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XVII. Ueber Jodoform und fiber Jods~iure. Von C. Binz. Nach Versuchen des Hrn. Dr. C. MSller~). Die Deutsche Pharmakopoe hat das Jodoform bei uns officinell gemaeht. Ueber seine Eigenschaften bei der ~iussern Anwendung auf Gesehwtiren aller Art ist viel Gutes berichtet worden., Das Pr~t- parat besteht zu 90,7 Gewichtstheilen aus Jod; wie wir sehen wet- den, findet dieses in vielen Geschwiirsflachen die Bedingungen vo5 sich aus dem Jodoform ganz allm~thlich in Freiheit zu setzen; and das erkl~trt wol zur Gentige die reinigende, gelind erregende und vielleieht aueh speeifisch heilende Wirkung, welehe man yon dem Jodoform so bestimmt geriihmt hat. 2) Wenig Sieheres ist yon der inhere Wirkung des Jodoform be- kannt. In der Literatur finden sich einzelne therapeutisehe Angaben dartiber. So sagt A. Maitre in Bouehardat's Annuaire de Th6rapeu- ~tique yon 1857 ~)~ das Jodoform besitze neben der allgemeinen J.od- wirkung noeh sehmerzlindernde Eigensehaften~ die es bei allerlei :Neuralgien sehr nutzbar maehten. Die ti~gliehe Dosis zu solehem Zweck sei 5--50, oder naeh Bouehardat bis zu 60 Ctgrm. Die grosse Mehrzahl der Autoren will jedoch eine sehmerzlindernde Wir- 1) Pharmakolog. Untersuchungentiber Jodoform und Jods~ure. Inaug.-Diss. Bonn. 6. Aug. 1S77. 2) Vgl. u. A. Lazansky, yon Pick's Klinik in Prag. Vierteljahrschr. f. Derm. u. Syph. Wien 1875. S. 275--314. 3) Cansta~t's Jahresber. 1S59.V. 96, oder in d. Sep.-Ausgabe: 1859. L 2t7. -- Vgl. ferner Centralbl. f. d. meal.W. 1873. S. 84S und ebendaselbst 1870. S. 544, wo englische und amerikanische Aerz~etiber die i~usserlich und innerlich schmerz- lindernde Wirkung berichten, ttartnackige Cardialgien, Occipitalneuralgien, Ischias, schmerzhafte Uterin- und Mastdarmleiden u. dgl. werden genannt. Auch die Intermittens fehlt nicht.

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Page 1: Ueber Jodoform und über Jodsäure

XVII.

Ueber Jodoform und fiber Jods~iure. Von

C. Binz.

Nach Versuchen des Hrn. Dr. C. MSller~).

Die Deutsche Pharmakopoe hat das J o d o f o r m bei uns officinell gemaeht. Ueber seine Eigenschaften bei der ~iussern Anwendung auf Gesehwtiren aller Art ist viel Gutes berichtet worden., Das Pr~t- parat besteht zu 90,7 Gewichtstheilen aus Jod; wie wir sehen wet- den, findet dieses in vielen Geschwiirsflachen die Bedingungen vo5 sich aus dem Jodoform ganz allm~thlich in Freiheit zu setzen; and das erkl~trt wol zur Gentige die reinigende, gelind erregende und vielleieht aueh speeifisch heilende Wirkung, welehe man yon dem Jodoform so bestimmt geriihmt hat. 2)

Wenig Sieheres ist yon der inhere Wirkung des Jodoform be- kannt. In der Literatur finden sich einzelne therapeutisehe Angaben dartiber. So sagt A. M a i t r e in Bouehardat's Annuaire de Th6rapeu- ~tique yon 1857 ~)~ das Jodoform besitze neben der allgemeinen J.od- wirkung noeh sehmerzlindernde Eigensehaften~ die es bei allerlei :Neuralgien sehr nutzbar maehten. Die ti~gliehe Dosis zu solehem Zweck sei 5--50, oder naeh B o u e h a r d a t bis zu 60 Ctgrm. Die grosse Mehrzahl der Autoren will jedoch eine sehmerzlindernde Wir-

1) Pharmakolog. Untersuchungen tiber Jodoform und Jods~ure. Inaug.-Diss. Bonn. 6. Aug. 1S77.

2) Vgl. u. A. Lazansky, yon Pick 's Klinik in Prag. Vierteljahrschr. f. Derm. u. Syph. Wien 1875. S. 275--314.

3) Cansta~t's Jahresber. 1S59. V. 96, oder in d. Sep.-Ausgabe: 1859. L 2t7. -- Vgl. ferner Centralbl. f. d. meal. W. 1873. S. 84S und ebendaselbst 1870. S. 544, wo englische und amerikanische Aerz~e tiber die i~usserlich und innerlich schmerz- lindernde Wirkung berichten, ttartnackige Cardialgien, Occipitalneuralgien, Ischias, schmerzhafte Uterin- und Mastdarmleiden u. dgl. werden genannt. Auch die Intermittens fehlt nicht.

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kung des Priiparates vom Blute aus nicht anerkennen, und in der deutsehen ~irztlichen Welt wird es nur ganz ausnahmsweise inner- iieh verordnet.

Nir wurde die Besch~ftigung mit dem~ wie man sieht, noch so wenig gekannten Ki~rper nahegelegt dureh folgende kurze Kranken- geschiehte, welche ich meinem hiesigen Freunde and Collegen W. B u s c h verdanke. Sic betrifft eine Patientin, deren Behandlung er wegen zufNliger anderer Beziehungen zu leiten hatte. Auch mir persSnlieh ist die Patientin genau bekannt.

,,A. X., kriiftiges leicht erregbares Madchen, I I Jahre alt~ hatte im Jahre 1874 Gtirtelrose, naehdem einige Tage vorher neuralgische Intercostalschmerzen vorhanden waren. Ein Jahr spi~ter trat ein Re- cidiv der Schmerzen ein, welche sieh periodisch lebhaft steigerten and aueh auf andere Nervenbahnen tibergriffen. Taubheit and

�9 Ameisenlanfen in Beinen and Armen, verlangsamter Puls, Erethis- mus der H(ir- und Sehnelwen. In den schlimmsten Anfi~llen Hallu- einationen und Phantasieen. Drei bis vier Rtickenwirbel bei der Beriihrung anffallend sehmerzhaft. Bepinselung des Rtickens mit Jodtinctur, Kamillenbi~der, Chinin~ Morphiuminjectionen u. s. w. blie- ben ohne Erfolg. Das Einzige, was momentan Linderung versehaffte, war dauerndes Tragen des Eisbeutels auf dem Riicken.

Nach halbji~hrigem Leiden Gebraueh "con Jodoform 0~02 dreimal tiiglieh. Aufh(iren der Schmerzen nach einigen Tagen, Besserung des Allgemeinbefindens. In l~ingern Pausen kehren zwar einzelne Anf~lle wieder, die abet viel schwi~eher sind als die frttheren and wi~hrend des Gebrauchs yon Jodotbrm nachlassen.

In diesem Zustand verlief das Kranksein welter. Jedesmal, wenn dieses die Darreichung yon Jodoform erheischte, schien die eintretende Besserung in direeter Beziehung zu dem Medicament za stehn.

Das Jodoform wurde in Pillen verabreicht. Withrend ihrer Auf- nahme roch die Ausdtinstung des Kindes naeh Jodoform. Irgend ein anderer Nachtheil wurde nieht wahrgenommen."

Die bisherige experimentelle Forsehung am Thier braehte Ver- giftnngsversuche an Itunden yon C o g s w e l l , ~ louzard , M o r 6 t i n and H u m b e r t . Ieh gebe keinen Auszug davon, da sic in dem be- kannten Bach yon G u i b e r t , bearbeitet yon R. H a g e n , Leipzig 1861~ S. 443, leicht nachzusehen Mind. Es geht aus ihnen hervor, dass 4--5 Grin. mittelgrosse Hunde unter allgemeiner L~hmunff tSdten. Th. N u n n e l e y sagtt), er habe das Jodoform geprtift ,by

1) Edinburgh reed. and surg. Journ. 1849. ]3d. 22. S. 352.

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inhalation and by the mouth", aber es schien ihm kaum irgend einen Effect zu veranlassen.

Dagegen vindicirt Dr. E u g e n i o F r a n c h i n o de m Jodoform eine 5rtliche und eine entschieden allgcmeine anasthesirende Wirkung. Er kam bei seinen Versuchen an Htihnern, Tauben und Kaninchen zu dem Resultat, dass 2 Grin. Jodoibrm gcntigten, um b, innen 2--3 Minnten einen allgemein aniisthetischen Zustand herbeizuftihren. Da- bei bediente er sich einer l~nglich runden, an beiden Seiten offenen Blase als Inhalationsapparat. Die dem Kopf des Thieres anzupas- sonde Oeffnung umsehloss die Muudspalte ganz, wiihrend die andere Oeffnung ein Riihrchen yon dem Lumen der Trachea des Versuchs- thieres durchpassircn liess. In der Blase befand sich ein Schwamm zur Aufuahme des pulverf6rmigen Jodoform. Im Laufe tier Versuche beobaehtete F r a n c h l n o gemeiniglieh zwei versehiedene Stadien. Anfangs ist das Thier sehr aufgcregt, seine Muskeln sind contrahirt und P uls und Respiration zeigen eine Beschleunigung. In dem 2. Stadium tritt eine allgemeine Ruhe ein, alle Glieder sind in erschlafftem Zustande, die Respiration ist etwas verlangsamt abet sonst unbehindert, die Circulation erseheint normal. Wiihrend dieses letzten Stadiums nun gewahrte F r an e h in o eine complete An~is- thesie, welche 5--10 Minuten andauerte. Dann sah er bei dem allmahlich eintretenden Erwaehen zuerst die Empfindung und darauf die Bewegung wiederkehren~ bis das Thier nach einiger Zeit seine volle Munterkeit wiedererlangt hatte. I)

Iqahezu gleiche Resnltate erhielt R i g h i n i bei seinen Versnchen an Meersehweinchen and anderen Thieren, welehe er naeh der Fran- chino'schen Methode anstellte und die er in seiner umfangreichen Arbeit fiber das Jodoform vcriiffentlicht hat. Als er statt des pul- verf~irmige n Jodoform eine alkoholisehe L(isnng verwandte, erzielte er nur eine unvollst~indige Beti~ubung, welche bald wieder ver- schwand.

R i g h i n i machte auch eine grosse Anzahl yon Untersuchungen tiber den Nachweis des naeh Incorporation yon Jodoform im Orga- nismus auftretenden Jod. Es gelang ibm in den thierisehen Fltissig- keiten und Auswurfsstoffen, wie in Blut, Speichel, Schweiss, Milch, Thr~nenfiUssigkeit, Iqasenschleim~ Menstrualblut, Urin, Galle, F~eal- massen, Liquor amnios das Jod in mehr oder weniger geringen Mengen nachzuweisen, wenn das Jodoform innerlich gegeben wordeu war.

