingedampft wurde , setzte sie neben noch einigen Krystallen von diglycolsaurem Kalk feinc uiikrosco- pische nadelformige Krystallchen ab , die ganz das An- sehen von glycolsaurem Kalk besafsen. Ihre Minge war zu weiterer Untersuchung zu gering.

Nach diesen Vorversuchen kann aus dem Destillat der Diglycolsaure durch Sattigen mit Kalk wieder diglycolsaurer Kalk erzeugt werden. Die Frage, ob diese Siiure als solche

9 +

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132 He i n t z, iiber D@lycolirnid, Diglycolarninsiiure

schon darin existirt: oder erst durch Einwirkung des Kalks gebildet wird , haben die Versuche wegen der Gegenwart jener zweiten Saure nicht ganz streng zur Entscheidung bringcn konnen. Doch sprechen sie entschieden dafiir, dafs ersteres der Fall ist. Es war namentlicli moglich, dafs durch Destillation der Diglycolsaure das Anhydrid dieser Siiure ge- bildet wird.

Urn wo moglich dieses Anhydrid in fester Form zu er- halten, ohne Gefahr zu laufen, es in das Hydrat zu verwan- deln, loste ich das Destillat in wenig absolutem Alkohol auf und versetzte die Losung mit viel Aether. Es entstand jedoch keine Triibung ; selbst nach langerem Stehen des Gemisches setzte sich daraus nichts ab. Die Diglycolsaure verhalt sich ubrigens durchaus ebenso. Nur wenn man zur Auflosung dieser Saure eine aufserordentlich geringe Menge Alkohol hinzusetzt , scheidet sich nach langer Zeit ein kleiner Theil derselben in Krystallen aus.

Als die alkoholische Losung des festen Destillates der Diglycolsaure der Verdunstung uberlassen wurde , blieb ein Syrup zuriick, der, mit wenig Wasser gemischt und sich selbst uhedassen, durchsichtige Krystalle absetzte , welche sowohl die Form dcr Diglycolsaure hesafsen, als auch die Eigen- schaft derselben, in trockener Luft zu verwittern, und weirs und trube zu werden, ohne ihre Form einzubiifsen.

Es eriibrigt nzir noch, die Natur der Saure festzustellen, welchc das oben erwiihnte, dem glycolsauren Kalk ahnliche Iialksalz erzeugt hatte. Zu dem Ende ward der Rest des nach Krystallisation von moglichst viel Diglycolsaurehydrat noch iibrig gebliebenen Destillats mit Barythydrat genau ge- siittigt und gekocht , wobei der Geruch nach Dioxyniethylen auf's Intensivste hervortrat. Die von dem gebildeten digly- colsauren Baryt miiglichst vollkommen getrennte Flussigkeit ward niit schweft.lsanrent Kupferoxyd genau zersetzt und das

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und die Destilla~ionsproducte deer D~qlycolsaure, 133

kochend heifse Filtrat eingedampft. Der griine Ruckstand ward mit kaltern Wasser hehandelt und das darin nicht Los- liche damit gewaschen. Durch Umkrystallisiren mit Thier- kohle gereinigt bildete dieses Kupfersalz sehr kleine blaue, etwas in’s Grune ziehende Krystalle, welche ganz wie glycol- saures Kupferoxyd erschienen. Dafs sie wirklich daraus be- standen, lehrte die Analyse.

0,2689 Grm. derselben verloren bei 130 bis 140° C. nicht an Ge- wioht und hinterlieken 0,0992 Grm. Kupferoxyd, eiitsprechend 36,89 pC.

Das glycolsaure Kupferoxyd ist in der That wasserfrei und enthalt 37,21 pC. Kupferoxyd.

Aus diesen Versuchen ergiebt sich, dafs bei der trockenen Destillation des Diglycolsaurehydrats eine merkliche Menge Glycolsaure gebildet wird. Diese Beobachtung erklart die Erscheinungen, welche hei dieser Operation beobachtet wer- den, vollkommen. Die Saure wird dabei theilweise zersetzt, indern sich aus derselben Glycolsaure und entweder Kohlen- oxyd und Wasserstoff , oder Kohlensaure und Methylengas, oder Kohle, Iiohlenoxydgas und Wasser bildet nach den Gleichungen :

G4R6Q5 = G2H48’, 2 6 0 + H’. G4H6Q5 = 6?H4Q3, 60* + GH*. G4H6G5 = G2H4QS, 6, 60, H20.

Dafs bei der Destillation der Glycolsaure Dioxyrnethylen entsteht, habe ich *) schon fruher nachgewiesen. Da sich nun bei der Destillation des Diglycolsaurehydrats auch Gly- colsaure bildet, so ist die Entstehunp von Dioxymethylen bei dieser Operation leicht verstandlich.

Aufserdein ist die Bildung von Kohlensaure, wenig Wasser und von einem bbdu brennenden Gase beobachtet

*) Poggend. Ann. CXV, 461 *.

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worden. Letzteres kann recht wohl ein Gemisch von Kohlen- oxyd , Wasserstoff und Methylen oder Zersetzungsproducten desselben gewesen sein.

