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179 Ueber ein Mercaptaii des Siliciums *) ; von Dmselben. Unter allen bisher genauer untersuchten Verbindungen des Siliciums giebt es nur eine, deren Forrnel im Wider- spruch steht mit dem fast allgemein angenommenen Atom- gewicht dieses Elements (Si = 28). Es ist diefs ein von Pi e r r e **) dargestellter Korper , fur den Derselbe, gestiitzt auf niehrere Analysen und eine Dampfdichtebestimmung, die Formel SiCl,S(Si = 21, S = 16) aufgestellt hat. Rechnet man diese auf Si = 28 und S = 32 urn, so wird der ein- fachste Ausdruck derselben Si3ClsS1, welche bei dem riiedrigen Siedepunkt (iiber 100°), den der Autor angiebt, sehr un- wahrscheinlich erscheirit. Dieser KBrper konnte daher als Argument gegeri die von uns friilier vertlieidigten An- sichten***) aufgestellt werden; so betrachtet auch P i e r r e die Existeiiz desselberi als entsclieidend fur die Richtigkeit der Formel SiO,. Wir haben aus diesern Grunde von Neuem eine Untersuchurig dieser Verhirtdutig unternommen in der Hoffnung, auch diesen Korper in die Zahl ilerer einreihen zu kijnnen, fur welche das Atorngewicht 28 des Siliciums und dessen Tetratomicitat anwendbar ist. Zwei Umstande waren es vor Allem, die uiis berech- tigten zu glauben, fur den Korper von P i e r r e eine andere Formel zu finden : 1) hat derselbe keinen festen Siedepunkt und war daher wahrscheinlich ein Gemenge von Korpern, da er aus einer chlorsilicium-haltigen Fliissigkeit durch nur ein- malige Destillation erhalten war, und 2) stimmte die Dampf- *) Der franz. Acad. den 24. Juni 1867 mitgetheilt. **) Dieee Ann. LYIV, 259. ***) Die60 Ann. CXLIII, 118.

Ueber ein Mercaptan des Siliciums

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Ueber ein Mercaptaii des Siliciums *) ; von Dmselben.

Unter allen bisher genauer untersuchten Verbindungen des Siliciums giebt es nur eine, deren Forrnel im Wider- spruch steht mit dem fast allgemein angenommenen Atom- gewicht dieses Elements (Si = 28). Es ist diefs ein von Pi e r r e **) dargestellter Korper , fur den Derselbe, gestiitzt auf niehrere Analysen und eine Dampfdichtebestimmung, die Formel SiCl,S(Si = 21, S = 16) aufgestellt hat. Rechnet man diese auf Si = 28 und S = 32 urn, so wird der ein- fachste Ausdruck derselben Si3ClsS1, welche bei dem riiedrigen Siedepunkt (iiber 100°), den der Autor angiebt, sehr un- wahrscheinlich erscheirit. Dieser KBrper konnte daher als Argument gegeri die von uns friilier vertlieidigten An- sichten***) aufgestellt werden; so betrachtet auch P i e r r e die Existeiiz desselberi als entsclieidend fur die Richtigkeit der Formel SiO,. Wir haben aus diesern Grunde von Neuem eine Untersuchurig dieser Verhirtdutig unternommen in der Hoffnung, auch diesen Korper in die Zahl ilerer einreihen zu kijnnen, fur welche das Atorngewicht 28 des Siliciums und dessen Tetratomicitat anwendbar ist.

Zwei Umstande waren es vor Allem, die uiis berech- tigten zu glauben, fur den Korper von P i e r r e eine andere Formel zu finden : 1) hat derselbe keinen festen Siedepunkt und war daher wahrscheinlich ein Gemenge von Korpern, da er aus einer chlorsilicium-haltigen Fliissigkeit durch nur ein- malige Destillation erhalten war, und 2) stimmte die Dampf-

*) Der franz. Acad. den 24. Juni 1867 mitgetheilt. **) Dieee Ann. LYIV, 259.

