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IX. Arbeiten aus dem Laboratorium flir experimentelle Pharmakologie zu Strassburg. 135. Eeber Diurese. Zweiter Theil. 1) Die Wirkung artificieller Bluteindickung auf Harn- absonderung und LymphorrhSe. Ein Beitrag zur Pharmakologie colloider Substanzen. Yon Dr. phil. et reed. Spire, Privatdocent und I. Assistent am lohF~iol, chem. Inst. Die nachfolgenden Untersuehungen kniipfen an altere des Ver- fassers an 2), welehe die eigenthiimliche Wirkungsweise des Witt e'- sehen ~,Peptons" auf den Lymphfluss zum Gegenstand batten, und haben aus den naehfolgenden Grtinden sich zum Ziel gesetzt, die Ein- wirkung einer intravenSsen Injection colloidaler KSrper auf Harn und Lymplm zu untersuchen. Bekanntlich hatte zuerst H e i d e n h ain in seiner die Forsehnng so machtig anregenden Arbeit: ,Versuehe und Fragen zur Lehre yon der Lymphbildung :: ~) zwei Reihen yon Mitteln, den Lymphfluss zu besehleunigen und zu modificiren, kennen gelehrt: die sogenannten Lymphagoga erster und zweiter Ordnung. Wahrend far das Ver- st~ndniss der letzteren eine Reihe yon wichti~en Arbeiten seither beigebraeht ist4), fehlt uns zur Erklarung der ersteren trotz maneher andeutender Fingerzeige noeh ein wesenflieher Tbeil: Die Wirkungs- weise der Lymphag'oga zweiter Ordnung kSnnen wir wohl im wesent- 1) Vgl. Archly f. experiment. Pathol. u. Pharmakol. Bd. XXXu S. 369, 1897. 2) Archly f. experiment. Pathol. u. Pharmako]. Bd. XXXVIII, S. 113, 1897. 3) Pfliiger's Archly Bd. XLIX, S. 209, 1891. 4) Vgl. namentlich die Arbeiten yon W. Co hnstein, eine Uebersicht yon demselben: Pfltiger's Archly Bd. LXIII, S. 587, 1896 und Lubarsch-Oster- tag's Ergebnisse Bd. III, S. 563, 1896.

Ueber Diurese

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IX.

Arbeiten aus dem Laboratorium flir experimentelle Pharmakologie zu Strassburg.

135. Eeber Diurese.

Zweiter Theil. 1)

Die W i r k u n g a r t i f i c i e l l e r B l u t e i n d i c k u n g a u f H a r n - a b s o n d e r u n g u n d L y m p h o r r h S e .

Ein Beitrag zur Pharmakologie colloider Substanzen. Yon

Dr. phil. et reed. Spire, Privatdocent und I. Assistent am lohF~iol, chem. Inst.

Die nachfolgenden Untersuehungen kniipfen an altere des Ver- fassers an 2), welehe die eigenthiimliche Wirkungsweise des W i t t e'- sehen ~,Peptons" auf den Lymphfluss zum Gegenstand batten, und haben aus den naehfolgenden Grtinden sich zum Ziel gesetzt, die Ein- wirkung einer i n t r a v e n S s e n I n j e c t i o n c o l l o i d a l e r K S r p e r auf Harn und Lymplm zu untersuchen.

Bekanntlich hatte zuerst H e i d e n h a in in seiner die Forsehnng so machtig anregenden Arbeit: ,Versuehe und Fragen zur Lehre yon der Lymphbildung :: ~) zwei Reihen yon Mitteln, den Lymphfluss zu besehleunigen und zu modificiren, kennen gelehrt: die sogenannten Lymphagoga erster und zweiter Ordnung. Wahrend far das Ver- st~ndniss der letzteren eine Reihe yon wichti~en Arbeiten seither beigebraeht ist4), fehlt uns zur Erklarung der ersteren trotz maneher andeutender Fingerzeige noeh ein wesenflieher Tbeil: Die Wirkungs- weise der Lymphag'oga zweiter Ordnung kSnnen wir wohl im wesent-

1) Vgl. Archly f. experiment. Pathol. u. Pharmakol. Bd. XXXu S. 369, 1897. 2) Archly f. experiment. Pathol. u. Pharmako]. Bd. XXXVIII, S. 113, 1897. 3) P f l i i g e r ' s Archly Bd. XLIX, S. 209, 1891. 4) Vgl. namentlich die Arbeiten yon W. Co h n s t e i n , eine Uebersicht yon

demselben: Pf l t ige r ' s Archly Bd. LXIII, S. 587, 1896 und L u b a r s c h - O s t e r - t ag ' s Ergebnisse Bd. III, S. 563, 1896.