1) h~ach einem l~eferat in Schmidt's Jahrb. 121. 29. (Jahrgang 1864). Ebenso das Folgende.

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Dagegen land er, dass das Jodoform bel ~tusserlieher Anwendung in Form yon Salben, Seifen, Pflastern, B~tdern u. s. w. nieht resorblrt werde und sieh dann im Blut, Speiehel, Urlu u. s. w. nicht ehemiseh nachweisen lasse. Die ~tusserliche Wirkung sei 5rtlich theils reizend~ theils calmirend. Das Jodoform kann nach R h i g i n i yon Mensehen bis zu 3 Grin. pro die genossen werden und verb~tnde sich im Magen und Darmkanal theils mit Proteinsubstanzen zu 15slichen, leicht resor- birbaren Albuminaten, theils mit Amylum zu unverdauliehem Jod- amylum. Bei dieser innerliehen Aufnahme des Jodoforms habe sich die ausgeathmete Luft der Behandelten jodhaltig gezeigt. Endlieh geschieht yon R i g h i n i noeh einer antiseptischen und antimiasma- tischen Eigenschaft des Jodoform Erw~hnung, welche er auch prak- tisch verwerthen m~chte, etwa durch besonders pr~parirtes Jodo- formpapier~ indem sich das Jodoform an tier atmosph~risehen Luft allmahlich zersetze und den in dieser Luft sich Aufhaltenden nicht naehtheilig werde. Er will die Zersetzung des Hams und F~ulniss des Fleisehes dutch Jodoform gehemmt haben.

Dieser letztere Punkt ist yon D e e h a m p s einer eingehendern PrUfung unterzogen worden. 1) Er meint, dass R i g h i n i sieh irre, wenn er Jodoform ein desinficirendes Mittcl nennt. W~tre es eln solehes, so mUsste es Sehwefelwasserstoff zersetzen, was es nicht thut. Nach D e e h a m p s verdeckt das Jodoform nur durch seinen penetranten aromatisehen Geruch ~ndere unangenehme Gert~che; es kSnne aueh wohl in BerUhrnng mit sich zersetzenden Substanzen deren weitere Decomposition hindern. Ich brauehe kaum zu be- merken~ class nach den heutigen Anschauungen die Zersetzung des Schwefelwasserstoffs keineswegs das alleinige Kennzeiehen eines Des- infieiens ist.

M ' K e n d r i e k in Edinburg gibt unter der Ueberschrift: ,,The action of Jodoform" folgende Resultate sciner Versuche-~):

,, Es ist schwer, sieh eine Kenntniss der Wirkung des Jodoforms zu verschaffen, weft dasselbe aller L~slichkeit in solchen lgedien entbehrt~ welche zur subcutanen Injection gceignet sind. Jodoform 15st sieh kaum in Wasser, S~uren und w~sserigen Alkalien~ ist da- gegen leicht ltMich in Alkohol, Aether, fltiehtigen und fetten Oelen. Ich bediente reich einer LSsung yon 1,0 Gran Jodoform in 5,0 Gran Alkohol und 15,0 Gran Wasser. Die Wirkungen waren sehr ~hnlich denen, welehe das Chloral hervorruft, Polgendes ausgenommen:

1) Bulletin de Th6rap. 1853. Mhrz. 2) Edinburgh Med. Journ. Juli 1874, Sep,-Abz. S, l l .

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1) Eine Periode der Hyperiisthesie war nieht vorhanden. 2) Es schien ein Geftihl yon Irritation der Nase vorhanden za

sein~ denn die Thiere rieben sieh mit ihren Pfoten daran herum. 3) Zehn Gran subeutan injieirt bei Kaninehen yon 1750 Grin.

Gewieht riefen tiefen Sehlaf yon ca. 4 Stunden hervor. Zwiilf Gran tiidteten Thiere desselben Gewichtes in 2~l'a Stunden. Die tlidtlichen Dosen seheinen deshalb kleiner zu sein als beim Chloral.

4) Kriimpfe waren nieht vorhanden. 5) Die Pupilleh waren gelinde contrahirt. 6) Die Klirperhiihlen enthielten keine Fltlssigkeit." It. R a n k e bringt im Centralb. f. d. reed. W. vom 25. August

d . J . eine Arbeit fiber die Wirkungsweise tier Anaesthetica, worin er die starreerregende Eigenschaft dcr meisten nnter ihnen behandelt. Vom Jodoform sagt er, es rule in atheriseher Liisung in die Arterien injieirt augenblicklieh exquisite Starre hervor, ganz wie Chloroform und viel rascher und bedeutender wie Aether allein. Bestatige sich seine Vermuthung, dass die Erzengung der Starre etwas den Anaesthe- tieis speeifiseh Innewohnendes sei, so werde sorgi~ltige Experimen- tation vielleicht darthuu, dass die aniisthetisehe Einwirkung des Jodo- form nur durch seine Unltislichkeit maskirt werde. Das Letztere hatte sieh, wie wir sehen werden, zur Zeit als H. R a n k e es niedersehrieb~ bereits gezeigt~ wenn aueh weniger ausgepr~igt als bei dem so hand- lichen Chloroform. ~)

Bei den Versuehen, welehe ich yon Hrn. C. M S l l e r unter eigener Aufsieht anstellen liess~ trat nattirlich ebenfalls die spriide Beschaffenheit des Versuchsobjeetes hindernd hervor. F e t t e s 0el

!) Die Ranke'sche Arbeit brachte~mir in den meisten Punkten eine sch~tzbare indirecte Besti~tigung dessert, was ich in diesem Archly VI. S. 310 mit- getheilt hatte. Schon 1867 hatte H. Ranke die Frage in Angriff genommen (Centralbl. No. 14). Zu meinem Bedauern war diese Mittheilung meinem Ge- d~chtniss entgangen, denn obschon sie technisch oiaen ganz andern Ausgangs- punkt als die yon mir publicirte Untersuchung ,,tiber die Wirkungsweise schlaf- machender Stoffe" genommen, so ware sie doch van mir gebfihrend zu erw~hnen gewesen. ~ Auf die Differenz in der raikro-chemischen Einwirkung der Mor- phinsalze, welche sich bei den Beobachtungen yon It. Ranke und mir heraus- stellte, gedenke ich yon neuem experimentell zurtickzukommen. Einstweilen ver- weise ich nochmai auf das, was ich betreff des Verhtitens subjectiver Ti~uschungen auf S. 313 (Bd. VI dieses Archivs) angab, ferner auf die Andeatung S. 314, dass die Dunkelung der Zwischensubstanz leichter sichtbar zu machen ist, als die der Zellen. Das zeigte sich bei den verschiedensten Gelegenheiten. Wer die yon mir beschriebene Untersuchung zum ersten Mal anstellt, wird sich an ihr leich~er orientiren.

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ist das einzige indifferente Medium~ worin Jodoform sich l~ist, abet fiir dieses l~isst sich wieder die Methode der Beibringung nicht ver- werthen~ welehe fiir den ersten Einbliek die klarsten Resultate sibt7 niimlich die Einspritzung in die Gefasse. Ich versuchte es zuerst mit der Inhalation des verdunstenden Priiparates. Jeder Krystall Jodo- form ftillt ein Zimmer mit dem safrani~hnlichen starken Geruch aus; allein meine Thiere blieben yon s r o s s e n Quantitliten~ welehe in dieser Weise zm" Anwendung gelangten ~ unberUhrt.

Yersueh I. 15~0 Jodoform in kleinen Krystallen win'den in einer Schale ausgebreitet~ dariiber ein Sieb gesetzt und das Ganze mit einer Glasgloeke yon 32 Ctm. Durchmesser und 18 Ctm. HShe gedeekt. Auf dam Sieb sass ein junges, sehr schwaches Kaninehen. Die Temperatur des Zimmers war 20 o C. und sties im Laufe des Tages durch Erwiir- mung des Ofens auf 25 0 C. In diesem Zustande war das Thier den starken Jodoformdiimpfen~ die sieh schon beim Eintreten in das Zimmer sehr bemerkbar maehten~ 8 Stunden ausgesetzt, ohne dass die Spur einer Narkose siehtlieh gewesen ware. Naeh Ablauf dieser Zeit wurde vorgehaitenes Fatter begierig gefressen.

Yersuch IL In ein Gefiiss yon 7~75 Ctm. Durchmesser wurden fiber 50 Grm. Jodoform eingesehtittet~ darauf ein Sieb gesetzt, auf dies ein gesunder Frosch and iiber das Ganze eine kleine Glasgloeke. Der Ap- parat stand im warmen Zimmer (20 o C.).

Zu Anfang athmete der Froseh raseh~ aber seicht. ~ach 1/4 Stunde betrug die Athmung 140 in der Minute. Grosse Unruhe und Empor- steigen an tier Glocke, um zu entfliehen.

Die Respiration zeigt im Verlaufe des Versuehes nichts Besonderes. Nach einigen Stunden sitzt der Froseh ruhig und bewegt sieh aueh nicht beim Anklopfen an die Gloeke. Herausgenommen vertri~gt er jedoeh die Rtiekenlage nieht~ richter sich sofort kraftig wieder auf and maeht aueh bald energisehe Fluchtversuehe.

Dieser Zustand dauert fort~ bis Abends 63/'4 Uhr der Versueh ab- gebroehen wird, naehdem der Froseh 9 Stunden unter der Glasgloeke zugebracht hatte. Er ist ganz taunter und zeigt durehaus keine ~arkose.

Zur Erkliirung dieser negativen Resultate li~sst sieh anftihren~ (lass die Verdunstuns des Jodoforms bei gewShnlicher Temperatur nur sehr langsam geschieht~ trotz des starken Geruehs. Es kommt also yon dem Pri~parat nicht genus in die Blntbahn, am das Nerven- system beeinfiussen zu kSnnen. Ein nicht unerwartetes Lieht wirft diese Unschiidlichkeit der so erzeugten Jodoformverdunstung anf die Angaben F r a n e h i n o ' s (s. oben S. 311). Sehon die einfaehe Be- trachtung seiner Anordnungen and seiner Resultate wiesen auf Kohlen- s~urevergiftung der dutch den Apparat gelind strangulirten Hunde bin, und den Meersehweinehen yon R i g h i n i ist es, wie mir scheiut, nieht anders ergangen.

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Was ich dann welter sah, kann als Beitrag zur Toxikologie des Jodoform gelten, fiir therapeutische Verwerthung bietet es noch keincn bestimmten Anhaltspunkt. Ich gebe yon mchrfachen Versuchen nar zwei, well sie alle ganz ~thnlich verliefen.