Wenn es mir auch nicht gelungen ist, unwiderleglich zu beweisen, dafs in dem Destillat des Diglycolsaurehydrdts das Anhydrid dieser Saure nicht enthalten ist, so scheint es inir dennoch aus den Versuchen abgeleitet werden ZU durfen. Es entsteht hei der trockenen Destillation derselben ci l n e nur sehr kleine Menge einer dicklichen syrupartigen Flussigkeit und in1 Uebrigen eine feste Substanz.

Es kann also dabei nur aufserst wenig Wasser gebildet werden. Zerlegte sich aber das Diglycolsaurehydrat in An- hydrid und Wasser, so miifste die Menge des erzeugten Wassers ziemlich bedeutend sein. Eine geringe Menge Wasser aber rnufs entstehen , weil sonst die Abscheidung von Kohle bei jener Operation nicht wohl verstlndlich wtire.

Hiernach glaube ich die Ueberzeugung aussprechen zu durfen, dafs die Diglycolsaure bei der trockenen Destillation grofsentheils unverandert iiberdestillirt, wahrend ein anderer kleinerer Theil so zersetzt wird , dafs daraus Glycolsiiure, Dioxyniethylen, Kohlensaure, Kohlenoxyd, Kohle, Wasserstoff und wahrscheinlich auch Methylen entstehen.

Mit dem Hauptproducte der Destillation der Diglycol- saure steht das bei gleicher Operation aus dem sauren Amrnoniaksalz dieser Saure entstehende in der engsten Be- ziehung.

Ehe ich jedoch dazu iibergehe, hiefiir den Beweis zu lie fern, will ich auf die Darstellung und die Eigenschaften des letzteren Korpers, dcn ich jetzt als Diglycoliinid bezeichne, etwas naher eingehen.

Wird saures diglycolsanres Anitnoniak in eincr Retorte vorsichtig erhitzt, so schrnilzt es unvollkoinnien , beginnt zu

H e in tz , 4ber Diglycolimid, DL:glycolaminsdure

Beide enthalten das Radical C4H4€13.

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kochen und es geht ein schwach ammoniakalisches Wasser fiber. Nach langerem Erhitzen hort das Blasenwerfen auf, und die Masse fliefst ruhig. Erhitzt man nun starker, so geht eine farblose Fliissigkeit iiber, die oft schon im Retortenhalse krystallinisch erstarrt. Diese Substanz ist fast reiiies Digly- colimid. Aber auch in dem ersten wasserigen Destillat ist noch eine gewisse Menge dieses Korpers enthalten , welcher daraus durch freiwillige Verdunstung in Krystallen gewonnen werden kann.

Aber in diesern Riickstande sowohl, als auch in dein erstarrten Destillat ist noch eine geringe Menge sauren digly- colsauren Ammoniaks enthalten. Denn krystdllisirt man das Diglycolimid aus Wasser um und bringt dann die 1et.zte Mutterlauge hei niederer Teniperatur zur Trockne, so ist der Rucksland nur zuin Theil in absolutern Alkohol loslich. Das darin Unlosliche giebt in Salzsaure und Alkohol gelost init Platinchlorid einen Niederschlag von Amrnoniumplatinchlorid und niit Animoniak und Chlorbaryuin einen solchen von diglycolsaureni Baryt.

Das Diglycolimid kann durch Uinkrystallisiren aus der heifsen alkoliolischen Losung leicht rein dargestellt merden. Es bildet dann farblose seideglanzende diinne prisniatische Krystalle, dcren Enden unvollkommen ausgcbildet sind , die aber eine Lange von mehreren Zollen haben kijnnen. Reiin sehr langsamen Verdunsten der alkoholischen Losung uber Schwefelsaure dagegen schiefst es oft in kurzen prisniatischen Krystallen an, die mefsbar erscheinen.

Doch kann ich auch jetzt zu dem, was ich uber die Form dieser Krystalle in ineiner friihern Notiz angegeben habe, nichts hinzufugen.

Das Diglycolimid lost sich in Wasser, Alkohol und Aether, aber in dcr KBlte nur schwer auf. Namentfich wer- den die Krystalle desselben durch ersteres Losungsmittel

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136 He in t a7 tiher Digglycolimid, Diglycolaminsaure

schwer benetzt. Selbst im kochenden Aether ist es nur schwer loslich wogegen es durch kochendes Wasser und kochenden Alkohol leicht aufgelost wird. Aus allen drei Losungsmitteln krystallisirt es in langen Nadeln unverandert heraus. Die alkoholische Losung kann iibersattigt werden. Durch ein Krystallchen der Substanz wird in solcher uber- sattigten Losung die Krystallisation sofort eingeleitet. Schon in der Hitze des Wasserbades ist dieser Korper langsam fluchtig. Er setzt sich in Form feiner Nadeln an kalteren Stellen an schmilzt in gelinder Warme urid erstarrt beim Erkalten krystallinisch.

Die Analyse des geschmolzenen Diglycoliniids gab fol- gende Zahlen :

I. 11. 0,2104 ,, n 0,3203 s 0,0821

0,2041 Grm. gaben 0,3115 Kohleiistlure 0,0816 Wasser.