Ueber Diurese. 149

lichen jetzt als eine molecular-chemische, als eine ,Salzwirkung" im Sinne S c h m i e d e b e r g ' s ~ ) bezeiehnen; hierauf deutet auch das Gesammtbild, das nach ihrer Injection zur Erscheinung kommt, vor a11em, dass die LymphorrhSc nicht die einzig'e Wirkung ist, die der intravenSsen Injection folgt, sondern class, wie schon H e i d e n h a i n hervorhob, gleichzeitig mit der Lymphsecretion aueh die Harnbildung angeregt wird. Inwieweit die Beobaehtungen an Harn und Lymphe, FOr die, namentlich dureh die Arbeiten yon v. L i m b e c k 5) und Mti~zer3), sorgf~ltiges und werthvolles Material vorliegt, zn einer einheitlichen Erklarung des Gesammtwirkungsbildes ausreiehen, sol1 an andcrer Stelle auf Orund eigener erganzender Untersuchungen dargethan werden; gerade abet bei der wesentlichen Uebereinstim- mung, die die Salzwirkung in Bezug auf Ham und Lymphe zeigt, mussten auch die Lymphagoga erster Ordnung in ihrer diuretisehen Wirkung genauer analysirt werden.

Far die Albumosen ist es bekannt, dass sic, trotzdem sic zum Theil im Ham wiedererseheinen, eine harntreibende Wirkung nicht haben, in gr5sseren Mengen sogar die Harnabsonderung unterdriicken kSnnen. Da H e i d e n h a i n eine ahnliche Wirkung wie bei ,,Pepton ~ ansser bei Anwendung ffewisser Extracte nur noch nach Injection yon verdtlnatem Htihnereiweiss - - und bier durchaus nicht reffel- m~issig -- beobachtet hat, so war zn vermuthen, dass bier nicht physikalische Eigensehaften der Pr~parate die Wirkung veranlassten, sondern vielleicht eigenthiimlicbe, in ihnen enthaltene ,,specifisehe '*, fer- mentartiff wirkende KSrper. Dureb Vergleich mit anderen eolloidalen KSrpern sollte also gezeigt werden, inwieweit bei der Einwirkung tier Albumosen auf Lymphe und Harn neben etwaiffen physikalisch- chemisehen Eigenschaften der injicirten KSrper aueh specifisehe in Betraeht kommen, und ob dutch diese Untersuehungen eine Er- klarung far die so versehiedene Wirkungsweise auf Ham- und Lymph- apparat zn erzielen w~re.

Eincr kurzen ErSrterung bedarf es hier vorerst wohl noch, oh den eolloidalen K5rpern ahnlich wie den krystalloiden ilberhaupt eine Salzwirkung im pbysikalischen Sinne zukommen kann; class sic aueh osmotisehen Druok auszutiben im Stande sind, alas haben vet vielen Jahren schon P f e f f e r in seinen ffrundlegenden ~osmo-

1) Grundriss tier Arzneimittellebre 1895, S. 242. 2) Archly f. experiment. Pathol. u. Pharmakol. Bd. XXV, S. 1, 1889. 3) Ebenda Bd. XLI, S. 74, 1898; vgL aueh die anderen Arbeiten aus der

Reihe: ,,Zur Lehre yon tier Wirkung der Salze" yon F I o f m e i s ~ e r und seinen Sehillern in diesem Archly.

150 IX. S~mo

tisehe~ Untersuehungen ~: *) und erst neuerdings wieder S t a rl i n g 2) und C o h n s t e i n 3) nachgewiesen, ja man kann: wie ich jtlngst gezeigt zu haben g'laube~), die zwei ,versehiedenen Welten der Materie"; Krystalloide und Cotloide: unter einem einheitlieben Ge- siehtspunkt zusammenfassen als Stoffe~ die sich in ihrem physika- lisehen Gesammtverhalten nur quanfitati% nieht qualitativ yon ein- under unterseheiden. Aueh die folgenden Untersuebungeu werden dies darthun.