"Versueh I I I . Schwarzes starkes Kaninchen yon etwa 1S00 Grin. Abends t/2 6 Uhr erh~tl~; es 2,0 JdL in 60 C.-C~m. Wasser snspen-

dirt mit der Schlundsonde in den Mageu. Am andern Morgen ruhig, abet anscheinend ganz wohl. Erh~tit wieder 3,0 Jdf., diesmal in 40,0 Wasser mit etwas Gummi und ein paar Tropfen Glycerin emulgirt.

Abends 6 Uhr l~tuft es noeh taunter in dem Zimmer umher. Am drittcn Tag ist das Thier vollstandig wohl dem Aussehen nach. 9 Uhr Nahrungsaufnahrae. 10 Uhr abermals 5,0 Jdf. mit Gummi zerrieben dutch Schlundsonde in den Magen in 50 Wasser. Am vierten Tage Morgens keine besonderen Erscheinungen. Abends 6 Uhr Athmung 50, Puls 120, Temperatur" 36~ Das Thier liegt auf der Seite~ sieht zuweilen nach seinem Baueh, als ob es heftigen Schmerz habe; Beim Lagern auf den Banch gel~thmt. Pupillen welt, mit trager Reaction. 7~30 Uhr Athmung 60, Puls 120. 11,30 Uhr idem. Immer noch ganz betaubt. Wirft sich aber yon Zeit zu Zeit noeh umber, als ob es Schmerzen in den Einge- weiden h~ttte. Am folgenden Tage frtih wird es todt gefunden.

S e c t i o n am Vormittag : Iterz derb, contrahirt. Lungen an den R~tndern nnd unten mit Ekchymosen marmorirt. Darmmueosa succulent, hyperSmisch, mit dickem, gelbem Schleim bedeekt (CItJ3). Der Magen yell schwarzer ekchymotiseher Partien. Leber gross, hell, brtlehig, lgieren stark hyperamisch.

Die mikroskopisehe Untersuehung dutch K o e s t er ergibt: Sehr starke, f e t t i g e D e g e n e r a t i o n d e r L e b e r ~ namentlich

peripher. In der ~tussersten Peripherie starke Atrophic dcr Zellen. Starke fettige Degeneration der N ie t en (gewundene Substanz). In

den geraden Harnkan~tlchen stellenweise gelblieh k0rnige Ausfttllnngsmassen. Httmorrhagische Infiltration kleiner Lungenpartien, theilweise zellige In- filtration. F e t t i g e D e g e n e r a t i o n des A l v e o l a r e p i t h e l s .

Yersuch IV. Mittelgrosses graues Kaninehen 1430 Grin. sehwer. Abends 8 Uhr wird eine LSsung yon 0~5 Jodoform in 6 C.-Ctm. Siiss- mandel01 s n b c u t a n injicirt. Das Thier hat ~achts nichts gefressen undis t am andern Morgen ganz taunter, Puls und Respiration sind nor- mal. Um 11 Uhr wurden dem Thiere abermals in 5 C.-Ctm. der vorher erwiirmten Liisung etwa 0~4 Jdf. injicirt. Nach ciner halbert Stunde ist die Temperatur 40,2 o der Pals jagend, Respiration 120. Dieser Zu- stand bleibt derselbe und das Thier zeigt keine auffallenden Erschei- nungen. 31/2 Uhr Nachmittags abermalige subeutane Injection and zwar in 7 C.-Ctm. der L(isung etwa 0,55 Jdf. Der Diener berichtet~ dass am andern Morgen um 8 Uhr das Thier auf der Seite lag. Aufgeriehtet fiel es wieder urn. Die Respiration sei rasch, jagend und kr~iftig ge- wesen. Um 9 Uhr wurde es todt gefunden. Die Section ergibt: Herz in Systole~ Nieren sehr blutreich, Blase mit Harn gefiill~ tier denfliche Jodreaction zeigt. Die mikroskopische Untersuchung wurde diesmal nicht angestellt.

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Das erste Thief hatte in 24 Stunden 10,0, das zweite in 20 Stunden 1,45 Grin. Jodoform bekommen, hIarkotische Erscheimmgen traten erst mit dem herannahenden Ende des Thieres auf. Es geht demnaeh aus diesen Versuchen nichts fiir den Charakter des Jodo- form als eines depressorischen Nervenmittels hervor. Wenn M' K e n d- r i c k auf 0,6 beim Kaninchen tiefen Sehlaf- eintreten sah~ so ist dabei der mitinjicirte Alkohol (3~0 Grin.) in Betraeht zu ziehen. Jedenfalls verdunkelt seine Anwesenheit das Resultat~ was der Autor aueh selbst hervorhebt.

Besser als bei dem Nagethier gelang der Nachweis einer h y p f f o - t i s c h e n Wirkung in folgenden Versuehen:

~'ersuch V. Junger Hund yon 1360 Grin. Gewicht. 11 h - - m Subcutan gagen 2,0 Jodoform mit etwas Oel~ Gummi und

Wasser gut verrieben. 11 h 30 m Sehli~frig~ triig% sieh mtihselig auf den Beinen haltend. 12 h - m Noeh schlafend. Am Abend noeh triige und krank aus-

sehend. Am folgenden Taga ganz munter~ frisst. Der Hund magerte im Verlauf der niiehsten Woehen bedeutend ab~

botabersonstnichtsKrankhaftesdar. A b s c e s s e t r a t e n an d e n v e r - s c h i e d e n e n zum Z w e c k de r I n j a c t i o n e n g e m a c h t e n E i n - s t i e h s t e l l e n n i c h t auf. l) Allmi~hlich erholte sich das Thier wieder vollstiindig.

u u t0 Uhr. Ein junger munterer Karat yon 440 Grin. erh~tlt mit etwas Wasser und Eiweiss ca. 2~5 gepuivertes Jodoform in den Magen. 10 h 15 m Niehts verandert. 10 h 30 m Wankender Gang, Neigung zum Umfallen und zum Sehlaf. 11 h - - m Schl~tft~ unempfindieh gegen das Spielen der Schwester~ die

zur Controle frei geblieben war. Athmung (in der Sonne) 40 p. Minute.

11 h 15 m Aus dem Sehlafe geweckt~ kratzt sich das Thier ttiehtig mit der Pfote am Kopf (Motiliti~t demnach nleht beeintriiehtigt)~ dann wankt das Thier dureh das Zimmer~ legt sieh auf einer andern Stelle nieder und sehllift waiter. Resp. 40. p. Min.

11 h 30 m Idem. 12 h 30 m Idem. 4 h - - m Das Thief wird tief sehlafend gefunden. Respiration ruhig

35 p. Min. Aufgeweekt lauft as nicht mehr welter, sondern f•hrt fort zu sehlafan naeh ainigem krifftigem Schreien. Pu- pillen reagiren gut am Fenster.

Am Boden liegt etwas aikaliseh reagirender Harm Der- selbe anges~uert (HC1) and mit Kleister und Chlor versetzt, gibt (~eutliehe Jodreaetlon.

Herz 120 in der Minute regelmiissig.

1) Ich hebe diesan Punkt fi~r die etwaige praktisehe Verwerthung hervor. - - Bei Luton (Injections souscoutan~es. Paris 1875. 375 Seiten), finde ich S. 74 die Bemerkung, flit das Jodoform existire kein indifferentes LOsungsmittel.

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5 h 30 m L~tuft trunken umher. 11 h - - m Lebt noch, schlitft. Am folgenden Tage todt gefunden.

Section ergab nichts Besonderes. Leber und Nieren sahen iihnlie5 aus wie friiher bei den Kaninchen.

Versueh VII. Eine andere altere Katze yon 1350 Grin. erhielt ganz nfichtern 3,5 Jodoform mit 15,0 Glycerin und 50~0 Wasser verrieben in den leeren Magen. hTach ctwa 3 Stunden ist das an und ffir sieh ausserst erregbare Thier noeh immer sehr aufgeregt~ hat abet die vollo Macht fiber seine Beine verloren. Zwei Stunden sparer geht es unter den Erscheinungen jagender Respiration und allgemeiner Liihmung ohne vor- hergehende Kritmpfe zu Grunde.

Yersueh VIII. Junge Katze yon 790 Gr in . erhiilt 3~5 fein mit Milch verriebenes Jodoform durch die Schlundsonde um 10 Uhr. Bis 12 h. 30 m. nichts Besonderes als zunehmende Ruhe. 12 h 50 m Liegt in dunkler Ecke, angestossen geht sie tr~ige welter.

4 h - - m Lag seither fortwiihrend in der Ecke. Aufgesetzt taumelt sie mit dem Kopf und liisst ihn nach mehreren Secunden zu Boden sinken. Angestossen geht sie sichtlich schlaftrunken durch das Zimmer.

4 h 30 m Fest schlafend~ beim Aufwecken indolent. 10 h ---, m Abends. Der niimliche Zustand.

Am folgenden Morgen am warmen Ofen liegend. 8 h - - m SoporSs, wimmernd. Athmung tier, regelmiissig~ 32 in der

Minute. Herzschlag ziemlich krifftig, regelmiissig~ gegen 160. Temperatur im Rectum 3 2 , 9 . - Zwisehen 12 und 1 Uhr desselbeu Tages verendet das Thier ohne Kriimpfe.

Die Section ( K o e s t e r ) ergab: In der L e b e r sehr starke fettige Entartung des iiussern Drittels tier Acini. Ganz in der Peripherie sind die Leberzellen frei yon Fetti sehr hell und klein. - - Ziemlich ausge- dehnte fleckweise auftretende fettige Entartung der Musculatur des H e r - z e us beiderseits. - - Feinkiirnige, fettige Entartung siimmtlicher gewun- dener~ grobkiirnige fettige Entartang der geraden Harnkan~lchen. In letzteren hat die Mehrzahl der Fetttriipfchen die Grtisse eines rothen bis weissen Blutk~irperchen und dariiber. Die Entartung ist sehr hochgradig. - - I n keinem tier Organe andere kiirnige oder krystallinlsche Nieder- schlitge.

Die drei letzten Versuche thun unverkennbar eine die Thiitigkeit yon Gehirn und RUckenmark herabsetzende Einwirkung des Jodo- form dar. Die Betaubung, die Schwere in den Gliedern, der tiefe Sehlaf sind nieht abhiingig yon dem herannahenden t(idtlichen Aus- gang, denn sie erscheinen erstens sehon, als alas allgemeine Ergriffen- sein noch welt entfernt ist, und zweitens treten sic bei dem Hunde auf, der am folgenden Tag ganz munter ist und als Folgezustand nur die aaeh yon dem Jodkalium oft veranlasste allgemeine Ab- magerung zeigt. Wit sehen somit in diesen Resultaten ein Analogon yon dem, was einzelne Beobaehter therapeutiseh berlehten und was

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die von einem unserer besten Kliniker mir ttbergebene kurze Kranken- geschichte besagt.