***) Die60 Ann. CXLIII, 118.

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dichte nur dadurch mit der aus der Forrnel berechneten iiberein, dafs der Verfasser eine Condensation auf drei Vo- lumina annahm.

Zur Darstellung des KBrpers benutzten wir die von P i e r r e engegebene Methode, d. 11. leiteten trockenes Schwe- felwasserstoffgas an die Oberflache einer Schichte Chlor- silicium und dann durch eine zum Hothgliihen erhitxte Por- cellanrohre. Zur Condensation der sich bildenden Verbindun- gen wurden zwei Ufijrmige Rohren angewaridt, die auf - 10" abgekiihlt waren. Die Operation ist eiiie sehr langwierige, da die Ausbeute, wie schon P i e r r e angiebt, eine geringe ist. Wir haben BUS ungcfiihr 250 Grin. Chlorsilicium 85 Grm. Product erhalten und zur Darstellung acht Tage gebraucht.

Die so gewonnene Flussigkeit begann bei 63" zu sieden und gingen bei 130" die letzten Tropfen uber. In dem Destillationsgefafs bleibt ubrigeris ein Riickstund, der aus Schwefelsilicium und Schwefel besteht. Nach funf fractio- nirten Destillatiorien , bei denen sich der Siedepunkt immer mehr erniedrigte, war das Verhaltnifs ungefahr folgendes geworden :

Von 59 bis 67" 35 Qrm.

67 90 5 n

90 n 95 10 n

95 n 97 20 n

97 100 5 n

Ueber 100 5 n

Der niedrigst siedende Theil war onenbar Chlorsilicium, das in reinem Zustand bei 59" siedet; diese Fraction war ganz schwefelfrei. Der zwischen 95 und 97" siedende Theil war dagegen sehr schwefelhaltig und schien uns der yon P i e r r e untersuchte KBrper im Zustand der Reinheit.

Zur Bestimmung des Siliciums und des Chlors der Ver- bindung ward eine in einmi Kiigelchen von bekanntem

Jftwcaptan des Siticiums. 181

Gewicht gewogene Menge in ein mit verdiinntem Ammoniak gefiilltes Rohr gebracht und dasselbe zugeschmolzen. Nach dem Erkalten wurde das Kiigelchen zerschlagen, wodurch die Substanz in Kieselsaure, Chlor- und Schwefelammonium zer- legt wird. 1st die Reaction beendet, so wird der Riihren- inhalt in einer Platinschale zur Trockne verdampft, in Wasser geliist, Kieselsaure abfiltrirt und im Filtrat das C1 als AgCl gefallt und gewogen.

Die Schwefelbestimmung wurde nach der Methode von C a r i u s ausgefuhrt, d. h. es wurde die Substanz mit Sel- petersaure im zugeschmolzenen Rohr oxydirt, der Riihren- inhalt mit Ammoniak ubersiittigt, zur Trockne verdampft, Kieselsaure abfiltrirt und i m Filtrat die Schwefelsaure durch BaCl gefdlt.

Diese Analysen fiihrten auf die Formel SiC13S. Dieselbe schien uns BUS mehrfachen Griinden unwahrscheinlich : 1) enthielt sie eine unpaare Anzabl von Atomicitaten oder Aequivalenten , die verdoppelte Formel Si2CI6Sa dagegen stand mit dem Siedepunkt niclit in Einklang; 2) war ihre Bildung nur mit der unwahrscheinlirhen Annahme von gleich- zeitig entstehendem Wasserstoff denkbar :

SiCl, + H,8 = SiClsS f HCI + H.