Die MSgliehkeit: Versuehe tiber kanstliehe Bluteindiekung an- zustellen, war gegeben dureb die im Jabre i894 ersehienene Arbeit yon A d a l b e r t CzernyS) . Dieser Autor zei~te, dass intravenSse Gaben eolloider KSrper yon I:Iunden, Katzen und Kanineheu relativ gut vertrag'en werden. So vertragen naeh ihm diese Thiere bis zu 0:4 g gelatine und his zu 0~46 g Gummi intravenSs pro 100 g KSrper- gewicht, womit meine eigenen ~ Erfahrungen ganz genau ilberein- stimmen.

Ieh selbst stellte meine Versuehe mit Gelatine und Gummi arabieum an~ nut e i n e n Versueh babe ieh mit krystallisirtem Serum- albumin (dargestellt naeh G i irber) gemaeht: der jedoeh keine Be- soaderheiten aufwies and in Bezug auf Harll- und Lymphwirkung niehts Eigentbiimliehes erkennen liess : namentlieh eine Lymphwirkun~ wie bei den Lymphagogis erster Ordnung vermisste ieb. Als Gela-

t ine wurde die reinste k~ufliehe des Handels verwandt, ebenso veto Gummi arabieum~ dessen LSsung mit Soda vorsiehtig neutralisirt wurde. Der Gehalt der LSsung an org'aniseher Substanz wurde dureh Troeknen und W~gung bestimmt: die Asehe tier GummilSsung (nieht ganz 1 Prec.) bestand aus kohlensaurem Kalk.

Da man bei diuretisehen Yersuehen an Kaninehen~ um vergleieh- bare Harnquantit/~ten ftir kurze Zeitr~ume zu erhalten: mit Thieren zu experimentiren gewohnt ist, die 24--40 Stunden gehungert hatten, stellte ieh meine ersten Versuehe aueh an solehen Hungerthieren an. Hier zeigten Injeetionen yon Gummi und Gelatine bar keine Ein- wirkung. Ieh w/~hle zur I11ustrirung folgendes Protokoll.

Versueh I. Kaninchen 2200 g~ hat 36 Stunden gehungert. Urethan-~arkos%

Blaseneantile.

1) Leipzig 1877. S. 73. 2) Journal of Physiology Bd. XIX, p. 321, 1896. 3) P f l f i g e r ' s Archiv Bd. LXIII, S. 607, 1896. 4) Ueber physikMische und physiologisehe Selection, Strassburg 1897. 5) Archly f. experiment. Pathol. u. Pharmakol. Bd. X,'~XIV, S. 268.

Ueber Diurese. 151

Zeit Harnmenge 9 h. 50 m. - -10 h. - - m. 0~15 ecru

10 h. - - m . - -10 h. 10 m. 0,1 : 10 h. 10 m . - -10 11. 20 m. 0~1 : 10 h. 20 m . - -10 h. 50 m. werdeu gauz allm~hlieh 6 g Gummi ~rabi-

cure, in 25 ccm Wasser gel6st in die Vena jugularis infnndirt. 10 h. 20 m . - - 1 0 h. 30 m. 0,1 ecru 10 h. 30 m . - - 1 0 h. 40 m. 0,1 10 h. 40 m . - -10 h. 50 m. 0~15 : 10 h. 50 m . - - l l h. - - m. 0~05 :

Auch eine ernente Injection yon 2 g Gummi arabicum war (gemessen 11 h. - - 11 h. 40 m.) ganz wirkungslos.

W~hrend somit in Bezug auf die Diurese an Hnngerthieren nur ein negatives Resultat erzielt wurde, das jedoeh, wie welter unten gezeigt werden sell, nieht unwiehtig ist, kam ieh zu einem ausge- sproehenen Resultat in Bezug auf die Lymphwirkung. Ieh habe drei derartige u an Hunden angestellt mit iibereinstimmendem Resultat, so dass ieh nur einen ausftihrlieh wiedergebe.