Dass ein jugendlicher kranker Organismus schon auf paarmal 0~02 gttnstig reagirt% wiihrend beim gesunden Thier viel h(ihere Gaben erfordert werden, um einen schlat'ahnlichen Zustand zu be- wirken, darf uns nicht wundern. Abgesehen yon dem Unterschied in der EmpfEnglichkeit,ftir Narkotic% liegt ein solcher ganz bedeuten- den Umfanges in dem Abstand yon Kranksein und Gesundsein. Ein gesunder Mensch nimmt mehrere Gramm J o d k a l i u m einige Tage lang~ ohne irgend etwas anders zu spfiren~ als wenn er ebensoviel Kochsalz versehluckt hiitte; leidet aber der nlimliche an den niicht- lichen Knochenschmerzen der Syphilis, so braucht er der Regel nach auf den lindernden Einfluss nicht lange zu warren. Solche Beispiele lassen sich zahlreich aus der PMrmakodynamik anfiihren. Bestgtigt sich der gute Erfolg, den das Jodoform in nnserm Fall yon Spi - n a li r r i t a t i o n bewirkte~ so werden obige Thierversuche nieht nur toxikologisch, sondern mehr noch therapeutisch yon einigem Inter- esse sein.

Die eine Folge der Vergiftung, das fettige Entarten yon Leber, Herz, Nieren und Lungenepithel, erinnert uns an das, was wir fiber dieselbe Wirkung des Chloroform t) und einer Reihe anderer Gifte schon wissen. Well das Jodoform den Componenten des Thier- kiirpers chemisch indifferent gegenttberzustehen seheint, sah ich an- fangs keinen reehten Weg vor mir zum VerstEndniss jener Wirkung. Vom Chloroform ist die selbst auf der Epidermis anEtzende Thi~tig- keit bekannt. Beim Jodoform dtirfte das Freiwcrden einer guten Menge freien Jods in den Geweben die Ursache der beschriebenen ZerstSrnngen sein.

Jodoform, an und far sich tin sehr besti~ndiger K(irper, hat das Bestreben, in seinen L(isungen rasch zn d i s s o c i i r e n . L~sr man es in Alkohol, Aether oder f e t t e m O el und hi~ngt tiber die L~isung einen Sti~rkekleisterstreifen auf, welchen man mit Siegellack am St•psel befestigte, so gewahrt man nach wenigen Stunden bei ge- w~hnlicher Zimmerwarme die Jodreaction in dcm leer gebliebenen Theile der Flasche und in der L(isung die Jodbri~unung. Abwesen- heir des Tageslichts macht keinen wesentlichen "Unterschied.

Der Streifen mit Kleister tiber gepulvertes Jodoform viele Tage lang gehi~ngt oder tiber eine Emulsion yon diesem mit gew(ihnlichem oder anges~uertem Eiweiss bietet keine Spur yon Jodentbindung

1) Nothnagel, Berl. klin. Wochenschr. 1866. S. 32.

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Ueber Jodoform und Jods~ure. 319

dar. Das Fett des mensehlichen K(irpers wird also hinreichen, so- wohl im Darm wie im Unterhautzellgewebe Jodoform aufzul~isen, in den Krcislauf iiberzuFtihren and dort unter Entbindung yon Jod za zerlegen, and das muss bei den 37--39 ~ des thierischen Organismus noch raseher ffesehehen, als bei den 18--200 eines Zimmcrs. Was aus dem ftir sich unmiiglichen CH wird, darUber lassen sich h(Ich- stens Vermuthungen aufstellen.

Werden auf diese Weise in fetthaltenden Orffanen nach and nach die Jodatome einzeln~ also im naseirenden, ungebundenen Zustand, in Freiheit gesetzt~ so ist es leicht verstiindlieh, wie das dieht dabei- l~egende Zelleneiweiss yon ihnen erg'riffen and in seinen Functionen, bei stiirkerer Entbindang, wie in der Lebe 5 in seinem Bestand ver- ~,ndert werden muss. Schliesslich wird das Jod diejenigen Compo- nenten aufsuehen~ zu denen es die griisste Verwandtsehaft hat, and mit ihnen geliist erseheint es dann als Jodmetall in den Excreten, gerade so wie wenn wir freies Jod direct aufnehmen lassen. Blut- haltiger Harn~ wie B(ihm 1) bei Einverleibung des freien Metalloids in Jodmetall and Wasser gel(ist regelm~issig sah~ bekamen wit hie- reals, wahrseheinlich zum Theil, well bci uns die Dosis des stets vorhandenen aber doch nut langsam freiwerdenden Jod viel geringer ist, als sie es dort war. A b e t selbst wenn das zutrafe, braueht es nieht der einzige oder Hauptgrund zu sein.

Uebrigens wird nicht alles Jodoform im 0rffanismus so gespalten. Das geht aus dem deutliehen Geruch der Perspiration der oben- erwahnten Patientin hervor and wird mir noch yon anderer glaub- wtirdiffer Seite erz~hlt. Ein Apothekerffehilfe nahm~ am sieh yon der Syphilis zu befreien~ liingere Zeit hindureh Pillen yon Jodoform. Seine Ausdtinstung roch bald so stark~ dass sic yon der Umgebun~ hi~ehst unanffenehm empfunden warde.

Ich erw~ihne noch, dass einer meiner Sehiiler~ Dr. S i e g e n , 0~2 Jodoform auf einmal versehluckte. Nach 90 Minnten untersuehte er den Harn mit unreiner Salpetersiiure and Kleister and erhielt reich- liehe Jodreaetion. h'gend welche Unbequemliehkeit braehten diese zwei Decigramm nicht hervor.

Jod wird aus dem Jodoform im Organismus frei. Wir sehliessen dies aus dem Uebergang des Metalloids in den Itarn, w o e s nur in einer gel~isten Gestalt: also nicht als Jodof0rm vorhaaden sein kann,

t) Dieses Archly V. 337. Archiv ffir experiment. Pathologic u. Pharmakologie. YIII. Bd. 21

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320 xu c. Bi~z

ferner aus seinem Auftreten in fetti~liger L(isung. Dass nun abet das Jod als solehes n a r k o t i s i r e n d e Eigensehaften hat~ seheint aus der toxischen Einwirknng tier Jodsi ture hervorzugehen.

Betreffs der Jodsiiure besitzen wit eine Abhandlung yon M. M el s e n s in Brtissel. ~) Sie bespricht die Verunreinigung des K,I dutch das K J03 und die Gefi~hrlichkeit derselben. Ftinf Versnehe an Hunden liegen vor. Das Gemeinsame an ihnen ist~ dass die Thiere naeh einigen Gramm K J03 langsam zu Grunde gehen, ,, sans eonvulsions~ sans eris" und dass M e l s e n s allenthaiben im KSrper nur das Jodid, nirgends das jodsaure Salz naehweisen kounte. Dus Jodat ist also giftig und wird ferner yon den oxydablen Bestandtheilen des Organismus zu Jodid reducirt. ,,La faeilit4 de la d~composition de l'iodate de potassium en dissolution par les corps r~ducteurs, comme le sulfure d'hydrog~ne, I'acide sulfureux et l'acide arsenieux, fait eomprendre directement que ce sel doit reneontrer duns l'orga- uisme une foule de mati~res qui le r~duisent, eu tout ou en partie, en s'emparant de son oxygSne et laissant de l'iodure de potassium; mis en contact avee l'uriue fi'aiche et froide, l'iodate de potassium se r~duit en pattie et assez rite; si l'on chauffe, la r~duction marche plus rite."

R a b n t e a u berichtet ~), er babe einmal nichtkrystallisirtes Jod- uatrium verordnet; es sei hartn~tekiges Erbrechen und Abftihren da- nach aufgetreten, und bei der hierauf vorgenommeuen Untersuehung habe sich in dem angewandten Joduatrium eiue bedeutende Menge Jodat gefunden. Er prtifte nun die Wirkung des letztern so~ dass er eine Mischung yon 0~5 KJ und 0,5 KJO3 in 40~0 Wasser einem grossen Hunde in eine Vene der Vorderpfbte injicirt% und fund hierbei keine St~irung der Gesundheit~ wohl abeb wenn er das gleiche Gemenge per os eingab. R a b n t e a u erkliirte dies dadurch, dass~ wenn aueh die Jodmetalle und die jodsauren Salze fiir sich eine ziemlich grosse Bestiindigkeit Si~uren gegentiber besitzen ~), auf ein Gemenge der- selbeu hingegen die verdtinnteste Si~ure einwirke und daraus Jod in Freiheit setzen k(inne, dessen Wirkung auf die Magenschleimhaut sich mm vollz~ige. Dieser Erkl~rung entspricht tier Yersueh. Zu einer LSsung yon Jodnatrium~ ferner zu einer L(isung yon jodsaurem l~Ta- trium und endlieh zu einer L~isung yon beiden~ weleheu drei L~sungen etwas Stiirkewasser beigemiseht war~ ftigt er Magensaft veto Itunde

1) M6moires couronn6s et autres m6moires 1)ubli6s par l'acad6mie royale. Bd. Xu Brtissel. Junl 1865. p. 4~:-49.

2) Gaz. mid. de Paris. 1869. Iqo. 21 u. 22. 3) Das ist nicht ganz richtig. Jod entbinden (lie freien 8"~uren allerdings

nicht, wohl ~ber godwasserstoff und freie Jods~ure.

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Ueber Jodoform und Jods~ure. 321

hinzu und crhi~lt bei den zwei ersten Liisungen keine, bei der letztcn intensive Jodreaction. Ferner gab er einem Hund eln StUck Brod zu fressen und mit ciner Sonde wurden in den Magen dieses Thieres 1,0 Grm. reines Jodkalium und 0,l jodsaur. Kalium gebracht. Zehn Minuten nachher erbrach das Thier das Brod, welches dutch das mittelst der Salzs~ure des Magensaftes frei gewordene Jod dunkcl- violett gefiirbt war.

Derselbe Autor nahm 2,5 Grin. jodsaures Kali in 50,0. Wasser auf einmal. Die Wirkungen waren nur: etwas gestiirter Appetit, vcrst~irkte Speichelung und ein bis zum folgenden Tag andauerndes Geftihl yon anxidtd 6pigastrique.

Ich lasse nun zur weitern Aufkl•runff der giftigen Wirkung der Jodsi~ure die Versuche folgen, wclehe Hr. M S l l e r in seincr Doctor- dissertation verSffentlicht hat.

Yersueh IX. Mit grosscr Dosis. Graues Kaninehen 720 Grin. sehwer. 11 Uhr subcutane Injection yon 1,0 5TaJ03 in 12 Wasser gel(ist unter die Haut des Rtickens. l l h 5 m Thier sltzt vollkommen ruhig. Speichelfluss. 11 h 15 m Der Speiehelfluss ist heftig. Das Thier sehreit yon Zeit zu

Zeit. Si~zt iibrigens still und seheint jede Bewegung zu vermeiden. Die Athmung ist flach, kaum sich~bar, und wenig frequent.