111. 0,2229 ,, 0,1877 Platin. 1V. 0,2466 ,, ,, 0,2070 ,, Hieraus ergiebt sich folgende Zusammensetzung :

I. u. 111. 11. 11, 1V. berechnet Kohlenstoff 41,62 41,52 41,74 4 6. Wasserstoff 4,44 4,33 4,35 5 H

Stickstoff 11,97 1 J ,93 12,17 1 N

Sauerstoff 41,97 42,22 41,74 3 0

100,oo 100,OO 100,oo.

Die empirische Formel des Diglycolimids ist also

Aus einer Losung in heifser Salzsaure scheidet sich dieser Korper heim Erkalten unverandert in den characteri- stischen Nadeln wieder aus. Ein Ammoniaksalz, namentlich Salmiak, bildet sich nicht. Auch wird Salzsaure von dern Diglycolimid nicht gebunden.

Dafs das Diglycolimid kein Ammoniaksalz ist , obgleich es mit concentrirter kalter Kalilauge versetzt sofort Amnio-

€?H jN 8 3.

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niak entwickelt ergiebt sich daraus , dafs eine alkoholische Losung desselben mit Platinchlorid versetzt keinen Nieder- schlag von Ammoniumplatinchlorid erzeugt selbst wenn die Losung mit Salzsaure versetzt und damit gekocht wird. Da- her kommt es deirn auch, dafs verdunnte Kalilauge daraus nicht sofort Animoniak entwickelt. Nach einiger Zeit aber erscheint der Ammoniakgeruch und nach langerer Zeit ist die Zersetzung vollendet. Kocht man aber die Substanz mit verdunntem Kalihydrat , so entwickelt sich sofort reichlich Ammoniak.

Bei An- wendung dieser Basis bemerkte ich aber, dafs so lange man ein gewisses Quantum bei Zusatz derselben nicht uberschrei- tet, aucli nach langerer Zeit und selbst in der Warme kein Ammoniak entwickelt wird. Setzt man aber einen Ueber- schufs an Barythydrat hinzu, so entwickelt sich zwar anfangs keine merkliche Menge Ammoniak nach Iangerem Stehen aber und namentlich sofort beim Erwarmen tritt der Ammo- niakgeruch auf.

In Folge dieser Beobachtungen versuchte ich ein Baryt- salz der Substanz dadurch darzustellen, dafs ich sie mit Barythydrat ubersattigte und nun sofort einen schnellen Strom von Kohlensaure hindurchleitete. Die durch geliiide Warmt und durch Filtration von der uberschussigen Kohlensaure und dem kohlensauren Baryt befreite Flussigkeit trocknete im Wasserbade zu einer gummiartigen Masse ein, deren Losung bei freiwilliger Verdunstung in deutlichen Krystallen anschofs, welche beim Erhitzen mit Natronkalk Ammoniak entwickelten. Diese Barytverbindung hielt ich fur das Barytsalz der analy- sirten Substanz , welche letztere ich fur eine Saure erklarte.

Allerdings wird Lackmuspapier durch dieselbe schwach gerothet und namentlich , wenn man die Losung derselben darauf verdunsten lafst, ist die Rothung unverkennbar. Allein

In ahnlicher Weise verhalt sich Barythydrat.

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138 Re i n t z , iiber Diglyoolimid, Dig2ycolamsizsaure

dessen ungeachtet ist die Substanz keine wahre Saure und in der Barytverbindung findet sich dieselbe nicht mehr in1 unveranderten Zustande. Diese enthalt vielmehr die Digly- colaminsaure. 1st aber das Product der trockenen Destillation des sauren diglycolsauren Ammoniaks keine Saure, so murs sie, ohgleich isomer, doch verschieden sowohl von der Fumar- als von der Maleylaminsaure sein. Diefs ergiebt sich auch durch folgenden Versuch.

Die leichte Zersetzbarkeit des Diglycolimids durch Basen veranlafste mich namlich, zu untersuchen , welche Saure dabei gebildet wird. Kocht man dasselbe mit iiberschiissigem Aetzkalk , filtrirt kochend , neutralisirt mit Kohlensaure, kocht riochnials und filtrirt die concentrirte Losung kochendheifs, so setzt sie beim Erkalten Krystalle von diglycolsaurer Kalk- erde ab. Die Analyse derselben lieferte 37,538 pC. Wasser und 19,60 pC. Kalkerde, wahrend der diglycolsaure Kalk 38,57 pC. Wasser und 20,OO pC. Iialkerde enthalt.

Durcli diesen Versuch ist die Anwesenheit des Radicals der Diglycolsaure in dein Destillationsproduct des sauren diglycolsauren Aminoniaks nachgewiesen.

Wenri aber auch das Diglycolimid nicht als eine wahre Saure betrachtet werden darf, so kann doch ein Metallderivat desselben dargestellt werden. Es liefert namlich eine Silber- verbindung, welche der anderer Imide, 2. B. dem Succinimid- silberoxyd, durchaus analog ist.