Junger HuM yon gehungert. Oper~tion

Zeit 11 h. 25 m . - - l l h. 35 m. 11 h. 35 m . - - l l h. 45 m. 11 h. 45 m . - - 1 1 h. 5 5 m . 11 h. 55 m . - - 1 2 h. 05 m. 12 h. 05 m . - - 1 2 h. 15 m. 12 h. 15 m . - - 1 2 h. 25 m.

12 h. 15 m . - - 1 2 h. 25 12 h. 25 m . - - 1 2 h. 35 12 h. 35 m . - - 1 2 h. 45 12 h. 45 m . - - 1 2 h. 55

Versueh II. 10500 g. Der Hund hatte 48 Stundeu vorher

beendet um 11 h. Lymphmenge aus dem

Ductus Thoraciens 2,4 ccm 2~2 2,5 1~9 -- Gerinnsel! 2~1

Injection yon 20 g Gummi arabicum (neutralisirt) in die Vena femoralis sinistra.

m. 1~8 eem m. I~5 m. 1,2 m. 1,4

12 h. 55 m . - - 1 h. 0 5 m : 1~3 = Eine zu anderen Zwecken sich daran sehliessende Peptoninfusion be-

wirkt starken Lymphfluss.

Dieses selbe Resul ta t ist, wie ieh ans der inzwischen e r sch ienenen

ausfi ihrl iohen Z u s a m m e n s t e l l u n g yon C o h n s t e i n ersehe, auch yon diesem selbst (mit Dr. P. M e i s s n e r) 1) u n d yon L a z a r u s B a r I o w 2) e rhoben worden. Man sieht also, dass im a l l geme inen die eol loidalen

KSrper au f die L y m p h e nicht wie Pep ton wi rken , Dieser Befnnd

1) 1. c. S, 590. 2) Journ. of Physiology Bd. XIX, p. 418, 1896,

152 IX. SPmo

ist wohl einfaeh in physikaliseher Weise so, wie es aueh C o h n - s t e i n sehon gethan hat, zu deuten: offenbar wirken die eolloidalen KSrper innerhalb des Gefasssystemes stark wasseranziehend, der Wassergehalt des Blutes nimmt~ wie dies sehon C z e r n y alas seinen BlutkSrperehenzahlungen gesehlossea hat~ stark zu~ nnd die Gewebs- fiiissigkeit, die Lymphe, nimmt an Menge ab. Hiermit stimmen aueh zahlreiche Troekenbestimmungen, die ieh gemaeht babe, tiberein, die stets eine Zunahme im Wassergehalt des Blutes der Thiere er- gahen. Ieh babe Steigerungen im Wassergehait g-esehen yon 78 Proe. ])is auf 90 Proe. und t~and in Hand damit Abnahmen im Stiekstoff- gehalt des Blutes yon 2,6 ])roe. bis auf 1,5 und 1~4 Proe.

Zu ganz anderen Resultaten gelangt man namentlieh ftir die Dinrese~ wean man nieht an Hungerthieren arbeitet, sondern an gut genahrten Kaninehen; namentlieh solehen, welehe besonders wasser- reiehe Nahrung zu sieh genommen haben. An diesen Thieren er- halt man bei der Injection eolloidaler LSsungen eine je naeh der eingeftihrten Quantitat steigende Harnflut. Ieh mSehte sofort be- merken, dass dis auftretende Diurese in jeder Beziehung mit der Salzdiurese tibereinstimmt. Dies wird am besten hervortreten~ wenn ieh ein Protokoll tiber die Salzdiurese, wie sic ahnli(~h M t i n z e r vor kurzer Zeit in g~-Ssserer Zahl publieirt hat~ meinen Protokollen bei- fiige. Ieh habe bei Leiden KSrperklassen die Versuehe ahnlieh wie Mti n ze r angestellt, d. h. um vergleiehbare Zahlen zu erhalten, dem Thier in abgemessenen Zeitraumen abgemessene Quantitaten~ z .B. etwa jede Minute I oder 2 eem der zu untersuchenden LSsung in- fundiren lassen.

Versuch III. Kaninchen. 2000 g. 3 g Urethan~ Blasencantile. Injectionsfilissig-

keit: LeimlSsung" yon 3 Proe. Zeit Harnmenge

4 h. 05 m.--4 h. 4 h. 15 m.--4 h. 4 h. 25 m.--4 h.