11 h 30 m Harn wird gelassen~ in welchem bei sehwachem Ansiiuern die Anwesenheit yon Jodsaure nieht nachweisbar. Bei star- kern Ans~tuern erhalt man Jodreaetion.

11 h 45 m Das Thicr thnt einen Satz yore Tisch zur Erde, w o e s liegen bleibt, noch einige in gr(isseren Intervallen auftre- tende Athemztige~ dann kein weiteres Lebenszeiehen. Herz- t~ne nicht mehr zu h~ren.

Ycrsueh X. Mit kleiner Dosis. Junges graues Kanlnchen 610 Grin. sehwer.

9 h 35 m Injection yon 0~05 Grm. NaJ03. 11 h 20 m Injection yon 0,O5 ~aJ03. 11 h 50 m Bis jetzt zeigt das Thier keine Reaction.

Versueh XL Junges graues Kaninehen 500 Grin. schwer. 9 h 30 m Injection yon 0,1 ~NaJOa.

10 h 20 m Respiration nur 30 in der Minute. Der gelassene Harn zelgt keine Jodreaction.

10 h 45 m Das Thier zieht den Kopf allmahlleh ganz rtiekwarts. 11 h - - m Das Thier vermeidet selbst die geringste Bewegung, auch

anf Bertihrung reagirt es nieht mit Bewegung. 11 h 5 m Das Thier legt sich auf die Seite und sperrt den i~Iund welt

auf. Resp. 65 in tier Minute. 11 h 13 m Es sucht vergeblieh sich wicder aufzuriehten. Resp. 75 in

der Minute. 21.

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322 XVII. C. B~z

11 h 15 m Einzelne Zuckungen in den Extremitiiten. Die Athmung verschwindet~ Thier todt.

Section: Herz weich und schlaff~ in etwas diastoliseher Stellung. Blur venSs.

I e r s u e h i I I . In der Riicksicht un~ernommen~ (lass durch ktinstliche Respiration die Wirkung der v e r g i f t e n d e n Dosis yon 1%J03 viM- leicht aufgehoben werden k~inne. 10 h 30 m Junges Kaninchen 730 Grm. sehwer. An dem Thier wlrd

zum Zweck spiiterer kiinstlicher Respiration die Trachco- tomie ausgeftihrt.

10 h 45 m Resp. 74 in der Min. Injection yon 071 1YaJ0a. 10 h 50 m , 66 Herz 144

11 h - - m ,, 58 ,, 180 ,11 h 15 m , 54 , 180 11 h 30 m , 50 , 180 Respiration wird unregelmiissig. 11 h 40 m Die ktinstliche Respiration wird eingeleitet. 12 h 30 m Herz 144 in der Minute. 12 h 35 m Die ktinstliehe Respiration wird eingestellt, biatfirliche Re-

spiration 120 in der Minute. 12 h 40 m Iqatfirliche Respiration 90 in der Minute. 12 h 45 m Kiinstliche Respiration wieder begonnen. Injection yon 0,05

l~aJ0s. 12 h 55 m Herz 134 in der Minute.

Die ktinstliche Respiration wird unterbrochen und das Herz beobachtet. Pulsfrequenz sinkt. Ktinstliche Respiration wieder anfgenommen.

1 h 10 m Herz 120 in der Minute. 1 h 20 m , 130 , , ,, 2 h - - m Ktinstiiche Respiration unterbrochen. ~ati i r l iche Respiration

120 in der Minute. 2 h 5 m I~Iatiirliehe Respiration 100 in der Minute. 2 h 10 m Kiinstliche Respiration wieder aufgenommen. Herz 90 in

der Minute. 2 h 20 m Herz 96 in der Minute. 2 h 40 m ,, 100 ,, , ,, 3 h - - m Die kfinstliche Respiration wird aufgehoben. Herz 146 in

der Minute, nat[irliche Respiration 120 in der Minute. 3 h 15 m Die Caniile wird aus tier Trachea entfernt , das Thier ab-

gebunden. 3 h 30 m Das Thier nimmt normale Lage und Haltung an. 4 h - m Das Thier athmct normal~ soweit dies durch die ~ussere

Inspection zu ersehen ist. Bleibt am Leben.

Versueh X I I L Zwei Kaninehenbiicke yon gleichem Wurf. a ~ 1840, b ~ 1920 Grm. 3 h 10 m a Respiration 807 Puls 124.

b , 84, , 124. Bet a Tracheotomi% Cantile; gut bedeckt aufgebundeu.

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Ueber 5odoform und Jods~ure. 323:

3 h 15 m Sube. Inj. yon 0,2 jodsaurem Natron in 4:0 Wasser beiden Thieren.

3 h 35 m Dasselbe. 4 h 15 m 0~05 bet Beiden. 4 h 45 m Dasselbe. 4 h 52 m b lag mittlerweile auf dem Boden, fief anfangs umher~ wurde

allmiihlich ruhig~ kauerte in ether Ecke. Nunmehr aufge- nommen, um die Herzt6ne zu untersuehen, liisst es den Kopf hiingen. Das lterz ist nicht mehr ftihlbar 7 einige Athemziig% dann Tod in einmaliger Streekung nm 4 h 55 m.

Bet b wurde kurz vorher die ktinstliche Athmung in gauz ruhiger Weise unterhalten. Um 5 h. 15 m. zeigte es nach Aussetzen derselbeu eine krliftige Respiration yon 40 in der Minute~ einen Herzschlag yon 112. Um 5 h. 35 m. verendete es ungeachtet der fortgesetzten kiinst- lichen Athmung dureh Herzliihmung. Das Herz Sofort blossgelegt er- wies sieh nut ganz wenig noch reizbar auf meehanischen Insult.

Bet beiden Thieren waren dtinnfliissige Darmentleerungen yon 4 h. etwa an vorhanden~ ein bis jetz~ nicht erkliirtes Symptom, das 6fters bet den Jods~iureversuchen beobachtet wurde.

Versueh XIu Mit dreifacher Dosis wiederholt unter ktinstlicher Re- spiration, Schwarzes Kaninehen 750 Grin. sehwer.

9 h 30 m Znm Zwecke sp~iterer kiinstlicher Respiration wird die Tra- cheotomie ausgefiihrt.

9 h 40 m ~attirliche Respiration 88 in d. Minute. 9 h 45 m Injection yon 0~45 :NaJOa in ether 3proc. LSsnng in Wasser.

10 h - - m 57atiirliche Respiration 40. Einige Min. ktinstl. Respiration. 10 h I0 m , , 80.

10 h 20 m , , 76. 10 h 30 m , ,, 45 etwas unregelmassig~ ktinstliehe

Respiration wieder begonnen. 10 h 45 m Unterbrechung der ktinstlichen Respiration, nach 25 See.

Anfang der natt|rlichen Respiration. 10 h 48 m l'qatiirliehe Respiration 50 unregelm/issig. 10 h 50 m Kiinstliche Respiration. 11 h 10 m Unterbreehung der ktinstlichen Respiration, um das tterz~

dessen Schlag nicht mehr sichtbar i_st, zu untersuchen. Iierz- t6ne sind nieht h6rbar. Natiirliche Respiration scheint noch in Gang zu kommen~ aber nur einige ganz schwache Athem- bewegungen sind sichtbar. Thier todt.

Versuch X~ r. Zur Erkennung der etwaigen directen Wirkung yon lqaJO~ auf das Herz. Sehwarzes Kaninehen 730 Grin. schwer.

9 h 30 m Freilegen der Vena jugularis und Einftihrung einer Caniile in dieselbe.

9 h 40 m Herz 158 in der Minute. 9 h 45 m Injection yon 0,02 iNaJOa in die Vena jngularis. 9 h 50 m Herz 140 in der Minute. Injection yon 0~0t zNaJ0~. 9 h 52 m ,, 128 , . . . . 9 h 55 m Injection yon 0~01 l~aJOa in die Vena jugularis.

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324 XVII. C. B~z

10 h - m Hera 140 in der Minute. bTun wurde zur Klarstellung~ dass das ~aJ03 auf dem eingeschlagenen Weg das Herz auch wirkiich sofort erreicht habe~ ein bekanntes Herzgift KC1 angewandt.

10 h 2 m Injection yon 0~01 KCi in die Vena jugularis. Darauf Herzstillstand, Dyspno% dann Hera 160 in der Minute.

10 h 5 m Injection yon 0~01 KCI in die Vene. DaraufHerzstiilst~nd~ Dyspno% dann Herz 288 in der Minute.

10 h 10 m Injection 0~01 KC1 in die Vene. Darauf Herzstillstand~ Dyspnoe~ Tod.

RaJ0a besitzt also keine hervorragend directe Wirkung auf das Hera.

Yersuch Xu Hund von 2710 Grin. 11 h 45 m Subcutane Injection yon 0~5 NaJ0a (10proc. Ltisung). 12 h 10 m hat erbroehen. 12 h 25 m Injection yon 0~25 ~aJ0a. 12 h 35 m erbricht abermals. 12 h 50 m zum dri~ten Male.

1 h - - m Das Thier liegt ruhig in der Ecke~ aber auf einer Seite. Es lasst sich aueh nicht in eine aufrechte Stellung bringen~ sondern f~tllt bei den Versuchen auf die Seite. bTach einiger Zeit ist das Thief wieder zum Stehen zu bringen~ legt sich aber sofort wieder him

4 h ~ m Der Hund wird betaubt gefunden auf der Seite liegend. Temperatur 35~6~ Hera 144~ Respiration 24~ beides kraftig und gut. R e a g i r t n i c h t a u f s e n s i b l e n Reiz~ nur die Lider etwas reagirend. Pupille weit~ Anus hervorgedr~tngt.

Speichel massenhaft~ sehr ziih. Harn gelassen. In beiden mit Chlor oder rauehender Salpetersliure kein J nachweisbar.

4 h 55 m Ende unter Respirationsli~hmung. Herz schl~gt noeh lang- sam~ als die Respiration bereits stilt steht.

Hera blossgelegt steht still~ zuckt aber noeh einige Male auf Reize mit einer Nadel.

Der nach dem Tod eutnommene Harn zeig~ die Jodmetallroaetion. ~ieren sehr hyperamiseh.

"Versuch Xu Grosse Pinscherhiindin~ 5154 Grin. schwer. 8 h 30 m Subcutane Injection yon I~88 ~aJ03 in 1878 der L~isung.

10 h 15 m Beginn der bTarkose. Das Thier hat seine Munterkeit ver- loren, sitar traurig da.

10 h 45 m Das Thier sitzt v S l l i g a p a t h i s c h da~ hiirt nicht mehr auf Zuruf~ aufgejagt sehwankt es hin und her und setzt sich wieder.

11 h 15 m Fiillt auf die Seite und bleibt yon jetzt ab liegen. A u f - g e s e h e u c h t m a c h t es V e r s u o h c s i e h a u f z u r i c h t e n ~ fi~llt a b e t j e d e s m a l s o g l e i c h w i e d e r urn.