Wird eine concentrirte Losung des Diglycolimids in heifsem Wasser mit einer ebenfdls concentrirten wasserigen Losung von salpetersaurein Silberoxyd versetzt , so entsteht kein Niederschlag. Die Mischiing veriindert sich selbst in1 Kochen nicht und setzt beim Erkalten Krystalle von Digly- coliinid ab. Fugt man aber tropfenweise Aanioniak xu der heifsen I,osung, so hildet sich eio schneeweifser, krystallini- scher Niedcrschlag, der sich auch in der Kochhitze nicht

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schwarzt. Das Verhalten der Mischung ist gleich , mag darin das Diglycolimid uberschussig sein , oder das salpetersaure Silberoxyd. Auch wenn man den Niederschlag in iiberschiis- sigern Ammoniak lost und die Losung kocht , geschieht keine Abscheidung des Silbers. Vielmehr sondert sich aus der Losung, wenn man das Ammoniak durch Kochen verjagt, ein vollkomnien weifser , blatterig -krystallinischer Korper aus, der unter dem Mikroscop die in Fig. 1 auf Tafel I abge- bildete Form zeigt.

Die auf diese Weise gebildete Silberverbindung enthalt das Diglycoliniid noch unverandert. Denn wascht man die- selbe aus und leitet man durch Wasser, in welchem sie vertheilt ist, Schwefelwasserstoffgas, so entstehen beim Ver- dunsten des Filtrats Krystalle von Diglycolimid. Andere Sub- stanzen sind in dieser Flussigkeit nicht enthalten , nainentlich Salpetersaure und Ammoniak enthalt dieselbe nicht. Die Silberverbindung besteht also nur aus Diglycolimid und Sil- beroxyd.

Zur Bestatigung dessen habe ich eine Silberbestimmung ausgefuhrt. 0,2302 Grm. der Verbindung verloren bei 100" C. nicht an Gewicht und hinterliefsen gegliiht 0,1117 Grm. Silber, entsprechend 48,52 pC. Die Rechnung nach der Formel G4H4AgN03 ergiebt 48,65 pC.

Hiernach ist die typische Pormel fur diesen Korper N \G4H4Q3

: Ag Das Diglycolimid verhalt sich also wie das Succinimid,

welches in derselben Weise behandelt cine durchaus analoge Silberverbindung liefert. Obgleich beide keine Sauren sind, so konnen sie doch ein Atom Wasserstoff leicht gegen Me- tall , namentiich gegen Silber austauschen. Das Diglycoliniid liefert einen neuen Beleg fiir die Thatsache, dafs in den dem Ammoniaklypus angehorenden Verbindungen, in welchen

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140 H e i n t I, uber Dig<ycolimid, Diglycolaminsazsre

zwei Atome Wasserstoff durch ein zwdiatomiges Saureradical vertreteri sind, das dritte Atom Wasserstoff in dem Grade positiv wird, dafs es leicht durch Metall ersetzt werden kann.

Ich wendete mich nun zur Untersuchung des oben er- wahnten leichtloslichen Barytsalzes. Seine Reindarstellung gelang erst nach vielen vergeblichen Versuchen. Die schliefs- lich dazu benutzte Methode ist folgende :

Das Diglycolimid wird im gepulverten Zustande mit Wasser ubergossen und in diese Mischung die noch warme concen- trirte Losung der Bquivalenten Menge Barythydrat hinein- filtrirt. Nach dem Umruhren rcagirt die Flussigkeit stark alkalisch, aber diese Reaction nimmt allmalig ab. Die er- haltene Losung wird mit Kohlensaure gesattigt, durch gelinde Warme von dem Ueberschufs an Kohlensaure und durch Filtration von dem entstandenen Niederschlage, der aus koh- lensaurem und etwas diglycolsaurem Baryt besteht, befreit. Vcrdunstet man das Filtrat bei sehr gelinder Warme im Wasserbade, so trocknet es zuerst xu einer syrupartigen Flussigkeit , schliefslich zu einer gummiartigen Masse ein, welche sich in Wasser wieder leicht lost und dabei keinen unliislichen Ruckstand lafst.

Um daraus noch einen Rest von Diglycoliinid zu ent- fernen, reibt man diesen Riickstand aufserst fein und kocht ihn mit Alkohol aus. Die Losung enthalt keinen Baryt, lie- fert aber beim Verdunsten doch zwei verschiedene Arten von Krystallen. Zuerst schiefst niimlich Diglycolimid an , und zuletzt bleibt eine Mutterlauge , welche syrupartig erscheint und nur langsam, aber dam zu grofsen Krystallen eintrocknet. Dieser Korper giebt in seiner alkoholischen Losung rnit Pla- tinchlorid sofort einen gelben Niederschlag von Ammonium- platinchlorid. Er ist ein Ammoniaksalz. Essigsiiure scheidet daraus selbst in concentrirtestem Zustande keine krystallisir- bare Substanz ab. Setzt man aber zu der sehr concentrirten

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und die Destillationsyro~~icte der Diglycolsaure. 141

Liisung dieses Ammoniaksalzes Salzsaure, so krystallisirt zwar Salmiak, aber aufserdem ein anderer , saurer Korper heraus, der durch Waschen mit wenig kaltem Wasser von dem Sal- miak befreit werden kann. Da dieser Korper aber selbst irn Wasser zwar schwerer als Salmiak, aber doch nicht eigentlich schwer loslich ist, so darf das Waschen nicht zu lange fortgesetzt werden. Diese Saure ist identisch mit der- jenigen, welche in dem Barytsalz enthalten ist, bei dessen Auskochen mit Alkohol dieses Ammoniaksalz abgeschieden worden war. Sie ist eben die Da$ycolaminsaure.

