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1 Über Gentechnik und Klone Eine Übersicht Oskar Luger

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Über

Gentechnik und

Klone

Eine Übersicht

Oskar Luger

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Impressum: Herausgegeben im Eigenverlag, Dr. Oskar Luger, Oberfellabrunn 3, A-2020 Hollabrunn, 2009, Druck: Thompson Ges.m.b.H. Digitaldruck, A-29020 Hollabrunn

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Einleitung Gentechnologie und Klonen von Säugern sind beides junge Techniken der Biologie und Medizin. Beide üben sie Faszination aus, beide sind verbunden mit außerordentlichen Erwartungen, insbesondere in der medizinischen Anwendung. Beide lösen aber auch Abwehr und tiefes Misstrauen aus, in der Gentechnologie ist es besonders der Bereich der Lebensmittelproduktion. Gentechnologie und Klone sind auch verbunden mit ethischen/religiösen Bedenken und Diskussionen. Und schließlich haben die beiden weitgehend getrennten Anwendungsbereiche doch Überlappungen, weswegen es sinnvoll ist diese beiden relativ jungen Bereiche der biomedizinischen Wissenschaften gemeinsam zu behandeln.

Gentechnologie

In der Gentechnologie geht es um Gene, deren Erforschung und Veränderung und damit auch um die Schaffung neuer Lebewesen, die so in der Natur nicht entstehen würden und damit um eine potentiell sehr weit reichende vielleicht auch folgenschwere Technologie.

Vorbemerkung Der aus Österreich stammende und in den dreißiger Jahren in die USA emigrierte Biochemiker Erwin Chargaff hat in seiner 1981 erschienenen Autobiographie Parallelen zwischen der Atom- und der Gentechnologie gezogen: „Zwei verhängnisvolle wissenschaftliche Entdeckungen haben mein Leben gezeichnet. Erstens die Spaltung des Atoms, zweitens die Aufklärung der Chemie der Vererbung. In beiden Fällen geht es um die Misshandlung eines Kerns: des Atomkerns und des Zellkerns. In beiden Fällen habe ich das Gefühl, dass die Wissenschaft eine Schranke überschritten hat, die sie hätte scheuen sollen.“ (Erwin Chargaff, Das Feuer des Heraklit, Klett – Cotta, 1981) Das Verblüffende an dieser Aussage ist die Person, die sie formuliert hat. Denn Chargaff selbst war maßgeblich an eben dieser Entschlüsselung der Chemie der Vererbung beteiligt. - 25 Jahre später sagte auch der frühere UNO Generalsekretär Kofi Anan, dass die potentiellen Gefahren der Gentechnologie ähnlich wie die enormen Auswirkungen der Kernkraft ernst genommen werden müssen. Diese zwei Technologien haben bei genauerer Betrachtung ihrer Folgen mehr gemeinsam, als ein einseitiger Blick auf ihre verschiedenen Ausgangspunkte - hier die Physik, da die Biologie - vermuten ließe: 1. Beide Techniken können, sind sie einmal entfesselt bzw. freigesetzt, Unabänderbares erzeugen. Wenn in ihren äußerst komplexen Konstruktionen, Abläufen und Systemen etwas Unbedachtes passiert, können Reaktionen ausgelöst werden, die irreparabel und nie wieder gut zu machen sind. 2. Beide Großtechnologien waren oder sind mit Heilsversprechungen verbunden.

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So hat die Atomtechnologie - unbescheiden genug - unbegrenzte, billige und saubere Energie auf einfache Weise versprochen. Und hat dabei z. B. unter den Teppich gekehrt, dass neben allen Erzeugeranlagen auch der tödliche Abfall über Zeiträume gesichert und bewacht werden müsste, wie sie, historisch gesehen, noch keine staatliche Ordnung der Welt heil überstanden hat. Man stelle sich dazu - einmal ganz abgesehen von den kriegerischen Aspekten - die Frage, wie es der Menschheit wohl ergangen wäre, wenn uns die Neandertaler tödlich verstrahlte Landstriche und ein paar längst vergessene Atommüll-deponien auf allen Kontinenten hinterlassen hätten . . . . Im Zuge der Diskussion um den Treibhauseffekt erlebt nun die Atomtechnologie eine Renaissance als hätte es Tschernobyl und all die anderen zahllosen größeren und kleineren Unfälle und das erwähnte ungelöste Problem des radioaktiven Abfalls nie gegeben. Mit noch wesentlich gewaltigerem und weiter gefächertem Anspruch aber tritt Gentechnik auf. Sie verheißt nicht weniger als die Heilung zahlreicher schwerer Krankheiten, ja sogar die Reparatur von Erbkrankheiten samt Verlängerung des Lebens, die Beseitigung des Hungers in der südlichen Hemisphäre und für den satten Norden soll es neuartige Lebensmittel geben, die seinen Bewohnern ohne Aufgabe ihrer Lebensweise Gesundheit verschaffen werden. Neuerdings verspricht die Gentechnologie auch veränderte Pflanzen, zur einfacheren Gewinnung von Agrotreibstoffen, also die Lösung des Klimaproblems; kurz und in dieser Logik zu Ende gedacht - Gentechnik rettet diese unvollkommene Welt bei unvermindertem Lebensstil…. Dass man allzu großartigen Versprechungen mit Vorsicht begegnen sollte, ist eigentlich eine Binsenweisheit; daher wollen wir im Folgenden zuerst einmal nach dem Preis für all die Herrlichkeiten fragen und uns nach der berühmten Kehrseite der Medaille umsehen - ob die auch so glänzt, wie die lauthals propagierte und gepriesene Vorderseite. Wie so oft - und besonders dann, wenn man es mit Lebendigem zu tun hat - sind diese Kehrseiten anfangs manchmal unauffällig, schwer auszumachen und sie können durchaus auch völlig anders aussehen, als man es sich anfänglich vorgestellt hat. Da finden sich dann große Problemfelder bei der Anwendung der Gentechnologie nicht nur im direkten gesundheitlichen Bereich, sondern in ökologischen, sozialen, gesellschaftlichen und - nicht zuletzt - in ethischen Belangen. Wie überall, ist es auch in der Gentechnologie wichtig zunächst einmal zu klären, wo die Vorteile liegen und wie groß diese tatsächlich sind, welche Nachteile man in Kauf nehmen und welchen Preis man bezahlen muss. Das ist abzuwägen.

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Überblick Gentechnik breitet sich auf sehr vielen Gebieten aus und betrifft mehr oder weniger unbemerkt in irgendeiner Weise unser aller Leben. Nicht umsonst hat Jeremy Rifkin, Wirtschaftswissenschaftler und Berater zahlreicher Regierungen und der EU sein in kurzem Abstand in 2. Auflage erschienenes Buch zur Gentechnologie „Das biotechnische Zeitalter“ genannt. Mittendrin in diesem Zeitalter leben wir. Ganz allgemein gesagt geht es in der Gentechnik um die Erforschung von Erbanlagen. Jener des Menschen, der Mäuse, von Würmern, Pflanzen, Bakterien und anderen Lebewesen. Am bekanntesten geworden, weil auch in den Medien ausgeschlachtet, ist wohl die Forschung am menschlichen Genom: Das weltweite Projekt HUGO, das im Frühjahr 2001 die Entschlüsselung der menschlichen Erbanlagen gemeldet hat. Wirklich genau hatte man damals allerdings nur jenen Teil der DNA gelesen, der die Information von Genen enthält. Den größten Teil der DNA, mit nicht ganz geklärten Funktionen, hatte man nicht weiter analysiert. Außerdem war das, was da bereits als Lösung verkündet worden ist, ein allererstes Ergebnis. Vor uns liegt noch die Riesenaufgabe, den gewaltig vielen Informationen die richtigen Funktionen zuzuordnen. Es war ein Meilenstein der Forschung, von dem man sich Wunder erwartet hat. Aber bei den Versuchen, dieses Wissens praktisch umzusetzen, zeigte sich sehr schnell: Gene sind etwas wesentlich Komplexeres und Dynamischeres als ursprünglich gedacht. Es ist in der Folge auch ziemlich still geworden um das Projekt HUGO und die frohgemuten Prognosen über die direkte Anwendbarkeit seiner Ergebnisse. Neben ihrer Erforschung war es von Anfang an das erklärte Ziel der Gentechnologie die Erbanlagen auch zu verändern, also Gene zu übertragen um damit Lebewesen neue Eigenschaften zu geben. Gearbeitet wird dabei auf verschiedenen Feldern:

Die Gentherapie versucht, in der humanmedizinischen Anwendung Gene zum Zwecke der Heilung von Krankheiten zu übertragen. Medikamente sollen durch Einbau bestimmter, oft menschlicher Gene in Mikroorganismen, Pflanzen oder Tiere erzeugt werden. Die Lebensmitteltechnologie arbeitet mit gentechnisch veränderten Mikroorganismen. Und in der Landwirtschaft werden transgene Tiere und vor allem transgene Pflanzen, also Nutztiere und Nutzpflanzen, die durch den Einbau fremder Erbanlagen verändert wurden, immer häufiger verwendet. Je nach Bereich spricht man von der roten, der grünen und der grauen (auch weißen) Gentechnik: Die rote Gentechnik ist die medizinische Anwendung, die grüne der Bereich der Landwirtschaft und bei der grauen geht es um die Produktion von verschiedenen Produkten mit Hilfe von Mikroorganismen. Grüne Gentechnik wird in Österreich, aber auch generell in Europa weitgehend abgelehnt, während rote Gentechnik - meines Erachtens etwas zu unkritisch - allgemein akzeptiert ist. Bei diesen Anwendungsbereichen der Gentechnik, ist der Mensch mehr oder weniger direkt betroffen. Daneben spielt die Gentechnik in der Grundlagenforschung und in der angewandten Forschung eine sehr große Rolle. Dementsprechend fließen auch enorme Mengen an Forschungsgeldern in den Bereich der Gentechnologie. Das hat zur Folge, dass

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für andere Forschungszweige weniger Geld vorhanden ist.

Gentechnisch veränderte Pflanzen Die gentechnische Veränderung von Pflanzen, vorwiegend Nahrungspflanzen, aber auch von anderweitig wirtschaftlich interessanten Pflanzen, wie Baumwolle oder verschiedene forstwirtschaftlich bedeutende Bäume oder Zierpflanzen, wird schon seit langer Zeit angewandt. Zahlreiche gentechnisch veränderte Nutzpflanzen, vor allem Raps, Mais, Sojabohnen, Reis und Baumwolle, werden weltweit angebaut und sind in zahlreichen Ländern im Handel erhältlich. Noch viel häufiger aber tauchen Produkte solcher Pflanzen als Zusätze in verschiedenen Lebens- und Genussmitteln (z. B., Sojalezithin oder Glukosesirup aus Mais) auf; besonders aber im Tierfutter, auch dabei wiederum insbesondere bei Mais und Soja. In der allgemeinen Begründung für die Anwendung der Gentechnik in der Lebensmittelproduktion geht es vor allem um zwei Bereiche; einerseits um eine Landwirtschaft, die mit weniger Gift auskommen, somit aber ökologisch verträglicher sein soll, und die andererseits helfen soll, die Hungerproblematik in dieser Welt, insbesondere in den armen Ländern des Südens, zu lösen. Das sind sehr positive, begrüßenswerte Ziele. Es fragt sich nur, ob die Gentechnik ihren eigenen Anforderungen gerecht wird und ob die Vorteile die Risiken und Nebeneffekte tatsächlich aufwiegen. Die Erzeugung von pflanzlichen gentechnisch veränderten Organismen (GVO) ist, verglichen mit der von Tieren, relativ einfach. Einzelne Pflanzenzellen oder Gewebsstücke können sehr leicht vegetativ (ungeschlechtlich) in Zellkulturen, in einer Nährlösung, gehalten und vermehrt werden. Aus solchen Einzelzellen oder kleinen Gewebsteilen können ganze Pflanzen, die Blüten und Samen ausbilden, herangezogen werden. Man muss also nur einzelne Pflanzenzellen gentechnisch verändern und kann dann aus diesen gentechnisch manipulierten Zellen ganze Pflanzen ziehen und diese vermehren. Die erste Generation gentechnisch veränderter (gv) Pflanzen, die derzeit auch großflächig angebaut und vermarktet wird, sind Kulturpflanzen mit verschiedenen eingebauten Resistenzen; und zwar Resistenzen gegen Herbizide und gegen Insekten. Im Prinzip sind es immer noch diese beiden gentechnischen Veränderungen, die den Markt an gentechnisch veränderten Pflanzen beherrschen.

Resistenz gegen Herbizide (Unkrautvernichter):

Von den großen Pharma- und Saatgutfirmen wurden häufige Nutzpflanzen (Mais, Soja, Raps, Reis, Baumwolle u. a.) durch den Einbau von entsprechenden Genen gegen so genannte Totalherbizide resistent gemacht; bezeichnenderweise von jedem Konzern immer das jeweils eigene Herbizid. Während Pflanzen von der Firma Monsanto gegen 'Roundup ready' resistent sind, sind gv Pflanzen von Bayer unempfindlich gegen 'Liberty link' - das Bayer-eigene Totalherbizid. Neuerdings sind gv Pflanzen manchmal gegen beide Herbizide resistent; teils durch Kreuzungen, teils durch gleichzeitigen Einbau von zwei Resistenzgenen. Monsanto und Bayer arbeiten seit 2007 in der Forschung und Entwicklung von gv Pflanzen zusammen. Ein Acker mit einer derartigen Nutzpflanze kann mit einem Totalherbizid, das alle anderen Pflanzen vernichtet, problemlos behandelt werden. Durch diese gentechnische Veränderung wird die Handhabung für den Landwirt bedeutend erleichtert und der Einsatz von Totalherbiziden überhaupt erst ermöglicht. Gleichzeitig soll,

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und das ist die ökologische Begründung, dadurch ein gezielter und damit geringerer Einsatz von Herbiziden ermöglicht werden.

Resistenz gegen Insekten

Ebenso häufig wie gegen Herbizide werden Pflanzen gegen Schadinsekten resistent gemacht. Diese Resistenz erreicht man durch den Einbau von Genen für ein Gift, das die Pflanze unempfindlich gegen Insektenfraß macht, da die Insekten sich beim Fressen dieses Gifts den Tod holen. Neuere Pflanzen haben meist beide gentechnischen Veränderungen, Herbizid- und Insektentoleranz. Das am häufigsten verwendete derartige Gift ist das Gift des Bazillus thurengiensis, ein Insekten tötendes Bakterium. Das Gen für dieses Gift (Bt-Gift) wird in die Pflanze eingebaut und wenn die Pflanze das Gift erzeugt, ist sie gegen Schädlinge, in der Regel ist das gegen den Hauptschädling, resistent. Die Pflanze ist selbst das Insektizid. Durch diese Technik soll der Verbrauch an Insektiziden zurückgehen, und gv Pflanzen somit ökologisch vorteilhaft sein, da es zu einer Reduktion von Agrargiften kommen soll. Ebenso soll, durch den Wegfall des Hauptschädlings, der Ertrag gesteigert werden. Die eine wie die andere Technik ist ideal für den Einsatz in einer großflächigen technisierten Landwirtschaft mit riesigen Monokulturen, denn gerade dort machen sich Wildkräuter und Schadinsekten besonders unangenehm bemerkbar. Diese beiden Resistenzen, besonders die Herbizidtoleranz, machen den Farmern das Leben eine Zeit lang leichter, einfach bequemer; daher auch die große Akzeptanz in der großflächigen, industrialisierten Landwirtschaft, wie man sie u. a. besonders in den USA, Kanada, oder neuerdings auch in Argentinien und vermehrt in verschiedenen anderen Ländern wie Indien oder Spanien findet.

Bei beiden Resistenzen gibt es eine ganze Reihe von Einwendungen und Risiken, die teils nur die eine, teils beide gentechnischen Manipulationen betreffen, und vor allem sind beide Techniken langfristig nicht nachhaltig. Was den Herbizidverbrauch betrifft, haben Kritiker von Anfang an befürchtet, dass der Verbrauch von Herbiziden nicht sinken, sondern steigen wird. Tatsächlich ist der Verbrauch an Herbiziden deutlich gestiegen, was nicht nur ein ökologisches, sondern auch zunehmend ein gesundheitliches Desaster darstellt. Herbizide zählen zu den besonders bedenklichen Agrargiften. Ein wiederkehrendes Problem beim Einsatz von herbizidresistenten Pflanzen ist die unbeabsichtigte Produktion von Problemunkräutern, die gegen Totalherbizide resistent sind. Von Kritikern von Anfang an vorhergesagt, ist dieses Auftreten von Problemunkräutern inzwischen wiederholt beobachtet worden. Problemunkräuter können einerseits durch Auskreuzen der Eigenschaft auf verwandte Wildpflanzen, falls es solche in der Umgebung gibt, entstehen. Diese Entwicklung ist in den USA zunehmend beobachtet worden. Andererseits verhalten sich herbizidresistente Kulturpflanzen gelegentlich wie Unkräuter. Ausgefallene Samen, die im Folgejahr aufgehen, sind u. U. nur schwer zu behandeln, besonders, wenn diese gleich gegen 2 Herbizide tolerant sind. Solches wurde verschiedentlich beobachtet. Mehrfach wird dieses Phänomen in Kanada und neuerdings vor allem in Argentinien beobachtet. Weil die ausgefallenen Samen gegen 'Roundup' resistent sind, müssen nun in Kanada vor dem Anbau gegen die aufgegangenen, ausgefallenen Körner des Vorjahres extra Herbizide - zusätzlich zu 'Roundup' - verwendet werden. Um der Problemunkräuter Herr zu werden, kommen auch besonders giftige, bei uns längst stark eingeschränkte Herbizide, wie die berüchtigten Wuchsstoffherbizide, die auch Bestandteil von 'agent orange' im Vietnamkrieg war, zum Einsatz. Auch in Argentinien