Von 4 h. 35 m.--4 h.

4 h. 45 m.--4 h. 4 h. 55 m.--5 h. 5 h. 05 m.--5 h. 5 h. 15 m.--5 h. 5 h. 25 m.--5 h. 5 h. 35 m.--5 h. 5 h. 45 m.--5 h. 5h . 55 m.--6 h.

15 m. 076 ccm 25 m. 0~8 : 35 m. 076 -- 45 m. alie Minuten je 2 ecru der LSsung in die

Vena jugularis injicirt. 55 m. 1~1 ccm 05 m. 1,5 -- 15 m. 273 = 25 m. 3~7 -- 35 m. 5~2 : 45 m. 672 55 m. 6~3 -- 05 m. 3~7 --

Ueber Diurese. 153

Zeit Harnmenge 6 h. 05 m . - -6 h. 15 m. 1,8 ccm 6 h. 15 m . - -6 h. 25 m. 0,6 = 6 h. 25 m. - -6 h. 35 m. 0,15 =

6 h. 25 m. Athmung stark beschleunigt. 6 h. 40 m. Exitus.

Versueh IV. Kaninchen, 3 kg. l'~arkose mit 3,0 g Urethan. Blasencanfile.

Zcit ttarnmeng'e 8 h. 50 m . - - 9 h. - - m. 0,2 ecru 9 h . - - m . - - 9 h . 10m. 0,5 = 9 h. 10 m . - - 9 h . 20 m. 0~8 -- 9 h. 20 m . - - 9 h. 30 m. 0,6 =

Yon 9 h. 30 m. ab nile Minuten je 2 ccm einer 5,0 procentigen Koch- salzlSsung intravenSs.

9 h. 30 m.--- 9 h . 4 0 m . 6,8 ccm 9 h. 4 0 m . - - Oh. 50 m. 15,6 9 h. 50 m . - -10 h. - - m . 22 =

10 h. - - m . - -10 h. 10 m. 33 ~- 10 h. 10 m . m l 0 h. 20 m. 37 =

10 h. 20 m . - -10 h. 30 m. 27 -- 10 h. 30 m . - -10 h. 40 m. 26 = 10 h. 40 m. - -10 h. 50 m. l0 = 10 h. 50 m . - - l l h . - m. 17 = Eintritt starkerKri~mpfe. 11 h. - - m . l t l h. 10 m. 13 = 11 h. 10 m . - - l l h. 20 m. 8 = 11 h. 20 m . - - l l h. 30 m. 3,2 -~ 11 h. 3 0 m . - - 1 1 h. 4 0 m . 0,5 Von 11 h. 40 m. an Anurie, Kr~mpfe. 11 h. 57 m. Exitas,

Wie man aus den ~ngeftihrten Z~hlen ersieht, ist der G a n g der Diurese in beiden F~tllen ein i tbnlicher: Er ist qual i ta t i~ dnrehaus nicht versehieden, sondern nu t quantifat iv. W~thrend bei der Koch- salzdiurcse his zu 150 Proo. and mebr der eingefilhrten Fltissigkeits- quanfit~ten in einem entsprechenden Zei tabsehni t t im Harn wieder- erseheinen, kommen bei der Colloiddiurese hSehstens 3 0 - - 4 0 Prec. wieder zum Vorsehein. Diese quant i ta t ive Differenz ist leieht zu erkl~tren dutch die Differenz der angewand ten MolectilgrSssen~ und w e n n such tier osmotisehe Druek, den eolloidale KSrper auszutlben im Stande sind, sehr klein ist, d a s s s i c e i n e n s o l e h e n im T h i e r - k S r p e r a u s z u t i b e n v e r m S g e n , g e h t ~ u s d i e s e n D i u r e s e - v e r s u e h e n w o h l u n z w e i d e u t i g h e r v o r .