Die Bildung dieses Ammoniaksalzes der Diglycolamin- saure neben dem diglycolarninsauren Baryt erklart sich leicht auf folgende Weise. Da, wo im Moment des Eingiefsens von Barythydratlosung in die Mischung von Diglycolimid und Wasser ersteres uberschiissig ist , bildet sich diglycolsaurer Baryt und Ammoniak nach der Gleichung :

Dieses Ammoniak verbindet sich mit der eingeleiteten Koh- lensaure und das kohlensaure Ammoniak zersetzt den gleich- zeitig gebildeten diglycolaminsauren Baryt in kohlensauren Baryt und diglycolaminsaures Ammoniak.

Um nun endlich das Barytsalz der Diglycolaminsaure selbst rein zu gewinnen, lost man es in rnoglichst wenig heifsem Wasser und giefst auf die Oberflache dieser Losung Alkohol. Nach 24 Stunden ist ein gewisses Quantum des Salzes auskrystallisirt , oft hat aber zugleich die Fliissigkeit eine gallertartige Beschaffenheit angenommen. Man trennt die Krystalle von der Fliissigkeit, wascht sie einige Male mit Wasser ab, und sucht nun in derselben Weise aus der Mut- terlauge , nachdem man sie bei gelinder Warrne verdunstet hat, mehr derselben zu erhalten. Die ganze Menge dieser

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Krystalle wird dann noch ein- oder zweimal ganz eben so umkrystallisirt.

Der diglycolaminsaure Raryt ist ein weifses Salz, das ich anfangs, obgleich der Versuch nur mit einer kleinen Menge angestellt wurde, in ziemlich grofsen Krystallen erhielt, die aber doch nicht mefsbar waren. Die Hoffnung aber, spater bei Darstellung grofserer Mengen desselben auch ausgebil- detere Krystalle zu erhalten, ist nicht in Erfiillung gegangen Kleine mikroscopische Krystalle, die ich einmal bei Verdun- stung der Liisung uber Schwefelsaure erhielt, zeigten die in Fig. 2 auf Tafel I abgebildete Form. Wahrscheinlich sind sie schiefe rhombische Prismen.

In Wasser losen sie sich nicht schnell auf, bedurfen aber nicht einer grofsen Menge dieses Losungsmittels zur Auflosung. Die Losung ist neutral. In Alkohol und Aether sind sie ganz unloslich.

Fur sich erhitzt verandert sich dieses Salz bei 100" C. und selbst bei 130" C. nicht. Bei 140 bis 145O C. sintert es zusammen und farbt sich braunlich. Dann schmilzt es unter Blasenwerfen , kocht lebhaft unter Braunung , schwillt dann aufserordentlich stark auf , indem sich ammoniakalische und brenzliche Producte entwickeln , verkohlt endlich und hinter- lafst zuletzt weifse kohlensaure Baryterde.

Kocht man eine wasserige Losung von diglycolamin- saurem Baryt anhaltend, so scheidet sich ein weifses Pulver aus, wslches sich als diglycolsaurer Baryt erweist. Gleich- zeitig entwickelt sich Ammoniak. Schneller geschieht dieser Procefs, wenn man noch Barythydrat oder eine andere Basis hinzufugt.

Bei der Analyse dieses Salzes erhielt ich, nachdem ich es hinreichend gereinigt und bei 120 bis 130" getrocknet hatte, wobei es nur ganz unbedeutend an Gewicht verliert, folgende Zahlen :

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und die Destillationsproducte der Diglycolsliure. 143

I. 11.

111. IV. V.

VI.

VII.

VIII. IS.

0,1312 Grm. hinterliehen 0,0621 Grm. kohlensauren Baryt. 0,2136 ,, ,, 0,1012 n 7l n

0,2051 ,, 0,0975 ,, n

0,2042 ,, ,, 0,0959 n

0,2019 n 0,0949 ,, n n

0,2668 Qrm. gabcn 0,1912 Grm. KohlensZlurc und 0,0822 Grm. Wasser. Im Schiffchen blieheii 0,0005 Grm. Kohle und 0,1265 Grm. kohlensaurer Btwyt.

0,2657 Grm. lieferten 0,1940 Grm. KohlensZure und 0,0851 Grm. Wasser. Im Rohr blieben neben kohlensaurem Baryt, dessen WBgung mifsgliickte , 0,0002 Grm. Kohle.

0,2153 Grm. gaben 0,0990 Grm. Platin. 0,2008 ,, 0,0941 n

Hieraus ergiebt sich folgende Zusammensetzung : I. 11. 111. IV. v. VI. VII. VIII. IX.