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behandelt man herbizidresistente Soja inzwischen mit besonders giftigen alten Herbiziden. In Costa Rica, wo vor allem Saatgutvermehrung von gv Pflanzen durch N-amerikanische Saatgutfirmen erfolgt, sind herbizidresistente Pflanzen seither auch schon in den Gärten der Bewohner aufgetaucht. Quer durch Argentinien und Teilen Brasiliens wird gv herbizidresistente Soja in riesigen Plantagen, die dank der Herbizidsresistenz in dieser Form möglich sind, angebaut; mit gravierenden sozialen, gesundheitlichen und ökologischen Folgen. Zahllose Kleinbauern und indigene Gemeinschaften sind von ihren Feldern vertrieben und riesige Wälder abgeholzt worden, um Platz für gv Soja zu machen. Inzwischen sind praktisch alle Früchte von herbizidresistenten gv Pflanzen mit Roundup kontaminiert sind. Glyphosphat, der Wirkstoff in Roundup aber ist eine äußerst toxische Verbindung, die den Hormonhaushalt stört, embryonale und Plazentazellen schädigen und sogar Einfluss auf die DNA haben kann. Schädigende Wirkungen von Roundup konnten schon in Konzentrationen nachgewiesen werde, die weit unter dem liegt, was in der Landwirtschaft üblich ist und ebenfalls weit unter dem für Lebensmittel zulässigen Grenzwert. Sozial gesehen, erhöht sich die Abhängigkeit der Landwirte vom Saatgutlieferanten, da man mit dem Saatgut auch gleich das dazu passende Herbizid mitkaufen muss. Abhängig wird der Landwirt auch durch Patentrechte auf GVOs, die ihn davon abhalten, Saatgut aus der eigenen Ernte zu verwenden. Das Saatgut muss immer neu gekauft werden. Da gentechnisch verändertes Saatgut patentiert wird, gilt dies generell für gentechnisch veränderte Pflanzen, aber davon später mehr. Die Verwendung von Insektiziden ist demgegenüber beim Einsatz von Bt Pflanzen zurückgegangen, gelegentlich allerdings nur vorübergehend. Man hat wiederholt beobachtet, dass sich mit dem Zurückdrängen des Hauptschädlings andere Schadinsekten, die früher kaum eine Rolle gespielt haben, ausbreiten. Dies ist eine Entwicklung, die weiter nicht verwundert oder nicht verwundern hätte sollen, da damit zu rechnen war. Es ist in sich logisch und sollte allen, auch nur wenig ökologisch Informierten, eine Selbstverständlichkeit sein. Eine ähnliche Erfahrung hat man doch auch seinerzeit bei der Einführung von DDT gemacht. Ebenfalls aus einem weiteren Grund ist die Technik nicht nachhaltig, und zwar wegen der Resistenzbildung. Es ist unvermeidlich, dass Insekten eine Resistenz gegen Bt Gift entwickeln, wenn das Gift großflächig angewandt wird. Dann braucht man wiederum die Insektizide, die man ja vermeiden wollte, oder man muss eine neue Generation von gentechnisch veränderten Pflanzen erzeugen, mit einem anderen Gift. Tatsächlich wurden in Australien Bt resistente Baumwollkapselbohrer gefunden; und in den USA haben Wissenschaftler festgestellt, dass Bt Pflanzen ihre Wirksamkeit gegenüber den Schadinsekten verlieren, diese also ebenfalls resistent werden. Problematisch wird eine Insektenresistenz gegen BT Gift für die biologische Landwirtschaft. Dort war dieses Gift immer eine Art Notnagel, wenn es wider Erwarten doch einmal zu einer Massenvermehrung eines Schadinsektes kam. Wenn das Gift gegen Insektenbefall wirkungslos ist, verliert die biologische Landwirtschaft diese Rückendeckung. Betrachtet man beide Techniken gemeinsam, ist der Verbrauch an Pestiziden nicht weniger geworden. Was den Ertrag betrifft, so gibt es unterschiedliche Beobachtungen. Eine Übersichtsstudie, die Daten aus den USA und Kanada aufgearbeitet hat, kommt zum Ergebnis, dass insgesamt der Ertrag nicht zugenommen hat. Vor kurzem hat aber eine Aussendung der indischen Regierung betont, dass Indien nur dank des Einsatzes von BT Baumwolle den

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derzeit zu beobachtenden Höhepunkt an Baumwollproduktion erreichen konnte. Andrerseits ist gerade gv Baumwolle in Indien berüchtigt. Bt Baumwolle hat in einigen Regionen Indiens zu Missernten geführt, was den Selbstmord von zahlreichen indischen Bauern zur Folge hatte. Kritiker haben zur gentechnikfreundlichen Jubelmeldung der indischen Regierung bemerkt, dass die Ernten in diesem Jahr in Indien generell deutlich höher waren, da der Monsun zur rechten Zeit und sehr ausgiebig eingesetzt hatte, also schlicht und einfach genug Wasser im Boden vorhanden war. Eine neue Untersuchung des US-amerikanischen Landwirtschaftsministeriums aus dem Jahre 2006 kommt zum Ergebnis, dass der Ertrag von gv Pflanzern nicht über dem von konventionellen Hybridsorten liegt, ja sogar darunter liegen kann. Auch aus Kanada berichten Bauernvertreter, dass sie keine Ertragssteigerung durch gentechnisch veränderte Pflanzen feststellen konnten. Ein generelles Problem in der Anwendung der Gentechnik im Pflanzenbau ist das Auskreuzen, die Übertragung der eingebauten Fremdgene auf Wildpflanzen oder unveränderte Kulturpflanzen durch Pollentransport, sei es durch Tiere oder den Wind. Mit dem Pollen, der die anderen Pflanzen bestäubt, gelangt auch das eingebaute Genkonstrukt auf die Wildpflanze oder die konventionelle Nutzpflanze und wird an weitere Generationen weitergegeben! Auf dieses Problem werden wir später noch detailliert eingehen. Die Vertragsbedingungen zwischen den Farmern und den Lieferanten von gv Saatgut sind für die Landwirte ziemlich streng. Die Landwirte müssen Kontrollen jederzeit akzeptieren. Die Saatgutfirmen führen zudem auch heimliche, verdeckte Kontrollen durch. Zuwiderhandeln gegen die Verträge, wie das Verwenden des Saatgutes zum Wiederanbau, oder ein Handel damit (durch das Patentrecht ist die Ernte eigentlich Eigentum der Saatgutfirma) wird mit sehr hohen Strafgebühren, die bei erfolgreicher Klage in die zigtausend Dollar gehen, geahndet. Über die Wirkung auf uns Menschen gibt es widersprüchliche Aussagen. Offiziell hat der Einbau von Resistenzgenen keine nachteiligen gesundheitlichen Folgen. Diesen Standpunkt vertreten nicht nur die Zulassungsbehörden in den USA und in Kanada, sondern auch die EU Lebensmittelbehörde. Dem steht allerdings eine zunehmende Zahl von Beobachtungen entgegen, wonach die Anwendung, der Verzehr von gv Pflanzen so harmlos doch nicht sein kann. Am bekanntesten sind die Versuche von Arpad Pusztai in Schottland. AP hat im Auftrag die Toxizität von gv Kartoffeln untersucht und diese Erdäpfel Ratten verfüttert. Es hat sich, muss gesagt werden, nicht um Bt Pflanzen gehandelt, sondern um Kartoffeln, denen das Gen für ein Maiglöckchenlektin eingebaut worden war, um sie Insekten-resistent zu machen. AP musste feststellen, dass seine Ratten daraufhin Wachstumsstörungen, Leberschäden und ein beeinträchtigtes Immunsystem entwickelten. Besonders erstaunlich war, dass das Verfüttern des Lektins, gemeinsam mit konventionellen Kartoffeln, weniger schädlich war. Die gentechnische Veränderung hat offensichtlich einen weiteren, unbekannten und unerwarteten Nebeneffekt gehabt. Das weitere Schicksal von diesem Wissenschaftler ist symptomatisch. Nachdem er die Ergebnisse bekannt gegeben hatte, haben diese für Schlagzeilen in ganz Europa gesorgt; und Herr Pusztai wurde umgehend zwangspensioniert. Darüber hinaus wurde erklärt, er hätte seine Studien schlampig durchgeführt und die eigenen Ergebnisse falsch interpretiert. Es gibt Hinweise, dass sogar Downing Street gegen Arpad Pusztai interveniert haben soll. Arpad Pusztai war Zeit seines Lebens ein seriöser, gründlicher Forscher, sowie international anerkannter Spezialist auf dem Gebiet der Lektine gewesen. AP hat die Herausgabe seiner Versuchsunterlagen erkämpft und dann nachweisen können, dass seine Experimente nach allen Regeln der

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Kunst durchgeführt und von ihm richtig gedeutet worden waren. Es war aber im Weiteren schwierig eine Zeitschrift zu finden, die seine Rehabilitation gedruckt hätte – aus Angst vor Verlusten von Werbeeinnahmen. AP selbst war bis zu diesem Zeitpunkt der Unterstellungen der Gentechnik durchaus nicht ablehnend gegenüber gestanden, war auch weiterhin kein genereller Feind der Gentechnik, hat aber öffentlich gesagt, dass er keine gentechnisch veränderten Lebensmittel essen möchte. Das, was derzeit in der Genforschung stattfinde, mache die Menschheit zu Versuchsmeerschweinchen, meinte Pusztai. Der Wissenschaftler betonte, dass keine andere im Handel befindliche gentechnisch veränderte Pflanze auch nur annähernd so gut untersucht worden sei, wie seine gv Kartoffeln. Ähnliche Ergebnisse erbrachten Fütterungsversuche mit gv Erbsen in Australien, die mit einem Eiweiß aus Bohnen versetzt worden waren, wieder um Insekten abzuwehren. Mäuse, die davon aßen, zeigten eine ausgeprägte Lebensmittelunverträglichkeit und erkrankten an Lungenentzündungen. Ähnlich wie in AP's Versuchen, waren auch hier die Effekte deutlicher, wenn gentechnisch veränderte Erbsen gefüttert worden waren, als nach der Verfütterung von konventionellen Erbsen, gemeinsam mit dem Bohneneiweiß. Wieder muss der Einbau des Fremdgens einen zusätzlichen, unerwarteten Effekt gehabt haben. Das ist von Bedeutung, da für die Zulassungsbehörden gv Pflanzen als prinzipiell identisch mit den nicht veränderten Pflanzen gelten, mit Ausnahme des eingebauten Gens. Dies ist aber offensichtlich doch nicht der Fall. Auch dieses Manipulationsergebnis ist eigentlich weiter nicht verwunderlich. Nicht nur, dass es zahlreiche andere Beispiele gibt, in denen durch den Einbau von Fremdgenen unerwartete Effekte aufgetreten sind; es konnte auch nachgewiesen werden, dass dieser Einbau zahlreiche kleine Mutationen auslöst. Da es nicht möglich ist, ein Fremdgen an einen ganz bestimmten Platz im Genom der Zielpflanze einzusetzen, sondern diese Gene sich unvorhersehbar in die Chromosomen einbauen, sind allein schon aus theoretischen Überlegungen unerwünschte Nebeneffekte zu erwarten. Bt Mais hat im Vergleich zu gleichwertigen nicht manipulierten Pflanzen eine veränderte Aminosäuren- und Eiweißzusammensetzung, was ebenfalls auf weiter reichende Änderungen, die über den reinen Einbau eines zusätzlichen Gens hinausgehen, schließen lässt. Zurück zu den gesundheitlichen Aspekten: Eine Fütterungsstudie in Italien, bei der Mäusen 24 Monate lang gv Soja gegeben worden war, führte bei den Versuchstieren zu Veränderungen in den Zellkernen der Leber, ein Hinweis auf Stoffwechselbelastungen der Mäuse durch das gv Futter. Vor kurzem hat die russische Forscherin Irina Ermakova gv Soja an Nager verfüttert und gesundheitliche Veränderungen (Verkrüppelungen, niedrige Überlebensraten beim Nachwuchs) beobachtet. Es waren dies vorläufige, noch nicht gut abgesicherte Experimente und, ähnlich wie Arpad Pusztai, wurde die Autorin persönlich attackiert. Sie wurde in der ansonsten angesehenen wissenschaftlichen Zeitschrift 'Nature Biotechnology' öffentlich wissenschaftlich 'hingerichtet'. In einem sehr ungewöhnlichen Vorgang hatte der Herausgeber ihre vorläufigen Ergebnisse an 4 ausgesprochene Befürworter der Gentechnologie, mit guten Beziehungen zur Industrie, mit der Bitte um Kritik weitergegeben, ohne der Forscherin die Möglichkeit zu geben auf diese Kritik direkt zu antworten. Dies ist eine Vorgangsweise, die im Zusammenhang mit wissenschaftlichen Publikationen sehr ungewöhnlich ist. Und schließlich lässt sogar eine Studie der Firma Monsanto ein gesundheitliches Gefahrenpotential von gv Pflanzen vermuten. In einer Fütterungsstudie mit zwei verschiedenen Sorten von gv Mais waren bei Versuchstieren Schäden an Leber und Niere,

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sowie Gewichtsveränderungen aufgetaucht. Monsanto erklärte dazu, es handle sich dabei nur um Ausnahmen, die für die Sicherheit nicht relevant seien, und weigerte sich gleichzeitig die Originalprotokolle zu veröffentlichen. Eine französische Forschergruppe, die die Studie einer eingehenden Untersuchung unterzog, kam zum Ergebnis, dass Monsanto die beobachteten Veränderungen nicht ausreichend weiter untersucht hat; und auf Grund der vorhandenen Daten tatsächliche Schäden nicht ausgeschlossen werden können. So viel zu möglichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen bei Menschen. Eine weitere Beobachtung bei Tieren, die mit Bt Mais gefüttert wurden, ist ebenfalls beunruhigend. Ein Landwirt in Norddeutschland hat seine gesamte Rinderherde verloren, nachdem er das Futter konsequent und praktisch ausschließlich auf gentechnisch veränderte Bt-Pflanzen umgestellt hatte. Trotz eingehender Untersuchungen konnte kein anderer Grund für das reihenweise Verenden der Tiere gefunden werden. Tatsächlich konnte Bt Gift in praktisch allen Organen der erkrankten bzw. verstorbenen Tiere nachgewiesen werden. Am Rande sei noch erwähnt, dass Landwirte in Nordamerika wiederholt beobachtet haben, dass Wildtiere gv Pflanzen meiden und, wenn sie die Wahl haben, konventionelle Pflanzen essen. Die Problematik besteht darin, dass seitens der Zulassungsbehörden keine langfristigen Untersuchungen über gesundheitliche Risiken verlangt werden, obwohl man gv Nahrung natürlich über Jahre zu sich nimmt, so sie einmal in Regalen zu finden ist. Außerdem genügen Unbedenklichkeitsstudien der Antragssteller. Üblicherweise werden keine unabhängigen Studien verlangt. Nicht absehbar sind ökologische Folgen, wenn Insektenresistenz auskreuzt und Wildpflanzen insektengiftig werden. Bt Pflanzen führen leider auch bei anderen Insekten zu Beeinträchtigungen, vor allem bekannt bei Käfern, Hautflüglern und Schmetterlingen. Oft sind das so genannte Nutzinsekten, die sich von Schadinsekten ernähren. Dabei muss es nicht immer die direkte Giftwirkung sein, die zur Schädigung führt. Schlupfwespen haben die (für uns Menschen) freundliche Eigenschaft ihre Eier in andere Insekten zu legen, üblicherweise sind das die, die wir Schadinsekten nennen. Aus den Eiern schlüpfen die Larven, die sich im Inneren vom Wirtsinsekt ernähren. Wenn die Schlupfwespenlarve fertig entwickelt ist, stirbt das Wirttier. Wenn Schlupfwespen nun ihre Eier in Insekten legen, die sich von Bt Pflanzen ernähren, dann stirbt der Wirt bevor die Schlupfwespe fertig entwickelt und geschlechtsreif ist! Der Nützling Schlupfwespe kann sich nicht mehr fortpflanzen! Ein Sonderfall sind Bienen, die, wenn sie Bt Pollen als Nahrung verwenden, anfälliger für einen Parasiten werden, den sie ansonsten gut überleben. Wenn man über gesundheitliche Gefahren für Menschen spricht, dann vergisst man, dass nicht nur die erwähnten Insekten, sondern natürlich auch andere Tiere den gleichen gesundheitlichen Risiken ausgesetzt sind. Andere Säuger reagieren vermutlich ähnlich wie Menschen und es fragt sich, wie weit wir das Recht haben Wildtiere Gesundheitsrisiken auszusetzen. In diesem Zusammenhang möchte ich auf eine prinzipielle Geisteshaltung im Bereich der Gentechnologie hinweisen, die man allerdings nicht nur hier findet. Zum einen ist es, dass die außermenschliche Natur für die meisten Wissenschaftler keinen Wert hat. Ob ein weit reichender Eingriff in die Natur einem Tier schaden könnte, steht nicht einmal zur Diskussion. Wir sind de facto Herr über Leben und Tod vieler Tiere, 'dank' unserer technischen, gerade auch gentechnologischen Möglichkeiten. Aber ich finde nicht, dass wir das moralische Recht dazu haben. Zum anderen wird gerade seitens der Gentechnikindustrie nicht einmal das Gesundheitsrisiko von Menschen sonderlich

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berücksichtigt, sondern vor allem nur der finanzielle Ertrag – aber auch das findet man nicht nur im Bereich der Gentechnik.

Gentechnisch veränderte Pflanzen mit Zusatznutzen:

Die bislang erwähnten gentechnischen Modifikationen ermöglichen zwar den Landwirten eine Zeitlang eine fragwürdige Bequemlichkeit, bringen aber ansonsten vor allem für die Erzeugerfirmen Vorteile, finanzielle Gewinne. Um diese Einseitigkeit auszugleichen, erklären Gentechnikfirmen seit einiger Zeit Pflanzen erzeugen zu wollen, die auch dem Konsumenten oder sogar der Menschheit allgemein einen Nutzen versprechen, wie z. B. Produkte mit erhöhtem Vitamin- oder Eiweißgehalt, mit Dürre- oder Salzresistenz, die auch auf sehr trockenen und versalzenen Böden wachsen könnten. Mit wenigen Ausnahmen sind bislang auf dieser Schiene erst wenige Pflanzen zur Marktreife gekommen. Nach wie vor werden vor allem weitere Nahrungspflanzen herbizid- oder insektenresistent gemacht, wenngleich gesagt werden muss, dass an verschiedensten Pflanzen, vorwiegend an tropischen, gearbeitet wird und einige tropische gv Früchte im Freilandversuch getestet werden. Der Goldreis: Eine dieser Pflanzen, die der Bevölkerung von Nutzen sein soll, ist der so genannte Goldreis, ein Reis, der einen erhöhten Pro-Vitamin A Gehalt aufweist. Er soll vor allem in den armen Ländern des Südens, insbesondere in Asien, eingesetzt werden, um dort den häufig auftretenden Mangel an Vitamin A zu beheben. Vitamin A-Mangel führt im schlimmsten Fall zu Blindheit. Dieser Goldreis soll den Vitamin A-Mangel durch einen höheren Provitamin A-Gehalt beheben; er wurde speziell zu diesem Zweck entwickelt. Und zwar aus durchaus philanthropischen Gründen.