Diese Betrachtungen fiihrten uns darauf, in der Ver- bindung i Atom Wasserstoff zu vermuthen, und hielten wir es fur unsere Pflicht, die Gegenwart desselben auf unwider- legbare Weise darzuthun. Wir begnugten uns deshalb nicht mit einer Wasserbestimmung, die in der gewchnlichen Weise, d. h. durch Verbrennung mit Kupferoxyd und wegen der geringen Quantitat Wasserstoffs mit 1,2 Grni. Suhstariz Bus- gefiihrt wurde, sondern bestimniten den Wasserstoff auch dem Volumen nach.

Es geschah dieb in der Art der Stickstofiestimmungen nach D um as, nur dab die Verbrennungsrchre rnit metalli-

182 P r i e d e l u. L a d e s b u r g , 4ber ein

schem, durch H reducirtem Cu statt mit CuO geftillt wurde. Die Substanz wurde in einem Kiigelchen abgewogen, das durch einen Wachspfropfen verschlossen war. Die Luft der RBhre wurde ausgepumpt und dann durch Erhitzen einer Schichte von trockenem kohlensaurem Blei durch Kohlen- saure ersetzt. Nachdem das entweichende Gas vollstandig durch Kalilauge absorbirt wurde , ward die Verbindung mit der Luftpumpe unterbrochen und das Gas in einer graduirten, uber Quecksilber stehenden, mit Quecksilber und Kalilauge gefiillten Glocke aufgefangen. Es wurde dann das Cu zum Rothgliihen erhitzt, der Wachspfropfen zum Schmelzen ge- bracht, die Substanz aus dem Kiigelchen herausdestillirt und zersetzt. Nach Beendigung der dabei entstehenden Gasent- wickelung wurde der in der RBhre gebliebcne Wasserstoff durcb weiteres Erhitzen des kohlensauren Blei's ausgelrieben. Das erhaltene Gas wurde dann in eineni Eudiometer uber Wasser gemessen und hierauf nach der Methode von D o y Br e analysirt. Es bestand ungefahr zu 2/3 aus Wasser- stoff, 'Is war Kohlenoxydgas. Die Anwesenheit des letzteren hat Nichts Auffallendes, da bei der Temperatur der Ver- brennung ein Theil Wasserstoff durch die Kohlensaure zu Wasser oxydirt werden konnte, und hahen wir auch in der That wiihrend der Verbrennung eine kleine Quantitat WHsser sich ain vorderen Ende des Rohrs condensiren sehen. Da 2 Vol. COP gerade durch 2 Vol. H zu 2 Vol. CO reducirt werden, also das Kohlenoxyd einem gleichen Volum Wasser- ston entspricht, so wurde die Summe der Volumina von H und CO das Volumen des in der Substanz enthaltenen Was- serstoffs reprasentiren. Es bleibt hierbei jedoch eine Un- sicherheit, indem rriBglicherweise auch das durch die Zer- setzung der Substanz entstehende Silicium die Kohlensaure zu Kohlenoxyd reduciren kbnnte. - Uehrigens ist die Menge des gebildeten Kohlenoxyds so gering, dafs das Resultat der

Mercaptan des Siliciums. 183

Analyse genegend bleibt, gleichgiiltig, ob man das Volum des CO zu dom des H addirt oder es von dem Totalvolumen abzieht.

I. 0,37492 Grm. Substanz gaben 0,1358 Kieselsthre, 0,9495 AgCl

11. 0,3335 Grm. Substanz gaben 0,1205 Kieselstiure.

III. 0,3955 Grm. Substanz gaben 0,5535 schwefelsauren Baryt.

1V. 0,3295 Grm. Substanz gaben 0,1155 Kieselshre und 0,468

und 0,004 Ag.

schwefelseuren Baryt.

V. 0,4715 Grm, Substauz gaben 40 CC. GIM bei 1 6 O . Barometer. stand 75gm"' bei 23,5O.

Die Daten der Gasanalyse sind : Angew. Vol. . . . . . . . . . 20 Vol. + Luft . . . . . . . . . 76

Nach der Explosion . . . . . . 54

Nach der Absorption mit Kali . . 46 Also Vol. des CO = Vol. der CO, 8 Verminderung d.Vol. durch C0,bildung 4

7 . HgO n 18 VoIum des vorhandencn H . . . . 12.

