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A. Kurtenmke~ 26. A. Cxernolxky. Verb. xwisch. SchwefeE u. schwefl. Sawre. 231 Uber eine Verbindung zwisehen Schwefel und schwefliger Saure. Von A. KURTENACKER und A. CZERNOTZKY. Versetzt man eine Thiosulfatlosung mit schwefligor Saure, so entsteht eine tief gelb gefarbte Fliissigkeit, die nach den Unter- suchungen von F. FOEBSTER und R. VOGEL~) das gelbe labile Kom- plexion [9,0, - SO,]“ enthalt. Beim Stehen verblafit die gelbe Farbe der Losung, da der Komplex allmahlich verschwindet und an seiner Stelle Polythionate auftreten. Die unten mitzuteilenden Versuche machen es wahrscheinlich, daf3 der erwahnte Komplex auch eine Urnwandlung in anderer Richtung, namlich in eine lockere Verbindung zwischen Schwefel und schwefliger Saure erleidet, welcher Vorgang sich wie folgt formulieren lafit: [S,O,- SO,]”+ H,O [S,O,* SO,H,]” 1 (1) __ [S,O,* SO,H,T ++ [S(SO,H),]” [s@o$)~1“ ;z? S+ 2S0,H’. Die gelbe schwefligsaure Thiosulfatlosung gibt niimlich kurze Zeit nach der Herstellung auf Zusatz von Formaldehgd und Lauge eine starke Triibung von Schwefel. Diese Reaktion, die bei ober- flachlicher Betrachtung auf Penthathionat zuriickgefiihrt werclen konnte, hat mit diesem nichts zu tun, denn die quantitative Analyse zeigt, daB in der LSsung zii diesem Zeitpunkte iiberhaupt keine Polythionate zugegen sinil. Es kann sich demnach nur urn in der Losung befindlichen Schwefel handeln. Seine Menge wurde be- stimmt, und es orgab sich, daB sie gleich ist der Abnahme des Thiosulfatgehaltes und der Zunahme des Schwefligsauregehaltes der urspriinglichen Losung. Scheinhar liegt demnach ein Zerfall des Thiosulfates im Sinne des Gleichgewichtes: S,O,”+ H,SO, z? S + 2 SO,H’, bzw. [S,O,. SO,]”+ H,O tr_ S + 2S0,H’ - I) F. FOEESTER und R. Yoam, 2. anorg. w. aZ2g. Chem. 156 (1926), 161.

Über eine Verbindung zwischen Schwefel und schwefliger Säure

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A. Kurtenmke~ 26. A. Cxernolxky. Verb. xwisch. SchwefeE u. schwefl. Sawre. 231

Uber eine Verbindung zwisehen Schwefel und schwefliger Saure.

Von A. KURTENACKER und A. CZERNOTZKY. Versetzt man eine Thiosulfatlosung mit schwefligor Saure, so

entsteht eine tief gelb gefarbte Fliissigkeit, die nach den Unter- suchungen von F. FOEBSTER und R. VOGEL~) das gelbe labile Kom- plexion [9,0, - SO,]“ enthalt. Beim Stehen verblafit die gelbe Farbe der Losung, da der Komplex allmahlich verschwindet und an seiner Stelle Polythionate auftreten.

Die unten mitzuteilenden Versuche machen es wahrscheinlich, daf3 der erwahnte Komplex auch eine Urnwandlung in anderer Richtung, namlich in eine lockere Verbindung zwischen Schwefel und schwefliger Saure erleidet, welcher Vorgang sich wie folgt formulieren lafit:

[S,O,- SO,]”+ H,O [S,O,* SO,H,]” 1 (1) __ [S,O,* SO,H,T ++ [S(SO,H),]”

[s@o$)~1“ ;z? S + 2S0,H’. Die gelbe schwefligsaure Thiosulfatlosung gibt niimlich kurze