Kritiker, sowohl im Norden, als auch solche im Süden, vor allem Kleinbauernverbände, sehen eine ganze Reihe von Problemen in Verbindung mit dem Goldreis, erkennen aber vor allem auch andere und eventuell einfachere Möglichkeiten die Vitamin A Versorgung der Bevölkerung zu verbessern: Es ist bislang nicht geklärt, wie weit der menschliche Körper das im Goldreis vermehrt vorkommende Provitamin auch tatsächlich in das Vitamin A umwandeln kann. Außerdem müssten täglich große Mengen dieses Reises verzehrt werden, wollte man den Vitamin A Bedarf damit decken. Zu bedenken gibt auch, dass damit nur ein Mangel behoben werden könnte, nämlich der des Vitamins A, während andere vorhandene Mängel und Einseitigkeiten weiter bestehen blieben. Der großflächige Anbau dieses Reises würde zu einer Verdrängung zahlreicher lokal entwickelter und regional angepasster Reissorten führen, die aber für das Überleben der lokalen Bevölkerung von großer Bedeutung sind. Dies wäre ein Beispiel für genetische Erosion im Zuge der Einführung gentechnisch veränderter Pflanzen. Darauf möchte ich später noch ausführlicher zu sprechen kommen. Gleichzeitig würden die Bauern vom Saatgutproduzenten und durch den wiederkehrenden Ankauf von teurem, patentiertem Saatgut abhängig werden, was die Finanzkraft vieler kleiner Bauern des Südens bei weitem übersteigen, sogar deren Ruin bedeuten würde. Es ist ja gerade die arme Bevölkerung, die vom Vitamin A-Mangel betroffen ist. Auch wenn das Saatgut, wie derzeit geplant und versprochen, preisgünstig angeboten werden würde, liegt

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es im Ermessen des Patentinhabers (Novartis), wie lange er auf Patentgebühren verzichtet. Sind einmal die alten Sorten verschwunden und hat die Mehrzahl der Landwirte auf Goldreis umgestellt, dann sind die Landwirte in Indien und anderen Ländern des Südens gegenüber dem Patentinhaber, der vielleicht gerade seine Profite maximieren möchte, in einer schlechten Position. Tatsächlich gibt es aber einige andere erfolgreiche Aktionen zur Bekämpfung der Vitamin A Blindheit, z. B.: Das Austeilen von Vitamintabletten, was sofort gegen Vitaminmangel hilft, aber doch eine eher kurzfristige Maßnahme ist. Ernährungs- und Anbauschulungen: Diese veranlassen die BewohnerInnen mehr Gemüse anzupflanzen und zu verwenden, sowie noch die kleinsten Flecken zum Gemüseanbau zu nutzen. Diese Kampagne hat erstaunliche Erfolge gezeigt und zu einer langfristigen Verbesserung der Ernährungssituation geführt. Schließlich wäre die Verbesserung der sozialen Situation der Menschen in den armen Ländern des Südens die einfachste Art dieses Problem zu lösen. Würde man den Menschen für ihre Arbeit einen fairen Preis bezahlen, dann wären sie nicht gezwungen sich nur von Reis zu ernähren. In diesem Zusammenhang machen sich auch die negativen Folgen der Grünen Revolution bemerkbar: In früherer Zeit haben die Reisbauern Asiens in den überfluteten Reisfeldern Fische gezüchtet. Der für die Hochertragssorten notwendige Pestizideinsatz vernichtet aber den Fischbestand und eine wichtige Nahrungsergänzung ist dadurch verloren gegangen.

Andere gentechnische Veränderungen, wie oben erwähnt, die Vorteile bringen sollen, sind kaum auf dem Markt und es ist unklar, wann und ob sie kommen werden. Es ist zudem zweifelhaft, ob solche gentechnische Veränderungen überhaupt notwendig sind, da es für viele Kulturpflanzen schon lange Sorten mit den verschiedensten Resistenzen gibt, die von traditionellen Züchtern erarbeitet worden sind. Es wäre weitaus sinnvoller und vor allem nebenwirkungsfreier und sozial gesehen verträglicher, wenn man aufbauend auf diesen Sorten die diversen Resistenzen auf konventionellem Weg, durch Kreuzungen auf andere Sorten übertragen würde. Es scheint aber überhaupt nach wie vor das Hauptaugenmerk auf den erwähnten Resistenzen zu liegen. Einsatzfähig, aber noch nicht großflächig auf dem Markt ist eine Technologie, die den Saatgutkonzernen die absolute Kontrolle über das Saatgut verschaffen würde:

Die Terminatortechnologie

Um zu verhindern, dass gentechnisch veränderte Pflanzen nachgebaut werden, haben einige Saatgutfirmen Saatgut mit der so genannten Terminatortechnologie entwickelt. Dabei werden Pflanzen gentechnisch so verändert, dass die Samen nicht mehr keimfähig sind; der Same stirbt beim Keimen ab. Offiziell wird betont, dies soll verhindern, dass sich gentechnisch veränderte Pflanzen unkontrolliert vermehren. Es besteht jedoch kein Zweifel, dass diese Technologie entwickelt wurde, um den Nachbau von gentechnisch veränderten Pflanzen zu verhindern und die Kontrolle über Saatgut zu bekommen.

Diese Technologie macht die Landwirte völlig vom Saatguthersteller abhängig. Die ungebremste Aussaat solcher Pflanzen hätte weit reichende, gravierende soziale Folgen, da der Einsatz dieser Technologie wahrscheinlich den Ruin aller Klein- und Subsistenzbauern in den armen Ländern des Südens bedeuten würde. Deren Existenz ist vom Wiederanbau

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des eigenen Saatgutes abhängig; und diese Bauern sind finanziell nicht in der Lage, Saatgut jedes Jahr nachzukaufen. Jede eigenständige Landwirtschaft würde damit verhindert werden. Auch eine Weiterzucht, wie sie seit jeher zu Zwecken der weiteren Saatgutverbesserung üblich war, wäre damit unmöglich. Wer immer auch Terminatorsaatgut anbaut, gerät in völlige Abhängigkeit vom Saatgutproduzenten. Je mehr davon angebaut wird, desto mehr hängt die Nahrungsproduktion vom good will des Lieferanten ab, umso erpressbarer wird eine Gesellschaft. Es entstehen aber auch ganz banale Abhängigkeiten, wie die des ungestörten und rechtzeitigen Transportes des Saatgutes vom Erzeuger zu den Landwirten quer über die Erde. Jedes Hindernis im rechtzeitigen Transport des Saatgutes vom Erzeuger zum Landwirt würde den Totalausfall der landwirtschaftlichen Produktion einer Region und damit die schlimmste Hungersnot bedeuten. Ökologische Schäden durch Auskreuzen auf Wildpflanzen sind nicht absehbar.

Derzeit besteht noch ein Moratorium des Einsatzes dieser Technologie. Aber die Saatgutkonzerne und einige Regierungen, so z. B. die von Kanada und den USA, drängen vehement auf eine Zulassung von Terminatorsaatgut. Es gibt einige Anwendungen abseits der Nahrungsmittelproduktion, bei denen aber hauptsächlich Nahrungspflanzen verwendet werden, weswegen sie hier erwähnt werden sollen.

Industriell oder energetisch interessante Pflanzen Diese anderen gentechnischen Forschungen streben danach, Pflanzen zu erzeugen, die für die Industrie von Interesse sind. Beispiele für gv Pflanzen zur besseren industriellen Nutzung wären Kartoffeln oder andere stärkehältige Pflanzen mit verändertem Stärkegehalt. Derzeit drängt die Firma Bayer mit der gv Kartoffel 'Amflora', die eine veränderte Stärkezusammensetzung hat, in der EU auf Zulassung. Der Boom an Pflanzen zur Energiegewinnung, wie Pflanzenöle, oder zur Alkoholproduktion als Benzinersatz, wird vermutlich auch einen enormen Zuwachs an gentechnisch veränderten Pflanzen mit sich bringen. Solche Pflanzen können mit dem Hinweis, dass sie ja nicht als Nahrungsmittel verwendet werden, als Türöffner für die Gentechnik dienen.

Allerdings bleiben die ökologischen und sozialen Probleme bestehen. Solche Pflanzen mit veränderten Inhaltsstoffen für die industrielle Fertigung oder die Verwendung als Treibstoffe sind wahrscheinlich weniger gut geeignet für den Verzehr und hätten auch keine Zulassung als Nahrungspflanzen. Durch Auskreuzen kann diese neue Eigenschaft auf die Verwandten übergehen, die auf dem Nachbarfeld wachsen; die aber für den menschlichen Genuss bestimmt sind und damit kann diese Veränderung plötzlich doch in der menschlichen Nahrung aufscheinen – sehr zum Nachteil aller Konsumenten und natürlich auch der Landwirte, da solche Ernten vernichtet werden müssten.

Ein weiteres Beispiel für diese Anwendungen, bei denen es nicht um Nahrung, wohl aber um Nahrungspflanzen geht sind Pflanzen, die so verändert worden sind, dass sie nun Medikamente erzeugen.

Pharmapflanzen Schon seit den 80er Jahren, aber in letzter Zeit vermehrt, drängt die Pharmaindustrie mit

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Pflanzen ins Freiland, die Medikamente erzeugen. Hauptsächlich werden menschliche, aber auch tierische Gene in Pflanzen eingebaut, die die Pflanzen veranlassen Medikamente und Impfstoffe zu erzeugen. Die Industrie erhofft sich davon wesentliche Verbilligungen und Erleichterungen in der Produktion verschiedener Medikamente oder Impfstoffe.

Für diesen Zweck werden vor allem häufig verwendete Nahrungspflanzen, wie Mais, Reis, Soja eingesetzt; vor allem weil diese schon gut an Massenproduktion und Gentechnik angepasst sind. Gleichzeitig ist das aber das eigentlich Gefährliche daran, denn es handelt sich dabei eben hauptsächlich um häufig angebaute Nahrungspflanzen. Eine Kontamination ist dadurch praktisch unvermeidlich, diesmal - ohne jeden Zweifel - mit schweren Gefahren, denn wir essen dann mit der Nahrung unkontrolliert Medikamente oder Impfstoffe mit. Solche Kontaminationen sind in den USA bereits beobachtet worden, was die Vernichtung ganzer Ernten zur Folge gehabt hat. Üblicherweise werden Medikamente in einem eigenen Kasten verschlossen und unerreichbar für Kinder aufbewahrt, jetzt aber würden sie plötzlich frei auf den Feldern wachsen. Aber nicht nur die Menschen sind gefährdet. Auch Tiere essen diese Medikamente mit und das führt bei diesen zu vergleichbaren Wirkungen. Insbesondere Hormone zeigen auch bei weit entfernten Tierarten jeweils eigene Effekte, bei nah verwandten, wie allen Säugern, praktisch identische. Diese Technologie kann ebenfalls zur Verseuchung der Böden führen, denn Pflanzen geben Stoffe, wie zusätzlich gebildete Medikamente, über die Wurzeln in den Boden ab.

Gentechnisch veränderte Pflanzen als Futtermittel Die Einführung der Massentierhaltung und der Hochleistungssorten in der Tierzucht hat den Futterbedarf radikal verändert. Wurden Tiere, hier besonders Wiederkäuer, früher hauptsächlich mit dem ernährt, was Menschen nicht aßen, nämlich Gras und Heu, müssen heutzutage hochwertige, eiweißhältige Nahrungsmittel verfüttert werden. Hauptsächlich sind das Getreide und Soja. Bis zum BSE Skandal stammte das Eiweiß zu einem Gutteil aus Tiermehl, dessen Verwendung aber aufgrund des BSE Skandals verboten wurde. Seit dieser Zeit werden die Regenwälder Süd- und Mittelamerikas noch viel radikaler abgeholzt, um Sojabohnen anzubauen; und auf immer größeren Flächen Argentiniens wird ebenfalls Soja produziert. In Argentinien wird nahezu ausschließlich gentechnisch veränderte Soja angebaut. Brasilien ist gespalten in Bundesstaaten, die den Einsatz von Gentechnik erlauben und solche, in denen gentechnisch veränderte Sojabohnen nicht zugelassen sind. In den USA wird generell sehr viel gentechnisch verändertes Saatgut verwendet. Weder Milch und Milchprodukte, noch Fleisch, Wurst, Selchware oder Eier müssen gekennzeichnet sein, wenn die Tiere mit gentechnisch veränderten Pflanzen (hauptsächlich Soja und Mais) gefüttert worden sind. Einige Molkereien verkaufen nur Milch, die gentechnikfrei ist, deren Kühe also kein gentechnisch verändertes Futter bekommen haben, und kennzeichnen ihre Produkte als gentechnikfrei. Ansonsten kann man nur bei Lebensmitteln aus biologischer Landwirtschaft damit rechnen, dass auch als Tierfutter keine gentechnisch veränderten Pflanzen verwendet worden sind. Greenpeace hat im vergangenen Dezember der EU Kommission 1 Million Unterschriften übergeben, die eine generelle Kennzeichnung auch bei Einsatz von gentechnisch verändertem Futtermittel verlangt, ist aber dort auf taube Ohren gestoßen.

Allgemeine Probleme

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Mit der Grünen Gentechnik sind einige generelle Probleme verbunden, auf die teilweise schon im vorhergehenden Kapitel eingegangen worden ist, die hier aber ausführlicher behandelt werden. Die Patentierung Während früher Lebewesen von der Patentierbarkeit ausgenommen waren, hat sich dies seit der Einführung der Gentechnik gewandelt. Die Patentämter vergeben seit Jahren Patente auf gentechnisch veränderte Organismen, auf Organe, Zelllinien und einzelne Gene. Die Vergabe eines Patentes auf eine Pflanze hat weit reichende Folgen. Diese Pflanze und all ihre Nachkommen sind mit der Patenterteilung alleiniges Eigentum des Patentinhabers und können nur mit dessen Zustimmung und im Allgemeinen nach Bezahlung von Patentgebühren von Landwirten verwendet werden. Ein Nachbau ist (s.o.) ebenso verboten wie die Verwendung zum Zwecke der Weiterzucht. Üblicherweise werden in einem Patentantrag nicht nur eine Sorte oder eine Art, sondern ganze Pflanzenfamilien, alles was sich mit einem bestimmten Gen versehen lässt, verpackt. So geraten mit einem einzigen Antrag gleichzeitig viele Arten in den Besitz eines Konzerns. Patentiert werden nicht nur ganze Organismen, sondern auch einzelne Gene, für die dann ebenfalls Patentrechte gelten. Dies wiederum verschafft Kontrolle über Pflanzen, die diese Gene enthalten. Begründet wird diese Vorgangsweise mit der Tatsache, dass für die Produktion von GVOs sehr viel investiert werden muss und diese Investitionen sich rechnen müssen. Außerdem bestehe die Gefahr, dass die Forschung auf diesem Gebiet aufhören könnte, würde kein finanzieller Anreiz durch Patentgebühren bestehen. Kritiker halten dem eine ganze Reihe von Argumenten entgegen: Nahrungspflanzen als solche waren immer schon Allgemeingut aller Menschen und nicht Privatbesitz eines Menschen oder einer Firma, die mit diesem Patentrecht die Kontrolle über die Ernährung der Menschheit bekommt. Gentechnisch veränderte Pflanzen sind keine Erfindung und sollten damit nicht patentierfähig sein. Prinzipiell wird die Patentierung von Lebewesen, aber auch von einzelnen Genen oder Zellen, auch aus ethischen und religiösen Gründen, abgelehnt. Wirtschaftliche Gründe sprechen ebenfalls gegen die Patentierung von Lebewesen und Genen. Durch das Patentrecht wird die weitere Forschung behindert oder erschwert und verteuert. Und Landwirte geraten in die Abhängigkeit der großen Chemiekonzerne, die auch gleichzeitig die großen Saatgutfirmen sind. Die Verträge, die von den Bauern unterschrieben werden müssen, wenn sie gentechnisch verändertes Saatgut anbauen, wurden von Bauernvertretern auch schon als „Knebelverträge“ bezeichnet. Wie oben erwähnt, ist eine eigenständige Verwendung des eigenen Erntegutes nicht mehr möglich, weil es vertraglich und durch das Patentrecht verboten ist. Berühmt geworden ist der Fall Percy Schmeiser aus Kanada, auf den im Kapitel 'Koexistenz' eingegangen werden wird. Vergabe von Patenten ist absolut keine Voraussetzung für Züchtung und Forschung. Seit der Jungsteinzeit züchten Menschen immer wieder neue und verbesserte Pflanzensorten, ohne Patentrechte dafür erhalten zu haben.

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Die Tendenz zu patentieren hat sich in den letzten Jahren verstärkt, denn inzwischen bekommen sogar neue Varianten, die konventionell gezüchtet worden sind, Patentschutz. Es scheint im Bereich des Lebens nichts mehr zu geben, was nicht patentiert werden kann. Und wie gesagt, die Patente werden immer weit reichender, umfassen oft zahlreiche Familien. Auch die Vorschriften für traditionelle Züchtungsarbeit werden immer strenger. So wurde in der Zwischenzeit die so genannte Farmerausnahme zurückgenommen, wonach Landwirte mit Sorten, die Sortenschutz haben, selbstständig weiterarbeiten konnten. In neueren Abkommen wird auch die frühere Züchterausnahme gestrichen, nach der es einst möglich war eingetragene Sorten zur Weiterzucht zu verwenden. Ein internationales Abkommen, TRIPS (Agreement on Trade Related Aspects of Intellectual Property Rights), das im Rahmen der WTO (World Trade Organisation) verhandelt wurde, wird von verschiedenen NGOs (Nichtregierungsorganisationen), vor allem von VetreterInnen aus Dritte-Welt-Ländern, heftig kritisiert. Es bevorzugt eindeutig die Rechte der Patentinhaber gegenüber denen der traditionellen Züchter und verpflichtet alle Vertragsstaaten dazu, Patentrechte zu akzeptieren, sowie solche oder vergleichbare Rechte selber zu schaffen. Die traditionelle Züchterarbeit wird nicht patentiert! Mit TRIPS haben sich die reichen Staaten und die großen Konzerne die Patentrechte gesichert - über fast das ganze Leben, wenn man an die Patentrechte für Lebewesen denkt oder an die für Medikamente. Sie sind, um in materiellen Werten zu sprechen, zu einem Geldfluss vom armen Süden in den reichen Norden geworden. Darüber hinaus zwingen die USA zahlreiche arme Länder zu bilateralen Verträgen, die selbst die wenigen Möglichkeiten zum selbstständigen Handeln des TRIPS Abkommens noch untergraben. Eng verbunden mit der Patentproblematik ist die Biopiraterie. Biopiraterie Vermehrt gehen die großen Saatzuchtfirmen, vor allem aber auch die großen Pharmafirmen dazu über, vorrangig die Länder der so genannten 3. Welt, die Länder des Südens nach interessanten Pflanzen zu durchforsten. Diese Pflanzen, oder einzelne Gene daraus, werden dann patentiert. Somit wird der Patentinhaber zum Eigentümer der betreffenden Pflanze, womöglich erlangt er gleich noch das Patent über einige andere Pflanzen, in denen diese Gene auch vorkommen oder eingebaut worden sind. Der Norden schickt Prospektoren in die Länder des Südens, vornehmlich auch zu indigenen Gemeinschaften mit ihrem noch enormen Wissen über Heilpflanzen; befragen sie, sammeln heimlich oder offen Proben und nehmen all das erworbene Wissen mit in den Norden, wo dann ein Konzern sich die Patentrechte darüber verschafft. Es gibt zahllose Beispiele für Biopiraterie und diese nimmt stark zu. Wenn Sie bei google 'Biopiraterie' eingeben, bekommen Sie derzeit 7.420 Eintragungen. Nicht nur pharmazeutisch interessante Pflanzen, sondern vor allem auch Nahrungspflanzen, wie der berühmte asiatische Basmati-Reis, Bohnen aus Mexiko und zahlreiche andere Pflanzen mehr, wurden de facto geraubt und mit Patentrechten versehen. Berühmt geworden ist der indische Nehmbaum. Der Nehmbaum enthält eine große Zahl praktischer Eigenschaften und weist eine Reihe wertvoller Inhaltsstoffe auf. U. a. enthält er ein Insekten-abstoßendes Öl, das seit langem in Indien verwendet wird. Eine US-amerikanische Firma hat das Öl isoliert und zum Patent angemeldet; mit der Folge, dass indische Bauern, die aus ihren eigenen Nehmbäumen so wie bisher Öl extrahieren, nun aber diesem Konzern Lizenzgebühren zahlen müssten. Das Patent wurde in den USA von mehreren Gruppierungen beansprucht, allerdings erfolglos. Vor dem europäischen Patentamt in