VI. 1,2935 Grm. Substanz gaben 0,0675 Wasser.

gefunden 7 ~ ~~~~ ---- ~~

berechnet I. 11. III. IV. v. VI. 8i 16,72 16,94 16,86 - 16,36 - -

8 19,11 - - 19,22 19,06 - - - - - - C1, 63,57 63,16 -

H 0,59 - - - - 0,43-0'71 0,58

99,99.

Die Analysen stimmen vollstindig mit der Formel SiCI&N iiberein , welche wir duroh eine Dampfdichtebestimmung be- statigt haben. Diese wurde nach G a y - L u s s a c' s Blethode ausgefiihrt. ITS war dabei :

184 F r i e d e 2 u. L a d e n b u r g , iiber ein

Dae Volum den Dampfei . . . . 92 CC. Die Temperatnr den Bade8 . . . 167,5O

Die Hohe der inneren HgsPule . 143 MM. Barometerstand , . . . . . . 759,7 MM. Aeufsere Temperatur . . . . . 1 6 O

Angewandte Substnnz . . . . . 0,3483.

Hieraus ergiebt sich die Dampfdichte xu 5?78; die Formel SiCI,SH verlangt 5,83.

Der Korper von P i e r r e ist also eiii Siliciumchlorosulf- hydrat , das man auch als Trichlorur der Sulfokieselsaure auffassen kann. Seine rationelle Formel kann geschriehen

werden si2 S und erklart sich seine Bildung aus der Glei-

chung : 1

SiC1, + H,S = SiC1,8H + HCI.

Diese Verbindung ist eine farblose Flussigkeit, die bei 96O siedet, nach Schwefelwasserstoff und Chlorsilicium riecht und an feuchter Luft rasch zu Kieselslure, Chlorwasserstoff und Schwefel zerlegt wird. Der Formel nach besitzt sie einen typischen Wasserstoff; doch ist es uns nicht gelungen, diesen Wasserstoff durch Natriuin zu ersetzen.

Bei Beginn der Untersuchung glaubten wir, der Korper wiirde die Formel SiClpS (Si = 28, S = 32) haben, und hatten versucht , um die umstlndliche, von P i e r r e angege- bene lethode zu unigehen, denselben aus Siliciuin und Chlor- schwefel darzustellen, und leiteten deshalb Dampfe von ClzSp iiber noch nicht zum Rothgliihen erhitztes krystallisirtes Silicium. Dieses wird sehr leicht angegriffen doch bildet sich nur Sic& und Schwefel.

Durch absoluten Alkohol wird der Korper SiClsSH schon in der Kllte unter Entwickelung von Salzsaure zersetzt, und hatten wir geholll, bei Anwendung von 3 Moleculen Alkohol

Mercaptan des SiZiciums. 185

auf i Molecul der Verbindung die 3 Atome Cl durch Ox- lthyl zu ersetzen und so die Verbindung SiSH(GsH5B)3 dar- zustellon; doch ist es uns nicht gelungen diesen KBrper rein zu erhalten, da derselbe durch Alkohol unter Entwickelung von H2S weiter zersetzt wird. Das Product der Reaction ist eine zwischen 164 und 1610 siedende Fliissigkeit, die ii pC. Schwefel enthielt, wihrend die Formel Si(€2H58)3SH 16 pC. verlangt. Dieselbe enthalt offenbar Kieselsiiureather, der bei 165O siedet, von dem sie durch Destillation also nicht zu trennen ist. Ein Beweis fiir die Richtigkeit dieser Auffassung ist die Einwirkung von absolutem Alkohol auf diese Fliissigkeit. Es eatwickelt sich Schwefelwasserstoff und man erhalt einen zwischen 165 und 168O siedenden schwefelfreien KBrper, der den Geruch des Kieselathers be- sitzt und, wie die Si-Bestimmung beweist, diesen K6rper im Zustand der Reinheit darstellt.