Kohlenstoff - - - - - 22,62 22,85 - - Wasserstoff - - - - - 3,42 3,56 - - Baryum 32,91 32,95 32,91 32,66 32,69 32,98 - - - Stickstoff - - Sauerstoff -

- - 6,54 6,66 - - - - - - - - - - -

Mittel berechnet Kohlenstoff 22,74 22,91 86 Wasserstoff 3,49 3,34 14 H Baryum 32,85 32,70 2 Ba Stickstoff 6,60 6,68 2 N Sauerstoff 34,32 34,37 9 8 -___ _. -

100,oo 100,oo.

Die Stickstoffbestimmung liefs sich nicht nach der Me- thode von W i l l und V a r r e n t r a p p ausfiihren, weil sich beini Zusarnmenreiben der Substanz rnit Natronkalk sofort Ammoniak entwickelte. Sie geschah durch Einkochen mit Barythydratlosung im Paraffinbade bis zur Trockne, Auffangen der Dampfe in Salzsaure und Abdampfen der Losung mit Platinchlorid. Im Ruckstande von der Destillation fand sich diglycolsaurer Baryt in kleinen Krystallen , der durch Waschen mit Essigsaure und Wasser leicht rein erhalten wurde.

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144 H e i n t z , iiber D[94Scolimid, Diglycolaminsaure

Absichtlich habe ich so viele Barytbestimmungen mit diesem Salze und zwar stets mit einer neu dargestellten Probe ausgefuhrt , weil dasselbe eine ungewohnliche Zusammen- setzung hat. Die Analysen lassen aber keinen Zweifel; dafs es geniafs der empirischen Formel €,"H1*Ba2NW' zusammen- gesetzt ist. Man sollte defshalb meinen, dafs man es mit einer zweibasischen Saure von der Formel GSHlGN2Q9 zu thun habe. Allein die spater folgende Analyse der freien Saure lehrt, dafs diese Barytverbindung noch Wasser enthalt, welches aber bei einer Temperatur, wobei Zersetzung der Saure selbst noch nicht eintritt , nicht ausgetrieben wetden kann. Die Formel derselben ist also :

Die Umsetzung dieser Substanz bei anhaltendem Kochen mit Wasser kann durch folgende Gleichung ausgedriickt werden :

Versetzt man die concentrirte Losung des diglycolamin- sauren Baryts mit einer concentrirten Losung yon salpeter- saurem Silberoxyd , so entsteht kein Niederschlag. Fugt man dann Ammoniak hinzu, so fallt ein weifses Pulver nie- der , das sich durch Kochen, selbst wenn es in iiberschussi- gern Ammoniak gelost ist, nicht schwarzt, und das aus sehr kleinen , feinen , concentrisch gruppirten , mikroscopischen Nadeln besteht. Mange1 an Material verhinderte bis jetzt die nahere Untersuchung dieses Silbersalzes.

Aus dem Barytsalz die Diglycolaminsaure darzustellen, gelingt sehr leicht. Man braucht nur die Losung einer ge- wogenen Menge desselben mit etwas weniger Schwefelsaure zu versetzen , als zur vollstandigen Abscheidung des Baryts

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und die DDestillationspro~~cte der Dig(ycolsaure. 145

erforderlich ist. Die Flussigkeit kann man aber vom Nieder- schlage durch Filtration nicht trennen. Fast die game Menge des letzteren geht durch das Filtrum mit hindurch. Man dampft daher unmittelbar die Mischung unter der Glocke der Luftputnpe bis zur Trockne ab und zieht den Ruckstand mit heii'sern, absolutem Alkohol aus. Die alkoholische Losung lafst sich nun leicht durch Filtration von dem schwefelsauren Baryt trennen. Sie wird wieder unter der Luftpumpe ver- dunstet. Es bleibt ein krystallinischer Ruckstand, der in kaltem Wasser nicht ganz leicht loslich ist, wohl aber in warmem, und der beim Erkalten der concentrirten warrnen Losung in deutlichen , mei'sbaren Krystallen anschiefst. Bei freiwilliger Verdunstung der wasserigen Losung ka.nn dieser K6rper in schonen grofsen Krystallen erhalten werden.

Die Diglycolaminsaure bildet geruch - und farblose, was- serklare, sauer reagirende und angenehm sauer schmeckende, prismatische , lufthestandige Krystalle von eigenthiimlicher Form. Fig. 3 auf Tafel I giebt ein Bild derselben. Sie sind rhombische Prismen mit Winkeln von im Mittel 84O15'. Die stumpfen Seitenkanten sind stets beide stark abgestumpft, von den scharfen Seitenkanten habe ich nur die vordere stark ah- gestumpft beobachtet. Die beiden Enden der Krystalle wer- den durch nur je zwei schief auf diejenigen Saulenflachen aufgesetzte Octaederfliichen begrenzt , welche sich meist unter dem mit einer Absturnpfungsflache versehenen Winkel von 84O15' scheiden.

Die geniessenen Winkel sind folgende : - 9 : s' - 84O15'

P : PI = 155O35'

p (= p') : m = 102020' s (= s') : m = 138O.