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München hatte ein Einspruch jedoch Erfolg gehabt, und das Patent wurde aufgehoben. Dieser Erfolg bezog sich allerdings nur auf eines von vielen Patenten, die auf Nehmbaumprodukten bestehen. Auch wenn in der Konvention zur biologischen Vielfalt (Convention on Biological Diversity) von 'access' and 'benefit sharing' die Rede ist, hat dies nicht zu einem Ende der Biopiraterie geführt – im Gegenteil. Die nächste Nachfolgekonferenz der Konvention über biologische Vielfalt wird heuer in Bonn erneut verhandelt. Sowohl NGOs als auch Vertreter der Länder des Südens drängen auf Verbesserungen für die Rechte der indigenen Völker und lokalen Züchter, sowie auf einen entsprechenden finanziellen Ersatz. Allerdings, die wichtigsten Bremser sind auch aktiv. Unter den Vertragsländern sind dies Kanada, Australien und Neuseeland, sowie selbstverständlich das Nichtvertragsland USA. Die Biopiraterie in Verbindung mit den Patentierungen wird auch die zweite Kolonisation genannt. Diese ist wahrscheinlich ebenso folgenreich, wenn nicht noch folgenreicher als die erste. Sie betrifft aber langfristig alle Länder und alle Gesellschaften, da die Nahrungsmittel dabei immer mehr in die Verfügungsgewalt und die Hände einiger weniger Konzerne übergehen, von denen man nicht das Gefühl hat, dass sie etwas anderes als der Profit interessiert. Der menschliche oder ökologische Preis dafür, den alle anderen zahlen und in Zukunft bezahlen werden, spielt in deren Überlegungen offensichtlich keine Rolle. Genetische Erosion Schon bei der Besprechung der mit dem Goldreis verbundenen möglichen Probleme wurde auf die Gefahr des Verlustes von angepassten lokalen Sorten hingewiesen. Generell wird befürchtet und es ist genau genommen zu erwarten, dass die Gentechnik in der Landwirtschaft zu einem weiteren Sortenverlust führen wird. Je großflächiger diese Pflanzen angebaut werden, desto mehr verschwinden andere Pflanzen, und deren Genschatz geht verloren. Die so genannte Grüne Revolution mit ihren Hochleistungssorten und der Agrarchemie hat in der Vergangenheit bereits zum Verschwinden zahlreicher Nutzpflanzensorten geführt. Durch die Verwendung gentechnisch veränderter Pflanzen wird dieser Verlust an Genen noch beschleunigt werden. Wenn statt der vielen lokal angepassten und lokal entwickelten Sorten nur einige wenige gentechnisch veränderte Arten angebaut werden, bedeutet das einen nicht wieder gut zu machenden Verlust an Genen, an Eigenschaften und zwar für die Menschheit. Besonders betroffen sind natürlich die jeweiligen Regionen mit ihren Landwirten, denn diese verlieren die an ihre Umwelt angepassten Sorten und tauschen sie gegen einige wenige Sorten, über die sie keine Verfügungsgewalt haben, die aber auch längst nicht so gut an die jeweilige Situation angepasst sind. Dieser Aspekt wird sich in der Zukunft noch viel mehr auswirken als man heute vordergründig vermuten würde. Im Gegensatz zu alten lokal entwickelten Sorten haben Hochertragspflanzen einen erhöhten Düngerbedarf. Mineraldünger, aber auch Pestizide, und dazu gehören ebenfalls die zwangsweise zu verwendenden Totalherbizide, sind direkt abhängig von Erdöl. Pestizide werden direkt aus Erdöl hergestellt. Und Kunstdünger ist in seiner Produktion bekanntlich sehr energieintensiv und damit ans Erdöl gekoppelt. D. h., die Landwirtschaft in ihrer jetzigen Form wird mit steigendem Ölpreis wahrscheinlich immer teurer und irgendwann einmal nicht mehr finanzierbar bzw. auch überhaupt nicht mehr möglich sein. Dann werden wir angepasste, vielleicht gegen Schadinsekten oder Krankheiten resistentere alte Landsorten brauchen; abgesehen davon, dass ja auch jetzt schon das Bestreben zu beobachten ist, in die bestehenden ertragreichen Sorten Resistenzen gegen Krankheiten etc. einzukreuzen. Aber dazu braucht man ein breites

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genetisches Reservoir, eben all die vielen erwähnten Landsorten, die man nicht verlieren darf. Die genetischen Ressourcen sind aber noch aus einem anderen Grund bedroht, und zwar von der Kontamination mit gentechnisch veränderten Pollen oder Samen. Das ist auch die zentrale Problematik bei der Frage, ob es eine Koexistenz zwischen gentechnikfreier und gentechnischer Landwirtschaft geben kann.

Koexistenz zwischen gentechnischer und gentechnikfreier Landwirtschaft. Zuerst kurz etwas zum Problem der Kontamination von Wildsorten oder alten Landsorten, die wertvolle Gene für die Weiterzucht und den Erhalt der Ernährungssicherheit haben. Leider sind diese bedroht. Bekannt ist ein Beispiel aus Mexiko, wo in Maisursprungssorten Teile von Genkonstrukten aus gentechnisch verändertem Mais gefunden worden sind; und zwar weitab von Anbaugebieten von gv Mais und während eines Moratoriums für GVOs in Mexiko. Wahrscheinlich sind die gentechnischen Veränderungen über Importmais aus den USA nach Mexiko in die entlegenen Gebiete gekommnen. Dieser importierte Mais ist dort vermutlich nicht nur als Nahrungsmittel, sondern auch als Saatgut verwendet worden. Die USA trennen nicht in gv und konventionelles Saatgut, außer sie werden dazu gezwungen, wie beim Export nach Europa. Welche Folgen eine solche Kontamination der Ressourcen hat, ist nicht absehbar, es besteht nur die einhellige Meinung, dass so etwas vermieden werden sollte. Inzwischen drängen die USA auf Export und Anbau von gv Mais nach und in Mexiko, was immerhin eines der Ursprungsländer des Mais ist. In anderen Staaten Mittelamerikas, in weiteren Ländern mit einer hohen pflanzlichen genetischen Vielfalt, werden ebenfalls gentechnisch veränderte Pflanzen angebaut. Diese sind Ursprungsländer zahlreicher Kulturpflanzen. Im Irak z. B., zwingen die amerikanischen Besatzer die Bauern gentechnisch verändertes Saatgut zu verwenden und auf ihre lokal gezüchteten Sorten zu verzichten. Das ist nicht nur eine Tragödie für eben diese Bauern, sondern auch ein enormer Verlust an wertvollen Pflanzen. Immerhin ist der vordere Orient eines jener Gebiete mit einem besonders reichen Schatz an Ursprungspflanzen für unsere Nahrung. Diese Ursprungspflanzen sind nun durch die zu erwartende Kontamination mit diversen Genkonstrukten bedroht. Probleme mit Wildpflanzen können immer dann auftreten, wenn es in der Gegend kreuzbare Wildpflanzen gibt. Bei uns ist das der Raps, der mit einigen anderen Kreuzblütlern gekreuzt werden kann. Auf diese Weise geraten die künstlich eingebauten Gene in die Wildpopulationen; mit all ihren negativen Folgen, wie sie im Zusammenhang mit der Herbizid- und Insektenresistenz bereits angesprochen wurden. Nun zum Nebeneinander von gentechnisch orientierter und konventioneller oder gar biologischer Landwirtschaft: Es ist nicht damit zu rechnen, dass ein Nebeneinander langfristig möglich ist. Durch die Verbreitung von Samen und Pollen (Wind, Insekten, . . .) - oft über weite Strecken - werden die künstlich erzeugten Genkonstrukte auf andere Pflanzen übertragen und können sich so unkontrolliert verbreiten. Davon können auch Nutzpflanzen auf benachbarten Feldern betroffen sein. In Kanada ist es als Folge des großflächigen Anbaus von gentechnisch veränderten Pflanzen praktisch unmöglich geworden biologischen Raps anzubauen oder zu ernten, da durch Pollenverbreitung die Ernte der biologischen Bauern regelmäßig gentechnisch verseucht worden ist.

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Kanada, mit seiner hohen Dichte an gentechnisch veränderten Nahrungsmitteln, ist ein besonders erschreckendes Beispiel für die Folgen eben dieser Technologie. Der Vizepräsident von Kanadas National Farmers Union erklärte vor kurzem, dass es in Kanada unmöglich sei zwischen gv und konventionellem Raps zu unterscheiden, da auch der konventionelle praktisch gv Raps ist - wegen der Kreuzbestäubung. Im Gegensatz zu den offiziellen Aussagen von Regierungen, etc. betonte er, dass die Einführung der Gentechnologie die Rapsbauern habe verarmen lassen und dass diese Entwicklung zu einer Landflucht geführt habe - wegen der hohen Preise des Saatguts und des Verlustes der EU als Absatzmarkt, aber auch, weil die Erträge nicht gestiegen sind. Berühmt geworden ist der Fall Percy Schmeiser, ebenfalls in Kanada. Schmeiser hat konventionellen Raps zur Saatgutvermehrung angebaut. Durch Pollenflug wurde sein Raps, ohne dass er es wusste, mit gentechnisch veränderten Pollen kontaminiert. Sein Saatgut hat nun gentechnisch veränderte Samen enthalten. Der Chemie- und Saatgutmulti Monsanto hat heimlich Proben von Percy Schmeisers Produkten gezogen und Schmeiser auf Herausgabe der Ernte, sowie auf Patentgebühren (insgesamt eine Million Kanadische Dollar) verklagt. In den ersten beiden Instanzen haben die Gerichte Monsanto Recht gegeben (!). Der oberste Gerichtshof hat Monsanto zwar im Prinzip ebenfalls Recht gegeben, aber die Strafzahlung für Schmeiser gestrichen. Trotzdem musste Schmeiser diese Prozessgebühren bezahlen, was ihm nur durch Verpfänden eines Teils seiner Äcker und durch Rückgriff auf Veranlagungen, die für seine Altersversorgung bestimmt waren, möglich war. Inzwischen hat Percy Schmeiser seinerseits Monsanto auf Schadenersatz geklagt. Neben der Verbreitung durch Pollen wird vor allem auch die Kontamination durch Ernte- und Sämaschinen zu einem Problem werden. Die effektive und sehr gründliche Reinigung der landwirtschaftlichen Maschinen ist äußerst zeitaufwändig und kann in der Hektik der Ernte zu einem Problem, wenn nicht gar unmöglich werden, aus wirtschaftlichen Gründen, wie professionelles Erntepersonal bei einer Befragung im Detail erklärt hat. Wiederholt sind in der Vergangenheit in Ernten gv Kontaminationen, die nicht für die menschliche Nahrung zugelassen waren, gefunden worden. Dabei war es nicht immer möglich, die Ursache der Verunreinigung nachzuweisen. Dies führt jedes Mal zur Vernichtung der Lieferungen. Auch in Saatgut, das als gentechnikfrei deklariert war, sind wiederholt Kontaminationen mit gv Saaten gefunden worden, was ebenfalls meist zur Vernichtung führt. So gesehen stellt sich die Gentechnik als Methode zur Vernichtung von Ernten heraus. In Spanien hat der Anbau von gv Pflanzen zu einem teilweise dramatischen Einbruch bei biologisch angebauten Pflanzen geführt. Da eine Kontamination mit gv Pflanzen nicht verhindert werden kann, haben zahllose Bauern die biologische Wirtschaftsweise aufgeben müssen, in einigen Landesteilen bis zu 70% der biologisch arbeitenden Landwirte. Demgegenüber berichtet das portugiesische Agrarministerium, dass es möglich gewesen sei, die Kontamination der gentechnikfreien Produkte mit gv Mais unter 0,4% zu halten, also unter dem Grenzwert der EU. Die gleiche Aussendung berichtet auch, dass die Erträge durchschnittlich höher und die Insektizidanwendungen durchschnittlich niedriger gewesen seien. In Portugal werden derzeit auf etwas mehr als 4000 ha gv Pflanzen angebaut. Portugal ist übrigens das einzige Land in der EU, das eine völlig legale GMO freie Provinz, nämlich Lagos, hat und darüber hinaus ein striktes Monitoring

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des gv Anbaus vorschreibt. Das ist allerdings die einzige Meldung dieser Art, und stellt eine Rarität dar. Dies wird wahrscheinlich mit den noch geringen Mengen an gv Saaten in Portugal zusammenhängen. Unerwartete Nebeneffekte Es ist nicht vorhersehbar, ob beim Einbau von Fremdgenen nicht unerwünschte Nebeneffekte entstehen, deren Folgen u. U. lange verborgen bleiben, da man mit ihnen nicht gerechnet und daher auch nicht danach gesucht hat. Tatsächlich gibt es im Bereich der Gentechnologie eine Reihe von Beispielen, wo der Einbau von Genkonstrukten zu unerwarteten und unerklärlichen Nebeneffekten geführt hat. Einige davon habe ich bereits erwähnt. Diese unerwünschten Nebeneffekte sind nicht weiter verwunderlich; und wie vieles bei dieser Technologie zu erwarten gewesen. Das Genom, also die Gesamtheit der Gene der Erbanlagen einer Pflanze, ist kein wirrer Haufen, dem man einfach unkontrolliert Gene hinzufügen kann. Im Gegenteil, eines jeden Lebewesens Erbanlagen sind ein wohlgeordnetes, auf einander abgestimmtes Ganzes in enger Verflechtung untereinander und mit der Umwelt. Darauf werde ich noch einmal zu sprechen kommen. Jede Änderung kann eine Störung bedeuten, die wiederum unerwartete, weil nicht kontrollierbare Effekte haben kann.

Allergierisiko Die gentechnische Veränderung führt dazu, dass die Pflanzen andere, zusätzliche, ihr an sich fremde Eiweiße erzeugt. Diese zusätzlichen Eiweiße stellen ein dauerndes Allergierisiko dar, das umso größer wird, je mehr Gene ausgetauscht und transferiert werden.

Hungerproblematik

Kann die Gentechnik zur Lösung der Hungerproblematik beitragen? Dies ist ja eines der häufigen Argumente der Befürworter einer Grünen Gentechnologie. Durch eine schon oben erwähnte Anpassung an trockene oder versalzene Böden könnten die Anbaugebiete von Nahrungspflanzen ausgeweitet werden. Ertragreichere Sorten würden das Nahrungsangebot erhöhen und anderes mehr. Einerseits gibt es diese immer wieder versprochenen Wunderpflanzen noch nicht (s. o.); andrerseits wird von Kritikern befürchtet, dass die globale Einführung von Gentechnik in der Landwirtschaft wegen der hohen Kosten für Patentrechte, sowie des Verbots des Wiederanbaus etc. den Hunger in den armen Ländern noch verschärfen werde. Besonders die Patentierung von traditionell gezüchteten und verwendeten Pflanzen, die die traditionellen Anwender zu Patentgebühren zwingen würde, könnte in den Ländern des Südens zu verheerenden Folgen führen. Hier muss auch noch einmal auf die schon früher erwähnte genetische Erosion zurückgekommen werden. Der Verlust von angepassten Sorten kann weit reichende langfristige Folgen für die Ernährungssicherheit haben. Nahrungssicherheit wird durch eine Vielzahl von nebeneinander bestehenden lokal angepassten Sorten, die natürlich immer wieder verbessert werden können, gewährleistet. Diese kontinuierliche Verbesserung des Saatguts hat sich seit Jahrhunderten bewährt. Es gibt so viele Züchtungstechniken und auch gerade in letzter Zeit neu entwickelte, die gänzlich ohne Gentechnik und damit ohne Fremdgene auskommen, und viele verschiedene gewünschte Eigenschaften hervorbringen. Durch Patentierung und geistige Eigentumsrechte aber werden gerade diese Kulturleistungen und wichtigen

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Weiterentwicklungen unterbunden. Außerdem - Hunger ist bekanntlich keine Folge von Nahrungsmittelmangel, sondern von Armut. So wie die Grüne Revolution den Hunger nur vermehrt hat, würde eine genetische Revolution vermutlich den gleichen Effekt haben.

Gentechnische Veränderung versus Züchtung

Ein weiterer Aspekt soll noch erwähnt werden: Seitens der Befürworter wird oft argumentiert, gentechnische Veränderung sei nichts anderes als Züchtung mit anderen Methoden. Aber das stimmt nicht. Es war früher unmöglich in z. B. Baumwolle Bakteriengene einzukreuzen, weil man Baumwolle nur mit Baumwolle kreuzen kann. Diese Schranke gibt es in der Gentechnik nicht mehr. Man kann neue Lebewesen erzeugen, die man so nicht züchten könnte, und die so auch nicht in der Natur entstehen könnten. Gentechnik unterscheidet sich daher qualitativ und grundsätzlich sehr deutlich von der klassischen Züchtung.

Gentechnisch veränderte Tiere Dieser Bereich war bislang bedeutend weniger erfolgreich als die Manipulation von Pflanzen. Technisch ist diese Manipulation viel schwieriger durchzuführen. Bei Tieren genügt es nicht eine Körperzelle in der Zellkultur zu verändern; aus einer isolierten Kuhzelle wird keine Kuh. Man muss Eizellen oder befruchtete Eizellen manipulieren, eine künstliche Befruchtung vornehmen und die Embryonen dann, so es sich um Säuger handelt, in einem so genannten Ammentier heranwachsen lassen. D. h., sie werden in ein empfängnisbereites Tier eingesetzt, das den Embryo austrägt. Etwas einfacher ist es beispielsweise bei Fischen, da diese meist im Wasser heranreifen, also kein Ammentier brauchen. Außerdem sind Fischeier viel leichter und in viel größerer Zahl zu bekommen als Eizellen von Säugern, auch viel größer, was ihre rein technische Manipulation einfacher macht. Experimente wurden mit Schweinen gemacht, denen Gene für ein menschliches Wachstumshormon eingesetzt worden waren – sie sollten rascher wachsen und größer werden. Diese Versuche waren wenig erfolgreich. Sie taten zwar, was man von ihnen erwartet hatte - sie wuchsen schneller - waren aber derart gesundheitlich geschädigt, dass die Experimente nie weitergeführt wurden, oder dass versucht worden wäre sie zur Serienreife zu bringen. Erfolgreicher verlief die Produktion von transgenen Fischen. Auch hier ging es um den Einbau von Wachstumshormonen von Menschen oder von größeren Fischen. Derartig veränderte Fische wachsen tatsächlich schneller und werden bedeutend größer. Erfolgreich waren auch Versuche, Lachse durch Einbau von Genen anderer Fische an kältere Gewässer anzupassen.

Einige Risiken sind aber auch hiermit verbunden. Diese Tiere produzieren andauernd große Mengen an Wachstumshormonen, sind also unter Hormonstress und entsprechen Tieren, die mit zusätzlichen Hormonen gedopt sind. Abgesehen vom gesundheitlichen Aspekt befürchtet man vor allem große ökologische Gefahren und schwerwiegende Folgen, wenn solche Tiere in die freie Natur entkommen. Und es ist zu erwarten, dass sie eines Tages entkommen werden. Diese Versuche wurden trotz tatsächlicher Erfolge nicht weitergeführt und bislang nicht kommerziell angewandt –

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wegen der zu erwartenden Ablehnung durch die KonsumentInnen – womit man den Effekt der Ablehnung durch viele Menschen und somit die Macht der KonsumentInnen erkennen kann.

Ein Sonderfall im Berech der Gentechnik bei Tieren ist das gentechnisch erzeugte oder rekombinante Rinderwachstumshormon (rBST). Werden Kühe regelmäßig damit behandelt, steigt die Milchleistung um ca. 10% an.