Zeit nach der Herstellung auf Zusatz von Formaldehgd und Lauge eine starke Triibung von Schwefel. Diese Reaktion, die bei ober- flachlicher Betrachtung auf Penthathionat zuriickgefiihrt werclen konnte, hat mit diesem nichts zu tun, denn die quantitative Analyse zeigt, daB in der LSsung z i i diesem Zeitpunkte iiberhaupt keine Polythionate zugegen sinil. Es kann sich demnach nur urn in der Losung befindlichen Schwefel handeln. Seine Menge wurde be- stimmt, und es orgab sich, daB sie gleich ist der Abnahme des Thiosulfatgehaltes und der Zunahme des Schwefligsauregehaltes der urspriinglichen Losung. Scheinhar liegt demnach ein Zerfall des Thiosulfates im Sinne des Gleichgewichtes:

S,O,”+ H,SO, z? S + 2 SO,H’, bzw.

[S,O,. SO,]”+ H,O tr_ S + 2S0,H’ - I) F. FOEESTER und R. Yoam, 2. anorg. w. aZ2g. Chem. 156 (1926), 161.

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vor. Die n’ichstliegende Vermutung , da8 der Schwefel kolloid ge- l ts t sei, ist unzutreffend, denn nach FOERSTER und VOGEL wird die klare gelbe Lasung durch Zusatz von Elektrolyten, insbesondere von Lanthanchlorid nicht irn mindesten verfindert. Es bleibt demnach nur ubrig, eine lockere chemische Bindung des Schwefels anzunehmen. Nach dem Verhalten der Losung gegen Formaldehyd kommt hierfur nur eine Verbindung mit schwefliger Saure in Be- tracht, die mit ihren Romponenten etwa im Sinne des oben an- geschriebenen Schemas (1) im Gleichgewicht steht. Die Zahl der im Komplex gebundenen Bisulfitreste ist allerdings nicht sicher- gestellt.

Der Formaldehyd entfernt die Bisulfitioaen aus dem Gleich- gewicht (1) und verursacht dadurch die Ausflockung des Schwefels. Die Berabsetzung der Aziditat bei dieser Reaktion ist zur Bildung des Formaldehydbisulfites notwendig. Neutralisiert man ohne Zusatz von Formaldehyd, so tritt keine Fallung von Schwefel ein, sondern es bildet sich Thiosulfat, vermutlich nach dem Schema:

A. Kurtenacker und A. Cxernotxlcy.

[S(SO,H),]”+ OH’ S,O,”+ SO,H’+ H,O.

J e rascher und vollstandiger die schweflige Siiure an Form- aldehyd gebunden wird, desto mehr muB die Schwefelabscheidung nach (1) gegeniiber der Thiosulfatbildung nach (2) vorwiegen. Die Versuche ergaben damit ubereinstimmend, da8 die Ausflockung des Schwefels beim Neutralisieren mit Lauge starker ist als beim Herab- setzen der AziditZit mit Natriumacetat. Bei gleicher Wasserstoff- ionenkonzentration ist sie um so st’irker j e mehr Formaldehyd man anwendet.

Die Menge des an schweflige SHure gebundenen Schwefels nimmt in der ersten Zeit nach der Herstellung der schwefligsauren Thiosulfntlosung betrachtlich zu. Die Verbindung bleibt auch dann noch erhalten, wenn sich in der Fliissigkeit bereits groBere Mengen Polythionat gebildet haben. In diesem Stadium kann allerdings analytisch nicht entschieden werden, ob die Schwefelabscheidung bei Formaldehydzusatz, sowie die Thiosulfatbildung beiln Neutra- lisieren von der Schwefelverbindung allein oder auch von Penta- thionat herruhren. Da die untersuchten Liisungen aber stets einen grogen 4fberschuB an schwefliger Saure enthielten, ist die Annahme berechtigt, daB Pentathionat, wenn uberhaupt, so nur in Spuren zugegen sei.

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Verbindung zwischn Schwefel und schwefligw Stizcre. 233

Im AnschluB an die Versuche mit schwefliger Same priiften wir, ob sich die hier aufgefundene Verbindung auch in anderen Fallen nachweisen lasse. Wie unten anzugeben sein wird, liegen in Liisungen des Thiosulfates in verdunnter und konzentrierter Salz- saure Andeutungen fur das Vorhandensein der Verbindung vor.

