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Wiihler, iiber eine organische Base in der Coca. 29 Ueber eine organische Base in der Coca; von F. Wohler *). - Wie\schon in den altesten Zeiten, tindet man noch jetzt in Peru und anderen Landern Siidamerikas den Geniiss der Coca, der Blatter von Erythroxylonarten, namentlich bei den Indianern, die sie mit etwas unge- loschtem Kalk oder Asche zu kauen pflegen, allgemein verbreitet, und es macht dieser Strauch dort einen nicht unbedeutenden Gegenstand der Cultur aus. Ueber die physiologischcn Wirkungen, die ihr Gebrauch hen-or- bringt, wcrden die wunderbarsten Angaben berichtet **) ; sie soll, massig genossen, aufregend wirken, die Nahrung auf langere Zeit ersetzen lconiien und fAhig machen, die grossten Anstrengungen zu ertragcn ; ihr unmassiger Ge- brauch aber, der, ahnlich dem Missbrauch des Opiums, haufig zum Laster wird, bringe, wie sich dies bei den leidenschrrftlichen Cocakauern, den Coqueros, zeige, alle die schadlichen Wirkungen der narkotischen Gifte, rausch- artigen Zustand mit Visionen, friihcs Altcrn, Stumpfsinn und Blodsinn hervor. Diese eigenthiimlichen Wirkungen liessen schon im Voraus in dieser Pflanze einen beson- dcren organischen Korper als das eigentlich wirksame Yrincip vermuthen, von dem mit grosser Wahrscheinlich- keit anzunehmen war, dass cr zur Classe der organischen f3asen gehoren werde. Auch sind zur hfsuchung die- ses wirksamen Bestandtheils bereits vekjchiedene Ver- suche gemacht worden, von denen aber keiner zu eincni positiven Resultat gefuhrt hat ***), vielleicht weil zu Im Scparatabdruck cingesandt. Vergl. unter andern: J. J. v. Tschudi’s Peru. Bd. 11, S. 299. Ein Clicmikcr in La Paz in Bolivia glaubtc aus der Coca eine krystallisirte Base dargestellt zu haben, ich konntc mich aber bei Untersuchnng cirier Probe von dieser vcrmeintlichen Base, die ich von I-Ierrn v. Tschudi erhielt, leicht iiberaeu- gen, dass sie nichts anderes als Gyps war.

Ueber eine organische Base in der Coca

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Wiihler, iiber eine organische Base in der Coca. 29

Ueber eine organische Base in der Coca; von

F. Wohler *). - Wie\schon in den altesten Zeiten, tindet man noch

jetzt in Peru und anderen Landern Siidamerikas den Geniiss der Coca, der Blatter von Erythroxylonarten, namentlich bei den Indianern, die sie mit etwas unge- loschtem Kalk oder Asche zu kauen pflegen, allgemein verbreitet, und es macht dieser Strauch dort einen nicht unbedeutenden Gegenstand der Cultur aus. Ueber die physiologischcn Wirkungen, die ihr Gebrauch hen-or- bringt, wcrden die wunderbarsten Angaben berichtet **) ; sie soll, massig genossen, aufregend wirken, die Nahrung auf langere Zeit ersetzen lconiien und fAhig machen, die grossten Anstrengungen zu ertragcn ; ihr unmassiger Ge- brauch aber, der, ahnlich dem Missbrauch des Opiums, haufig zum Laster wird, bringe, wie sich dies bei den leidenschrrftlichen Cocakauern, den Coqueros, zeige, alle die schadlichen Wirkungen der narkotischen Gifte, rausch- artigen Zustand mit Visionen, friihcs Altcrn, Stumpfsinn und Blodsinn hervor. Diese eigenthiimlichen Wirkungen liessen schon im Voraus in dieser Pflanze einen beson- dcren organischen Korper als das eigentlich wirksame Yrincip vermuthen, von dem mit grosser Wahrscheinlich- keit anzunehmen war, dass cr zur Classe der organischen f3asen gehoren werde. Auch sind zur hfsuchung die- ses wirksamen Bestandtheils bereits vekjchiedene Ver- suche gemacht worden, von denen aber keiner zu eincni positiven Resultat gefuhrt hat ***), vielleicht weil zu