0,843 Grm. der Fliissigkeit gaben mit alkobolischem Ammoniak rersetzt, eingedampft und gegluht 0,0955 Kieselsilurc, ent- sprechend 12,99 pC. Silicium. Die Formel Si(G2H6Q)4 ver- langt 13,46 pC.

Die Bildung des Kieseliithers erklart sich aus der Gleichung :

SiC1,SE + 4 6,H,Q = Si(G8H,8), + 3HCl + Egg.

Zu weit interessanteren Resultaten fiihrte uns die Einwir- kung von trockenem Brom auf das Siliciumchlorosulfhydrat. Diese Reaction beweist namlich auf evidente Weise die An- wesenheit von H in der Verbindung und fiihrt zugleich auf einen neuen Kgrper , das Siliciumchlorobromiir. Dieselbe verlauft nach der Gleichung :

SiC1,BH + 3 B r = SiC1,Br + SBr + HBr.

Es bilden sich dabei wenig oder gar keine Nebenpro- ducte und entspricht die Ausbeute an Chlorobromiir sehr nahe der theoretischen. Brom wirkt schon in der Kiilte auf das Chlorosulfhydrat ein, und liefsen wir in etwa 15 Grm.

186 F r i e d e l u. L a d e n b u r g , iiber ein

der Verbindung, die sich in einem abgekuhlten Kolben be- fanden, der mit einem aufsteigenden Kiihler in Verbindung stand, tropfenweise die berechnete Menge trockenes Brom zufallen. Die Reaction ist ziemlich lebhaft und von einer starken Bromwasserstoffentwickelullg begleitet. Nach und nach firbt sich die Fliissigkeit braun und mufs zur Beendi- dung der Reaction erwarmt werden.

Bei der nachherigen Destillation geht die Halfie des Products zwischen 80 und 900 uber, wahrend ein Theil bei 220° noch im Kolben zuruckbleibt. Dieser besitzt den Ge- ruch des Chlorschwefels und wurde als Bromschwefel be- trachtet. Die Destillate wurden durch Quecksilber von uberschlissigem Brom befreit. Man erhalt daraus nach zwei- nialiger Fractionirung ein constant zwischen 79 und 82O sie- dendes Product, wahrend man unter 78 und ubcr 8 4 O nur wenige Tropfen auffangen kann.

Der so erhaltene Kcirper hat die Formel SiC13Br, wie folgende Analysen beweisen, welche genau wie die des Siliciumchloroforms ausgefiihrt wurden *).

I. 0,4857Grm. Substanz gaben 0,137 Kieselslure und 1,404 Chlor-

11. 0,4988 Grm. Substane gaben 0,1365 KieselsPure und 1,4445 und Rromsilber.

Chlor- und Brornsilber. 111.

IV. 0,4368 Grm. dubstanz gaben 0,1233 Kieselsiiure und 1,2605 0,4872 Grm. Yubstanz gaben 0,1359 Kieselelure.

Cblor- und Bromsilber und 0,0035 Silber. pefunden ., .

berechnet I. 11. III. IV. Si 13,05 13,16 12,77 13,02 13,17 C1, 49,65 49,76 **) 49,85**) - 49,87 Br 37,29 37,39 37,465 - 87,41

99,99 100,31 100,07 100,51.

*) Siehe diese Annalen CXLIII, 118.

*) Aus dem Chlor- und Bromsilber wurde daa C1 und Br durch die Annahme bereohnet, dde auf 3 Molecule Chlorailber 1 Molecul Bromeilber vorhanden sei.