Versuche. Th iosu l f a t u n d schwefl ige Saure. Alle Versuche wurden

mit Mischungen von 25 cm3 0,s n.Na,S,O, und 25 om3 etwa 1,3 mol- SO, ausgefuhrt. Die Losungen sind intensiv gelb gefarbt; nach 7 tagigem Stehen im geschlossenen QefaB verblaBt die Farbe etwas, die Flussigkeit ist aber auch nach dieser Zeit noch vollkommen klar und hat keine Spur Schwefel abgeschieden.

J e 5 cm3 des bei Zimmertemperatur hergestellten Gemisches wurden sofort in ein Gemenge von 100 cm3 Wasser, 20 cm3 30 Oloigem Natriumacetat und 5 cm3 Formaldehyd (35-40 O/,ig) eingegossen. Es trat Schwefelabscheidung ein. Beim Zufiigen zu einer Liisung von 5 cm3 Formaldehyd in 100 cm3 Wasser und darauffolgendem Neutralisieren mit Lauge gegen Phenolphthalein als Indikator ist die Trubung starker. Wurde das Thiosulfat- Schwefligsiiuregemisch bei 0 O hergestellt und in der vorstehenden Art gepruft, so blieb die Acetatliisung klar, die mit Lauge neutra- lisierte Flussigkeit triibte sich. Drei Minuten nach der Herstellung entstand auf Acetatzusatz ebenfalls noch keine Trubung, erst nach etwa 13 Minuten trat starke Trubung ein. Die Triibung auf Lauge- zusatz blieb stets starker.

Die Verbindung zwischen Schwefel und schwefliger Saure ent- steht also allmahlich, und zwar bei O o langsamer als bei Zimmer- temperatur. Der in der Verbindung enthaltene Schwefel wird beim Neutralisieren mit Lauge vollstindiger ausgeflockt als bei Zusatz von Natriumacetat, da das Bisulfit durch den Formaldehyd in der gegen Phenolphthalein neutralen Losung rascher gebunden wird als in der schwach essigsauren Flussigkeit. l)

Die Wirkung der Formaldehydmengo ergibt sich aus folgenden Versuchen: J e 5 cm3 des Gemisches von Thiosulfat und schwefliger Siiure wurden nach einstundigem Stehen bei Zimmertemperatur in ein Gernenge von 20 cm3 30 o/oigem Natriumacetat und Formaldehyd eingegossen, das mit Wasser auf 100 cm3 verdunnt war. Nach

l) Vgl. A. KURTENACKER, Z. anal. Chem. 64 (1924), 56.

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234 A. Kurtenacker und A. Cxwnotxky.

5 Minuten wurde mit Jod titriert. Der Jodverbrauch betrug bei Anwendung von 5, 10, 15 bzw. 20 cm3 Formaldehyd 18,09, 17,98, 17,80, 17,70 cm3 0,l n-Jod. 16,40 cm3 0,l n-Jod sind davon zur Oxydation des in der LBsung vorhandenen Thiosulfates erforderlich (vgl. Tabelle 1, Versuch 2), das restliche Thiosulfat ist wahrend der Neutralisation nach Gleichung (2) (S. 232) entstanden. J e mehr Formaldehyd zugegen ist, desto geringer ist also die Thio- sulfa t b ild un g.