11 h 30 m Puls 150 kraftig. Respiration 38 in der Minute. 12 h 5 m Liegt bet~ubt auf der Seit% die Extremitaten sind gestreckt.

Das Thier l~tsst sioh tiber den Rticken auf die aadere Seite rollen~ ohne dass an seiner Haltung sich etwas andert.

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Ueber Jodoform und Jods~ure. 325

12 h 10 m Respiration 24. Puls weder zu fiihlen noch zu h6ren. 12 h 15 m Respiration sistirt. Tod.

Kiinstliche Respiration durch Compression des Thorax ruff noch 5 Minnten lang vereinzeltc Respirationen hervor.

12 h 20 m Oeffnung des Thorax: Herz steht~ nur an den +Sinus sieht man noch seichte Undulationen. Auf Kratzen mit der Scheere fiber die Vorkammern oder fiber die Ventrikel folgt noch 5 Minuten tang jedesmal eine totale~ nicht energisehe Con- traction. " "

Aus der Blase des todten Thieres geliagt es etwas Harn heranszudrficken. Anf Zusatz yon etwas Starkekleister and Schwefelwasserstoffwasser keine Reaction. ~achdem ein wenig Schwefels~tnrc hinzugefiigt ist, intensive Bl~uung.

Vcrsuch X u Vier Ranae temporariae ~r gleicher Schwere (30 his 33 Grin.) und gleicher Munterkeit. 10 h 15 m Subcutane Injection auf dem Rfieken.

o,ol aJ03 b 0,05 aJ0 rc aJ03r 0,5 in0~ld.LSsung in 0~5 / in 1~0 t in 2~0

AIie bewegen sich fortw~hrend unruhig un~er der Glocke umher and machen Fluchtversnche.

10 h 45 m d vertr~gt die Riickenlage. Athmnng sehr schwach. Herz- th~ttigkeit sehr schwach (Thorax geSffnet), 60 in der Minute. Herz sonst yon regelmassigem Umfang. Angennickhaut re- actionslos. Auftr~ufelung einer 1/2proc. Atropinl~sung auf das Herz ~ndert nichts (also nicht Vagusreizung~ sondern Vergiftung der motoEschen Theile).

11 h 20 m Hcrz fast todt. Vorderextremitaten t~ber die Brust gekreuzt~ schwaehe Zucknngen tier untercn Extrcmit~ten.

11 h 24 m :Noch ganz seltene Zuckungen des !terzens. t 1 h 20 m c Ertragen der R~ickenlage. Verminderte Reaction der b]'ick-

haut. Athmung selten. Kann sich noch aufrichtcn. Schwache Reaction auf sensible Reize.

l l h 45 m Herz diasto!isch stillstehend. Eintr~nfeln r Tropfen von'0~5proc. Atropin ruff bald Contraction der VorhSfe (44 in der Minute) hervor.

12 h 30 m Das Thier ist todt. Bet beiden FrSschen anssergew6hnlich rasche Todtenstarre (Tempe-

ratur des Zimmers 17 o C.). b Am Abend wird das Iterz blossgelegt. Befindet sich am folgendea

Tage ziemlich munter und ist am zweitfolgenden Tage noch halb gel~hmt. a Ruhig sich selbst ~iberlassen~ ist am folgenden Tage tr~tge. Abends

nnter fortdauernd wachsenden Erscheinungen der Narkose anscheine~d todk Beim Anschneiden des Thorax kommt er zu sich. Herz 24 in ~er Minute. Am zweitfolgenden Tage Morgeus ist er todt.

Yersueh XIX. Jodnatrinm und jodsaures Natron beim Frosch. Zwe~ Temporariae yon gleieher Beschaffenheit.

a) 0~05 NaJ in 1 aq. subeutan injicirt. b) 0~05 NaJ03 ,, ,, , ,

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326 Xu C. Blxz

Nach 4 Stunden a) munter~ b) todt. Igaeh 8 Stunden a) idem. Am folgenden Tage a) noch am Leben, erscheint etwas trage.

Zwei Temporariae (weibl.); a)40,0~ b) 4370 Grin. schwer. 10 h 15 m a) 0,025 NaJ03, b) 0~0125. 12 h 30 m a) ganz gelahmt. Rtickenlage.

b) theilweise gelahmt. Rtickenlage einige Seeunden ertragen. 4, h - - m Beide todt gcfunden.

Zwei Temporariae. a) etwas alt 0,005 NaJ03 in 0~5 aq. injicirt~ b) jiingcr 0~005 IgaJ03.

a) andern Morgens 9 Uhr todt gefunden. b) zeigt L~,hmung in den Hinterpfotcn~ die er nach dem Sprunge tr~ge

an den Leib heranzleht.

Betrachtet man die yon uns berttcksiehtigten Einzelheiten in der Vergiftung dureh das jodsaure Salz, so findet man leicht die Aehn- liehkeit mit der dutch Chloral oder Morphin heraus. Dolt wie hier zeigt sie sieh am deutliehsten beim Hunde, well bei ihm alas Sen- sorium am meisten entwiekelt ist. Die bald folgende Einwirkung auf die Athmung tritt bei jeder Gattung ein, alas Herz folgt am letzten.

Wie haben wir uns das Zustandekommen der Narkose des een- tralen Nervensystems durch die Jodsiiure zu denken~ da doeh nach R o s e J) das Jod kaum merklieh die Funetionen des Nervensystems alterirt ?

Der genannte Autor spricht yon dem Jod, welches frei in den Organismus eingefiihrt wird und dort sehr bald an circulirendes El-

.weiss oder an alas des Magens und der andern Aufnahmegewebe herantritt; wit dagegen haben es in unsern Versuehen mit dem Jod zu thun~ das erst i n n e r h a l b der Gewebe und zum Theil d u t c h die Gewebe freigemaeht wird.

Ieh erinnere an die Eigensehaft des narkotisirenden Jodoform~ sieh in fltissiffen Fetten zu l~sen und in die~er LSsung sehon bei Zimmerwarme binnen wenigen Stunden sein Jod auszuscheiden. Es wird kaum etwas dagegen einzuwenden sein, wenn wir uns vor- stellen, das dureh Hilfe der Fette des Speisebreies, des Unterhaut- zellgewebes u. s. w. geliJste Jodoibrm gelange auf diesem Weg in den Kreislauf und spalte dort sein Jod nach und nach ab.

Was das Schieksal der Jodsaure im Organismus angeht, so ist es vorgezeichnet dutch deren bekannte Eigenschaft, an oxydable KiJrper ihre 3 Atome 0 mit Leichtigkeit abzugeben. Bei der Mehr-

~) Arch. f. pathol Anat. 35. 12.

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Ueber Jodoform und Jods~ttre. 327

zahl der Yersuehe wurde auf die Ausseheidung der Jodsiiure durch den Ham geachtet. Es ergab sieh dabei: Naeh k l e i n e n Gabon liisst sieh n u r J o d m e t a l l im Ham naehweisen, der Sauerstoff des Jodats ist also yon den Geweben verzehrt worden. :Naeh g r o s s e n Gaben kreist immer noeh genug J o d a t im Blute, am anfangs kleine Mengen unzerlegt dureh die Nieren naeh aussen hin abzu- ftihren.

In letzterem Fall befindet sieh somit n e ben dem Jodat stets Jodmetall, und darin liegt die Ursaehe des Freiwerdens yon Jod in den Geweben. Ein wenig Jodnatrium mit jodsaurem :Natron in Wasser zusammen gel(ist und mit einer Saure b e s e h i e k t - schou alas Einleiteu'v0n Kohlensi~ure g e n t i g t - entwiekeln sebr bald freies Jod.1) Es ist das eine, wenigstens in Bezug auf die starkere Siiure, bekannte Thatsaehe. Das gesehieht so, dass z. B. die Kohlensiivre aus dem iNaJ Jodwasserstoff bildet, aus dem :NaJ03 Jodsiiure loekert. Freier JH nun und freie H J03 zersetzen sieh gegenseitig derart, dass si~mmtliches Jod als solehes frei wird. Wir batten demnaeh folgende Formeln flit das, was im Organismus naeh der Aufnahme eines jodsauren Salzes nothwendig gesehieht:

1) NaJ03 -~- redueirendes Gewebe gibt NaJ. 2) 2NaJ -t- C02 + H20 ~--- :Na~C03 -~ 2Jtt. 3) 2:NaJ03 -+- C02 + It20 ~- Na2C03 + 2tiJOa. 4) 5JH -+- ttJ03 ~ 3H~O A- 6J. Damit wird uns die llihmende Wirkung des jodsauren :Natrons

auf die Nerveneentren verstandlieher. Betrachtet man eine fl'isehe klare Ganglienzelle unter dem Mikroskop und l~isst eine ganz ver- diinnte Jodliisung darauf einwirken, so sieht man Sehw~irzung, die wol eine Geri~uung des Protoplasmas ist, sieh einstellen. :Nun w~ssen wir, dass im Centralnervensystem eiu starker Stoffweebsel herrscht. Kohlensi~ure und andere stlirkere Siiuren werden in jenen Organen, die einer anhaltenden Thi~tigkeit unterworfen sind, gebildet, und wtische das alkalisehe Blur sie zicht f o r t w i i h r e n d in geniigender Weise aus, wie z. B. im Respirationseentrum, so ware rasehe Liih- mung die Folge. Wo aber die Bildung des freien Jods, beginnend mit tier Reduction des jodsauren Salzes so gtinstige Vorbedingungen findet, da muss auch das Geschehen des vorher gesehilderten Pro- cesses und damit die Lahmlegung der :Nervensubstanz dureh alas Jod im s t a t u s n a s e e n s erwartet werden. Diese Lahmlegunff ist

1) Wer diesen einfachen Versuch anstellt, kann leicht in die Lage kommen, ihn nicht best~tigt, d. h, den Kleister ungefi~rbt bleiben zu sehen, wenn durch ein Uebermaass yon J'odmetall das freiwerdende Jod an dieses sich heffet.

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eine vorUbergehende and kann sogar cinch heilenden Charakter an- nehmen, wenn d~s eing'eftihrte Jodpr~parat (CHJ3) in massiger Weise einwirkt; sie ist eine bleibende, wenn die Entwicklung der freien l~Ietalloide in dem hTervensystem massenhaft wird.

Dass neben den lqervenzellen dann aueh andere Organe leiden, stiitzt meine Erkl~rung. Jedes wird durch die anmittelbare Ein- wirkung des eben in ihm frei~ewordenen Giftes getroffen und in seiner specifischen Th~itigkeit gesti3rt. Eine in den Anf~tngen neuter Verfettung begriffene Leber kann ebensowenig ihre regulate Arbeit ausftihren~ wie ein yon Jodatomen belastetes Gehirn.