Mercaptan des Sdiciums. 187

Die Dampfdichtebestimmung wurde nach der Methode von Gay-Lussac ausgefiihrt. Sie wurde zu 7,25 gefunden; die Formel SiC1,Br verlangt 7,42. Es war dabei

das Volum des Dampfes . . . 51,5 CC. Angewandte substanz . . . 0,2448 Qrm. Temperatur des Bades . . . 129O

Innere Qtiecksilberhiihe . . . 187 MM. Barometerstand . . . . . . 758,6 MM. Aeufsere Temperatur . . . . 21".

Das Siliciumchlorobromiir ist eine farblose Fliissigkeit, die an der Luft raucht, durch Wasser in Kieselsaure, HCI und HBr zerlegt wird, Pberhaupt die grcibte Aehnlichkeit mit Chlorsilicium hat. Sie siedet bei 80". Wie wir in einer friiheren Abhandlung *) schon erwahnten, erhilt man diesen K6rper auch bei der Einwirkung von Brom auf Silicium- chloroform ; wir fiigen dem dort Mitgetheilten noch folgende Details hinzu. Zur Beendigung der Einwirkung yon Brom auf Siliciumchloroform m u b das Gemisch langere Zeit iiber iOOo in zugeschmolzenen Rohren erhitzt werden. Beim Oeff- nen der Riihren entweicht Bromwasserstoff (vielleicht auch Chlorwasserstoff3 und man erhilt durch Fractionirung der zuriickbleibenden Flussigkeit einen zwischen 78 und 82" sie- denden Theil, der in allen Eigenschaften mit dem oben be- schriebenen Siliciumchlorobromiir identisch ist , aber aufser- dem noch haher, bis gegen iOQ0 siedende Producte. Wir sind der Ansicht , dafs diese andere Siliciumchlorobromiire enthalten, und stutzen uns dabei auf folgende Analyse :

0,322 Qrm. des gegen 100" siedenden Theils gaben 0,074 Kiesel- Die Formel SiCl,Br, &we, entsprechend 10,73 pC. Silicium.

verlangt 10,81 pC. Silicium.

Einstweilen stand uns zu wenig Product zu Gebote, urn diesen Kiirper wirklich isoliren zu kiinnen; doch hoffen wir

e, a. a. 0.

Fro'edel u. L a d e n b u r g , iiber ein

denselben auch durch Einwirkung von Brom auf Chlorsilicium zu erhalten, und behalten uns vor, spater Weiteres daruber zu berichten.

Die hier veroffentlichte Untersuchung schliefst sich in ihren Resultaten eng an eine fruhere : ,,Ueber das Silicium- chloroform" an, in so fern als in beiden, Siliciurnverbindun- gen beschrieben wurden, welche gewissen Kohlenstoffver- bindungen analog construirt sind. Es ist iibrigens nicht das erste Mal, dafs auf diese Aehnlichkeit aufmerksam gemacht wird, sondern W o hl e r hat diefs schon fruher in einer seiner klassischen Abhandlungen *) dber Siliciumverbindungen ge- than. Er sagte damals : ,Ich denke, dafs eine von diesen Formeln die wahre Zusammensetzung des Kiirpers **) aus- drucken miisse , der jedenfalls dadurch von grofsem Inter- esse ist, dafs er als eine nach Art der organischen Korper zusammengesetzte Verbindung betrachtet werden kann , in welcher das Silicium die Rolle des Kohlenstoffs spielt. Viel- leicht macht sie den Typus einer ganzen Reihe ahnlicher Korper aus, und es wurde dann ahnlich, wie es bei dem Koh- lenstoff der Fall ist, eine besondere Chemie des Siliciums in Aussicht stehen."

Man kann nicht klarer sein. - Unsere Versuche kdnnen als einc neue Bestatigung der Ansichten dieses genialen For- schers dienen.

Wir miissen dbrigens, urn nicht mifsverstanden zu wer- den, bemerken, dafs wir die Analogie der beiden Kiirper- klassen mehr in den Verbindungsverhaltnissen, in dem Typus derselhen finden, als in ihrem gleichen Verhalten , obgleich

*) Diese Annalen CXVII, 268. **) Wiil i ler spricht oom Silicon.