Abgesehen davon, dass es fraglich ist, ob wir einen Bedarf an höherer Milchleistung haben, sind mit diesem Wachstumshormon zahlreiche Probleme verbunden. Was die Tiere selbst betrifft, so sind sie krankheitsanfälliger, leiden häufiger an Entzündungen. Außerdem sind sie wegen der enormen Milchleistung, die sie erbringen müssen, früh ausgelaugt und müssen schon nach wenigen Jahren der Milchproduktion geschlachtet werden. Man kann diese Kühe auch nicht mit dem traditionellen Futter für Rinder, nämlich Gras oder Heu, füttern. Sie brauchen eiweißhältiges Kraftfutter und werden so praktisch zum Nahrungskonkurrenten des Menschen. Was die Konsumenten betrifft, so steht diese Milch im Ruf Tumorwachstum zu fördern. In Europa ist der Einsatz von rBST verboten, in den USA, wo Hormone in der Tierzucht generell erlaubt sind, ist seine Verwendung zugelassen. Allerdings wehren sich auch in den USA gerade in der letzten Zeit Verbraucherverbände dagegen. Und immer mehr Lebensmittelkonzerne und Handelsketten setzen auf Milch, die frei von Wachstumshormonen ist.

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Gentechnisch veränderte Tiere in der medizinischen Anwendung Zwei Forschungsrichtungen beschäftigen sich mit gentechnisch veränderten Haustieren, die nicht der Nahrungsmittelproduktion, sondern der medizinischen Anwendung dienen. Da es häufig verwendete Nutztiere betrifft, sollen sie, ähnlich den Pharmapflanzen, hier ergänzend behandelt werden, auch wenn sie beide ebenfalls zum Bereich der Gentechnik in der Medizin, also zur Roten Gentechnik, gehören. Einer dieser Bereiche ist das Pendant zu den Pharmapflanzen in der Tierzucht; man spricht auch von 'gene farming': Milchgebende Tiere sollen so umgebaut werden, dass sie verschiedene Medikamente mit ihrer Milch erzeugen. Es gibt einige dieser Tiere, die tatsächlich in ihrer Milch Medikamente haben. Diese Milch ist natürlich als Milch unbrauchbar, sie ist ein reines Medikamentenlager. Sie dient nur dazu, aus ihr das Medikament zu isolieren. Selbstverständlich kann das Muttertier seine Jungen auch nicht säugen, da diese mit der Milch das Medikament mittrinken würden. Bei dieser Methode wird das Klonen von Tieren interessant. Wenn man diese Tiere klont, bekommt man genetisch identische Kopien, die alle diese Medikamente erzeugen. Insgesamt scheint aber die Produktion von Medikamenten in Pflanzen offensichtlich bedeutend einfacher zu sein, weshalb diese Forschung mehr forciert wird und schon viel erfolgreicher war und ist. Der zweite hier zu erwähnende Bereich ist die Produktion von transgenen Schweinen für die Transplantationsmedizin für so genannte Xenotransplantate (Transplantate von einer anderen Spezies). Wegen des akuten Mangels an menschlichen Organen versucht man schon seit längerer Zeit Schweine genetisch so zu verändern, dass ihre Organe weniger heftig abgestoßen und deswegen in der Humanmedizin als Transplantate verwendet werden können.

Es stellt möglicherweise eine zusätzliche Belastung dar zu wissen, dass man mit Tierorganen weiterlebt. Man darf diesen psychologischen Aspekt nicht ignorieren, gibt es doch Vermutungen, dass etwa die Hälfte der Abstoßungsreaktionen bei Organtransplantationen seelisch bedingt ist. Vor allem aber bergen Xenotransplantate unvorhersehbare Risiken. Es besteht die Gefahr, dass in Schweinen vorkommende Viren sich dabei an den Menschen anpassen und bislang unbekannte Krankheiten, eventuell sogar Seuchen auslösen können. Darüber hinaus wird der ethische Aspekt diskutiert, inwieweit der Mensch das Recht hat Tiere so zu instrumentalisieren, dass diese von ihrer Genetik her zum bloßen Ersatzteillager für den Menschen werden.

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Lebensmittelzusätze aus gentechnisch veränderten Mikroorganismen

Fast unüberschaubar ist der Bereich der Produktion von Lebensmittelzusätzen, Enzymen, etc. zur Bearbeitung von Lebensmitteln, die mit gentechnisch veränderten Mikroorganismen erzeugt werden. Die derzeitigen Ernährungstrends mit immer mehr Teil- und Ganzfertigwaren verlangen nach immer mehr Zusätzen und Nahrungsergänzungen – gar nicht zu reden vom wachsenden Markt des 'functional food'. Viele dieser Zusätze können mit Hilfe gentechnisch veränderter Mikroorganismen rascher, leichter und billiger hergestellt werden, als dies konventionell möglich ist. Das gilt auch für Enzyme in der Waschmittelindustrie. Ebenso können Mikroorganismen, die in der Nahrungsmittelproduktion (Yoghurt, Bier, Würste, . . .) verwendet werden, gentechnisch optimiert oder mit Zusatzfunktionen versehen werden, sodass die Produktion schneller, mit größerer Effizienz, etc. erfolgt. Unabsehbar ist auch die Entwicklung im Bereich der Zusätze aus Sojabohnen, Mais und anderen stärkehaltigen Produkten, wie etwa Glukosesirup aus Stärke. Solche Produkte sind in wirklich sehr vielen industriell gefertigten Nahrungsmitteln enthalten. Eine Deklarationspflicht besteht derzeit nur, wenn der gentechnisch veränderte Zusatz nachweisbar ist. Das ist eher selten der Fall. Deklarationspflicht besteht auch, wenn der gentechnisch veränderte Organismus im Produkt enthalten ist. Die Anwendung beginnt bei einfachen Zusätzen, wie Vitaminen und Geschmacksstoffen, Geschmacksverstärkern, Süßstoffen, sei es Aspartam oder Glukosesirup aus gv Mais; und reicht bis zu komplexeren Molekülen, wie die oben erwähnten Enzyme. All dies hat heutzutage vielseitige Verwendung. Man muss nur einmal die Produktdeklaration irgendeines Teil- oder Ganzfertiggerichtes, eines Kekses oder eines anderen verpackten Produktes durchlesen, um zu sehen wie allgegenwärtig Lebensmittelzusätze sind. Somit ist die Palette der Produkte, die gentechnisch erzeugt werden können, enorm. Enzyme finden vor allem in der Backindustrie Verwendung. Einerseits findet man sie in den vielen halbfertigen Teigen, die in jedem Supermarkt frisch aufgebacken werden, andererseits aber auch in Broten, um die Kruste zu verbessern oder sie länger weich zu erhalten. Außerdem kommen Enzyme in der Wurst und auch in der Käseproduktion zur Anwendung. Sie werden ebenfalls in Waschmitteln verwendet; aber diese essen wir ja nicht. Bier kann mit gentechnisch verändertem Getreide erzeugt werden, was nicht nachweisbar ist; es können aber auch gentechnisch veränderte Hefen zum Einsatz kommen, wie dies seit einigen Jahren in England praktiziert wird. Bei der Herstellung von alkoholreduzierten oder alkoholfreien Bieren könnte die Gentechnik zum Einsatz kommen. Bislang sind keine unerwünschten Effekte nachgewiesen worden. Aber es gibt auch kaum Risikoforschung. Nicht auszuschließen ist allerdings auch hier ein Allergierisiko. Ein Problem liegt generell in der Verwendung der großen Anzahl an Lebensmittelzusätzen, Fertiggerichten etc., die teilweise gesundheitlich bedenklich und meist von zweifelhaftem Ernährungswert sind; die ohne die Möglichkeiten der Gentechnik wahrscheinlich nicht in diesem Ausmaß vorhanden wären.

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Zu denken gibt das L-Tryptophan Problem, dessen Auftreten allerdings schon so viele Jahre zurückliegt, dass es fast in Vergessenheit geraten ist. Ein japanischer Konzern ist vor Jahren für die Produktion von L-Tryptophan, einem Zusatz in Beruhigungsmitteln und Kraftnahrung für Sportler, auf gentechnisch veränderte Bakterien umgestiegen. In der Folge erkrankten zahlreiche Menschen, die die Medikamente eingenommen hatten; weltweit starben 30 Personen. Mit der Rückkehr zu den alten, nicht manipulierten Bakterienstämmen traten diese teilweise sogar tödlichen Auswirkungen nicht mehr auf. Die Ursache für die Krankheiten und Todesfälle wurde nie ganz geklärt. Wahrscheinlich ist, dass die gentechnische Manipulation den Stoffwechsel der Bakterien stärker als geplant verändert hat und ein zusätzliches Produkt erzeugt worden ist, das unerkannt blieb und die tödlichen Effekte ausgelöst hat. Unerwartete Nebeneffekte tauchen, wie schon mehrfach erwähnt, in gentechnisch veränderten Lebewesen systembedingt immer wieder auf und stellen deswegen ein nie ganz auszuschließendes Risiko dar.

Schlussüberlegungen Abschließen möchte ich dieses Kapitel mit einem Zitat der Schweizer Biologin und Mitglied der eidgenössischen Ethikkommission Florianne Köchlin, die dabei von einem mehr theoretischen, biologischen Gesichtspunkt ausgeht: „Ich hege große Skepsis gegenüber der massenhaften gentechnischen Veränderung von Pflanzen. Das sind immer noch krude Eingriffe, bei denen weder der Ort noch die Anzahl der eingebrachten Fremdgene kontrolliert werden können. Cesare Gessler vom Institut für Pflanzenpathologie an der ETH Zürich, nennt die Gentechnik, die heute bei Pflanzen üblich ist, eine Dinosauriertechnik, wo wir nicht wissen, in welche komplexen Zusammenhänge wir eingreifen, welche epigenetischen Netzwerke gestört werden. Und gerade solche ersten Einblicke in die immense Komplexität dynamischer Netzwerke, die es Zellen, Organen und Lebewesen ermöglichen, flexibel auf Umweltänderungen zu reagieren, legen nahe, dass es eine andere Herangehensweise braucht. Der lineare und mechanistische Ansatz der Gentechnik, geeignet allenfalls für molekulare Maschinen, greift zu kurz.“ (http://www.blauen-institut.ch/Pg/pG/pGn/a_Gd.html). Was hier über die gentechnische Veränderung von Pflanzen gesagt wird, gilt gleicherweise auch für die Manipulation von anderen Lebewesen.

Medizinische Anwendung Die direkte medizinische Anwendung der Gentechnik stößt auf weniger Ablehnung. Dies gilt insbesondere für die Produktion von Medikamenten – verständlich, kann doch jede/r in die Situation kommen ein derartiges Medikament zu brauchen. Außerdem hat man vor der Medizin und vor Krankheiten oft sehr viel Respekt.

Produktion von Medikamenten

Dies ist ein besonders stark expandierender Zweig der Medizin, mit immer neuen Produkten. Oft handelt es sich um körpereigene Stoffe, von denen bei manchen Menschen entweder generell zu wenig erzeugt wird oder von denen zu bestimmten Zeiten, im

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Krankheitsfall, mehr gebraucht wird. Die Technik ist die, dass man in Bakterien das Gen, also die Bauanleitung für den entsprechenden Stoff, einbaut und diese so gentechnisch veränderten Bakterien dann dazu bringt dieses Medikament zu erzeugen. Nachdem Bakterien sich sehr schnell vermehren (sie verdoppeln sich unter guten Bedingungen alle 20 bis 30 Minuten), kann man auf diese Weise die gewünschte Menge des Medikamentes erzeugen. Am Anfang dieser Entwicklung stand gentechnisch hergestelltes Humaninsulin für Diabetiker. Das früher nur von Schlachttieren stammende Insulin hat bei PatientInnen gelegentlich Unverträglichkeiten ausgelöst, was man zu umgehen hoffte durch den Einsatz von Insulin aus Bakterien, denen man das menschliche Insulingen eingesetzt hatte. Inzwischen ist vorwiegend Humaninsulin auf dem Markt und die tierischen Insuline werden immer seltener. Humaninsulin hat den Nachteil, dass der hypoglykämische Schock, der Unterzucker, wie man diesen Zustand auch nennt, sich wenig deutlich anzeigt, was für Betroffene sehr unangenehm bzw. gefährlich sein kann. Bei tierischen Insulinen kündigt sich der Zustand des akuten Blutzuckermangels, der zum Kollaps führen kann, deutlicher und früher an und die Betroffenen können geeignete Gegenmaßnahmen ergreifen, was bei Humaninsulin gelegentlich nicht mehr gelingt. Die Hoffnung, dass Humaninsulin keine Unverträglichkeiten haben wird, wurde leider auch nicht erfüllt. Eine vor kurzem bekannt gewordene Übersichtsstudie zum Einsatz von Humaninsulin sieht keine Vorteile gegenüber den alten tierischen Insulinen. Es hat außerdem den Nachteil teurer zu sein als tierisches Insulin. Eines der Probleme für Menschen, die Humaninsulin nicht vertragen, ist das erwähnte Verschwinden der tierischen Insuline vom Markt. Seit einiger Zeit sind gentechnisch hergestellte Insulinanaloga, auch Kunstinsulin genannt, auf dem Markt. Kunstinsulin ist ein gezielt verändertes Insulin, von dem es mehrere verschiedene Sorten gibt. Insulinanaloga dienen neuerdings als Ausweg für Menschen mit Unverträglichkeit gegenüber Humaninsulin. Sie sind allerdings sehr teuer und stehen im Verdacht das Tumorwachstum zu fördern. Vor seiner Einführung und Zulassung durch die Behörden wurden keine Untersuchungen über Langzeitwirkungen durchgeführt; was gerade bei Insulin wichtig wäre, da Diabetiker ja jahre- bis jahrzehntelang Insulin brauchen. Verglichen mit den alten tierischen Insulinen sind die gentechnisch hergestellten wesentlich teurer - eine nicht zu unterschätzende Belastung für das Gesundheitswesen. In Summe scheinen Diabetikervereinigungen und einzelne Diabetologen das Humaninsulin etwas kritischer zu beurteilen als viele Ärzte und die Pharmaindustrie. Ein anderes bekanntes gentechnisch hergestelltes Medikament ist das Erythropoetin, das die Blutbildung anregt. Es hat sich inzwischen zu einem beliebten Dopingmittel im Spitzensport entwickelt, kann allerdings mit den entsprechenden Analysen nachgewiesen werden. Der illegale Einsatz als Dopingmittel gilt auch für das gentechnisch hergestellte Wachstumshormon. Wachstumshormon kann medizinisch bei einigen Formen von Minderwuchs eingesetzt werden und ergibt eine Wachstumssteigerung von ca. 10%. Neben dem Missbrauch im Sport wird Wachstumshormon auch gelegentlich missbräuchlich von Eltern für ihre zwar normal- aber kleinwüchsigen Kinder verwendet. Was medizinisch höchst problematisch ist, da Wachstumshormon vielfältige Wirkungen im Körper entfaltet. Der unkontrollierte Einsatz, wie z. B. als Dopingmittel, hat gravierende medizinische Nebenwirkungen. Ein anderes Beispiel sind Gonadotropine, Hormone, die bei der künstlichen Befruchtung zur Erhöhung der Eizellreifung eingesetzt werden, oder Interferone, die entweder bei Multipler Sklerose oder bei einigen seltenen Tumoren

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verwendet werden. Schließlich sei noch der Gerinnungsfaktor VIII erwähnt, der den meisten Menschen mit Hämophilie (Bluterkrankheit) fehlt und der früher aus Spenderblut hergestellt worden ist. Ebenso werden vermehrt Impfstoffe auf gentechnischem Weg hergestellt. Insgesamt haben die gentechnischen Medikamente zu einem Teuerungsschub im Gesundheitswesen geführt.

Dies ist auch einer der Kritikpunkte, dass nämlich immer mehr Geld für aufwändige Spezialitäten verwendet wird und dafür die Basisversorgung zunehmend zu kurz zu kommen droht. Andere kritische Fragen in diesem Zusammenhang wären, ob alle Medikamente wirklich sinnvoll sind, oder ob man für ein Produkt einen Absatzmarkt gesucht und gefunden hat (Interferon wurde anfänglich erzeugt, weil man hoffte es in der Krebstherapie einsetzen zu können. Bis auf einige Krebsarten hat es sich aber als erfolglos erwiesen. Daraufhin suchte man intensiv nach einer Verwendung und fand schließlich, dass es bei Multipler Sklerose verlangsamend auf die Krankheitsschübe wirkt, wo es jetzt hauptsächlich eingesetzt wird). Oder wie im Falle des Insulins, wie oben erwähnt, wo mit der Produktion der gentechnisch erzeugten Insuline, die ökonomisch weitaus günstigeren tierischen Insuline weitgehend fallen gelassen worden sind und Patientinnen und Patienten, die die Humaninsuline nicht vertragen auf die teuren und nicht unriskanten Kunstinsuline angewiesen sind. Nicht diskutiert ist die Frage, ob Freiwerden von Mikroorganismen, die Medikamente produzieren, nicht Probleme in der Umwelt machen kann. Tatsächlich konnte man gentechnisch veränderte Medikamente im Abwasser von Fertigungsanlagen nachweisen. An sich werden Bakterien, die zur Medikamentenproduktion dienen, verkrüppelt, so dass sie in der Natur nicht lange überleben können, sodass daher kein großes Risiko drohen sollte. Nicht auszuschließen ist aber, dass gentechnisch veränderte Medikamente produzierende Bakterien diese Eigenschaft an andere Bakterien weitergeben Offen ist auch die Frage, ob diese humanidenten, also nicht vom Menschen produzierten aber den menschlichen Stoffen mehr oder weniger identen Stoffe, nicht eventuell Autoimmunerkrankungen auslösen können. Und natürlich muss man bei jedem aufwändigen medizinischen Verfahren fragen, ob man die Energie nicht lieber in Vorbeugen, also Ursachenbehandlung stecken oder ganzheitliche Behandlungsmethoden besser erforschen sollte.

Ein neuer Bereich der gentechnischen Pharmaforschung ist die Pharmacogenomic. Dabei versucht man auf Grund von genetischen Unterschieden herauszubekommen, welches Medikament für wen passt, welches die kleinsten Nebenwirkungen hat, oder welches wirkungslos sein wird. Man spricht von maßgeschneiderten Medikamenten. Mit Hilfe von Gentests sollen PatientInnen einmal vor der Verschreibung untersucht werden, ob jemand auf Grund seiner Gene für ein bestimmtes Medikament geeignet ist. Auch wenn die Pharmafirmen intensiv an solchen Fragestellungen arbeiten, wird es wohl noch eine Zeit dauern und es fragt sich für wie viele Medikamente die passenden Menschen mittels Gentest gefunden werden können. Der allgemeine Aufwand mit Gencheck für Jedermann vor der Medikamentenverabreichung muss beträchtlich sein. Allerdings würde das eine Menge unnützer, ungezielter Behandlungen ersparen oder Therapien weitaus wirkungsvoller machen.

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Mögliche Probleme liegen auch hier eher im sozialen oder zwischenmenschlichen Bereich.