Wenn ich auf Grund der vorgefiihrten Thatsachen dem Jod, sobald es frei im Nervensystem ~uftreten kann~ narkotisirende Eigen- sehaften zuschreibe~ so will ich dabei nicht verneinen, dass der den 3 Atomen Jod im Jodoform hinzugefiigte Kohlenwasserstoff nieht auch daran betheiligt sei. Wir wissen ja , dass die reiaen Kohlen- wasserstoffe iiberhaupt nach dieser Richtung bin th~tig sind. Ieh babe das speciell ftir die ~therischen Oele nachgewiesen. Vielleieht wirkt demnach beides zusammen. In der Jods~ure ist ein soleher aber nicht vorhanden, und ihre bet~ubende Wirknng ist doch deut- lieher wie die des Jodoform.

Die narkotisehe Eigenschaft unserer beiden Jodpr~parate mit ihrem freiwerdenden J o d erinnert reich an die Verwerthung der B r 0 m- pr~parate bei Erregungszust~nden des Gehirns und Riickenmarks and an die ausgezeiehnete hypnotisehe Fahigkeit der dutch C h lo r sub- stituirten Kohlenwasserstoffe.

Bromalhydrat, Bromoform und Brommetall wirken depressoriseh auf die Nerveneentren ein. ~) Dass erstere zerlegt werden, ist w~hr- seheinlieh, nnd d~ss letzteres in unserem Organismus zerlegt werden kann~ habe ich schon fl'iiher im Hinblick auf die Zerlegung des viel fester geftigten Kochsalzes in unsern Labdrtisen hervorgehoben. 2)

1) Schuchardt , Haadb. d. Arzaeimit~ellehre. 185S. S. 278 . - S te inauer , Arch. f. pathol. Anat. 50. 235 (1870). -- Feraer M'Kendr ick a. a. 0.

2) Deutsche Klinik. IS~3. S. 443. -- In eider unter der Aegide Yon Edlefsen ia Kiel erschieneaen Arbeit (dieses Arcbiv. u l) steht S. 33 eine kurze Bemer- kung i~ber meinea Artikel: ,,Die therapeutische Yerweadung des t~romkaiium", D. Klinik. 1873. S. 441. Der Sinn uad Ausdruck jener Bemerkung beruht offenbar auf fltichtigem Lesen seiteas des jungen Autors. Ich babe aa ihr za berichtigen, d~ss ich" 1) selbst tiber den fraglicheD Gegenstand g e a r b ei t e t habe, wean auch ohne das i~r den kranken Menschen Richtige zu treffen (vgl. Centralblatt 1867. S. 413) ; dass ich 2) am Scbluss meiner oben geaanaten und yon dem Kieler Autor citirten Abhandlung ausdrackllch die l~ISglichkeit der Bromkaliumwirkungen zu- geloe; trod dass 3) erst die aach dieser Abhandlung fo]gende Zeit uns die metho-

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Das Grubengas CH4 ist ftir unser Nervensystem indifferent, seine s~tmmtlichen Chlorproduete dagegen, soweit sie geprttft sind, er- weisen sich als Bet~tubungsmittel.

Wit haben Grund zu dcr Annahme, class Jod inncrhalb des Ge- hirns und Rttckenmarks, nattirlich in minimalen Mengen, aus dem Jodoform oder der Jods~ture entbunden bet~tubend wirkt. Parallel damit lassen sich Brom und Chlor gruppiren. Far den a l lg e- m e i n e n Effect mag es vielleicht gleiehgiltig sein, w a s sieh hem- mend an die Functionen unserer centralen Iqervensubstanz anh~ingt, ob ein ,,Ermildungsstoff" wie Milchs~ture, odor ein Alkaloid wie Morphin oder ein Haloid wie Jod, Brom und Chlor: Unf~thigkeit der specifisehen Leistung wird folgen. In erster Reihe diirfte es sieh jedoeh darum handeln, dass die betreffenden Stoffe ungebunden dort- hin gelangen oder dort erst frei werden. Es ist zu frith, in diesen Betrachtungen weiterzugehen; die angeftthrten Thatsachen jedoch werden beina Studium der ~iusserst wichtigen und interess~nten Frage naeh der Wirkungsweise unserer H y p n o t i c a - yon welcher aus auch auf den physiologischen Sehlaf helle Streiflichter i h l l e n - wohl in Anschlag zu bringen sein.

Eine weitere, praktisch vielleicht unwichtige, theoretisch aber interessante Seite kehrte mir das j o d s a u r e N a t r o n w~hrend der besehriebenen Untersuchungen hervor. So viel ich weiss, ist sie sonst noch nieht bemcrkt worden. Es ~ ist die f ~ t u l n i s s w i d r i g e Wirkung desselben. �9

Versetzt man frischen Harn mit dem genannten Jodat, z. B. zn 200 hiervon 1 Theil~ gleichzeitig ein Controlpraparat mit ebensoviel Jodnatrium, so fault dieses in der gewt~hullchen Zeit, jenes dagegen h~tlt sich wochenlang unversehrt. Es macht dabei nur zwei Farben- ver~tnderungen durch.

Beim Einwerfen und Ltiscn des Jodats in den frischen, leieht sauren ttarn nimmt dieser binnen einigen Minuten einen etwas dunk- lern Ton an. Er rtthrt nicht yon freiwerdendem Jod her, wie dies auch nieht zu erwarten ist und sich leicht erweisen l~tsst, sondern beruht offenbar auf gelinder Oxydation der Farbstoffe dureh die in Bertihrung mit der Sfiure fi'eigewordene HJOs. Faulniss kann nun

disch-klinischen Untersuchungen yon 'Stark, Otto u. A. fiber die nerven- beruhigenden Wirkungen des Bromkalium gebracht hat. Meine Arbeit citirt der Autor zwar an anderer Stelle, auf S. 3.3 seheint es aber, als ob ieh reich nur aaf eine theoretische Kritik beschrgnkt h~tte, und das ist nicht riehtig.

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in dem Harn nicht auftreten, well noeh freie Jodsaure zurtickblieb (sic ist leieht dutch Zusatz yon Kleister, etwas reinem Jodnatrium und Schwefelsaure naehzuweisen, einfacher noch dureh bereits fertig gebildete wasserige Jodwasserstoffsaure und Kleister; man vgl. oben S. 327 dis Formeln). Die freie Jodsaure aber duldet nicht das Auf- kommen tier Pilze, dutch deren Hili~ die F~ulniss erregt und voll- zogen wird, denn diese Pilze sind stark reducirende K~rper, werdea also bei der Entwicklung ihrer Keime sieh der 3 activen Einzel- atome 0 yon der HJO3 bemachtigen, und darum kann diese Ent- wick!ung bier ebensowenig weitern Platz greifen, als wenn wit eine entspreehende Quantit~t hypermangansauren Kalis dem Haru hinzu- gefi~gt h~tten.

A1]mahlieh wird dutch Reduction, sei es seitens der Harnbe- standtheile~ sei es seitens der Pilzkeime, eine gentigende Menge Jod- natrium formirt, ffleichzeitig dutch die freien Sauren des Hams daraus eine immer gr~ssere Menge Jodwasserstoff; und nun wird (s. Formel 4) soviel Jod in dem Harn frei, gelSst durch den t{J, dass es dem Auge, dem Gerueh und auch einem tibergehangten Kleisterstreifen sich leicbt kenntlich macht. Von einer F~ulniss des Harris ist nun weiter aus diesem zweiten Grunde niehts zu gewahren.

Ieh habe diesen Gegen~tand nut am Ham geprtift, well ieh einst- weilen keinen Grund hatte, naher auf ihn einzugehen, und well der Ham, woht stiekstoffhaltig abet eiweissfrei, sieh besonders daze1 eignet, die gesehilderte Umsetzung jederzeit dutch die bekannten Reagentien zu verfolgen. Einen harns~urere iehen l:Iarn wtirde man zur Anstellung des Versuches natiirlieh nicht wahlen. Die tIarn- saure verhindert gern jede Joderkennung dutch Starkekleister, und ferner reducirt sic in grSsserer Menge die Jodsaure gar zu rasch.

Ix dem vorher (S. 316) eitirten~ wie mir seheint far die Chirurgen sehr beaehtenswerthen Bueh yon L u t o n finde ieh S. 73 yon den erwahnten Eigenschaften der Jodsaure naeh einer andern Richtung" bin Gebrauch gemacht. L u t o n bedient sieh ihrer gegen caneroide GesehwUre bSsartiger Natur, ,,eomme il jouait le double rSle, de compose jod6 et do source d'oxygene: dest un eaustique assez ~nergi- que en raison, de ce dernier fait, et un resolutif special en egard au second". Spatere Mittheilungen bringen Belege dafiir.

Die Jodsaure hat schliesslich noch ein literarisches Interesse ftir reich gewonnen. Auf dem Wege des Experimentes habe ieh naeh- gewiesen, dass unser Organismus die Bedinffungen in sich tr~i~t, aus

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dem Jodkalium vortibergehend Jod in Freiheit zu setzen; es sind: das Protoplasma der Zellen und die Kohlensaure. Die Zerlegung wtirde nach der Formel 2KJ -~- 2C0~ ~- H20 A- 0 ~ 2KHC03 ~ 2J vor sich gehen/) and gemiiss den klinischen Erfahrungen yon dem Proto- plasma mehrerer k r a n k e n Gewebe besonders prompt ins Werk gesetzt werden~ nattirlich unter geranderung dieser selbst dutch alas Jod.

H. K ti h 1 e r referirte diese Arbeit in den Schmidt'schen Jahr- btichern Bd. I64 S. 241 und sagt zum Schluss~ direct ankniipfend an die eben mitgctheilte Formel:

,Der Beweis, class der Process auch ~nnerhalb des KiSrpers ebenso verliiuft, ist selbstredend hiermit nieht gefUhrt; die Entschei- dung wird darin liegen, ob im Blut und Ham neben Jodkalium j o d- s a u r e s Kalium nachgewiesen ist oder nicht."

tL K t i h l e r hat ganz Recht~ dass jener B e w e i s nicht gefUhrt ist~ denn mit keiner Silbe hatte ieh ihn zu ftihren unternommen. Es handelte sich nur um eine rationelle Anbahnung des Verstand- nisses der Jodkaliumwirkung im kranken Organismus. Einige Zeit nach der ersten Publication 2) meiner experimentellen Auffassung diescr Frage sprachen ein Chemiker ~) and ein Pharmakologe 4) die nahezu ~thnliche aus, beide offenbar ohne you der meinigen zu wissen. Ganz Unrecht aber hat H. K 5 h l e r mit dem Glauben, Jod, alas im Organismus irgendwo frei werde, ktinne oder mt isse sogar den Sauerstoff des Oxyhamoglobin an sich ziehen und Jods~iure aus sich machen. Dieser Glaube ist allein sehon ein chemisches Unding. Eine e l e m e n t a r yore Jod bekannte Eigenschaft ist ja gerade seine geringe Verwandtschaft zum Sauerstoff. Nirgends, wo leicht oxy- dable K~rpcr in so ilberwiegender Menge wie ira 0rganismus zugegen sind, kann aus Jod sich Jods~ure bilden. Und ferner: ,Jodsaures Kali erscheint als Jodmetall im Harn wieder", sagt B u c h h e i m auf Grand yon Versuchen 5) und ich muss alas vollkommen best~tigen.+) ~ur wcnn die Dosis gross ist, gelangen, well die Reduction immer- hin etwas Zeit erfordert, noeh qualitativ nachweisbare Mengen Jod- s~ure in den Harn, aber daneben stets das Jodmeta:ll, also die Jod- saure minus dem Sauerstoff gebunden an eine der B asen.