Die vollstandige Analyse der LGsungen von Thiosulfat in schwefliger Saure wurde im allgemeinen nach den vor kurzem ver- offentlichten Methoden durchgefuhrt. l) BloR fur die Thiosulfat- bestimmung muBte ein besonderes Verfahren gesucht werden, da die Formaldehydmethode, wie aus dem Vors tehenden ervichtlich ist, zu unbrauchbaren Werten fiihrt. Es ergab sich, daB die Bestim- mung des Thiosulfates rasch und genau erfolgen kann, indem man die Sulfitmethode doppelt ausfuhrt, und zwar einmal in der friiher beschriebenen Art (SO,"-Methode A), ein zweitcs Mal, nachdeni man die Probe mit der zur Oxydation des Thiosulfates und der schwef- ligen Saure gerade hinreichenden Menge Jod versetzt hat (SO,"- Methode B). Die Differenz der bei der Endtitration verbrauchten Jodmengen entspricht der Halfte des in der Liisung vorhandenen Thiosulfates, denu nach der Ausfiihrung A verbrauchen 2 Mole Thiosulfat 2 htome Jod, nach der Ausfiihrung B (bei welcher das Thiosulfat zunachst in Tetrathionat iibergefuhrt wird) nur 1 Atom Jod. Die Genauigkeit der Bestimmung wird durch andere in der LGsung vorh aD dene Schwefelverbi n dungen (Schwefel-Schw ef ligsaure- komplex, Polythionate usw.) nicht beeintrlchtigt , da diese Verbin- dungen mit Sulfit ganz gleichartig reagieren, unabhgngig davon, ob man vor dem Sulfitzusatz mit Jod titriert hat oder nicht.

In der folgenden Tabelle 1 sind die Ergebnisse einiger Ver- suche ausanimengestellt. Die meisten Zahlen sind Mittelwerte aus 2-4 sehr gut ubereinstimmenden Parallelbestimmungen. I m Ver- such 1 wnrde dns Gemisch von Thiosulfat und schwefliger &ure liei O o hergestellt, in den iibrigeii bei Zimmertemperatur. Die Resultate der Thiosulfatbestimmung nach der Formaldehydmethode sind in Rubrik I1 der Tabelle angefuhrt, um zu zeigen, da8 die Zahlen in jedem Falle vie1 hoher sind als den wahren Thiosulfat- gehalten entspricht.

I) A. KURTENACEER nnd E. GOLDBACE~, 2. nnorg. u. ally. Chew. 166 (1927), 183.

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Verbirzdwng xwischan Schwefel und schwefliger Saure. 235

I II--

, -___ 11--

. 41.-

. . I/-

Aus der Tabelle ist ferner folgendes zu entnehmen : TJn- mittelbar nach dem Mischen der Thiosulfatliisung mit der schwefligen Saure enthiilt die Fliissigkeit keine Polythio- nate, denn in Versucb 1 wurcle fur die Cyanid- und Sulfid- Methode (Rubrik V und VI) nicht mehr Jod verbraucht als dem vorhandenen Thio- sulfat entspricht.

Der Thiosulfatgehalt der Losung ist in den wenigen Augenblicken von der Her- stellung an gesunken, und zwar annahernd urn denselben Betrag, urn den der Gehalt an schwefliger Saure zuge- nommen hat. Etwa die gleiche Menge Schwefel hat sich ge- bildet. Dieser Schwefel fin Rubrik X als S berechnet) ist in Form des Schweflig- saurekomplexes zugegen.

Der Zerfall des Thiosul- fates in Schwefel und schwef- lige Saure nimmt mit der Zeit zu und erreicht nach 1 Stunde betriichtliche Werte (Versuch 2). Zu diesem Zeit- puukt ist in der Losung nach der Cyanidmethode bereits eine Spur Polythionat vor- handen, die in Rubrik XI1 als Tetrathionat berechnet wurde. Nach der Sulfid- methode muBte Polythionat allerdings nbwesend sein. Auf das gesamte Reaktionsbild

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236 A. Kuvtenaclcer zcad A. C%ernotxlcy.

hat die An- oder Abwesenheit der geringen Menge Polythionat keinen EinfluB.

Bei langerer Versuchsdauer steigt der Polythionatgehalt der Lasung betrachtlich. Da die Flussigkeit auch in diesem Stadium auf Zusatz von Natriumacetat und Formaldehyd Schwefel abscheidet, und da die nach der Formaldehydmethode gewonnenen Thiosulfat- werte andauernd zu hoch bleiben, nehmen wir an, daB die Flussig- keit nach mie vor die labile Verbindung zwischen Schwefel und schwefliger Saure enthalt. Die Anwesenheit nierklicher Mengen Pentathionat, das nach der Sulfit- und der Cyanidmethode die gleichen Zahlen ergeben muate, ist unwahrscheinlich, weil die Liisung bis zuletzt groBe Uberschusse an schwefliger Saure enthalt.