Was macht jemand für den die gängigen Medikamente nicht gut passen, ein Therapieversager? Er fällt aus dem System vielleicht hinaus und wird zur neuen Randgruppe. Die Richtung der Medikamentenentwicklung könnte sich ändern: Suchte man früher nach Medikamenten für möglichst viele Menschen, kann es sein, dass man künftig nach genetisch passenden Menschen für ein Medikament sucht. Ist es nicht sinnvoller den gesamten Behandlungsablauf zu optimieren als nur ein einzelnes Medikament? Wo liegen die Prioritäten, die wir setzen? Vor allem aber wirken sich nicht nur Gene sondern sehr viele andere Faktoren auf die Wirkung eines Medikamentes aus, die dabei zu wenig beziehungsweise gar nicht beachtet werden. Diese Forschungsrichtung geht von einem veralteten Genbegriff aus und übersieht den, immer besser erkannten, Einfluss der Umwelt auf die Aktivität und Wirkung der Gene. Außerdem ist es gut dokumentiert, dass viel weniger das Genrepertoir, als vielmehr die soziale Situation eines Menschen für seine Gesundheit verantwortlich ist. Auch hier stellt sich die Frage nach den Prioritäten, die eine Gesellschaft setzt.

Gentherapie

Ein Bereich, von dem man sich Wunder erwartet hat, ist die Gentherapie. Die Erwartungen und Versprechungen erinnern sehr stark an die derzeitige Stammzellendiskussion, die auch ungeheure Heilserwartungen erweckt. Menschen mit defekten Genen sollen passende, intakte Gene bekommen und damit wirkungsvoll und für dauernd geheilt sein. Es schien sehr einfach, hat sich aber als problematischer erwiesen als gedacht und um die Gentherapie ist es etwas stiller geworden. Prinzipiell muss man zwei verschiedene Arten unterscheiden: Somatische Gentherapie und die Keimbahntherapie.

Somatische Gentherapie Bei der somatischen Gentherapie werden einzelne Zellen eines kranken Menschen gentechnisch verändert. Man entnimmt ihm die Zellen in denen das defekte Gen gebraucht wird, baut in diese Zellen Kopien des intakten Gens ein und transferiert dann die nun funktionstüchtigen Zellen zurück in den Körper. Das neue Gen wird meist mit Hilfe eines Virus in die menschliche Zelle transportiert. Dieses Virus wird vorher gentechnisch verkrüppelt, sodass es nicht mehr schadet. Man kann aber auch den Menschen als ganzes mit genbeladenen Viren sozusagen infizieren. Man hofft dabei, dass das Virus selbst den Weg in die richtigen Zellen finden wird und so die intakten Gene gleich in viele Zellen transportiert wird. Die meisten derartigen Versuche sind fehlgeschlagen. Einige hatten desaströse Folgen (s.u.). Trotzdem werden immer wieder Gentherapieversuche durchgeführt und in letzter Zeit gab es Teilerfolgsmeldungen. So wurde z.B. von einer teilweise erfolgreichen Therapie bei PatientInnen mit einer erblichen Krankheit, die zum Erblinden führt, berichtet. Durch die Therapie erhielten die PatientInnen teilweise das Augenlicht zurück. Alle diese Therapien

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befinden sich noch im Versuchsstadium. Die Gentherapie wird derzeit auch in der Krebstherapie eingesetzt mit dem Ziel einzelne Tumore lokal zur Regression zu bringen. Durchbrechende Erfolge sind aber auch hier bislang ausgeblieben. Nicht vergessen werden soll, dass im sportmedizinischen Bereich, oder vielleicht besser im Dopingbereich zu bezeichnen, der Einsatz der Gentherapie zur Leistungssteigerung nicht nur diskutiert, sondern im Tierversuch erforscht wird.

Die Technik ist mit verschiedenen Risiken verbunden: Weil die Erbanlagen aufeinander abgestimmt sind und ein geordnetes komplexes Ganzes bilden, weiß man nie, ob man nicht beim Einbau zusätzlicher Gene gleichzeitig einen Schaden im Genom setzt oder unvorhergesehene Prozesse auslöst. Dies ist ein der Gentechnik generell anhaftendes Risiko und es gibt, wie schon früher berichtet, etliche Beispiele dafür, dass gentechnische Veränderungen gänzlich unerwartete Effekte gezeigt haben. Bei den verwendeten Viren handelt es sich meist entweder um krebserregende Viren (sie sollen, weil sie verkrüppelt sind, ungefährlich sein, können aber trotzdem zum Risiko werden, s. u.) oder um Schnupfenviren, die das Risiko bergen, dass sie im Körper Entzündungen auslösen. 1999 sind diese Viren einem 18 jährigen US Amerikaner zum Verhängnis geworden, der an einer Gentherapie gestorben ist. Im Zuge der anschließenden Nachforschungen fand man weitere Todesfälle im Zusammenhang mit Gentherapien. Anfang dieses Jahrhunderts, wurde bekannt, dass einige Kinder erfolgreich gentherapeutisch gegen eine angeborene Immunschwäche behandelt worden sind. Kurze Zeit später erkrankten zwei dieser Kinder an Leukämie, als Folge der Gentherapie. Schon Mitte der neunziger Jahre hat das amerikanische Nationale Gesundheitsinstitut (NIH) von Gentherapien abgeraten, da sie bei derzeitiger Technik kaum Erfolgsaussichten hätten. Trotzdem wird, vor allem im Tierversuch, an verschiedenen Gentherapien gearbeitet.

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Keimbahntherapie Die somatische Gentherapie verändert nur einzelne Zellen und damit nicht einen ganzen Menschen. Dies, nämlich die gentechnische Veränderung eines ganzen Individuums ist mit Hilfe der Keimbahntherapie möglich, bzw. man sollte besser sagen wäre möglich, da dieser Bereich der Gentechnologie, was den Menschen betrifft, nicht aktuell ist. Bei der Keimbahntherapie muss die Eizelle oder die Zygote, nach der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle gentechnisch verändert werden. Technisch geht man dabei so vor, dass unter dem Mikroskop mit einer hauchdünnen Kapillare die Fremd-DNA direkt in einen Zellkern injiziert wird. Als Begründung für die Keimbahntherapie wird vorgebracht, dass damit ein Mensch wirklich zur Gänze von Erbkrankheiten geheilt werden könnte und auch seine Nachkommen von dieser Krankheit verschont wären. Zumindest offiziell wird an der Keimbahntherapie beim Menschen nicht gearbeitet, für Tierversuche, die Erzeugung gentechnisch modifizierter Mäuse oder Ratten, oder anderer Labortiere, ist es eine häufig verwendete Methode in der Forschung.

Es gibt bei der Keimbahntherapie allerdings eine ganze Reihe von Bedenken, sowohl biologischer als auch ethischer/religiöser Natur. Biologische: Die Gefahren der unerwarteten Nebeneffekte, wie sie auch bei der somatischen Gentherapie vorhanden sind, wiegen hier natürlich viel schwerer, weil nicht nur einzelne Zellen, sondern der ganze Mensch geschädigt würde, samt eventuellen Nachkommen. Solche möglichen Schädigungen wären außerdem nicht vorhersehbar und würden sich möglicherweise erst während der Schwangerschaft oder nach der Geburt zeigen. Das Risiko ist also beim derzeitigen Stand der Technik unverantwortbar hoch. Keimbahntherapie ist nur bei künstlicher Befruchtung möglich und beinhaltet alle Risiken und Probleme einer solchen für die betroffene Frau. Ethisch/religiöse: Wer entscheidet was geändert werden soll, welche Anlagen akzeptabel sind und welche nicht? Behandelnde ÄrztInnen, die Eltern, in einem totalitären Regime die Regierung, . . . ? Mit welchen Anlagen ist ein Mensch akzeptiert und welche machen ein Kind unakzeptabel? Darf überhaupt irgendjemand in einen Menschen so eingreifen, dass seine Erbanlagen geändert werden - ohne Zustimmung der Betroffenen? Nachdem die Keimbahn verändert ist, werden solche künstlich gesetzten Mutationen ja an die Nachkommen weitergegeben, die man auch alle nicht fragen konnte. Kinder würden nach den Interessen und Wünschen von Eltern, ÄrztInenn gestaltet – ein sehr tiefgreifender Eingriff in das Leben eines Menschen. Letzten Endes würde die Keimbahntherapie auf Menschenzucht hinaus laufen. Man stelle sich dabei ein totalitäres Regime vor oder einfach sehr ehrgeizige Eltern.

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Gendiagnose

Die Gene, Erbanlagen der Menschen, werden weltweit intensiv erforscht. Man hat ja, wie oben erwähnt im Frühjahr 2001 die Sequenzierung, das Ablesen aller Gene des Menschen, gefeiert. Für immer mehr Erbkrankheiten werden genetische Ursachen gefunden und Gendiagnosen entwickelt. Man kann genetisch bedingte Krankheiten also u. U. vorhersagen. Spricht man von genetisch bedingt, muss man zwischen so genannten monogen vererbten Krankheiten und polygen vererbten Krankheiten unterscheiden. Monogen vererbte Krankheiten Im Fall der monogen vererbten Krankheiten oder Leiden liegt die Ursache in einem einzigen veränderten Gen. Es besteht also eine relativ einfache Wirkungsbeziehung zwischen Gen und Erkrankung, auch wenn der Grad der Erkrankung von Mensch zu Mensch variieren kann. Diese Krankheiten werden nach den Mendel’schen Regeln vererbt. Meist sind sie rezessiv vererbt, d. h. sie treten nur dann auf, wenn von beiden Elternteilen das defekte Gen kommt. Kommt der Fehler nur von einem Elternteil, wirkt er sich nicht aus, da er von der intakten Erbanlage des anderen Elternteils kompensiert wird. Wir alle tragen vermutlich einige solcher rezessiver Gendefekte, von denen wir nichts wissen und die sich auch bei unseren Kindern nur auswirken können, wenn der andere Elternteil zufällig genau den gleichen Gendefekt beisteuern würde. Im Falle der monogen vererbten Krankheiten liefert eine Gendiagnose eine sehr verlässliche Information, dass man diese Krankheit hat bzw. haben wird, wenn sie später ausbrechen sollte (s. u.), oder eben nicht. Trotzdem führt die Anwendung in der Praxis zu zahlreichen Problemen.

Man hat in die Erforschung der Gene hohe Erwartungen und Hoffnungen gesetzt; man könne dadurch Therapien finden und erhofft dies immer noch. Tatsächlich hat das Wissen um die molekularen Ursachen der Gendefekte bislang kaum Auswirkungen auf mögliche Therapien gehabt. Es gibt für die wenigsten dieser Erbkrankheiten eine Therapie im Sinne einer Heilung der Krankheit. Manchmal kann man die Folgen mildern oder bekämpfen; allerdings geht das eher mit konventionellen medizinischen Methoden, unabhängig von genetischen Forschungen. Man weiß nun über die Krankheit bescheid, kann aber in vielen Fällen nichts dagegen tun. Das Ausmaß/die Schwere der Krankheit oder des Leidens ist darüber hinaus auch nach einer Gendiagnose nicht vorhersehbar und kann von Mensch zu Mensch variieren. Ein Beispiel dafür ist die cystische Fibrose, auch Mucoviscidose genannt. Menschen mit dieser Krankheit produzieren in verschiedenen Organen, besonders aber in den Lungen oder auch der Bauchspeicheldrüse große Schleimmengen, die nicht abgebaut werden können. Kinder mit cystischer Fibrose brauchen sehr viel Pflege und Betreuung. Früher starben sie meist früh, vor allem an Lungenkomplikationen. Die Prognose hat sich durch verbesserte Therapien, wie schleimlösende Medikamente deutlich verbessert. Welches Gen defekt ist, ist seit langem bekannt, ohne dass dieses Wissen zum Fortschritt in der Therapie beigetragen hätte. Auch konnte man beobachten, dass es viele verschiedene Ausprägungen der Krankheit gibt, von schwerer Beeinträchtigung bis zu leichten Problemen – ohne dass man das auf Grund der Gendiagnose voraus sagen könnte. Für weitere Beobachtungen ist die cystische Fibrose beispielhaft: Man hat viele

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verschiedene Veränderungen des entsprechenden Gens gefunden, die alle zu cystischer Fibrose führen können. Aber es ist irrelevant für die Therapie, welche Veränderung nun im Einzelfall vorliegt. Manche Erbkrankheiten treten erst nach Jahren auf. Ein Beispiel dafür ist Corea huntington (erblicher Veitstanz), die sich erst nach Jahren (je nach Lehrbuch nach 40 oder 50 Jahren) zeigt. Sie führt dann allerdings innerhalb weniger Jahre zum Tod durch Zerstörung des Gehirns. Bis dorthin führt man ein normales Leben. Wenn man die Diagnose mit 20 Jahren gestellt bekommt, lebt man die nächsten Jahrzehnte mit dem dauernden Wissen noch vor dem hohen Alter an Zerstörung des Gehirns zu sterben. Wie lebt man mit solchem Wissen? Tatsache ist, dass nur ein Teil jener Menschen, die auf Grund der Familiensituation ein Corea huntington–Risiko haben, sich auch wirklich genetisch untersuchen lassen. Man muss aber auch bedenken, dass das Wissen um voraussehbare Krankheiten oder früher Tod im Einzelfall auch zu einem bewussten und damit erfüllteren Leben führen kann. Es kann auch Entscheidungen bezüglich Familien- und Kinderplanung beeinflussen oder auch erleichtern.

Polygen vererbte Krankheiten und die Umwelt Neben den monogen vererbten Krankheiten mit ihren überschaubaren genetischen Ursachen werden seit vielen Jahren auch und gerade für Krankheiten oder Eigenschaften mit komplexen Ursachen verantwortliche Gene gesucht. Es geht dabei vor allem um häufige Krankheiten oder Leiden wie Krebs, Anfälligkeiten und Neigungen für chronische Krankheiten wie Herz- und Kreislauferkrankungen, aber auch Adipositas und viele andere mehr. Es sind dies Krankheiten oder Leiden bei denen zahlreiche Gene eine Rolle spielen – weswegen man von polygener Veranlagung spricht. Wobei man weit davon entfernt ist verantwortliche Gene zu kennen. Diese Krankheiten sind außerdem von einer mehr oder weniger großen Zahl von Umweltfaktoren abhängig. Dabei sind weder die genetischen Zusammenhänge noch der Beitrag der Umwelt eindeutig geklärt. Abgesehen davon, dass man inzwischen weiß, dass es praktisch unmöglich ist etwas eindeutig den Genen oder der Umwelt zuzuordnen (siehe abschließende Bemerkungen). Was man auf der Suche nach verantwortlichen Genen bestenfalls findet, sind einzelne Gene, die im Zusammenhang mit einer bestimmten Krankheit gehäuft auftreten. Wobei weder die Anwesenheit dieses Gens etwas darüber aussagt, ob die Erkrankung tatsächlich eintreten wird, noch seine Abwesenheit die Garantie gibt, die Krankheit nicht zu bekommen. Besonders bekannt sind in diesem Zusammenhang die so genannten Brustkrebsgene, die laut Aussagen der Medizin das Risiko an Brustkrebs zu erkranken um 80% erhöht. Das heißt natürlich nicht, dass alle TrägerInnen (auch Männer können, wenngleich selten an Brustkrebs erkranken) Brustkrebs bekommen werden, sondern, dass das Risiko entsprechend erhöht ist. Gleichzeitig ist neben Brustkrebs auch das Risiko für Eierstockkrebs erhöht. Aber Brustkrebs ist nur in wenigen Fällen an diese Gene gekoppelt. Nur bei ca. 5% aller Mammacarcinome kommen diese Brustkrebsgene überhaupt vor. Die Hauptmasse der Brustkrebserkrankungen taucht völlig unabhängig von diesen Genen auf. Es kann eine derartige vorausschauende Diagnose, man spricht deswegen oft auch von prädiktiver Medizin, oft nicht wesentlich mehr sagen, als eigentlich ohnehin immer schon bekannt war, nämlich, dass in manchen Familien bestimmte Krankheiten gehäuft auftreten und deswegen ein höheres Risiko herrscht. Was eine solche Gendiagnose allerdings schon

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kann ist - bei positivem Befund - ein höheres Risiko individuell zuzuordnen oder – bei negativem Befund - auszuschließen. Letzteres würde aber nicht ausschließen, dass man die Krankheit nicht doch bekommen kann - siehe Brustkrebsgene. Während ersteres noch nicht bedeutet, dass man wirklich erkranken wird. Neben Genen für eindeutige Krankheiten werden auch immer wieder Gene für Verhaltenseigenschaften, wie z. B. Homosexualität, Intelligenz oder diverse soziale Fähigkeiten und Verhaltensmuster gesucht. Regelmäßig wird berichtet, dass für die eine oder andere Eigenschaft verantwortliche Gene gefunden worden seien; Beobachtungen, die allerdings langfristig oft nicht bestätigt werden können.

Zu bedenken ist dabei, dass ein genetischer Befund ein weitaus größeres Gewicht hat als nur die vage Beobachtung, dass in einer Familie Krankheiten gehäuft auftreten. Es ist auch ein personenbezogener Befund, der jetzt ein Risiko persönlich zuordnet und keinen Spielraum, ein „vielleicht bin ich nicht betroffen“, offen lässt. Eine Gendiagnose hat auch, und das besonders in unserer gengläubigen Zeit ein höheres Gewicht. In den USA und Großbritannien haben sich Frauen auf die Gendiagnose Brustkrebsgen hin beide Brüste amputieren lassen und in beiden Ländern ist dies eine von Ärzten gelegentlich empfohlene „Therapie“. Was neben allem anderen die Tatsache außer Acht lässt, dass Brustkrebs nicht die einzige Krebsart ist, die durch ein und dasselbe Gen vermehrt auftritt. Die voraussagende Medizin kann Menschen dazu veranlassen vorsorglich mit ihrem Leben umzugehen, Risikofaktoren vermehrt zu meiden, Vorsorgemedizin und Frühdiagnosemöglichkeiten zu nützen etc. und dadurch zum Vorteil werden. Voraussagende Medizin kann aber auch apathisch wirken und Zukunftsangst machen, wie es einmal eine Frau mit diagnostiziertem Brustkrebsgen ausgedrückt hat, dass man nur noch wie das Kaninchen vor der Schlange dasitze und auf den Ausbruch der Krankheit warte. Vor allem macht so eine vorausschauende Gendiagnose gesunde Menschen zu PatientInnen, die nun medizinische Betreuung brauchen, obwohl sie eigentlich noch gesund sind. Menschen, die wahrscheinlich jahrzehntelang als gesund gegolten und sich auch so gefühlt hätten. Durch die Gendiagnose aber sind sie für den Rest ihres Lebens PatientInnen, auch dann, wenn sie noch gesund sind. Mit äußerstem Misstrauen sind genetische Befunde, für irgendwelche Wesen- Verhaltens- oder Sozialeigenschaften zu werten. Es handelt sich dabei um äußerst komplexe Eigenschaften mit ungeklärter Beteiligung von genetischen und Umweltfaktoren. Neuere Untersuchungen aus dem Bereich des Verhaltens und der Neurobiologie deuten sehr auf eine wichtige Rolle von Umweltkomponenten, bzw. eine enge Verflechtung von genetischen und Umweltfaktoren, die letztlich nicht zu trennen sind, hin.

Das Recht auf Nichtwissen Für den Umgang mit Gendiagnosen wäre es wichtig, dass PatienInnen nicht gezwungen oder auch nur gedrängt werden dürfen eine Gendiagnose an sich durchführen zu lassen. Jede/r muss mit der eigenen Gendiagnose selber leben und damit zurecht kommen und deswegen ein Recht auf Nichtwissen über mögliche Krankheiten oder Leiden haben. Neben dem ganz persönlichen Bereich gibt es im Zusammenhang mit Gendiagnosen und prädiktiver Medizin auch soziale Aspekte zu bedenken, die im Folgenden besprochen werden.