Die vol lkommene Uebere ins t immung der Salz- and Colloiddiurese wird am anschaal ichs ten gezeigt dutch eine Untersncbtmg des Blares. Wie aus dem folgenden Versuehsprotokol l hervorgeht , zeigt das Blur n~eh Injec t ion yon GummilSsung z. B. ein sehr ~thnlicbes Verhal ten

154 IX. Sl~Ir~O

wie das, welches M ttn z er z. B, ktirzlich bei Koehsalzinfusion gefunden hat. Es finder niemals sofort eine Eintrocknnng des Blutes start (trotz- dem dasselbe nach C z e r n y eine erhShte u zeigt), sondern eine starke WasserstrSmung aus den Geweben in das Blur hinein tritt zu Tage, welehe den Wassergehalt desselben auf seiner ursprtingliehen ttShe zu erhalten bestrebt ist.. Noch schneller jedoch als bei den krystalloiden KSrpern finder sieh bei den colloiden der Zeitpunkt, we diese Ausgleichung nichr mehr mSglich wird~ and we der Wasser- gehalt des Blares in merklieher Weise and sogar noeh viel starker als bei den eigenflichen Salzen zunimmt. Dies wird ~us den bei- folgenden Protokollen ersichtlich sein.

Versuch V. Kaninchen, 1800 g. 3 g Urethan. Blasencanifle.

Blur r N ~ ,,

Zeit H~rnmenge Z e i t Trocken- ~-Gehalt Bemerkungen m ccm gehMt

10 h. 17 m.--10 h. 27 m. 0,5 - - 10 h. 27 m.--lO h. 37 m. 0,8 10 h, 22 m. 18,64 Prec. -- t0 h. 37 m.--10 h. 47 m. 0,9 -- --

Yon I0 h. 46 m. alle Minuten 2 ccm einer 3 procent. Leiml6sung intraven6s. 10 h. 47 ra.--t0 h. 57 m. 1,2 10 h. 51 m. 18,44 Prec. 2,902 10h. 57m.-- l lh. 07m. 1,6 l lh . 04m. 17,66 , 2,77~ 11 h. 07 m.--ll h. 17 m. 3,95 ll h. 10 m. l:Iarn

etwas blutig. tl h, 1~ m.--ll h. 27 m. 6,55 11 h. 21 m: 16,52 ~ 2,509 Harnmehrblutig. 11 h. 27 m.~ll h. 37 m. 4,10 11 h. 4l m. 15,98 ~ 2,492 tlarnstarkblutig. 11 h. 37 m.--ll h. 47 m. 2,00 l l h. 47 m.--ll h. 57 m. 0,9 ll h. 56 m. 1~,47 ~ 2,057 11h. 57m.--12h. 02m. ca. 0,2 12h. 04m. tl,29 ~ 1fi07

12 h. 04 m. Exitus. Der Harn nach der Infusion war leimhaltig, gelatinirend.

Die ausgesprochenere Einwirkung tier colloidalen K S r p e r anf den Troekengehalt des Blutes lasst uns auch die folgenden Versuche verst~ndiich erscheinen, welche zeigen, dass nach Infusion grSsserer Quantitaten colloidaler LSsungen in das B lu t (und aueh far Salz- 15sungen kann man Aehuliches feststellen) die diuretische Wirkung des Coffeins vermisst werden kann. W~hrend bei kleineren Desert coUoider K6rper die Coffe'indiurese deutlich zu Tage tritt (Versuch VI), bleiht sic (wie u YII zeigt) bei grSsseren Desert ganz oder fast ganz aus. Auf die Bedeutung dieses Befundes ftir die Theorie tier Coffe~nwirknng soil im Zusammenhang mit anderea Thatsaehen~ anderen Ortes eingegangen werden,

Versuch VI. Kaninchen~ 2400 g . ~arkose dureh 2~5 g Urethan.

Das Thief hatte reichlich Riiben gefressen. Biasene~nfile.

Ueber Diurese. 155

Von

Von

Von

Zeit Harnmenge 10 h. 5 m . - - 1 0 h. 15 m. 3~7 ecru 10 h. 15 m.- -10 11. 25 m. 371 : 10 h. 25 m.--10 h. 35 m. 4,2 = 10 h. 35 m.- -10 h. 45 m. 3~9 -- 10 h. 35 m. - -10 h. 45 m. werden 6 g Gummi arabieum (in 25 ecru

Wasser) intraven5s injicirt. 10 h. 45 m.- -10 h. 55 m. 5~1 ecm 10 h. 45 m.- -10 h. 55 m. werden weitere 2 g Gummi arabicum (in