Im Scparatabdruck cingesandt. Vergl. unter andern: J. J. v. Tschudi’s Peru. Bd. 11, S. 299. Ein Clicmikcr in La Paz in Bolivia glaubtc aus der Coca eine krystallisirte Base dargestellt zu haben, ich konntc mich aber bei Untersuchnng cirier Probe von dieser vcrmeintlichen Base, die ich von I-Ierrn v. Tschudi erhielt, leicht iiberaeu- gen, dass sie nichts anderes als Gyps war.

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kleine Mengen der Dliitter oder zu alt gewordenes Nate- rial zur IJntersuchung genoinmen wurden. Diese letzte- ren Schwieriglteiten konntcn nun durch eine grosse Quan- titat frischer Coca beseitigt werden, die ich durch die Liberalitiit meines Freundes W. II a i d i n g e r in Wien zur Verfiigung erhielt, der sie auf meinen Wunscli durch Dr. Sche rze r , auf der bekannten Reiso mit der k. k. osterreichischen Fregatte Novara, von Lima hatte mit- bringen lassen. ‘IJeberhiiuft n i t anderen Geschiiften, war ich nicht im Stande, die beabsichtigte Arbeit uber die Coca selbst vorzunehmen, ich ubertrug sie einem der Assistenten des hiesigen Laboratoriums, Herrn N i em a n n, der sie mit grossern Geschick und riihmlichster Ausdauer ausgefuhrt hat und dem es gelnngen ist, in der Coca in der That eine eigenthumliche, krystallisirbare organische I3asc zu entdeckcn, der nach dem gewiihnlichen Sprach- gebrauche dcr Name C o ca’in bcigelegt werden kann. Die Arbeit ist indessen noch weit entfernt beendigt zu sein, dcnn wenn auch das Dasein und die Eigenthtim- lichkeit des Cocains feststehen, so ist doch die E’oriiiel ftir seine Zusammensetzung noch nicht mit voller Sicher- heit ausgemittelt, es sind iiber die Hauptfrage, die auch in praktischer Elinsicht Wichtigkeit haben konntc, ob sie namlich die physiologischen Wirkungcn der Coca her- vorbringt, noch keine Versuche gemacht, so wie auch noch die ubrigen Bestnndthcile der Pflanze, woruntcr sich eine neue Gorbsiiure zu befinden scheint, genau untersucht werden sollen.

Zur Darstellung des Cocai’ns wandtc Herr h’i e m an n, nach manchen fruchtlosen Versuchen, das folgende Vcrfah- ren als das zweckmiissigste an: die zerschnittenen Coca- blatter wurden mehrere Tage lang mit Alkohol von 85 Procent, dem etwas Sehwefelsaure beigemischt wurde, digerirt, die entstandene dunkel braungriine Liisung aw- gepresst, filtrirt und dann mit dunnem Kalkhydrat ver- setzt. Hierdurch werden verschiedene Korper, nament- lich ein Theil des Chlorophylls und ein Wachs ausgefAllt,

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welches letztere vollkommen farblofl dargestellt werclen kann. Die so behandelte alkalische Flussigkeit wird nach dem Filtriren mit Schwefclsaure neutralisirt, der Alkohol davon abdestillirt und der Rest davon im Was- serbade abgedunstet. Der Ruckstand wird mit Wasser vermischt, wodurch sich eine schwarzgriine, halbfliissige Masse ausscheidet, die das iibrige Chlorophyll enthglt, wahrend sich eine gelbbraune Losung bildet, die das Cocain als schwefeleaures Salz enthiilt. Das Cocai'n wird daraus durch kohlensaures Natron noch bnrein ale brau- ner Niederschlag geflillt. Durch Behnndeln mit Aether wird die Base ausgezogen, nach dessen Verdunstung sie als eine noch gelbliche und noch riechende amorphe Masse zuriickbleibt, in der sich aber bald concentrische Krystallringe zu zeigen anfangen. Durch wiederholte Behandlung mit Alkohol wird sie vollkommen rein und farblos erhalten.