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ArbeitgeberInnen und Gendiagnosen In Östererreich ist es ArbeitgeberInnen verboten, vor einer Anstellung nach Gendiagnosen zu fragen oder einen genetischen check up zu verlangen. Schon die Forderung ist strafbar. Dies ist allerdings nicht überall so. In den USA ist es nicht unüblich, dass BewerberInnen für höhere Positionen im Zuge der Bewerbung ein Haar abzugeben haben, ohne dass sie erfahren würden, was damit alles untersucht wird. Auch kommt es vor, dass vor der Anstellung eine genetische Untersuchung verlangt wird.

Dies schafft neue Diskriminierungen, diesmal auf Grund der Gene, die ein Mensch hat. Wer wird jemand einstellen, dem/der ein erhöhtes Herzinfarktrisiko mit einem Gentest bescheinigt worden ist? Gefahr besteht auch, dass eines Tages ein Arbeitgeber statt die Arbeitsplätze verträglich zu gestalten einfach nur noch Menschen einstellt, die auf Grund ihrer genetischen Disposition mit den vorhandenen ungesunden Arbeitsbedingungen zurecht kommt.

Krankenkassen Ähnlich wie im Arbeitsrecht ist es in Österreich auch im Bereich des Versicherungswesens verboten vor Abschluss eines Versicherungsvertrags nach einer genetischen Untersuchung zu fragen. Aber auch hier ist es nicht überall so. Schon seit 1990 darf in Großbritannien eine Versicherung bei Verdacht auf Corea Huntington eine diesbezügliche Gendiagnose verlangen. In den USA ist es nicht unüblich, dass Versicherungen genetische Untersuchungen vor dem Abschluss eines Versicherungsvertrages erwarten. Das Ziel für die Versicherung ist es, ihr Risiko zu minimieren. Denn zu erwartende Erkrankungen können aus dem Versicherungsvertrag genommen werden. Es gibt dokumentierte Fälle in denen Versicherungen in den USA von Schwangeren mit Risiko für cystische Fibrose eine vorgeburtliche Untersuchung des Embryos verlangt haben, mit dem Hinweis, dass das Kind abzutreiben sei bei positivem Befund, da ein krankes Kind nicht versichert werde. Neuere Gesetze schränken diesen Missbrauch von Gendiagnosen auch in den USA stark ein.

Der Wunsch der privaten Versicherungen nach der Zulassung von Gendiagnosen vor Vertragsabschluss wird auch in Österreich und Deutschland immer wieder erhoben. So vorteilhaft es für die Versicherung ist, nachgewiesene aber noch nicht manifeste Krankheiten oder auch nur mögliche Schwächen aus dem Vertrag herausnehmen zu können, so desaströs wäre dies für die Versicherten.

Datentransfer All diese Überlegungen und Möglichkeiten führen zur wichtigen Frage, was mit einmal erhobenen genetischen Daten geschehen darf. Wer bekommt Zugang dazu? Wem und unter welchen Umständen dürfen sie weiter gegeben werden? Welche Rechte haben PatientInnen, jene Menschen von denen die Daten stammen? Wann und unter welchen Umständen werden genetische Daten vernichtet um Missbrauch zu verhindern? Wie kann überhaupt Weitergabe wirksam verhindert werden?

Legalen und illegalen Datentransfer hat es immer gegeben und wird es vermutlich weiter geben. Je persönlicher Daten sind, desto schwerwiegender können auch Folgen und Auswirkungen einer Datenweitergabe sein.

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Pränataldiagnosen Ein weiterer Bereich der Anwendung der Gendiagnosen ist der vorgeburtliche Bereich. Durch eine Untersuchung des Fruchtwassers oder eine Chorionzottenbiopsie (dabei werden Proben der Plazenta, die kindlichen Ursprungs ist, entnommen) kann man allfällige genetische Defekte des Kindes erkennen. Was früher eher selten war, wird immer mehr zur Routine. Besonders häufig sind Untersuchungen nach Down Syndrom. Mit zunehmenden Gentests können aber andere Erbkrankheiten diagnostiziert werden. Auch hier gilt, was oben gesagt worden ist. Es gibt meist zu einer Diagnose keine Therapie. Die Therapie ist die Abtreibung. Und tatsächlich kommt es in den meisten Fällen, in denen eine Behinderung des Kindes diagnostiziert worden ist, zur Abtreibung.

Problematisch ist, dass durch die Fruchtwasseruntersuchung, aber noch mehr durch die Chorionzottenbiopsie, es zum Tod des Kindes kommen kann, eventuell sogar Behinderungen ausgelöst werden. Das Risiko für einen ausgelösten Abort ist relativ hoch und wird je nach Literatur und Methode zwischen 1 und 3 % angegeben. Ab einem Alter von 36 Jahren wird Schwangeren eine Untersuchung auf Down Syndrom dringend empfohlen, da das Risiko, dass das Kind Down Syndrom hat, mit dem Alter der Mutter (je nach Literatur auch dem Alter des Vaters) zunimmt. Das Risiko, dass das Kind Down Syndrom haben wird, liegt mit 36 Jahren bei 1: 300. Gibt es aber ein Untersuchungsrisiko von 1%, dann heißt das, dass im Schnitt 3 Kinder, die wahrscheinlich gesund sind, nicht zur Welt kommen, um ein Kind mit Down Syndrom zu entdecken. Ein weiteres Problem ist die meist mangelnde Information über Möglichleiten der Hilfe und der Unterstützung, Frühfördermöglichkeiten, eventuell auch von Therapiemöglichkeiten nach der Geburt. Mütter/Eltern bräuchten bei einer Pränataldiagnose auf Behinderung psychologische Betreuung und Unterstützung. Eine solche steht aber nicht selbstverständlich zur Verfügung; die Mutter, die Eltern sind oft mehr oder weniger allein gelassen. Ärzte sind oft wenig informiert über die Fähigkeiten, die behinderte Menschen bei entsprechender Betreuung und Förderung haben und welche Betreuungsmöglichkeiten und Entwicklungsmöglichkeiten es tatsächlich gibt. Faktisch wird seitens der Medizin auf Frauen oft Druck ausgeübt humangenetische Untersuchungen in Anspruch zu nehmen und sie erleben meist wenig Verständnis, wenn sie sich dem Trend zum Trotz entscheiden das behinderte Kind zu behalten. 95% der Kinder, bei denen eine Behinderung nachgewiesen worden ist, kommen nicht zur Welt, weil die Schwangerschaft beendet wird. Wie alle Nachweise können auch genetische Diagnosen mit Fehlern behaftet sein. Zunehmende vorgeburtliche Diagnosen bergen immer die Gefahr, dass sich daraus ein Screening entwickelt, man gezielt nach Behinderten sucht. Wenn Behinderte und genetisch bedingt Kranke verhindert werden können und zunehmend nicht mehr zur Welt kommen, wird man vielleicht immer weniger in Förderungsmaßnahmen, Suche nach Therapien etc. investieren. Dabei haben die letzten Jahrzehnte gezeigt, dass die Möglichkeiten und Fähigkeiten von Behinderten, körperlich und geistig, weit über dem liegen, was man früher gedacht, auch nur im Entferntesten für möglich gehalten hat. Man hat das Gefühl, dass gerade dieses Wissen noch nicht zur Gänze in der Medizin Fuß gefasst hat – mit den entsprechenden Folgen für

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ärztliche, humangenetische Beratungen. Wenn man dazu übergeht Behinderte zu verhindern, dann verändert sich vielleicht das Klima in der Gesellschaft und die Toleranz gegenüber Behinderten, vor allem aber gegenüber Frauen, die ein behindertes Kind zur Welt bringen kann schwinden. Es ist zu befürchten, dass sich eines Tages eine Frau mit einem behinderten Kind wird sagen lassen müssen, sie sei selber schuld, sie hätte ja eine Pränataldiagnose und eine Abtreibung in Anspruch nehmen können. Dies ist eine der besonderen Gefahren der routinemäßigen Pränataldiagnosen. Aber Behinderungen sind nur ein Teil des Problems. Je mehr man dazu übergeht für alles und jedes Gene zu suchen, desto mehr verlangen wir nach dem perfekten Kind. Irgendwann einmal wird jemand Kinder abtreiben lassen, weil man ihnen eine Neigung zum dick werden vorhergesagt hat. In China und Indien werden Kinder jetzt schon abgetrieben, nur weil sie weiblich sind. Die Sucht nach dem perfekten Körper wird ergänzt durch die Sucht nach dem perfekten Kind mit den vermeintlich perfekten Genen.

Die Präimplantationsdiagnostik (PID) Im Zuge einer künstlichen Befruchtung ist es möglich den Embryo vor der Implantation auf Gendefekte zu untersuchen, man spricht dann von Präimplantationsdiagnostik (PID). Prinzipiell können zwei verschiedene Methoden unterschieden werden. Das eine ist die Polkörperdiagnostik. Dabei werden nicht Zellen des Embryos, sondern werden die Polkörperchen einer Gendiagnose unterzogen. Polkörperchen sind, vereinfacht gesagt, die Schwesterzellen der reifen Eizelle, die bald nach der Befruchtung zu Grunde gehen. Man kann von der genetischen Situation des Polkörperchens auf die der Eizelle schließen. Nachdem nur bei der Reifung der Eizellen, nicht aber bei der der Samenzellen, Polkörperchen entstehen, ist dabei die Suche nach genetischen Veränderungen auf die der Mutter beschränkt. Die andere Methode ist eine Untersuchung des Embryos. Diesem wird eine Zelle entnommen, die dann auf Gendefekte hin untersucht wird. Dabei wird das Genom des neuen Lebewesens, des Embryos, einer Kontrolle unterzogen. Diese Untersuchung ist für den Embryo riskant, da die Zellentnahme häufig zum Tod des Embryos führt. Die PID hat hauptsächlich zwei Ziele: Behinderungen sollen noch vor der Implantation des Embryos festgestellt werden, um Embryonen mit Risiko auf eine Erbkrankheit, Behinderung etc. gar nicht zu implantieren und auf diese Weise eventuell ein behindertes/krankes Kind zu verhindern, bzw. später einen Schwangerschaftsabbruch nach einer Pränataldiagnose unnötig zu machen Durch die PID soll andrerseits die Erfolgsrate der künstlichen Befruchtung gesteigert werden. Wenn Embryonen mit Gendefekten gar nicht implantiert werden, erwartet man, dass die in vitro Fertilisation weniger Ausfälle haben wird. Was dieses zweite Ziel betrifft, gibt es widersprüchliche Ergebnisse. Während Fertilisationskliniken und –institute von einer verbesserten Erfolgsrate nach PID berichten, kommen andere Studien zum Ergebnis, dass die PID keinen Einfluss auf den Erfolg einer künstlichen Befruchtung hat. Die PID soll vor allem bei bestehendem und erkanntem Risiko für eine Behinderung eingesetzt werden. Während die PID in einigen Staaten erlaubt ist, mit unterschiedlich vielen Einschränkungen, ist sie in Österreich und Deutschland verboten (mit Ausnahme der Polkörperdiagnose, bei der ja der Embryo nicht direkt untersucht wird). In beiden Staaten besteht aber deutlicher

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Druck seitens der Medizin und der Humangenetik das Verbot aufzulockern.

Es gibt auch bei der PID eine Reihe von Bedenken: Es ist unmöglich auf zahlreiche Erbänderungen gleichzeitig zu untersuchen. Man kann jeweils nur nach einigen Krankheiten suchen und bekommt natürlich nur für diese untersuchten Krankheiten oder Behinderungen eine Antwort. Durch die Untersuchung aber wird eventuell eine sehr hohe Erwartungshaltung erzeugt, dass das Kind sicher fei von unerwünschten Problemen ist; was ein unerfüllbarer Wunsch ist. Tatsächlich werden auch nach einer PID meist Pränataldiagnosen durchgeführt, die auch gelegentlich zu einem Schwangerschaftsabbruch führten, da dabei eine Behinderung festgestellt worden ist. Problematisch ist eine solche Erwartung auch, weil nur wenige Behinderungen genetisch bedingt sind, die Mehrzahl der Behinderungen aber während oder nach der Schwangerschaft entstehen. Wegen der hohen Ausfallsrate bei der PID werden sehr viele Eizellen gebraucht, die befruchtet werden müssen. Dementsprechend muss die Frau vorher hyperstimuliert werden um die hohe Eimenge ernten zu können. Eine Behandlung die nicht nur mit Unannehmlichkeiten , sondern mit einem gravierenden gesundheitlichen Risiko verbunden ist. Insbesondere Behindertenverbände weisen darauf hin, dass die PID per se behindertenfeindlich ist, da ihr Ziel ja die Verhinderung von behinderten Menschen ist. Was schon bei der Pränataldiagnostik gesagt worden ist, dass zu befürchten ist, dass es zu einer schleichenden Ablehnung von Behinderungen und Behinderten kommen kann, gilt auch hier. Da die PID ja dezidiert angewandt wird um unerwünschtes Leben auszusortieren, ist sie praktisch angewandte Eugenik (diesmal nicht aus rassischen Gründen sondern aus genetischen). Aus diesem Grund kann man die PID auch nicht direkt mit der Abtreibung vergleichen, was von Befürwortern oft gemacht wird. Eine Abtreibung ist meist die Folge einer ausweglosen oder als ausweglos empfundenen Situation. Es besteht schließlich die Gefahr, dass man mit der PID eine Türe öffnet, die man nicht mehr schließen kann oder, wie im angelsächsischen Raum gesagt wird, man auf einen „slippery slope“ gerät. Erfahrungen aus Großbritannien sprechen dafür, dass diese Befürchtungen zu Recht bestehen. Ursprünglich sollte die PID nur für Fälle drohender schwere Behinderung oder Krankheit zugelassen werden. Inzwischen ist auch die weiter oben erwähnte cystische Fibrose ein hinreichender Grund für eine PID und neuen Informationen zufolge soll inzwischen auch ein bestehendes Risiko für eines der Brustkrebsgene in Großbritannien ein hinreichender Grund für eine PID sein. Man geht bei all dem davon aus, dass ein früher menschlicher Embryo nichts anderes sei als ein Zellhaufen - eine Beschreibung, die dem hochorganisierten und sich dramatisch schnell entwickelnden frühen menschlichen Embryo absolut nicht gerecht wird. Natürlich stellt sich hier auch die Frage nach der Schutzwürdigkeit oder Verfügbarkeit eines frühen menschlichen Embryos. Die PID sollte besonders auch unter diesem Aspekt diskutiert werden.

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Schlussbemerkungen

Die Erforschung des menschlichen Genoms im Human Genom Organisation Project hat die überraschende Erkenntnis gebracht, dass der Mensch viel weniger Gene hat, als früher angenommen. Mit den inzwischen bekannten gut 25.000 bis 30.000 Genen, bewegt sich der Mensch im Bereich der verwandten Tiere. Und der genetische Unterschied zu seinen nächsten Verwandten, den großen Affen ist minimal. Auf Basis dieser überraschend kleinen Zahl von Genen und den geringen Unterschieden zu Tieren sind die Besonderheiten der Menschen kaum zu erklären. Es muss andere Mechanismen geben, die dafür notwendig sind. Tatsächlich sind inzwischen Mechanismen bekannt, die es auf zellulärem Niveau ermöglichen das vorhandene genetische Repertoire vielfältig zu verwenden. Ein Gen ist nicht einfach eine fixe, konstante Informationseinheit, wie man früher dachte und wovon die Gentechnik letztlich ausgeht. Aus einem Gen können je nach Bedarf verschiedene gemacht werden, die unterschiedliche Effekte haben. Wenn aber aus einem Gen verschiedene Genprodukte und Ausprägungen entstehen können, dann bekommt der Begriff „Gen“ eine neue Bedeutung. In letzter Zeit hat man erkannt, dass Gene nicht einfach das Zellgeschehen und damit den Organismus steuern, wie man früher geglaubt hat. Ein neues Forschungsgebiet, die Epigenetik hat gezeigt, dass die Aktivität oder Inaktivität von Genen sehr stark unter dem Einfluss der Umwelt steht. Selbst seelische Erlebnisse und Eindrücke können die Genaktivität in Gehirnzellen verändern. Mit der Epigenetik gibt es also Erklärungsmodelle, die über die klassische Molekulargenetik hinausgehen und auch die alte Frage, was ist angeboren, was ist erworben, obsolet macht. Die Aktivität der Gene wird durch die Umwelt beeinflusst und lässt aus einem Gen verschiedene Genprodukte und Ausprägungen entstehen, die wieder die Reaktion des Organismus auf die Umwelt beeinflussen Schließlich kann man nicht wirklich und exakt trennen zwischen dem was Anlage und was Umwelt ist, weil beide sich gegenseitig bedingen und eng miteinander verzahnt sind. Trotzdem gibt es bei Genetikern, Medizinern, Forschern und Betroffenen, PatientInnen und anderen Laien eine erstaunliche Gläubigkeit an das technisch Machbare, in diesem Fall gentechnisch Machbare und die alles beherrschende Wirkung einiger Gene. Das verschleiert gleichzeitig den Blick auf die Wirklichkeit: Beispiel Behinderungen: Nur ein kleiner Teil der Behinderungen ist genetisch bedingt, die meisten entstehen während der Embryonalzeit, während oder nach der Geburt. Und selbst die wenigen genetisch bedingten kann man mit einer PID oder Pränataldiagnose nie alle ausschließen: Man kann gerade nach den am ehesten zu erwartenden Genänderungen suchen, nie nach allen. Behinderungen, nach denen man nicht gesucht hat, die findet man natürlich auch nicht. Wie geht es einem Menschen, der eines Tages erfährt, dass er nur lebt, nur implantiert worden ist, weil er genetisch gut genug war, ansonsten weggeworfen worden oder für Experimente verwendet worden wäre. Dieser Mensch hat vielleicht keine Erbkrankheit, aber er braucht von da an vielleicht einen Therapeuten. Aber es ist natürlich verlockend zu glauben, man habe das Rätsel des Lebens gelöst, man habe die Natur jetzt in der Hand und könne die Evolution künftig nach eigenem Plan und eigenen Vorstellungen von richtig und falsch gestalten. Und genau so wird es ja auch, fast wörtlich, von Genetikern formuliert. Den Abschluss soll ebenfalls ein Biochemiker, der an der Erforschung der DNA gearbeitet

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hat, machen, Friedrich Cramer, emeritierter Leiter des Max-Planck-Institutes für experimentelle Medizin: „Das Konzept, nach dem das Human-Genom-Projekt arbeitet und das die Welt gegenwärtig so erregt . . . ist vollkommen veraltet. . . . Aber Forscher, Medien wie Laien werden geradezu in einen Wahn getrieben, dass fast alles mit den Gentechniken heilbar werden wird. Das ist so übertrieben und weckt so hohe Erwartungen, dass es fast schon sträflich ist. Die Sequenz des menschlichen Genoms zu kennen bedeutet fast noch nichts.“ (Aus einem Interview mit Friedrich Cramer in Psychologie Heute, 28, 2001).