10 ecru Wasser) intraveniis injieirt. 10 h. 55 m . - - l l h. 05 m. 6~9 ecru 11 h. 05 m . - - l l h. 15 m. S~5 : 11 h. 15 m . - - l l h. 25 m. 8~3 -- 11 h. 25 m . - - l l h. 35 m. 7,6 : 11 h. 34 m . - - l l h. 35 m. werden 0,04 g CoffeYn (in 4 ccm Wasser)

intravenSs injieirt. 11 h. 35 m.--11 h. 45 m. 27 ccm 11 h. 45 m . - - l l b. 55 m. 1475 :

Versuch VII. Kaninchen hatte 36 Stunden gehungert~ die Harnmengen waren in

je 10 Minuten 0,05--0~15 vor der Injection yon Gummi arabicum (5 g)~ und ebenso nach derselben~ Coffeinwirkung war fast gar nicht zu er- kennen~ die Harnmengen betrugen nie mehr als 072 ecru pro 10 hlinuten. Das Blur enthielt vor der Injection der GummilSsung 76,58 Proe. Wasser 7 am Anfang tier Injeetion~ 10 h. 37 m. (die Injection land yon 10 h. 33 m. bis 10 h. 50 m. statt) 78~48 Proe, 5 Minuten naeh tier Injection 92708 Proc , 20 Minuten naeh derselben noah 90759 Proe. Diese Zahlen werden be- st~tigt dutch die entsprechenden Stiekstoffzahleu : 1~357 Pro% 1~256 Proe , 0~8213 Proc, 0~8215 Proe.

Die a l l g e m e i n e n E r s c h e i n u n g ' e n , welehe naeh Infusion colloidaler LSsungen zu beobaehten sind, unterscheiden sich jedoch nich~ unwesentlieh yon den nach reiner Salzwirkung beobachteten. Die anatomisehen Befunde hat C z e rn y schon beschrieben; anschliessend an ihn will ieh nur bemerken, dass mir an den zur quantiCativen Bestimmung" entnommenen Blutproben 5fter eine abnorme Sehwer- g'erinnbarkeit auffiel. Jodoch war dieser Befund kein so eonstanter, dass e twa an eine Analogie mit der bekannten Albumosenwirkung gedacht werden kSnute; auch bei dieser Wirkung der Albumosen bandelt es sieh vermuthlieh um eine specifische Reaction, die nicht anderen colloidalen KSrpern eigenthtimlieh ist.

In Bezug auf die allgemeinen Wirkungen treteu aber namentlich betreffend B l u t d r u c k uad N e r v e n m u s k e l s y s t e m wesentliehe Differenzen auf. W~thrend far Athmung und Puls bei vorsichti~ geleiteter Infusion nichts Wesentliches zu beobachten ist7 zeigt der

156 IX. SPmO

BluCdr uok yon Beginn der Injection an eine S ~ e i g e r n n g . Dieselbe wird sogar aUms sehr betr~ichtlich, and ich habe Steigerungen gesehen his iiber des Anderthalbfache der urspriingliehen HShe. Erst kurz vor dem Tode, wenn der lqachlass der Diurese gewissermaassen die Insuffieienz der KSrpergewebe fiir die Ansgleichung der osmo- ~isehen Verhiiltnisse anzeig~, sinkt der Blutdruck rapid.

Noeh auffallender sind die Erscheiaungen am N e r v e n m u s k e l - s y s t em. Bekanntlieh beobaehtet man nach der Infusion yon Salzen gesteigerte Reflexerregbarkeit, welche mit fibrill~ren Zuckungen, Muskelkr~mpfen nnd allgemeinen eloniseh-tonisehen Streckkr~mpfen einhergeht. Dieses Bild der Vergiftung fehlt bei den ,Colloid- thieren" vollkommen, dieselben liegen da in tiefster Narkose, ver- gleiehbar, wie mir Prof. H o f m e i s t e r sagte, tief abgekiihlten Thieren J).