Die Diglycolarninsaure ist in Wasser und Alkohol , aber Aether nimmt selbst im

10

in beiden nicht ganz leicht loslich. h ina l . 11. Gliem. u. Pharm. CXXVIII. Bd. 2. Helt.

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146 He i n t a, uber D[qlycol~inaid, Digglycolaminsaure

Kochen nur aufserst wenig davon auf. Heifses Wasser lost sie leicht.

Erhitzt man die Krystalle auf 100 bis 11O0, so verandern sic sich gar nicht. Sie sind wasserfrei. Bei 125 bis 130" C. fangen sie an zu schmelzen und bei 135" C. sind sie voll- koriimen zu einer farblosen Fltissigkeit zerflossen. Lakt man diese erkalten, so erstarrt. sie niclit sofort, sondern wird erst extractartig , fadenziehend , ohne ihre Durchsichtigkeit zu verlieren. Allmiilig wird die Masse dann triibe und undurch- sichtig und fest , ohne lrrystallinisches Ansehen anzunehmen. Erhitzt man die Saure stsrlier, so fangt sie an zit kochen, ohne sich wesentlich zu fiirhen. Dam brlunt sie sich und zuletzt hleibt eine geringe Menge Kohle zurucli, die leicht verbrennt. Das Product der troclienen Destillation dieser S lure ist wahrsclieinlich Diglycolimid. Wegen Mangel an Material habe ich den Versucli nicht ausgefuhrt.

Koclit man diese Suhstanz mit Kalkrnilch , so entwickelt sich Arnmoniak und irn Ruckstande nach Verdunstung aller Feuchtigkeit ist diglycolsaure Kalkerde enthalten , die daraus durch Auskochen mit Wasser leicht in den bekannten Kry- stallen gewonnen werden kann. Lost man diese Substanz in Alkohol und setzt zu der Losung Platinchlorid, so entsteht kein Niederschlag. Arnmoniak ist also darin nicht fertig gebildet enthalten.

Die Analyse der Dig1 ycolaminsaure hat zu folgeriden Zahleri gefiihrt :

I . 0,2293 Grin. derselben gabeii 0,3034 Grni. Kolilensiinre und 0,1110 Grin. Wasser.

11. 0,2468 Griii. lieibrteri 0,1910 Grin. Platin. Die Stickstoffbe- stiminung wnrde genan in der Weise ausgefuhrt, wie die dcs Barytsalees.

Hieraus folgt foigvtide %usatiinienset.zung der Diglycol- aniinsiiure :

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und die Destillationsproducte der D~glycolsaurs. 147

gefilnden berechnet Kohlenstoff 36,09 36,09 4 6 Wasserstoff 5,38 5,26 7 H Stickstoff 10,99 10,53 1 N Sauerstoff 47,59 48,12 4 8 -____

100,oo 100,oo.

Hicrnach ist ihre Formel €&H7NQ4 und als der Amin- saure der Diglycolsaure mu& ihr die typische Formel

N(G4H483, H7 :'lo, oder gemafs der Betrachtung, wclche sich

in diesen Annalen CXXII, 257" findeb und wonach die Amin- sauren dEm Amrnoniaktypus zugerechnet werden konnen, die

Formel N { F ' % , oder endlich, da in der Diglycolsaure,

die ja sowohl aus Monochloressigsaure, welche als Chlorox- athylenylsaure angesehen werden kann, entsteht, als bei ihrer trockenen Destillation zum Theil in Glycolsaure iibergeht, entschieden zwei Atonie Oxathylenyl angenommen werden miissen, die Formel

PH20 *. &q+ 1::

In dieser Saure und in der Diglycolamidsaure lernen wir also wieder ein Beispiel von absoluter Isonierie organi- scher Koryer kennen. In beiden Sauren ist nicht nur die- selbe Anzahl von Atomen derselben Elemente, sondern auch dieselbe Anzahl derselben Radicalen enthalten. Sie unter- scheiden sich nur durch die verschiedene Lagerung der Atome und namentlich der Radicale. Sie sind allein ver- schieden durch ihre cltesnische Structzcr, ein Begriff, der be- kanntlich zuerst von B u t 1 e r o w *) in die Wissenschaft ein- gefiihrt worden ist.

*) Zeitschrift fur Chemie und Pharmscie 1861, S. 1". 10 *

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148 He i n t z, iiber Digglycolimid, Dzjrlycolarninsaure

Grade solche Korper , wie die Diglycolaminsaure und Diglycolamidsaure, sind fur die Lehre von der chernischen Structur von der grofsteii Wichtigkeit, weil nur durch die Annahnie des Einflusses derselbeii auf die Eigenschaften der chemischen Stoffe die Verschiedenheit solcher Substanzen erklarlich wird.