Das Cocai'n krystallisirt in kleinen ftrrb- und geruch- losen Pristnen. In Wasser ist es wenig Ioslich, vie1 leichter in Alkohol, sehr leicht in Aether. Es reagirt stark alkalisch. Es schmcckt bitterlich und iibt auf die Zungennerven die eigenthumliche Wirkung aus, dass die Ueruhrungsstelle vorubergehend wie bet;iubt, fast gefuhl- 10s wird. Es schinilzt bei 980 und erstarrt wieder kry- stallinisch. Bei hoherer Teinperetur zersetzt es sich gros- sentheils unter Hildung ammoniakalischer Producte, nur ein kleiner Theil scheint sich unzersetzt zu verfliichtigen. Auf Platinblech erhitzt, verbrennt es mit leuchtender Flsmrno ohne Ruckstand.

Das Cocai'n neutralisirt dic Sluren vollstiindig, in- dessen scheinen die meisten Salze lange amorph zu blei- ben und nur schwer zu krystallisiren. Am leichtesten krystallisirt das salzsaure Salz, das aueh unter starker Warme-Entwickelung entsteht, wenn man trocknes Chlor- wasserstoflssluregas zu Cocai'n leitet.

Das Cocain hat mit dem Atropin grosse Aehnlich- keit, indessen sind sic, wie vergleicliende Reactionen

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und auch vorlaufig schon die verschiedene Zusarnmen- setzung gezeigt haben, wesentlich von einander verschie- den. Sehr ahnlich sind sie auch durch die Aehnlichkeit der Goldchloridsalze, die beide aus den salzsauren Sal- Zen durch Goldchlorid als hellgelbe, flockige Nieder- schliige, aus verdiinnten warmen Losungen in feinen gelben Krystallblattchen gef.dllt werden. Aber das CocaYn- Goldsalz ist dadurch so charakterisirt und fiir die wahr- sclieinliche Constitution des Coca'ins so merkwurdig, dass es bei der Zersetzung durch Erhitzen eine grosse Menge Benzoesaure bildet. Auch scheint das Cocain durchaus nicht auf die Pupille zu wirken.

Vorkommen von

Prof.

CBIestin in einer Mergelgrube bei Wassel;

yon

W i 1 ti c 1 m W i ck e.

Das Dorf W a s s c l liegt in siidwestlicher Richtung von Lehrte, der bekannten Eisenbahnstation zwischen Hannover und Braunschweig. Die Mergelgrube, in wel- cher der Colestin aufgefunden wurde, gehort dem Acker- mann Behmann zu Wasscl. Herr Bergcornmissair R e t s ch y zu Ilten hat das Verdienst, zuerst auf den, fur die hei- mathliche Naturkunde nicht uninteressanten Fund auf- merksaxn gemacht zu haben. Ich verdanke ihm nicht allein sehr schone Stucke des erwahnten Fossils, sondern auch niihere Angaben iiber dessen Vorkommen. Noch ein anderer Fundort fur Colestin ist von Herrn Re t schy in dortigcr Gegend entdeckt worden. Die Niedenxng zwischen Sehnde und Rethmar ist es, wo ebenfalls Cole- stin vorkomnit und zwar in einem Thone, der auf der Sehnder Ziegelei zu Mauer- und Dachsteinen verarbeitet wird. Indessen sei hier gleich erwahnt, dass dieser zweite Fundort daa Mineral in weniger reiner Form lie- fert; auch sind die bis jetzt gefundenen Stucke yon