Die Reflexerregbarkeit derselben ist fast vollkommen erlosehen. Dieselbea zeigen auch gegeniiber Gii~en, welche sonst Tetanus her- vorrufen, eine vollkommene Toleranz. Ieh h~be gelegentlieh den ,,Colloidthieren ~ grSssere Dosen Coffe'in geben kSnnen~ ohne die sonst so markanten Wirkungen auf des Musketsystem (Tetanus) beobuehten zu kSnnen. Aueh auf Blutdruek and Herzthi~tigkeit war bei ihnen die Coffe'iuwirkung eine minimale. Es verdient wohl hervorgehoben zu werden~ dass diese Thiere, bei denen die Coffe'inwirkungen so wenig ansgesprochen waren, aueh rela~iv sehr hohe Dosen des Giftes vertrugen, his zu 0~65 g, ohne zu sterben. Wie man sieht~ tragen die die Gift~/irkung begleitenden Symptom% namentlich der Muskelkl-~mpf~ auch ihrerseits zum Tode bei, wenn sie aueh nieht die eigentli~he Ursache des Todes sind.

Diese wesentliehe Differenz, welche also zwisehen den ~Salz- und Colloidthieren" besteht, l~sst sich wohl ungezwungen in der folgcnden Weise erkl~ren: Dass die Erseheinungen na.eh S~lzwirkung vom Gehirn ausgelSst werden, ~ ist leicht, namentlich durch Curari- sirung zu beweisen: die in des Gef~sssystem injicirten Salze diffun- diren in die Gewebe und rufen doff, d.h. yore Gehirn aus, die be- zeichneten Erseheinungen hervor. Die eolloiden KSrper diffundiren bekanntlich sehr sehlecht: Infolge dessen treten hier die osmotischen Erseheinungen am Oef~sssystem in den Vordergrund, nnd die Ver- ~nderungen im Blur (~Eindickung") bilden das hervorstechendste und bedeutungsvollste Symptom.

1) Vgl. die Arbeit yon W i n t e r n i t z , Archly f. experiment. P~thoI. u. Phar- m~ko|. Bd. XXXIII, S. 286, 1894.

Ueber Diurese. 157

Unter den Salzen kann man mit den Colioiden am ehesten noeh das Natriumsulfat vergleiehen. Denn naeh den Untersuehungen yon Mtinzer zeigt dieses nicht nur die relativ h5ehste Dosis (4,47 g pro Kilogramm) als tSdtliche ftir den Thierk5rper, sondern es wird aueh proeentiseh in der grSssten Quantit~t im garn wieder ausg'e- geschieden~ d. h. es vertheilt sieh am wenigsten im Organismus. Auf dieses analoge Verhalten hat aueh S e h m i e d e b e r g in seiner Arzneimittellehre hingewiesen bei Bespreehnng der Gruppe des Glaubersalzes~). Wie die Ursaehe der ~bft~hrenden Wirkung der Salze dieser Gruppe unzweifelhaft darin zu suohen ist, dams sie im Magen- und Darmkanal im Gegensatz zu denen der Koehsalzgruppe nut langsam and in geringer Menge resorbirt werden~ des Wasser in Form ihrer LSsungen gebunden enthalten und seine Aufsaugung verhindern~ so wirken auch dureh die gleiehen Eigensehaften in Wasser leioht 15sliehe ungiftige organisehe Stoffe. Hierher gehSren also wohl aueh die yon mir untersuebten oolloiden Stoffe, die~ wenn sie aueh wegen ihres hohen Moleeulargewiehtes in gel5stem Zustande keine erhebliehen moleoular-physikalischen Wirkungen entfalten, dieselben doeh im Organismus wegen ihrer geringen Diffusibilit~t und Resorptionsf/~higkeit zeigen kSnnen.

Was endlieh die anfangs erSrterte Wirkung der Albumosen an- langt~ so zeigen unsere Untersuehungen, dass an derselben ihre eolloidale Besehaffenheit nieht betheiligt ist. Offenbar handelt es sieh vielmehr, wie dies ftlr die gerinnungshemmende Wirkung auoh aus einer grossen Reihe anderer Untersuehungen hervorgeht~ um physiologisehe (nieht molecularphysikalisehe) sogenannte speeifisehe Wirkungen dieser KSrperklassen. Inwieweit hierbei etwa Einfltisse bestimmter ehemiseher Constitution oder, was oft vermuthet win-de, fermentartige Beimeng~ngen maassgebend sind, sell weiteren Unter- suehungen iiberlassen bleiben.

1) Grundriss der Arzaeimittellebre, S. 264.