Will man die Formeln der Diglycolaminsaure und Digly- colarnidsaure in die Form bringen, in der sie die chemische Structur moglichst vollkorrinien ausdriicken, so sind sie die folgenden :

In der Diglycolaminsaure ist in den Ammoniaktypus an Stelle eines Atoms Wasserstoff ein einatomiges typisches Radical eingetreten , welches aus zwei Atomen des Radicals

7 7 n €0, zwei Atomen des Radicals GH2 und zwei Atomen Sauer-

stoff besteht. Ein Atom €io ist zuerst in den einfachen

Wassertypus getreten, das einatomige typische Radical SO\ 11

HI'

bildend. Diefs sich mit 6 H 2 combinirend, fiihrt zu dem ein- atoniigen typischen Radical

5 7

77

7 7

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und die Restillationsproducte der Dig$colsaure. 149

7 7 welches mit dem Radical €Hz in den einfachen Wassertypus tretend das einatomige Radical

liefert. n

Dieses endlich mit dem zweiatomigen Radical €6 sich combinirend erzeugt das ebenfalls noch einatomige typische Radical

43 I Die Stellung der Radicale G 0 und GH2 in der Formel

ist dadurch bedingt, dafs erstens der durch Metall ersetzbare Wasserstoff mit einem Saureradical in den Wassertypus ge- treten, zweitens der Entstehungsweise der Substanz aus der Monochloressigsaure gemafs , stets zunachst €Q mit GH2 cornbinirt sein mufs , und endlich drittens das Saureradical

'HZ 1 nur leicht mit einem Alkoholradical in den Wasser- "Z}Q typus treten kann.

In der Diglycolamidsaure sind in den Ammoniaktypus an Stelle von zwei Atomen Wasserstoff zwei einatomige typische Radicale getreten, von denen jedes zunachst das einatomige

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150 H e i n t z, iiber Diglycolimid, Diglycolaminsaure

I,,, I!

typische ‘tfH)O enthalt , welches niit den) zweiato-

!7 migen GH2 sich combinirerid das einatomige typische Radical

5 1 bildet. Die Stellung der einzelneii Radicale in der qii Formel der Diglycolaniidsaure ist allein dadurch bcdingl, dafs der durch Metal1 vertretbare Wasserstoff mit einerii Siiurc- radical in den Wassertypus getreten sein mufs.

Die Diglycolamidsaure sowie die Diglycolaininsaure sind beide isomer mit der Asparaginsaure, aber keine yon jenen beiden ist identisch mit letzterer. Dafs die Diglycolaininsaure von der Asparaginsiiure verschieden ist, ergiebt sich daraus, dais jene durch Kochen mit starken Basen unter Arnmoniali- entwickelung in Diglycolsaure umgewandelt wird. Von der Dig1 ycolamidsaure, deren Versohiedenheit von der Asparagin- siiure nach meinen Versuchen so feststand, dais ich in meincr Abhandlung dber dem Aminoniaktypus angehorige orgaiiische Siiuren *) nicht besonders den Beweis fuhren zu iniissen glaubte, stellt K o l b e die Meinung auf, sie konne doch wohl mit jener SBure identisch sein: indem er namentlicli meint, die sehr verschiedenen Angaben iiber die Loslichkeit beider konnten auf Versuchsfehlern beruhen. Dafs ich bis zu der gestatteten Fehlcrgreiize mit gutem Gewissen die Garantie der Kichtigkeit nieiner Angabe iiber die Lijslichkeit der Diglycol- amirlsaure iibernehmen kann, das sei mir erlaubt, liier aus- zusprechen.

*) Diese Annalcn CXXII, 257 *.

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und die DesliZZations?lroducte der Diqlpolsaure. 151

Aufserdem aber diirfte der Umstand, dafs die Diglycol- arnidsaure sehr leicht in grofsen Krystallen dargestellt wer- den kann, so dafs es mir gelang solche von mehr als einern Zoll LInge und einem viertel Zoll Breite zu erzeugen, ob- gleich mir hochstens 5 oder 6 Gramme dieser Substanz zu Gebote standen, geniigan , um die Uninoglichkeit der Iden- titat der activen oder inactiven Asparaginslure rnit der Diglycolamidsaure darzuthun.

In Kurzem hoffe ich mehr Beweise fur ihre Verschieden- heit beibringen zu konnen.

Ueber die Einwirkung voii salpetrigsaurem Kali auf salzsaures Diathylarnin ;

vow1 A. Geuther, Prof. iii Jena.

H o f rn a n n *) hat gezeigt, dafs, wenn inan eine schwach angesiiuerte Losung von salzsaurern Aethylarnin zu einer Losung von salpetrigsaurern Kali fiigt, eine Zersetzung in der Art stattfindet, dafs sich Stickgas, Wasser und Salpetrigsaure- Aether bildet. Nebenbei entstand sehr wenig eines aroma- tisch riechenden Oels von siifs beifsendem Geschmacli, das leichter als Wasser war, dessen Zus.smineasctzung aber unbe- kannt geblieben ist. Die Prage, wie sich das salzsaure Di- oder Triathylamin unter den natnlichen Urnstatiden verhalten wiirde , war in zweierlei Hinsicht interessant. Wenit die Einwirkung analog wie obert verlief, so konnte man entweder die Bildung von 2 resp. 3 Igt. Safpetrigsaure-Aether neben

*) Dicse Arinaleii LXXV, 362.