Um die Beurteilung der Genauigkeit der vorstehenden Analysen- orgebnisse zu ermiiglichen, sind in Rubrik XIV und XV der Schwefel- gehalt und der Oxydationswert der Ausgangsstoffe jenen der Re- aktionsprodukte gegeniibergestellt. Die Berechnung des Gesamt- schwefelgehaltea bedarf keiner Erlauterung. Zur Berechnung des Oxydationswertes wurde jener des elementaren Schwefels gleich Null gesetzt. Dann entspricht nach den Oleichungen:

S(2S) + 3H20 + S + 4 H , O + 6 ( . ) = S O , “ + 8 H ,

4(* ) = S0,”(S203”) + 6 H , n S + 6H,O + lo(.) = S,O,” + 12H’,

j edes Mol Sulfit oder Thiosulfat 4 Oxydationseinheiten, jedes No1 Polythionat 10 und jedes Moi Sulfat 6 Eiuheiten.’) Wie aus der Tabelle zu entnehmen ist, stimmen die Zahlen fur die einzelnen Versuche recht befriedigend, ein Zeichen, da6 die analytisch ge- fundenen Werte der Wahrheit nahekommen.

Im Vergleich zu dem von FOERSTER und VOGEL (1. c.) mit- geteilten Versuch erfolgt die Bildung der Polythionate in unserem Falle sehr langsam. Dies liegt zum Teil daran, daB FOERSTER und VOGEL bei hiiherer Temperatur (30O) gearbeitet haben, zlpm Teil diirfte aber auch der von uns angewendete grii6ere OberschuB an schwefliger Saure hemmend wirken.

Th iosu l f a t u n d v e r d u n n t e Sa lz sau re : RIESENFELD und QR~;”TEIAL~) machten die auffallende Beobachtung, da6 bei der Ein-

l) vgl. auch E. H. RIESENFELD u. E. GR~NTHAL, Medd. Vetemskapsakad.

2, E. H. RIESENFELD u. E. GWNTHAL, Medd. K. Vetemskapsakad. Nobelinst. Nobelimt. 6 (1924), Nr. 9, 27.

6 (1924), Nr. 9, 1.

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Virbindung zwischen Schwcfel und sch(wef1iger Sawre. 237

wirkung von Salzsaure auf eine 2,6 n-ThiosulfatlSsung bis zu 40°/, des Thiosulfatschwefels in eine unbekannte Schwefelverbindung uber- gehen, die sich der Bestimmung nach den von den Autoren an- gewandten Analysenverfahren entzog. Der fragliche KSrper sol1 ein Derivat des Oxydes S,O, sein.

Wir hielten es nicht fur unmijglich, daB der von RIESENFELU und GRUNTHAL vermutete Stoff mit unserer oben gefundenen Schwefel- verbindung identisch sei. Um dies zu priifen, wiederholten wir die Versuche der genannten Forscher, mit dem Unterschied, daB wir zur Feststellung der Reaktionsprodukte unsere oben beschriebenen Analysenverfahren anwandten. Es wurden zwei Versuchsreihen an- gestellt, niimlich a) mit einem Qemisch von je 25 cm3 2,6 n-Na,S,O, und 2,6 n-HC1 (Mol-Verhaltnis Na,8,0, : HC1 = 1 : 1) und b) mit 15 cm3 2,6 n-Na,S,O, und 30 cm3 2,6 n-HCl (Molverh. 1 : 2). Die Versuchstemperatur betrug 22-24O. Die Mischungen waren in 50 cm3 fassenden, wohl verschlossenen Erlenmeyerkiilbchen untergebracht. Sofort nach Zusatz der Salzsaure zur Thiosulfatliisuag scheidel, sich vie1 Schwefel in Flocken ab. Die Flocken vereinigen sich nach einigem Stehen und gelegentlichem Umschwenken zu grofien oligen Tropfen. Erst nach mehreren Stunden wird der Schwefel fest. Zu den in Tabelle 2 angegebenen Zeiten wurden die Kolbchen vorsichtig geoffnet und 2 bzw. 3 cm3 der uber dem Schwefel befindlichen klaren LSsung zur Bestimmung des Gesamtjodverbrauches entnommen. Hierauf filtrierte mau von dem Schwefel ab und benutzte in Ver- suchsreihe a) je 2, in b) j e 3 cm3 des Filtrates zur Durchfiihrung der Einzelbestimmungen. Die von dem Schwefel wenige Stunden nach dem Ansauern des Thiosulfates abfiltrierten LSsungen sind stark gelb gefarbt. Beim Stehen in offenen GefiiBen oder beim Ver- dunnen triiben sie sich durch neu ausfallenden Schwefel. Die Qelb- farbung und die Veranderungen beim Stehen werden mit zunehmender Versuchsdauer schwacher.