Hercaptan des Silichrns. 189

ihnen gewisse Reactionen, wenn auch unter anderen Bedin- gungen ausfuhrbar , gemeinsam sind. Wir fiihren beispiels- weise die folgenden Gleichungen an :

SiH.CI, + 6xHs 8 = 3g,]88 + 3 HCl

6H.CI1, + 69H6 8 = €IH ]Q8 + 3KCI.

H I

K \ 3 4 3 3 5

In der vorliegenden Untersuchung haben wir einen Korper beschrieben , der einer Gruppe organischer Verbindungen sehr nahe steht. Das Siliciumchlorosulfhydrat entspricht den Mercaptanen. Es ist diese Analogie kein blofses Formelspiel, sondern theilt das Siliciumchlorosulfhydrat niit den Mercap- tanen eine sehr characteristische Reaction, wir meinen die Zersetzung durch Brom.

Die Einwirkung von Brom auf Mercaptane scheint nicht bekannt zu sein, wenigstens konnten wir keine Angaben dar- uber finden. Wir haben dieselbc fur das Aethylrriercaptan ausgefiihrt und gefunden, dafs sie genau in der Weise vor sich geht , wie oben fur das Siliciumchlorosulfhydrat ange- geben wurde, niimlich nach der Gleichung :

analog mit 6*H,S + 3 B r = G,H,Br + SBr + HBr

SiC1,HIJ + 3Br = SiC1,Br + 8Br + HBr.

Wie die Gleichung angiebt, entwickelt sich auch hier Bromwasserstoff und bleibt nach beendigter Reaction eine braune Fliissigkeit, die sich durch Destillation leicht in einen bei 39O und einen sehr hochsiedenden, nach Chlorschwefel riechenden Theil scheidet. Ersterer lifst sich durch spec. Gewicht, Geruch u. s. w. als Bromathyl erkennen *).

*) Wir kiinnen nicht umhin IU bemerken, dars diese Reaction uns noch in anderer Beziehung von einem gewissen Interesse zu sein scheint. Sie ist olimlich die erste, bei der aich dasBrom zuerst des typiwhen Wesserstof€’s bemlchtigt.

190 Fr i e d e 2 u. Lad e n b u rg , Beitrage

Es scheint uns diese Reaction characleristisch genug, um dem oben beschriebenen Siliciumchlorosqlfhydrat den Narnen ,,dreifach-gechlortes Siliciummercaptan' zu geben.

Beitrage zur Kenntnifs der Propylenverbiu- dungen ;

von Denselben.

Bis jetzt ist nur ein einziges Propylen bekannt; wenig- stens besitzen die beschriebenen Verbindungen desselben,, Bromiire, Jodhydrate u. s. w., dargestellt aus Propylen von verschiedenen Quellen, wie Glycerin, Amylalkohol u. s. w., fast identische chernische und physikalisohe Eigenschaften. Die Constitution dieses Propylens lafst sich durch die Formel CHS-€H-GH2 ausdrucken ; dieselbe erklart die Entstehung des Propylglycols und dessen Oxydation zu gewchnlicher Milchsaure, sie zeigt die Verschiedenheit des Propylenchlorurs nrit dem aus Aceton dargestellten Methylchloracetol, wahrend sie andererseits im Einklang steht mit der Identitat der aus diesen Verbindungen erhaltenen gechlorten Propylene. Nimmt man narnlich fur das Aceton die durch viele Reactionen fest- gestellte Pormel € H s - € 8 - € H S , so lassen sich die erwahnten Kdrper durch folgende Symbole ausdriicken, welche das Ge- sagte verdeutlichen werden :

6% 6% 6H8 6H8 6HBr 6 H 8 H 6 H 8 H 6Ci2 GC1 6HpBr 6H&H 680H GH, CHI

Propylen- Propyl- Milch- Methylahlor- Qechlortes bromiir glycol rbure acstol Propylen.