1) Arch. f. pathol. Anatomie. 62. 124. 2) Deutsche Klinik. 1873. No. 48. 3) Kf~mmere r , Arch. f. loathol. Anat. 59. 459. 1874. 4) B u c h h e i m , Dieses Arch. III. 104. 1874. 5) Lehrbuch. 1877. S. 121. 6) Vgl. schon M e l s e n s , oben S. 320.

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U m abet die gauze Haltlosigkeit auch dieser Randglosse K (i h- l e r ' s darzuthun~ habe ich die Sache experimentell gepriift~ was allerdings nach si~mmtliclaen bereits vorliegenden Daten kaum nS- thig war.

Yersueh XX. Ein Kaninchen yon 1420 Grin. crh~lt 0~05 Jod auf- gel6si in l0 Wasser und eewas KJ subeu~an. Ftinf Stunden sparer wird der Ham des Thieres durch Druek auf die Blasengegend entleert. Es sind gegen 6 C.-Ctm. El" reagirt alkalisch und enthiiit B l u t und E i- we iss . Ersteres ist sehon YOre blossen Auge erkennbar und wird durch das Spectrum bestatigt.

Kleister zugesetzt nebst einigen Tropfen Chlorwasser zu einem Dritte! dieses Hams gibt starke Bl~uung ; Kleister uncl Uebersiittigen m[~ Sehwefel- si~ure gibt nichts. Auch nach stundenlangem Stehen ist keine Spur einer Bliiuung zu gewahren. Zusatz einer ~usserst kleinen Menge yon NaJOa ruft sic augenblieklich hervor.

Am folgenden Morgen hat alas Thier gegen 50 C.-Ctm. Ham frei- willig entleert. Er hat die n~tmllehe Besehaffenheit wie der erste und enthiilt ebenfalls reichlieh JodmetaH aber keine~Jods~ture.

Yersuch XXL Ein junger Kater yon 1700 Grin. bekommt Subcutan 0~12 Jod in 40~0 Wasser und ein wenig ~aJ gelSst an acht 8tellen in- jicirt. Innerhalb der n~iehsten 7 8tunden lasst er keinen Harm Er wird nun dureh 0702 Curare geffidtet. W~hrend des Verendens strSmt der Ham in krifftigem StrahI aus. Es sind gegen 20 C.-Ctm, stark sauer~ b l u r - und e iweisshalt ig. Die Gegenwart des Eiweisses hindert nicht die Erkennung der Anwesenheit eines Jodides. Nach Ausfaliung mit HN0a und Filtriren tritt sic noch deutlieher hervor. Von einem Jodat is~ keine Spur zu gewahren.

Der Nachweis der Jodsaure durch Schwefelsi~ure ist hSchst em- pfindlich~ aber nur dann mbglich~ wenn gleichzeiti~ ein Jodmetal[ zugegen ist~ was Jodwasserstoff schafft. Setzt man coneentrirte oder verdtinnte H~.S04 nebst Kleister einer Lttsung yon NaJ03 zu~ so entsteht kelne Bliiuung; sic entsteht ebenfalls nicht, wenn nur NaJ allein mit dem Kleister vorhanden war. Sofort tritt sic eiu, wenn man beide Fltissigkeiten mischt~ also auch wenn anfangs beide Salze gleichzeitig mit der Siiure zusammentrafem Der Hergang ist folgen- der~ wie bereits oben ftir die C02 ausgeftihrt: 1)

I) Wenn Dr. Sch~infeldt in Dorpat gegen mich sagt (Arch. f. path. Anat. 65. 451), gut ausgewaschene Kohlensiiure zerlege eine Doppell~sung yon KJ und KJO~ nieht, alas sei falsch, so darf ich ibm versiehern, class er im Irrthum ist. Die van mir aus Mariner und Salzs~ure entwickelte und in ~atriumbicarbonat gewaschene CO~ war so rein, dass sic in einer SilberlOsung w~hrend s/4 stiindigen Durchstreiehens keine Spur einer Tri~bung erzeugte; gleichwohl bli~ute sic obige DoppellSsung mit Kleister in 3--4 Minuten.- Dr. S ch5 nfeldt bezweife]t ferner die Mtbekannte Thatsache, dass Speichel das Jod aus anges~uertem KJ freimache. Es wird ibm leicht werden, sich das in Dorpat demonstriren zu lassen. Sein

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I) NaJ0a + NaJ ~ H2S04 ---~ Na~S04 -~ HJ03 -~- HJ. 2) ]=IJ03 ~- 5HJ ~ 3H20 -~ 6J. Sammtliches Jod der gesuchten Jods~iure wird also frei~ kein

Jodmetall bleibt tibrig, welches das Jod aufnehmen and die Reaction auf Kleister absehwi~ehen kSnnte~ - - vorausgesetzt, dass man nicht mehr NaJ nahm, als ebea erforderlich - - und darauf beruht die Feinheit derselben. Ich habe sie bis zu einer weitgelegenen Grenze verfolgt. Zu 250 C.-Ctm. frisehem menschlichen H am setzte ich 250 Wasser und 0,05 jodsaures Natron. (Man erinnere sieh, dass der saure Ham einen Theft des Jodates sofort reducirt.) Mit Kleister und einigen Tropfen cone. Schwefelsiiure war innerhalb einer Minute im Reagensglas die Blauung da, also bei einer Verdtinnung y o n 1 zu i 0~ 0 0 0. Die meist gebr~uehliehe Reaction mit Schwefelwasser- stoff land ich weniger empfindlieh.

Das Jod~ fl'ei in die Gewebe eingeftihrt~ hatte bei beiden Thieren Zeit und Gelegenheit~ sich zu oxydiren und als 15slicher und diffundirbarer K~irper im Ham zu erseheinen. Das unterblieb, und auch darum ist nieht der geringste Grund vorhanden~ dass es im Ham als Jodsaure erscheinen mtisse~ wenn es aus dem Jodkalium in der yon mir besehriebenen und sehematisch demonstrirten Weise durch Protoplasma und S~iure vortibergehend in Freiheit gesetzt wurde; und ebensoweni~ ist der Sehluss erlaubt~ dass da, w o e s als Jodsi~ure nieht erseheine~ es auch unm(iglich als freies Jod k6nne vorhanden gewesen sein. Die Priimisse, auf der jene Correetur meiner Theorie der Jodkaliumwirkung beruht, erweist slch somit yon allen Seiten her als unreif.

Einwand: .Yon einer freien Si~ure in] Speichel oder yon sa]petrigsauren Salzen in demselben kann bei der fast ausnahmslosen alkalischen Reaction desselben nicht die l~ede sein . . . . " ist mir unverst~ndtich, weft 5Titrite in sogar ganz stark alkalischen LSsungen vortrefflich bestehen kSnnen. Das salpetrigsaure Natron des Handels reagirt regelm~ssig alkalisch. Dass der Speichel erst in an- g e s ~ u e r t e r KJ-L(isung das Jod entbindet, habe ich i ausdrticklich hervorgehoben (vgl. bei u 62. 125). -- Mit dem ersten Bedenken yon ,Schiinfeldt, ich n~hme in meiner Theorie nicht auf die lebendige Th~tigkeit des Protoplasmas Ri~cksicht, und mein Pflanzenprotoplasma sei schon in der Umsetzung begriiten, x, erhhlt es sich so wie mit den beiden schon besprochenen. Eine hervorragende ]ebendige Thatigkeit des Thierprotoplasmas ist ja gerade, fortw~hrend in Oxyda- tion zu tre~en, und das N~mtiche thut in meinem Experiment das Pflanzenpro- toplasma, sobald ich es durch Zerreiben aus dem frischen Blatt in Freiheit setze. Hier wie dort demnach der gleiche u Hier gentigt er zusammen mit der KoMens~ure, das sonst so feste ~olektil KJ z u spre~gen. Warum soil erjdor~, bei K6rpertemperatur, dazu nicht gentigen? Ein triftiger Grund dagegea ist einstweilen noch nicht beigebracht worden.

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Schliesslich nochmal kurz die Resultate der vorgeftihrten Unter- suchungen tiber Jodoform und fiber Jods•ure:

1) Das Jodoform zelgt beim Hund und wie es scheint besonders bei der Kalze, wenn es innerllch beigebracht wlrd, narkotische Wir- kungen.

2) In giftigen Gaben erregt es acute fettige Entartung yon Leber, t terz und Nieren und tSdtct unter den Erscheinungen allgemeiner Lfihmung mit bedeutendem Temperaturab faU.

3) Jodoform in einem 3qi'lssigen fetten Oel gelOst setzt daraus in eb~igen Stunden Jod in Freiheit.

4) Jodsaures Natron erzeugt schon in relatlv m~ss(qer Gabe bei TMeren Narkose des GeMrns.

5) Jodsaures Natron wird ein Gift f i ir das Respirationscentrum. 1)ie LShmung, welche es hervorruft, kann abet dutch k~nstliche Re- spiration aufgehalten oder abgewendet werden. Zu slarke Dosen wirken tSdtlich durch directe Herzl~hmung. Kleine Gaben lassen das Tlerz unberi'~hrt.

G) Die JodsSure gehSrt zu den antiseplischen Verblndungen, an- f~inglich wegen Abgabe ihres activen Sauerstoffs, sp~ler wegen der Entwicklung van freiem Jod.

7) Es l~sst sich als wahrscheinlieh annehmen, dass Jodoform und Jods~ure narkotisch wirken dutch Abgabe freien Jods in den Nerven- centren.

8) Das jodsaure Natron verdient therapeutisch gepr~fl zu wer- den in allen Fiillen, in welchen bisher eins der o fficlnellen Jodpr~pa- rate angewendet wurde. JDem Jodo]brm sind wahrscheinlich manche der therapeutischen Erfolge eigen, welche die ausliindische Medicin bei innerm Gebrauch yon ibm r~hmt.

Dass aueh zur theoretisehen Kenntniss der beiden genannten K(irper noeh viel mehr als das bisher Erforsehte geh(irt, ist selbst- verstiindlich.

Bonn, im October 1877.