Die zahlenmafiigen Versuchsergebnisse sind inTabelle 2, Seite 238 zusammengestellt. Fur die Eichtigkeit der Analysenwerte spricht die gute Ubereinstimmung der in den Rubriken XVIII und XIX enthaltenen Zahlen fur die ,,Summe S" und die ,,Oxydationseinheiten" (vgl, S. 236). Von einer besonderen Schwefelverbindung, die sich den analytischen Bestimmungen entzieht, ist nichts zu bemerken. RIESEN- FELD und GRUNTHAL sind offenbar einem durch die Unvollkommen- heit, ihrer Analysenverfahren bedingten Irrtum erlegen.

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Versuch-Rr. _--_____._-

Zeit wrIP0 aau

s,o," + S0,H ~

cm3 0,l n-J ~-

CH,O-Meth. I cm3 0,i n-J +

SO,"-Meth. A 13 cm3 0,1 n-J H

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SO,"-Meth. B H CJ em3 0,1 n-J c: Z

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S-Meth. cm3 0,1 n-J 5

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Aciditat em3 0,l n-NaOH 2

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1 Qxydations- einheiten

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Verbindmg xwisohen Schwefel und schwefliger Saure. 239

Die gelbe Farbe der Pliissigkeiten ist zweifellos durch den von FOEESTER und VOGEL festgestellten Komplex [S,O, - SOJ’ bedingt, der sich bei den jodometrischen Restimmungen wie ein Gemenge von Thiosulfat und schwefliger Saure verhalt. Aber auch die von uns gesuchte labile Verbindung zwischen Schwefel und schwefliger Saure scheint zugegen zu sein. Darauf deutet der Umstand, dab die Thiosulfatbestilnmung nach der Formaldehydmethode hier ebenso wie in den schwefligsauren Thiosulfatlosungen zu hohe Werte liefert (Rubrik 11). Ebenso diirfte die oben vermerkte Beobachtung, daB die klaren gelben Liisungen bei der Herabsetzung der Schweflig- saurekonzentration durch Stehen in offenen GefaDen oder durch Verdiinnen mit Wasser , Schwefel abscheiden, auf die Ver- bindung von Schwefel und schwefliger Sause zuruckzufuhren sein. Wir haben den in Losung befindlichen Schwefel aus der Sulfit- und Cyanidmethode so berechnet, als ob Pentathionat nicht zugegen ware (Rubrik XIII). Tatsiichlich werden besonders die an schwef liger Saure armen Losungen Pentathionat enthslten. Der darauf entfallende Betsag ist aber analytisch nicht fest- zustellen.

Th io s u 1 fat un d k o nz e n t r i e r t e S a1 z s a u r e : Gegeniiber einem groDen UberschuB an konzentrierter Salzsaure zeigt das Thiosulfat nach den Beobachtungen von GIL und BEATO, sowie FOERSTER und SCHMITT z, eine auffallende Bestandigkeit. BASSETT und DURRANT 3,

bestimmten den Thiosulfat- und Schwefligsauregehalt von Liisungen, die durch Mischen von 10 om3 konz. Salzsaure und 1 cm3 mo1.- Thiosulfat bei Zimmertemperatur hergestellt waren. Es ergab sich, da6 zehn Minuten nach dem Herstellen der Mischung noch etwa 8 5 O / , des Thiosulfates zugegen waren, in zwei Stunden sank der Oehalt auf 30°/, und erst nach etwa 21 Stunden war das Thiosulfat praktisch verschwunden.