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Von Klonen und Menschen

Klone sind das Produkt ungeschlechtlicher Vermehrung. Ein Klon ist eine Gruppe von Lebewesen, die alle durch vegetative, ungeschlechtliche Fortpflanzung aus einem Individuum entstanden und somit untereinander alle genetisch identisch sind. Klonen ist das Herstellen eines Klons oder mehrere Klone. Diese Technik wird in der Pflanzenzucht schon lange angewandt, z. B. beim Veredeln. Seit einiger Zeit, seit dem Einführen der in vitro Fertilisation, auch in der Tierzucht, in Form des so genannten Embryosplittings. Dabei werden nach künstlicher Befruchtung in einem sehr frühen Entwicklungsstadium die Embryonen in mehrere Teile zerlegt, von denen jeder sich noch in ein ganzes Tier entwickeln kann und in ein Ammentier eingesetzt, das diese Embryonen dann austrägt. In der letzten Zeit aber denken wohl die meisten Menschen an Dolly oder an das Klonen von Menschen, wenn man von Klonen spricht.

Gurdons Kerntransplantationen mit Krallenfröschen Die ersten Wirbeltierklone stellte Gurdon bei Krallenfröschen Mitte der sechziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts her. Er zerstörte in reifen Eizellen die Zellkerne durch UV-Strahlen und ersetzte diese durch Kerne aus einer jungen Kaulquappe. Die Injektion des fremden Kerns wirkte auf die Eizellen wie ein Befruchtungsreiz, sie begannen sich zu teilen und aus den Eizellen mit den fremden Kernen entstanden Frösche, die alle untereinander genetisch identisch und außerdem identisch der Spenderkaulquappe - die die Zellentnahme allerdings nicht überlebt hatte - waren. Vergleichbare Experimente mit Säugern schlugen lange Zeit fehl, wenn man von den Experimenten des Biologen Illmensee absieht. Ilmmensee hatte in den siebziger Jahren behauptet, es sei ihm geglückt Mäuse mit Hilfe von Kerntransplantationen zu klonen. Die Experimente konnten von anderen Labors nicht reproduziert werden und Illmensee wurde allgemein zum Fälscher erklärt. Er selber behauptete, dass die Experimente schwer durchzuführen seien und außer ihm es wahrscheinlich kein Labor zustande bringe. Neuerdings ist Illmensee in die Schlagzeilen geraten, weil er erklärt hat, er habe einen Menschen - allerdings erfolglos - zu klonen versucht.

Dolly Der erste nachweisbare und anerkannte Klon eines Säugers mit Hilfe von Kerntransplantationen glückte Jan Wilmut zum Ende des letzten Jahrhunderts mit dem Klonschaf Dolly. Dolly ist aus einer entkernten Eizelle, die mit einer Zelle aus dem Euter eines erwachsenen Schafes verschmolzen worden war, entstanden. Aus der Eizelle mit dem Kern einer Körperzelle hat sich ein Embryo entwickelt, der im Blastocystenstadium in den Uterus eines Ammenschafes eingesetzt worden ist. Die Blastocyste ist ein sehr frühes Stadium der Embryonalentwicklung. Zur Herstellung von Dolly waren allerdings nahezu 300 Versuche notwendig. Diese enorme Ausfallsrate beobachtete man bei allen weiteren Klonierungsexperimenten mit Säugern. Die wenigen Klone, die tatsächlich geboren wurden, waren oft mehr oder weniger schwer krank, defekt oder alterten frühzeitig, wie Dolly.

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Menschliche Klone Bereits nach den Kerntransplantationen von Gurdon wurde diskutiert, ob es wohl jemals möglich wäre auch Menschen auf diese Weise zu vervielfachen und wie weit dies ethisch gerechtfertigt wäre. Dann war es lange Zeit stiller um das Klonen von Menschen; es schien unmöglich, Säuger mit Hilfe von Kerntransplantationen zu klonen - eben bis Dolly geklont wurde. Sofort nach der erfolgreichen Klonierung eines Schafes entbrannte eine sehr heftige, bis heute nicht verebbte, Diskussion um die Produktion menschlicher Klone. Trotz diverser Für und Wider herrscht einstweilen noch ein mehrheitlicher Konsens, dass die Erzeugung eines genetisch identen Nachkommen inakzeptabel sei. Das verhindert nicht, dass immer wieder Ärzte oder Genetiker erklären, Klone erzeugen zu wollen oder solche bereits produziert zu haben. Keine der diesbezüglichen Behauptungen hat sich bislang bewahrheitet.

Die Herstellung eines genetisch identischen Nachkommen wird nicht nur aus moralischen, ethischen, religiösen Gründen mehrheitlich abgelehnt, sie ist auch aus rein praktischen Erwägungen - bei der derzeitigen Erfolgsrate und den vielfältigen Problemen, die die wenigen Klone, die tatsächlich geboren werden, haben - abzulehnen. Diese Technik ist darüber hinaus unweigerlich an den Verbrauch von menschlichen Eizellen gekoppelt, die selbstverständlich von Frauen gewonnen werden, die dafür hormonell stimuliert werden, dass mehr als ein Ei gewonnen werden kann. Diese hormonelle Behandlung ist für die betroffenen Frauen mit beträchtlichen gesundheitlichen Gefahren verbunden.

Reproduktives und therapeutisches Klonen Wenn das Ziel des Klonens ein genetisch identer, neuer Mensch ist, dann spricht man von reproduktivem Klonen. Dies ist eigentlich das, woran man beim Wort „Klonen“ zuerst einmal denkt. Die Bedenken dagegen sind, siehe oben, nach wie vor so groß, dass dieses reproduktive Klonen weltweit mehr oder weniger geächtet ist. Beim therapeutischen Klonen hingegen besteht gar nicht das Ziel einen Nachkommen zu erzeugen. Es geht vielmehr um die Produktion von embryonalen Stammzellen. Aus einem Embryo lassen sich in einer frühen Phase, im Blastocystenstadium, Zellen gewinnen, aus denen zwar kein ganzer Embryo mehr werden kann, aus denen sich aber theoretisch noch alle Zelltypen eines Menschen entwickeln können – man sagt, sie sind totipotent. Wenn es möglich wäre, wirklich die verschiedensten Zellarten daraus zu züchten und schließlich womöglich noch Gewebe oder ganze Organe, dann hätte man damit ein geradezu perfektes Ersatzteillager. Ob das allerdings je möglich sein wird, ist völlig offen.

Embryonale und adulte Stammzellen Stammzellen kann man nicht nur aus Embryonen, sondern auch aus Nabelschnurblut oder aus erwachsenen Menschen gewinnen. Diese so genannten adulten Stammzellen sind pluripotent, was heißt, dass mehrere unterschiedliche Zelltypen sich daraus entwickeln können, aber nicht mehr alle. Es gibt eine Reihe von Experimenten, sowohl im Tierversuch,

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als auch in der medizinischen Praxis, in denen man adulte Stammzellen zu therapeutischen Zwecken erfolgreich verwendet hat. Allerdings sind es bislang nur Einzelbeobachtungen. Diese adulten Stammzellen haben den Vorteil, dass man sie aus den PatientInnen selbst gewinnen kann, es somit keine Abstoßungsreaktionen gibt. Embryonale Stammzellen gewinnt man aus Blastocysten, die derzeit im Allgemeinen aus übrig gebliebenen Embryonen von künstlichen Befruchtungen stammen. Würde man solche Stammzellen zu therapeutischen Zwecken verwenden, dann hätte man vielleicht eine Quelle von Zellen, die sich zu allen gewünschten Zellarten differenzieren ließen (s.o.). Man hätte aber mit Zellen zu tun, die den PatientInnen fremd sind und gegen die eine Abwehrreaktion aufgebaut wird, die dann medikamentös niedergehalten werden muss. Erzeugt man hingegen einen Klon einer/s PatientIn und verwendet diesen Embryo als Quelle für Stammzellen, dann vermeidet man eine Abstoßungsreaktion, denn Klone sind ja genetisch identisch. Man muss dazu eine menschliche Eizelle entkernen und diese kernlose Eizelle, wie bei allen Klonexperimenten mit einer Körperzelle der/s PatientIn verschmelzen. Wenn diese Eizelle, die nun das Erbmaterial der/s PatientIn enthält sich entwickelt und ein Embryo daraus entsteht, dann kann man aus diesem Embryo Stammzellen gewinnen, den Embryo muss man dabei allerdings töten. Da man hier zwar einen Klon erzeugt, diesen aber gar nicht heranwachsen lassen, also keinen identischen Nachkommen eines Menschen erzeugen will, sondern den Klon als Ersatzteillager für Stammzellen verwendet, die zu therapeutischen Zwecken eingesetzt werden sollen, spricht man in diesem Fall eben von therapeutischem Klonen.

Eine Reihe von Problemen ergibt sich im Zusammenhang mit embryonalen Stammzellen und therapeutischem Klonen. Es ist einstweilen noch nicht bekannt, ob und auf welchem Weg es möglich sein wird, embryonale Stammzellen in alle verschiedenen adulten Zellformen sich differenzieren zu lassen; ob es also möglich sein wird aus embryonalen Stammzellen wirklich alle gewünschten Zellsorten zu bekommen. Unklar ist auch, wie sich diese nach einer Implantation in einen adulten Menschen verhalten werden; ob sie tatsächlich dort das gewünschte Verhalten zeigen und sich wunschgemäß einbauen werden. Man weiß nicht, ob bei solchen Transplantationen nicht noch undifferenzierte embryonale Stammzellen mittransplantiert werden, deren Verhalten im Empfängerorganismus nicht absehbar ist. Unbekannt ist, ob Stammzellen insbesondere embryonale Stammzellen nicht unbegrenztes Wachstum haben und damit die Gefahr besteht, dass sich daraus Tumore entwickeln können. Es wäre sinnvoll diesen Aspekt abzuklären, ehe man an therapeutisches Klonen denkt. Tatsächlich muss man nach derzeitigem Wissenstand damit rechen mit den embryonalen Stammzellen auch einen Tumor mit zu transplantieren. Medizinische Bedenken ergeben sich aus der Tatsache, dass Stammzellen auf tierischen Zellen gezüchtet werden. Es ist nicht auszuschließen, dass die Stammzellen dabei tierische Eiweiße aufnehmen oder sich mit tierischen Viren infizieren und diese dann auf den Spender übertragen würden. Zur Erzeugung von Klonen braucht man reife menschliche Eizellen, die von Frauen

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gewonnen werden müssen. Es ist die Eizellentnahme selbst mit einem medizinischen Restrisiko verbunden. Weitaus problematischer aber ist die üblicherweise damit verbundene hormonelle Stimulation, der Frauen vor der Eizellentnahme unterworfen werden müssen. Da bei Menschen üblicherweise nur eine Eizelle pro Zyklus reift, werden Spenderinnen, um mehrere Eizellen zu bekommen, einer hormonellen Stimulation unterworfen, die mit erheblichen Risiken und Nebenwirkungen verbunden ist. Hwang, ein inzwischen als Fälscher bekannt gewordenen koreanische Forscher, der behauptet hat, er habe Zelllinien von embryonalen Stammzellen bekommen, hat für seine Versuche mehrer hundert menschliche Eizellen verbraucht. Diese Eizellspende ist aber auch ein soziales Problem. Hwang hat Eizellen von seinen MitarbeiterInnen, also von ihm Abhängigen bekommen bzw. hat dafür bezahlt. Letzteres kann direkt zur Ausbeutung von sozial schwachen Bevölkerungskreisen führen. Hwangs anfänglich weltweit als bahnbrechend gefeierte Experimente haben sich als erfunden herausgestellt. Tatsächlich gibt es bislang keinen experimentellen Beleg, dass es möglich ist mit Hilfe von Kerntransplantationen embryonale Stammzellen zu bekommen. Während es immer mehr Berichte über den erfolgreichen Einsatz adulter Stammzellen gibt, hat es bislang keinerlei therapeutische Erfolge mit embryonalen Stammzellen gegeben, nicht im Tierversuch und schon gar nicht beim Menschen.

Induzierte pluripotente Stammzellen Seit einiger Zeit gibt es Erfolg verheißende andere Methoden embryonale, pluripotente Stammzellen herzustellen und zwar aus adulten Zellen; man spricht in diesem Fall von induzierten embryonalen Stammzellen (iPS). Zum einen ist das eine gentechnische Veränderung, die aus adulten Zellen solche mit den Eigenschaften von embryonalen Stammzellen macht. Dem japanischen Forscher Yamanaka ist es gelungen zuerst durch Einbau von 4 Genen adulte Zellen in pluripotente Stammzellen, mit den gleichen Möglichkeiten wie embryonale Stammzellen, umzuwandeln. Als Vektor für die Gene dienen Retroviren. Diese Technik ist mit allen Problemen, insbesondere dem Tumorrisiko behaftet, die schon bei der Gentherapie erwähnt worden sind. Darüber hinaus hat eines der vier Gene eine direkte Tumor auslösende Wirkung. Inzwischen ist es gelungen auf eben dieses Gen zu verzichten, das Risiko mit den Viren als Transportvehikel besteht allerdings nach wie vor. Es gibt neuere Ergebnisse, wonach es möglich sein soll durch geeignete Kulturverfahren aus adulten Zellen, ohne gentechnischen Eingriff, embryonale Stammzellen zu machen. In diesem Fall würde das Tumorrisiko von der gentechnischen Manipulation her wegfallen und man hätte eine nahezu unbegrenzte Quelle an Stammzellen. Nicht geklärt aber ist auch hier, ob nicht embryonale Stammzellen per se zu einem Tumor führen können. In beiden letztgenannten Fällen gäbe es natürlich kein Abstoßungsrisiko, da die umzuwandelnden Zellen ja von den Patientinnen oder Patienten genommen werden könnten.

Chimären Um die – bislang erfolglosen – Versuche mit kerntransplantierten embryonalen Stammzellen trotz des Mangels an menschlichen Eizellen weiterführen zu können, hat man in England begonnen Mensch-Tier-Chimären herzustellen. Es wurden dazu menschliche Zellkerne in entkernte Rindereizellen transplantiert. Diese Tier–Mensch–Mischlebewesen machen nur die ersten Phasen der Embryonalentwicklung durch, ehe sie absterben und haben sich –

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nicht verwunderlich - als gänzlich ungeeignet erwiesen. Man hat unnötig und es kann leicht sein, nur der Sensation und des Experimentierens wegen, eine ethische Schranke überschritten. Auf den ethischen Aspekt des Therapeutischen Klonens soll im nächsten, abschließenden Kapitel eingegangen werden.

Abschließende Gedanken Gegenüber dem Klonen von Menschen, und zwar dem reproduktiven Klonen gibt es, wie erwähnt, generelle und zahlreiche Bedenken und weltweit eine fast einheitliche Ablehnung. Anders ist es beim therapeutischen Klonen, wo es sowohl Zustimmung als auch Ablehnung gibt. Die Befürworter führen die möglichen medizinischen Chancen ins Treffen und vertreten die Meinung, ein menschlicher Embryo im Blastocystenstadium sei noch kein Mensch, sondern eher ein Zellhaufen und daher nicht schutzwürdig. Kritiker fürchten, dass das therapeutische Klonen als Türöffner für das reproduktive Klonen fungieren könnte. Sie geben zu bedenken, dass ein menschlicher Embryo im Blastocystenstadium zwar kein voll entwickelter Mensch ist, aber die Potenz, ein solcher zu werden, in sich trägt - eine Möglichkeit, die ihm genommen wird, wenn er nur als Ersatzteillager dient und dafür getötet wird. Vor allem hat der häufig gebrauchte Ausdruck „Zellhaufen“ nichts mit einem frühen Embryo, gleich welcher Spezies, gemein. Eine Blastocyste ist ein hochorganisiertes, komplexes Lebewesen. Sie stellt einen kurzen Ausschnitt aus der Embryonalentwicklung dar, die ein Kontinuum darstellt, beginnend mit der Zygote nach der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle bis zur Geburt. Und eine menschliche Blastocyste ist ein menschliches Lebewesen und nicht irgendetwas Undefinierbares, nicht Beschreibbares. Es besteht die Gefahr, dass man dabei eine Grenze überschreitet, die man lieber nicht überschreiten sollte und eine Türe öffnet, die sich nicht mehr schließen lässt: Wer entscheidet, ab wann ein menschlicher Embryo schutzwürdig ist und nicht mehr zu medizinischen Zwecken verwendet werden darf? Wer entscheidet überhaupt, ab wann ein Mensch ein Mensch ist? Jede Grenze, die wir irgendwo in der Embryonalentwicklung festlegen, ist nie für immer festgelegt, sondern kann nach Bedarf oder Nützlichkeit verschoben werden und öffnet dem Missbrauch Tür und Tor. Unabhängig von religiösen oder ethischen Bedenken gegenüber dem Klonen im Allgemeinen und dem therapeutischen Klonen im Besonderen, seien hier noch auf einige praktische Probleme hingewiesen. Möglicherweise kann man mit den in jedem Menschen vorhandnen adulten Stammzellen ebenfalls den gewünschten Erfolg erzielen. Zahlreiche bisherige Beobachtungen deuten darauf hin. Oder es gelingt aus adulten Zellen Stammzellen zu machen. Dann wäre es überhaupt unnötig embryonale Stammzellen einzusetzen und die Fragen nach dem therapeutischen Klonen und Experimenten an menschlichen Embryonen würden sich gar nicht stellen. Angesichts der großen ungelösten technischen Probleme (siehe Kasten oben) und der zahlreichen ethischen, religiösen und gesellschaftlichen Bedenken stellt sich die Frage, warum man, ehe das Potential der adulten Stammzellen ausgeschöpft ist, überhaupt unbedingt mit embryonalen Stammzellen arbeiten muss. Es wäre weise und im Interesse

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einer humanitären Gesellschaft und eines gesellschaftlichen Konsenses darauf zu verzichten und zuerst zu klären, ob nicht ohnehin adulte Stammzellen ausreichend Möglichkeiten bieten. Die oben erwähnte Erzeugung von Tier-Mensch-Chimären erachte ich als ethisch absolut unvertretbar. Es ist zu befürchten, dass neben humanitären auch finanzielle Überlegungen und solche der Ehre und des Ruhmes eine Rolle spielen. Renommierte Wissenschaftler und Befürworter der Forschung an embryonalen Stammzellen besitzen Patente an embryonalen Stammzellen. Auch was das betrifft, ist man an die Situation in der Gentechnik erinnert. Schließlich stecken die Stammzellforschung und deren Anwendung in der Medizin generell noch in den Kinderschuhen, im Prinzip ist es Grundlagenforschung, weit entfernt von jeder praktischen Anwendung. Eine Firma, früher sehr für die Forschung an embryonalen Stammzellen engagiert, hat diesen Zweig gestrichen, da eine Anwendung in der Praxis und damit Verwertung der Forschungsgelder nicht absehbar ist. Niemand weiß außerdem, ob in den Stammzellen tatsächlich dieses medizinische Potential steckt, das einstweilen postuliert wird. Es erinnert die derzeit geradezu euphorische Hoffnung, die man an die Stammzellforschung knüpft, an die ebenso weit reichenden, seinerzeitigen Erwartungen in die somatische Gentherapie. Sie haben sich in letzterem Fall bislang nur sehr, sehr eingeschränkt bewahrheitet. Sinnvoll wäre es, auch diesen Aspekt zu klären ehe man daran geht, menschliche Klone, also menschliche Lebewesen, zu erzeugen nur um diese wieder zu vernichten um Stammzellen daraus zu gewinnen.