Wir lieben in 90 cm3 Salzsaure (d = 1,19), die auf - 10, ab- gekuhlt waren, 10 cm3 n-Na,S,O,, ebenfalls stark gekuhlt, einflie6en. Sofort kristallisiert reines Chlornatrium aus. Die uberstehende Flussigkeit ist vollkommen klar und farblos und scheidet , bei Zimmertemperatur aufbewahrt , selbst nach 24 Stunden keine Spur Schwefel ab. Die Bestimmung des Thiosulfat- und Bisulfit-

l) J. C. GIL u. J. BEATO, Ber. 66 (1923), 2451. 2, F. FOEBSTEB u. 0. SCHYITT, 2. anorg. u. a&. Chem. 166 (1926), 183. 3, U. RASSETT u. R. G. DURHANT, JourB. Chem. Sot. London 1937, 1461.

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240 A. Kurtenacker u. K. Cxernotxkg. Verb. Zwisch. Scltwefel u., schwefl. SGura.

gehaltes der Liisung ergab folgende Werte in Millimolen pro 100 om3 Flussigkeit :

Zeit: 0 1 5 M i * . l h 7 ” 1 5h S,O,”: 10 6,5 499 315 015 SO,H: - 2,8 4,3 5,9 534

Die Thiosulfatbestimmung erfolgte nach dem Formaldehyd- verfahren. Eine Kontrolle der Resultate mittels der Sulfitmethoden IieB sich nicht durchfuhren, da diese Verfahren ganz unzuverlassige Ergebnisse lieferten. Wahrend des notwcudigen Neutralisierens gcheidet sich namlich vie1 Schwefel ab, der in Clem Sulfit nicht mehr in Lbsung ging. Auch bei Zusatz von Formaldehyd und Natrium- acetat tritt reichliche Fallung yon Schwefel ein. Nach den Beob- achtungen an den bisher besprochenen Reaktionen diirften demnach die Zahlen fur den Thiosulfatgehalt zu hoch ausgefallen sein , die Risulfitwerte dementsprechend zu niedrig. Da beim Zerfall der Thioschwefelslure suf 1 Mol Bisulfit 1 Atom Schwefel entsteht, so ergibt sich, daB die Flussigkeiten sehr bedeutende Mengen Schwefel gelast enthalten miissen. Der Schwefel kann in kolloider Form oder chemisch gebunden zugegen win. Kolloide Lbsung ist unwahr- scheinlich, denn die Losungen sind farblos und vollkommen klar; auBerdem enthalten sie reichliche Elektrolytmengen, die koagulierend wirken miiBten. Fur die chemische Bindung kommt in erster Linie wieder die Anlagerungsverbindnng an schweflige Saure in Betracht. Daneben diirfte aber auch die Anlagerung an Pentathionat eine Rolle spielen. Wie vor Kurzem gezeigt wurdel), vermag Penta- thionat aus Thiosulfat eine mit der Saurekonzentrationt steigende Menge Schwefel unter Bildung von Wexathionat oder noch hiiherer Polythionate aufzunehmen. Da es sich in den gegenwktigen Ver- suchen um sehr stark saure Fliissigkeiten handelt, in denen Thio- schwefelsgure lange zugegen ist, mu6 man mit der Bildung der hoheren Polythionate rechnen. Leider sind die analytischen Hilfs- mittel vorlaufig nicht hinreichend, rim die in Betracht kommenden Verbindungen des Schwefels voneinander zu unterscheiden. Die nahere Untersuchung muB deshalb aufgeschoben werden.

*) A. KUBTENACKER u. A. CzEnNoTzKY, 2. alzorg. u. allg. Chew. 174(1928), 179.

Briinn , Deutsche teefilzische Hochschzcle, I;aboratoorium fiir afa- organische, physikalisehe und analytische Chemie.

Bei der Redaktion eingegangen am 19. Juli 1928.